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148 Stahlbau 82 (2013), Heft 2 Persönliches Persönliches Werner Lorenz 60 Jahre Am 1. Februar vollendete Professor Dr.- Ing. Werner Lorenz sein 60. Lebensjahr. Werner Lorenz war 1953 in Osna- brück als zweites von fünf Kindern ge- boren worden und in den Jahren des Wirtschaftswunders in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater gründete als Internist eine eigene Praxis, die Urlaube führten regelmäßig in Feri- enhäuser nach Dänemark, bald zog die Familie in ein eigenes Haus. In Osnabrück besuchte er das Gym- nasium Carolinum – eine der traditions- reichsten Schulen Deutschlands, die er 1971 mit dem Abitur im altsprachlichen Zweig verließ. Das Studium führte ihn an die TU nach West-Berlin und damit in eine Stadt mit einem gänzlich anderen politischen und kulturellen Pulsschlag als im fernen Osnabrücker Land. Für das Abnabeln vom Elternhaus war die gefühlte Distanz beim Umzug in die vom politischen Geg- ner umschlossene Exklave gerade groß genug, und bei der Wahl des Studienfa- ches hatte er sich von der Berufsberatung in Osnabrück überzeugen lassen: „Ge- baut wird immer!“ Der Zufall half also mit, dass sich Werner Lorenz für ein Studium des Bau- ingenieurwesens einschrieb. Noch weit entfernt von der aktuellen Tendenz zum Turbo-Studium ließ er sich hierfür Zeit, schließlich erwartete man von einem Universitätsstudenten den Blick deutlich über den Tellerrand hinaus. Und für den im christlichen Wertekanon erzogenen Werner Lorenz waren gesellschaftliche Diskussionen, wie über den sich zuspit- zenden Vietnamkrieg oder die Nutzung der Atomkraft geradezu Verpflichtung, sich jenseits von fachlichen Interessen auch in politischen Arbeitskreisen zu engagieren. Trotz allen außeruniversitären Engage- ments – von einem „Dünnbrett“-Studium keine Spur! Im Studiengang Konstrukti- ver Ingenieurbau wählte er die Vertie- fungsrichtung Statik der Baukonstruk- tionen und arbeitete mehrere Jahre als Wissenschaftliche Hilfskraft am Fach- gebiet Mechanik bei Professor Peter Gummert sowie am Fachgebiet Statik der Baukonstruktionen bei Professor Gebhard Hees, bei dem er 1980 im The- menbereich der Finiten Elemente seine Diplomarbeit verfasste. Nach dem Diplom sammelte Werner Lorenz bis 1984 Erfahrungen als Trag- werksplaner im Berliner Ingenieurbüro Krüger; 1983 begann er zusammen mit einem Freund den eigenhändigen Wie- deraufbau eines alten zerstörten Bauern- hauses in Italien, wodurch er sein Inge- nieurwissen durch solide handwerkliche Kompetenz ergänzen konnte. Berlin war mittlerweile seine neue Heimat geworden. An den Abenden und in den Nächten philosophierte man über Gott und die Welt und natürlich über Politik, schließlich waren die Super- mächte gerade dabei, beiderseits des Eisernen Vorhangs Atomraketen zu stationieren. Mit Begeisterung besuchte er an der Freien Universität ein Seminar zu Nietzsche „Vom Nachteil und Nutzen der Historie für das Leben“. Sein Interesse für die geschichtliche Dimension – auch des Bauingenieurwe- sens – war inzwischen geweckt. Mit dem Wunsch, zum Thema „Historisches Mauerwerk“ zu promovieren, begann Werner Lorenz 1984 als Wissenschaft- licher Mitarbeiter bei Professor Klaus Dierks vom Fachgebiet Tragwerkslehre an der Architekturfakultät der TU Ber- lin, und in den Jahren bis 1989 schärfte die Arbeit mit Architekturstudenten sein Bewusstsein für die ästhetische Dimen- sion eines Bauwerks, eines Tragwerks oder eines simplen Details. 