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J¨org Waldvogel, ETH Z¨ urich 1 Winkelfunktionen, Differenzen und Logarithmen org Waldvogel, ETH Z¨ urich, Schweiz Seminar f¨ ur Angewandte Mathematik 1. Internationales Jost-B¨ urgi-Symposium Lichtensteig (Schweiz), Kronensaal, 19. M¨ arz 2016

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 1

Winkelfunktionen, Differenzen und

Logarithmen

Jorg Waldvogel, ETH Zurich, Schweiz

Seminar fur Angewandte Mathematik

1. Internationales Jost-Burgi-Symposium

Lichtensteig (Schweiz), Kronensaal, 19. Marz 2016

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 2

Abstract

Jost Burgis lange verschollener Kunstweg (1586) zur effizienten und

genauen Berechnug von Sinus-Tabellen wurde 2013 von Menso Folkerts

wieder entdeckt. Wir beleuchten diesen auf dem Differenzenschema

beruhenden genialen Algorithmus mit den Mitteln der modernen

Linearen Algebra. Mittels Matrizenrechnung und Eigenwerten wird auch

eine Konvergenztheorie entwickelt. Auch die fur die Logarithmenrech-

nung idealen, wohlbekannten Progreß-Tabulen von Jost Burgi (1620)

lassen sich in das Differenzenmuster einordnen.

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Inhalt

1. Jost Burgis Kunstweg 4

2. Differenzen 9

3. Vektoren und Matrizen 12

4. Eigenvektoren und Eigenwerte 15

5. Der Konvergenzquotient 17

6. Die Progreß Tabulen 21

7. Literatur 25

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 4

1. Jost Burgis Kunstweg

In seinem mathematischen Erstlingswerk Fundamentum Astronomiæ,

verfasst zwischen 1586 und 1592, aber erst 2013 durch Menso Folkerts

[4,5] wieder entdeckt, und von Dieter Launert [6], Fritz Staudacher [8]

und George Szpiro [9] ausfuhrlich beschrieben, definiert Jost Burgi einen

Algorithmus zur effizienten und genauen Berechnung von

sin

(j π2n

), j = 1, . . . , n, n > 1 .

Sein Beispiel ist n = 9 (siehe Seite 8); er schlagt aber auch n = 90 vor

(jedes Winkelgrad). Wir betrachten den einfacheren Fall

n = 3 : sin(30o) =1

2, sin(60o) =

√3

2, sin(90o) = 1 .

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 5

Die Sinus-Funktion y = sin(x)

−1 0 1 2 3 4 5 6 7−2

−1.5

−1

−0.5

0

0.5

1

1.5

2

x

y

0 90o 180o 360o

π 2 π

rot: erste Ableitung = cos(x), blau: zweite Ableitung = −sin(x)

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 6

Der Algorithmus erzeugt eine Tabelle, aufgebaut von rechts nach links.

Die roten Zahlen dienen nur der Erklarung, werden nicht mitgefuhrt.

sin(0o) 0 0 0 0 0 02911 780 209 56 15

sin(30o) 2911 780 209 56 15 42131 571 153 41 11

sin(60o) 5042 1351 362 97 26 7780 209 56 15 4

sin(90o) 5822 1560 418 112 30 8-780 -209 -56 -15 -4

. . . f e d c b a

0. Startkolonne: a = (a1, a2, . . . , an)′ ∈ Rn, (fast) beliebig, z.B.

Naherungen fur Vielfache von Sinus-Werten, f · sin( j π2n

), auf Ganze

gerundet.

1. Nachste Kolonne links: b = (b1, b2, . . . , bn)′ = kumulative Summe

der aj von unten, zuerst bn = an2

, dann bj = bj+1 + aj , j = n− 1, . . . , 1.

2. Weitere Kolonne links: c = (c1, c2, . . . , cn)′ = kumulative Summe der

bj von oben, zuerst c1 = b1, dann cj = cj−1 + bj , j = 2, . . . , n.

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 7

Fortsetzung nach links

Fortsetzung der Tabelle nach links durch Reptition der Schritte 1. und 2.

Der Kunstweg ist ein Differenzenschema, von rechts nach links aufgebaut.

Die ungeraden Kolonnen a, c, e,g, . . . , normiert durch Division der

Vektoren durch ihr letztes Element, approximieren die Sinus-Werte

sin( j π2n ) immer besser.

Zusammenfassende Tabelle zur mittleren Zeile:

7/8 26/30 97/112 362/418 1351/1560 5042/5822

8.9746e-3 6.4126e-4 4.6025e-5 3.3043e-6 2.3724e-7 1.7033e-8

13.99526 13.93299 13.92855 13.928228 13.928205

Erste Zeile: a2/a3, c2/c3, e2/e3, . . .

Zweite Zeile: Fehler a2/a3 − sin(60o), . . . , sin(60o) =√3/2 = 0.8660254

Dritte Zeile: Quotient zum nachsten Fehler, −→ 7 + 4√3 = 13.92820323

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 8

Aus Fundamentum Astronomiæ. Im Hexagesimalsystem

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2. Differenzen

Differenzenschemata sind gute Mittel zur effizienten Tabellierung von

Funktionen mit aquidistanten Argumenten, z.B. die Kubikzahlen

f(n) = n3:

n f(n) ∆1 ∆2 ∆3

0 0 01 6

1 1 67 6

2 8 1219 6

3 27 1837 6

4 64 2461 6

5 125 3091

6 216

• In diesem Beispiel ist die

dritte Differenz konstant

• Oberste Eintrage und letzte

Kolonne mussen bekannt sein

• Aufbau der Tabelle durch

kumulative Summation von

rechts nach links und von

oben nach unten

• Nur Additionen!

