Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 2

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12IN MEMORIAMArnaldo Hernandez (1936-1993), der mit Leidenschaft gelebt und geschrieben hat.James N. Frey ist Autor von neun Romanen. Er unterrichtetkreatives Schreiben an der University of California.Mit seinem ersten Buch Wie man einen verdammt gutenRoman schreibt" hat James N. Frey ber 30.000 zufriedeneLeser gefunden und sicher das ein oder andere Manuskript aufden Weg zum Leser gebracht. Wie man einen verdammt gutenRoman schreibt 2 bietet dem Leser nun einenFortgeschrittenen-Kurs in den grundlegenden Techniken desGeschichtenerzhlens. Wie baut man Spannung auf, erschafftlebendigere und interessantere Charaktere? Wie bekommtman die Sympathie, das Mitleiden und die Identifikation desLesers? Ein Handbuch fr alle, die einen verdammt gutenRoman schreiben wollen und fr die, die Roman richtig lesenwollen.Spritzig, witzig mit angelschsischem common sense undohne Einschchterungsgehabe buchstabiert er das ABC desErzhlens von Krimis und anderen Romanen, warnt vorallflligen Klischees und gibt Beispiele fr die Kompositionvon Dialogen." Spiegel SpecialISBN 3-89705-128-13DANKAn meine Frau Elizabeth, die die ganzen Sorgen und Ungewiheiten, die das Leben einerSchriftstellergattin mit sich bringt, ertragen mu, und die das Manuskript fr dieses Buch mitGeduld und Genauigkeit redigiert hat; an Lester Gorn, von dem ich das meiste, was darinsteht, gelernt habe; an Prof. Elizabeth Davis fr die vielen groartigen Anregungen, fr ihreBegeisterungsfhigkeit und den gelegentlichen Tritt in den Hintern; an Susan Edmiston frihre scharfen Augen beim Korrekturlesen; und an meine Agentin Susan Zeckendorf, ohne dieich vielleicht immer noch als Schadenssachverstndiger dahinvegetieren und meine Tagedamit verbringen wrde, die Kosten fr den Austausch von verbeulten Stostangen zuberechnen.Sag den Leuten, sie sollen so ehrlich wie mglich schreiben. Sag ihnen, sie sollen ihreFiguren sorgsam entwerfen, damit deren Empfindungen und deren Entscheidungen - ihreHandlungsweise in jeder Situation - plausibel fr die Figuren ist, die sie sich vorgestellthaben. Und sag ihnen, sie sollen jeden Satz immer wieder darauf abklopfen, ob er tatschlichdas vermittelt, was sie vermitteln wollten. Und sie sollen sich immer wieder fragen, was sagtdieser Satz? Gibt er die Nuancen wieder, die mir vorschweben? Sag ihnen, all das mssen sietun, wenn sie einen verdammt guten Roman schreiben wollen.LESTER GORN4EINLEITUNGWARUM DIESES BUCH NICHT DAS RICHTIGE FR SIESEIN KNNTEIn den Buchhandlungen gibt es jede Menge Bcher fr den angehenden Romanautor, diemeisten davon sind ganz hilfreich. Einige wenige, wie zum Beispiel Lajos Egris The Art ofDramatic Writing (1946), Jack M. Bickmans Writing Novels That Sell (1989), Raymond C.Knotts The Craft of Fiction (1977), Jean Z. Owens Professional Fiction Writing (1974) undWilliam Foster Harris' wegweisendes kleines Meisterwerk The Basic Formulas of Fiction(1944) sind ausgezeichnet.Und dann gibt es natrlich noch James N. Freys Wie man einen verdammt guten Romanschreibt (1993), das mir meine Bescheidenheit zu empfehlen verbietet, obwohl es mehrereAuflagen erreicht hat und berall in Amerika in Roman-Workshops benutzt wird und auch inEngland und im brigen Europa nachgedruckt sowie von Writer's Digest empfohlen wurde,die es allerdings nicht verffentlicht haben, und...Egal.Entscheidend ist, da es einige verdammt gute Bcher ber die Grundlagen des Schreibensvon Romanen und Kurzgeschichten gibt, die erklren, wie man dynamische Figuren schafft,Beschaffenheit und Zweck des Konflikts, wie