1988 ließ er sich kurze Zeit beurlauben, um als Gast- dozent des DAAD an der renommierten École Nationale des Ponts et Chaussées in Paris zu unterrichten. Das ursprüngli- che Promotionsthema war inzwischen aufgegeben; Kontakte zur Berliner Denk- malpflege hatten ein ganz anderes For- schungsdesiderat ins Gespräch gebracht: die frühen Eisenbauten in und um Ber- lin. Wenngleich der räumliche Kontext sich erweiterte – seither haben die frühen Bauten aus Eisen und Stahl maßgeblich seine Arbeit als Forscher und Ingenieur bestimmt. Mit einer Dissertation zum Thema „Bauen mit Eisen im Berliner Raum 1797–1850“ promovierte Werner Lorenz 1992 an der TU Berlin bei Professor Dierks zum Dr.-Ing. Die Arbeit wurde mit „Summa cum laude“ bewertet, spä- ter unter dem Titel „Konstruktion als Kunstwerk“ publiziert [1] und stand in fast schon logischer Folge seines über- aus erfolgreichen Bildungs- bzw. Ausbil- dungsweges: Dem Abitur mit Auszeich- nung war wiederum das jahrgangsbeste Diplom im Konstruktiven Ingenieurbau gefolgt. 1993 wurde Werner Lorenz zum Universitätsprofessor für Bautechnikge- schichte an die Brandenburgische Tech- nische Universität Cottbus (BTU) beru- fen. Wo fängt man an, möchte man ihn und seine Leistungen in den nunmehr zwei Jahrzehnten seit seiner Berufung würdigen? Da sei zunächst vorgestellt … Werner Lorenz als Lehrender und Vortragender: Man kann es kurz machen – Werner Lorenz spielt in einer besonderen Liga. Schon seine Tutorien als Wissenschaft- liche Hilfskraft an der TU Berlin genos- sen einen hervorragenden Ruf, und mit seinen Vorlesungen hat er inzwischen zahlreiche Jahrgänge von Studenten be- geistert. Er ist ein begehrter Redner im In- und Ausland. Wort- und redegewandt findet er immer den richtigen Ton und kommuniziert auf Augenhöhe – sei es zu Semesterbeginn, um Studienanfänger zu begrüßen, oder im Ministerium, um ein neues Studienkonzept vorzustellen. Als Lehrender geht es ihm aber nicht nur darum, wie, sondern insbesondere darum, was gelehrt wird. Während Stu- denten hier und da noch immer das Nor- menwerk durchdeklinieren müssen, ver- mittelt Werner Lorenz zu einem Thema vielmehr die relevanten Hintergründe und formuliert vor allem die richtigen Fragen, deren Diskussion zum Verständ- nis eines Sachverhalts beitragen. Eben universitäre Lehre. Werner Lorenz als Wissenschaftler, als Historiker: Werner Lorenz ist ein Pionier der Bau- technikgeschichte. Für die Entwicklung dieser noch jungen Disziplin war es ein Glück, dass im Gründungskonzept der BTU ein solcher Lehrstuhl Bautechnik- geschichte überhaupt vorgesehen war – angesiedelt dort, wo Ingenieur- und Geisteswissenschaften einander begeg- nen. Und es war ein Glück, dass Werner Lorenz auf diesen Lehrstuhl berufen wurde: Vielseitig interessiert, altsprach- lich-humanistisch gebildet, als Bauinge- nieur diplomiert, durch jahrelange Arbeit mit künstlerisch orientierten Architekten geprägt und durch philosophische und politische Diskurse geformt, verkörpert er idealtypisch diese Schnittmenge. Die- ses Profil spiegelt sich in seinem gesam- ten Schaffen wider, wie etwa im unlängst von ihm konzipierten und von der Guar- dini-Stiftung veranstalteten Kolloquium „Heilige Orte – Konstruktionen des Hei- ligen zwischen Transzendenz und Erin- nern“. Den frühen Eisenbauten ist er treu ge- blieben. Gegenwärtig kommt eines seiner Projekte zum Abschluss, in dem über

