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IX. Aus der medieinisehen Klinik (Prof. Erb) und dem patholog. Institut (Prof. A r n o 1d) in Heidelberg. Weiterer Beitrag zar Lehre yon der heredit iren progressiven spinalen Muskelatrophie im Kindesalter nebst Bemerkungen iiber den fortschreitenden ~Iuskelschwund im hllgemeinen. Von ProL Dr. J. Hoffmann. (Mit 4 Abbildungen im Text.) Als ich im Jahre 1893 racine Arbeit: ,,Ueber die progressive spi- hale Muskelatrophie im Kindesalter auf familiarer Basis"~ ver0ffent- lichte (D. Zeitschr. fiir •ervenheilkunde. Bd. III. S. 427), stand wegen des verh~iltnissm~ssig rasch zum Tode ftihrcnden Verlaufes der Krank- heir zu erwarten, dass der einzige noch lebende kranke Knabe Louis Dreiling seinem Leiden in nieht allzu ferner Zeit erliegen, und dass dann abermals Gelegenheit geboten wtirde, durch eine weitere Au- topsie die im ersten Falle gewonnene anatomische Grundlage zu be- festigen. Der Jnnge starb auch im Alter yon 5 Jahrcn unter den bekannten seeund~iren Lungenerseheinungen~ aber die Section wurde nicht gestattet. Damit sehien die Aussieht ftir reich gesehwunden, in absehbarcr Zeit am Ausbau der Lehre dieser noeh selten beobachteten Form yon chronischer spinaler Kinderlahmung mitwirken zu kSnnen. Doeh es kam anders. Noch im Jahre 1894 wurde mir yon Herrn Dr. Werner in Sehwetzingen, dem Hausarzte der Familie t L mitgetheilt, dass auch bei dem jiingsten Kinde derselben Schwi~che in den Beinen bemerk- bar werde, genau wie bei scinen beiden gestorbenen Geschwistern. Ich s~umte nieht, reich yon der Riehtigkeit dieser Angabe zu tiber- zeugen~ and lasse die Krankengeschichte dieses Miidchens und~ da es spi~ter zur Obduetion kam, den anatomischen Befund bier folgen. Marie H.~ Wirthskind aus Plankstadt, war~ als ich sic am 24. Aug. 1895 zum letzten Male sah~ 21/2 Jahre alt. Das Kind kam ohne Kunst-

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IX.

Aus der medieinisehen Klinik (Prof. Erb) und dem patholog. Institut (Prof. A r n o 1 d) in Heidelberg.

Weiterer Beitrag zar Lehre yon der heredit iren progressiven spinalen Muskelatrophie im Kindesalter

nebst Bemerkungen iiber den fortschreitenden ~Iuskelschwund im hllgemeinen.

Von

P r o L Dr. J . Hoffmann.

(Mit 4 Abbildungen im Text.)

Als ich im Jahre 1893 racine Arbeit: ,,Ueber die progressive spi- hale Muskelatrophie im Kindesalter auf familiarer Basis"~ ver0ffent- lichte (D. Zeitschr. fiir •ervenheilkunde. Bd. III. S. 427), stand wegen des verh~iltnissm~ssig rasch zum Tode ftihrcnden Verlaufes der Krank- heir zu erwarten, dass der einzige noch lebende kranke Knabe Louis Dreiling seinem Leiden in nieht allzu ferner Zeit erliegen, und dass dann abermals Gelegenheit geboten wtirde, durch eine weitere Au- topsie die im ersten Falle gewonnene anatomische Grundlage zu be- festigen. Der Jnnge starb auch im Alter yon 5 Jahrcn unter den bekannten seeund~iren Lungenerseheinungen~ aber die Section wurde nicht gestattet.

Damit sehien die Aussieht ftir reich gesehwunden, in absehbarcr Zeit am Ausbau der Lehre dieser noeh selten beobachteten Form yon chronischer spinaler Kinderlahmung mitwirken zu kSnnen. Doeh es kam anders. Noch im Jahre 1894 wurde mir yon Herrn Dr. W e r n e r in Sehwetzingen, dem Hausarzte der Familie t L mitgetheilt, dass auch bei dem jiingsten Kinde derselben Schwi~che in den Beinen bemerk- bar werde, genau wie bei scinen beiden gestorbenen Geschwistern. Ich s~umte nieht, reich yon der Riehtigkeit dieser Angabe zu tiber- zeugen~ and lasse die Krankengeschichte dieses Miidchens und~ da es spi~ter zur Obduetion kam, den anatomischen Befund bier folgen.

Mar i e H.~ Wirthskind aus Plankstadt, war~ als ich sic am 24. Aug. 1895 zum letzten Male sah~ 21/2 Jahre alt. Das Kind kam ohne Kunst-

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tleredit~re progressive spinale Maskelatrophie im Kindesalter. 293

htilfe zur Welt~ machte im ersten halben Lebensjahre zappelnde Bewe- gungen mit den Armen und Beinen wie gesunde Kinder. Veto 7. b is 8. L e b e n s m o n a t e ab warden die yon den O b e r s c h e n k e l - u n d H i i f t m u s k e l n auszuftihrenden Bewegungen langsam m a t t e r . Ale ieh das Kind im A l t e r yon e i n e m J a h r e zum ersten Male sah, war es gut gen~thrt und yon einer Abmagerung nirgends~ aueh nieht an den Ober- schenkeln~ etwas wahrzunehmen. Aber es bestand bereits P a r e s e der O b e r s c h e n k e l - u n d B e e k e n m u s e u l a t u r ; aueh d i e R t i e k e n m u s - k e l n waren schon etwas g e s c h w a c h t ~ die P a t e l l a r r e f l e x e f e h l - t en . In den Fuss- und Zehengelenken waren die Bewegungen kraftig, die Arme wurden hoeh gehoben und in normaler Weise gebraucht. Die ~Sensibilit~it war nicht gest(irt und die inneren Organe waren nieht erkrankt.

Am 24. A u g u s t 1895 war das Kind am ganzen Kilrper zum Skeletg abgemagert. Aueh das Gesicht war mager~ aber nieht in gleieher Weise wie der Rumpf.

Geistig sell das Kind sieh normal verhalten, sell spreehen~ singen~ Alles beobaehten. Die hiJheren 8inne, die Augenmuskeln~ die Pupillen sind in ihrer Function in keiner Weise gest(irt. Das Geberdenspiel ist gut; aueh veri~ndern sieh die Gesiehtsziige in der bekannten Weise, aber es kann weder laut herausweinen, noch laut rufen. Die Zunge wird gut vorgestreckt und ebenso bewegt~ ist yon ganz normalem Volumen und nieht Sitz fibriU~rer Zuekungen. Sie kaut und sehluekt gut~ aueh Fliissigkeiten. Der Versuch, den Unterkieferreflex zu priifen~ misslingt~ da das Kind an- fitngt zu weinen.

Veto H a l s a b w i i r t s ist das Kind zum S k e l e t t a b g e m a g e r t ; , fast niehts als Haut und Knoehen" sind tibrig geblieben~ wie sieh die Mutter ausdrtiekt. Liegt das Kind zu Bert oder sonst horizontal~ so ver- mag es sieh weder aufzuriehten, noeh umzudrehen u. s.w. In seinem Kinderwagelchen kann es nur halbaufgeriehtet sitzen~ wenn es im Rticken und yon den Seiten her einen Halt gesehaffen bekommt; gesehieht dies niehtj so fiillt es rtiekwarts oder seitlieh urn. Die Mutter vermag das Kind nur in der Weise mtihsam zu halten und zu tragen~ dass sie das ganze Kiirperehen gegen sich andrtiekt.

Am starksten~ und zwar so g u t wie v o l l s t i i n d i g sind die O b e r - s e h e n k e l - und B e e k e n g t i r t e l m u s k e l n g e l a h m t und a b g e m a g e r t . Eine m~issige Flexionsstellung der Beine in Htift- und Kniegelenken ist nieht mehr viillig auszugleiehen. Die M u s k e l n am U n t e r s e h e n k e l sind b e i d e r s e i t s ebenfaUs p a r e t i s e h ; geringe Bewegungen in den Zehen- und Fussgelenken sind aber noeh miJglieh; die Fiisse stehen plantar- fleetirt. Die betreffenden M u s k e l n sind diinn~ weich~ s e h l a f f . Die P a t e l l a r - und A e h i l l e s s e h n e n r e f l e x e f e h l e n ; beim Kitzeln der Fusssohlen erfolgen blos Zehenbewegungen. Die Sensibilitiit ist intact; vasomotorisehe Stilrungen fehlen.

Es besteht ferner L i t h m u n g de r R i i e k e n - und B a u e h m u s k e l n nebst F e h l e n d e r B a u e h r e f l e x e .

Aueh die M u s k e I n am H a 1 s e ~ sowohl die Cueullares~ Sternoeleido- mastoidei u. s. w. wie aueh die tiefen Halsmuskeln sind g e s e h w ii e h t und a b g e m a g e r t . DasGleiehe gilt yon den S e h u l t e r g i i r t e l - und B r u s t m u s k e l n wie aueh an d e m g a n z e n M u s k e l a p p a r a t e d e r

Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilkunde. X. Bd. 20

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294 IX. HOFFMANN

o b e r e n E x t r e m i t ~ i t e n bis zu den k l e i n e n H a n d m u s k e l n herab. Die Atrophic ist eine diffuse, wenn sic aueh gegen die H~inde bin etwas abnimmt; die Thenar und Hypothenar nicht mehr rund und voll~ sondern abgeflacht und dabei weieh anzuflihlen; die Spatia interossea vertieft. Die M. supinatores sind vorhanden, aber ebenfalls yon dem Krankheitsproeess er- griffen. Die Sensibilit~t ist intact, die mechanische Muskelerregbarkeit sehr herabgesctzt, vasomotorische Ver~tnderungen der Haut f e h l e n . - I q i r g e u d s am K~rper sind f i b r i l l ~ i r e Z u e k u n g e n zu sehen. - - Die S e h n e n r e f l e x e f e h l e n an den Armen; die elektrisehe Untersuchung konnte aus ~usseren Grtinden nicht vorgenommen werden.

Es sei noeh bemerkt, dass das Kind die Finger, H~nde und Vorder- arme noeh ganz ordentlich bewegt, aber die Bewegungen sind kraftlos. Im Sehultergelenk werden die Arme bis zur Horizontalen erhoben.

Es besteht T r i c h t e r b r u s t , aber im Uebrigen niehts yon Rhaehitis. Das Herz~ die Lungen, Leber and Milz bieten jetzt keine Abweiehung

yon der Norm. Puls 108, regelm~ssig. Es ist Neigung zu Lungenkatar- rhen vorhanden; der Husten ist zu dieser Zeit matt, kraftlos.

Die Function der Sphinetcren war stets normal. In der iNaeht vom 19. zum 20. O c t o b e r 1895 s t a r b das Kind

in wenigen Augenblicken~ nachdem es in den vorhergehenden Tagen etwas mehr gehlistelt hatte r i m Uebrigen aber taunter gewesen war und noch Abends vergnligt Kirchweihkuchen gegessen hatte.