sich Figuren entwickeln, wie man eine Prmissefindet und wie man sie benutzt, wie sich Konflikte zum Hhepunkt steigern undschlielich zur Lsung fhren, Erzhlperspektive, den Gebrauch von sinnlicher und farbigerSprache, das Schreiben von guten, flotten Dialogen und so weiter.Aber dieses Buch hier ist anders.Es wurde unter der Voraussetzung geschrieben, da der Leser bereits mit den Grundlagenvertraut ist und mehr wissen will. Dieses Buch enthlt weiterfhrende Techniken, wie manbeispielsweise Figuren schafft, die nicht nur dynamisch, sondern unvergelich sind, wie mandafr sorgt, da der Leser sich strker mit den Figuren identifiziert und Sympathie fr sieempfindet, wie man die Spannung steigert, um den Leser zu fesseln, wie man einen Vertragmit dem Leser schliet und sich daran hlt, wie man die sieben Todsnden eines Romanschriftstellersvermeidet und - vielleicht am wichtigsten - wie man mit Leidenschaftschreibt.Dieses Buch unterscheidet sich noch in einem weiteren Punkt von Bchern fr Anfnger: esstellt keine Pseudoregeln auf und prsentiert sie als unumstliche Wahrheit. Die meistenBcher ber das Schreiben von Romanen sind von Leuten verfat, die an einer UniversittKreatives Schreiben unterrichten. Die sind beispielsweise der Meinung, da Anfnger nicht inder Lage sind, die Perspektive in den Griff zu kriegen. Also legen sie als Pseudoregel fest, daman innerhalb einer Szene die Perspektive nicht wechseln darf. Oder sie finden dieArbeiten ihrer Studenten hufig zu dogmatisch oder zu didaktisch, also stellen sie die Regelauf, da der Autor unsichtbar bleiben mu. Unerfahrenen Autoren, die Schwierigkeitenhaben, die passende Erzhlerstimme fr ihre Geschichte zu finden, wird oft gesagt, die Ich-Erzhlung unterliegt zwar strkeren Einschrnkungen als die Erzhlung in der dritten Person,aber sie ist intimer. Wenn Sie also eine grere Intimitt erreichen wollen, halten Sie sichbesser an die erste Person.Derartige Ratschlge und Pseudoregeln sind absoluter Bldsinn, und solche Regeln zubefolgen wre so, als ob man versuchen wrde, mit einem Anker am Fu Olympiasieger imSchwimmen zu werden.In Wirklichkeit werden solche Pseudoregeln Anfngern nur deshalb beigebracht, um demLehrer fr Kreatives Schreiben das Leben zu erleichtern. Die Pseudoregeln geben demangehenden Autor die Illusion, sein Material im Griff zu haben. Auch ich habe jede Menge5Pseudoregeln von einigen der besten Creative-Writing-Lehrern in Amerika gelernt. Ich habeinbrnstig an diese Pseudoregeln geglaubt und Jahre spter wiederum meine Studenten damittraktiert. Inzwischen ist mir klar geworden, da zwischen Pseudoregeln und effektivenPrinzipien ein gewaltiger Unterschied besteht. Pseudoregeln sind Srge; effektive Prinzipiensind Kanonen, die man mit seinem Talent ldt.In diesem Buch werden viele Pseudoregeln ad absurdum gefhrt. So werden Siebeispielsweise erfahren, wie man die Perspektive sehr wohl innerhalb einer Szene wechselnkann, wie der Erzhler beinah nach Lust und Laune eingreifen kann (je nach dem, was fr einVertrag mit dem Leser geschlossen wurde), und wie Sie absolute Intimitt erreichen knnen,egal welche Perspektive Sie whlen.Wir werden auerdem ber Sinn und Unsinn einer Prmisse reden, darber wie man denLeser den fiktiven Traum trumen lt, wie man komplexere und unvergelichere Figurenschafft und wie man mit Blick auf die formalen Genres schreibt, die zum Beispiel die NewYorker Verlagsindustrie festgelegt hat.Doch bevor wir beginnen, mssen Sie sich darber im klaren sein, da dieses Buch nicht frjeden das richtige ist, selbst wenn sie kein Anfnger sind.Genau wie in Wie man einen verdammt guten Roman schreibt gelten die hier