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Wie die Schweiz ihre Erdölabhängigkeit durchberechen kann (UG|OSODWWIRUPHQ 'LH gOSURGXNWLRQ JHKW ]XUFN GHU .RQVXP VWHLJW WURW]GHP ZHOWZHLW DQ Fortsetzung auf Seite 8 Derzeit sind viele Verän- derungen zu beobachten, die als Mosaiksteinchen ZHQLJ (LQGUXFN PDFKHQ Gemäss dem Historiker Daniele Ganser zeigen GLH 6WHLQFKHQ LQ LKUHU 6XPPH DEHU JDQ] NODU das Bild einer «anrollen- GHQェ (QHUJLHUHYROXWLRQ Revolutionen gehen immer mit ei nem Bewusstseinswandel einher, welcher die Revolution als Pri märzündung, als blosser Gedan ke, auslöst. Ein gutes Beispiel ist die Einführung des Frauenstimm rechts in der Schweiz. Noch in den 1950er Jahren glaubten vie le, dass es absolut unmöglich und auch völlig unsinnig wäre den Frauen auf nationaler Ebene das Wahl und Stimmrecht zu geben. Ähnlich glauben heute viele, GDVV (QHUJLHHIソ]LHQ] XQG HUQHX erbare Energien wenig Potenzial haben, und es daher wenig Sinn macht, sich dafür einzusetzen oder in diese Sektoren zu investieren. Der Verbrauch nicht erneuerbarer Energien sei unsere einzige Al ternative, so dieser Glaube, und müsste letzten Endes wegen der unabwendbaren Knappheiten zu globalen Ressourcenkriegen und zur Selbstzerstörung führen, dies sei so etwas wie ein Naturgesetz. Das stimmt aber nicht. Wir ha ben immer die Wahl. Es ist kein Naturgesetz, dass nur Männer wählen und stimmen können. Daher hat man das 1971 in der Schweiz auch geändert – seither können Frauen wählen und stim men. Heute schämt man sich fast, dass es so lange gedauert hat, um zu dieser Einsicht zu gelangen. Hybridautos als Lösung? Es ist heute noch wenig üblich zu sagen, dass wir uns in einer globalen (QHUJLHUHYROXWLRQ EHソQGHQ $EHU auch diese Revolution wird vermut lich ähnliche Merkmale aufzeigen. Im Rückblick wird die Revolution klarer zu erkennen sein. Vermutlich wird man dereinst auch einräumen, dass wir das Potenzial von erneu HUEDUHQ (QHUJLHQ (Iソ]LHQ]HQ XQG 6XIソ]LHQ] XQWHUVFKlW]W KDEHQ ZHLO wir nicht wirklich daran glaub ten und uns, was normal ist, ge gen grundlegende Veränderungen sträubten. Man wird dereinst auch einräumen, dass es unklug war, so wertvolle Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas einfach zu verbrennen. Zu den farbigen Mosaikstein chen, die das Revolutionsbild heute andeuten, gehören einerseits Probleme, die Druck ausüben, da runter der Peak Oil, die Zunahme des Energieverbrauchs in China und Indien und das Bevölkerungs wachstum. Andererseits gehören zum Revolutionsbild konkrete Lö sungen, die den Druck abbauen, als Beispiel das Auftauchen von Plus EnergieHäusern, die da und dort vereinzelt stehen, und mehr Energie produzieren als sie selber brauchen. Auch Hybridautos, Windturbi nen vor den Küsten Dänemarks, Geothermiebohrungen in St. Gal OHQ XQG 6RODUタXJ]HXJH ZLH GDV von Bertrand Piccard gehören zu den Lösungen oder Lösungsver suchen. Sie sind aus historischer Perspektive alle neu und ergänzen das entstehende Gesamtbild. Ich erachte es als ein Privileg, dass ich als Historiker und Zeitzeuge die Energierevolution miterleben und beschreiben darf. Um einen mög lichst guten Überblick zu erhalten, treffe ich mich mit vielen Men schen aus ganz verschiedenen Be reichen, um zu erfahren, wie sich die Revolution bei ihnen gerade entwickelt. Vor allem die Probleme, die Druck ausüben, sind imposant. Verschiedene Erdölgeologen warnen mit grosser Sorge vor dem Peak Oil, und dies zu recht. Die his torischen Zahlen zeigen, dass wir in den letzten 150 Jahren einen steten =XタXVV DQ ELOOLJHU (QHUJLH HUOHEWHQ 1945 konsumierte die Welt 6 Milli RQHQ )DVV (UG|O ]X /LWHU SUR 7DJ 1970 lag der Konsum schon bei 50 Millionen Fass, und heute sind es täglich 85 Millionen Fass, davon 70 Millionen Fass aus konventio nellen und 15 Millionen Fass aus nicht konventionellen Quellen. Ei nen vergleichbaren Energierausch hat es historisch noch nie gegeben. In den 150 Jahren des Erdölzeit alters ist die Weltbevölkerung von unter zwei auf über sechs Milli arden Menschen angewachsen. Heute wächst die Weltbevölkerung um 80 Millionen Menschen pro Jahr, das sind 220000 Menschen SUR 7DJ 'RFK JHUDGH MHW]W EULFKW in vielen Ländern die Erdölför derung ein. Grossbritannien hat den Peak Oil vor zehn Jahren er reicht, die Produktion geht seit her zurück, der Konsum steigt trotzdem an. Grossbritannien ist daher heute Nettoerdölimporteur. Auch Indonesien, Norwegen, die USA und Mexiko beklagen eine sinkende Erdölproduktion, wes halb Indonesien gar aus der OPEC ausgetreten ist. Die Erdölproduk tion stösst in immer schwierigere Gebiete vor. Der Abbau von nicht konventionellem Ölsand in Kanada Universität Zürich - HS-Alumni-Info - Frühling 2011 - Seite 5

