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Qualitätssicherung bei Verpackungen | Die Auswahl einer optimalen Verpackung ist ein komplexer Prozess. Neben der Abklärung hinsichtlich Verpackungsqualität und Produktschutz gibt es eine Vielzahl an Rechtsvorschriften, die berücksichtigt werden müssen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, bedarf es eines geeigneten Qualitätssicherungssystems. Wie „sicher“ ist Ihre Verpackung? G erade in Bezug auf Schadensvor- beugung, Vermeidung von Kun- denreklamationen und daraus re- sultierenden Folgekosten ist die Qualitäts- sicherung ein oftmals unterschätztes Werkzeug. In Betrieben wird die Quali- tätssicherung häufig als Kostenstelle ohne sofort ersichtlichen Nutzen angesehen. Sobald der wirtschaftliche Nutzen einer aktiven und etablierten Qualitäts- sicherung 66]neue verpackung 11.2008 PACKMITTEL Lebensmittel Pharma Kosmetik Chemie Non Food 66]neue verpackung 11.2008 von Hemma M. Fritz, DI Michael Pitzl und Dr. Johannes Bergmair, ofi Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik, Wien Verschlusskappe mit einer verbesserten Dichtheit, welche beim Öffnen ein besonders „Blopp“-Geräusch erzeugt. erkannt wird, ist diese Meinung jedoch schnell revidiert. Durch die folgenden drei Aussagen soll dies klar dargestellt werden: Die Qualitätssicherung dient der Er- leichterung des freien Handels durch stan- dardisierte Beschreibung des Produktes zur einfacheren Interaktion und Kom- munikation zwischen den einzelnen Un- ternehmen. Bei Haftungsfragen und Nachweis- pflicht gegenüber Behörden, dient die Qualitätssicherung als solide Basis für die Aufklärung von Schadensfällen. Qualitätssicherungssysteme schließen die Lücke zwischen bilateralen privatwirt- schaftlichen Verträgen und regulatori- schen Rahmenbedingungen. Aus obiger Darstellung wird ersichtlich, dass die Qualitätssicherung in einem Un- ternehmen keinesfalls „ein unnötiges Werkzeug“ ist. Unterstrichen wird dies er- gänzend durch die europäische Verord- nung Nr. 2023/2006 über gute Herstel- lungspraxis für Materialien und Gegen- stände, die dazu bestimmt sind, mit Le- bensmitteln in Berührung zu kommen. Seit 1. August 2008 ist dadurch für alle Verpackungshersteller ein etabliertes Qualitätssicherungssystem rechtlich bin- dend. Potential ausschöpfen Um das volle Potential eines Qualitäts- sicherungssystems ausschöpfen zu kön- nen, bedarf es in der Regel umfassende Abklärungen um somit sichere Prozesse bzw. Produkte gewährleisten zu können. Grundsätzlich beinhaltet die Qualitäts- sicherung nach BERGMAIR ET AL. (2004) sämtliche Schritte von der Pro- dukt- und Verfahrensentwicklung, der Kontrolle der Einsatzstoffe für die Produk- tion, der Überwachung des Produktions- prozesses, der Produktprüfung bis hin zum kaufmännischen Marketing und der gesamten Logistik. Damit ein Qualitätssicherungssystem bestmöglich im Unternehmensprozess etabliert werden kann, müssen im Vorfeld einige generelle Abklärungen getroffen werden, um zu effizienten verwertbaren Ergebnissen zu gelangen. Um zu einer si- cheren Verpackungen zu gelangen sind dabei fünf allgemeine Punkte zu berück- sichtigen: Produktspezifisches Anforderungsprofil erstellen Verpackungsmaterial auswählen

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Qualitätssicherung bei Verpackungen | Die Auswahl einer optimalen Verpackung ist ein komplexer Prozess. Neben der Abklärung hinsichtlich Verpackungsqualität und Produktschutz gibt es eine Vielzahl an Rechtsvorschriften, die berücksichtigt werden müssen. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, bedarf es eines geeigneten Qualitätssicherungssystems.

Wie „sicher“ ist Ihre Verpackung?

