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10 Fachbericht Alphörner erfreuen sich heutzu- tage einer steigenden Beliebtheit. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und Öster- reich gibt es inzwischen eine gro- ße, ständig wachsende Zahl von Alphornbläsern. Auch in den USA, Kanada und Japan trifft man Alphornbläser. In unserer hoch technisierten und immer komplizierter werdenden Welt scheint dieses einfache Naturin- strument für viele Menschen Ein- fachheit und Natürlichkeit zu ver- körpern. Das Alphorn kann als Prototyp der Blasinstrumente gelten. Ob- wohl es instrumentenkundlich auf Grund seiner Tonerzeugung, die mit der der Blechblasinstrumente übereinstimmt, zu diesen gezählt wird, nimmt es eine Mittelstellung zwischen den Holz- und Blechblasinstrumenten ein. Sein Klang vereint die gewaltige Klang- fülle eines Blechblasinstruments, etwa einer Posaune, mit der Weichheit eines Holzblasinstruments, z. B. ei- ner Oboe. Während alle anderen Blasinstrumente Weiterentwick- lungen in der Form von Grifflö- chern und Ventilen erfuhren, hat das Alphorn bis heute seine ur- sprüngliche Form ohne Verände- rungen beibehalten. Alphörner in der Stimmung F haben sich inzwischen internatio- nal durchgesetzt. Sie sind ca. 3,60 m lang und ihre Länge bestimmt die eine Tonart, in der sie spielbar sind. In der Schweiz wird meist Ges geblasen. Die Naturtöne Auf dem Alphorn kann man nicht wie z.B. auf dem Klavier eine komplette Tonleiter spielen, son- dern nur einen begrenzten Aus- schnitt aus dieser, die so genann- te Naturtonreihe. Der 9. Naturton B ist in der heu- tigen temperierten Stimmung et- was zu tief. Der 11. Naturton liegt genau zwischen F und Fis, der 13. zwischen Gis und As. Allgemein wird vom 2. oder 3. Naturton bis zum 12. geblasen. Die extremen Töne gehen sehr schwer. Die einzelnen Töne werden nur durch unterschiedliche Lippen- spannung und Atemdruck erzeugt. Dies erfordert vom Bläser Lippen- u. Atemkraft. Auf dem Alphorn meist lange und tiefe Töne ge- spielt, jedoch sind bei entspre- chender Übung und Fertigkeit auch virtuose, schnelle Tonbewe- gungen möglich. Ungewohnte Naturtöne: Das Alphorn – FA Der berühmt, berüchtigte 11. Na- turton! Er ist ein absolut korrek- ter Ton der Naturtonreihe, klingt für unsere heutigen an die mo- derne temperierte Stimmung ge- wöhnten Ohren aber absolut schräg. Die temperierte Stimmung hat seit der Zeit J. S. Bachs die vorher üblichen Stimmungen in der westlichen Musikkultur ver- drängt und unsere Ohren sind die- se alten Stimmungen, wie z. B. die der Naturtonreihe nicht mehr ge- wohnt. In alten Alphornmelodien, wie auch in den Melodien für Na- turtrompeten kommt dieser Ton jedoch ganz selbstverständlich vor, ebenso in modernen Kompositio- nen. In traditionellen Alphorn- stücken des 20. Jahrhunderts wird er aber vermieden. Dieselben Aus- führungen gelten für den 13. Na- turton! Soll man diese Töne nun auf dem Alphorn spielen oder ver- meiden? Meine persönliche Meinung: Es muss zum Charakter des Stückes passen. Es ist wie beim Essen: Pfef- fer und Salz sorgen für die nötige Würze – ein zuviel davon ist je- doch unbekömmlich! Bau eines Alphorns Alphörner wurden früher überall in der gleichen Art und Weise her- gestellt. Ein Baumstamm wird der Länge nach halbiert, die beiden Hälften ausgeschabt und wieder zusammengesetzt. Für gekrümm- te Instrumente musste der Baum an einem Hang gewachsen sein. Die beiden Halbschalen wurden mit Harz oder Bienenwachs ab- gedichtet und mit Wurzeln, Zwei- gen, Draht oder Schnur zu- sammengebunden. Um die In- strumente abzudichten, legte man sie früher vor dem Blasen in den Bach oder in den Brunnentrog. Heute werden hochwertige Al- phörner in zwei Halbschalen mit CNC- Maschinen ausgefräst, aus Gründen des einfachen Transports meist in drei Teilen gefertigt, die mit Messingbuchsen zusammen- gesteckt werden, mit hochwerti- gen Klebern zusammengeklebt und meist mit Peddigrohr umwi- ckelt. Das umfassendste Sortiment an Alphörnern, sowie auch Al- phörner zum Vermieten und No- ten bietet an: Alphorn-Center Jahnstraße 8 D-77948 Friesenheim Tel/Fax: 0049(0)7821/61472 [email protected] www.alphorn-center.de Name Allgemein wird angenommen, dass die Bezeichnung Alphorn vom Namen der Alpen abgelei- tet ist. Aufgrund der Verbreitung der Hörner weit über die Alpen hinaus in nahezu allen Gebirgen Europas erscheint dem Verfasser jedoch eine andere Ableitung besser angebracht und gerecht- fertigt: nämlich von dem Begriff Alp, Alpe, Alm, die oberhalb ei- nes Bergdorfes liegende Wiese zum Weiden des Viehs. Der deutsche Dichter Ferdinand Freiligrath schreibt beispielsweise im Jahre 1845: Im Spessart klingt des Älplers Horn), und der Schweizer Karl Nef äußert sich zu diesem Thema im Jahre 1931 folgendermaßen: Das Al- phorn gilt heute als ein schwei- zerisches Instrument. Das ist aber nur insofern richtig, als es bei uns noch viel gespielt wird und weit verbreitet ist. Es dürf- te vielmehr eine Art musikali- schen Urwerkzeuges sein, und er kommt zu der Annahme, dass musikliebende Naturvölker un- abhängig voneinander auf die Idee gekommen sind, aus klei- nen Baumstämmchen trompe- tenartige Blasinstrumente herz- ustellen. Der Begriff Alphorn kann mit Hirtenhorn gleichge- setzt werden. Franz Schüssele Wer hat’s erfunden – die Schweizer? Über die weltweite Verbreitung und den Ursprung des Alphorns