behandeltenPrinzipien des Romanschreibens nur fr Werke, die auf Spannung ausgerichtet sind. WennIhnen allerdings eine andere Art von Roman vorschwebt - ob experimentell, modernistisch,postmodern, minimalistisch, symbolisch, philosophisch, ob Memoiren, Metafiktion oder wasauch immer nicht auf Spannung aus ist - dann ist dieses Buch nichts fr Sie.Doch wenn Sie einen packenden, emotionsgeladenen und spannenden Roman schreibenwollen und die Grundprinzipien des Romanschreibens bereits beherrschen, dann machen Siedoch einfach mit.1DER FIKTIVE TRAUM UND WIE MAN IHNHERBEIFHRTTRUMEN IST NICHT GLEICH SCHLAFENWenn man im Dienstleistungsgewerbe erfolgreich sein will, mu man wissen, mit was frWnschen die Leute zu einem kommen und wie man sie befriedigen kann.Wenn man eine Reinigungsfirma leitet, mu man "wissen, da die Leute glnzende Bdenund blitzsaubere Waschbecken mgen. Als Scheidungsanwalt mu man wissen, da der6Klient sich nicht nur eine grozgige Regelung und eine fette Unterhaltszahlung wnscht,sondern auch seine oder ihren Ex leiden lassen will. Romanschreiben ist ebenfalls eineDienstleistung. Bevor Sie sich hinsetzen, um einen verdammt guten Roman zu schreiben,sollten Sie wissen, was Ihre Leser erwarten.Wenn Sie Sachbcher schreiben, hngt die Erwartung Ihrer Leser vom Thema ab. EinRatgeber fr schnelles Reichwerden sollte Kapitel darber enthalten, wie man seinSelbstvertrauen behlt, nicht locker lt, das Finanzamt austrickst und so weiter. Ein Sex-Handbuch sollte viele Bilder enthalten und einfach frech behaupten, die dargestelltenVerrenkungen wrden bei den Praktizierenden ein immenses geistiges Wachstum auslsen.Eine Biographie ber Sir Wilbur Mugaby sollte alle skandalsen Details aus dem Leben desalten Lstlings enthalten. Wenn Sie ein Sachbuch schreiben, geht es Ihnen in erster Liniedarum, den Leser zu informieren. Ein Sachbuchautor stellt Behauptungen auf und berichtetTatsachen.Ein Romanautor behauptet gar nichts, und was er berichtet, sind wohl kaum Tatsachen. Hierkann man sich wenig Wissen im blichen Sinne aneignen. Alles ist erfunden, absoluter Betrug- eine Schilderung von Ereignissen, die nie stattgefunden haben, und von Leuten, die nieexistiert haben. Warum sollte jemand, der auch nur ein bichen Grips im Kopf hat, einensolchen Schwachsinn kaufen?Einige der Grnde dafr liegen auf der Hand. Ein Krimileser erwartet, am Anfang vor einRtsel gestellt und am Ende von der Genialitt des Detektivs verblfft zu werden. Bei einemhistorischen Roman hingegen erwartet der Leser, einen Eindruck vermittelt zu bekommen,wie es in der guten alten Zeit war. Bei einem Liebesroman erwartet der Leser eine tapfereHeldin, einen gutaussehenden Helden und jede Menge glhende Leidenschaft.In The World of Fiction (1956) sagt Bernard DeVoto, da die Leute aus Vergngen lesen ...abgesehen von Profis und Halbprofis liest niemand aus einem anderen Grund Erzhlliteratur.Und das stimmt auch; die Leute lesen tatschlich aus Vergngen, aber es steckt noch vielmehr dahinter. Von einem Romanautor wird erwartet, da er den Leser mitreit. Mitgerissenwird ein Leser, wenn er beim Lesen das Gefhl hat, da die reale Welt versinkt und ertatschlich in der Erzhlwelt lebt.Ein Leser, der von einer Erzhlung mitgerissen wird, trumt den fiktiven Traum. Sofunktioniert, wie John Gardner in The Art of Fiction (1984) sagt, unabhngig vom GenreErzhlliteratur.Der fiktive Traum wird durch die Kraft der Suggestion erschaffen. Mit Suggestion arbeitenWerbefachleute, Trickbetrger, Propagandisten, Priester, Hypnotiseure und - nun ja -Romanschriftsteller. Der Werbefachmann, der Trickbetrger, der Propagandist und derPriester benutzen die Kraft der