G erade in Bezug auf Schadensvor-beugung, Vermeidung von Kun-denreklamationen und daraus re-

sultierenden Folgekosten ist die Qualitäts-sicherung ein oftmals unterschätztes Werkzeug. In Betrieben wird die Quali-tätssicherung häufig als Kostenstelle ohne sofort ersichtlichen Nutzen angesehen. Sobald der wirtschaftliche Nutzen einer

aktiven und etablierten Qualitäts-sicherung

66]neue verpackung 11.2008

PACKMITTEL

Lebensmittel Pharma Kosmetik Chemie Non Food

66]neue verpackung 11.2008

von Hemma M. Fritz, DI Michael Pitzl und Dr. Johannes Bergmair, ofi Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik, Wien

Verschlusskappe mit einer verbesserten Dichtheit, welche beim Öffnen ein besonders „Blopp“-Geräusch erzeugt.

erkannt wird, ist diese Meinung jedoch schnell revidiert. Durch die folgenden drei Aussagen soll dies klar dargestellt werden: � Die Qualitätssicherung dient der Er-leichterung des freien Handels durch stan-dardisierte Beschreibung des Produktes zur einfacheren Interaktion und Kom-munikation zwischen den einzelnen Un-ternehmen. � Bei Haftungsfragen und Nachweis-pflicht gegenüber Behörden, dient die Qualitätssicherung als solide Basis für die Aufklärung von Schadensfällen.

� Qualitätssicherungssysteme schließen die Lücke zwischen bilateralen privatwirt-schaftlichen Verträgen und regulatori-schen Rahmenbedingungen.

Aus obiger Darstellung wird ersichtlich, dass die Qualitätssicherung in einem Un-ternehmen keinesfalls „ein unnötiges Werkzeug“ ist. Unterstrichen wird dies er-gänzend durch die europäische Verord-nung Nr. 2023/2006 über gute Herstel-lungspraxis für Materialien und Gegen-stände, die dazu bestimmt sind, mit Le-bensmitteln in Berührung zu kommen. Seit 1. August 2008 ist dadurch für alle Verpackungshersteller ein etabliertes Qualitätssicherungssystem rechtlich bin-dend.

Potential ausschöpfen Um das volle Potential eines Qualitäts-sicherungssystems ausschöpfen zu kön-nen, bedarf es in der Regel umfassende Abklärungen um somit sichere Prozesse bzw. Produkte gewährleisten zu können. Grundsätzlich beinhaltet die Qualitäts-sicherung nach BERGMAIR ET AL. (2004) sämtliche Schritte von der Pro-dukt- und Verfahrensentwicklung, der Kontrolle der Einsatzstoffe für die Produk-tion, der Überwachung des Produktions-prozesses, der Produktprüfung bis hin zum kaufmännischen Marketing und der gesamten Logistik.

Damit ein Qualitätssicherungssystem bestmöglich im Unternehmensprozess etabliert werden kann, müssen im Vorfeld einige generelle Abklärungen getroffen werden, um zu effizienten verwertbaren Ergebnissen zu gelangen. Um zu einer si-cheren Verpackungen zu gelangen sind dabei fünf allgemeine Punkte zu berück-sichtigen: � Produktspezifisches Anforderungsprofil erstellen � Verpackungsmaterial auswählen

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� Verpackungsmaterial testen � Spezifikationen erstellen � Kontinuierliche Qualitätskontrollen durchführen

Ein sehr komplexer Schritt im Rahmen der Qualitätssicherung ist das Erstellen des Anforderungsprofils. Eine Verpackung hat viele Funktionen zu erfüllen. Dabei müs-sen neben den Erwartungen des Kon-sumenten, auch jene der herstellenden Industrie und des Handels berücksichtigt werden. Für den Verbraucher ist die Ver-packung im Alltag zu einer Selbstver-ständlichkeit geworden, welche die Le-bensqualität erhöht. Neben einem opti-malen Produktschutz wird dabei ein ein-faches „Handling“ der Verpackung sowie die Umweltfreundlichkeit, eine leichte Er-kennbarkeit und verständliche, gut lesba-re Produktinformationen erwartet. Die Eignung für verschiedenste Abpack-maschinen, ein gutes Preis- / Leistungs-verhältnis sowie auch der Umweltaspekt zählen unter anderem zu den Anforde-rungen der Hersteller und Abpacker. Im Handel wiederum spielen Faktoren wie genormte Geometrien, die Lagerfähigkeit, Originalitätssicherung oder auch die Wer-bewirksamkeit eine sehr bedeutende Rol-le. Eine der wichtigsten Funktionen der Verpackung besteht in der Schutzfunktion für das häufig sehr sensible Füllgut. Dieses muss vor äußeren Umgebungseinflüssen bestmöglich geschützt werden, um so die Qualität des Füllgutes gewährleisten zu können. Des weiteren muss die Ver-packung internationalen und nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen ent-sprechen. Grundsätzlich kann festgehal-ten werden, dass für eine optimale Verpa-ckung die Produktqualität und –funktio-nalität im Vordergrund stehen muss.

