7
Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwucht kybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr. Antonic Liebe Leserinnen und liebe Leser, die (Digitale) Transformation und eine Vielzahl von neuen Konzepten wie Agilität, Scrummen, permanenter Wandel oder am Ende Disruption erschrecken oft mehr, als dass sie den Mittelstand wirklich abholen können. Hier braucht der Wan- del nicht nur Übersetzer, sondern vor allem mittelstandstaugliche Konzepte jenseits der Cargo-Kulte und entsprechende Evangelisten, die die Tragfähigkeit dieser Konzepte durch ihr eigenes Tun belegen können. Dr. Bodo R. V. Antonic entspricht diesem Anforderungsprofil eines mittelstands-tauglichem vordenkendem Machers ide- al. Sein Konzept der Stabilität durch Werte und Agilität durch Freiheiten und Unwuchtkybernetik hilft Unternehmen besser als viele technologiefixierten Ansätze die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. So freuen wir uns sehr, dass er uns in diesem Interview einen Einblick in seine Logik gewährt. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Team der Competence Site IM INTERVIEW: Dr. Bodo R. V. Antonic, Redner, Moderator, Interim-Manager, Buch-Autor, …

Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr. Antonic

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

die (Digitale) Transformation und eine Vielzahl von neuen Konzepten wie Agilität, Scrummen, permanenter Wandel oder am Ende Disruption erschrecken oft mehr, als dass sie den Mittelstand wirklich abholen können. Hier braucht der Wan-del nicht nur Übersetzer, sondern vor allem mittelstandstaugliche Konzepte jenseits der Cargo-Kulte und entsprechende Evangelisten, die die Tragfähigkeit dieser Konzepte durch ihr eigenes Tun belegen können.

Dr. Bodo R. V. Antonic entspricht diesem Anforderungsprofil eines mittelstands-tauglichem vordenkendem Machers ide-al. Sein Konzept der Stabilität durch Werte und Agilität durch Freiheiten und Unwuchtkybernetik hilft Unternehmen besser als viele technologiefixierten Ansätze die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

So freuen wir uns sehr, dass er uns in diesem Interview einen Einblick in seine Logik gewährt.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Team der Competence Site

IM INTERVIEW: Dr. Bodo R. V. Antonic, Redner, Moderator, Interim-Manager, Buch-Autor, …

Page 2: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Sehr geehrter Herr Dr. Antonic,

Frage 1: Kompetenzpfad Dr. Bodo Antonic Als deutsch-österreich-kroatischer Perser wuchsen Sie in der Pluralität der Kulturen auf, Ihre Mutter – eine Alt-68er – lehrte Sie, die Dinge zu hinterfragen. Wie wird man mit diesem Hintergrund zum weithin anerkannten Autor, Speaker, Berater und Manager für große und mittlere Unternehmen im Transformationsprozess?

Antwort: Durch Versuch! Ich durfte als Kind und auch in den Folgejahren viel ausprobieren und für mich entdecken, meine Mutter ließ mir hier viel Freiraum. Mit dem Abitur kam meine Entscheidung, Chemie und Physik studieren zu wollen, die Neugier trieb mich dann zur Medizin… und im Berufsleben kam dann auf einmal die BWL um die Ecke. Um ehrlich zu sein, das war kein durch und durch geplanter Weg, ich folgte oft meiner Interessenslage.

Eine deutliche Veränderung erfuhr mein Weltbild, als ich 2001 meine erste Firmenin-solvenz als Mitarbeiter erlebte. Zu diesem Zeitpunkt veränderten sich Wahrneh-mung und Einstellungen, mein Wirken als Manager bekam auf einmal einen Sinn. Verpasste Gelegenheiten minimieren die Überlebenswahrscheinlichkeit, vernichten Innovation und Zukunft. 2001 gründete ich dann die Unternehmung die kontur, die sich rasch und nachhaltig entwickelte. Und seitdem darf ich mich immer wieder im Veränderungstext bewegen, als Weichensteller und Rauwasserkapitän Unternehmen in bewegten Zeiten begleiten.