Wie die Schweiz ihre Erdölabhängigkeit durchberechen kann · 2018-06-27 · Wie die Schweiz ihre Erdölabhängigkeit durchberechen kann (UG|OSODWWIRUPHQ 'LH gOSURGXNWLRQ JHKW ]XU

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Wie die Schweiz ihre Erdölabhängigkeit

durchberechen kann

Fortsetzung auf Seite 8

Derzeit sind viele Verän-derungen zu beobachten, die als Mosaiksteinchen

Gemäss dem Historiker Daniele Ganser zeigen

das Bild einer «anrollen-

Revolutionen  gehen   immer  mit  ei-­nem   Bewusstseinswandel   einher,  welcher   die   Revolution   als   Pri-­märzündung,   als   blosser   Gedan-­ke,   auslöst.   Ein   gutes   Beispiel   ist  die   Einführung   des   Frauenstimm-­rechts   in   der   Schweiz.   Noch   in  den   1950er   Jahren   glaubten   vie-­le,   dass   es   absolut   unmöglich   und  auch   völlig   unsinnig   wäre   den  Frauen   auf   nationaler   Ebene   das  Wahl-­   und   Stimmrecht   zu   geben.  Ähnlich   glauben   heute   viele,  

-­erbare   Energien   wenig   Potenzial  haben,   und   es   daher   wenig   Sinn  macht,  sich  dafür  einzusetzen  oder  in   diese   Sektoren   zu   investieren.  Der   Verbrauch   nicht   erneuerbarer  Energien   sei   unsere   einzige   Al-­ternative,   so   dieser   Glaube,   und  müsste   letzten   Endes   wegen   der  unabwendbaren   Knappheiten   zu  globalen   Ressourcenkriegen   und  zur   Selbstzerstörung   führen,   dies  sei   so   etwas   wie   ein   Naturgesetz.Das   stimmt   aber   nicht.  Wir   ha-­

ben   immer   die   Wahl.   Es   ist   kein  Naturgesetz,   dass   nur   Männer  wählen   und   stimmen   können.  Daher   hat   man   das   1971   in   der  Schweiz   auch   geändert   –   seither  können   Frauen   wählen   und   stim-­men.  Heute   schämt  man   sich   fast,  dass   es   so   lange   gedauert   hat,   um  zu   dieser   Einsicht   zu   gelangen.