Wer hat’s erfunden – die Schweizer? - alphorn-center.de · Franz Schüssele Wer hat’s erfunden – die Schweizer? Über die weltweite Verbreitung und den Ursprung des Alphorns

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Fachbericht

Alphörner erfreuen sich heutzu-tage einer steigenden Beliebtheit.Nicht nur in der Schweiz, sondernauch in Deutschland und Öster-reich gibt es inzwischen eine gro-ße, ständig wachsende Zahl vonAlphornbläsern. Auch in denUSA, Kanada und Japan trifftman Alphornbläser. In unsererhoch technisierten und immerkomplizierter werdenden Weltscheint dieses einfache Naturin-strument für viele Menschen Ein-fachheit und Natürlichkeit zu ver-körpern.

Das Alphorn kann als Prototypder Blasinstrumente gelten. Ob-wohl es instrumentenkundlich aufGrund seiner Tonerzeugung, diemit der der Blechblasinstrumenteübereinstimmt, zu diesen gezähltwird, nimmt es eine Mittelstellungzwischen den Holz- und

Blechblasinstrumenten ein. SeinKlang vereint die gewaltige Klang-fülle eines Blechblasinstruments,etwa einer Posaune, mit derWeichheit eines

Holzblasinstruments, z. B. ei-

ner Oboe. Während alle anderenBlasinstrumente Weiterentwick-lungen in der Form von Grifflö-chern und Ventilen erfuhren, hatdas Alphorn bis heute seine ur-sprüngliche Form ohne Verände-rungen beibehalten.

Alphörner in der Stimmung Fhaben sich inzwischen internatio-

nal durchgesetzt. Sie sind ca. 3,60m lang und ihre Länge bestimmtdie eine Tonart, in der sie spielbarsind. In der Schweiz wird meistGes geblasen.

Die Naturtöne

Auf dem Alphorn kann man nichtwie z.B. auf dem Klavier einekomplette Tonleiter spielen, son-dern nur einen begrenzten Aus-schnitt aus dieser, die so genann-te Naturtonreihe.Der 9. Naturton B ist in der heu-tigen temperierten Stimmung et-was zu tief. Der 11. Naturton liegtgenau zwischen F und Fis, der 13.zwischen Gis und As. Allgemeinwird vom 2. oder 3. Naturton biszum 12. geblasen. Die extremenTöne gehen sehr schwer.

