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TAGUNGSBERICHT 8. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und -forschung e. V. (DGTF) 21.-22. Oktober 2011 HfG Schwäbisch Gmünd Marie-Curie-Str. 19 73529 Schwäbisch Gmünd Herausgegeben von: Deutsche Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF) Zusammengestellt von: Design Research Lab, DGTF Tagungskomitee: Prof. Matthias Held, Bianca Herlo, Jan-Henning Raff Partner: HfG Schwäbisch Gmünd © Fotos & Text: DGTF 2011 Wer gestaltet die Gestaltung ? Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs

Wer gestaltet Gestaltung · HfG Schwäbisch Gmünd zum Zuge kamen. Als Keynotespeaker konnte die DGTF diesmal Liz Sanders (The Ohio State University, Design, College of the Arts)

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TAGUNGSBERICHT

8. Jahrestagung der

Deutschen Gesellschaft für

Designtheorie und -forschung e. V. (DGTF)

21.-22. Oktober 2011

HfG Schwäbisch Gmünd

Marie-Curie-Str. 19

73529 Schwäbisch Gmünd

Herausgegeben von: Deutsche Gesellschaft

für Designtheorie und -forschung (DGTF)

Zusammengestellt von:

Design Research Lab, DGTF

Tagungskomitee: Prof. Matthias Held,

Bianca Herlo, Jan-Henning Raff

Partner: HfG Schwäbisch Gmünd

© Fotos & Text: DGTF 2011

Wer gestaltet die Gestaltung ?

Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd

8. JahrestagungDeutsche Gesellschaft für Designtheorie und -forschung e.V. 21 — 22 Oktober 2011

w w w . d g t f . d e / t a g u n g 2 0 11

Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs

Die achte Jahrestagung der DGTF widmet sich der Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Gestaltens. Im Zentrum stehen Fragen zur Entwicklung und zur gegenwärtigen Theorienbildung im Bereich des partizipatorischen Designs, zu konkreten Praktiken, Methoden und Strategien sowie zum Stellenwert von Partizipation in der praxisbasierten Designforschung.

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Die Tagung der DGTF war in diesem Jahr zu Gast an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd, eingeladen von Prof. Matthias Held, Prorektor an der HfG und DGTF-Vorstand.

Die im zweijährigen Turnus stattfindende wissenschaftliche DGTF-Tagung adressierte diesmal die Frage “Wer gestaltet die Gestaltung?” und ging damit der Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs nach. In einem double-blind Peer-Review-Prozess wählte das elfköpfige Expertinnen- und Experten-Team zehn Beiträge aus, die in den temporären Lehrräumen der HfG Schwäbisch Gmünd zum Zuge kamen. Als Keynotespeaker konnte die DGTF diesmal Liz Sanders (The Ohio State University, Design, College of the Arts) und Pieter Jan Stappers (TU Delft) gewinnen.

Und so versammelten sich vom 21. bis 22.10. 2011 rund 150 Teilnehmende, um sich über den aktuellen Forschungsstand zum Thema zu informieren, sich auszutauschen und eine anregende Zeit unter Kolleginnen und Kollegen zu verbringen. Das Rahmenprogramm mit drei Parallelworkshops und dem Kolloquium Design Promoviert, aber auch die informellen Abendtreffen boten gestandenen Forschenden wie auch dem Forschungsnachwuchs viel Raum

Publikum auf der 8. Jahrestagung der DGTF

DGTF-JAHRESTAGUNG 2011

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für Vernetzung und inspirierende Gespräche. Die interdisziplinäre Konferenz richtete sich an eine breite Teilnehmerschaft, Tagungssprachen waren deutsch und englisch.

Für Herbst 2012 ist eine Publikation in der DGTF-Schriftenreihe zur Design-forschung im transcript Verlag, Kultur- und Medientheorie geplant.

Nach gastfreundlichen Worten und kurzer Eröffnungsrede durch Rekto-rin Cristina Salerno und Prof. Matthias Held (DGTF-Vorstand) leitete die Vorstandsvorsitzende der DGTF, Prof. Dr. Gesche Joost die Tagung mit Betrachtungen zu aktuellen Tendenzen im Einsatz partizipativer Methoden in der Designforschungslandschaft ein.

