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Wie sprachen und schrieben die einfachen Leute im 19. Jahrhundert. Die sächsische Alltagssprache in Bitt- und Beschwerdeschriften. . Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, Dr. Rainer Hünecke Dresden im April 2008

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Wie sprachen und schrieben die einfachen Leute im 19. Jahrhundert.

Die sächsische Alltagssprache in Bitt- und Beschwerdeschriften.

.

Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften, Dr. Rainer Hünecke

Dresden im April 2008

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Gegenstand

- 19. Jahrhundert- Einfache Leute- Sprechen und Schreiben - Bitt- und Beschwerdeschriften

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19. Jahrhundert in Schlagworten

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19. Jahrhundert in Schlagworten• Auflösung des „Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ (1806)• Befreiungskriege (1813/15)• Wiener Kongress (1815)• Revolution (1848/49)• Deutsche Nationalversammlung (1848)• Reichsgründung (1871)

• politischer Parteien und Vereine

• Industrielle Revolution

• soziale Umschichtungen, Urbanisierung

• Modernisierung der Presse, Pressefreiheit, Professionalisierung des Journalismus, Differenzierung von Zeitungstextsorten

• Herausbildung von Unterhaltungsmedien (Zeitschriften, Trivialliteratur)

• Alphabetisierung der Bevölkerung

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Einfache LeuteSynonyme: - „kleine Leute“

- „einfache Menschen“- „unbemittelte Klasse“

- „unbekannte“ Bürger ohne höhere Schulbildung

- Gelegenheitsschreiber

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Sprechen und Schreiben

Vor sechshundert Jahren hat jeder gemeine Bauer Vollkommenheiten und Feinheiten der deutschen Sprache gewußt, d.h. täglich ausgeübt, von denen sich die besten heutigen Sprach-lehrer nichts mehr träumen lassen.

Jacob Grimm (1818): Deutsche Grammatik.Einleitung

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Sprechen und Schreiben

Vor sechshundert Jahren hat jeder gemeine Bauer Vollkommen-heiten und Feinheiten der deutschen Sprache gewußt, d.h. täglich ausgeübt, von denen sich die besten heutigen Sprach-lehrer nichts mehr träumen lassen.

Jacob Grimm (1818): Deutsche Grammatik.Einleitung

Mit alledem haben wir nur den sehr kleinen (wenn auch einflußreichen und folgenreichen) hochkulturellen Ausschnitt der Gesamtsprachentwicklung berücksichtigt: die Schriftsprache im akademischen, öffentlichen, belletristischen (allgemeiner: bildungsbürgerlichen) Sinne, damals Hauptsprache oder Hochdeutsch genannt.

Peter von Polenz (1994, 200)

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Sprechen und Schreiben

Vor sechshundert Jahren hat jeder gemeine Bauer Vollkommenheiten und Feinheiten der deutschen Sprache gewußt, d.h. täglich ausgeübt, von denen sich die besten heutigen Sprach-lehrer nichts mehr träumen lassen.

Jacob Grimm (1818): Deutsche Grammatik.Einleitung

Mit alledem haben wir nur den sehr kleinen (wenn auch einflußreichen und folgenreichen) hochkulturellen Ausschnitt der Gesamtsprachentwicklung berücksichtigt: die Schriftsprache im akademischen, öffentlichen, belletristischen (allgemeiner: bildungsbürgerlichen) Sinne, damals Hauptsprache oder Hochdeutsch genannt.

Peter von Polenz (1994, 200)

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Sprechen und Schreiben

! sprachhistorische Forschungskonzepte !Problem und Problemlösung!

geschriebene Sprache intellektuelle Schreiber

Standardvarietät sozial oben

sozial unten

„öffentliches“ Schriftgut

„privates“ Schriftgut Non-Standard nicht-intellektuelle Schreiber

? ? ?

konzeptionell schriftliche Basis

konzeptionell mündliche Basis

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Sprechen und Schreiben

Distanz- und NähesprachlichkeitK

och/

Öst

erre

iche

r 198

5, 1

994

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Sprechen und Schreiben

Distanz- und NähesprachlichkeitK

och/

Öst

erre

iche

r 198

5, 1

994

„Vorlesung“

TextNICHT: entweder – oder

SONDERN: sowohl - als auch

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Sprechen und Schreiben

Distanz- und NähesprachlichkeitAgel/Hennig 2006

I. Universales AxiomII. Universale Parameter der KommunikationIII. Universale Parameter der DiskursgestaltungIV. Universale DiskursverfahrenV. Universale Diskursmerkmale.

RezipientenbeziehungRahmenbedingungenDiskursgestaltungSprachhandlungsstrategieFormulierung

Sprecher/Schreiber (19.Jh.)