Hybridautos  als  Lösung?Es   ist   heute   noch  wenig  üblich   zu  sagen,  dass  wir  uns  in  einer  globalen  

auch  diese  Revolution  wird  vermut-­lich  ähnliche  Merkmale  aufzeigen.  Im  Rückblick  wird  die  Revolution  klarer  zu  erkennen  sein.  Vermutlich  wird  man  dereinst  auch  einräumen,  dass  wir   das   Potenzial   von   erneu-­

wir   nicht   wirklich   daran   glaub-­ten   und   uns,   was   normal   ist,   ge-­gen   grundlegende   Veränderungen  sträubten.  Man  wird   dereinst   auch  einräumen,   dass   es   unklug   war,  so   wertvolle   Rohstoffe   wie   Erdöl  und  Erdgas  einfach  zu  verbrennen.Zu   den   farbigen   Mosaikstein-­

chen,   die   das   Revolutionsbild  heute   andeuten,   gehören   einerseits  Probleme,   die  Druck   ausüben,   da-­runter   der   Peak  Oil,   die   Zunahme  des   Energieverbrauchs   in   China  und  Indien  und  das  Bevölkerungs-­wachstum.   Andererseits   gehören  zum  Revolutionsbild  konkrete  Lö-­sungen,  die  den  Druck  abbauen,  als  Beispiel  das  Auftauchen  von  Plus-­Energie-­Häusern,   die   da   und   dort  vereinzelt  stehen,  und  mehr  Energie  produzieren  als  sie  selber  brauchen.  Auch   Hybridautos,   Windturbi-­

nen   vor   den   Küsten   Dänemarks,  Geothermiebohrungen   in   St.   Gal-­

von   Bertrand   Piccard   gehören   zu  

den   Lösungen   oder   Lösungsver-­suchen.   Sie   sind   aus   historischer  Perspektive   alle   neu  und   ergänzen  das   entstehende   Gesamtbild.   Ich  erachte  es  als  ein  Privileg,  dass  ich  als   Historiker   und   Zeitzeuge   die  Energierevolution   miterleben   und  beschreiben   darf.   Um   einen   mög-­lichst  guten  Überblick  zu  erhalten,  treffe   ich   mich   mit   vielen   Men-­schen  aus  ganz  verschiedenen  Be-­reichen,   um   zu   erfahren,   wie   sich  die   Revolution   bei   ihnen   gerade  entwickelt.  Vor  allem  die  Probleme,  die  Druck  ausüben,  sind  imposant.  Verschiedene   Erdölgeologen  

warnen  mit  grosser  Sorge  vor  dem  Peak  Oil,  und  dies  zu  recht.  Die  his-­torischen  Zahlen  zeigen,  dass  wir  in  den  letzten  150  Jahren  einen  steten  

1945  konsumierte  die  Welt  6  Milli-­

1970  lag  der  Konsum  schon  bei  50  Millionen   Fass,   und   heute   sind   es  täglich   85   Millionen   Fass,   davon  70   Millionen   Fass   aus   konventio-­nellen   und   15  Millionen   Fass   aus  

nicht  konventionellen  Quellen.  Ei-­nen   vergleichbaren   Energierausch  hat  es  historisch  noch  nie  gegeben.In   den   150   Jahren   des   Erdölzeit-­alters   ist  die  Weltbevölkerung  von  unter   zwei   auf   über   sechs   Milli-­arden   Menschen   angewachsen.  Heute  wächst  die  Weltbevölkerung  um   80   Millionen   Menschen   pro  Jahr,   das   sind   220  000   Menschen  

in   vielen   Ländern   die   Erdölför-­derung   ein.   Grossbritannien   hat  den   Peak   Oil   vor   zehn   Jahren   er-­reicht,   die   Produktion   geht   seit-­her   zurück,   der   Konsum   steigt  trotzdem   an.   Grossbritannien   ist  daher   heute   Nettoerdölimporteur.Auch  Indonesien,  Norwegen,  die  

USA   und   Mexiko   beklagen   eine  sinkende   Erdölproduktion,   wes-­halb  Indonesien  gar  aus  der  OPEC  ausgetreten   ist.   Die   Erdölproduk-­tion   stösst   in   immer   schwierigere  Gebiete   vor.  Der  Abbau  von  nicht  konventionellem  Ölsand  in  Kanada  

