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In der Zeitschrift „Anthroposophie weltweit“ Nr. 6/14 schreibt, auf Seite 3, das Vorstandsmitglied Paul Mackay (Unterstreichungen von mir): Bevor ich meinen Rechenschaftsbericht anfange, möchte ich eine wesentliche Äußerung Rudolf Steiners an der Weihnachtstagung 1923/24 voranstellen. Rudolf Steiner weist darauf hin, dass aus den Zeichen der gegenwärtigen Zeit hervorgeht, dass wir mit der Anthroposophischen Gesellschaft die volle Öffentlichkeit verbinden müssen . Daraus ergibt sich ein Grundproblem, das wir nur in unseren Herzen lösen können. Unserer Gesellschaft fällt die Aufgabe zu, die denkbar größte Öffentlichkeit zu verbinden mit echter, wahrer Esoterik [..., die darin besteht], dass man sich in der energischsten Weise mit dem Leben und seinen Tiefen auseinandersetzt. Tatsächlich liest man in GA 240, Seite 92: Dasjenige, was als Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach in der Zukunft bestehen wird, muß eine Art esoterischen Charakters tragen, und die ganze Institution der Gesellschaft muß einen esoterischen Charakter tragen . Damit wird die Gesellschaft ihr spirituelles Leben erhalten können, das sie braucht. Sie darf sich nicht veräußerlichen, und die Veräußerlichung drohte ihr in den letzten zehn Jahren. Was haben wir erlebt in den zehn Jahren und schon vorher? Nehmen Sie als Beispiel nur die Tatsache, daß eine sehr wirksame Gegnerschaft , die gerade jetzt sich sehr wirksam entfaltet, davon herrührt, daß diese Gegnerschaft hinweisen kann auf nicht öffentlich erhaltbare Zyklen, Nachschriften von Vorträgen. Nicht wahr, man wünschte, daß es solche Zyklen, solche nachgeschriebenen Vorträge gäbe. Wie sehr mußte man sich bisher solchen Wünschen fügen, trotzdem man wissen konnte: Gerade dadurch wird für die Gegnerschaft das Eminenteste, was sie braucht, gezimmert. Wir leben eben in einer Zeit, in der solche Dinge unmöglich sind. Deshalb mußte bei der Weihnachtstagung die volle Öffentlichkeit für die Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Das wird durchaus nicht widersprechen der Tatsache, daß sie auf der anderen Seite um so mehr esoterisch wird. Mit den „Zeichen der Zeit“ hat das Öffentlichmachen wenig zu tun, sondern lediglich mit der Antwort auf Verleumdungen. Warum Öffentlichkeit? Weil es damals viele Mitschriften gegeben hat, die Gegnern der Anthroposophie Gelegenheit dazu geboten haben, Verleumdungen auszuspinnen. Es geht aber nicht darum, möglichst viele Befürworter (oder Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft) anzuwerben oder jeden Satz von Steiner „vor die Säue zu werfen“. Man vergleiche weiterhin GA 255b, Seite 356: Es ist das, was da herrscht, ein gewisser Zug von Weltfremdheit . Dieser Zug von Weltfremdheit, der ist es, der uns sehr, sehr viel geschädigt hat gerade in den letzten Jahren, und diesen Zug von Weltfremdheit sollten wir eben überwinden. Man sollte gar nicht glauben, daß wir auf dem Umwege durch die Fachgelehrsamkeit Anthroposophie verbreiten können . Wir sollten uns klar sein darüber, daß die Fachgelehrsamkeit eben von außen gezwungen werden muß, das Anthroposophische anzunehmen - von sich aus wird sie das nicht tun. Nicht darum handelt es sich - ich möchte nicht mißverstanden werden -, im Eifer zu erlahmen und zu sagen: also müssen die Sachen anders gemacht werden. Es handelt sich darum, daß man die Dinge in gesunder Weise sieht, wie sie nun einmal in der Welt vorhanden sind. Ganz genau dieselben Dinge, die ich jetzt gesagt habe in bezug auf das Wissenschaftliche in der Anthroposophie, ganz dasselbe gilt in bezug auf das Soziale und das Soziologische, nur daß da eben ein noch stärkerer Zug von Weltfremdheit hervortritt und wir dadurch in die üble Lage gekommen sind, die sich heute in einer Gegnerschaft zum Ausdruck bringt, die ja gar nicht irgendwie für Anthroposophie sich interessiert . Diese Gegnerschaft will etwas ganz anderes, und sie wird in unserer eigenen Mitte durchaus in einer falschen Weise angesehen und daher ja natürlich