Zur besseren Darstellung werden nach-folgend die oben beschriebenen Aspekte anhand des Beispiels „Lebensmittelverpa-ckung“ behandelt.

Vor einer Vielzahl an Einflüssen muss eine Verpackung im Lebens-mittelbereich das Füllgut schützen. Zudem bedarf es der Einhaltung bzw. Beachtung zahlreicher technischer und juristischer Aspekte.

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Unter den vielfältigen Aufgaben der Ver-packung ist der Schutz des Füllgutes vor einem quantitativem und qualitativem Verlust hervorzuheben, um dadurch die Güte eines Lebensmittels über möglichst lange Zeit konstant zu halten. Das heißt, bis zur tatsächlichen Verwendung durch den Endverbraucher, bedarf es in erster Linie Kenntnisse über das individuelle Produktverhalten, sein Verhalten unter definierten Lagereinflüssen sowie der Wechselwirkung mit dem Packstoff, mit dem es sich im direktem oder indirektem Kontakt befindet (STEHLE 1989).

Die richtige Auswahl von Verpackun-gen hat vor allem in der Lebensmittel-industrie eine enorm hohe Bedeutung. Ein falscher Einsatz von Verpackungen bzw. Verpackungsmaterialien kann zu beträchtlichen Produktbeschädigungen führen. Vor einer Vielzahl an Einflüssen muss eine Verpackung im Lebensmittel-bereich das Füllgut schützen. Weiters be-darf es der Einhaltung bzw. Beachtung zahlreicher technischer und juristischer Aspekte (BERGMAIR ET AL. 2004): � Schutz vor Luftsauerstoff � Schutz vor Gasverlust bei Schutzgas-verpackungen � Schutz vor Feuchteeintrag und –verlust � Schutz vor Licht � Schutz vor Aromaverlust oder Fremd-gerüchen � Stabilität gegenüber hohen oder tie-fen Temperaturen � Schutz vor mechanischen Einwirkungen � Hygiene von Verpackungen � Migration und Wechselwirkung � Rechtliche Anforderungen � Technische Parameter � Logistik � Marketing � und Verbraucherfreundlichkeit. Basierend auf diesen Aspekten lassen sich praxisgerechte Anforderungspro-file erarbeiten, welche im Zuge der Pro-

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Anforderungen an die Verpackung.

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duktauswahl als Grundlage für die Qua-litätssicherung verwendet werden kön-nen. Die Anforderungsprofile dienen als Basis für die Erstellung von Spezifikatio-nen, welche für die Qualitätssicherung ei-ne bedeutende Rolle spielen. Generell gliedern sich die Anforderungsprofile in zwei Blöcke: � Allgemeine Beschreibung: Material, Abmessungen, Aufbau etc. � Funktionelle Eigenschaften: mecha-nische Kenndaten, Lichtschutz etc. Spezifikationen werden durch definierte Parameter und Prüfmethoden, welche sich aus dem Anforderungsprofil ergeben, sowie der Abklärung geeigneter Werte und Toleranzen aufgestellt. Im Rahmen der Qualitätssicherung stellt eine Spezifi-kation somit ein zentrales Bewertungskri-terium dar und ermöglicht dadurch pra-xisgerechte Qualitätskontrollen.

Regelung der Qualitätssicherung anhand von Standards Mit dem Ziel, eine Verbesserung in den Herstellungs- und Produktionsbereichen zu erhalten, wurden in den letzten Jah-ren unterschiedlichste Standards fest-gelegt. Generell wird darin eine Erstel-lung praxisnaher Spezifikationen für Ver-packungsmaterialien gefordert, die indi-viduell auf die jeweiligen Anforderungen des Füllgutes abgestimmt werden müs-sen. Detaillierte praxisgerechte Spezifika-tionen dienen für eine optimale Auswahl des Packmittels sowie als Grundlage für die Qualitätskontrolle.