Werner Lorenz 60 Jahre

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Page 1: Werner Lorenz 60 Jahre

148 Stahlbau 82 (2013), Heft 2

Persönliches

Persönliches

Werner Lorenz 60 Jahre

Am 1. Februar vollendete Professor Dr.-Ing. Werner Lorenz sein 60. Lebensjahr.

Werner Lorenz war 1953 in Osna-brück als zweites von fünf Kindern ge-boren worden und in den Jahren des Wirtschaftswunders in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater gründete als Internist eine eigene Praxis, die Urlaube führten regelmäßig in Feri-enhäuser nach Dänemark, bald zog die Familie in ein eigenes Haus.

In Osnabrück besuchte er das Gym-nasium Carolinum – eine der traditions-reichsten Schulen Deutschlands, die er 1971 mit dem Abitur im altsprachlichen Zweig verließ.

Das Studium führte ihn an die TU nach West-Berlin und damit in eine Stadt mit einem gänzlich anderen politischen und kulturellen Pulsschlag als im fernen Osnabrücker Land. Für das Abnabeln vom Elternhaus war die gefühlte Distanz beim Umzug in die vom politi schen Geg-ner umschlossene Exklave gerade groß genug, und bei der Wahl des Studienfa-ches hatte er sich von der Berufsbera tung in Osnabrück überzeugen lassen: „Ge-baut wird immer!“

Der Zufall half also mit, dass sich Werner Lorenz für ein Studium des Bau-ingenieurwesens einschrieb. Noch weit entfernt von der aktuellen Tendenz zum Turbo-Studium ließ er sich hierfür Zeit, schließlich erwartete man von einem Universitätsstudenten den Blick deutlich über den Tellerrand hinaus. Und für den im christlichen Wertekanon erzogenen Werner Lorenz waren gesellschaftliche Diskussionen, wie über den sich zuspit-zenden Vietnam krieg oder die Nutzung der Atomkraft geradezu Verpflichtung, sich jenseits von fachlichen Interessen auch in politischen Arbeitskreisen zu engagieren.

Trotz allen außeruniversitären Engage-ments – von einem „Dünnbrett“-Studium keine Spur! Im Studiengang Konstrukti-ver Ingenieurbau wählte er die Vertie-fungsrichtung Statik der Baukonstruk-

tionen und arbeitete mehrere Jahre als Wissenschaftliche Hilfskraft am Fach-gebiet Mechanik bei Professor Peter Gummert sowie am Fachgebiet Statik der Baukon struktionen bei Professor Gebhard Hees, bei dem er 1980 im The-menbereich der Finiten Elemente seine Diplomarbeit verfasste.

Nach dem Diplom sammelte Werner Lorenz bis 1984 Erfahrungen als Trag-werksplaner im Berliner Ingenieurbüro Krüger; 1983 begann er zusammen mit einem Freund den eigen händigen Wie-deraufbau eines alten zerstörten Bauern-hauses in Italien, wodurch er sein Inge-nieurwissen durch solide handwerkliche Kompetenz ergänzen konnte.

Berlin war mittlerweile seine neue Heimat geworden. An den Abenden und in den Nächten philosophierte man über Gott und die Welt und natürlich über Politik, schließlich waren die Super-mächte gerade dabei, beiderseits des Eisernen Vorhangs Atomraketen zu stationie ren. Mit Begeisterung besuchte er an der Freien Universität ein Seminar zu Nietzsche „Vom Nachteil und Nutzen der Historie für das Leben“.

Sein Interesse für die geschichtliche Dimension – auch des Bauingenieurwe-sens – war in zwischen geweckt. Mit dem Wunsch, zum Thema „Historisches Mauerwerk“ zu promovie ren, begann Werner Lorenz 1984 als Wissenschaft-licher Mitarbeiter bei Professor Klaus Dierks vom Fachgebiet Tragwerkslehre an der Architekturfakultät der TU Ber-lin, und in den Jahren bis 1989 schärfte die Arbeit mit Architekturstudenten sein Bewusstsein für die äs thetische Dimen-sion eines Bauwerks, eines Tragwerks oder eines simplen Details. 1988 ließ er sich kurze Zeit beurlauben, um als Gast-dozent des DAAD an der renommierten École Nationale des Ponts et Chaussées in Paris zu unterrichten. Das ursprüngli-che Pro motionsthema war inzwischen aufgegeben; Kontakte zur Berliner Denk-malpflege hatten ein ganz anderes For-schungsdesiderat ins Gespräch gebracht: die frühen Eisenbauten in und um Ber-lin. Wenngleich der räumliche Kontext sich erweiterte – seither haben die frü hen Bauten aus Eisen und Stahl maßgeblich seine Arbeit als Forscher und Ingenieur bestimmt.

Mit einer Dissertation zum Thema „Bauen mit Eisen im Berliner Raum 1797–1850“ promo vierte Werner Lorenz 1992 an der TU Berlin bei Professor Dierks zum Dr.-Ing. Die Arbeit wurde mit „Summa cum laude“ bewertet, spä-ter unter dem Titel „Konstruktion als Kunst werk“ publiziert [1] und stand in fast schon logischer Folge seines über-aus erfolgreichen Bildungs- bzw. Ausbil-dungsweges: Dem Abitur mit Auszeich-nung war wiederum das jahr gangsbeste

Diplom im Konstruktiven Ingenieurbau gefolgt.

