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18 Þ Weiteres Ziel der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen war es, die Zelldichten, die Zellkernvolumina und die Zellkernoberflächeninhalte der Linsenepithelien zu bestimmen und daraufhin eine Einordnung der Daten zum Lebensalter und Geschlecht der Patienten, zur Lokalisation der Linsentrübungen sowie zum Auftreten eines NIDDM vorzunehmen. Þ Mit Hilfe röntgenspektrometrischer Untersuchungen sollte der Gehalt der Linsenepithelien an Phosphor ermittelt werden. Mit Hilfe dieser Methode sollten Rückschlüsse auf den ATP-Gehalt und damit die Energiereserven des Linsenepithels gezogen werden. Auch diese Resultate sollten unter Berücksichtigung des Lebensalters und Geschlechts der Patienten und des Auftretens eines NIDDM betrachtet werden. Ziel aller Untersuchungen sollte es sein, mögliche Zusammenhänge zwischen Veränderungen der Linsenepithelien und der Entwicklung alterskorrelierter Katarakte aufzudecken. Dabei war insbesondere der Einfluß des NIDDM auf die Alterationen des Linsenepithels von Interesse. 4 Patientenkollektiv, Material und Methode 4.1 Patientenkollektiv Insgesamt wurden 206 fortlaufend gewonnene Fragmente des vorderen zentralen Linsenepithels elektronenmikroskopisch und röntgenspektrometrisch untersucht sowie Einsicht in die Krankenakten genommen. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom März 1994 bis zum März 1996. Die Phakoemulsifikationen, bei denen die unter- suchten Fragmente des vorderen zentralen Linsenepithels gewonnen wurden, führte stets der gleiche Operateur durch. Die Proben wurden zuerst untersucht und bewertet, später wurde die ophthalmologische und allgemeine Anamnese aus den Kranken- geschichten erhoben, um eine objektive Begutachtung der Präparate zu sichern.

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Þ Weiteres Ziel der rasterelektronenmikroskopischen Untersuchungen war es, die

Zelldichten, die Zellkernvolumina und die Zellkernoberflächeninhalte der

Linsenepithelien zu bestimmen und daraufhin eine Einordnung der Daten zum

Lebensalter und Geschlecht der Patienten, zur Lokalisation der Linsentrübungen

sowie zum Auftreten eines NIDDM vorzunehmen.

Þ Mit Hilfe röntgenspektrometrischer Untersuchungen sollte der Gehalt der

Linsenepithelien an Phosphor ermittelt werden. Mit Hilfe dieser Methode sollten

Rückschlüsse auf den ATP-Gehalt und damit die Energiereserven des

Linsenepithels gezogen werden. Auch diese Resultate sollten unter

Berücksichtigung des Lebensalters und Geschlechts der Patienten und des

Auftretens eines NIDDM betrachtet werden.

Ziel aller Untersuchungen sollte es sein, mögliche Zusammenhänge zwischen

Veränderungen der Linsenepithelien und der Entwicklung alterskorrelierter Katarakte

aufzudecken. Dabei war insbesondere der Einfluß des NIDDM auf die Alterationen des

Linsenepithels von Interesse.

4 Patientenkollektiv, Material und Methode

4.1 Patientenkollektiv

Insgesamt wurden 206 fortlaufend gewonnene Fragmente des vorderen zentralen

Linsenepithels elektronenmikroskopisch und röntgenspektrometrisch untersucht sowie

Einsicht in die Krankenakten genommen. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich

vom März 1994 bis zum März 1996. Die Phakoemulsifikationen, bei denen die unter-

suchten Fragmente des vorderen zentralen Linsenepithels gewonnen wurden, führte

stets der gleiche Operateur durch. Die Proben wurden zuerst untersucht und bewertet,

später wurde die ophthalmologische und allgemeine Anamnese aus den Kranken-

geschichten erhoben, um eine objektive Begutachtung der Präparate zu sichern.