Die einzelnen Töne werden nurdurch unterschiedliche Lippen-spannung und Atemdruck erzeugt.Dies erfordert vom Bläser Lippen-u. Atemkraft. Auf dem Alphornmeist lange und tiefe Töne ge-spielt, jedoch sind bei entspre-chender Übung und Fertigkeitauch virtuose, schnelle Tonbewe-gungen möglich.

Ungewohnte Naturtöne:Das Alphorn – FA

Der berühmt, berüchtigte 11. Na-turton! Er ist ein absolut korrek-ter Ton der Naturtonreihe, klingtfür unsere heutigen an die mo-derne temperierte Stimmung ge-

wöhnten Ohren aber absolutschräg. Die temperierte Stimmunghat seit der Zeit J. S. Bachs dievorher üblichen Stimmungen inder westlichen Musikkultur ver-drängt und unsere Ohren sind die-se alten

Stimmungen, wie z. B. die derNaturtonreihe nicht mehr ge-wohnt. In alten Alphornmelodien,wie auch in den Melodien für Na-turtrompeten kommt dieser Tonjedoch ganz selbstverständlich vor,ebenso in modernen Kompositio-nen. In traditionellen Alphorn-stücken des 20. Jahrhunderts wirder aber vermieden. Dieselben Aus-führungen gelten für den 13. Na-turton! Soll man diese Töne nunauf dem Alphorn spielen oder ver-meiden?

Meine persönliche Meinung: Esmuss zum Charakter des Stückespassen. Es ist wie beim Essen: Pfef-fer und Salz sorgen für die nötigeWürze – ein zuviel davon ist je-doch unbekömmlich!

Bau eines Alphorns

Alphörner wurden früher überallin der gleichen Art und Weise her-gestellt. Ein Baumstamm wird derLänge nach halbiert, die beidenHälften ausgeschabt und wiederzusammengesetzt. Für gekrümm-te Instrumente musste der Bauman einem Hang gewachsen sein.Die beiden Halbschalen wurdenmit Harz oder Bienenwachs ab-gedichtet und mit Wurzeln, Zwei-

gen, Draht oder Schnur zu-sammengebunden. Um die In-strumente abzudichten, legte mansie früher vor dem Blasen in denBach oder in den Brunnentrog.Heute werden hochwertige Al-phörner in zwei Halbschalen mitCNC- Maschinen ausgefräst, ausGründen des einfachen Transportsmeist in drei Teilen gefertigt, diemit Messingbuchsen zusammen-gesteckt werden, mit hochwerti-gen Klebern zusammengeklebtund meist mit Peddigrohr umwi-ckelt. Das umfassendste Sortimentan Alphörnern, sowie auch Al-phörner zum Vermieten und No-ten bietet an:

Alphorn-CenterJahnstraße 8D-77948 FriesenheimTel/Fax: 0049(0)7821/[email protected]

Name

Allgemein wird angenommen,dass die Bezeichnung Alphornvom Namen der Alpen abgelei-tet ist. Aufgrund der Verbreitungder Hörner weit über die Alpenhinaus in nahezu allen GebirgenEuropas erscheint dem Verfasserjedoch eine andere Ableitungbesser angebracht und gerecht-fertigt: nämlich von dem BegriffAlp, Alpe, Alm, die oberhalb ei-nes Bergdorfes liegende Wiesezum Weiden des Viehs. Derdeutsche Dichter FerdinandFreiligrath schreibt beispielsweiseim Jahre 1845: Im Spessartklingt des Älplers Horn), undder Schweizer Karl Nef äußertsich zu diesem Thema im Jahre1931 folgendermaßen: Das Al-phorn gilt heute als ein schwei-zerisches Instrument. Das istaber nur insofern richtig, als esbei uns noch viel gespielt wirdund weit verbreitet ist. Es dürf-te vielmehr eine Art musikali-schen Urwerkzeuges sein, und erkommt zu der Annahme, dassmusikliebende Naturvölker un-abhängig voneinander auf dieIdee gekommen sind, aus klei-nen Baumstämmchen trompe-tenartige Blasinstrumente herz-ustellen. Der Begriff Alphornkann mit Hirtenhorn gleichge-setzt werden.