Folgende Qualitätsstandards sind vor-rangig in der Verpackungsindustrie von Bedeutung: � EN 15593:2006: Diese Norm regelt das Hygienemanagement bei der Herstellung von Lebensmittelverpackungen und legt diverse Anforderungen fest. � BRC/IoP (British Retail Consortium / Institute of Packaging): Der BRC/IoP Standard ist eine Leitlinie für Hersteller von Lebensmittelverpackungen, die vom British Retail Consortium in Zusammen-arbeit mit dem Institute of Packaging erarbeitet wurde. Es handelt sich hier um einen zertifizierbaren Stan-dard, der sowohl Hygienemanagement wie auch das Qualitätswesen behandelt. � FEFCO GMP: Der von den Ver-packungsmittelherstellern der FEFCO (European Federation for Corrugated Board Manufacturers) und ESBO (Euro-pean Solid Board Organisation) ent-wickelte internationale Standard für Gu-te Herstellungspraxis (GMP) für Voll- und Wellpappe ist ein nicht akkreditier-ter Standard. Dieser dient zur Einhaltung von Anforderungen an die Qualität der

Produkte und Prozesse, sowie auch an die Infrastruktur, Hygiene im Betrieb und Rückverfolgbarkeit. � ISO 15378:2004: In dieser Norm über Primärverpackungsmaterialien für phar-mazeutische Produkte werden die beson-deren Anforderungen für die Anwen-dung von ISO 9001:2000 entsprechend der Guten Herstellungspraxis geregelt. � IFS (International Food Standard): Der IFS wurde von deutschen Einzelhänd-lern (BHV/HDE) zur Überprüfung und Zertifizierung von Eigenmarkenherstel-lern im Lebensmittelbereich auf der Grundlage der Good Food Saftey Initati-ve (GFSI) entwickelt. Der IFS ermöglicht den Einzelhändlern ein Benchmarking-system zur Lieferantenauswahl. Aktuell liegt dieser in der verabschiedeten Ver-sion 5 vor. Die Norm ist in der gesamten Lebensmittelkette anwendbar und gültig. Für die Verpackungen herstellende In-dustrie sind im Punkt 4.5 Produktver-packung wichtige Anforderungen an die Verpackung genannt.

Am Beispiel der Entwicklung des Ot-takringer „Blopp“-Verschluss soll dar-gestellt werden, dass Innovationen direkt mit einem erhöhtem Produktschutz ein-hergehen können.

Die Ausgangslage waren Schwierigkei-ten bei den Standard-Bierflaschen in der Brauerei Ottakring. Durch eine Be-standsaufnahme des Österreichischen Forschungsinstituts für Chemie und Technik (ofi) konnte festgestellt werden, dass die teilweise mangelnde Dichtheit der Verschlusskappen Auslöser für eine nicht kontinuierlich gleichbleibende ho-he Produktqualität waren. Daraufhin wurde an der Ausarbeitung von neuarti-gen und innovativen Verpackungskon-zepten gearbeitet, wobei sowohl die Kun-denvorgaben als auch die technische und finanzielle Realisierung beachtet wur-den. Die Umsetzung erfolgte schrittweise mit diversen Partnern aus der Ver-packungsindustrie, wodurch erste Mus-ter generiert wurden. Diese Muster wur-den anschließend im laufenden Produk-tionsprozess integriert und in weiterer Folge hinsichtlich ihrer Eignung über-prüft, welche in diesem Fall positiv ver-lief. Das Ergebnis ist eine Verschlusskap-pe mit einer verbesserten Dichtheit, wel-che beim Öffnen ein „Blopp“-Geräusch erzeugt. Diese Eigenschaften ermöglich-ten einerseits eine Differenzierung am Point of Sale und dadurch eine besonde-re Marketingwirksamkeit. Andererseits konnte darüber hinaus eine Prozessopti-mierung in Richtung definierter Quali-tätssicherung und optimaler Produktsi-cherheit erzielt werden. �