1993 wurde Werner Lorenz zum Universitätsprofessor für Bautechnikge-schichte an die Brandenburgische Tech-nische Universität Cottbus (BTU) beru-fen. Wo fängt man an, möchte man ihn und seine Leistungen in den nunmehr zwei Jahrzehnten seit seiner Berufung würdigen? Da sei zunächst vorgestellt …

Werner Lorenz als Lehrender und Vortragender:Man kann es kurz machen – Werner Lorenz spielt in einer besonderen Liga. Schon seine Tutorien als Wissenschaft-liche Hilfskraft an der TU Berlin genos-sen einen hervorragenden Ruf, und mit seinen Vorlesungen hat er inzwischen zahlreiche Jahrgänge von Studenten be-geistert. Er ist ein begehrter Redner im In- und Ausland. Wort- und redegewandt findet er immer den richtigen Ton und kommuniziert auf Augenhöhe – sei es zu Semesterbeginn, um Studienanfänger zu begrüßen, oder im Ministerium, um ein neues Studienkonzept vorzustellen.

Als Lehrender geht es ihm aber nicht nur darum, wie, sondern insbesondere darum, was gelehrt wird. Während Stu-denten hier und da noch immer das Nor-menwerk durch deklinieren müssen, ver-mittelt Werner Lorenz zu einem Thema vielmehr die relevanten Hintergründe und formuliert vor allem die richtigen Fragen, deren Diskussion zum Verständ-nis eines Sach verhalts beitragen. Eben universitäre Lehre.

Werner Lorenz als Wissenschaftler, als Historiker:Werner Lorenz ist ein Pionier der Bau-technikgeschichte. Für die Entwicklung dieser noch jungen Disziplin war es ein Glück, dass im Gründungskonzept der BTU ein solcher Lehrstuhl Bautechnik-geschichte überhaupt vorgesehen war – angesiedelt dort, wo Ingenieur- und Geisteswissenschaften einander begeg-nen. Und es war ein Glück, dass Werner Lorenz auf diesen Lehrstuhl berufen wurde: Vielseitig interessiert, altsprach-lich-humanistisch gebildet, als Bauinge-nieur diplomiert, durch jahrelange Arbeit mit künst lerisch orientierten Architekten geprägt und durch philosophische und politische Diskurse geformt, verkörpert er idealtypisch diese Schnittmenge. Die-ses Profil spiegelt sich in seinem gesam-ten Schaffen wider, wie etwa im unlängst von ihm konzipierten und von der Guar-dini-Stiftung veranstalteten Kolloquium „Heilige Orte – Konstruktionen des Hei-ligen zwischen Transzendenz und Erin-nern“.

Den frühen Eisenbauten ist er treu ge-blieben. Gegenwärtig kommt eines seiner Projekte zum Abschluss, in dem über

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Persönliches

viele Jahre die einzigartigen Decken- und Dachkonstruktio nen in den Gebäu-den eines der bedeutendsten Museen weltweit erforscht worden sind – der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg. In vorwiegend drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten, Symposien und in einer Vielzahl von Publikationen und Vorträgen diskutiert er sowohl Fragen zur konstruktiven Bewertung und Er-tüchtigung von historischen Tragwerken als auch Themen der vornehmlich indus-triell geprägten Bautech nik- und Konst-ruktionsgeschichte sowie die Haltungen und das Selbstverständnis von Bauinge-nieuren. Hierbei wirft er auch unange-nehme Fragen auf, wie zur Rolle der In-genieure in der Zeit des Nationalsozia-lismus [2].

Und Werner Lorenz scheut nicht den „großen Wurf“: Mutig lädt er für 2009 die weltweite Construction History Community zu einem 3. Internationalen Kongress ausgerechnet nach Cottbus ein – und alle kommen. Zudem organi-siert der Lehrstuhl seit zwei Jahren feder-führend eine Reihe von Construction History – Summer Schools, die jährlich in verschie denen europäischen Universi-tätsstädten stattfinden und veranstaltet seit einigen Jahren zusammen mit den VDI-Arbeitskreisen Technikgeschichte und Bautechnik im Deutschen Technik-museum Berlin eine inzwischen etab-lierte Vortragsreihe zu Praktiken und Poten zialen von Bautechnikgeschichte. Es ist vor allem sein Verdienst, dass der Lehrstuhl heute national wie internatio-nal ein so außerordentliches Ansehen genießt.