Weltfremdheit in der Anthroposophischen Gesellschaft Teil 1

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Die Ausgabe der Zeitschrift "Anthroposophie weltweit" 6/14 offenbart wieder einmal, in welchen Wolken der Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft schwebt.Da gibt es höchst-philosophische und erdrückend esoterische Tagungen und Veranstaltungen, schwere Bücher werden wie am Fließband produziert - aber ein bisschen nachdenken fällt dann eben ein bisschen schwer.In diesem Artikel geht es um Aussagen zweier Vorstandsmitglieder. Die erste ist relativ harmlos (da bringt jemand ein Aussage Steiners ein bisschen missverständlich rüber), die andere zeigt, dass die Verstockheit gegenüber Kritik an der Kritischen Ausgabe von Christian Clement weiter aufrechterhalten und kleingeredet wird.Mehr Hintergrundinformationen zur Kritischen Ausgabe gibt es hier http://de.scribd.com/doc/223737548/Meinungsbildung-zur-Kritischen-Steiner-Ausgabe-SKAund hierhttp://de.scribd.com/doc/194334109/Achiati-Geisteswissenschaft-im-3-Jahrtausend

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Page 1: Weltfremdheit in der Anthroposophischen Gesellschaft Teil 1

In der Zeitschrift „Anthroposophie weltweit“ Nr. 6/14 schreibt, auf Seite 3, das Vorstandsmitglied Paul Mackay (Unterstreichungen von mir):

Bevor ich meinen Rechenschaftsbericht anfange, möchte ich eine wesentliche Äußerung Rudolf Steiners an der Weihnachtstagung 1923/24 voranstellen. Rudolf Steiner weist darauf hin, dass aus den Zeichen der gegenwärtigen Zeit hervorgeht, dass wir mit der Anthroposophischen Gesellschaft die volle Öffentlichkeit verbinden müssen. Daraus ergibt sich ein Grundproblem, das wir nur in unseren Herzen lösen können. Unserer Gesellschaft fällt die Aufgabe zu, die denkbar größte Öffentlichkeit zu verbinden mit echter, wahrer Esoterik [..., die darin besteht], dass man sich in der energischsten Weise mit dem Leben und seinen Tiefen auseinandersetzt.

Tatsächlich liest man in GA 240, Seite 92:Dasjenige, was als Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach in der Zukunft bestehen wird, muß eine Art esoterischen Charakters tragen, und die ganze Institution der Gesellschaft muß einen esoterischen Charakter tragen. Damit wird die Gesellschaft ihr spirituelles Leben erhalten können, das sie braucht. Sie darf sich nicht veräußerlichen, und die Veräußerlichung drohte ihr in den letzten zehn Jahren.Was haben wir erlebt in den zehn Jahren und schon vorher? Nehmen Sie als Beispiel nur die Tatsache, daß eine sehr wirksame Gegnerschaft, die gerade jetzt sich sehr wirksam entfaltet, davon herrührt, daß diese Gegnerschaft hinweisen kann auf nicht öffentlich erhaltbare Zyklen, Nachschriften von Vorträgen. Nicht wahr, man wünschte, daß es solche Zyklen, solche nachgeschriebenen Vorträge gäbe. Wie sehr mußte man sich bisher solchen Wünschen fügen, trotzdem man wissen konnte: Gerade dadurch wird für die Gegnerschaft das Eminenteste, was sie braucht, gezimmert. Wir leben eben in einer Zeit, in der solche Dinge unmöglich sind. Deshalb mußte bei der Weihnachtstagung die volle Öffentlichkeit für die Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Das wird durchaus nicht widersprechen der Tatsache, daß sie auf der anderen Seite um so mehr esoterisch wird.