Mit Liz Sanders (The Ohio State University, Design, College of the Arts, USA) gelang es der DGTF, eine der anerkanntesten Protagonistinnen im Bereich des Participatory Design für die erste Keynote mit dem Titel “Perspectives on Participation in Design” zu gewinnen. In ihrer Rede umriss sie anhand von Praxisbeispielen neue Anwendungsfelder, in denen der teilnehmende

Liz Sanders, The Ohio State University, USA

FREITAG, 21. OKTOBER 2011

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Gestaltungs- und Forschungsansatz zum Einsatz kommt. In Abhängigkeit von Zielsetzung und Gestaltungsfreiraum präsentierte sie dabei häufige Rahmen-bedingungen innerhalb von Organisationen sowie an der Schnittstelle von Unternehmen, Kunden und Nutzern/-innen. Als Antwort auf die Frage, unter welchen Gesichtspunkten Participatory Design als Mindset, Designansatz oder Methodenset verstanden werden kann, stellte sie eine Kategorisierung vor, die im Laufe ihrer jahrelangen Leitung und Organisation von Participatory-Design-Workshops entstanden ist.

Wie unterschiedlich der Begriff des partizipativen Gestaltungsansatzes gedehnt und wie kontrovers darüber diskutiert werden kann, zeigte die Präsentation von Eva Schiendzielorz und Fabian Benedikter (HfG Schwäbisch Gmünd). Im gemeinsamen Vortrag gewährten sie Einblicke in ihre Arbeitssystemanalyse einer sterilen OP-Situation in einem Krankenhaus. Ihr Eintauchen in die Arbeitsabläufe sowie die anschließende Konzeption und Durchführung der Analyseauswertung offenbarte die Komplexität dieses Forschungsprojekts und stimulierte die wohl temperamentvollst geführte Diskussion dieser Tagung.

Was passiert, wenn Gestaltende unverzüglich ein visuelles Feedback hunderter Nutzer und Nutzerinnen erhalten? Unter Verwendung webbasierter Anwen-dungen, Datamining und Crowd Sourcing untersuchte Dr. Britta Kalkreuter (Heriot-Watt University, GB) in der Studie HeadCrowd soziotechnische Systeme zur Datenanalyse. Mit dem Ziel, Designprozesse durch schnelleres Nutzer-Feedback und schnellere Trendrecherchen besser zu informieren wurden so prototypisch Ergebnisse für die Marktforschung generiert. Ein

Nach jedem Vortrag gab es Zeit für Fragen und Diskussion

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Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Erprobung visueller Interfaces, die sowohl auf Consumer-, als auch auf Gestalterseite eingesetzt werden können.

In seinem Vortrag “Let’s talk about design” stellte Cornelius Stiegler (Universität der Künste Berlin) ein “neues Konzept der Kommunikation und Partizipation des Auftraggebers im Designprozess” vor. Stiegler ging auf Kommunikationsprobleme ein, die beim Beschreiben von akustischen Gestal-tungsprodukten vornehmlich im Kundengespräch auftreten. Er schlug einen Ansatz vor, bei dem durch den Einsatz narrativer Techniken Gefühle, die ein Klang beim Hörer hervorrufen soll, im Dialog mit dem Kunden sprachlich veranschaulicht werden.

Im Anschluss stellten Prof. Ralph Tille und Monika Webers (Hochschule der Medien Stuttgart) die Frage: „Meinen Nutzer und Gestalter das Gleiche?“ Ihr Vortrag stellte eine “Explorative Studie mittels partizipativem und kollabo-rativem Skizzierens” vor, in der mit Nutzerinnen und Nutzern Icons nach kollaborativen Methoden entwickelt wurden: So wurde in einem Workshop versucht, durch die Überlagerung digitaler Skizzen ein möglichst allgemein-gültiges Icon zum Thema „Suche“ zu erzeugen.