Früh erkannte Werner Lorenz das Potenzial der bautechnikgeschichtlichen Forschung für die Ingenieurpraxis, die sich zunehmend auf den Bestand kon-zentrieren muss. Aus sei ner Ingenieur-praxis haben sich immer wieder For-schungsthemen herausgeschält, die gegebe nen falls zu eigenen Dissertations-themen heranreiften. 2003 wurde sein Lehrstuhl in „Bautechnikgeschichte und Tragwerks erhaltung“ umbenannt, um der Erweiterung des Aufgabengebietes auf Fragen der Sanierung und Ertüch-tigung von Tragwerken Rechnung zu tragen. Zum Beispiel erarbeitete der Lehrstuhl federführend das denkmal-gerechte Ertüch tigungskonzept der kon-struktionsgeschichtlich bedeutsamen Bohlenbinderhalle des Hüttenwerks in Peitz, für das er 2008 als Teil einer ARGE den Brandenburgischen Inge-nieurpreis erhielt.

Werner Lorenz als Ingenieur und Tragwerksplaner: Vereinzelten Nebentätigkeiten als Trag-werksplaner und Gutachter seit Mitte der 1980er Jahre folgt 1996 eine erste

Bürogründung, aus der über Umwege die seit 1999 bestehen de Prof. Dr. Lorenz & Co Bauingenieure GmbH hervorgegan-gen ist. Zum Büroalltag gehören vor al-lem anspruchsvolle Ingenieuraufgaben im Bestand, für deren Lösung sich Über-blick und Weitblick aus einer tiefgründi-gen Auseinandersetzung mit bautechnik-geschichtlichen Themen speisen. Mit der so gewonnenen Sicherheit nähert er sich Bau aufgaben mit den höchsten Ansprü-chen, scheut keine Verantwortung und vertritt solide ingenieurtechnische Lösun-gen vehement – auch jenseits etablierter Vorgehensweisen.

Diese Haltung und eine außerge-wöhnliche Fachkompetenz machen ihn zu einem wert vollen Ansprechpartner für Denkmalpflegebehörden, deren Bei-räten er in Cottbus und Berlin über viele Jahre angehörte. Er kennt also die Spiel-regeln und mischt bei Bedarf ordentlich mit – nicht immer erfolgreich, wie bei der versuchten Rettung eines noch origi-nal erhaltenen Teilstücks der Hochbahn-linie U1 in Berlin [3] – ein andermal wie-der bravourös, wie beim Kampf gegen ein geplantes Mega-Shoppingcenter in Cottbus [4]. Das Span nungsfeld zwischen Ingenieurpraxis und Denkmalpflege ver-anlasste ihn 1997, 2002 und 2011 jeweils zur Herausgabe eines STAHLBAU-The-menheftes [5] bis [7].

Werner Lorenz als Autor:Werner Lorenz schreibt viel, und er schreibt hervorragend. Verglichen mit den meisten Publikationen aus der Fe-der von Ingenieuren mag sein Schreib-stil zunächst ungewohnt erscheinen – die Sätze sind länger, auf Formeln ver-zichtet er gewöhnlich ganz und gar. Dafür haben die Texte eine stilistische Qualität und zeugen von einer inhalt-lichen Tiefe, die bereits 1999 den Ver-band Deutscher Architekten- und Inge-nieurvereine e.V. bewog, ihn mit dem Literaturpreis für Baukultur zu ehren. Die Gabe zu schreiben bekam er sicher bereits in die Wiege gelegt, und dank seiner altsprachlichen Bildung kann er einen Stil pflegen, der scheinbar mühe-los daherkommt.

An dieser Stelle den einen oder ande-ren Text hervorzuheben, scheint über-flüssig, da sie allesamt auch dem jungen Leser zeigen, wie wunderbar spannend das Studium von Fachliteratur doch sein kann. Dennoch sei der bereits genannte Aufsatz zum Shoppingcenter in Cottbus noch einmal erwähnt – verdeutlicht er doch eine Tugend von Werner Lorenz, nämlich gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen – auch als Autor: Trotz zahlreicher in Stellung gehender Rechts-anwälte ließ er sich hier nicht darauf ein, den Text von unangenehmen Details zu befreien [4].