Die S e c t i o n konnte erst am 21. October Morgens 11 Uhr verge- nommen werden.

An der betr~tchtlich abgemagerten Leiche nichts von Todtenstarre; m~ssige Gontractur in beiden Hiift- und Kniegelenken; Skoliose der Wirbel- s~ule im Brusttheil naeh rcehts, compensatorisehe Verkrtimmung in der Hals- und Lendenwirbels~tule; Genu valgum, Triebterbrust.

Am Sch~idel, den Gehirnh~iuten und dem Gehirn bis zur Medulla ob- longata herab keine pathologischen Ver~nderungen. Das RUe k e n m a r k zeigt noch gute (~onsistenz, hat eine yon der Norm nieht abwciehende GrSsse. Die v o r d e r e n W u r z e l n sind in der ganzen L~nge des Rtieken- markes s t a r k a t r o p h i s e h ~ yon g r a u w e i s s e r F a r b e , w~thrend die hintcren Riiekenmarkswurzeln kr~tftig ausgebildet sind. Auf friseh am Riiekenmark angelegten Querschnitten hcbt sich die graue Substanz gut ab.

Die M u s k e l n ~ welehe untersucht wcrden konnten, hatten alle ein mehr oder weniger blassgelbes Aussehen. Der M. s a c r o l u m b a l i s war auf ein halbfingerdickes Btindelchen redueirt, sah gelblich roth und ge- streift aus. Das Gleiehe gilt veto M. q u a d r i e e p s , bei welchem die blass- gelben Ztige die noch r~thlichen bei Weitem [iberwogen. Der M. g a s t r o - e n e m i us sah speckig, wcissgelb aus mit wenig r~thlichen Muskelfaser- ziigen. Etwas weniger stark ver~tndert ersehienen die Extensoren an den Untersehenkeln. Alle Muskeln sind auffallend diinn. Nirgends eine An- deutung yon Pseudohypertrophie. - - S e h r dl inn sind aueh die iWn. e r u - r a l i s et p e r o n e u s ; die N. ulnaris und 1W. median, sind dicker als der 1q. cruralis. Die M u s k e l n de r A r m e sind alle atrophiseh, sehen aber noeh mehr r~thlieh aus.

Die Section der inneren Organe war nicht gestattet women. Die mikroskopische Untersuchung ergab: Motorisehe Region der Ge-

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hirnrinde, Kleinhirn, Gehirnstamm normal, ebenso die Hirnnerven I - - X mit ihren Kernen.

Die extra- und intrabulbare Hypoglossuswurzel ist in keiner Weise verandert. Die Ganglienzeilen des Hypoglossuskernes sind fast alle gut ausgebildet, nur ganz vereinzelt sieht man auf dem einen oder anderen Sehnitt eine verhaltnissmassig reeht kleine Zelle. Im Ganzen genommen ist aber der Hypoglossus als normal zu betraehten.

Die spinale Wurzel des N. a e e e s s o r i u s v e r h a l t s ieh wie d ie v o r d e r e n R i i e k e n m a r k s w u r z e l n ~ desgleiehen ihr Centrum im Riickenmark.

Von dem Bulbus medullae abwarts d u r e h das g a n z e R i i c k e n - m a r k hin sind die m o t o r i s e h e n m u l t i p o l a r e n G a n g l i e n z e l l e n d e r V o r d e r h ~ i r n e r e n t w e d e r v o l l s t a n d i g g e s e h w u n d e n o d e r s t a r k a t r o p h i r t ~ g e s c h r u m p f t ~ ohne dass dadureh - - abgesehen in der Lendenansehwellung - - leere ZeIlbetten in gritsserer Zahl siehtbar ge- worden wiiren ; aueh fehlen pericelluliire Raume. Die an Volum stark redu- cirten Ganglienzellen bestehen oft nur aus einem nicht immer mehr normal geformten Kern mit geringem Plasmaleib, oder der Kern fehlt in einer wenig tingirten, blassen, nieht seharf umsehriebeuen Zelle. Normale~ grosse Ganglienzellen mit kraftigen Fortsatzen konnten in je einem Vorderhorn der Lenden- und Halsansehwellung gefunden werden 0--67 also eine auf- fallend geringe Zahl. Diese normalen Ganglienzellen liegen nieht in einer Gruppe, sondern zerstreut.

Das N e r v e n f a s e r n e t z der V o r d e r h i i r u e r ist ziemlich stark ge- l i e h t e t . Die yon den hinteren Wurzeln kommenden Reflexcollateralen kiinnen, da sie gut erhalten sind, dadurch um go besser bis in die Vorder- hiirner verfolgt werden.

Das Gliagewebe der Vorderhilrner ist nur wenig dichter als normal, die Gliazellen sind niiher aneinander geriiekt, doch sind diese Verande- rungen nur gering i Spinnenzellen fehlen. Die Blutgefasse sind was Wan- dung und Ftillung anbelangt, ganz normal.

Die T i i r k ' s e h e n S t r a n g e nnd die S e i t e n s t r a n g e (PyS und Seitenstranggrundbiindel naeh innen yore G o wers 'sehen Strang) heben sieh bei der W e ige r t'sehen Markscheidenfarbung dureh gr~ssere Blasse, bei Borax-Carmin-Hiimatoxylinfarbung durch intensivere Farbung yon den iibrigen Theilen der betreffenden Riiekenmarksabsehnitte ab. Diese Ano- malie ist schlirfer ausgesproehen an der oberen als an der unteren RUcken- markshalfte und setzt sich aufwarts nur big zum Bulbus fort. In diesen Bezirken ist das Gliagewebe diehter~ die Gliakerne stehen diehter, und die Axeneylinder und Nervenfasern erseheinen feiner als sonst; Gefass- veriinderungen fehlen auch hier.

Die G o ll'sehen Strange sehen bei der genannten W eig e r t-Farbung ebenfalls etwas blasser aus, ale die Burdaeh ' s chen Strange; da aber die Axeneylinder u. s. w. seharf hervortreten~ ist dieser weniger intensiven Farbung eine pathologische Bedeutung nieht beizumessen. Die nieht spe- eiell angeftihrten Leitungsbahnen und Bezirke yon grauer Substanz bieten niehts Pathologisches; ebenso wenig der Centralkanal.

Die h i n t e r e n R i i e k e n m a r k s w u r z e l n sind gut ausgebildet und nieht krankhaft verandert.

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296 IX. HOFV~AN~

Die v o r d e r e n R l i e k e n m a r k s w u r z e l n sind sowohl in ihren intra- wie ihren extramedull~iren Absehnitten u n g e m c i n s t a r k in i h r e m Vo lumen r e d u c i r t u n d d e g e n e r i r t . InfolgedesSchwundesderextra- medullliren Nervenfasern ist das Bindegewebe nebst seinen Kernen mehr zusammengertickt, und so erseheint das Endo- wie Perineurium ver- mehrt.

Im Leaden- und Halsmark~ aber aueh im Dorsalmark fallen in den vorderen Wurzeln auf Quersehnitten kleinere und griissere Inseln eines strueturlosen, selten einen Kern enthaltenden Gewebes auf, welches sieh gegentiber den versehiedenen F i i rbungsmethoden- abgesehen yon der nieht angewandten (weil noch nieht b e k a n n t e n ) W e i g e r t ' s e h e n Glia- f ! i r b u n g - ganz so verh~ilt wie Gliagewebe. Auf ]•ngs getroffenen vor- deren Wurzeln erseheint dieses Gewebe in Ztigen, welehe sieh dutch die Pin mater hindureh verfolgen lassen. Dadurch wurde zuerst der Verdaeht erweckt~ es miichte sich um tIeterotopie yon Gliagewebe handeln. Dies ist aber keineswegs der Fall, sondern man hat es mit Nervenbiindeln zu thun~ welche zu structurlosem Gewebe umgewandelt sind. Sic finden sieh nur in der Nahe der Austrittsstellen der vorderen Wurzeln~ nicht in den hinteren Wurzeln oder der Cauda equina. In den spinalen Accessorius- wurzeln wird derselbe Befund erhoben; ausserdem liegen in den letz- teren Ganglienzellen~ welehe den Spinalganglienzellen an Form u. s. w. gleiehen.

Wie die vorderen Wurzeln sind auch g a n z e B tin d e 1 der C a u d a e q u i n a s t a r k d e g e n e r i r t ; in beiden finden sieh l e e r e N e r v e n - f a s e r b e t t e n in gr~isserer Zahl. Wenn auch im Grossen und Ganzen die bindegewebigen Scheidea der Nervenbiindel etwas verdiekt und die Nervenkerne reichlieher sind als normal~ so ist doch auffallend, dass bei fiinf his sechs leeren :Nervenfaserbetten gar kein Kern zu finden ist.

An vorderen Rtiekenmarkswurzeln~ welche mit l proc. O s m i u m - s i iure behandelt, dann gezupft wurden, tritt eine Ver~tnderung der Nerven- fasern in der Weise hervo b dass das Nervenmark in ungleieh grosse cylin- drisch gebliebene oder unregelmlissig~ spindelf~irmig geformte Stiicke zer- kltiftet ist, welehe durch markfreie Zwisehenstiicke zusammengehalten werden und in Liingsreihen rosenkranzartig angeordnet sind.

In gleieher Weise behandelte Zupfpr~iparate yore ~-. c r u r a l i s be- standen ungefiihr zur H~ilfte aus normalen Nervenfasern, wahrend die andere H ~ l f t e s i c h in D e g e n e r a t i o n b e f a n d . Die Fasern der letzten Art waren diinner als die normalen, ihre Markscheide war be- triiehtlieh reducirt, in feinkiirniger AufRisung. Seltener sieht man gr(issere Markkiigelehen; einzelne Fasern bieten variciJse Anschwellungen, in wel- chen das Nervenmark wie zerstaubt liegt. Osmiumsaurepr~lparate~ in Cel- loidin geh~irtet and gesehnitten, zeigen genau dieselben Veranderungen. Aueh bei der W e i g e r t'sehen Markscheidenffirbung ist die Ver~inderung sehr deutlieh. An mit Borax-Carmin-Hiimatoxylin behandelten Priiparaten bekommt man den Eindruek, als ob mehr Axencylinder vorhanden w~iren~ als naeh den Osmiumsi~uresehnitten- und Zupfpr~iparaten vermuthet wer- den konnte. Zwisehen den normalen Fasern liegen auf Quersehnitten klein% diffus triib geffirbte Inseln mit vermehrter Kerneinlagerungi auch auf Liingsschnitten hat man die gleiehe Kernvermehrung.

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Herediti~re progressive spinale Muskelatrophle im Kindesalter. 297

Der N. p e r o n e u s bietet die gleichen Veriinderungen in etwas ge- ringerem Grade; normale Fasern sind reichlicher.

In viel geringerem Grade sind der N. r a d i a l i s und N. u l n a r i s erkrankt; die Degeneration in diesen Nerven steht in gar keinem Ver- hliltniss zu der Alteration tier vorderen Wurzeln der Halsanschwellung.