Sprachhistoriker (21. Jh.)Text

Interpretation

historisch synchrone Freilegung überformter kontextgrammatisch Verfahren und Formulierungen in einem symbolgrammatisch organisierten Schrifttext

Probleme: Wissen über Indikatoren Nähe- bzw. DistanzsprechensProjektion gegenwartssprachlichen Wissens in die Geschichte

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Sprechen und Schreiben Probleme: Wissen über Indikatoren Nähe- bzw. Distanzsprechens

Projektion gegenwartssprachlichen Wissens in die Geschichte

Goethe: Gespräche mit Eckermann, S. 474

Man sollte kaum glauben, daß sie B, P, D und T überhaupt für vier verschiedene Buchstaben halten, denn sie sprechen nur immer von einem weichen und einem harten B. Aus einem solchen Munde klingt Pein wie Bein, Paß wie Baß und Teckel wie Deckel.Ein hiesiger Schauspieler (…) machte in diesen Tagen einen Fehler.Ungeduldig hatte er auszurufen: „O Ende!“, rief aber: „O Ente!“Eine hiesige junge Sängerin hatte neulich zu sagen:„Ich will dich den Eingeweihten übergeben.“Da sie aber das T wie D sprach, so klang es, als sagte sie:„Ich will dich den Eingeweiden übergeben.“

Historische metasprachliche Aussagen:

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Bitt- und BeschwerdeschriftenFragestellungen:

• Wer konnte im 19. Jahrhundert in den deutschsprachigen Ländern schreiben?

• Was und wie schrieben Menschen dieser Zeit, für die das Schreiben längerer Texte keine Routine war?

• Worin unterschied sich die geschriebene Alltagssprache weiter Teile der Bevölkerung vom kultivierten Schriftdeutsch gebildeter Kreise?

• Inwiefern erfüllte die oft unbeholfen wirkende geschriebene Sprache einfacher Menschen ihren kommunikativen Zweck?

Vgl. Schikorski (1992), Klenk (1997), Elspaß (2005)

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Schreiben an die Obrigkeit - Karte

Tharandt

Tschechien

Historische Daten:• um 1500 Marktflecken• 1609 Stadtrecht• 1697 117 Häusern, 275 erwachsene Bewohner, 177 Kühe

unbedeutende Stadt im 18. Jahrhundert

1843 - 1733 Einwohner- hauptamtliche Stadtverwaltung

1844 - erste Privatschule- Neubau der Volksschule

1853 - Arbeitsschule für Mädchen 1857 - Töchterschule mit Pensionat

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Bitt- und BeschwerdeschriftenArchivalische Quellen:

Akte über Frau verw. Pappert (1877)

oder

Acta Die zwischen Frau Marien verwittweten Zimmermannin geb. Kunzin, als Besitzerin des sogenannten deutschen Hauses, und dem Rathe und der Comun allhier, wegen der hiesigen Garküchen-Verpachtung entstandenen Differenzen, insgleichen die andersweite Verpachtung der Garküchen Gerechtsame hieselbt, an den Herrn Finanz-Sekretair, Christian Friedrich Schlenkert allhier betr. (1819)

oder

Die blödsinnige Marie Therese Krause aus Tharand betr. (1876)

Albert Warneck (Kellner), Friedrich Vollmann (verabsch. Soldat), Herr Rode (Schuhmacher), Auguste Berner (Händlerin), Auguste Weigel (Dienstmädchen)Marie Zimmermann (Wirtin)

Christiane Burkert, Wilhelmine Claus,Christiane Fritzsche, Johanne Mohr, Emmeline Kießling, Friedrich Wilhelm Wollmann, Friedrich August Beier, Robert Götze, Carl Gottlob Ahnert, Gustav Eduard Strobel, Emilie Beckert, Wilhelm und Johanne Friderike Griesbach

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TextsortenFrauen Männer

Anzeige - 2xBegleitschreiben - 1xBericht 1x -Beschwerde 3x* -Gesuch a) Einbürgerung 1x* -

b) Rechtshilfe 2x (davon 1x*) -c) Heimatschein 7x 13xd) Unterstützung 48x (davon 6x*) 38 (davon 1x*)

Erklärung 2xQuittung 1x

* nicht eindeutig der jeweiligen Person als Verfasser zuordnen

Bitt- und Beschwerdeschriften

Gesuch als wichtigste Kommunikationsform der Bevölkerung mit staatlichen und kommunalen Institutionen

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Beispiele

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Antrag auf Ausstellung eines HeimatsscheinesAn den Stadtrath zu Tharandt.

Von der Stadtpolizeideputation zu Dresden, wo ich künftig wohnen will, ist mir die Beibringung eines Heimathscheines binnen kürzester Frist aufgegeben worden.Da ich nun einmal zu Tharandt, wenn nicht nach §. 8., doch jedenfalls nach §. 9. des Heimathgesetzes vom 26. Novbr. 1834. heimathberechtigt bin, auch bei dem dortigen Stadtrath dies als bereits bekannt voraussetzen muß, so habe ich mich deshalb an Denselben zu wenden, füge noch mein Taufzeugniß, sowie ein vom hohen Kriegsministerium erlangtes Attest über meines Vaters Gebürtigkeit, beides in hinreichend beglaubigten Abschriften, hier bei und sehe der baldigsten Zusendung meines Heimath=Scheins oder Zeugnisses oder einer Notiz über etwaige Anstände, unter Addresse des Herren Secretair W.L. Seyffert in Dresden, Halbegasse No. 20. 1 Lf. und unter Postvorschußweiser Entnahme der Gebühr, entgegen.

Dresden, den 28. April 1847.Karoline Eleonora Albertine von Schlieben

[Litt: H. No: 4. Bd. II.]