Nicht zu vergessen – Werner Lorenz als Mitglied der Brandenburgischen Tech-nischen Universität Cottbus:

1993 auf einen eher randständigen Lehrstuhl innerhalb der gemeinsamen Fakultät Archi tektur, Bauingenieurwesen und Stadt- und Regionalplanung berufen, profilierte er seinen Lehrstuhl im Lauf der Jahre zu einem wesentlichen Bestand-teil der Fakultät. Er selbst zählt heute zu den zentralen Persönlichkeiten bei den Bauingenieuren, in der Fakultät, ja – an der BTU. Insbesondere ihm ist es zu ver-danken, dass noch heute Bauingenieure an der BTU ausgebildet werden. Zusam-men mit einer kleinen Arbeitsgruppe re-formierte er zunächst den Studiengang grundlegend und entwickelte anschlie-ßend mit Kollegen der Hochschule Lau-sitz ein neues, gemeinsames Studienmo-dell, welches inzwischen mit der Grün-dung des David-Gilly-Instituts für Lehre, Forschung und Kommunikation im Bau-wesen (DGI) institutionell verankert ist. Das im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion zum Hoch schulstandort Cott-bus viel gelobte DGI ist ganz wesentlich auch „sein Kind“. Seine Beru fung war ein Glücksfall für die BTU – das darf man ru-hig zweimal schreiben.

Es gäbe noch viel zu sagen, lieber Werner, über von Dir organisierte Fach-tagungen und Kolloquien, über Deine Arbeit und Verdienste in unterschied-lichen Gremien, über www.great-engi-neers.de – Dein Internetlexikon für Bau-ingenieure, …, aber allein das bisher Ge-nannte macht schon mehr als deutlich, wie dankbar wir alle der Osnabrücker Berufsberatung sein müssen, die Dir vor nunmehr vier Jahrzehnten die Profession des Bauingenieurs nahelegte.

Engagiert und hervorragend struktu-riert erledigst Du ein kaum glaubliches Arbeitspensum. Du lehrst und forschst auf höchstem Niveau – „sehr gut“ ist gerade „gut genug“, die Mess latte liegt hoch, auch für Dein Umfeld. Du zitierst aus der grie-chischen Mythologie ebenso sicher, wie Du Schnittkräfte an statischen Systemen ableitest. Du bist Historiker und Ingeni-eur. Du nutzt das Neue, um das Alte zu bewahren – Kurz: Du verkörperst die alte Tradition eines Gelehrten – der Interdiszi-plinarität verpflichtet, ohne dabei muffig zu wirken. Im Gegenteil, Du bist Vorbild für morgen – und vor allem: Du wirst im-mer besser und von Rückzug keine Spur!

Wir alle, Deine Mitstreiter am Lehr-stuhl in Cottbus und im Büro in Berlin sowie der Verlag Ernst & Sohn wünschen Dir noch viele schaffensreiche Jahre und Freude bei der Umset zung Deiner zahl-reichen wunderbaren Ideen. Vor allem aber wünschen wir Dir etwas mehr der von Dir so lange herbeigesehnten Zeit für Deine Interessen jenseits des akade-mischen Alltags.

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Persönliches / Rezensionen

[1] Lorenz, W.: Konstruktion als Kunst-werk. Bauen mit Eisen in Berlin und Potsdam 1797–1850. Berlin: Gebr. Mann Verlag 1995.

[2] Lorenz, W., Meyer, T. (Hrsg.): Tech-nik und Verantwortung im Nationalso-zialismus. Cottbuser Studien zur Ge-schichte von Technik, Arbeit und Um-welt, Band 25, Münster u. a.: Waxmann Verlag GmbH 2004, S. 1–18.

[3] Lorenz, W., Szafranski, B.: Ertüchti-gung statt Abriß! In: Wachter, G., Jäger, B. (Hrsg.): Abriß oder Ertüchtigung. Berlin: Vice Versa 1999, S. 93–112.

[4] Lorenz, W.: Von der großen Belage-rung der Stadt Cottbus. In: Brune, W., Junker, R., Pump-Uhlmann, H. (Hrsg.): Angriff auf die City. Düsseldorf: Droste Sachbuch 2006, S. 176–199.

[5] Lorenz, W.: 200 Jahre Stahlbau in Berlin – Zum Umgang mit Altbauten in Eisen und Stahl (Einführung als Herausgeber). Stahlbau 66 (1997), H. 6, S. 289–290.

[6] Brandes, K., Lorenz, W.: 100 Jahre U-Bahn in Deutschland (Einführung als Herausgeber). Stahlbau 71 (2002), H. 2, S. 77–78.

[7] Lorenz, W.: Stahlbau unter Denkmal-schutz (Einführung als Herausgeber). Stahlbau 80 (2011), H. 6, S. 377–378.

Volker Wetzk, BTU Cottbus