Dr. Britta Kalkreuter, Heriot-Watt University, GB

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Im letzten Vortrag dieser Session stellte Helge Oder (Bauhaus-Universität Weimar) ein Projekt mit dem Titel “Kulturelle Nachhaltigkeit durch Open Design und Prototyping” vor. Er befragte Strategien zur kulturell nachhaltigen Imple-mentierung höher komplexer Erzeugnisse angesichts neuester Tendenzen in Prosuming, Crowdsourcing, Open Innovation, Open Design und kokreativen Entwicklungsprozessen. Dabei stellte er verschiedene Formen der Zusammen-arbeit an ausgewählten historischen und aktuellen Projekten vor und referierte die Ergebnisse seiner qualitativen Analyse.

Helge Oder, Bauhaus-Universität Weimar

Prof. Ralph Tille, Hochschule der Medien Stuttgart

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Der Samstag wurde von der Keynote „Design Thinking in Research“ durch Prof. Dr. Pieter Jan Stappers von der TU-Delft eingeleitet. Sein Fokus galt der methodischen Querverlinkung von Design und Forschung. Durch die zuneh-mende Erörterung forschender Felder durch Designer/-innen verändert sich auch das Methodenspektrum. Die Kernfrage hierbei lautet: Was macht gute

Forschung aus, und welche Rolle können „designerly skills“ in der Forschung spielen? Auf gewisse Weise finden sich hier auch Parallelen zur Frage der Rolle eines „Users“ im Design. Stappers richtete ein gesondertes Augenmerk auf ein entsprechendes „Context Mapping“, welches er, unterfüttert mit praktischen Beispielen der TU Delft, plausibel zu veranschaulichen wusste.

Im Anschlussvortrag stellte Götz Wintergerst sein gemeinsam mit Ron Jagodzinski (HfG Schwäbisch Gmünd) erarbeitetes Thema „Werkzeuge für die partizipatorische Gestaltung haptischer Interfacesysteme“ vor. Anhand von Prototyping-Toolkits hat er die Durchführbarkeit der partizipatorischen Gestaltung bei Hardwareprototypen erörtert und den Besuchern/-innen die Möglichkeit gegeben, die Toolkits selbst auszuprobieren und so aktiv an einer Überprüfung teilzunehmen.

Prof. Dr. Jan Pieter Stapper, TU Delft, NL

SAMSTAG, 22. OKTOBER 2011

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Nach der Kaffeepause beleuchtete Sandra Buchmüller (UdK Berlin, Design-forschung) in ihrem Vortrag partizipative Gestaltung unter dem Aspekt von Gleichberechtigung und Gender-Diversität. Dabei zeigte sie Forschungsergeb-nisse aus dem Projekt “G – Gender Inspired Technology”, das sich eines partizipativen Gestaltungsansatzes bedient. Sie warf in der Vorstellung ihrer Arbeit zwei zentrale Fragen auf: Erstens, bedeutet partizipatives Gestalten auch gleichberechtigtes Gestalten? Zweitens, lassen sich aus der Perspektive der Feminist Standpoint Theory und dekonstruktivistisch-feministischer Ansätze Rückschlüsse auf die Rolle und Position von Gestaltern/-innen ziehen? Der Vortrag schloss mit einer lebhaften Diskussion der Projektergebnisse.

Richard Herriott (Aarhus School of Architecture, Dänemark) stützte sich im nachfolgenden Vortrag auf John Rawls’ Konzept von sozialer Gerechtigkeit und versuchte, diese Ansätze auf Co-Design im Bereich des öffentlichen Verkehrs zu beziehen. Er verwies im Laufe seiner Präsentation auf Schwierigkeiten beim Produkttransfer in einer globalisierten Design-Welt. Diese veranschaulichte er am Beispiel von Zügen, die beispielsweise für die Schweiz produziert wurden, aber auch in Helsinki eingesetzt werden, ohne dass dabei eine Anpassung an lokale Erfordernisse und Besonderheiten stattfindet. Seinen Ausführungen folgend würde sich durch Co-Design befriedigendere Design-Ergebnisse erzielen lassen und damit auch eine Verbesserung der Transportbedingungen im öffentlichen Verkehr.