Universität Zürich - HS-Alumni-Info - Frühling 2011 - Seite 5

Die Schweiz und ihre Erdölabhängigkeit

belastet  die  Umwelt   stark,  braucht  viel   Energie   und   befriedigt   trotz-­dem  weniger  als  3  Prozent  des  glo-­balen   Erdöldurstes.   Im   Golf   von  Mexico  führte  die  sehr  tiefe,  nicht-­konventionelle   Bohrung   auf   5500  Meter   zu   einem   schweren   Unfall.Die   Zeichen   für   die   Energiere-­

volution   mögen   noch   klein   und  unscheinbar   sein,   aber   sie   sind  da.  Ralph   Stalder,  CEO  von   Shell  Schweiz,   erklärte,   dass   Shell   sich  schon   im   Jahre   2013   von   einem  Erdölkonzern   zu   einem   Erdgas-­konzern  wandle,   also   im   besagten  Jahr   mehr   Erdgas   als   Erdöl   ver-­kaufen  werde.  Dies   ohne   Zweifel,  weil   das   verfügbare   und   zugäng-­liche   Erdöl   stets   knapper   wird.Auch   die   Internationale  Energie  

Agentur   (IEA)   fordert   in   ihrem  World   Energie   Outlook   (WEO)  von   2010   eine   «dringend   nötige  

-­giesystems»,  um  den  Ausstoss  von  Klimagasen  und  den  Verbrauch  an  fossilen   Energien   zu   reduzieren.  Der   WEO,   der   am   9.   November  2010  publiziert  wurde,   räumt  erst-­mals   ein,   dass   beim  konventionel-­len  Erdöl  der  Peak  mit  rund  70  Mil-­

lionen   Fass   schon   im   Jahre   2006  erreicht   wurde,   und   dass   daher   in  Zukunft  das  Angebot  von  konventi-­onellem  Erdöl  zurückgehen  werde!Dies   ist   eine   äusserst   weitrei-­

chende  Aussage,  deren  historisches  Gewicht   noch   kaum   gewürdigt  wird,   weil   die   IEA   gleichzeitig  behauptet,   das   Erdölangebot   kön-­ne   dank   unkonventionellem   Erdöl  weiterhin   auch   in   Zukunft   aus-­geweitet   werden,   obschon   die  Energiewelt   «vor   beispiellosen  Ungewissheiten»   stehe,   wie   die  IEA  einräumt,  und  es  völlig  unklar  ist,  wie   lange   die   globale   Produk-­tion   noch   erhöht   werden   kann.

Ohne  Druck  geht  nichtsWann   der   globale   Peak   Oil   für  unkonventionelles   Erdöl   genau  eintreten   wird,   ist   umstritten.   Ich  erwarte   ihn   vor   dem   Jahr   2020.  Andere  Experten  glauben,  wir  hät-­ten  noch  mehr  Zeit.  Doch  am  his-­torischen   Gesamtbild,   betrachtet  aus  der  Distanz,  ändert  sich  nichts.  Die  Produktion  von  Erdöl  steigt  an,  erreicht   ein   Fördermaximum   und  geht  danach  wieder  zurück.  Durch  den   Rückgang   entsteht   enormer  

Druck,   was   die   Energierevoluti-­on   beschleunigt.   Die   Nachfrage  ist   wenig   elastisch.   Die   Chinesen  bilden   gerade   eine   Mittelklasse  aus,   und   die   will   ein   Auto,   vier  beheizte   Zimmer,   dreimal   Fleisch  in   der   Woche,   und   einen   Kühl-­schrank.  Das  alles  braucht  Energie.Ohne  Druck  geht  gar  nichts.  Mit  

wenig  Druck  geht  wenig.  Erst  viel  Druck   führt   zu   grossen   Verände-­

Peak  Oil,   Bevölkerungswachstum,  Energiesicherheit  und  Energierevo-­lution  die  Mehrheit   der  Schweizer  Bevölkerung?   Ist  der  Druck  schon  da?   Bemühen   wir   uns   kollektiv  und   ernsthaft   um   Lösungen?   Die  Antwort   auf   all   diese   Fragen   ist  klar:   Nein.   Denn   Energie   ist   heu-­te   noch   reichlich   vorhanden   und  billig.   Was   morgen   ist,   verdrän-­gen   wir,   die   strategische   Planung  für   das   Jahr   2030   beschäftigt   nur  eine   Minderheit,   das   zeigt   der  «Sorgenbarometer»   (siehe   S.   7).  Aus  diesem  geht  hervor,  dass  die  