Mit Ausnahme eines Stiiekehens des M. quadrieeps~ welches nach der M a r e h i'sehen Methode behandelt wurde~ wurden alle tibrigen M u s k e 1 a in Mii l le r ' scher Fliissigkeit geh~rtet~ in bekannter Weise mit Hiima- toxylin~ Hiimatoxylin-Eosin~ Borax-Carmin-Hiimatoxylin gcfiirbt~ sowie naeh der W e i g e r t 'schen Markscheidenflirbung behandelt.

An dem Querschnitt des M. q u a d r i e e p s fallen naeh F~trbung mit Hi~matoxylin-Eosin, mehr noch bei der We ige r t ' s ehen Fiirbung schon bei makroskopischer Betrachtung kleine Bezirke auf~ well sic mehr homogen gef~rbt u. s. w. aussehen~ als ihre Umgebung. Dies allein sind normale oder anni~hernd normale Muskelbtindel, welehe in ihrer Gesammtheit ungefithr i/lo--t/15 des gesammten Quersehnittes ausmaehcn.

Mit Zeiss AA, Ocular 3 bekommt man ein wahrhaft zierlieh aus- sehendes Bild. Die MuskelbUndel- und-felder sind angeordnet wie unter normalen Verh~iltnissen~ sind nur auf ein sehr kleines Volumen redueirt; man sieht einen M u s k e l en m i n i a t u r e im wahren Sinne des Wortes~ denn ganze Felder sind gleichmiissig zusammengesetzt aus Muskelfasern yon 4~8--10/~ Durehmesser~ wclehe eine rundliche oder nahezu rundliche Form habcn. Dann bemerkt man aber auch solehe Felder~ in deren Mittc eine ann~ihernd normal grosse, eine griissere Anzahl gleieh oder verschieden grosser Muskelfasern von runder oder, wenn sic bei einander liegen~ polygonaler Form zu finden ist. Beztiglieh des Durchmessers und der Rundung der Muskelfasern erinnert das Bild an die Muskeln ~Neu- geborener. Die wenigen bereits erwahnten BUndel von dem Aussehen der Muskeln Erwachsener sind entweder in tote zusammengesetzt aus po- lygonalen Fasern yon einem Durehmesser yon 35--70 /~ oder aus Fasern von vcrschiedenstem Durehmesser~ so dass neben solehen von normalem Volumen kleinere und ganz kleine liegen~ von welehen 10--20 auf den Quersehnitt einer der ersteren gehen. Die aus kleinen diinnen Fasern zusammengesetzten Muskelfelder m~gen wohl L9/2o aller auf dem Quer- schnitt getroffenen ausmachen. Dabei litsst sich nirgends ein viilliger Schwund yon Muskelfasern naehweisen; es bestehen also hier keine Kern- felder oder Andeutung solcher.

Auf Liingssehnitten haben diese kleinfaserigen MuskelbUndel ein wel- liges Aussehen und machen sich wegen tier einander niiher geriickten Kerne dutch eine b l a u l i c he Farbe bemerkbar~ wenn Hamatoxylinfitrbung vorausging. Al le~ auch die feinsten Fasern besitzen eine se h r de u t- l i e h e Q u e r s t r e i f u n g . - - Eine Kernvermehrung~ zu deren Annahme man sieh bei fltichtiger Betraehtung verleiten lassen kiinnte~ hat nieht stattgefunden~ eher ist das Gegentheil der Fall. Von 50 nebeneinander liegenden F a s er n v on 5 - - 10 ~ Durchmesser batten auf dem Quer- sehnitt 30 gar keinen Kern~ 19 einen und nur einer zwei Kerne; in einem anderen Blindel hatten 19 Fasern keinen~ l l einen Kern; es kommt also a u f z w e i F a s e r n n i e h t e i n m a l ein K e r n . Dagegen hatten die MuskelbUndel mit normal grossen Fasern aueh bcztiglich der Kernzahl

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normale Verh~tltnisse; yon 30 Fasern hatten 2 keinen~ 10 einen, 14 zwei, 3 drei, I vier Kerne, was auf je eine Faser 12/a Kerne maehen wtirde. - - Auf dem Quersehnitt der einzelnen Muskelfasern war die Trennung der Muskelsubstanz in kleine Feldehen seh~trfer ausgesproehen als ge- w~hnlieh. - - V o n fettiger, waehsartiger oder ,homogener" Entartung der Muskelfasern nirgends etwas naehweisbar; ebenso fehlen Vaeuolen~ dieho- tomisehe Theilung und Kernreihen. 1~iehts yon Fettanh~tufung um die Get'asse u. s. w. - - Die intermuseul~tren Bindegewebsztige sind breiter als normal. Die Blutgef~isse haben alle ein deutliehes Lumen; die adven- titielle Seheide erseheint besonders an den Gef~tssen gr~sseren Calibers m~tssig verdiekt.

Die i n t e r m u s e u l ~ t r e n l~Tervens t~ tmmehen sind im Zustand mittelstarker Degeneration.

M u s k e l s p i n d e l n sind vorhanden, aber nieht in so grosser Zahl als in den n~tehstbesehriebenen Muskeln.

Aus der W a d e waren zwei Muskeln im gleiehen PrKparat vertreten, Der e i n e derselben zeigt Ver~tnderungen ~thnlieh derjenigen des Quad- rieeps, doeh mit dem Untersehiede, dass neben Feldern mit ganz dtinnen Fasern andere zu finden sind, welehe nur aus runden Fasern grfisseren Durehmessers zusammengesetzt sind~ und daneben wieder andere, welehe der Norm nahe kommen, ohne sie aber zu erreiehen. In den Binde- gewebstheilen ist das Fett m~tssig vermehrt. Die Gef~tsse und 5Terven des Muskels verhalten sieh gleieh jenen des Quadrieeps. Der mit diesem verwaehsene z we i te M u s k e 1 besitzt ganz abweiehend yon allen librigen Muskeln eine m~teh t ige F e t t e i n l a g e r u n g zwisehen die diinnfaserigen auseinandergespre~gten Muskelbtindel und Muskelbtindeltheile. Es besteht also hier L i p o m a t o s e . ~ervendegeneration fehlt aueh hier nieht.

Viel mehr normal aussehenden Muskelbtindeln begegnet man in den E x t e n s o r e n a m U n t e r s e h e n k e l ; yon diesen herab bis zu den dtinnsten Fasern sind a l l e Z w i s e h e n s t u f e n zu finden; aueh hier ist es nut ausnahmsweise zu Sehwund der Muskelfasern gekommen. Die Fetteinlagerung in dem intermuseularen Bindegewebe ist reiehlieher als normal.

Der S a e r o l u m b a l i s verh~tlt sieh wie di,e Extensoren am Unter- sehenkel~ nut die Fetteinlagerung im Bindegewebe ist geringer.

Die B e u g e r am V o r d e r a r m sind ebenfalls zusammengesetzt aus Btindeln yon dtinnen, mittelstarken oder fast normalen Fasern ; st~t r k e r sind d i e V e r ~ t n d e r u n g e n in dem T h e n a r . IndiesenMuskelnfindet man aueh viele Muskelspindeln. Die Muskel~tstehen der Nerven sind aueh hier degenerirt.

Von allen genannten Muskeln sind am reiehliehsten Muskelfasern yon normalem und ann~thernd normalem Durehmesser in den Beugern am Vorderarm; m~ssig hypertrophisehe Fasern vereinzelt.

Gesiehts- nnd Znngenmuskeln durften nieht entfernt werden

Die Beobaehtunff stimmt in allen Punkten so genau tiberein mit dem seiner Zeit yon mir entworfenen S y m p t o m e n b i l d , dass ieh die ganze Krankheit sehildere, indem ieh sin kurzes Resum6 des Falles gebe.

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Heredit~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 299

Das Kind, von gesunden Eltern gezeugt~ ohnr Kunsthtilfe geboren, verh~ilt sich in den ersten Lebensmonaten gleich eiuem gcsunden Kinde. Im 7. his 8. Monate beginnt langsam ohne bekannte Ursache und ohne Zeichen einer aeuten oder chronischeu Allgemeinkrankheit s c h l a f f e P a r e s e der Htif t- , Ges~tss- und 0 b e r s c h e n k e l - m u s k e 1 u beiderseits, welche sich im Verlauf yon Monaten bis Jahren s y m m e t r i s e h auf Rt leken- , Ha l s - , S c h u l t e r - , schliesslieh O berarm-~ V o r d e r a r m - und H a n d m u s k e l n einerseits, U n t e r - s e h e u k e l m u s k e l n andererseits fortsetzt dabei zu mehr oder weniger hochgradiger Li~hmung der befallenen Muskelgruppen ftihrt, wobei die am frtihest befallenen, am Stamm und au den Wurzeln der Extremit~ten gelegenen auch am st~rksten leiden. A t r o p h i c , F e h l e n der S e h n e n r e f l e x e sind damit verbunden~ secundi~re Geleuk- and Wirbels~tulenveranderungen gesellen sich dazu, w~thrend fibrill~ire Zuckungen vermisst werden, die Sensibiliti~t~ sowie die Sphincteren intact bleiben. Die elektrisehe Untersuchunff~ welche bei den frtiheres gestorbenen Geschwistern E n t a r t u n g s r e a e t i o n ergeben hatte, konnte in diesem Falle nieht vorgenommen werden. Die geistige Entwicklung warde nicht gehemmt, die Gesiehts-, Zungen- und Schlundmuskeln blieben his zum Tode, welcher mit 2L/~ Jahren dutch secund~tre Lungenaffection herbeigeftihrt wurde~ frei yon Liihmung.

Die a n a t o m i s e h e Untersuchung ergab: s y m m e t r i s c h e s eh r s t a r k e D e g e n e r a t i o n des p e r i p h e r i s c h e n N e u r o n s a l l e r u n t e r h a l b des H y p o s l o s s u s a b g e h e n d e n m o t o r i s e h e n N e r v e n p a a r e incl. des N. accessorins - - Sehwund und Degeneration der multipolaren Vorderhornganglienzellen his auf wenige Excmplare auf einem Qaerschnitt, hochgradige Degeneration der vorderen Rfieken- markswurzeln, weniger schwere Veranderuugen der peripherisehen Nerven und der intramuseul~iren l~ervenst~immchen;- ausserdem deutliehe Degeneration der Py S~ der TUrk'schen und eines Theiles des Seitenstrauggrundbtindelfasern, am st~rkstcn im oberen Brust- und im Halsmark~ nach oben hin fiber die Py-Kreuzung nieht verfolgbar. Im M u s k e l a p p a r a t e : e i n f a c h e A t r o p h i e in a l i e n S t a d i e n , welehe jedoch fast nirgends zu v(illigem Sehwund der Fasern unter Zurtiekbleiben yon Kernen fortgeschritten, und wobei es nur in einem der Wadenmuskeln zu st~rkerer Einlagerung you Fett~ zu Lipomatose gekommen ist.