Mit den „Zeichen der Zeit“ hat das Öffentlichmachen wenig zu tun, sondern lediglich mit der Antwort auf Verleumdungen. Warum Öffentlichkeit? Weil es damals viele Mitschriften gegeben hat, die Gegnern der Anthroposophie Gelegenheit dazu geboten haben, Verleumdungen auszuspinnen. Es geht aber nicht darum, möglichst viele Befürworter (oder Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft) anzuwerben oder jeden Satz von Steiner „vor die Säue zu werfen“.

Man vergleiche weiterhin GA 255b, Seite 356:Es ist das, was da herrscht, ein gewisser Zug von Weltfremdheit. Dieser Zug von Weltfremdheit, der ist es, der uns sehr, sehr viel geschädigt hat gerade in den letzten Jahren, und diesen Zug von Weltfremdheit sollten wir eben überwinden. Man sollte gar nicht glauben, daß wir auf dem Umwege durch die Fachgelehrsamkeit Anthroposophie verbreiten können. Wir sollten uns klar sein darüber, daß die Fachgelehrsamkeit eben von außen gezwungen werden muß, das Anthroposophische anzunehmen - von sich aus wird sie das nicht tun. Nicht darum handelt es sich - ich möchte nicht mißverstanden werden -, im Eifer zu erlahmen und zu sagen: also müssen die Sachen anders gemacht werden. Es handelt sich darum, daß man die Dinge in gesunder Weise sieht, wie sie nun einmal in der Welt vorhanden sind.Ganz genau dieselben Dinge, die ich jetzt gesagt habe in bezug auf das Wissenschaftliche in der Anthroposophie, ganz dasselbe gilt in bezug auf das Soziale und das Soziologische, nur daß da eben ein noch stärkerer Zug von Weltfremdheit hervortritt und wir dadurch in die üble Lage gekommen sind, die sich heute in einer Gegnerschaft zum Ausdruck bringt, die ja gar nicht irgendwie für Anthroposophie sich interessiert. Diese Gegnerschaft will etwas ganz anderes, und sie wird in unserer eigenen Mitte durchaus in einer falschen Weise angesehen und daher ja natürlich auch unterschätzt, so daß der Glaube immer Anhang findet, der sich richtet gegen dasjenige, was ich eigentlich seit langer Zeit immer wiederum vorgebracht habe: daß man nicht glauben solle, es breite sich diese Gegnerschaft nicht aus. Sie wird sich ausbreiten, sie wird immer größere Formen annehmen, und sie ist jetzt auf dem Wege, eigentlich nach und nach jede öffentliche Tätigkeit für die Anthroposophie innerhalb Deutschlands unmöglich machen zu wollen.

Page 2: Weltfremdheit in der Anthroposophischen Gesellschaft Teil 1

 Diese Situation ist heute erneut gegeben. Es sei daran erinnert, wie durch immer mehr bürokratische Maßnahmen pädagogischen und therapeutischen Einrichtungen die Arbeit erschwert wird oder wie schrittweise immer mehr anthroposophische Medikamente verboten oder nicht mehr produziert werden. Weltfremdheit ist es, die viele zur Begrüßung von Christian Clements Kritischer Ausgabe verleitet.   

Es geht also gar nicht darum, sich mit der Anthroposophie irgendwo anzubiedern, oder zu meinen, man könnte durch zunehmende Verwässerung irgendwann auf Zustimmung und Verständnis stoßen. Als genauso blauäugig erweist sich Bodo von Plato, als er in derselben Zeitschrift auf Seite 4 schreibt:

Ein weiteres [...] Ereignis in der wissenschaftlich oder akademisch orientierten Welt bedeutet das Erscheinen des ersten Bandes der kritischen Ausgabe der Schriften Rudolf Steiners im Frommann-Holzboog-Verlag. Es ist wohl einer der vornehmsten Orte, an dem jemand im deutschsprachigen Geistesleben erscheinen kann. [...] Dort erscheint Rudolf Steiner seit letztem Jahr und wird in den folgenden Jahren weiter von Christian Clement herausgegeben.