Franz Schüssele

Wer hat’s erfunden – die Schweizer?Über die weltweite Verbreitung und den Ursprung des Alphorns

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FachberichtUrsprung

Nach landläufiger Meinung gilt dasAlphorn als typisches SchweizerNationalinstrument und wird alseine Schweizer „Erfindung“ undauf die Schweiz beschränkt ange-sehen. Der erste Teil der Aussagekann als unbestrittene Tatsache gel-ten, während die beiden weiterenAussagen nicht zutreffen.

Wann und wo wurde das Al-phorn erfunden? – eine häufig ge-stellte Frage, die nur so beant-wortbar ist: Überall auf der ganzenWelt! - wie z. B. das Messer oderdas Beil. Irgendwann und irgend-wo in der Urzeit der Menschheittutete einer unsere Vorfahren in einhohles Stück Holz, in einen abge-brochenen und irgendwie ausge-höhlten Ast und erweckte so denersten Alphornton zum Leben. Aufwelchem Kontinent oder gar inwelchem Land dies geschah, istheute nicht mehr feststellbar, wahr-scheinlich auf jedem, denn solcheeinfachen, dem Alphorn entspre-chenden hölzernen Blasinstru-mente sind weltweit anzutreffen,ob es sich um von Termiten aus-gehöhlte australische Didgeridoos,indianische Bambus- oder andereHolztrompeten handelt.

Diese in ihren Anfängen nochrecht kurzen Instrumente hattenmehrere Funktionen als Ge-brauchsinstrumente: Verscheuchenvon wilden Tieren, Feinden undDämonen, gegenseitige Verständi-gung und Nachrichtenübermitt-lung – das „Handy“ der Steinzeit!Als die Menschen begannen sichTiere dienstbar zu machen, wur-den die Hörner zu „Arbeitsin-strumenten“ der Hirten, mit de-nen sie das Vieh antrieben undlenkten.

Die Hirtenhörner früherer Zei-ten waren nur etwa halb so langwie die heutigen Alphörner. Dem-entsprechend waren auf ihnen auchmeist nur ca. 4-6 Töne spielbar, imGegensatz zu den heutigen langenHörnern, auf denen ca. 12 undmehr Töne spielbar sind. Sie ge-nügten jedoch mit diesen wenigenTönen vollkommen ihrem Zweckeder Signalgebung.

In ganz Europa gab es früher Al-phörner in unterschiedlichsten For-men. Leider starben diese Natur-instrumente spätestens bis zum Be-ginn des 20. Jahrhunderts in denmeisten europäischen Ländern fastvöllig aus - auch in der Schweiz!Zum Alphornwettblasen in Un-spunnen in der Nähe von Interla-ken traten im Jahre 1805 gerade

noch 2 Bläser an, und im Jahre dar-auf schließlich nur noch ein Ein-ziger. Durch Fördermaßnahmenwurde jedoch das Alphornblasenin der Schweiz wieder ziemlichschnell „reanimiert“ und populär.Hier sind in erster Linie die Ver-dienste von Ferdinand FürchtegottHuber, Heinrich Szadrowsky undAlfred Leonz Gassmann zu würdi-gen.

Dokumentation der ältes-ten Alphörner

In der Schweiz ist das Alphornzum ersten Mal mit Sicherheitdurch den Fund eines ca. _ m lan-gen Holzhorns um 1400 bei Mei-len und Mitte des 16. Jahrhun-derts durch die Aufzeichnungendes Zürcher Naturgelehrten Con-rad Gesner dokumentiert.

In Österreich berichtet im Jah-re 1380 zum ersten Male derMönch von Salzburg vom hölzer-nen Kchuhorn, in Deutschlandwurde in Parchim (Brandenburg)ein Holzhorn aus dem 11/12.Jahrhundert gefunden.

Alphornformen in Europa

Ein interessantes schräg angebla-sene Holzhorn ist das Middewin-terhorn, das im niederlän-disch/deutschen Grenzgebiet heu-te noch geblasen wird und ver-mutlich bis in die Zeit der Keltenzurück reicht. Von den ThüringerHirten wurde das hölzerne Hir-tenhorn, Schalmei genannt, bisin die 1970er Jahre beim Weide-betrieb geblasen und es fand bis1973 ein alljährliches Wettblasender Hirten statt. Im Schwarz-waldstädtchen Villingen erklingtalljährlich am Heilig Abend dasHerterhorn, das übrigens in derForm genau dem Schweizer Al-phorn entspricht und ca. 1,5mlang ist. Dieser Brauch geht aufein Gelübde zurück, das die Vil-linger im Jahre 1765 anlässlich ei-ner Viehpest ablegten.

