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28 JOT 9.2014 Ressourcenschonende Automobillackierung Weniger Verbrauch, bessere Lackierung Die Oberflächenbehandlung verbraucht in der Automobilindustrie noch zu viele Ressourcen. Systemlieferanten arbeiten darum intensiv daran, unter anderem den Bedarf an Energie, Wasser und Lack zu reduzieren. Der folgende Beitrag informiert über Fortschritte bei der ressourcenschonenden Automobillackierung, über Herausforderungen und Potenziale. N och vor gar nicht allzu langer Zeit schlug der Oberflächenprozess mit rund der Hälſte des gesamten Energie- bedarfs in der Automobilindustrie zu Buche. Auch heute verbraucht eine mittelgroße Lackieranlage noch viel Energie, um die stündlich dafür etwa zwei Millionen Kubikmeter notwendi- ge Luſt aufzuwärmen. Dabei muss die Anlage – je nach angewandtem Verfah- ren – die Karosserie im Lackierprozess sogar zwei bis dreimal auf 130 bis 180 Grad Celsius aueizen. Bei einem Ka- rosserie-Gewicht von 400 bis 600 Kilo- gramm summieren sich so die Mega- watt schnell. Die Lackierung macht solche und andere komplexe Oberflächenver- fahren notwendig, weil sie sehr hohe Anforderungen erfüllen muss. Einen Teil davon überprüſt der VDA-Wech- seltest mit Salzsprühnebelprüfung und Kondenswasser-Klimawechselprü- fung. Die Ansprüche an Oberflächen- beschichtungen dürſten in den nächs- ten Jahren sogar noch weiter steigen. So wirken sich Umwelteinflüsse in Eu- ropa anders aus als in Amerika, Afri- ka oder Südostasien. Da die Fahrzeuge jedoch in einem globalisierten Markt überall gleich gut sein müssen, steigen damit auch die Anforderungen insge- samt an. Effizientere Energienutzung Klassischerweise umfasst der Lackier- prozess die Vorbehandlung mit Ent- fettung, Spülung, Phosphatierung und Spülung, dann folgt die kathodische Tauchlackierung (KTL) und Trock- nung und zu guter Letzt die Deckla- ckierung mit anschließender Trock- nung und Kühlzone. Hier tragen vie- le Ansätze und Technologien dazu bei, Ressourcen erst gar nicht einzusetzen, deren Verbrauch zu verringern oder zu recyceln. Im beschriebenen Szena- rio der Luſtaufwärmung sollte die Pro- zesskette so angeordnet sein, dass sie möglichst große Schwankungen der Temperaturen vermeidet. Auch ei- ne gezielte Führung des zirkulieren- den Luſtstroms sichert einen optima- len Wirkungsgrad. Zusätzlich fließt nach dem Kondensieren der Feuchtig- keit ein hoher Anteil der Luſt zurück in den Kreislauf. Dabei gewährleistet eine integrierte Steuerungstechnik in- dividuelle Anpassungen der Tempera- turen. Zudem regelt sie die notwendi- ge Geschwindigkeit der Luſtströmung – auch wenn mal weniger Karosseri- en im Trockner sind. Insgesamt führt hier aber vor allem ein stimmiges ge- samtenergetisches Konzept zur konse- quenten, effizienteren Energienutzung. Pro Karosserie verbraucht der Lackier- prozess heute nur noch 500 Kilowatt- stunden, also weniger als die Hälſte im Beispiel eines Lackierwerks in der Automobilindustrie AUTOMOBIL-LACKIERUNG JOURNAL FÜR OBERFLÄCHENTECHNIK

Weniger Verbrauch, bessere Lackierung

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28 JOT 9.2014

Ressourcenschonende Automobillackierung

Weniger Verbrauch, bessere LackierungDie Oberflächenbehandlung verbraucht in der Automobilindustrie noch zu viele Ressourcen.

Systemlieferanten arbeiten darum intensiv daran, unter anderem den Bedarf an Energie, Wasser und

Lack zu reduzieren. Der folgende Beitrag informiert über Fortschritte bei der ressourcenschonenden

Automobillackierung, über Herausforderungen und Potenziale.

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit schlug der Oberflächenprozess mit

rund der Hälfte des gesamten Energie-bedarfs in der Automobilindustrie zu Buche. Auch heute verbraucht eine mittelgroße Lackieranlage noch viel Energie, um die stündlich dafür etwa zwei Millionen Kubikmeter notwendi-ge Luft aufzuwärmen. Dabei muss die Anlage – je nach angewandtem Verfah-ren – die Karosserie im Lackierprozess sogar zwei bis dreimal auf 130 bis 180 Grad Celsius aufheizen. Bei einem Ka-rosserie-Gewicht von 400 bis 600 Kilo-gramm summieren sich so die Mega-watt schnell.