Interface von Wintergerst/Jagodzinski: Besucher testen den Magnetbremsen-Stift

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Nach dem Mittagessen präsentierten zunächst Christian Wölfel (TU Dresden) und Klaus-Peter Schulz (ICN Business School Nancy/Metz) eine Studie zur Einbindung von Stakeholdern durch partizipative und repräsentative Methoden. Die beiden Präsentierenden hatten zunächst ein Problem, das sie mit anderen Forschungspraktikern mit partizipativen Ansätzen teilen, nämlich den verlangten Ernst der Ergebnisse herauszustellen. Angesichts der freundlichen Lego-Szenarien, die sie vorstellten, war das nicht immer einfach und vielleicht auch besser so. Davon abgesehen zeigte der Vortrag auch gut, wie das kommunikative Kud-delmuddel in Designprozessen die Einschätzung der Methoden immer wieder erschwert – gerade bei partizipativen Methoden hat man auch nicht wenig davon

Petra Pferdemenges, Sint-Lucas Architectuur Brüssel, BE

Richard Herriott, Aarhus School of Architecture, DK

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– und wie einen die Forschung zumindest das versichert, was man vorher viel-leicht geahnt, aber eben nicht gewusst hat.

Der letzte Vortrag des Panels kam von Petra Pferdemenges (Sint-Lucas Architec-tuur Brüssel, Belgien) und bot eine Menge Augenschmaus und fein präsen-tierte Beispiele aus unterschiedlichen Architekturprojekten in Brüssel. Das Schöne hierbei war der persönliche Einsatz bei Fragen zur räumlichen Situation von Flüchtlingen oder die Lust an entzündlichen Themen wie Prostitution und deren Auswirkungen auf das Stadtbild, sowie der freundlich experimentelle Vorschlag mit Lösungen, von denen alle etwas haben könnten. Als Teil einer Promotionsarbeit, die projektbasiert und länderübergreifend durchgeführt wird, wäre es auch schön gewesen, noch mehr über den denkerischen Hintergrund zu erfahren, der leider etwas zu kurz kam.

Parallel-Workshops am Freitag, 20. Oktober 2011Workshop “Fusing Design Paradigms”, Prof. Gilbert Cockton

Bestandteil des Rahmenprogramms der diesjährigen DGTF Tagung waren Workshops zweier DGTF-Themengruppen und ein Methoden-Workshop von Prof. Gilbert Cockton von der Northumbria University in Großbritannien. Dieser richtete sich explizit an Nachwuchsforscher/-innen aus dem Designbereich,

RAHMENPROGRAMM I

Im Workshop “Fusing Design Paradigms”

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dessen Gegenstand die Reflexion und Diskussion verschiedener Methoden war, die innerhalb des Gestaltungs- und Evaluationsprozesses zum Einsatz kommen können.

Unter dem Titel “Fusing Design Paradigms” fanden sich eine Gruppe von ungefähr 10 Interessierten aus den Bereichen der Visuellen Kommunikation, des Industrie- bzw. Produktdesigns sowie des Interaction Design zusammen. Nach einem Überblick über Gestaltungsparadigmen und den aktuellen Stand des Diskurses zur Designforschung führte Mr. Cockton in eine von ihm entwickelte, auf seiner Praxiserfahrung basierende Systematik ein, die zur Klassifizierung von Gestal-

tungs- und Evaluationsansätzen dient, die im Designprozess zur Anwendung kommen können. Dieses Gerüst soll Designern/-innen in der ‚Gestaltung ihrer Gestaltung’ unterstützen, indem es die Auswahl adäquater Herangehens-weisen und Methoden erleichtert sowie Gestaltungsentscheidungen begleitet.

Cocktons Systematik und ihre Kategorien waren Gegenstand kritischer Diskussionen in den Arbeitsgruppen, als auch Grundlage für die Lokalisierung verschiedener Methoden und Techniken, die er aus verschiedenen Methoden-Kits wie beispielsweise den Ideo Method Cards zusammenstellte. Anhand der Kartografierung der Methoden und Techniken, die die Arbeitsgruppen nach ihren eigenen methodischen Kenntnissen vornahmen, wurden Leerstellen identifiziert und überlegt, welcher – womöglich designspezifischen – Methoden und Techniken es bedürfe, um hier ebenfalls zu unterstützen. Eine Kluft stellte beispielsweise die Übersetzung von Informationen aus dem Alltag von Nutzen-

Im Workshop “Fusing Design Paradigms”