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Antrag auf Ausstellung eines HeimatsscheinesAn den Stadtrath zu Tharandt.

Von der Stadtpolizeideputation zu Dresden, wo ich künftig wohnen will, ist mir die Beibringung eines Heimathscheines binnen kürzester Fristaufgegeben worden.Da ich nun einmal zu Tharandt, wenn nicht nach §. 8., doch jedenfalls nach §. 9. des Heimathgesetzes vom 26. Novbr. 1834. heimathberechtigt bin, auch bei dem dortigen Stadtrath dies als bereits bekannt voraussetzen muß, so habe ich mich deshalb an Denselben zu wenden, füge noch mein Taufzeugniß, sowie ein vom hohen Kriegsministerium erlangtes Attest über meines Vaters Gebürtigkeit, beides in hinreichend beglaubigten Abschriften, hier bei und sehe der baldigsten Zusendung meines Heimath=Scheins oder Zeugnisses oder einer Notiz über etwaige Anstände, unter Addresse des Herren Secretair W.L. Seyffert in Dresden, Halbegasse No. 20. 1 Lf. und unter Postvorschußweiser Entnahme der Gebühr, entgegen.

Dresden, den 28. April 1847.Karoline Eleonora Albertine von Schlieben

[Litt: H. No: 4. Bd. II.]

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Gesuch um Aufnahme in den GemeindeverbandAn den Stadtrath zu Tharandt

Nach § 2 nr. 5 des Landesgesetzes vom 1. Juni 1870 wird die Staatsangehörigkeit in Deutschland für Ausländer durch Naturalisation begründet. Ich, die ergebenst unterzeichnete Henriette Wilhelmine Auguste verw. Mischke geborne Schrader bin Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika, hege aber den Wunsch, mich hinfort wie schon zeither eine Reihe von Jahren in Deutschland aufzuhalten und die Staatsangehörigkeit im Königreiche Sachsen zuerwerben. Ich erlaube mir daher um die erforderliche Naturalisation hiermit ehrerbietigst zu bitten, indem ich mir dabei Folgendes anzuführen gestatte: Ich beabsichtige mich im hiesigen Orte niederzulassen. Wie aus dem beiliegenden Taufzeugnisse sub A hervorgeht, bin ich die am 7. November1829 in Dresden geborene eheliche Tochter des Juweliers Friedrich Ernst August Schrader zu Dresden und deßen Ehefrau Auguste Emilie geborene Hesse. Vom Jahr 1855 an hielt ich mich in Nordamerika auf, verheirathete mich zu Neuyork laut des angeschlossenen Trauscheines sub B am 22. April 1858 mit dem aus Breslau gebürtigen Sattlermeister Eduard Mischke und erhielt durch diese Verheirathung, wie ich mir durch Beifügung des Bürgerbriefs sub C und des Reisepasses sub D darzuthun gestatte, die von mir erwähnte Eigenschaft als Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Nach Europa zurückgekehrt verlor ich, wie aus dem pfarramtlichen Zeugnisse sub E hervorgeht, meinen genannten Ehemann am 24 April 1872 durch den Tod und wohne ich seitdem in Dresden und beziehentlich im hiesigen Orte. Hier halte ich mich vom 24. März 1875 an auf, habe eine eigne Wohnung und lebe von den Erträgnissen meines Vermögens. Im Uebrigen beziehe ich mich zum Nachweise meiner Unbescholtenheit auf das Zeugniß der Königlichen Polizeidirection zu Dresden sub F, indem ich schließlich den geehrten Stadtrath zu Tharandt bitte, mir zu bezeugen, daß ich seit Ausstellung des unter G beigefügten Wohnungsanmeldescheines mich hier niedergelassen habe und etwas Nachtheiliges wider mich nicht bekannt ist, sodann aber unter befürwortender Begutachtung wegen Ertheilung einer Naturalistionsurkunde der höheren Verwaltungsbehörde Bericht zu erstatten.

Hochachtungsvollst Henriette Wilhelmine Auguste verw. Mischke geb. SchraderTharandt am 19. November 1877.

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Gesuch um Aufnahme in den GemeindeverbandAn den Stadtrath zu Tharandt