entscheidende  Frage  in  der  Schweiz  für   die   weitere   Entwicklung   der  Energierevolution  die  folgende  ist:  

revolution   auf   den   Arbeitsmarkt?Wenn   die   Energierevolution   als  Gefahr   wahrgenommen   wird,   die  Firmen   in   den   Konkurs   zwingt  und  Arbeitsplätze   im   grossen   Stil  vernichtet,   wird   man   sie   verdrän-­gen  und  hoffen,  dass  sie  möglichst  nie  oder   aber   so   spät  wie  möglich  kommt.   Wenn   jedoch   umgekehrt  die   Energierevolution   als   Chance  für   die   Schweiz   wahrgenommen  wird,  die  interessante  und  sinnvolle  Arbeitsplätze   schafft   und   Firmen  zu   Erfolg   und   Gewinn   verhelfen  kann,   dann   werden   viele   Bürger  ein   lebhaftes   Eigeninteresse   dar-­an   haben,   möglichst   bald   an   der  Energierevolution   teilzunehmen  und  ganz  vorne  mit  dabei  zu   sein.Als  Historiker,   der   die   Energie-­

revolution   beobachtet,   kann   ich  konkret   zeigen,  wie   Firmen   schon  heute   von   der   Energierevolution  

zum   Beispiel   die   Erdölabhängig-­keit   der   Schweiz   zu   reduzieren,  sie   produzieren   erneuerbare   Ener-­

und   verdienen   dabei   gutes   Geld.  Sie   gehören   zur   so   genannten  «Cleantech   Branche»,   die   auch  vom   Bundesrat   als   strategisch  äusserst   wichtig   eingestuft   wird.  Als   Alternative   zum   bekann-­

ten   Wirtschaftsverband   econo-­miesuisse   wurde   2009   unter   dem  Namen   «Swisscleantech»   gar   ein  neuer   Wirtschaftsverband   gegrün-­det,   der   gemäss   dem   Präsidenten  Nick   Beglinger   «nachhaltig   und  liberal»   ausgerichtet   ist,   schon  150   Mitglieder   zählt   und   ste-­tig   neue   Mitglieder   aufnimmt.

Weg  vom  ErdölEine   der   wichtigsten   Empfehlun-­gen   der   IEA   lautet:   «Wir   sollten  das   Erdöl   verlassen,   bevor   es   uns  verlässt.»   Dieser   Aufforderung  kann   ich   nur   zustimmen.  Wo   also  verbraucht   die   Schweiz   ihre   Erd-­ölimporte   von   rund   38   Millionen  

und   Person?   Ein   Blick   auf   die  Gesamtenergiestatistik   zeigt:   Der  Energieverbrauch  ist  seit  1945  sehr  stark  angestiegen.  Erdöl  dominiert,  und  wird   vor   allem   für   die  Mobi-­lität   und   zum   Heizen   verbrannt.In   beiden   Segmenten   läuft   schon  

Fortsetzung von Seite 5

Fortsetzung auf Seite 7

Universität Zürich - HS-Alumni-Info - Frühling 2011 - Seite 6

heute  ein  Verdrängungskampf.  Bei  Neubauten  werden  Wärmepumpen  und   nicht   mehr   Erdölheizungen  installiert.   Unternehmen   wie   die  

Bern,   die   Wärmepumpen   herstel-­

die  Wärmepumpe  aus  erneuerbaren  Energien  beziehen  will,  kauft  zum  

Allschwil   im   Kanton   Basel-­Land  Solarmodule.   Die   Firma   Otto   Fi-­scher  aus  Zürich,  aktiv  im  Elektro-­grosshandel,   liefert  Monitorgeräte,  die   dem   Hausbesitzer   genau   an-­zeigen,  wie  viel  Energie  er  gegen-­wärtig   produziert   und   verbraucht.  Für   die   Dämmung   des   Hauses  

ist   die   Firma   Flumroc   aus   Flums  im   Kanton   St.   Gallen   besorgt.  Diese   Liste   liesse   sich   beliebig  verlängern,   und   sie   zeigt:   Die  Energierevolution   ist   eine   Chan-­ce   für   die   Schweizer   Wirtschaft.