In Polen trifft sich jedes Jahr am2. Adventssonntag eine große Scharvon Ligawkagläsern zum Wettbla-sen. Ligawka, Bazuna und Trem-bita sind die Namen der zwischen1,5 und 4m langen polnischenHolzhörner. In Russland ist eineFülle von hölzernen Hörnern an-zutreffen, das interessanteste ist dassibirische Payze, bei dem der Tonnicht durch Blasen, sondern durchEinsaugen der Luft in das Instru-ment erzeugt wird. In Rumänientrifft man auf 5 verschiedene Ty-

pen des Buciums, das dort meistvon Frauen geblasen wird, da die-sen die Weidewirtschaft oblag.

Die Wanderausstellung des Ver-fassers „Alphorn und Hirtenhornin Europa“ dokumentiert die In-strumentenvielfalt mit ca. 150 In-strumenten aus der ganzen Welt.Ab dem Jahr 2010 werden inter-essierte Museen oder Institutio-nen für die Ausstellung gesucht.

Das Alphorn in der klassischen Musik

In die Klassische Musik hat dasAlphorn schon sehr früh Einzuggehalten, nämlich schon im Jahr1756 durch den Salzburger Hof-musiker Leopold Mozart, den Va-ter des berühmten Wolfgang Ama-deus, der eine Sinfonia Parstorel-la für Corno Pastoritio (Hirten-horn) und Streichorchesterschrieb. Dieses Werk wurde fürdas kurze Hirtenhorn in G in ei-ner Länge von ca. 1,60m ge-schrieben. Bis heute wurde es im-mer auf dem großen 3,20m lan-gen Alphorn in G gespielt. Dasklingt dann so, wie wenn man einHornkonzert auf einer Tuba spielt.Die erste öffentliche Aufführungdes Werkes mit dem historischenHirtenhorn fand 2006 im deut-schen Fernsehen durch FranzSchüssele mit den BambergerSymphonikern statt. Komponis-ten der Klassik und Romantik ver-wendeten zwar Alphornmotive inihren Werken, vertrauten dieseaber nie dem Alphorn sondern an-dern gängigen Orchesterinstru-menten an. Der Grund hierfür istwahrscheinlich, dass es zu ihrerZeit keine Alphornspieler gab, dieprofessionellen musikalischen An-sprüchen genügten. Erst im 20.Jahrhundert schrieben der Schwei-zer Jean Daetwyler und der Un-gar Ferenc Farkas bedeutendeWerke für Alphorn und Orches-ter. Und im 21. Jahrhundert ent-

standen einige symphonische Wer-ke für Alphorn und Orchester, z.B.das Alphornkonzert des Schwei-zer Saxophonisten und Kompo-nisten Daniel Schnyder, uraufge-führt durch Arcady Shilkloper, dasKonzert in keltischer Manier desWiener Komponisten KurtSchwertsik, uraufgeführt und aufCD aufgenommen durch NuryGuarnaschelli 2008 und das Alp-hornkonzert für SymphonischesBlasorchester des Grazer Kompo-nisten Victor Fortin, uraufgeführt2005 durch Franz Schüssele.

Das Alphorn in modernen Musikstilen

In den letzten Jahren hat sich dasAlphorn immer stärker in moder-nen Musikstilen etabliert.

Im volkstümlichen Schlagertaucht das Alphorn immer wiederauf. Die Initialzündung hierfürgab im Jahre 1976 das Pepe-Lien-hard-Sextett mit seinem SchlagerSwiss-Lady.

Im Jazz war der deutsche Flü-gelhornist Herbert Joos der erste,der das Alphorn vereinzelt ein-setzte. Begründer und bis heuteführender Musiker des modernenAlphornjazz ist jedoch Hans Ken-nel mit seiner 1992 gegründetenGruppe Mytha. Mit seiner kürz-lich erschienenen CD Mytha newedition - eine Symbiose aus alterNaturtonmusik und Jazz - erweister sich zusammen mir der genia-len Sängerin Betty Kegler auch mitseinen 70 Jahren immer noch alstonangebend in der innovativenAlphornmusik.