Nach § 2 nr. 5 des Landesgesetzes vom 1. Juni 1870 wird die Staatsangehörigkeit in Deutschland für Ausländer durch Naturalisation begründet. Ich, die ergebenst unterzeichnete Henriette Wilhelmine Auguste verw. Mischke geborne Schrader bin Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika, hege aber den Wunsch, mich hinfort wie schon zeither eine Reihe von Jahren in Deutschland aufzuhalten und die Staatsangehörigkeit im Königreiche Sachsen zuerwerben. Ich erlaube mir daher um die erforderliche Naturalisation hiermit ehrerbietigst zu bitten, indem ich mir dabei Folgendes anzuführen gestatte: Ich beabsichtige mich im hiesigen Orte niederzulassen. Wie aus dem beiliegenden Taufzeugnisse sub A hervorgeht, bin ich die am 7. November18.29 in Dresden geborene eheliche Tochter des Juweliers Friedrich Ernst August Schrader zu Dresden und deßen Ehefrau Auguste Emilie geborene Hesse. Vom Jahr 1855 an hielt ich mich in Nordamerika auf, verheirathete mich zu Neuyork laut des angeschlossenen Trauscheines sub B am 22. April 1858 mit dem aus Breslau gebürtigen Sattlermeister Eduard Mischke und erhielt durch diese Verheirathung, wie ich mir durch Beifügung des Bürgerbriefs sub C und des Reisepasses sub D darzuthun gestatte, die von mir erwähnte Eigenschaft als Bürgerin der Vereinigten Staaten von Amerika. Nach Europa zurückgekehrt verlor ich, wie aus dem pfarramtlichen Zeugnisse sub E hervorgeht, meinen genannten Ehemann am 24 April 1872 durch den Tod und wohne ich seitdem in Dresden und beziehentlich im hiesigen Orte. Hier halte ich ich vom 24. März 1875 an auf, habe eine eigne Wohnung und lebe von den Erträgnissen meines Vermögens. Im Uebrigen beziehe ich mich zum Nachweise meiner Unbescholtenheit auf das Zeugniß der Königlichen Polizeidirection zu Dresden sub F, indem ich schließlich den geehrten Stadtrath zu Tharandt bitte, mir zu bezeugen, daß ich seit Ausstellung des unter G beigefügten Wohnungsanmeldescheines mich hier niedergelassen habe und etwas Nachtheiliges wider mich nicht bekannt ist, sodann aber unter befürwortender Begutachtung wegen Ertheilung einer Naturalistionsurkunde der höheren Verwaltungsbehörde Bericht zu erstatten.

Hochachtungsvollst Henriette Wilhelmine Auguste. verw. Mischke geb. SchraderTharandt am 19. November 1877.

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BeschwerdeschriftHochgeehrtester Herr Amtmann

Eur. HochEdl: belieben sich zu erinnern, was massen ein Visitator aus Tharandt, sich unterfangen, am leztabgewichennen Sonntag den 20. Während des früh Gottes=Dienstes, mein Erb=Richter Guth zu Hintergerßdorf einzudringen und das im Keller vorhandene Bier versiegeln zu wollen, auf als mein dasiger Pachter, solches nicht gestattet, deßelben Tages Nachmittags in Begleitung zweyer Tharandtischer Bürger unter dem Anführen wie sie von der Tharandtischen Bürgerschafft deshalb abgeschicket wären, mit Gewalt in den Keller einzudringen, und das von meinen hiesigen Brau berechtigten Ritter=Guthe Klein=Opiz zum Schanck dahin gegebene Bier an 1. ganzen und 2. halben Tonnen wovon leztere angezapft gewesen, zu versiegeln, ich auch dieses tumultuarische Unternehmen, darauf den Pachter Gottfried Wolf, und den Richter Maul so fort des nehmlichen Tages bey Ew: HochEdl: mündlich beschwerende anbringen und Dieselben um Dero Obrigkeitl: Schuz wider falsches Unternehmen, und Beeinträchtigung, nicht allein ersuchen, sondern auch wieder die, von der Bürgerschafft zu Tharandt bedrohete gewaltsame Wegnahme sothanen Bieres, und wieder alle fernere Beeinträchtigungen meiner auf höchste Landes herrl: Privilegiu gegründeten Gerechtsamen ausdrücklich demüthigst ….Dieselben wollen mich dabey Obrigkeits= und Amts halber zuschüzen, und dem Rathe und der Bürgerschafft zu Tharandt alle Innovationes und Beeinträchtigungen, bey nahmhafter Strafe zu untersagen, und selbige vielmehr nach Vorschrifft der Geseze gebührend zu weißen belieben, Inmaßen ich dieses gesezmäßigen Gesuchs nochmahln an Ihre ChurFürstl: Durchl: unterthänigst demüthigst appellire mit geziemender Hochachtung verharrend.

Ew: Hoch Edl: Christina EleonoraKlein Opiz Menckin, Wittbe,den 23. Mart:1774.conc: Friedr: Otto Mencke

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BeschwerdeschriftHochgeehrtester Herr Amtmann

Eur. HochEdl: belieben sich zu erinnern, was massen ein Visitator aus Tharandt, sich unterfangen, am leztabgewichennen Sonntag den 20. Huj. Während des früh Gottes=Dienstes, mein Erb=Richter Guth zu Hintergerßdorf einzudringen und das im Keller vorhandene Bier versiegeln zu wollen, auf als mein dasiger Pachter, solches nicht gestattet, deßelben Tages Nachmittags in Begleitung zweyer Tharandtischer Bürger unter dem Anführen wie sie von der Tharandtischen Bürgerschafft deshalb abgeschicket wären, mit Gewalt in den Keller einzudringen, und das von meinen hiesigen Brau berechtigten Ritter=Guthe Klein=Opiz zum Schanck dahin gegebene Bier an 1. ganzen und 2. halben Tonnen wovon leztere angezapft gewesen, zu versiegeln, ich auch dieses tumultuarische Unternehmen, duruf den Pachter Gottfried Wolf, und den Richter Maul so fort des nehmlichen Tages bey Ew: HochEdl: mündlich beschwerende anbringen und Dieselben um Dero Obrigkeitl: Schuz wider falsches Unternehmen, und Beeinträchtigung, nicht allein ersuchen, sondern auch wieder die, von der Bürgerschafft zu Tharandt bedrohete gewaltsame Wegnahme sothanen Bieres, und wieder alle fernere Beeinträchtigungen meiner auf höchste Landes herrl: Privilegiu gegründeten Gerechtsamen ausdrücklich demüthigst ….Dieselben wollen mich dabey Obrigkeits= und Amts halber zuschüzen, und dem Rathe und der Bürgerschafft zu Tharandt alle Innovationes und Beeinträchtigungen, bey nahmhafter Strafe zu untersagen, und selbige vielmehr nach Vorschrifft der Geseze gebührend zu weißen belieben, Inmaßen ich a denegatione dieses gesezmäßigen Gesuchs nochmahln an Ihre ChurFürstl: Durchl: unterthänigst demüthigst appellire mit geziemender Hochachtung verharrend.