Frage 2: Herausforderungen Transformation, Digitalisierung, …Begriffe wie (Digitale) Transformation, Agilität, Scrummen, permanenter Wandel oder am Ende Disruption erschrecken oft mehr, als dass sie den Mittelstand abholen. Wie würden Sie mittelstandstauglich die Herausforderungen unserer Zeit beschreiben, die sich von Herausforderungen vergangener Zeiten essentiell unterscheiden?

Antwort: Nun erst einmal möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für den Mittelstand brechen. Es ist genau der Mittelstand, der aufgrund seiner Größe oftmals der Wirtschaftsteil ist, von dem die „großen“ Entwicklungen ausgehen, hingegen es ja eine Domäne der „Großen“ ist, diese Sprunginnovation zur Marktreife zu bringen.

Besagter Mittelstand ist in Deutschland nicht selten durch die Tüftler geprägt, lei-denschaftliche Ingenieure und Techniker und auch so manchem jungen Wilden. Ihr Marktumfeld verändert sich ständig und oft auch mit hoher Geschwindigkeit. Hohe Anpassungsfähigkeit, hohe Entscheidungsgeschwindigkeit und Bereitschaft zur Übernahme von unternehmerischen Risiken prägen den Mittelstand. Kurzum: Der Mittelstand ist eigentlich schon sehr gut!

Doch nun zum Wörtchen „eigentlich“. Das ganze Themengebiet der Digitalität, Transformation, Scrummen, etc. ist kein rein technisches mehr – es ist eine soziale Revolution, die gerade stattfindet und sie nennt sich Emanzipation. All unser Wohl-stand, der Abbau von Sozialstaat und die Demokratisierung von Wissen löst tradierte Macht- und Wissensstrukturen ab. Damit wird die Grundfähigkeit des Mittelstands „Entwickle eine technische Lösung“ bedingt unbrauchbar. Sie reicht schlichtweg nicht mehr aus.

„Es ist genau der Mittelstand, der aufgrund seiner Größe oftmals der

Wirtschaftsteil ist, von dem die „großen“ Entwicklungen ausgehen, hingegen es ja eine Domäne der ‚Großen‘ ist, diese Sprunginnovation zur Marktreife zu bringen.“

Page 3: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Dr. Bodo AntonicSeit 2001 ist der Kulturwandler und Weichensteller

Bodo Antonic freiberuflich als Interimsmanager und

Speaker tätig. Seine Kernthemen sind die Restruktu-

rierung von Außendienstorganisationen, das Anstossen

einer Innovationskultur sowie die Entfesselung des

kreativen Geistes. Als deutsch-österreich-kroatischer

Perser versiert im Perspektivenwechsel, wirft Bodo An-

tonic heute beruflich und privat einen Blick auf kulturelle

Spielregeln, Normen und Dogmen.

Page 4: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Der Mittelstand ist nicht selten durch teilweise patriarchalische Strukturen geprägt, vom Meister bis hin zum Familienoberhaupt. Diese lassen oft nur wenig Widerspruch und Partizipation zu. Meine Behauptung: So man die im Mittelstand vorhandene höhere Sinnaufladung („Wir!), die schnelleren, also an sich agileren Strukturen mit einem deutlich höheren Maß an Partizipation (Machtabgabe) kombinieren würde, dann wäre der Mittelstand geradezu ein Paradies für die Implementierung von agi-len, hochtransformativen Unternehmensstrukturen.

Frage 3: Werte als stabilisierender Kern In Ihrer Logik der Zukunftsfähigkeit spielen Werte eine entscheidende Schlüsselrolle. Oft werden Werte eher als Zuckerguss der CR- und Personalmarketing-Abteilungen missverstanden. Warum sind Werte Ihrer Meinung nach so wichtig? Wie können sie als stabilisierender Kern wirksam werden? Kann man Werte managen? Wie wirken Werte, Sinn, Mission und andere Konzepte in diesem Umfeld zusammen?

Antwort: Ich mache das einmal an einem mir recht gut bekannten Beispiel aus der deutschen, mittelständischen Getränkeindustrie fest. Gegründet in den 60ern in einer Gara-ge, war das Unternehmen eine gute Kombination aus unternehmerischer Entschei-dungsfreudigkeit, lebensmitteltechnischer Tüftelei und Kundenzentrierung. Damit ist der Erfolg – das Unternehmen wurde Weltmarktführer – nach meinem Dafür-halten jedoch nicht alleine zu erklären. Entscheidend war viel mehr der „Spirit“, der zentrale Wert: Zuerst die Zukunft des Unternehmens sichern!