Aueh dieser Obduetionsbefund deckt sich mit demjenigen, welchen ieh zur auatomisehen Grundlage meiner frtiheren Arbeit maehen konnte, in geradezu frappanter Weise. Dabei stammen die Autopsien~

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300 IX. HOFFMAN~

was besonders wichtig ist, yon Kindern nicht einer und derselben, sondern zweier verschiedener Familien. Ganz die gleichen anato- misehen Ver~nderungen im Nervensystem und in dem allein unter- suchten M. gastrocnemius hatte W e r d n i g in dem ersten seiner beiden im Jahre 1891 publicirten F~tlle (Archiv flir Psych. u. Nervenkr. XXII. S. 437) erhoben. Trotzdem der Autor die Alteration im Ner- system roll erkannte, sprach er sieh, verftihrt dureh den Beginn der L~thmung in der Musculatur des Beekenglirtels und der Oberschenkel, dahin aus, dass es sich um eine ,Form yon Dystrophie, des Typus L e y d e n - M G b i u s " handele, brachte sie mit den F~llen yon H e u b - n e r und P r e i s s zusammen und wies ihnen eine ,seharfe klinische Mittelstellung zwisehen der progressiven spinalen Muskelatrophie und der Dystrophie" an.

Im Jahre 1894 berichtete W e r d n i g tiber den weiteren klini- sehen Verlauf sowie tiber den anatomischen Befund seiner zweiten Beobaehtung unter dem Titel: ,Die frtihinfantile progressive spinale Amyotrophie" (Arehiv f. Psyehiatrie XXVI. S. 706). Wie sehon der Titel sagt, ist der Autor yon seiner frtiheren Ansicht beztiglieh der ZugehSrigkeit dieser Falle zur Dystrophie zurtiekgekommen und hat sieh meiner Ansieht~ wonaeh man es yon Anfang ab mit einer spinalen Amyotrophie ~,zu thun hat~ in allen wesentlichen Punkten angesehlossen, so dass eine Meinungsverschiedenheit in dieser Hin- sicht jetzt nieht mehr existirt.

Gehe ieh zunitehst etwas genauer auf die anatomisehe Seite ein, so ist hervorzuheben~ dass trotz der schweren Erkrankung der ner- vGsen Elemente der Vorders~ulen des Rtlckenmarkes, trotz der so starken Degeneration der vorderen Rtiekenmarkswurzeln und der ausgesprochenen, wenn auch nicht so auffiilligen Degeneration der peripherisehen Nerven sich nur eine , , e in faehe" A t r o p h i e - ab- gesehen von wenigen hypertrophisehen Fasern - - d e r Mu s k e ln ohne Kernvermehmng~ eher mit Kernsehwund, mit vGllig gut er- haltener Querstreifung land, solange die Fasern tiberhaupt noch als schmale Gebilde zu erkennen waren. Fast nirgends ist es, wie es bei meiner ersten Autopsie der Fall war, hier zu vGlligem Faser- sehwund gekommen~ sondern nur zu der einfaehen Atrophie. Es steht also trotz der starken Atrophie die Ver~inderung der Muskeln an Intensit~t eher zurtiek hinter derjenigen im Riiekenmark, wo mul- tipolare Ganglienzellen in grosser Zahl ganz versehwunden sind~ was entschieden mehr ftir den spinalen Ursprung des Leidens sprieht. Ieh halte deshalb ausser anderen auch aus diesem Grunde trotz der sog. einfaehen Muskelatrophie die Annahme ftir nicht riehtig, dass die

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Herediti~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 301

Myelopathie erst seeundlir zur Myopathie hinzugetreten sei. Es war oher auffallend, dass die Muskeln in ihrer Zusammensetzung, in ihrer Faserzahl, wenn aueh nur en miniature noeh gut erhalten waren.

Bilder, wie sic der M. quadrieeps bet, mussten wegen der so gleiehmiissigen Dtinnheit der Fasern bei dem huftreten des Leidens im ersten Kindesalter geradezu den Verdacht erweeken, die Mus- kulatur sei auf jenem Stadium der Entwieklung und Ausbildung stehen geblieben, welches neuerdings A. W e s t p h a l als fur die ersten Lebenswoehen charakteristiseh beschrieben hat. Dieser Ver- dacht konnte nieht aufreeht erhalten werden, well die sehmalen Fasern eher kernarm als kernreieh waren, und weil zerstreut in den Btindeln dtinner Fasern normal dicke lagen oder aber ganze Btindel normaler neben dtinnen zu treffen waren, und well endlich an einem Muskel Lipomatose bestand. Aueh die in meinem ersten Falle ge- machte Erfahrung, dass ganze Muskelbtindei gesehwanden waren, and nur noeh die zurUckgebliebenen Kernfelder an deren einstmalige Existenz erinnerten, musste bei Entseheidung dieser Frage fur eine wirkliche Atrophic gegen einen embryonalen Muskelzustand den Aus- sehlag geben.

Alle diese Ueberlegungen f~ihren zu dem Sehlnsse, dass das Pri- mare e ine l '~europathie , dass die Krankheit als e ine ch ron i - sehe sp ina l e Amyot rophie auf h e r e d i t i i r e r Basis zu betraeh- ten ist. Als Sttitze ftir diese Auffassung liesse sieh auch die Veriinderung in der weissen Substanz im RUekenmarke noeh anfiihren.

Es ist zu bedauern, dass eine elektrische Untersuchung in diesem Falle nieht vorgenommen werden konnte, weil analog dem Befunde bei seinen beiden Gesehwistern EaR mit grosser Wahrseheinliehkeit gefunden worden wi~re.

Von einer homogenen oder scholligen Entartung der Muskeln neben der einfaehen Atrophic, welehe yon Werdn ig in seinem 2. Falle beriehtet worden, war niehts vorhanden.

Auf die Differentialdiagnose dieser Form ehroniseher atrophischer Spinalli~hmung einzugehen, kann ieh unterlassen, da ich in der Haupt- saehe doeh nut wiederholen k(innte, was ieh bei meiner ersten Ver- iiffentliehuDg vorgebracht habe.

Im Folgenden werde ich tiber eine dritte F a m i l i e beriehten, in w e l e h e r das g l e i e he Le iden he imi seh ist, und in welcher die E r b l i e h k e i t noch viel s e h a r f e r zum Ausd ruek kommt , als bei den bereits angeftihrten.

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Am 22. August 1895 untersuehte ieh das 3/4 Jahre alte Kind M a r - g a r e t h e G. in der Wohnung der Eltern. Es sitzt in der Sophaeck% zeigt sieh als ein munteres, lebhaftes Kind~ welches im Spiele mit seinen Gesehwistern laut auflaeht. Es halt den Kopf gerad% dreht ihn leieht nach allen Seiten, auch vor- und rtickwarts.

Seitens der h~iheren Sinne wie der Hirnnerven keine Functions- oder sonstige St~rung.

Die Arme werden gut gehoben; in allen Gelenken sind die Be- wegungen frei und in normaler Weite ausflihrbar; aueh gesehieht das Greifen nach vorgehaltenen Gegenstanden ganz sicher, wobei die H~tnde bis fiber Stirnh~lhe gehoben werden. Von Atrophien, fibrilli~ren Zuckungen~ Contracturcn ist niehts vorbanden. Die S e h n e n r e f l e x e sind n i e h t mit Sieherheit auszul~Isen; keine vasomotorisehen ttautveritnderungen~ keine Sensibilitatsst(irung.

Das Auskleiden des auf dem Tische sitzenden Kindes bereitet der Mutter Sehwierigkeiten~ well die genfigende Festigkeit zum Geradehalten in der Wirbelsliule fehlt.

Die Wirbelsliuie ist normal gebaut: es ist nirgends eine Spur yon Rhachitis nachweisbar.

Das Kind maeht Bengebewegungen im Htiftgelenk und kommt auch wieder in die Hiihe. :Nach vorn so welt gebeugt~ dass Bauch nnd Ober- schenkel sieh berfihren~ vermag es sieh nicht mehr aufzuriehten; die kleinste iiussere Veranlassung gentigt~ um es seitlieh umzuwerfen~ und dann ist es htilflos und kann sieh nieht mehr aufi'iehten~ wenn es nicht kritftig untcrsttitzt wird. Es besteht jedenfalls S c h w i t c h e der B a u e h - and u n t e r e n R t i c k e n m u s k e l n . Die B a u c h r e f l e x e fehlen.

Versneht man~ das Kind zu stellen~ so bricht es zusammen. Die B e i n e sehen rund und dick aus; die O b e r s e h e n k e l m u s k e l n ftihlen sieh aber welch an im Vergleieh zu den Waden. Die H i i f t b e u g e r ~ die G e s ~ s s m u s k e l n ~ der Q u a d r i c e p s sind beiderseits s e h r ge - s e h w ~ c h t . Das Kind kann hei dem Versuche~ die Beine gegeu den Leib anzuziehen~ die Knie h~ichstens 10--12 Cm. yon der Unterlage heben bei aufliegender Ferse. Aber nieht allein die genannten Muskeln am Obersehenkel sind paretiseh~ sondern auch die tibrigen dagelegenen~ wenn aueh nieht in gleiehem Grade. Die Untersehenkelmuskeln sind mit Aus- nahme des M. t i b i a l , ant . noch kraftig und bewirken gute Bewegungen in den Fuss- und Zehengelenken; tier letztgenannte Muskel ist beider- seits gesehwlteht. Die P a t e l l a r - nnd A c h i l l e s s e h n e n r e f l e x e f e h l e n ; beim Kitzeln der Fusssohle erfolgen Bewegungen in den Fuss- gelenken. Die Sensibilit~it ist normal. Die inneren Organe nieht ver- ~indert.

Die A r m - und H a n d n e r v e n ~ sowie die A r m m u s k e l n reagiren leieht auf beide StrSme; dagegen sind die :Nn. e r u r a l e s f a r a d i s e h und g a l v a n i s e h bei den anwendbaren Stromst~trken u n e r r e g b a r . Die :Nn. peronei reagiren auf den faradisehen Strom gut. Die O b e r - s e h e n k e l m u s k e l n verhalten sieh bei f a r a d i s e h e r Reizung stumm; dagegen antwortender Q u a d r i c e p s wie die A d u e t o r e n bei g a l v a - n i s e h e r Reizung mit tonischen tr~tgen Zuckungen (AnSZ~KaSZ).

Von Ende 1895 ab bemerkte die Mutter einen Fortschritt des

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Herediti~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 303

Leidens. Das Kind fiel ihr beim Waschen bald nach rechts~ bald nach links am und kam yon d a a b auch mit den Armen nicht mehr recht in die HShe. Geschrien wegen Sehmerzen bat es hie. Vom 7. Monate ab bekam es die Z~ihne zicmlieh rasch und w u r d e seither v i e l f e t t e r .

6. Februar 1896. Auf den Tisch gesetzt~ bleibt es gerade sitzen. Sobald ca abet lebhaft wird und sieh bewegt~ fallt cs am und liegt hiilflos da, bis es aufgeriehtct wird.

Es ist geistig sehr gut entwickelt. Die Mimik ist vorzliglich. Die Kopfbewegungen sind im Sitzen frei.