Suggestion, um zu berzeugen. Der Hypnotiseur und derRomanschriftsteller benutzen sie, um einen vernderten Bewutseinszustand herbeizufhren.Wow, sagen Sie, das klingt ja fast mystisch. Und in gewisser Weise ist es das auch.Wenn die Kraft der Suggestion von einem Hypnotiseur angewandt wird, ist das Ergebnis eineTrance. Der Hypnotiseur setzt Sie auf einen Stuhl und lt Sie auf einen glnzendenGegenstand schauen, zum Beispiel einen Anhnger. Der Hypnotiseur lt den Anhnger sanfthin und her pendeln und sagt mit monotoner Stimme: Ihre Augenlider werden schwer, Siespren, wie sie immer entspannter werden, immer entspannter, whrend Sie meiner Stimmelauschen... Whrend Ihre Augen sich langsam schlieen, stellen Sie fest, da Sie auf einerTreppe sind, die immer tiefer hinabfhrt, immer tiefer, bis zu einem Ort, an dem es dunkelund still ist, dunkel und still... Und erstaunlicherweise stellen Sie fest, da Sie sich immerentspannter fhlen.Der Hypnotiseur fhrt fort: Sie gehen ber einen Weg in einen wunderschnen Garten. Hierist es ruhig und friedlich. Es ist ein trger Sommertag, die Sonne scheint, ein warmer Windweht, die Magnolien stehen in voller Blte ...Whrend der Hypnotiseur diese Worte ausspricht, erscheinen die Objekte, die er erwhnt, auf7einer Leinwand in Ihrem Kopf - der Garten, der Weg, die Magnolien. Sie erleben den Wind,die Sonne, den Duft der Blumen. Sie sind jetzt in Trance.Der Romanautor benutzt genau die gleichen Mittel, um den Leser in den fiktiven Traum zuversetzen. Der Romanautor setzt nmlich bestimmte Bilder ein, die eine Szene auf derLeinwand im Kopf des Lesers erzeugen. Bei der Hypnose ist der Protagonist der kleinen Geschichte,die der Hypnotiseur erzhlt, ein Sie oder du, und damit das Subjekt. DerRomanschriftsteller kann auch Sie oder du verwenden, aber blicherweise benutzt erich oder er oder sie. Die Wirkung ist die gleiche.Die meisten Bcher ber das Schreiben von Romanen raten dem Autor, zu zeigen, nicht zuerzhlen. Ein Beispiel fr Erzhlen ist folgendes: Er ging in den Garten und fand ihn sehrschn. Der Autor erzhlt, wie es war, und zeigt nicht wie es war. Ein Beispiel fr zeigenshe so aus: Bei Sonnenuntergang betrat er den stillen Garten. Er sprte den sanften Winddurch die Zweige der Stechpalmen wehen und roch den starken Duft von Jasmin in der Luft.Wie John Gardner, wiederum in The Art of Fiction, sagt, sind lebendige Details das Herzjeder Erzhlung... der Leser wird regelrecht mit Beweisen versorgt - in Form von genaubeobachteten Details ... es sind nmlich die konkreten Einzelheiten, die uns in eine Geschichtehineinziehen, die sie uns glaubwrdig machen. Wenn ein Autor etwas zeigt, suggeriert erdie sinnlichen Details, die den Leser in den fiktiven Traum ziehen. Erzhlen hingegen reitden Leser aus dem fiktiven Traum, weil es von ihm verlangt, da er bewut analysiert, waserzhlt wird, und das versetzt den Leser in einen Wachzustand. Es zwingt den Leser zudenken, nicht zu fhlen.Das Lesen von Romanen ist also wie ein Traum auf der unterbewuten Ebene. Deshalb istden meisten sensiblen Menschen die wissenschaftliche Betrachtung von Literatur zuwider.Literaturwissenschaftler versuchen etwas rational und logisch zu erklren, was einen lediglichin einen Traum versetzen will. Moby Dick zu lesen und dabei die Metaphorik zu analysierenbedeutet, es im Wachzustand zu lesen. Der Autor hingegen mchte, da der Leser ganz in dieWelt der Geschichte eintaucht, da er mit der Pequod auf der Suche nach einem Wal auf eineReise um den halben Erdball geht und sich nicht daran festbeit herauszufinden, wie derAutor es gemacht hat, oder nach einer versteckten Bedeutung der Symbole sucht, als