Erst Innovation, dann Gewinnabschöpfung. Das führte dazu, dass alle Familienmit-glieder des Eigentümerclans sich nur wenig Geld aus der Unternehmenskasse nah-men, es geradezu verpönt war, im Luxus zu leben. Die zentrale Frage war also nicht, gestatten Sie mir den Griff in die Klischeekiste, wann das nächste Luxusfahrzeug angeschafft werden sollte, sondern welche Produktneuerung herauszubringen wäre.Was ist an Werten so wichtig? Sie geben Halt und Orientierung. Insbesondere in bewegten, hochagilen Unternehmensphasen braucht es Orientierung. Diese Orien-tierung erlaubt Menschen besser mit Agilität umzugehen, ermöglicht es ihnen, sich nicht ständig an Dogmen, Spielregeln und Normen festhalten zu müssen. Doch es sind genau diese „Gesetze“, die als Denkverbote wirken und damit Innovation ver-hindern. Kurzum, wenn wir dem Unternehmen, uns, ein wertebasiertes „Sicherheits-korsett“ geben, müssen wir uns nicht an Denk-, Sprech- und Redeverboten und ver-krusteten Unternehmensstrukturen festhalten, werden frei, können unseren Geist entfesseln und können die Weichen auf kreative Entfesselung stellen.

Kann man Werte managen? Nun, das hängt wohl davon ab, was man unter mana-gen versteht. Die üblichen Managementmodelle sind Input-Output-orientierte Kon-trollansätze. Das Gedankenmodell ist eher ingenieurgetrieben und dient in erster Linie der pseudologischen Wahnvorstellung, Zukunft steuern zu können. Wenn ich mir jedoch vergegenwärtige, dass Management heute im Vorzeichen der Ambivalenz steht, komme ich mit solchen Modellen einfach nicht mehr weiter. Hier kommen die Werte zum Tragen. Wenn diese in mir als Unternehmer, als Manager, tief verankert sind, ganz tief in jeder Faser meines Körpers wirken, dann sind diese Werte quasi wie ein Genom. Und dieses hat eine ganz ungemeine Wirkkraft. Stellen Sie sich bitte einfach vor, Sie würden in einem theoretischen Unternehmen arbeiten, in dem es wirklich nur um eines ginge: Den Kunden! Alle Ihre Gedanken und deren Ergebnis würden nur dem Kunden dienen müssen… was glauben Sie, wären diese ganzen Si-

„Doch es sind genau diese ‚Gesetze‘, die als

Denkverbote wirken und damit Innovation verhindern.“

Page 5: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

los, Abteilungen, die ganzen Eitelkeiten, all das, was uns daran hindert, erfolgreich und innovativ zu sein… wäre dieser Tand dann noch dominanter Gegenstand unseres Tuns im Unternehmen? Zurück zu Ihrer Frage… Kann man Sie managen? Die Ant-wort: Nicht im Sinne von Kontrolle, aber man kann diese Werte in Ziele (Drucker) und in Sinn (Frankl) umwandeln. Und das sind neben der Emanzipation des Unter-nehmens und der Mitarbeiter zwei der drei Säulen meines Managementgebäudes.

Frage 4: Freiheit und Unwucht-KybernetikDas Komplement zur stabilisierenden Wirkung der Werte sind Ihrer Meinung nach die dezentralen Freiheiten und eine Unwuchtkybernetik in den Unternehmen. Wie wirken Werte, Freiheiten und Regeln zusammen? Wie kann man heute unvorhergesehenen Herausforderungen strukturell begegnen? Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine zu-kunftsfähige Organisation der Zukunft aus und welchen Effekt haben Netzwerke und Technologien auf Organisation und Freiheit?