Die A r m e hi~ngen seitlich am Rumple herab, werden fast nur in den Ellbogen- und ttand-Fingergelenken bewegt, wenig in den Schulter- gelenken. Das Heben der Oberarme bis zur Horizontalen gclingt bei grosser Anstrengung nut unvollkommen, ebenso das Vorstreeken der Arme. Die Schultern besitzen weniger Rundung als friiher i keine fibril- ltiren Zuckungen, keine Sehnenrefiexe. Die Li~hmung der Beine hat ebenfalls an Intensit~tt noch etwas zugenommen, immerhin sind leiehte Zusammenziehungen der Obersehenkelmuskeln ohne wesentlichen Locomo- tionseffect der Glieder noch vorhanden. Der Umfang der Beine ist sehr gross~ bctriigt direct oberhalb der Patella 29 Cm. um die Wade 22~5 Cm.

E n d e O c t o b e r 1896. Im Laufe des Sommers lernte sic ganz gut sprechen~ war steis taunter, bekam aber einmal K a t a r r h mit sehr m a t t e m H u s t e n . Die B e w e g u n g e n s i n d im A l l g e m e i n e n n o c h m a t t e r g e w o r d e n ; nur mtibsam bringt das Kind die H~,indehen zum Mund, vorwiegend dutch Flexion im Ellbogengelenk and Vorbeugen des Kopfes.

Die A n a m n e s e ist folgende: Die beiden Eltern sind vollst~indig gesund, krliftig und intelligent, Von sechs gezeugten Kindern kam das erste~ ein Knabe~ am Ende der normal verlaufenen 8ehwangerschaft todt zur Welt. Das zwcite ist jetzt ein 9jiihrigcs gesundes Miidchen. Das d r i t t e ~ ebenfails ein Madchen~ bekam am Ende des 1. halbert Lebens- jahres Schwaehe in den Beinen, konnte spater nicht mehr aitzen~ den Kopf nicht mehr heben, die Arme nieht mehr reeht heben~ starb 5/4 Jahre alt. - - Das 4. K i n d , ein Knabe, erkrankte ganz in der gleichen Weise wie das vorhcrgehende, starb unter Ausbildung gleicbartiger L•hmung mit 11/2 Jahrea. Das 5. Kind ist ein gesundes~ lebhaftes M~idchen. Das 6. K i n d ist obige Kranke.

Die gesunden wie krankeu Kinder sollen stark am Kopfe gesehwitzt baben~ sehrien nieht wegen Sehmerzen~ aach nicht~ wenn sic angefasst wurden. Geistig waren sic alle sehr gut entwickelt. Die Sphincteren functionirten wie bei gesunden Kindern. Sic hatten hie Schwierigkeit im Trinken und Sehlueken. Die Ziihne kamen yore 7.--9. Monat ab. Kcines wurde yon Kriimpfen befallen. Sic starben alle an , L u n g e n k a t a r r h " bei biz znm letztea Athsmzug erhaltenem Bewusstsein.

Die M u t t e r hatte 11 Geschwister~ yon welehen nur noch ein an- geblieh sehr starker Bruder in kinderloser Ehe lebt. Von den anderen starb eines im Alter von 24 Jahren an Schwindsueht~ eines an .blaaem Husten". Die i i b r i g e n 8 G e s c h w i s t e r de r M a t t e r e r l a g e n , d e r K r a n k h e i t " z w i s c h e n dean 2. a n d 6. L e b e n s j a h r % meistens vor beendetem 4. Lebensjahre. Einige sollen sehon mit 4 - -5 Monaten schwaehe

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304 IX. HOFF~A~

Beine bekommen haben, die anderen erst im 7.--9. Monate; die Li~hmung kam stets schleiehend~ ohne bemerkbare Begleiterseheinungen. Bei den K i n d e r n , w e l e h e sehon i m e r s t e n ha lben J a h r e e rk rank ten~ se l l die K r a n k h e i t r a s e h e r v e r l a u f e n sein~ so dass bald die Arme und Halsmuskeln heimgesueht wurden. Bei m a n c h e n seien die Arme ganz diinn und v e r d r e h t gewesen .

Die Grosseltern leben beide noeh, sind riistige Leute. Welter auf- warts in der Aseendenz sol| yon der Krankheit niehts bekannt sein. Ver- wandtsehaftsehe liegt nieht vor, ebensowenig Potatorium, Lues oder ein anderes ~ttiologiseh anschuldbares Moment.

Es kann nicht leieht ein Zweifel dartiber entstehen, dass bier dieselbe Krankheit vorliegt, wie in den beiden anderen yon mir be- schriebenen Familien. Zum Beweise sei angeftihrt: die ausgesproehene E r b l i c h k e i t , d e r B e g i n n im 1. L e b e n s j a h r e , das Einsetzen der a t r o p h i s e h e n s e h l a f f e n L~ihmung in d e r B e e k e n g t i r t e l - u n d O b e r s c h e n k e l m u s e u l a t u r , die Progression tiber den R u m p f , S e h u l t e r g t i r t e l und H a l s , und a l s d a n n yon da in a b s t e i g e n d e r R i c h t u n g a n d e n u n t e r e n und o b e r e n Ex- t r e m i t ~ t t e n , das F e h l e n de r S e h n e n r e f l e x e , die Existenz der E a R , der be i d e n G e s e h w i s t e r n t S d t l i e h e A u s g a n g in dem 2.--5. K r a n k h e i t s j a h r e . Es fehlen eerebrale Symptome, L~th- mungen und Atrophien im Bereiche der Hirnnerven, ausgenommen den N. aeeessorius; es fehlen sensible und Sphineterenstiirungen, es fehlen aueh fibrilliire Zuekungen, und es fehlt Muskelhypertrophie. Aueh maeht sieh bei dem noch lebenden Kinde eine betr~ichtliehe Zunahme des K~rpervolumens bemerkbar, wohl bedingt dutch Fett- ansammlung im Unterhautzellgewebe.

In diesen wie in den beiden W e r d n i g'schen Fallen darf wohl mit Sicherheit angenommen werden, dass die Mutter den Krankheitskeim tibertrug. Die beiden Werdn ig ' s chen Kranken batten die gleiehe Mutter, stammten aber yon versehiedenen Vatern. Die Thatsaehe, dass aeht Gesehwister der Frau G. und bereits zwei ihrer eigenen Kinder dem Leiden zum Opfer fielen, l~tsst aueh hier eine andere Deutung nicht gut zu. :Die Krankheit geht dureh die Mutter dm'eh, lasst sie aber unbertihrt.

Zur besseren Uebersieht ftige ieh hier eine tabellarisehe Zusammen- stellung der bis jetzt bekannt gewordenen F~lle bei.

Es sind dies 22 Falle; 8 davon wurden itrztlieh untersueht, 4 se- eirt. In den allein mir zur Untersuchung gekommenen Familien kamen 20 Fiille vor, woven 6 untersueht, 2 seeirt wurden.

Bei den 4 Autopsien wurde 4 real sehwer erkrankt gefunden das peripherisehe motorisehe Neuron, 3 real in geringerem Grade im Vorder-

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806 IX. HOFFMANN

seitenstrang Degeneration angetroffen, 1 real (W e r d n i g) nicht, 4 mal einfaehe Atrophie der Muskeln nachgewiesen, in 2 F~llen gleichzeitig Lipomatosis, in einem ( W e r d n i g ) neben der einfaehen auch homo- gene und schollige Degeneration.

Fig. 1.

Fa l l yon T h o m s o n and B r u c e im Alter yon 4 Jahren 4 Monaten.

Eine von T h o m s o n und B r u c e unter dem Titel: ,,Progressive muscular atrophy in a child with a spinal lesion" (Edinburgh Hospital Reports. Vol. I. 1893) mitgetheilte Beobaehtung glaube ieh nach der Besehreibung, welehe Sachs (Treatise of nervous diseases of children. p. 416) davon giebt, cbenfalls hierher rechnen zu sollen, trotzdem es sieh um einen sporadisehen Fall handelt. Die Krankheit begann in

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Heredit~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 307

den unteren Extremitiiten, erstreckte sich allm~hlieh auf beide obere Extremitiiten und die Rtickenmuskeln; dabei fand sich etwas Sensi- bilitiitsstSrung (Hyperalgesie), ausgesprochene Parese am Halse, Rticken und A b d o m e n - am stiirksten in den titiften, der Ges~ssgegend und

Fig. 2.

Fal~ yon T h o m s o n und B r u c e im Alter yon 4 Jahren 11 Mona~en.

den Beinen, am wenigsten in den Schultern und Armen. Keine.Muskel- hypertrophic. Die elektrische Reaction war Anfangs wenig verandert; der galvanisehe Befund nieht genau gcnug angegeben. Die Kra,k- heit war unaufhaltsam progressiv.

S a c h s fugt hinzu, der Fall stehe um so mehr einzig da, als die Autoren eine Spinalerkrankung und nut eine geringe Veriinderung in

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808 IX. HOFFMANN

den peripherisehen Nerven gefunden hlitten ; T h o m s o n und B r u e e h~itten nieht versucht, dan Fall unter irgend einen Typus unterzu- b ringen.

Die Abbi!dungen~ welehe T h o m s o n und Bruce yon ihrem Falle geben, und welche ich deren GUte verdanke, sind so instruetiv und

Fi~. 3 a.

Fal l von T h o m s o n un~l B r u c e im Alter yon 5 Jahren 10 Nlonaten.

geben die Progression des Leidens so gut wieder, dass ich gut daran zu thun glaube, wenn ieh dieselbe hier beiftige, um so mehr, da die Kinder der Familien Dreiling und H., wenn das Unterhautfettgeweb o nicht mehr reiehlieh war, genau dasselbe Aussehen in den versehie- denen Stadien des Leidens botch.

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Heredit~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 309

Eine Zeit lang hatte es den Anschein, als ob nut die versehie- denen Formen der Dystrophic das Anreeht auf Erblichkeit h~tten. Davon wird man~ ganz abgesehen yon der neurotischen, jetzt auch ftir die myelopathischen Formen allmiihlich zurUekkommen mtissen, denn bereits mehren sieh die Beitriige von atrophisehen Li~hmungen

Fig. 3 b.

Fal l yon T h o m s o n und B r u c e im Alter yon 5 Jahren 10 Monaten.

spinalen and bulbiiren Ursprunges, welche gleichfalls auf heredit~irem Boden wurzeln. Fast scheint die Zeit nieht mehr so fern zu sein, wo die myopathischen ihre bulbospinalen Paralleltypen bekommen. Dann wird aueh die Zahl jener jetzt sehon nicht mehr gerade sel- tenen (Uebergangs-)Fi~lle noch waehsen, welehe die myopathische oder myelopathische Zwangsjacke sich nicht gefallen lassen. Hier soll

Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilkunde, X, Bd, 21

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310 IX. HoFv~As~

nur yon den b u l b o s p i n a l e n , direct h e r e d i t i t r e n odor familialen A m y o t r o p h i e n noeh kurz die Rede sein.