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4.1.1 Anzahl der Patienten bei verschiedenen Kataraktogenesen

Der größte Anteil der untersuchten Linsenepithelien wurde von Patienten mit

alterskorrelierten Katarakten gewonnen. Dabei waren die meisten Linsentrübungen

anhand der spaltlampenmikroskopischen Untersuchung der Cataracta progrediens

zuzuweisen. Die Zuordnung der untersuchten Katarakte zu den verschiedenen

Ätiologien wurde in Tabelle 1 vorgenommen. Die folgenden Untersuchungen beziehen

sich auf die Cataracta progrediens bei stoffwechselgesunden Patienten und Patienten

mit NIDDM. Es wurde ein Einfluß der Ausprägung der Linsentrübungen auf die

Alterationen des Linsenepithels nachgewiesen (Konofsky et al., 1987; Struck et al.,

1994). Es erfolgte der Ausschluß der kleineren Gruppen der maturen, hypermaturen

und intumeszenten Katarakte zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit der Kollektive.

Tab. 1: Auftreten verschiedener Ätiologien der Katarakte im untersuchten

Patientenkollektiv [n=206]

Katarakt Anzahl der

Patienten [n]

männliche

Patienten [n]

weibliche

Patienten [n]

Cataracta traumatica 9 9 0

Cataracta complicata 9 5 4

Cataracta congenita 2 1 1

Cataracta diabetica 1 0 1

Cataracta syndermatotica 1 0 1

Cataracta praesenilis et senilis 184 73 111

- Cataracta progrediens 157 59 98

- ohne NIDDM 101 41 60

- mit NIDDM 56 18 38

- Cataracta praematura et matura 14 7 7

- bei Glaukom 7 3 4

- bei Glaukom und NIDDM 2 1 1

- bei Pseudoexfoliationssyndrom 4 3 1

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4.1.2 Erhebung der Patientendaten aus den Krankenakten

Aus den Krankenakten der Patienten wurden folgende Daten erhoben:

- Lebensalter

- Geschlecht

- Kataraktogenese

- Lokalisation der Linsentrübung

- Morphologie der Trübungen

- Reifegrad der Katarakt

- ophthalmologische Vorerkrankungen wie Traumen, intraokulare Entzündungen,

Glaukome, Operationen

- Stoffwechselerkrankungen

- Hauterkrankungen

- anamnestisch bekannte kataraktogene Einflüsse (wie z. B. Radiatio im Gesicht,

vermehrte Belastung mit infraroter Strahlung, etc.)

- prä- und postoperativer (2. postoperativer Tag) Visus

4.1.3 Ein- und Ausschlußkriterien für die Teilnahme an der Studie und die Zuordnung

zu einem Katarakttyp

Folgende Kriterien waren Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie:

- alterskorrelierte Katarakt

- Lebensalter der Patienten 40-90 Jahre

Folgende Kriterien führten zum Ausschluß aus der Studie

- bekanntes okuläres Trauma oder intraokulare Operation

- bekannte abgelaufene intraokulare Entzündung oder Infektion

- angeborene Linsenerkrankung

- bekanntes Glaukom

- bekannter Insulin-abhängiger Diabetes mellitus

- mit der Kataraktogenese assoziierte Einflüsse und Erkrankungen wie:

- Radiatio im Gesicht

- Infrarotstrahlung

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- Medikation mit Steroiden, Anticholinesterasen, Phenothiazinen

- Myotonische Dystrophie Curschmann-Steinert

- Heterochromie

- Parathyreoprive Tetanie

- bestimmte Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Sklerodermie,

Poikilodermie oder chronisches Ekzem

- Morbus Wilson

- Galactosämie

- Morbus Langdon-Down, Alport-Syndrom, Lowe-Syndrom

- begleitende intraokulare Erkrankungen bzw. degenerative Prozesse wie:

- chronische Iridozyklitis

- Retinitis pigmentosa

- Ablatio retinae

- Tumoren

- hohe Myopie

- Heterochromie

Die Patienten mit Nicht-Insulin-abhängigem Diabetes mellitus wurden aufgrund der

Annahme, daß diese Stoffwechselerkrankung einen Faktor im Rahmen der

multifaktoriellen Kataraktogenese darstellt, in die Studie eingeschlossen und

konsequent separat untersucht.