Ew: Hoch Edl: Christina EleonoraKlein Opiz Menckin, Wittbe,den 23. Mart:1774.conc: Friedr: Otto Mencke

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Überlieferungsdichte im UntersuchungszeitraumMänner Frauen

1770-1780 1 31780-1790 0 01790-1800 0 01800-1810 0 01810-1820 0 11820-1830 0 01830-1840 1 01840-1850 5 71850-1860 36 351860-1870 10 151870-1880 3 31880-1890 0 1

Bitt- und Beschwerdeschriften

gewandelter Status dieser Institution:a) Selbstdarstellung der Institutionb) Kommunikation zwischen Bürger und Institutionc) Archivierung von Schriftgut

Wirtin des "Deutschen Hauses", Marianne Zimmermann, 1818: „die Bürgermeister und Rathleute der damaligen Zeit (pflegten - R.H.) nur aufs Wort zu verhandeln“

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Gegenüberstellung der sozialen Zusammensetzung Frauen vs. MännerFrauen Männer

_______________________________________________________________

bürgerliche Mittelschicht 3 = 9 % 8 = 21 %

Handwerker 10 = 29 % 10 = 26 %

Tagelöhner etc. 18 = 53 % 19 = 50 %

Soziale Zusammensetzung der SchreiberInnen

=! soziale Rolle der Frau in der Familie und soziale Situation der Familie !

! soziale Härtesituationen Schriftkommunikation !

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Bitte um Unterstützung im 19. Jahrhundert:

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

a) mündliche Sprechhandlung mit anschließender Verschriftlichung:

den 28. Mai 53.bittet die Witwe Schmidtgen, wegen rückständigen Miethsinses zu Bestreitung desselben um eine Unterstützung aus der Armencasse.

Ebenso bittet die Wittwe Petermann zu Erziehung ihrer zwei hier gebornen Kinder um eine Unterstützung aus der Armencasse.

Ferner hat die verehel. Lohnkutzscher Fritzsche nachgesucht, ob zum Lehrgelde des im Sattlerhandwerk zu erlerneneden Wilhelm Götze nicht die Stadt einen kleinen Beitrag gewähren wolle, oder der Pastor M. Siedel aus den Legatenzinsenfonds eine kleine Beihilfe gebenkönne.

Nachr.Kl.(eemann)

[Arm2, Blatt 253a]

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Bitte um Unterstützung im 19. Jahrhundert:

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

b) mündliche Sprechhandlung mit anschließender Verschriftlichung:

Tharand, am 3. Januar 1855.Erscheint an hiesiger Rathsstelle

Johanne Sophie verw. Eisewig69. Jahr alt

bringt an:Der Verdienst für sie werde sehr gering, da eine Masse junger kräftiger Tagelöhnerinnen jetzt in Tharand seien und diese lieber als die alten genommen würden. Da sie ausserdem noch ihre etwas stüpide Tochter zu überwachen habe, obgleich sie sich zu nähren sucht, so bitte sie um ein wöchentliches Allmosendessen Höhe sie dem Stadtrath zu bestimmen bitte.

Nchr.Kleemann

[Arm3, Blatt 324b]

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Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Bitte um Unterstützung im 19. Jahrhundert:

Tharandt 1854 mündliche Gesuche schriftliche Gesuche

43 Gesuche 10 Gesuche

16 Frauen 27 Männer 9 Frauen 1 Mann

konzeptionell schriftlich

konzeptionell mündlich

?Konventionen der VerschriftlichungTextmuster

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 30 von XYZ

1. salutatioHochwohlgeborner Herr (Hochgeborner Graf)!

2. captatio benevolentiaeEw. Hochwohlgeboren geruhen einer Frau, die so eben durch den Tod ihres Ehegatten auf das schmerzlichste erschüttert worden ist, zu gestatten, daß sie einen Theil ihres leidens zu Hochdero Kenntniß bringen und Ihre wohlwollende Hülfe in Anspruch nehmen dürfe.