Die Lackierung macht solche und andere komplexe Oberf lächenver-fahren notwendig, weil sie sehr hohe Anforderungen erfüllen muss. Einen Teil davon überprüft der VDA-Wech-seltest mit Salzsprühnebelprüfung und Kondenswasser-Klimawechselprü-

fung. Die Ansprüche an Oberflächen-beschichtungen dürften in den nächs-ten Jahren sogar noch weiter steigen. So wirken sich Umwelteinflüsse in Eu-ropa anders aus als in Amerika, Afri-ka oder Südostasien. Da die Fahrzeuge jedoch in einem globalisierten Markt überall gleich gut sein müssen, steigen damit auch die Anforderungen insge-samt an.

Effizientere EnergienutzungKlassischerweise umfasst der Lackier-prozess die Vorbehandlung mit Ent-fettung, Spülung, Phosphatierung und Spülung, dann folgt die kathodische Tauchlackierung (KTL) und Trock-nung und zu guter Letzt die Deckla-ckierung mit anschließender Trock-nung und Kühlzone. Hier tragen vie-le Ansätze und Technologien dazu bei, Ressourcen erst gar nicht einzusetzen, deren Verbrauch zu verringern oder

zu recyceln. Im beschriebenen Szena-rio der Luftaufwärmung sollte die Pro-zesskette so angeordnet sein, dass sie möglichst große Schwankungen der Temperaturen vermeidet. Auch ei-ne gezielte Führung des zirkulieren-den Luftstroms sichert einen optima-len Wirkungsgrad. Zusätzlich f ließt nach dem Kondensieren der Feuchtig-keit ein hoher Anteil der Luft zurück in den Kreislauf. Dabei gewährleistet eine integrierte Steuerungstechnik in-dividuelle Anpassungen der Tempera-turen. Zudem regelt sie die notwendi-ge Geschwindigkeit der Luftströmung – auch wenn mal weniger Karosseri-en im Trockner sind. Insgesamt führt hier aber vor allem ein stimmiges ge-samtenergetisches Konzept zur konse-quenten, effizienteren Energienutzung. Pro Karosserie verbraucht der Lackier-prozess heute nur noch 500 Kilowatt-stunden, also weniger als die Hälfte im

Beispiel eines Lackierwerks in der Automobilindustrie

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Vergleich zum Energieverbrauch noch vor einigen Jahren.

Kostbares NassGleichzeitig sank der Wasserverbrauch von über 800 Liter auf unter 200 Li-ter pro Karosserie. Dabei liegen die Schwerpunkte der Ressourceneffi zienz je nach lokaler Anforderung entweder beim Wasser, bei der Energie oder bei anderen Rohstoff en. So hat Eisenmann vor Kurzem im russischen Sankt Pe-tersburg eine fast abwasserfreie An-lage mit Wasserrecycling aufgebaut. Diese scheidet mit Ultrafi ltration das Öl aus der Entfettungslösung ab. Denn das Abwasser, das bei der Entfettung von Oberfl ächen entsteht, enthält Fet-te und Öle, die sich mit dem Membran-verfahren leicht aus dem Wasser entfer-nen lassen.

Die Ultrafi ltration kann außerdem auch Lack- und Farbpigmente gut auf-konzentrieren, so dass sauberes Filtrat zurückbleibt. Mit Nanofi ltration ent-

fernt die Anlage in Sankt Petersburg die Tenside und mit Ionenselektivaus-tauscher nach der Phosphatierung das Nickel bis auf 0,07 Milligramm pro Liter. Momentan arbeiten die Ingenieu-re an einer Anlage, die mit einem Ver-dampfer komplett abwasserfrei funk-tioniert. Dabei verdampft das Abwasser und das Destillat fl ießt wieder komplett in den Vorbehandlungsprozess ein.

Sparsamer LackverbrauchAuch der Lackverbrauch hat schon sig nifi kant abgenommen. Hier zeich-net sich seit Längerem die klare Ten-denz ab, geringere Schichtdicken aufzutragen, gleichzeitig aber die Qua-lität der Fahrzeuglackierung zu ver-bessern. Die einstige Gesamtschicht-dicke von 120 Mikrometer bewegt sich jetzt auf 80 Mikrometer zu. Man-che Decklackierung hat keinen Füller mehr, sie besteht nur noch aus Basis- und Klarlack. Zum anderen arbeitet die Branche intensiv an produktions-

integrierten Maßnahmen und an der Umwelt- beziehungsweise Energie-technik.