4.1.4 Einteilung der alterskorrelierten Katarakt in Reifegrade

Cataracta incipiens: - beginnende Trübungen in einzelnen Schichten,

- Fundus-Rotreflex deutlich vorhanden,

- keine Beeinträchtigung der Sehschärfe

Cataracta progrediens: - verschiedene Kombinationen von Kern-, Rinden-, Kapsel-

trübungen,

- Schichten differenzierbar,

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- Fundus-Rotreflex im durchfallenden Licht noch nachweisbar,

aber deutlich abgeschwächt,

- Visusreduktion,

- eventuell Auftreten von Blendungsgefühlen,

- mögliche Myopisierung, eventuell monokulare Doppelbilder

Cataracta matura: - alle Linsenschichten durchgetrübt, nicht mehr abzugrenzen,

- Fundus-Rotreflex im durchfallenden Licht nicht mehr

nachweis-bar

- starker Visusabfall

- eventuell Auftreten von Blendungsgefühlen

- mögliche Myopisierung

4.2 Entnahmetechnik des Untersuchungsmaterials

Die untersuchten Fragmente der Linsenepithelien wurden während der Phako-

emulsifikation durch kreisförmige Kapsulorhexis aus dem vorderen zentralen Ab-

schnitt der Linsenkapsel gewonnen. Die Operation wurden stets vom gleichen

Operateur durchgeführt. Der Durchmesser der Präparate betrug ca. 4 mm.

Die Linsenepithelfragmente wurden in 10%igem Formaldehyd bei +4°C 24-72 Stunden

aufbewahrt. Danach erfolgte die Spülung in Aqua bidestillata, um das

Auskristallisieren des Formaldehyds bei der folgenden rasterelektronenmikrosko-

pischen Untersuchung zu verhindern. Hierbei mußte auf eine Spülung in einer isoto-

nischen und damit physiologischen Lösung verzichten werden, da diese die Elemente

Natrium, Kalium und Phosphor enthält, die noch mittels EDX-Analyse quantitativ

bestimmt werden sollten. Im Anschluß erfolgte die Lufttrocknung des Linsenepithel-

fragmentes. Dazu wurde das Präparat mit einer feinen Pinzette möglichst peripher

gefaßt und in einen Tropfen Aqua bidestillata auf ein Deckgläschen aufgebracht und

dann bei Zimmertemperatur getrocknet.

Es wurden mehrere Versuche zur Verbesserung und Optimierung der Präparier-technik

durchgeführt, da bei der Formaldehydfixation und auch bei der Lufttrocknung

Artefaktbildungen und Veränderungen (insbesondere Größenveränderungen) der

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Linsenepithelpräparate auftreten. Die Volumenveränderungen bei Fixation in 5-

10%iger Formaldehydlösung sollen zwischen 3-6 Volumenprozent betragen (Romeis,

1993). Die Zielstellung war dabei immer, sowohl den Zellverband als auch die

Morphologie der Einzelzelle zu beurteilen sowie eine Bestimmung der Zelldichte

durchführen zu können. Die Fixation mit Glutaraldehyd verschiedener Konzentrationen

mit und ohne Austauschspülung in aufsteigender Acetonreihe wurde getestet. Es wurde

die Methode der Kritisch-Punkt-Trocknung ohne vorhergehende chemische Fixation

geprüft. Außerdem wurde die Möglichkeit genutzt, die Präparate nach Einfrieren in

flüssigem Stickstoff und Überführung ins Rasterelektronen-mikroskop mittels einer

Kryotransfereinrichtung ohne vorher notwendige chemische Fixation in ihrer

ursprünglichen Form zu begutachten. Die Formaldehydfixation zeigte im Vergleich zur

Glutaraldehydfixation und zur Kritisch-Punkt-Trocknung deutlich geringere

Artefaktbildungen besonders im Sinne von Rißbildungen. Bei der Kritisch-Punkt-

Trocknung müssen die Linsenepithelfragmente vor dem Trocknungsprozeß in kleine

Metallnetzchen eingelegt werden, um ein Einrollen der Präparate zu verhindern. Diese

Manipulation stellt eine starke Belastung für die Epithelien dar. Desweiteren

erschweren die Metallgitter dieser Netzchen die Darstellung des Epithels im Elektro-

nenmikroskop. Die Betrachtungsmöglichkeiten sowohl der Oberflächenstrukturen als

auch der Binnenstruktur an der Bruchstelle des Kapselhäutchens nach Frostung des

Präparates in flüssigem Stickstoff sind gegenüber der Formaldehydfixation deutlich

überlegen. Bezüglich der Zielsetzung der vorliegenden Untersuchungen, den Zellver-

band und die Morphe der Einzelzelle zu beurteilen sowie die Zelldichte zu bestim-

men, ist festzuhalten, daß das mit dieser Darstellungsmethode nicht möglich ist. Aus

diesen Gründen fiel die Entscheidung trotz der bekannten Nachteile der Formaldehyd-

fixation für diese Technik.