ob dasGanze ein Versteckspiel zwischen Autor und Leser wre.Nachdem der Autor ein Gemlde aus Worten fr den Leser geschaffen hat, besteht dernchste Schritt darin, den Leser emotional einzubeziehen. Das geschieht, indem man dasMitgefhl des Lesers weckt.SYMPATHIE UND MITGEFHLDas Thema Sympathie wird von den Verfassern von Anleitungen zum Romanschreibenhufig nur am Rande behandelt. Dabei ist fr das Auslsen des fiktiven Traums entscheidend,da Sie im Leser Sympathie fr Ihre Figuren erwecken. Und wenn die Sache mit dem fiktivenTraum nicht klappt, dann haben Sie keinen verdammt guten Roman geschrieben.Sympathie ist ein hufig miverstandener Begriff. Einige Verfasser von Anleitungen zumRomanschreiben haben eine Pseudoregel aufgestellt, die besagt, da der Leser nur dannSympathie fr eine Figur haben kann, wenn diese bewunderungswrdig ist. Das ist ganzoffenkundig falsch. Die meisten Leser haben sehr viel Sympathie fr eine Figur wie DefoesMoll Flanders oder Dickens' Fagin in Oliver Twist oder fr Long John Silver in StevensonsSchatzinsel. Dennoch sind diese Figuren absolut nicht bewunderungswrdig. Moll Flandersist eine Lgnerin, Diebin und Bigamistin; Fagin fhrt Jugendliche ins Verderben; Long JohnSilver ist ein Schurke, Betrger und Pirat.Vor Jahren gab es einen Film mit dem Titel Wie ein wilder Stier ber den ehemaligenBoxchampion im Mittelgewicht Jake LaMotta. Der Held des Films schlug seine Frau und lie8sich von ihr scheiden, als er die ersten Erfolge im Ring hatte. Er verfhrte minderjhrigeMdchen, war jhzornig, litt unter Verfolgungswahn und wenn er den Mund aufmachte, kamnur ein Grunzen heraus. Sowohl im Ring als auch auerhalb war er ein absoluter Wstling.Dennoch lste die Figur des LaMotta, gespielt von Robert De Niro, beim Publikum sehr vielSympathie aus.Wie wurde dieses Wunder vollbracht?Am Anfang des Films ist LaMotta ein absolutes Nichts. Er lebt in Armut und Erniedrigung,und das Publikum hat Mitleid mit ihm. Das ist das Entscheidende: Um beim Leser Sympathiefr eine Figur auszulsen, mssen Sie dafr sorgen, da die Figur dem Leser leid tut. InVictor Hugos Die Elenden wird Jean Valjean eingefhrt, wie er mde in einer Stadt ankommtund in den Gasthof geht, um etwas zu essen. Obwohl er Geld hat, wird er nicht bedient. Erkommt fast um vor Hunger. Der Leser mu einfach Mitleid mit diesem unglcklichen Mannhaben, ganz gleich, was fr ein furchtbares Verbrechen er begangen hat. In Der weie Hai (1974) fhrt Peter Benchley seinen Protagonisten Brody ein, als diesergerade einen Anruf bekommt und ihm mitgeteilt wird, da er nach einer Frau suchen soll, dieim Meer verschwunden ist. Da der Leser bereits wei, da die Frau einem Hai zum Opfergefallen ist, wei er auch, was Brody bevorsteht. Also wird der Leser Mitleid mit ihm haben. In Carrie (1994) fhrt Stephen King die Hauptfigur folgendermaen ein: Mdchen recktenund dehnten sich unter den heien Wasserstrahlen, bespritzten sich gegenseitig, warfen weieSeifenstcke von Hand zu Hand. Carrie stand phlegmatisch inmitten der anderen, ein Froschunter Schwnen. King beschreibt sie als dick, pickelig und so weiter. Sie ist hlich undwird von den anderen aufgezogen. Die Leser haben mit Sicherheit Mitleid mit Carrie. In Stolz und Vorurteil (1813) stellt Jane Austen uns ihre Heldin Elizabeth Bennet auf einemBall vor, als Mr. Bingley seinen Freund Mr. Darcy zu berreden versucht, mit ihr zu tanzen.Darcy sagt: >Welche meinst du denn?< Er drehte sich um, schaute einige Sekunden langElizabeth an, bis er, ihren Blick auf sich ziehend, den seinen abwandte und khl bemerkte:>Sie ist leidlich hbsch, aber nicht schn genug, um einen Menschen wie mich zu locken.. .