Ausbaubarer  StrommixBei  der  Mobilität  waren  die  Exper-­ten  lange  der  Meinung,  dass  es  sehr  schwierig,   ja   unmöglich   sein  wer-­de,  eine  Energierevolution  auf  den  Strassen   umzusetzen.   Doch   wer  gegenwärtig   die   Autosalons   der  Welt  besucht,  beobachtet,  dass  alle  Hersteller   «grüne»   Fahrzeuge   mit  geringem  Verbrauch  anpreisen.  Am  

Hybrid  Prius.  Doch  auch  Schweizer  Unternehmen   haben   die   Dynamik  erkannt.   Die   Migros   hat   unlängst  in   Zürich   ihren   ersten   M-­Way-­  Shop  eröffnet,  ein  Kompetenz-­  und  Dienstleistungszentrum   für   Elekt-­romobilität.   Ein   weiterer   Mosaik-­stein  im  Bild  der  Energierevolution.

der   anrollenden   Energierevoluti-­on  auch  eine  globale  Debatte  über  die  Zukunft  der  Atomenergie  statt.  Zur   Zeit   stehen   rund   440   Atom-­kraftwerke   auf   dem   Planeten   und    decken   5   Prozent   der   globalen  Energienachfrage.  Fünf  davon   ste-­hen  in  der  Schweiz,  mit  einem  An-­teil  von  10  Prozent  am  Energiemix.  Es   bestand   der   Plan,   dass   im  

Jahre  2013  das  Stimmvolk  darüber  entscheidet,   ob   die   alten   Atom-­kraftwerke  Mühleberg  und  Beznau  durch   neue   ersetzt,   oder   ob   der  Schweizer   Strommix   durch   einen  markanten  Ausbau   der   erneuerba-­ren  Energien  inklusive  Sonne,  Wind  

und  Geothermie  auf  ein  nachhalti-­ges  Fundament  gestellt  werden  soll.  Die   Abstimmung   wäre   eine  

demokratische   Premiere   gewe-­sen,   denn   nie   zuvor   konnte   man  in   der   Schweiz   über   den  Bau   von  Atomkraftwerken   abstimmen.

Reaktionen  der  RegierungenDoch   auch   bei   den   Atomkraft-­werken   zeigt   sich,   wie   schnell  die   Energierevolution   die   vorher  aufgebauten   Strukturen   über   den  Haufen   werfen   kann.   Nach   dem  

-­pan  am  11.  März  2011  kam  es   im  Atomkraftwerk  Fukushima   zu  Ex-­plosionen   und   einem   Super-­Gau.  Seither   ist   das  Vertrauen   in  Atom-­kraftwerke   weltweit   erschüttert.  Die   Regierungen   der   verschie-­

denen   Länder   reagieren   unter-­schiedlich.   In   Deutschland   hat  Kanzlerin   Merkel   einige   alte  Atomkraftwerke   umgehend   ab-­geschaltet.   In   den   USA   erklärte  Präsident  Obama  hingegen,  er  ver-­traue  weiterhin   auf   die  Atomkraft.In   der   Schweiz   spricht   sich   ge-­mäss   Umfragen   seit   Fukushima  eine  deutliche  Mehrheit  gegen  den  Neubau  von  Atomkraftwerken  aus.  Bundesrätin   Doris   Leuthard   hat  daher   das   laufende   Verfahren   für  den   Ersatz   von   Atomkraftwerken  

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Sorgenbarometer: Wo drückt der Schuh?