Ebenfalls der Naturtonmusikverpflichtet fühlt sich das durchden Alphorn-Film von StefanSchwietert in den Blickpunkt derÖffentlichkeit gerückte Basler Alp-hornquartett Hornroh. Diese For-mation inszeniert ihre in unge-wöhnlichen Formen gebauten Al-phörner in einer interessanten Per-

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Fachbericht

formance. Soeben ist ihre neueCD Findling erschienen.

Der Züricher Posaunist RobertMorgenthaler verbindet muika-lisch-kosmopolitisch in seinerGruppe Roots of Communicationdas Alphorn improvisatorisch mitVolksmusikinstrumenten andererLänder und Kontinente. InDeutschland spielt die Kölner Alp-hornformation Alpcologne zu-sammen mit einer Sängerin mo-dernen modernen Alphornjazz.Die Schweizer Sängerin und Alp-hornistin Eliane Burki setzt dasAlphorn in der popmusikalischorientiert ein und der russischeHornist Arcady Shilkloper bestichtmit virtuos gespielten funkigemAlphorn.

In der Rockmusik ist bis heuteder Heavyrocktitel Alphornrockdes Verfassers die einzige Veröf-fentlichung auf CD geblieben.

Im Weltmusikprojekt Klang-welten des Crossover-MusikersRüdiger Oppermann gab es 2009einen ersten Einsatz des Alphornszusammen mit ungarischen, bul-garischen und deutschen Dudel-säcken und einer nordischen Luredurch Franz Schüssele.

Das Alphorn in derKirchenmusik

In der Kirche wurden Alphörnerfrüher als Ersatz für die Glockeneingesetzt, wenn diese z.B. in derKarwoche zu schweigen hatten.Eine ganze Reihe von geistlichenWerken für Hirtenhorn mit Chorund Orchester findet man im18./19. Jahrhundert im süddeut-schen, böhmisch-mährischen, ös-terreichischen Raum vor allem inder Weihnachtsmusik. FolgendeKomponisten stehen stellvertre-tend für eine größere Anzahl:

Anton Neumann, Stift Lam-bach , Oberösterreich, ‚Schmitt-bauer Lukas. Efferding bei Linz,Joseph Anton Angeber, Immen-

stadt (D), Johann ChrytostomusDrexel, Augsburg (D).

1984 erschien die bisher einzi-ge Messe für mehrere Alphörnerund Chor von Franz Schüssele aufCD.

Alphorn und Blechbläser

Zunehmend bauen Blasorchester,Musikzüge und Posaunenchöredas Alphorn in ihr Programm ein.Gab es vor 20 Jahren kaum Lite-ratur für Alphorn und diese Be-setzungen, so sind heute beim Al-phorn-Center, Jahnstr. 8, 77948Friesenheim bereits ca. 50 Kom-positionen lieferbar.

Im Norden Deutschlands hatdas „Stahler Alphorn Ensemble“in Höxter-Stahle als erstes Al-phorn-Ensemble Nordrheinwest-falens das Alphorn durch seineKonzerte bundesweit bekannt ge-macht. Es wurde 2002 durch den1. Flügelhornisten des StahlerBlasorchesters Günther Borgoltegegründet und seine 4 Mitgliedersind alle Blechbläser des StahlerBlasorchesters.

Das Alphorn im Blech -bläsertraining und in derBlechbläserausbildung

Das Alphorn eignet sich hervor-ragend zum Training der Atmungund Stütze. Meist wird im hohenBereich der Naturtöne gespielt.Dies erfordert ebenso hohe Atem-wie Lippenkraft, und das Alphorneignet sich bestens, diese mit re-lativ geringem Zeitaufwand zutrainieren. So erfordert z.B. eineStunde Alphornüben ungefähr diegleiche Ansatzkraft wie zwei Stun-den Posauneüben. Das sensibleAnsprechen erfordert eine opti-male Koordinationsfähigkeit vonAnsatz, Zunge und Stütze. DasAlphornüben führt recht schnellzu einer enormen Verbesser-ungdes Ansatzes und der Treffsicher-

heit auf jedem Blechblasinstru-ment. Für die Anfangs-ausbildungbietet sich das Alphorn besondersan. Folgende Vorzüge bietet es ei-nem Anfänger:1. Er ist gezwungen, von Anfang

an gut zu atmen und zu stützen.2. Man hat es mit relativ wenigen

Tönen und langen Notenwer-ten zu tun undkann sich daher gut auf denKlang konzentrieren.