Zuniiehst lassen sich da, wenn auch einstweilen nut klinisehe, Beispiele beibringen, far einen e r b l i e h e n bu lb i i r cn G e s i c h t s - typus . So berichtet Faz io (s. b e i L o n d e ) , dass er cinc 22jiihrige Kranke auf der Abtheilung habe mit dem ausgesproehenen Bilde der progressiven Bulhiirparalyse, deren 41/~j~ihriger Knabe complete Liih- mung des unteren nnd fast complete Liihmung des oberen Faeialis- gebietes, mangelhafte, resp. aphonische Articulation, grosse Athem- besehwerden, matte Zungenbewegungen und leichte Schluckbeschwer- den biete mit completer EaR im Facialisgebiet und fast completer Liihmung der Stimmb~tnder. Und P. L o n d e (Paralysie bnlbaire pro- gressive, infantile et familiale. Revue de m6d. 1894. XIV. No. 3) thcilt ganz ansftihrlich zwei noch yon C h a r c o t studirte und diagnosticirte Fiille mit, welche zwei Brtider im Alter yon 9 und 5 Jahren betreffen. Beide erkrankten nach zurtlckgelegtem 8, resp. 4. Lebensjahre. Bei dem iilteren setzte die Krankheit ein mit Sprach-, Athem- und mimi- schen Stt}rungen. Sechs bis aeht Monate nach dem Beginn wurde nachgewiesen fast vollstiindige Unbewcglichkeit der oberon Gesichts- h~tlfte; nur die Augenlider bewcgten sich noch mangelhaft. Ferner bestanden Parese der Znnge und dcr Lippen, fibrilliire Zuckangen in den Kinnmnskeln, ausgesproehene Atrophic der Zunge mit fibrilliiren Zuckungen, erschwerte Articulation, mangelhaftes Schlucken, Para- lyse der Abductoren der Glottis, Schwitche ciniger Halsmuskeln und wahrscheinlich trophische St~irungen im Gebicte des Quintus, endlich starke Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit in einzelnen Mus- keln. Bei dem jtingeren Bruder begann die Krankheit damit, dass er die Stirn nicht mehr runzeln, die Augen nicht mehr vollst/~ndiff schlicssen und nicht mehr recht lachen konnte. Auch bei ibm be- stand fast vollstandige Unbeweglichkeit der oberen Gesichtshi~lfte bei ziemlich guter Function der untercn. Die Lippen und die Zunge sind viel weniger ergriffen; die Sensibilit~it des Gaumensegels und der hinteren Rachenwand ist vermindert; die Stimme und die Athmung sind normal. Dabei partielle EaR in den Stirnmuskeln. - - Die El- t e r n beide gesund, D o p p e l g e s c h w i s t e r e n k e l . - - Die der Arbeit beigcfUgten Gesichtsphotographien sind der Facies myopathique un- gemein ahnlich.

An diese sehliessen sich an die Fiille yon B e r n h a r d t (Ueber eine hereditare Form der progressiven spinalen mit Bulbarparalyse complicirter Muskelatrophie. Vireh. Archiv. Bd. CXV. S. 197). Flier handelt es sich um Yerwandte verschiedenen Grades aus verschiedencn

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Heredit~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 311

Generationen. Es erkrankten in der ersten H~tlfte der 30 er Jahre zuerst die tiefen und oberfl~chliehen Nacken- und Halsmuskeln un4 die Schultermuskeln, w~thrend die kleinen Hand- und Fingermuskel~ unversehrt waren. Fibrill~tre Zuekungen und wahre EaR fehlten, aber die elektrisehe Erregbarkeit war stark herabgesetzt. Sehliesslieh ge- sellte sieh das Bild der progressiven Bulb~trparalyse hinzu. Der Exitus wurde in 2--21/2 Jahren herbeigeftihrt. Die Mutter des einen dieser Kranken seheint zwischen dem 50. und 60. Lebensjahre einem ahn- lichen Leiden erlegen zu sein, welches in gleieher Weise mit Liih- mung und Atrophic der Halsmuskeln einsetzte~ dann abet einen ab- steiffenden Gang genommen zu haben seheint~ denn die Arme waren stark abgemagert und gesehw~teht; wenig aueh die Beine. B e r n h a r d t sprach sieh ftir den s p i n a l e n , resp. bu lb~ t r en U r s p r u n g aus.

G o w e r s sagt (Nervenkrankheiten I. S. 130), selten bestehe eine direete erbliche Uebertragung der ehronischen spinalen Muskelatrophie, doch habe er eine Dame gesehen, deren Mutter an einer i~hnliehen Atrophic gestorben sei~ und in einem anderen Falle sei ein Bruder an derselben chronischen Markerkrankung mit Muskelatrophie zu Grnnde gegangen.

Endlieh w iire noeh die S t r a m p e l l'sche Beobachtung (Zur Lehre yon der progressiven Muskelatrophie. D. Zeitsehrift ftir Nervenheil- kunde. Bd. III. S. 471) anzuftihren. Der S t r t l m p e l l ' s e h e Kranke starb 40 Jahre alt naeh 1 lji~hrigem Leiden~ welehes~ was die Locali- sation und auch den Beginn der atrophisehen Parese an den kleinen Handmuskeln~ sowie das Freibleiben der Beine bis zu den dutch In- fluenza herbeigefiihrten Tode angeht, durehaus mehr zu dem bisher gezeichneten Bilde der ,spinalen" als zu demjenigen der myopathischen Atrophic passen wtirde. Der Umstand aber~ dass die Mutter des Kranken an einer ~ t h n l i c h e n (~h'ztlicherseits unzweifelhaft als ,,progressive Muskelatrophie" aufgefassten) Krankheit gelitten hatte, also direete Erblichkeit vorlag, dass fibrilli~re Zuckungen, sowie elektrisehe EaR, wenn auch bei ~,um Theil stark herabgesetzter Erregbarkeit~ fehlten, und endlieh der anatomische Befund - - ,,hoehgradige einfaehe (nicht-dege- nerative) Atrophic des grtissten Theiles der Muskelfasern an beiden oberen Extremit~tten" --~ bewogen S t r tim p e l l trotz der ,,Atrophic der hinzugehiJrigen peripherisehen, motorisehen l~ervenfasern und Atrophic fas t a l l e r motorisehen Ganglienzellen im Halsmark", Ver- ~tnderungen, wie sic als eharakteristisch ftir spinale Muskelatrophie angenommen werden, zu der Annahme, dass ,der ganze Process der Atrophic in den M u s k . e l f a s e r n s e l b s t (durchaus ~thnlich wie bei der Dystrophic) s e i n e n A u s g a n g genommen babe, und dass erst

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sp i i t e r (also in a u f s t e i g e n d e r R i c h t u n g ) die Atrophie der Nervenfasern und der Ganglienzellen hinzugetreten sei". S t r ti mpe 11 fasst also hier noch den Fall als primiire Myopathie auf, die Dege- neration des ersten motorischen Neurons als seeundlir. Aus der ein- fachen Thatsache, dass ieh den Fall hier unterbringe, ist zu ent- nehmen, dass ieh die Auffassung des gesch~itzten Autors nieht theile, .oder mit anderen Worten, dass ieh die Beobaehtung als hereditlire progressive spinale Muskelatrophie (D u e h e n n e- A ran'schen Typus) anspreche.

Vorausgesetzt, dass diese meine Auffassung der S t r t imp el l'sehen Beobachtung richtig ist - - ieh werde spiiter darauf zurtiekkommen -- , besitzen wir also bereits, wenn aueh erst je durch eine oder wenige Familien vertreten, folgende V a r i e t i i t e n d e r h e r e d i t i i r e n p ro - g r e s s i v e n s p i n a l e n M u s k e l a t r o p h i e , welehe auch, ganz wie yon der Dystrophie her bekannt, in versehiedenem Lebensalter ein- setzen k(innen, n~imlich

1. eine im frtihen Kindesalter auftretende, am Beekengtirtel be- ginnende, dann vom Stamm gegen die Extremltiitenenden absteigende Form ~ frUhinfantiler, deseendirender spinaler Typus ( W e r d n i g , H o f f m a n n ) ;

2. einen infantilen bulbiir-paralytischen Gesiehtstypus (F a z i o, L o n d e ) ;

3. einen D n e h e n n e - A r a n ' s c h e n Typus ( S t r t i m p e l l , Go- w e r s ) ;

4. eine Uebergangsform ( B e r n h a r d t ) . Alle nicht direct erbliehen F~ille yon spinaler Muskelatrophie

mussten hier weggclassen werden, trotzdem man sie ja analog dem heut zu Tage vielfach bei anderen Nervenkrankheiten tiblichen Vor- gehen als heredit~r-sporadisehe aufzufassen geneigt sein ktinnte. Ab- sichtlich ordnete ich die Beobachtnngen in Typen an, nicht weil ich an der Typenbildung besonderen Gefallen finde, sondern um daran im Hinbliek anf die Dystrophie u. s. w. anschaulieher maehen zu kiln~ nen, dass die Typen durchaus nieht so ganz zuverl~issig sind ftir die Diagnose und dass, wer zu sehr auf sie baut, gelegentlich aueh auf diagnostische Irrwege gerathen kann.

Die Erblichkeit, das Fehlen yon fibrilli~ren Zuckungen, das Fehlcn yon EaR und die einfache, nicht ,,degenerative" Atrophie der Mus- keln waren trotz des D u c h e n n e - A r a n ' s c h e n Typus und trotz der schweren Liision des ersten motorischen Neurons fiir S t r ti m p e 11 be- stimmend, in seinem Falle eine prim~re Myopathie zu diagnosticiren.

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Heredithre progressive spindle Muskel~trophie im Kindesalter. 313

In Anlehnnng an diesen St r t impel l ' schen Gedankengang will ieh kurz auf einige wunde Punkte in dcr Symptomatologie der Muskel- atrophien eingehen, betreffend die Bedcutung einiger Symptome in der Diagnose.

Wie steht es mit dem differentialdiagnostischen Worth der H e- r e d i t a t bei den Muskclatrophien?. Vor kaum 1'/2 Jahrzehnt galt nur der , ,Typus L e y d e n - M S b i u s " ftir heredit~ir; dann machte man die Erfahrung, dass auch andere Varietaten der Dystrophic familii~r-here- ditiir auftreten ki~nnen und Anspruch auf das Priidicat ,,erblich" haben. Ihnen gesellte sich die progressive neurotische Muskelatrophie auf ganz ausgesprochen hcredit~rer Basis zu. Nur der spinalen progres- siven Muskelatrophie wurde das Privileg noch zuerkannt, nicht direct erblich zu sein. Ieh glaube, mit den oben zusammengestellten, zum Theil nur klinischen, zum Theil klinisch-anatomischen Beobachtungen ist der Beweis erbracht, dass sic auf dieses Vorrecht vor ihren 8ehwe- stern verzichten muss. Die d i r e c t e E r b l i c h k e i t k a n n a u f d e m G e b i e t e der M u s k e l a t r o p h i e n f e r n e r h i n n i c h t m e h r d ie g r o s s e d i f f e r e n t i e l l d i a g n o s t i s c h e B e d e u t u n g b e a n s p r u - chert , w e l e h e s i e s e i t h e r b e s a s s , wenn aueh zuzugeben ist, dass dieselbe, soweit nnsere Erfahrungen bis jetzt reichen, bei der myopathischen und neurotisehen mehr in den Vordergrund tritt, als bei der myelopathischen Form, deren Existenz ja tiberhaupt eine Zeit lang geradezu in Frage gestellt sehien, w~hrend jetzt ihr Platz in der Nosologie als gesichert gelten muss.