In diesem Kontext sollten auch die Erfordernisse der Oberfl ächenbe-schichtung schon während der voran-gehenden Prozesse unbedingt auf stär-kere Resonanz stoßen. Das erschließt allen daran Beteiligten neue Chancen. Zum Beispiel: Wie lassen sich lackier-gerechte Teile konstruieren oder sogar Materialien entwickeln, die den Be-schichtungsprozess begünstigen? Ant-worten auf solche und andere Fragen gehen über die reine Oberf lächenbe-schichtung hinaus. Insbesondere er-fordern auch viele neue Materialien im Fahrzeugbau einen prozessübergrei-fenden Ansatz. Die Komplexität die-ser Aufgaben macht Teamarbeit über mehrere Bereiche notwendig. Materi-alforscher, Anlagenbauer, Automatisie-rungs- und Lackexperten, Umwelttech-nikingenieure und andere Spezialisten arbeiten darum aktuell eng zusammen

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Oliver BolkLackierexperte des Bereichs Application & Robotics

Das Lackapplikationssystem VarioBell verbessert den Auftragswirkungsgrad. Der Sprühnebel passt sich genau dem zu lackierenden Werkstück an.

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er. E

isenm

ann

mit den Automobilherstellern daran, solche Aufgaben zu lösen.

Produktionsintegrierte MaßnahmenZu einer effizienteren Energie- und Ressourcennutzung tragen auch pro-duktions- und prozessintegrierte Maß-nahmen in der Vorbehandlung und La-ckierung entscheidend bei. So können

in der Produktion flexible, intelligen-te Fördersysteme wie VarioShuttle und E-Shuttle die Rohkarossen durch die Vorbehandlungs- und Lackierprozes-se führen. Im Vergleich zu klassischen Fördervorrichtungen bleiben mit sol-chen innovativen Systemen nur noch Haftflüssigkeiten an Karossen kleben, weil diese durch die Drehbewegung komplett leerlaufen.

Konkret verringern Shuttle-Syste-me den Verschleppungsverlust um etwa 0,2 Liter pro Quadratmeter. Bei einer Fläche von durchschnittlich 100 Qua-dratmetern pro Fahrzeugaufbau kom-men so große Mengen zusammen. So sparen diese Fördersysteme nicht nur kostbare Chemikalien ein, sie verunrei-nigen auch weniger Spülwasser im an-schließenden Behandlungsschritt.

Wirkungsvolle AbscheidesystemeDer eigentliche Prozess der Deckla-ckierung, der aus Füller sowie der Ba-sis- und Klarlack-Beschichtung besteht, beginnt nach der KTL. Bei diesem La-ckierprozess findet die früher weit ver-breitete Auswaschung kaum mehr statt. Trockene und elektrostatische Abschei-dungen sparen heute viel Primärener-gie ein. Mechanische Abscheidesyste-me wie E-Cube kommen dank ausge-klügelter Filtertechnik sogar ganz ohne Chemie, Wasser oder sonstigen Binde-mitteln aus. Selbst bestehende Anlagen, die bisher anders gearbeitet haben, las-sen sich damit schnell umrüsten. Das

schont Ressourcen und vereinfacht die Abfallentsorgung.

Beim elektrostatischen Abscheide-system E-Scrub strömt die mit Lacko-verspray beladene Abluft durch den Ansaugbereich zum Abscheidemodul, das der Luft die Lackpartikel entzieht. Auch innovative Lackapplikationssys-teme wie VarioBell verbessern deut-lich den Auftragswirkungsgrad. Denn ihre Sprühstrahlwolke passt sich ge-nau dem zu lackierenden Werkstück an. Dadurch eignen sie sich besonders für die Lackierung komplexer Hohl-räume. Andere Dosiersysteme, die so-genannten VarioCharger, steuern mit ihren beiden Dosierzylindern die Pro-zessschritte Tanken, Lackieren und Spülen. Ihr Einsatz führt zu schnellen Farbwechseln mit minimalen Lack- und Spülmittelverlusten.

Ressourcenschonende Oberf lä-chenbeschichtung hat für die Bran-che hohe Priorität. In Europa machen Autohersteller mit „Think-Blue-Strate-gien“ aus den Konzernspitzen klare Vorgaben. Volkswagen will beispiels-weise bis 2018 rund 25 Prozent weni-ger Energie beziehungsweise Ressour-cen verbrauchen. BMW möchte bis 2020 den Verbrauch von Wasser, Ener-gie, Abfall und Lösungsmitteln um 45 Prozent pro Fahrzeug senken. In an-deren Ländern, wie etwa Russland, schreibt auch der Gesetzgeber strenge Werte vor. Einsparungen wirken sich aber auch auf den finanziellen Ertrag sehr positiv aus.

Die Kombination von Hub- und Drehbewegungen ermöglicht, dass die Karossen mit dem E-Shuttle 300 in einer beschichtungsoptimalen Überkopfposition in die Vorbehandlungs- und KTL-Bäder eingetaucht werden können

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