3. Die erforderlichen Noten-kenntnisse sind gering, und dasErlernen der Noten-schrift fällt somit leicht.

4. Man wird nicht durch Proble-me mit Tasten und Griffen vomelementarenBlasvorgang abgelenkt undkann sich voll auf diesen kon-zentrieren.

5. Man entwickelt schnell das Ge-fühl für das Aufrechterhalten ei-ner langen Luftsäule.

6. Das Instrument ist – besondersfür Kinder – ob seiner Größeund Einfachheitsehr motivierend.

7. Man hat anfangs schnell einenguten Lernfortschritt und kannbald in einer Gruppe mitspie-len. Dies ist sehr motivations-fördernd.Eine beträchtliche Anzahl pro-

fessioneller Blechbläser praktiziertdas Alphornspiel, z.B.

Bläser des Bayreuther Festspiel-orchesters, der Berliner Philhar-moniker, des Bayrischen Rund-funks, des Südwestrundfunks, desWestdeutschen Rundfunks, desÖsterreichischen Rundfunks, desMozarteums Salzburg, des Züri-cher Tonhalleorchesters, des Bas-ler Sinfonieorchesters, etc.

Zusammenfassung desBuches: Franz Schüssele:Alphorn und Hirtenhornin Europa

Das Alphorn kann als Prototypder Blasinstrumente gelten. Wäh-rend alle anderen Blasinstrumen-te im Laufe der Zeit technischeWeiterentwicklungen erfuhren,hat es bis heute seine ursprüngli-che Form beibehalten. Heutige Al-phörner sind im Durchschnitt ca.3,5m lang und ihre Länge be-stimmt die eine Tonart, in der siespielbar sind. Die Hörner frühe-rer Zeiten waren nur etwa halb solang wie die heutigen. Dement-sprechend waren auf ihnen auchmeist nur halb so viele Töne spiel-bar. Auf dem Alphorn kann mannicht wie z.B. auf einem Klavier

eine komplette Tonleiter spielen,sondern nur ca. 12 Töne der sogenannten Naturtonreihe.

Allgemein wird angenommen,dass die Bezeichnung Alphornvom Namen der Alpen abgeleitetist. Aufgrund der Verbreitung derHörner weit über diese hinaus er-scheint jedoch eine andere Ablei-tung besser angebracht und ge-rechtfertigt: nämlich von dem Be-griff Alp, Alpe, Alm, die oberhalbeines Bergdorfes liegende Wiesezum Weiden des Viehs. In ganzEuropa gab es früher Alphörnerin unterschiedlichsten Formen, lei-der starben sie fast völlig aus - auchin der Schweiz! War das Alphornfrüher einmal ein einfaches Sig-nalinstrument so hat es sich in denletzten Jahren zum vollwertigenMusikinstrument entwickelt, dasseinen Platz nicht nur in der volks-tümlicher Musik, sondern in al-len heute gängigen Musikstilenhat. Offensichtlich regt das Al-phorn die Phantasie vieler Bastlerund Handwerker an, kuriose In-strumente außerhalb der gängigenFormen zu bauen. Es gibt Hörneraus von der Natur stark ver-krümmten und verknorrtenBaumstämmen, in Trompeten-Posaunen- Tuba- und Saxophon-form, aus Blech, Glas, Kunststoffund Pappmasche. Das längste Al-phorn der Welt misst 47m.

Das Spazierstockalphorn

Franz Schüssele, Alphornsolist,Alphornbauer und Chef der ba-disch-alemannischen Musikgrup-pe Gälfiäßler, die dafür bekanntist, dass sie alle möglichen und un-möglichen Gebrauchsgegenstän-de vom Gartenschlauch über denFahrradlenker bis zum Siphon(Abflußrohr) zu Musikinstru-menten umfunktioniert, hat fürmusikliebende Wanderer undwanderfreudige Musiker ein neu-es „Gebrauchsinstrument“ entwi-

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Fachbericht

ckelt: einen musikalischen Blas-Wanderstock.