F i b r i l l ~ r e Z u c k u n g e n sprechen, wenn sic in charakteristi- scher Weise weitverbreitet bei Muskelschwund vorhanden sind, immer sehr ftir den spinalen Ursprung, wobei jedoeh nicht zu vergessen ist, dass sic auch bei der Dystrophic beobachtet sind. Doch ist das Ver- hi~ltniss der H~iufigkeit so, dass ihr Vorhandensein bei den spinalen chronischen Muskelatrophien die Regel, bei den rein muscul~ren die grosse Ausnahme bildet. Da sic aber aueh bei zweifellos als chronische spinale Amyotrophie erwiesenen F~illen fUr l~ingere Zeit oder dauernd vermisst worden sind, so d a r f i h r e A b w e s e n h e i t n i c h t absolu~ g e g e n den s p i n a l e n U r s p r n n g d e s M u s k e l s e h w u n d e s ver- w e r t h e t w e r d e n . •onne z. B. vermisste fibrillate Zuckungen in einem Falle yon Poliomyelitis ant. chronica. S t r t i m p e l l machte sich in seinem Falle mit Reeht den Einwnrf~ vielleicht hatten die- selben, wenn er sic auch jetzt nieht fand, doch frtiher bestanden, seien nur sp~ter nicht mehr dagewesen. Dass das vorkommt, be- weist der eine yon D ej e r i n e mitgetheilte Fall vom A r a n- D u e h e n n e- schen Typus (Deax cas d'atrophie Duchenne-Aran. Soc. de Biologic.

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1895. Mars), weleher nach 18jiihrigen Leiden durch Suicid endete. Dieser Kranke hatte viele Jahre frtiher fibrillare Zuckungen, spitter nicht mehr. Wegen des chronischen Verlaufes hatte sich D e j e r i n e oft gefragt, ob es aueh wirklich eine spinale Erkrankung sein wtirde; die Autopsie entsehied in diesem Sinne. G o w e r s bemerkt bci Be- spreehung der chronischen spinalen Muskelatrophie fiber die fibrillaren Zuckungen in scinem Lehrbuche: ,,sic sind so haufig, dass sie ein charakteristisches Merkmal geworden sind, doch sind sie weder immer vorhanden, noch sind sie auf dieses Leiden besehrankt". Mit dem Hin- weis, dass ich mich bei allen meinen Fallen der hier besehriebenen atrophisehen Spinallahmung vergeblich nach ihnen umsah, mr dieses Symptom verabschiedet sein.

Muss EaR bei der spinalen Muskelatrophie vorhanden sein? Auch diese Frage muss nach unseren heutigen Erfahrungen negirt werden. D ej er in e land in seinen 18 und 10 Jahre verlaufenen Fallen sehr ausgesprochene Veranderungen der faradisehen und galvanischen Contractilitiit ohne Umkehr tier Formel, ,,ohne EAR". Dasselbe gilt yon tier zweiten klinisehen Beobachtung yon J. B. C h a r e o t (Con- tribution /t l'6tude de l'atrophie museulaire progressive, Type Du- ehenne-Aran. Paris 1895), und E. R e m a k sagt in seinem Grundriss der Elektrodiagnostik, dass selbst hochgradige spinale Muskelatro- phie mit rein quantitativer Verminderung der elektrisehen Erregbar- keit einhergehen kann bei a m y o t r o p h i s e h e r L a t e r a l s k l e r o s e (Be rge r , K a h l e r und P i c k , Moel i , S t a d e l m a n n , K o s e h e w - n iko f f , C h a r c o t und Mar ie , E r l i t z k y - M i e r z e j e w s k i ) . " Und yon der progressiven Bulbarparalyse und der Syringomyelie gilt das lqamliehe. G o w e r s bemerkt tiber diesen Punkt, die elektrisehe Er- regbarkeit der atrophischen Muskeln zeige Veranderungen, welehe in den einzelnen Fallen versehieden seien, und besehreibt dann neben der EaR die einfaehe Herabsetzung der Erregbarkeit. Darnach steht fest, dass EaR bei r e in s p i n a l e n M u s k e l a t r o p h i e n n i e h t g e g e n w a r t i g zu se in b r a u e h t ; andererseits ist bekannt, class sic bei der Dystrophia muscular, progr, nicht immer, wenn auch in der Regel, fehlt. Es gilt yon ihr also in diagnostiseher Hinsieht un- gefi~hr dasselbe, was yon den fibrillaren Zuekungen gesagt wurde. Im Allgemeinen wird man wohl das Reehte treffen, wenn man sagt, dass bei spinaler, wie bei Erkrankung des peripherischen motorisehen Neurons fiberhaupt, die EaR mit um so gr~sserer Sicherheit zu er- warten ist, je raseher tier Verlauf ist, je rascher die Atrophic kommt, und je mehr diese dabei eine Atrophic en masse ist, dass sic aber naeh Ablauf des aeuten oder subaeuten Stadiums und in ganz chro-

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Heredit~re progressive spiuale Muskelatrophie im Kindesalter. 315

nisch verlaufenden Fallen viel schwerer nachweisbar sein und (ifter Bar vermisst werden diirfte.

Nun komme ieb zu dem schwierigsten Pankte~ den a n a t o m i - s c h e n M u s k e l v e r ~ n d e r u n g e n . Wie erw~hnt~ war es vorAllem der Befund der einfachen (nieht ,,degenerativen") Atrophic, welcher S t r t i m p e l l veranlasste, eine primiire Myopathie and nicht eine spi- hale Atrophic in seinem Falle anzunehmen, weil bekanntlich bis jetzt als allgemein gtiltiges Gesetz angesehen wurde, dass bei allen zweifel- los primi~ren Erkrankungen der grauen Vorderhiirner (traumatische ZerstSrungen, prim~re Myelitiden, Tumoren) die hinzugehiirigen Mus- keln einer d~generativen Atrophie mit Verlust der Querstreifung kiir- niger Triibung der Fasern u. s. w. verfallen".

C h a r c o t schildert nach H a y c m's und eigenen vielfi~ltigen Unter- suehungen der Muskeln bei dcr protopathischen progressiven Amyotro- phie, der A r a n- D u c h e n n e'schen Atrophic folgendermaassen :

,Le fait capital, dans l'esp6ce, c'est nne atrophie simple du fais- eeau musculaire avec conservation de la striation en travers. Celle-ci persiste jusqu'aux derni6res limites. Cette amyotrophie, sur quelques points~ s'accompagne d'ordinaire d'une prolif4ration plus oa moins marqu6e des dldments eellulaires du sareolemme. Dans un certain hombre de faisceaux musculaire, la multiplication pent ~tre pouss6e assez 10in pour que les 616ments de formation nouvelle s'aceumulent dans la gaine du sarcolemmc de mani6re it la distendre et it refoulcr la substance musculaire. Celle-ci se segmente alors et prend l'appa- rence de petits blocs qui conservent toutefois, jusqu'aux derni6res phases de l'alt6rafion, l'apparence stri6e" ( C h a r e o t , Leqous sur les maladies du syst6me nerveux II. p. 232). Er fiigt dann hinzu, dass die neugebildeten zelligen Elemente in dem seltensten Falle es zu Protoplasmazellen bringen, w~ihrend die tibrigen sich nicbt weiter entwiekeln und zur Atrophic intendiren zu gleicher Zeit, we die frag- mentirte Muskelsubstanz sich mehr und mehr theilt~ und manehmal schwindet~ ohne die geringste Spur einer kiirnig-fettigen Degene- ration zu bieten; die letztere sei, we sie sieh finde~ nur ein ,Ph4- nom6ne accessoire", dazu komme noch Wucherung des Perimysium and interstitielle Lipomatose bis zu einem Grade yon Lipomatosis l uxurians.

Erb schreibt (Elektrotberapie. 2. Aufl. S. 204) tiber die Muskel- vcranderung~ welche er mit Degeneration dcr peripherischen ~erven nach traumatischer Liision, wobei EaR vorlag, fand: Auch die Mus- keln verfallen unausbleiblieh einer fortschreitenden degenerativen Atrophic; zunehmende Verschmiilerung der Muskelfasern selbst, in

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unheilbaren Fallen bis zum vSlligen Verlust und Schwund der Fasern; dabei Querstreifung etwas undeutlicher, bleibt aber erhalten and nut ausnahmsweise sieht man eine fettige and k(irnige Degeneration an den Fasern; gleiehzeitig erhebliche Vermehrnng der Muskelkerne; es bleibt schliesslich eine ehemische Ver~tnderung der Muskelsubstanz nieht aus, worunter yon Er b Neigung zum Auftreten der sogenannten wachsartigen Degeneration verstanden wird.

Wir sehen, dass nach der Char eot'sehen Beschreibung des Muskel- befundes, womit die yon mir bei den beiden Kindern nachgewiesenen Ver~tnderungen in allen wesentliehen Pankten tibereinstimmen, s i eh d ie , , e in faehe" A t r o p h i e s eh r woh l mit c h r o n i s c h e r De- g e n e r a t i o n and S e h w u n d der m u l t i p o l a r e n G a n g l i e n z e l l e n de r Vorde rh i~ rne r vertr~tgt . Und naeh dem zu urtheilen, was E r b yon den sogenannten degenerativen Muskelver~inderungen, welche mit EaR naeh aeuten peripherisehen Nervenl~tsionen eintreten, be- richter, weiehen dieselben eigentlich nicht gerade auffallend yon jenen ab, welehe C h a r e o t and Andere als ,,einfaehe" bezeiehnen.

S t r t i m p e l l hat aber neben der einfaehen Degeneration der Muskelfasern mit Kernvermehrung aueh Faserhypertrophie (Fasern bis fiber 100 ~t) gesehen, kttrz, einen Befund erhoben, weleher eine grosse Uebereinstimmung mit jenen bei echter Dystrophie darbietet. Aehn- lieh lagen die Verh~iltnisse in dem Falle H e u b n e r ' s , A l z h e i m e r ' s (spinaler Typus mit fibrilliiren Zueknngen), beide mit sehwerer Vorder- hornerkrankung verbunden, w~thrend F r o h m aye r (spinaler Typus) bei der gleichen Vorderhornerkrankung wieder nur einfache Faser- atrophie ohne Verfettung sah. In drei yon diesen Fallen wnrde sehliesslieh wegen dieser einfachen, nicht ,,degenerativen" Atrophic einerseits, der Faserhypertrophie, Abrundung der Fasern u. s. w. an- dererseits trotz der sehweren Vorderhornerkrankung mehr oder we- niger sieher eine Dystrophie diagnostieirt and die Erkrankung des ersten motorisehen Neurons als seeundar hingestellt.