3. narratioMein verstorbener Ehemann hat mir bei der Wittwen=Kasse eine Pension von 75 Thalern versichert und die Beiträge seit dem jahre 1799 oft mit Aufopferung der nothwendigsten Bedürfnisse gezahlt. Da er jedoch, im Mangel alles Vermögens, den Einkauf mittelst Wechsels besorgen mußte, ist jetzt der Fall eingetreten, daß ich die Pension erst beziehen kann, wenn ein Jahr vergangen sein wird. Da er nur das geringe Gehalt von 300. Thalern bezog und mehrere Kinder zu erziehen hat, konnte er mir nichts hinterlassen und ich mußte sogar Schulden machen, um sein Begräbniß zu besorgen.Diese Schulden zu bezahlen, liegt mir sehr am Herzen, Außerdem aber sehe ich mich durch den Umstand, daß meine kärgliche Pension erst in Jahresfrist zahlbar, auf meine alten Tage in die traurigste Lage versetzt. Selbst dem Grabe nahe, bin ich unfähig, auf irgend einen Erwerb zu denken; meine Kinder haben für sich selbst nur das Unentbehr-lichste und wohlhabende Verwandte fehlen mir. So müßte ich der Armenpflege anheimfallen, wenn nicht Ew. Hochwohlgeboren (Hochgeboren) in Betracht der untadelhaften Dienstführung meines Ehegatten, Sich geneigt finden sollten, für mich etwas zu thun.

4. petitioErlauben Sie, daß ich die ganz gehorsamste Bitte aussprechen darf, durch Hochdero viel vermögende Verwendung wohlwollend bewirken zu wollen, daß mir die Pension, welche ich erst in Jahresfrist zu beziehen habe, in Gnaden schon jetzt zu theil werde.

5. conclusioErerbietigst verharre ich

Ew. Hochwohlgeboren (Hochgeboren)ganz gehorsamste

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 31 von XYZ

Schreiben an die Obrigkeit – Textarchitektonik – Beispiel 1

gegliederte Bittschrift

Verfasserin:

Christiane Fritzsche

Adressierung

Captatio benevolentiae

Narratio

Petitio

Conclusio mit Datum und Unterschrift

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 32 von XYZungeliederte Bittschrift

Verfasser:

Friedrich August Beier

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 33 von XYZungeliederte Bittschrift

Verfasserin:

Christiane Burkert

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 34 von XYZ

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Tab. 2 – Textarchitektonik

Jahr Name gegliedert teilweise ungegliedert

Tharandt, 19. Jahrhundert

1860a Emilie Beckert x

1860b Emilie Beckert x

1861a Emilie Beckert x

1861b Emilie Beckert x

1861c Emilie Beckert x

1863a Emilie Beckert* x

1864a Emilie Beckert x

1864b Emilie Beckert* x

1860b Wilhelmine Claus* x

1862a Christiane Fritzsche x

1865a Johanne Mohr x

1866a Johanne Mohr* x

1870a Emmeline Kießling x

1860a (?) Rode x

1860b Friedrich Wilhelm Wollmann x

1861a Friedrich August Beier x

1862a Friedrich August Beier x

1862b Robert Götze x

1862c Carl Gottlob Ahnert x

1862d Gustav Eduard Strobel x

1864a Gustav Eduard Strobel x

konzeptionell

schrift

lich

konzeptio

nell mündlich

?

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 35 von XYZ

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Unterstützungsgesuch im 19. Jahrhundert

Distanzkommunikation

formalen TextgestaltungBittschriftkonzeptionell schriftlich konzeptionell mündlich

Prestige der Schriftlichkeit

Situativität der Handlung

Kenntnissen im Umgang mit schriftlichen Kommunikationsformen

Nähekommunikation

mündlich

schriftlich Verschriftungsstrategien

Redestrategien

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 36 von XYZ

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Neben- und Miteinander von spontan-sprechsprachlichen und konventionell-schriftsprachlichen Elementen

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 37 von XYZ

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Neben- und Miteinander von spontan-sprechsprachlichen und konventionell-schriftsprachlichen Elementen

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 38 von XYZ

Koch/Österreicher:Eher konzeptionell mündliche Verschriftlichungsstrategien werden verwendet- bei einer offenen Rollenverteilung der Kommunikationspartner,- bei einem gemeinsamen situativen Kontext im raum-zeitlichen Nähe-Bereich,- in der Privatheit,- bei der Möglichkeit zur sprachlichen Spontanität, in stärker emotionalen und

affektiven Situationen, quasi in unmittelbaren Notsituationen.

Eher konzeptionell schriftliche Verschriftlichungsstrategien werden verwendet- bei einer festen Rollenverteilung der Kommunikationspartner,- bei Situationsentbundenheit im raum-zeitlichen Distanz-Bereich,- in der Öffentlichkeit,- bei einem erhöhten Planungsaufwand (stärker reflektierend und planend),- in weitgehend emotionslosen Situationen- und wenn mit dem Geschriebenen auf das Prestige der geschriebenen

Sprache Bezug genommen wird.

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 39 von XYZ

Bittschriften – Texte zwischen konzeptioneller Mündlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit

Neben- und Miteinander von spontan-sprechsprachlichen und konventionell-schriftsprachlichen Elementen

mündlich konzipiert institutionell geprägten

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 40 von XYZ

Verfasser:

Friedrich August Beier

Neben- und Miteinander von spontan-sprechsprachlichen und konventionell-schriftsprachlichen Elementen

mündlich konzipiert institutionell geprägten

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 41 von XYZ

Schreiben an die Obrigkeit – Textarchitektonik – Beispiel 1

Verfasserin:

Christiane Fritzsche

Neben- und Miteinander von spontan-sprechsprachlichen und konventionell-schriftsprachlichen Elementen

mündlich konzipiert institutionell geprägten

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 42 von XYZ

Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Mein Gutter Herr Bürmeister Köhler.Ich habe den Dockder wieder missen annämen, so bin ich genedigt ihre güte in Anspruch zunämen, ich kan gar nichts verdienen, wägen mein kranken Beine, ich muß in der Stube, an den Stekkel gehn, ich bütte sie recht sehr, machen sie es möchlich, ich habe kein Brod für mich und meine Kinder.