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den in Entwurfsentscheidungen dar, die methodisch begleitet werden könnten. Darüber hinaus nahmen die Teilnehmenden besonders Anstoß daran, dass in der Systematik nicht auszumachen war, welche Interessensperspektive bei der Methodenauswahl und der letztendlichen Designentscheidung federführend ist, die je nach Sicht des Nutzenden, Gestaltenden oder Auftraggebers vollstän-dig anders ausfallen kann. Die Diskussion war möglicherweise Ausdruck eines zentralen Alltagsdilemmas der teilnehmenden Designer/-innen, die zur Kern-frage der diesjährigen DGTF-Tagung zurückführte: Wer gestaltet die Gestaltung?

Workshop der DGTF-Themengruppe “Visuelle Kommunikation”

Unter der Leitung von Jan-Henning Raff unternahmen etwa 10 Teilnehmende den Versuch, die wissenschaftlichen Grundlagen im Kommunikationsdesign abzuschreiten. Hintergrund hierfür war der geteilte Eindruck, die Verwissen-schaftlichung im Kommunikationsdesign sei viel weniger wahrnehmbar als etwa im Interaktionsdesign.

Es zeigte sich als ein erstes Ergebnis des Workshops, dass die wissenschaftli-chen Bezüge einerseits selbstverständlich erscheinen (etwa die aus der Gestalt-psychologie), andererseits oft vergessen werden (etwa die Errungenschaften der HfG Ulm).

Das Prüfen dieser Bezüge unternahm Jan-Henning Raff anhand der Bereiche Wahrnehmung (psychologische Grundlagen), Zeichen und Wissen.

Im Workshop der Themengruppe “Visuelle Kommunikation”

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Die Psychologie stellt eine wichtige Bezugswissenschaft für das Kommunikations-design dar, da sie grundlegende visuelle Phänomene erforscht. Allerdings sind ihre Ergebnisse wegen der avancierten (Labor-)Methodik oft unzugänglich. Die psycholo-gischen Erkenntnisse erreichen den Designer daher nur vermittelt, etwa in populari-sierenden Darstellungen, die einer biologistisch-deterministische Sichtweise Vorschub leisten (bspw. “Der Mensch kann sich nur 7 Dinge merken”). Dennoch sind einige Methoden der psychologischen Forschung auch ins Kommunikationsdesign diffun-diert – wie etwa das Eyetracking.

Die Semiotik scheint viel mehr als die Psychologie eine dem Kommunikationsdesign angemessene Wissenschaft zu sein, ist ihr Gegenstand doch das Zeichen. Allerdings entfaltet sie ihr Potenzial vor allem als analytisches Werkzeug zum kritischen „Lesen“ von Kommunikationsdesign. Die zur Zeit (wieder) populäre Verlängerung der Semiotik in die Rethorik scheint vielversprechender für die Praxis zu sein.

Im Bereich des Wissensdesigns wurde an die Errungenschaften des Kartographen Jacques Bertin für die Visualisierung erinnert. Die Informationsvisualisierung ist eine der wichtigsten Aufgaben im gegenwärtigen Kommunikationsdesign: Information wird visuell aufbereitet, um dadurch neue Erkenntnis zu ermöglichen. Hier haben Designer mit praktischen Arbeiten (u. a. Neurath/Arntz, Wurman, Few) einiges geleistet. Aus anderen Disziplinen liefern etwa Martin Eppler und Richard Mayer wichtige Beiträge, auch um hier liebgewordene Ansichten (wie sie bspw. Tufte liefert) zu belegen oder zu kritisieren. Zuletzt wurde diskutiert, ob der Gebrauch im Kommunikationsdesign nicht ver-nachlässigt wird, hier also eine „Print Usability“ erforderlich ist. Da allerdings,

Im Workshop der Themengruppe “Design Didaktik”

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wo der Gebrauch offensichtlich ist – etwa bei Leitsystemen – gibt es auch schon entsprechende forschungsgetriebene Projekte (z. B. Legible London). Die wissenschaftlichen Bezüge müssten hier über die kognitive Psychologie hinausgehen, um breitere Nutzungskontexte zu erfassen. Als entsprechende Theoriebezüge wurden Distributed Cognition, Activity Theory, und die Phäno-menologie vorgeschlagen. Eine Bibliografie zur Forschung im Kommunika-tionsdesign ist im Aufbau unter: http://kommunikationsdesignforschung.tumblr.com/