Die Richtigkeit des Satzes vorausgesetzt, reine primiire Myopathie maehe ,,einfache" Faseratrophie and Faserhypertrophie a. s. w., die Vorderhornerkrankung oder die Erkrankung des ersten motorischen Neurons , ,degenerative"--yon der ,,einfaehen" deutlieh unterscheid- bare - - Atrophie, so ist gar nicht einzusehen, warum, wenn zu einer primiiren Myopathie seeund~ir eine so vollst~indige Degeneration des peripherischen motorischen Neurons wie in den soeben angeftihrten F~illen sieh hinzugesellt, dem myopathisch ver~tnderten, dem dystro- phischen Muskel, soweit er erhalten ist, der Stempel der ,,degene- rativen" Atrophie nieht aueh noeh oder erst reeht anfgedrfiekt werde,

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Hercditi~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 317

da man doch erwarten sollte, dass der bereits erkrankte und des- halb weniger widerstandsflihige Muskel die sogenannten degenerativen Veriinderungen viel rascher und starker eingehen mUssten, als ein beim Einsetzen einer primliren Vorderhornerkrankung noch normal vorgcfundener Muskel. Wenn abet davon bei der anatomisehen Unter- suehung nichts zu sehen ist, so mtissen auch Befunde, wie sic in den Fi~llen yon t t e u b n e r , F r o h m a i e r , A l z h e i m e r und S t r t i m p e l l vorliegen, mit der Vorderhornerkrankung vereinbar sein, einerlei ob dabei die Ganglienzellen ,,primar" oder ,secundi~r" ihrer Function ver- lustig gegangen und geschwunden sind; kurz, es muss d ie e in- f a c h e A t r o p h i e ( e v e n t u e l l mi t F a s e r h y p e r t r o p h i e ) s i e h mi t V o r d e r h o r n e r k r a n k u n g wie t i b e r h a u p t E r k r a n k u n g des e r s t e n m o t o r i s e h e n N e u r o n s v e r t r a g e n , und daft als- dann nicht gegen die myelopathisehe oder neuropathische Muskelatro- phie zu Gunsten der musculi~ren bei der Diagnose verwerthet werden, wie es seither recht oft geschah.

Nieht allein aus der Charcot 'schen und Erb'sehen Beschrci- bung ergiebt sich das Vorkommen der einfachen Muskelfaseratrophie, es liisst sieh ausserdem eine nicht kleine Anzahl yon in gleieher Rich- tung zu verwerthenden Beobachtungen aus der Literatur beibringcn. Bereits Erb betont in seiner bekannten Arbeit tiber Dystrophia mus- eularis progressiva (D. Zeitsehrift ftir Nervenheilkunde. I. S. 244 ft.), es sei yon ganz besonderem Interesse das Vorkommen iihnlicher Muskel- veriinderungen (wie bei der Dystrophie) bei unzweifelhaft spinalen Erkrankungen, und ftihrt als Beleg dafUr an den Naehweis hyper- trophischer Fasern bci P o l i o m y e l i t i s dureh Mti l ler , bei s p i n a - l e r K i n d e r l a h m u n g d u r e h D e j e r i n e undHi tz ig . IndemFal le t I i t z i g ' s watch die Priiparate zum Verwechseln denen yon Dystro- phie i~hnlieh; neben hochgradiger Lipomatose fanden sich atrophische und hypertrophische Fasern mit rundliehen Contouren, mit erheblieher Kernwucherung, vielen centralen Kernen, selbst mit Vacuolen und Fasertheilungen. 0 p p e n h e i m sah einzelne hypervoluminiise Fasern neben atrophischen bei P o l i o m y e l i t i s a n t e r i o r e h r o n i c a , S c h u l t z e und ich selbst bei S y r i n g o m y e l i e , J. B. C h a r c o t bei D u c h e n n e - A r a n ' s e h e r L i ihmung. L e w i n fand einfache Atrophic mit wenig hypertrophisehen Fasern bei p r o g r e s s i v e r B u lb~ t rpa ra ly se , eintaehe Atrophie der Fasern mit geringer Kern- wucherung, blasse Fleeke und mi~ssig hypertrophische Fasern bei N e u r i t i s mit EaR, hoehgradige einfache Atrophie, mi~ssige Kern- wueherung und hypertrophische Fasern (120--150 ~,) bei S y r i n g o - m y el i e mit einfach herabgesetzter elektriseher Erregbarkeit. Wer d-

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n ig eonstatirte einfache Atrophie in dem ersten seiner F~ille yon here- dit~rer atrophischer Spinallahmung, und ich bei der gleichen Krankheit in zweiFiillen, wobei auch einzelne hypertrophische Fasern zu sehen w a r e n .

Ich glaube, das hier beigebrachte Material, welches leieht ver- mehrt werden k~nntel), gentigt zur Stiitze der yon mir vertretenen Auffassung des S t r iim p e ll'schen Falles als eines solehen spinalen Ursprunges. Man wird mir den Einwurf machen: warum soll er nun gerade spinal sein, da die Muskelver~ndernngen, wenn sie aueh bei spinalen Atrophien in ~thnlicher Weise vorkommen, doeh ebenso gut zur Myopathie passen. Einfaeh deshalb, weil die nicht mit klinisch nachweisbarer Muskelhypertrophie oder Pseudohypertrophie verbun- dene, sondern rein atrophischeL~thmung yon dieser Localisation er- f a h r u n g s g e m ~ i s s spinalen Ursprunges ist, Und wenn man ein- werfen sollte, die Degeneration des ersten motorischen Neurons k(inne sich einfach secundiir im Anschluss an die Muskelatrophie ausgebildet haben, so kann ieh nur entgegnen: man beweise es erst, denn bis jetzt ist der Beweis daftir nicht mit Sicherheit erbraeht. Es macht mir sogar fast den Eindruck~ als oh man die Degeneration der Vorder- hornganglienzellen mehr dem Muskelbefunde zu Liebe als secnnd~ir angesprochen habe.

Findet sich in einem Falle yon kliniseh sichergestellter Dystro- phie bei der Autopsie eine Erkrankung des peripherisehen motorischen Neurons, so hat man, wie ich bereits in meiner ersten Arbeit betonte, auch daran zu denken, dass die Veriindernng ebenso gut eine der Dystrophie coordinirte sein kann, wie es auch yon der Anomalie des Sehlidels, ]diotie u. s .w. bei der gleichen Krankheit angenommen wird. Es muss auf Grund einer grossen Zahl autoptiseher Befunde als Regel hingestellt werden, dass bei der Dystrophia muscularis pro- gressiva nur die Muskeln anatomisch veriindert, das Nervensystem intact gefunden wird. Das ist auch gar nicht so unbegreiflieh, wenn man bedenkt, dass der Muskelapparat das E n d g l i e d des eortieo-

1) Siehe die nach Abschluss dieser Arbeit erschienene VerSffentlichung yon Siglinde S tier im Archiv far Psychiatrie. Bd. XXIX. S. 249. Das Resultat dieser experimentellen Arbeit sei dahin zusammenzufassen~ dass ,,die Aufhebung des tro- phischen Einflusses des Nervensystems auf die Muskeln als solche nur einfache Atrophie zur Folge babe, d. h. nur Verschmi~lerung der Fasern, Undeutliehwerden yon Quer-, eventuell auch Li~ngsstreifung. In manchen Fi~llen kommt hierzu auch Kernvermehrung. Die sogenannten degenerativen Yer~nderungen, die in der Patho- logie eine Haupterscheinung bilden, sind wahrscheinlich als Folgeerscheinung yon Nebenursachen aufzufassen".

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Heredit~re progressive spinale Muskelatrophie im Kindesalter. 319

muscularenBewegungssystems bildet. Schwindet nun der Muskelapparat aus einer inneren~ z. B. in einer abnormen Anlage der Muskeln beding- ten Ursache, so braueht das b~ervensystem, auch das erste motorische Neuron, davon gar night bertihrt zu werden, braueht night functionell ausgesGhaltet zu sein, und is t es wohl auch night, d a e s ja seine Stelle, wenn auch jetzt nur mehr als einfaeher Leiter, immer noch ausftillt, d. h. Impulse, Auftriige, welche vom Gehirn kommen, bis zu den Muskeln weitergiebt~ einerlei ob diese, weil erkrankt oder geschwunden, noeh f~thig sind, dieselben richtig oder tiberhaupt an- zunehmen und auszuftihren, oder nicht. Aueh die yon der Peripherie kommenden Haut- und Gelenkreize finden~ wie sGhon Fr. S c h u l t z e hervorhob, ihren Weg in das erste motorische Neuron, reizen es und tragen so zu seiner Erhaltung bei. Ein normales Nervensystem ist demnach bei Muskelsehwand ganz gut denkbar und auGh oft so ge- funden; dagegen ist nach unseren heutigen Kenntnissen ein normaler Muskelapparat beim Erwaehsenen night denkbar bei abhanden ge- kommenem peripherischen, motorischen Neuron; und meines Wissens existirt ein solehes Vorkommniss aueh n i c h t . -

Konnte ich mich mit S t r U m p e 11 fiber die Auffassung seines Falles aus den angefiihrten Grtinden night einverstanden erklaren, so kann ich ihm erfreulicher Weise darin nur beistimmen, ,dass das alte SchGma der einfachen (,,myopathischen") und der degenerativen (,,spinalen") Atrophie in Bezug auf die progressiven Muskelatrophien nicht ohne Weiteres beibehalten werden kann . . . . , und dass Vieles noch durchans weiterer Aufkl~irung bedarf". Auch L e win (Deutsche Zeitschrift ftir ~ervenheilkunde. Bd. II) sagt: ,Der Beweis flit oder gegen die rein myopathische )Iatur der progressiven Muskelatrophie sei auf dem Wege der histologisehen Untersuehung der Muskeln night zu erbringen". Wit mtissen uns also bei der Diagnose davor htiten, auf einzelne Symptome bei dem Ftir und Wider zu grosses Gewicht zu legen. Eine mSglichst riehtige Diagnose kann nur gestellt wet- den bei Berticksichtigung der Gesammtheit der Symptome und der bereits gesammelten klinischen und anatomischen Erfahrungen.

Es wtirde zu weit ftihren, wollte ich, da doeh einmal yon der ,,degenerativen" Atrophie die Rede ist, auch noch auf die E n t a r - t u n g s r e a e t i o n eingehen. Warum in zwei F~llen mit uns ganz gleichartig erscheinenden Muskelver~inderungen das eine Mal triige~ galvanische Zuekungen gefunden werden, das andere Mal nicht, ist noch ganz unaufgekliirt. Mit dem Schlagwort ,,degenerativ" kommen wir da nicht aus, da, wie soeben gezeigt, wir uns noch reeht im Unklaren dartiber befinden, was eigentlich anatomisch darunter zu

Page 29: Weiterer Beitrag zur Lehre von der hereditären progressiven spinalen Muskelatrophie im Kindesalter

320 IX. HOFFMANN, geredit, progress, spinale Muskelatrophie im Kindesalter.

vcrstehen ist~ in was man das Charakteristische des Degenerativen zu erblicken hat. Niehtsdestoweniger kann an dcr Thatsaehe, dass die a u s g e s p r o c h e n e EaR in der Regel flir eine Neuropathie, und zwar fiir eine Alteration des ersten motorisehen Neurons spricht, nicht geriittelt werden. Dass aber auch bier noch Manches der Auf- hellung bedarf und dass eine Revision hier wie auf dem Gebiete der anatomischen Muskelpathologie yon NSthen ist, bedarf kaum noch des Hinweises.

H e i d e l b e r g ~ 9. December 1S96.