Wilhelm Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 43 von XYZ

Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Mein Gutter Herr Bürmeister Köhler.Ich habe den Dockder wieder missen annämen, so bin ich genedigt ihre güte in Anspruch zunämen, ich kan gar nichts verdienen, wägen mein kranken Beine, ich muß in der Stube, an den Stekkel gehn, ich bütte sie recht sehr, machen sie es möchlich, ich habe kein Brod für mich und meine Kinder.

Wilhelm Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

Opposition zwischen stimmhaft und stimmlos bei den Verschlusslauten /d/ und /t/ zugunsten des stimmhaften Verschlusslautes aufgehoben

Gutturales /g/ im Inlaut wird als palataler Engelaut /n/ realisiert

Öffnung des langen /e:/ zu /ε:/

Opposition zwischen gerundeten und ungerundeten Vokalen zugunsten der grundetenaufgehoben

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Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Mein Gutter Herr Bürcher Meister. ich wage es noch ein mahl an ihn zu gehn, ich kann noch nichts verdienen, so bütte ich ihn noch Ein mahl um eine under stüchsuch, ich habe gar nichts mehr, kein Brod, kein Geld, kein Holtz, meine Frau will erst welches holen, aber Hünrich kann ich si nicht schicken,

Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 45 von XYZ

Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Mein Gutter Herr Bürcher Meister. ich wage es noch ein mahlan ihn zu gehn, ich kann noch nichts verdienen, so bütte ich ihn noch Ein mahl um eine under stüchsuch, ich habe gar nichts mehr, kein Brod, kein Geld, kein Holtz, meine Frau will erst welches holen, aber Hünrich kann ich si nicht schicken,

Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

Opposition zwischen stimmhaft und stimmlos bei den Verschlusslauten /d/ und /t/ zugunsten des stimmhaften Verschlusslautes aufgehoben

Gutturales /g/ im Inlaut wird als palataler Engelaut /n/ realisiert

Opposition zwischen gerundeten und ungerundeten Vokalen zugunsten der grundetenaufgehoben

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 46 von XYZ

Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Hogeerte Herrn noch einmal wagt eine der ärmsten ihrer Statt eine Bitte an Sie selber bin ich nicht mer kommen ich habe nicht mer so viel Sachen das das ich würtig vor Sie meine geerten Herrn treten kann ich habe heute so vill Arbeit das ich es unmüglich im Stante bin für [müglich - gestrichen] und die meinigen zu sorgen verschmäen die (...) [die - gestrichen] demüthige Bitte um Brot so bin gezwungen die meinigen zu verlasen und bei ein Bauer ums libe Brodt zu arbeiten was gewiß das schwerste für mich ist da ich doch meine Kinterunentlich liebe Johanne Friderike Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 47 von XYZ

Formen geschriebener Regionalsprachlichkeit

Hogeerte Herrn noch einmal wagt eine der ärmsten ihrer Statteine Bitte an Sie selber bin ich nicht mer kommen ich habe nicht mer so viel Sachen das das ich würtig vor Sie meine geerten Herrn treten kann ich habe heute so vill Arbeit das ich es unmüglich im Stante bin für [müglich - gestrichen] und die meinigen zu sorgen verschmäen die (...) [die - gestrichen] demüthige Bitte um Brot so bin gezwungen die meinigen zu verlasen und bei ein Bauer ums libe Brodt zu arbeiten was gewiß das schwerste für mich ist da ich doch meine Kinterunentlich liebe Johanne Friderike Griesbach

Lokale, regionale und überregionale Sprache

Opposition zwischen stimmhaft und stimmlos bei den Verschlusslauten /d/ und /t/ bei zugunsten des stimmlosen Verschlusslautes aufgehoben

Hebung o zu u

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Wilhelm Griesbach• Opposition zwischen stimmhaft und stimmlos bei den Verschlusslauten /d/

und /t/ zugunsten des stimmhaften Verschlusslautes aufgehoben: Dockder, Brod, under, Brod

• Gutturales /g/ im Inlaut wird als palataler Engelaut /n/ realisiert: möchlich, Bürcher

• Öffnung des langen /e:/ zu /ε:/: annämen, wägen, zunämen

• Opposition zwischen gerundeten und ungerundeten Vokalen zugunsten der ungerundeten aufgehoben:

missen, genedigt

Lokale, regionale und überregionale Sprache

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TU Dresden, 30.04.2009 Präsentationsname XYZ Folie 49 von XYZ

Johanne Friderike Griesbach• Opposition zwischen stimmhaft und stimmlos bei den Verschlusslauten /d/

und /t/ bei ihr zugunsten des stimmlosen Verschlusslautes aufgehoben: würtig, Stante, Kinter