Antwort: Eigentlich muss man ja nur ein wenig Luhmann bemühen. Unternehmen sind sozi-ale Organisationen, die u. A. durch Spielregeln aufgespannt, man könnte auch sagen „definiert“ werden. Es braucht schlichtweg Spielregeln, sonst würden wir uns mögli-cherweise recht schnell an die Gurgel gehen. Gleichzeitig begrenzen Spielregeln auch unsere Freiheit. Damit wird sehr schnell klar, dass es um das rechte Maß geht, um ein vernünftiges Gleichgewicht zu finden, zwischen der Anzahl und Qualität der Spielre-geln, die wir brauchen, um das Miteinander zu regeln, und denen, die uns hemmen. Und wie findet man nun dieses Gleichgewicht? Damit sind wir bei den Werten. Wel-che Spielregeln brauchen wir, um unsere Werte zur Entfaltung zu bringen? Welche Spielregeln schaden ggf.? Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Nicht selten hört man: Kundenzentrierung ist ganz besonders wichtig, oder? Damit müssten alle Spielregeln dieser Kundenzentrierung dienen. Die Spielregeln, die uns in unserem Bemühen kundenzentriert zu sein unterstützen, sind also förderlich, hingegen die Spielregeln, die uns daran hindern ein Maximum an Kundenzentrierung zu realisie-ren, sind als überflüssig einzustufen.

Sie fragten, wie man unvorgesehenen Herausforderungen strukturell entgegnen kann. Die vielleicht irritierend erscheinende Antwort: Indem wir Strukturen dekon-struieren. Diese ganzen Organigramme hindern uns doch eher an Beweglichkeit, als dass sie uns helfen würden, adäquat zu reagieren. Um es auf den Punkt zu brin-gen: Eine Struktur sagt uns, wer reagieren müsste, aber sie sagt uns eben nicht, wie man beweglich bleiben und somit reaktionsfähig bleiben kann. Wir brauchen keine Strukto- und Organigramme, wie brauchen Spielregel-Netzwerke:

„Die Knotenpunkte dieser Netzwerke sind die Werte,

die Verbindungen zwischen den Werteknoten sind die Spielregeln des Unternehmens.“

Page 6: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Die zukunftsfähige Organisation wird sehr gut durch die Metapher der Hüfte und deren Funktionsweise beschrieben. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, dass die Oberfläche der Hüftkugel „glattpoliert“ sei, können wir erkennen, dass diese Ober-flächenstruktur durch die Natur gezielt rau und rissig gestaltet wird. Durch diese zerklüftete Oberflächenstruktur wird die Hüftpfanne und die sie auskleidende Knor-pelmatrix ständig angetriggert sich umzubauen, sich damit zu erneuern, um damit überlebensfähig zu bleiben.

Und genau so muss das Unternehmen der Zukunft gebaut sein. Wertenetzwerke, durch ein Minimum an Spielregeln verknüpft und in jeder Sekunde darauf abzielend, die eigene Organisation wertschätzend zu „dekonstruieren“.

Frage 5: Unwucht-Kybernetik jenseits des Managements Ihr Ansatz grenzt sich ja von anderen populären Ansätzen ab. Warum sind Ihrer Mei-nung nach existierende Ansätze wie Scrummen, Agilität oder das Management der Dis-ruption nicht ausreichend? Mit der Kritik an populären Ansätzen stellt sich natürlich die Fragen nach methodischen Referenzen für den eigenen Ansatz. Inwieweit finden sich analoge Konzepte in Domänen außerhalb der Managementtheorie?

Antwort: Das Hobeln als Bestandteil der Schreinerkunst ist die Methode, der Hobel das Werk-zeug. Ähnlich verhält es sich dem Scrummen, der Agilität und dem Management. Scrummen ist das Werkzeug, Agilität vielleicht als Methode zu beschreiben. Doch was ist das Wesen der Schreinerkunst, was ist deren Pudels Kern, deren inneres We-sen? Und wie verhält es sich beim Management?

Für mich ist Management weitaus mehr als ein Methodenbündel, es ist für mich in erster Linie eine Einstellung, die sich in einem Wertebündel ausdrückt. Und das oberste Ziel dieser Einstellung ist der Erhalt der Überlebensfähigkeit im Sinne Ma-turanas.

Damit sind wir wieder bei meinem o. g. Beispiel mit der Hüfte. Das zuvor beschrie-bene Pauwlessche Prinzip beschreibt die „Überlebensstrategie“ der Hüfte und ist zugleich ein analoges Konzept, welches wir in zukünftige Managementtheorien ein-bauen sollten.