Workshop der DGTF-Themengruppe “Design Didaktik”

Die Interessengruppe “Design Didaktik” veranstaltete einen Workshop zum Thema “Vermittlung von Designtheorie an Hochschulen – ein Erfahrungsaus-tausch”. Gemeinsam mit 7 weiteren Workshopteilnehmenden sammelten die Moderatoren Philip Zerweck und Prof. Guido Kühn Lehrthemen und -inhalte in Form von Schlagwörtern, um das Gebiet zunächst beschreibend zu erfas-sen. Anschließend wurden diese Einheiten geclustert und nach den Aspekten “Theorien zum Verständnis” zu “Theorien zum Handeln” von links nach rechts, sowie “Bezugswissesnchaft-Design-Philosophie” von unten nach oben sortiert.

In einer Schlussrunde wurden von der Gruppe die Cluster nach der Frage “Wie gut ist das Gebiet in der Lehre abgedeckt?” bewertet. Die Ergebnisse wurden als Bericht aus der Themengruppe in der DGTF-Mitgliederversam-mlung präsentiert.

Im Workshop der DGTF-Themengruppe “Design Didaktik”

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Kolloquium “Design Promoviert”

Rund 50 Interessierte folgten der Einladung zum 6ten Kolloquiums “Design Promoviert“, das im Anschluss an die DGTF Tagung stattfand. Die Anzahl der Teilnehmenden war dabei vergleichbar mit der beim vorangegangenen Tref-fen in Berlin –ein deutliches Zeichen dafür, dass sich allmählich eine stabile Szene mit kontinuierlichem Interesse an dem Thema »Promotion im Design« herausbildet.

Wenige werden die etwas längere Anreisezeit bedauert haben. Es herrschte eine konzentrierte und disziplinierte Atmosphäre, die durch die tolle Bewirtung und gute technische Betreuung der Gastgebenden komplettiert wurde. Die Vortragenden präsentierten zeitgenau und präzise, da sie die Möglichkeit, vom Publikum Rückmeldung auf ihre Themen zu erhalten, besonders wertschätzten.

Die sechs vorgestellten Beiträge wurden wie gewohnt nach einem Blind-Re-view-Verfahren begutachtet und aus 14 Einreichungen ausgewählt. Inhaltlich lagen die Schwerpunkte sehr unterschiedlich: So wurde eine kulturhistorische Untersuchung zum Stellenwert des Bildes im Entwurfsprozess vorgestellt, ein Projekt zur Untersuchung und Optimierung der Visualisierungen archäologi-scher Befunddokumentationen vorgetragen, zum Zusammenhang von Embodiment-Theorien und möglichen Ableitungen für die Mensch-Maschine-Interaktion referiert, die Veränderung von Intimität durch die Beeinflussung von Berührungen durch Klang untersucht, zum Stellenwert des Improvisierens im Design geforscht, sowie die Erfolgsmodelle Berliner Modedesigner/-innen im Hinblick auf Übertragungsmöglichkeiten auf Ägypten analysiert. Der letzte Beitrag bestand in der Präsentation einer Studie zur aktuellen Promotions-situation im Design in Deutschland, welche von Gavin Melles durchgeführt und stellvertretend von Christian Wölfle vorgetragen wurde.

Die Rückmeldung der Teilnehmenden zu Organisation und Durchführung des Treffens war durchweg positiv. Wie immer wurde die Möglichkeit, ein Review zu seinem Dissertationsvorhaben zu erhalten, als sehr hilfreich wahrgenom-men. Um beim nächsten Kolloquium diese Möglichkeit zu erweitern haben die Teilnehmenden angeregt, neben den Kurzvorträgen auch eine Posterses-sion durchzuführen – ein Vorschlag, den wir sehr begrüßen und gerne an die Organisatoren/-innen des folgenden Treffens weitergeben möchten.

RAHMENPROGRAMM II

Berlin, 13. Dezember 2011