Der   jährlich  publizierte  Sorgenbarometer  misst  die  grössten  Sor-­‐gen  der  Schweizer.  Die  Daten  werden  im  Auftrag  von  Credit  Suis-­‐se   durch   das   Forschungsinstitut   GFS   erhoben,   das   1000   reprä-­‐sentativ   ausgewählte   Stimmberechtigte   befragt.   Wo   also   drückt  der   Schuh?   Sind   Energie-­‐   und  Umweltfragen   eine   zentrale   Sorge  im  Land?  Die  Antwort   lautet:  Noch  nicht.  Das   Sorgenbarometers  zeigt:   Die  Arbeitslosigkeit   bereitet   den   Schweizer   seit   Jahren   am  meisten  Sorgen,  gefolgt  von  Gesundheitswesen  und  Altersvorsor-­‐ge.  Weiter  unten  folgen  die  Themen  Ausländer  (Platz  8),  Umwelt-­‐

Energie   liegt   klar   abgeschlagen   auf   Platz   20.   Bei   der   Frage,  wel-­‐che  Themen  in  10  Jahren  «die  wichtigsten  Probleme  der  Schweiz  sind»,   dominieren   Arbeitslosigkeit   und   Altersvorsorge   weiterhin  (Platz  1  und  2),  doch  «Energie  und  Versorgungssicherheit»  (Platz  10)   sowie   «Umweltschutz   und   Klimaerwärmung»   (12)   rücken  deutlich   vor.   Eine   zunehmende   Sensibilisierung   ist   also  messbar.

unmittelbar   nach   dem   Unfall   in  Japan  auf  Eis  gelegt.  Die  geplante  Abstimmung  über  den  Neubau  von  Atomkraftwerken  wird  verschoben,  vielleicht   sogar   nie   durchgeführt.  Grüne   und   SP   fordern,   dass  

die  bestehenden   fünf  Atomkraft-­werke   schrittweise   stillgelegt  und   durch   erneuerbare   Energi-­en   ersetzt  werden.  Die  FDP  will  die   bestehenden   Atomkraftwer-­ke   behalten,   den   von   ihr   ange-­strebten   Neubau   hat   sie   aber  nach   Fukushima   begraben.   «Wir  haben   uns   in   den   vergangenen  

gemerkt,   dass   unsere   bisheri-­ge   Überzeugung,   die   fünf   alt  werdenden   Kernkraftwerke   mit  zwei   neuen   ersetzen   zu   können,  kein   gangbarer   Weg   mehr   ist»,  so   Parteipräsident   Fulvio   Pelli.

«Die  Zukunft  ist  ungewiss»Vor  kurzem  hat  die  Firma  Swiss-­cleandrive   eingeladen  mit   ihrem  Fiat  Cinquecento  plug-­in  Hybrid  eine   Probefahrt   zu   machen.   Das  Fahrzeug   enthält   im  Kofferraum  einen  Elektromotor,  der  die  Hin-­terachse   antreibt.   Die   Batterien  kann  man  über  Nacht  per  Steck-­dose   aufladen.   Nur   20   Quadrat-­meter  Solarzellen  auf  dem  Haus-­dach   reichen,   um   mit   dem   Fiat  täglich   30   Kilometer   zu   fahren.  «Die   Zukunft   ist   ungewiss,   zum  Glück»,  betont  der  Soziologe  Pe-­ter  Gross  von  der  Universität  St.  Gallen.  Wir  befinden  uns  in  einer  «Multioptionsgesellschaft»,   die  eine   Vielzahl   von   neuen   Mög-­lichkeiten   bereithält.   Welche  wir   wählen,   ist   offen.   Klar   ist,  dass   die   Schweiz   ihre   Erdölab-­hängigkeit   abbauen   kann   und  muss.  Sobald  durch  Peak  Oil  und  weitere  Faktoren  der  Druck  wei-­ter   ansteigt,   wird   sich   die   Ener-­gierevolution   beschleunigen.

Daniele  GanserDr.   Daniele   Ganser   ist   Historiker   und  Friedensforscher.  Er  untersucht  an  der  Uni   Basel   den   Peak   Oil   und   den   glo-­balen   Kampf   ums   Erdöl.   Der   Text   ist  erstmals  erschienen  in  «Energie  &  Um-­welt»   4/2010   und   wurde   aktualisiert.

Die Schweiz und ihre Erdölabhängigkeit

Universität Zürich - HS-Alumni-Info - Frühling 2011 - Seite 7