Frage 6: Der Antonic-Ansatz im realen LebenGrau ist alle Theorie … Können Sie uns von Ihren Projekten berichten und erläutern, wie Sie dort Ihre Konzepte und Lösungen umgesetzt haben? Was waren jeweils die Aus-gangssituationen, was wurde erreicht und was waren die Erfolgsfaktoren?

Antwort: So ich mich auf die Interimsmandate konzentrieren darf, dann lässt sich die Aus-gangssituation stark schematisiert wie folgt beschreiben: „Großes“ Unternehmen, verkrustet, hoher EBIT, völlig in sich gelähmt, inneres Motto: „Das haben wir schon immer so gemacht, da kann man nichts ändern.“ Es klingt vielleicht ein wenig platt, aber so nehme ich diese Unternehmen oft wahr und – um ehrlich zu sein – die Un-ternehmen sich zumeist auch. Es handelte sich oft um Turnaround-Situationen ohne wirtschaftlichen Druck. Das ist ein wenig so, als ob Sie einem Raucher die Entwöh-nung schmackhaft machen wollen, der Patient aber noch gar keine Beschwerden hat. Es gilt also Änderungen umzusetzen, ohne das ein drohender Arbeitsplatzverlust im

„Für mich ist Management weitaus mehr als ein

Methodenbündel, es ist für mich in erster Linie eine

Einstellung, die sich in einem Wertebündel ausdrückt.“

Page 7: Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik ......Wie Unternehmen mit Werten, Freiheit & „Unwuchtkybernetik“ den Wandel überleben! Kompetenzführer-Interview Dr

Raume stand und die Menschen in die Veränderung katalysierte. Die Insolvenzab-wendungen, die ich managen durfte, waren dazu im Gegensatz ein Klacks, da die Mitarbeiter doch völlig anders reagieren, so ihnen das „Arbeitsplatzverlust-Messer“ an die wirtschaftliche Kehle gehalten wird.

In den Anfangstagen mache ich zumeist zwei Dinge: a) reichlich banal, keep the business running und b) wie ein Jagdhund rumschnüffeln, Fragen stellen, neugierig sein, den Mitarbeitern als Menschen begegnen, Gefühle einatmen. Vertrauen ist eine wichtige Währung in meinem Job.

Und dann, just out of the blue, höre ich einen Satz, ein Wort, irgendwas fällt mir auf und dort hake ich mich ein. Die Lösung liegt ja in der Organisation. Meist höre ich Sätze wie „Das xyz haben wir schon immer so gemacht.“ Und dann stelle ich weiter und weiter meine Fragen und damit kommt der Ball ins Rollen…

Ich bin mittlerweile recht sensibilisiert, was das Thema Spielregeln angeht. Dieser Punkt begegnet mir immer wieder. Und diese Spielregeln (Sowas sagt man nicht, fragt man nicht, denkt man nicht, …) kennzeichnen eine Organisation. Hier muss man ansetzen, so man Verhalten ändern will.

Ein konkreter Fall. Mitarbeiterin klagte über ein aus ihrer Sicht sinnloses Antragsfor-mular. Ich hinterfrage die ZDFs. In toto ergab sich für mich das Bild, dass irgendwer irgendwann aus welchem Grund auch immer einen Genehmigungsprozess einge-führt hatte. Seit gefühlten 2.000 Jahren hatte niemand diesen Bericht hinterfragt. Ich fragte die Mitarbeiterin, wieso wir den Bericht nicht einfach abschaffen würden. Ich werde nie die Augen der Dame vergessen, als sie mich fragte: „Und das können Sie so einfach machen?“. Meine Reaktion: „Möglicherweise können wir das zusammen hinkriegen? Was müssen wir dazu machen, mit wem müssen wir reden?“.

Die Dame wurde sehr aktiv, innerhalb von 2 Wochen hatten wir die Regel abge-schafft. Und seit diesem Zeitpunkt hatte ich nicht nur eine, sondern sehr viele kreati-ve Mitarbeiter. Ergebnis 12 Monate später: EBIT +2% bei zuvor schon sehr sehr hoher Ausgangsbasis, 20% Umsatzplus sowie eine deutlich höhere Kunden- und Mitarbei-terzufriedenheit.

Vielen Dank für das Interview!