4.3 Untersuchungstechnik

Die Untersuchung erfolgte mit einem Rasterelektronenmikroskop S-2400 der Firma

Hitachi. Durch die Rasterelektronenmikroskopie wird mittels eines beschleunigten

Elektronenstrahls das Oberflächenprofil des Präparates abgetastet und mit hoher

Tiefenschärfe plastisch dargestellt. Dazu ist es notwendig, das Präparat vorher auf der

Oberfläche leitfähig zu machen, da ansonsten Aufladungen eine befriedigende

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Betrachtung verhindern und das Präparat zusätzlich zerstören. Üblich sind dabei die

Besputterung mit Gold, die die differenzierteste Darstellung der Strukturen ermöglicht

oder die Bedampfung mit Kohlenstoff. Die Entscheidung fiel für die Bedampfung mit

Kohlenstoff, da sich die Röntgenspektren für Phosphor und Gold derart überlagern, daß

eine Bestimmung des Phosphorgehaltes der Proben bei der Besputterung mit Gold

nicht möglich gewesen wäre. Die Dicke der Kohlenstoffschicht beträgt ca. 10- 20 nm.

Für die Abbildung der Linsenepithelien wurde nach verschiedenen Versuchen eine

Beschleunigungsspannung von 15 kV festgelegt. Um die EDX-Analyse optimal

durchführen zu können, wurden die Proben um 15° geneigt. Die Präparate wurden

zunächst bei 20facher Vergrößerung untersucht, um eine Übersicht über das Präparat

zu erhalten, daraufhin wurden charakteristische Ausschnitte bei 500facher und

800facher Vergrößerung bewertet und über einen digitalen Fotoprinter dokumentiert.

Bei Veränderungen einzelner Zellen wurden auch noch andere Vergrößerungen zur

näheren Begutachtung herangezogen und gegebenenfalls fotodokumentiert.

Die EDX-Analyse wurde mit dem Röntgenspektrometer TN-5500 der Firma Tracor

durchgeführt. Für jede Probe wurde ein energiedispersives Röntgenspektrum über

einen Zeitraum von 300 ms bei einer Beschleunigungsspannung von 8 kV aufge-

nommen (Abb. 5). Die bei dieser Meßmethode mit 8kV beschleunigten Elektronen

treffen auf das Präparat und werden in dem biologischen Gewebe stark abgebremst.

Dabei wird Energie in Form von Bremsstrahlung freigesetzt und kann in einem konti-

nuierlichen Spektrum dargestellt werden. Die Wechselwirkungen der beschleunigten

Elektronen mit den Atomen der Probe führen in dem als Anregungsvolumen bezeich-

neten Bezirk des Präparates durch Übergang von Elektronen innerer Schalen (gerin-

gere Energie) auf äußere Schalen (höhere Energie) und das nachfolgende Emittieren

eines elementspezifischen Röntgenquanten beim Übergang auf die innere Schale zur

Ausbildung eines Linienspektrums, welches das Bremsspektrum überlagert. Die Häu-

figkeitsverteilung der Quanten, die mittels eines Si(Li)-Detektors mit Be-Fenster

ermittelt wurde, erlaubt Rückschlüsse auf die Art und Menge der in der Probe

vorkommenden Elemente.

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4.4 Ermittlung der Ergebnisse

Zur Bewertung der untersuchten Linsenepithelien wurden folgende Kriterien

herangezogen:

- Patientenalter zum Zeitpunkt der Operation

- Art der Katarakt

- Reifegrad der Katarakt

- Morphologie des Linsenepithels

- Zelldichte

- Bestimmung des Kerndurchmessers, Kernflächeninhalts und Kernvolumens

- Bestimmung des relativen Phosphorgehalts der Linsenepithelzellen

4.4.1 Patientenalter

Die Patienten mit alterskorrelierter Katarakt wurden in 4 Altersklassen unterteilt, um

den Einfluß des Alters auf die erhobenen Daten untersuchen zu können. Als Cataracta

praesenilis werden die alterskorrelierten Katarakte bezeichnet, die bis zum 60.