Ein wahrhaft trauriges Ereignis! Hilfsprofessor Clement bringt es mithilfe seines umfangreichen Vorwortes zu den Bänden seiner Kritischen Ausgabe fertig, dass die Schriften Rudolf Steiners von vornherein als aufgeblasene philosophische Spekulation verstanden werden.Wie Rudolf Steiner zu seinen Aussagen gekommen ist, versteht Clement nicht. Daran glauben darf er (offiziell) nicht – als Lehrkraft an einer Mormonenuniversität –, und seine akademische Umwelt ist zu sehr mit „Fachgelehrsamkeit“ beladen, als dass sie ohne Zwang aus sich selbst heraus sich für Steiner interessieren könnte. Einige Zitate von Clement über Steiner:

1. Ein älteres Werk: „Weimar Classicism, Edited by David Gallagher, The Edwin Mellen Press 2010“.

 

Steiners Theater des spirituellen Realismus scheint in der Tat, trotz aller seiner tatsächlichen Abweichungen und Fehldeutungen Goethes und Schillers [...], dem intellektuellen und geistigen Kern der Weimarer Klassik treu zu sein (S. 152) 

Ein anderer Auswuchs aus den Jahren, in denen [Steiner] über Goethe schrieb und ihn verteidigte, ist eine Reihe von vier abstrusen Mysterienspielen, die als Mysteriendramen (191013) bekannt sind. (S. 135)

 

Wer also nachforschen sollte, was Clement über Steiner im Jahre geschrieben hat, wird solcherlei Aussagen lesen. Man mag sich fragen, wie ein und derselbe Mensch (von Plato) sowohl die Aufführung der Mysteriendramen als auch die Kritische Ausgabe von Clement befürworten kann. Ein „Ereignis“ ist sie bestimmt – aber keines zum Jubeln.

2. Die Kritische Ausgabe Band 5: 

Saubere Quellenarbeit, Methodenschärfe und sachliche Distanz zum Gegenstand im Sinne der damals und heute allgemein anerkannten Standards wissenschaftlichen Arbeitens waren also Steiners nicht. (S. XXXI)

 

Einmal abgesehen von der Frage, was Clement als „anerkannte Standards“ bezeichnet: Hiermit wird Steiner eigentlich seine Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Je großartiger der Verlag ist, in dem diese Kritische Ausgabe erscheint, desto vernichtender sind solche Aussagen.

Was ist die Folge? Man denkt: „Steiner ist unwissenschaftlich“. Und weiter: „Die Anthroposophen berufen sich auf Steiner.“ Daraus folgt: „Anthroposophie ist und bleibt unwissenschaftlich, solange sie sich nicht von Steiners Theorien und seinen zweifelhaften Methoden lossagt.“Entweder werden immer mehr Leser durch Clements Ausgabe die anthroposophische Geisteswissenschaft“ als unwissenschaftlich ansehen (solange sie sich noch mit Steiner abgibt); oder aber die Geisteswissenschaft muss zwangsläufig ungeistig werden (wenn sie sich an die akademische Welt anbiedert).Archiati spricht ganz nicht zu unrecht von der „Einsargung der Anthroposophie“ in seinem Buch „Geisteswissenschaft im 3. Jahrtausend“ (2013), dem die Zitate von Clement entnommen sind.

Page 3: Weltfremdheit in der Anthroposophischen Gesellschaft Teil 1

Diese Fauxpas kommen von Vorstandsmitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft. Die „Weltfremdheit“, von der Steiner vor über 90 Jahren gesprochen hat, ist immer noch am Blühen.