Ein wie ein Alphorn ausge-höhlter Spazierstock dient alsWanderhilfe und Minialphorn zu-gleich. Im Handumdrehen wirddie Stockspitze entfernt, einTrompeten-, Horn- oder Posau-nenmundstück eingesetzt, undschon ertönt das erste Signal, z.B.„Großer Durst oder Hunger, Sam-meln zum Gipfelsturm oder auchS. O. S. - verirrt“. Es sind die glei-chen Signale wie auf einem FürstPless Horn spielbar, ebenso dieAnfänge bekannter Lieder, die aufden Naturtönen aufgebaut sind,wie z.B. „Im Frühtau zu Berge,Auf, auf zum fröhlichen Jagen, LaCucaracha“ usw. Wer ein Blech-blasinstrument spielt oder ein sol-ches früher einmal erlernt hat,kann auf dem Stock auf Anhiebspielen. Aber auch für Musikun-kundige ist das Blasen mit Hilfeeiner beigefügten Anleitungschnell erlernbar. Preis: 110 Euro + Versand

Franz SchüsseleAlphorn-CenterJahnstraße 8D-77948 FriesenheimTel/Fax: 0049(0)7821/[email protected]

Portrait des Autors

Franz Schüssele, geb. inDörlinbach/Schwarzwald, studierte Po-saune, Schulmusik und Germanistik.Nach dem Studium der klassischen Mu-sik und Tätigkeit in mehreren Jazz –Ensembles wandte er sich der origina-len Volksmusik zu und gründete dieVolksmusikgruppe „Gälfiäßler“, diedurch Rundfunk und Fernsehen bekanntund zu einem Markenzeichen für ori-ginale und originelle Volksmusik undausgefallene, seltene Instrumente wur-de.

Er spielte 3 Jahre im Philharmoni-

schen Orchester der Stadt Freiburg underhielt dann einen Lehrauftrag an derdortigen Pädagogischen Hochschule fürPosaune und Blechbläserkammermusik.Seitdem ist er dort und an der RealschuleFriesenheim als Musikpädagoge und alsfreischaffender Musiker tätig.

1983 erlernte er autodidaktisch dasAlphornspiel und komponierte in derFolgezeit eine große Anzahl von Stückenfür Alphorn und allerlei mögliche undunmögliche Besetzungen, so z. B. Al-phorn u. Orgel, Orchester, Drehorgel,Dudelsack usw...

Er veröffentlichte zahlreiche LPs undCDs und erhielt schon mehrere Preise.

Besondere Beachtung fanden seine1984 komponierte und auf LP aufge-nommene „Messe für Chor und Al-phörner“ und sein 2000 erschienenesBuch „Alphorn und Hirtenhorn in Eu-ropa“, das inzwischen als wissenschaft-liches Standardwerk dieses Genres gilt.

Franz Schüssele ist als Alphornsolistund Multiinstrumentalist tätig.

Im Jahr 2001 wurde er mit seinerMusikgruppe „Gälfiäßler“ als Gruppemit den meisten Musikinstrumenten(150) ins „Guinnessbuch der Rekorde“eingetragen.

2005 spielte die Uraufführung des„Alphornkonzertes für SymphonischesBlasorchester“ von Victor Fortin undnahm er mit dem Deutschen Filmor-chester Babelsberg das „Alphornkonzertvon Leopold Mozart“ auf. 2006 führteer dieses Werk im Fernsehen (Bayern 3,WDR u. TV Südtirol)) mit den Bam-berger Symphonikern auf und war alsSolist live im TV S3 mit Serpent,Alp/Hirtenhorn und Singender Säge zuGast.

Neben Alphorn und Posaune spielter seltene historische Instrumente, wiez. B. Serpent, Trumscheit (Tromba Ma-rina) und Theremin, sowie eine Reiheselbst er-fundene, kuriose Instrumente,wie z.B. Spazierstockalphorn, Büch-sentrompete …

2007 spielte er als Solist beim Phil-harmonischen Orchester Villingen-Schwenningen und den RottweilerMünster-Sängerknaben. Seit 2007 bauter auch Alphörner. 2009 spielte er imWeltmusikprojekt „Klangwelten” vonRüdiger Oppermann das Alphorn zu-sammen mit türkischen und ungarischenMusikern.