Lebensjahr auftreten. Danach spricht man von Cataracta senilis.

Tab. 2: Einteilung der Patienten mit Katarakt in Altersklassen

Patientenalter Altersklasse Bezeichnung der Katarakt

40-60 Jahre I Cataracta praesenilis

61-70 Jahre II Cataracta senilis

71-80 Jahre III Cataracta senilis

81-90 Jahre IV Cataracta senilis

4.4.2 Beurteilung der Morphologie des Linsenepithels und Einteilung in

Schädigungsgrade

Zur Beurteilung einer möglichen Schädigung des Linsenepithels wurden 2 Kriterien

herangezogen:

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1. die Begutachtung des Zellverbandes

Dokumentiert wurden hierbei lokale Auflösungen des Zellverbandes mit

Verlust von Zellen oder aber auch deutlicher Vermehrung von Zellen.

2. die Begutachtung der Morphologie der Zellkerne

Mögliche Schädigungsmuster:

- Abflachung der Zellkerne

- Bildung von Zellkernausstülpungen oder Zellkernausläufern

- starke Verkleinerung der Zellkerne

Diese morphologischen Veränderungen sind Ausdruck von Karyolyse, Karyorhexis

und Kernpyknose. Auf Grundlage der im Vorangegangenen beschriebenen möglichen

morphologischen Veränderungen wurde eine Einteilung der untersuchten Präparate in

3 Schädigungsgrade (Score I bis III) definiert. Die gewählte Präparationsmethode

ermöglicht nur die Beurteilung der Zellkerne, nicht der Zellgrenzen.

Schädigungsgrad Merkmale

I

(Abb. 2)

ohne Schädigung

- Der Zellverband ist regelmäßig, vollständig und ohne lokale

Zellvermehrungen.

- Die Zellkerne zeigen keine pathologischen Veränderungen.

II

(Abb. 3)

- Es sind einzelne Zellen aus dem Zellverband herausgelöst. Der

Zellverband erscheint aufgelockert, ist aber insgesamt als zusam-

menhängend erkennbar.

und/ oder

- Einzelne Zellkerne stellen sich abgeflacht oder geschrumpft dar

oder haben Ausläufer bzw. Ausstülpungen.

III

(Abb. 4)

- Der Zellverband ist aufgelöst. Es ist kein Zusammenhang

zwischen den Zellen erkennbar.

und/ oder

- Ein großer Teil der Zellen stellt sich im Sinne der

beschriebenen möglichen Veränderungen als geschädigt dar.

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Abb. 2: Vorderes zentrales Linsenepithel eines Patienten mit alterskorrelierter

Katarakt, das keine morphologischen Schädigungen aufweist (Schädigungs-

grad I); rasterelektronenmikroskopische Aufnahme, 800fache Vergrößerung

Abb. 3: Vorderes zentrales Linsenepithel eines Patienten mit alterskorrelierter

Katarakt und einzelnen Schädigungen (Auszipfelungen) der Zellkerne und

leichten Gefügestörungen des Zellverbandes (Schädigungsgrad II); raster-

elektronenmikroskopische Aufnahme, 800fache Vergrößerung

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Abb. 4: Vorderes zentrales Linsenepithel eines Patienten mit alterskorrelierter

Katarakt, bei dem sowohl die Morphe der einzelnen Zellkerne als auch der

Zellverband deutlich pathologisch verändert sind (Schädigungsgrad III);

rasterelektronenmikroskopische Aufnahme, 800fache Vergrößerung

4.4.3 Bestimmung der Zelldichte

Die Linsenepithelien wurden bei einer 500fachen Vergrößerung im Rasterelektronen-

mikroskop photographiert. Anhand dieser Photos wurden je Präparat 2 Flächen von je

0,04 mm2 mit einer Schablone ausgezählt. Aus den beiden Zählungen wurde das

arithmetische Mittel errechnet. Durch Multiplikation mit dem Faktor 25 wurde die

Zelldichte/mm2 bestimmt.