Lokale, regionale und überregionale Sprache

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Lokale, regionale und überregionale SpracheKonsonantengrapheme Frauen

7

Männer gesamt

anstelle <p> steht <b> – Aboteckr [Irmer] 5 12

aber auchanstelle <b> steht <p> – Auspäßrung [Götze] 1

84

35

1 2anstelle <t> steht <d> – vordragen [Irmer] 24 108

aber auchanstelle <d> steht <t> – oter [Irmer] 10 45anstelle <k> steht <g> – zu grichen [Irmer] 2 – 2

aber auchanstelle <g> steht <k> – verkünnen [Götze] 2

8– 2

anstelle <g> steht <ch> – zu grichen [Irmer] 9 17

aber auchanstelle <ch> steht <g> – Kirgenbau [Ryßel] 4 6 10anstelle <b> steht <w> – abarweiden [Irmer] 1 – 1

anstelle <pf> steht <f> – Fläge [Sohrmann] 1 – 1

anstelle <pf> steht <p> – Penig [Ryßel] 1 – 1

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Lokale, regionale und überregionale Sprache

Vokalgrapheme Frau Mann ges.

anstelle <ü> steht <i> – wirte [Irmer] 7 2 9

anstelle <ö> steht <e> – kende [Irmer] 5 3 8

anstelle <e> steht <ä> – gästern [Richter] 1

14

6 7

aber auch anstelle <ä> steht <e> – Werderin[Irmer]

1 15

anstelle <eu> steht <ei> – heite [Irmer] 2 – 2

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Lokale, regionale und überregionale Sprache

Regionaltypische Variante Frau Mann ges.

nit für nicht 4 – 4

Amd für Abend 1 – 1

nauß/raus für hinaus 2 – 2

mir für wir 3 – 3

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Lokale, regionale und überregionale Sprache

Fazit

• schriftsprachliche Kompetenz in Abstufungen

• Schriftsprache vs. Regionalsprache

• Verschriftlichung des Substandards

• Frauen vs. Männer

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Vandenbussche (1999)

Elspaß (2005)

Hünecke (2004)

Bildungsgrad und Schreibroutine

illiterate literate

eher eherungeübt/ Schreibende geübt/unroutiniert Volksschulbildung höherer Schulbildung routiniert

Gelegenheitsschreiber berufsbegleitende Schreiber Berufsschreiber

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Vandenbussche (1999), Elspaß (2005), Hünecke (2004)

Bildungsgrad und Schreibroutine

illiterate literateeher eherungeübt/ Schreibende geübt/unroutiniert Volksschulbildung höherer Schulbildung routiniertGelegenheitsschreiber berufsbegleitende Schreiber Berufsschreiber

graduell bestimmbare Schreibroutinen

Intensität und Qualität des Schulunterrichts

eigene und familiäre Lese- und Schreibgewohnheiten

Faktoren

berufliche Anforderungen

unterschiedliche Fertigkeiten im schriftsprachlichen Handeln

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Fazit nach diesem Modell:sprachlich handelnde Individuen• kompetent in Bezug auf das Kommunikationsmittel deutsche Sprache• grundsätzlich in der Lage zu kommunikativ erfolgreich sprachlich zu

handeln

Unterschiede• im Schriftspracherwerb• im Umfang schriftsprachlichen Handelns• in der Routiniertheit im schriftsprachlichen Handeln

Voraussetzung• Bildungshorizont

Bildungsgrad und Schreibroutine

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Zusammenfassung

Bittsteller - Tharandt

TextarchitektonikTextmuster

Regionalmerkmale

Personen mit beruflichen und/oder familiären Beziehungen sowie kommunikative Beziehungen über den engen Familienkreis hinausgehen

Albert Warneck (Kellner), Friedrich Vollmann (verabsch. Soldat), Herr Rode (Schuhmacher), Auguste Berner (Händlerin), Auguste Weigel (Dienstmädchen)

Personen ohne kommunikative Beziehungen über den engen Familienkreis hinausgehen

eigene Krankheit (Burkert, Irmer, Jentzsch, Köhler, Rietschel, Sieber, Walther, Götze) oder Krankheit des Mannes, der zu pflegen ist (Frau Beckert und Griesbach)

++-

--+

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Zusammenfassung

Zum Quellenbefund:

• Die archivalisch überlieferte schriftliche Kommunikation von „kleinen Leuten“ in diesem Zeitraum ist institutionell geprägt.

• Schriftkommunikation war Instrument zur Bewältigung sozialer Notsituationen.

• Frauen schreiben in der Regel nur dann, wenn sie alleinstehend sind.

• Unterschiede im schriftsprachlichen Handeln resultieren aus unterschiedlichen Anforderungen im Umgang mit Schriftsprache.

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Ausbau der Sprachhistoriographie zu einer Historischen Soziolinguistik

! modifizierte sprachhistorische Forschungskonzepte !

sozial oben

sozial unten

Problemlösung?

„institutionell geprägtes“ Schriftgut Sub-Standard nicht-intellektuelle Schreiber

Standardvarietät

geschriebene Sprache

„öffentliches“ Schriftgut intellektuelle Schreiberkonzeptionell

schriftliche Basis

konzeptionell mündliche Basis„privates“ Schriftgut

?

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Rainer Hünecke