4.4.4 Bestimmung des Kerndurchmessers, Kernoberflächeninhalts und Kernvolumens

Während der Untersuchung der Präparate im Rasterelektronenmikroskop wurden die

Linsenepithelien u. a. in 1000facher Vergrößerung dargestellt. Mittels eines bildverar-

beitenden Systems wurden diese Rasterelektronenmikroskopiebilder gescannt. Am

Computer war es dann möglich, eine lange und eine kurze Achse in die als Ellipsen

angenommenen Zellkerne zu projizieren und so einen größeren und einen kleineren

Zellkerndurchmesser zu ermitteln. Es wurden je Linsenepithelpräparat 10 Zellkerne

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vermessen. Danach wurde das arithmetische Mittel der 2 Durchmesser ermittelt. Mit

Hilfe dieser Größen wurde der Oberflächeninhalt und das Volumen der Zellkerne nach

den Formeln von Palkovits und Fischer berechnet (Palkovits et al., 1968).

Ao= a x b x p / 4 Ao = Kernflächeninhalt a = größerer Durchmesser

V = a x b2 x p / 6 V = Kernvolumen b = kleinerer Durchmesser

4.4.5 Bestimmung des relativen Phosphorgehaltes

Das gesamte mit dem Röntgenspektrometer aufzunehmende Spektrum besteht aus

1024 Kanälen. Jeder einzelne Kanal zeigt ausschließlich eine Empfindlichkeit für

Elektronen eines bestimmten Quantenenergiewertes. Die Peakbildung für ein Element

basiert auf der Häufigkeitsverteilung um den für das Element spezifischen

Quantenenergiewert. Zur quantitativen Phosphorbestimmung wurden die mittleren 27

Kanäle des Phosphorpeaks herangezogen. Der 14. Kanal entspricht genau der Kk- Linie

des Elementes Phosphor. Es wurde die Summe aller in den gewählten 27 Kanälen

eingegangenen Impulse registriert. Ein Teil dieser Impulse wurde anschließend dem

kontinuierlichen Background zugeordnet (Uemura et al., 1978). Danach wurde das

Peak/Background-Verhältnis bestimmt.

Das Peak-/Background-Verhältnis entspricht dem Quotienten:

relativer Phosphorgehalt = Peak : (Gesamtanzahl der eingehenden Impulse - Peak)

Mit Hilfe von Plasmaätztechniken und quantitativen Tiefenmessungen der Elemente

mittels EDX-Analyse konnte bei im Rahmen unserer Studie durchgeführten

Begleituntersuchungen gezeigt werden, daß sich der nachgewiesene Phosphor im

Linsenepithel und nicht in der Linsenkapsel befindet. Nachdem die Lage der

Linsenepithelzellen weggeätzt wurde, was durch fraktioniertes Ätzen und raster-

elektronenmikroskopische Kontrollen erreicht wurde, konnte die selektive EDX-

Analyse der deepithelialisierten Linsenkapsel vorgenommen werde. Der Phosphorpeak

war nicht mehr nachweisbar. Der in der folgenden Abbildung nicht gekennzeichnete,

dem Phosphorpeak benachbarte Peak entspricht charakteristischerweise dem

Schwefelgehalt der Kapsel.

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Abb. 5: Röntgenspektrum einer vorderen zentralen Linsenkapsel mit Linsenepithel;

typische Peaks für die Elemente P, Na, K und S (nicht gekennzeichnet)

sowie dem kontinuierlichen Background; Aufnahme mittels EDX-Analyse

4.5 Statistische Auswertung

Die arithmetischen Mittelwerte der Zellparameter Zelldichte, Zellkernvolumen,

Zellkernoberflächeninhalt und relativer Phosphorgehalt verschiedener Altersgruppen,

verschiedener Geschlechter und unter Berücksichtigung der Einflußgröße NIDDM

wurden unter Verwendung des t-Testes verglichen (Kaiser et al., 1956).

Da bei der Bewertung des Schädigungsgrades eine Einteilung in den vorher definierten,

aber doch subjektiven Score von I-III vorgenommen wurde, wurden für diesen

Zellparameter keine statistischen Signifikanzen berechnet. Es erfolgte die Beschreibung

der absoluten Ergebnisse.

5 Ergebnisse

5.1 Auftreten verschiedener Kataraktformen bei Patienten mit alterskorrelierter

Cataracta progrediens ohne Diabetes mellitus

Die Anzahl der verschiedenen Kataraktformen wurde sowohl für das Gesamtkollektiv

(99 Patienten) als auch für das weibliche (60 Patientinnen) und männliche Unter-

kollektiv (39 Patienten) dargestellt (Tab. 3).