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Das sin - Differenzenschema

Vorbereitung: Prosthaphærese (von Burgi benutzt, [7,8])

cos(α) · cos(β) =1

2

(cos(α+ β) + cos(α− β)

)Setze α =

π

2− y − x

2, β =

y + x

2; daraus folgt

sin y − sinx = 2 sin(y − x

2

)cos(y + x

2

)Differenzenschema fur f(x) = sinx:

f(x) ∆1 ∆2

sin(x− 2 δ)2 sin δ · cos(x− δ)

sinx −4 sin2 δ · sinx2 sin δ · cos(x+ δ)

sin(x+ 2 δ)

Die zweite Differenz ist proportional zum Funktionswert

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 11

Burgis Hauptresultat

Bemerkungen

• Die Ruckabbildungen der Differenzen sind die kumulativen Summen

• Die Anfangsbedingunen berucksichtigen die Symmetrien der sin- und

cos-Funktionen bei x = 0 und x = 90o

• Die Normierung auf sin(90o) = 1 erfordert noch eine Division pro

Element

Satz:

Die normierten ungeraden Kolonnen aj/an, cj/cn, ej/en, . . .

mit n > 1 konvergieren fur beliebige positive Startkolonnen

a = (a1, . . . , an)′ gegen sin(j π/2n ), j = 1, . . . , n.

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3. Vektoren und Matrizen

Im Fall n = 3 von Seite 4 definieren wir a = (a1, a2,a32 )′ = H · a; dabei

ist H allgemein die Diagonalmatrix mit den n Diagonalelementen

1, 1, . . . , 1, 12 . Nun lauten die ersten zwei Schritte von Seite 6:

b =

1 1 1

0 1 1

0 0 1

a, c =

1 0 0

1 1 0

1 1 1

︸ ︷︷ ︸

T

b

Damit ergibt sich fur die einem Kunstwegschritt entsprechende

Abbildung

c = M a mit M = T ·T′ ·H .

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Die Matrix T

T ist die mit Einsen gefullte untere n× n -Dreiecksmatrix. Fur spater

leiten wir eine alternative Darstellung von T her. Sei I die

Einheitsmatrix und L die Einheits-Subdiagonalmatrix,

I =

1

1

. . .

1

, L =

0

1 0

. . .. . .

1 0

∈ Rn×n.

Dann gilt

T = I + L + L2 + · · ·+ Ln−1 = (I− L)−1.

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Die Burgi-Matrix M

Die Abbildungsmatrix M, die wir auch Burgi-Matrix nennen wollen,

wurde schon von D. Launert und A. Thom [6] angegeben. Fur n = 5

lautet sie

M =

1 1 1 1 0.5

1 2 2 2 1

1 2 3 3 1.5

1 2 3 4 2

1 2 3 4 2.5

.

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4. Eigenvektoren und Eigenwerte

Ist a0 = a ∈ Rn die Startkolonne und a1 = c, a2 = e, . . . , dann

schreibt sich der Kunstwegalgorithmus als

aj+1 = M aj , j = 0, 1, . . . , n ,

in der Linearen Algebra bekannt als Vektoriteration (von Mises -

Geiringer). Falls der absolut großte Eigenwert λ1 von M einfach ist,

konvergiert aj der Richtung nach gegen den zugehorigen Eigenvektor v1

mit der Eigenschaft M v1 = v1 λ1.

Zur Losung des Eigenwertproblems betrachten wir die Inverse von M,

die sich als tridiagonal erweist (verwende T von Seite 13):

M−1 = H−1 (I− L)′ (I− L).

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 16

Fur n = 4 ergibt sich z.B.

M−1 =

2 −1

−1 2 −1

−1 2 −1

−2 2

= 2 I−

0 1

1 0 1

1 0 1

2 0

.

M−1 hat dieselben Eigenvektoren wie M, aber die reziproken Eigenwerte.

Eigenvektoren: Kolonnen der Matrix V =(vkj),

vkj = sin(

(j − 1

2) k

π

n

), k, j = 1, . . . , n

Eigenwerte von M, Diagonalelemente von D:

λj =1

4 sin2((j − 1

2 ) π2n

) .Einfach nachzurechnen mit der Trigonometrie von Seite 10.

Es gilt M V = V D sowie V−1 =2

nV′H.

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5. Der Konvergenzquotient

Normierung nach Burgi zur Gewinnung der Sinus-Naherungen xkj :

xj =ajanj

=⇒ xnj = 1

Die Burgische Vektoriteration liefert

limj→∞

xj = v1 (erster Eigenvektor)

Fehlernorm: ej = ‖xj − v1‖2

Konvergenzquotient: qj =ejej+1

Haufig gilt Q = limj→∞ qj =λ1λ2

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 18

Modifizierter Startvektor u = a in Basis von V

Gemaß der letzten Zeile von Seite 16, M V = V D, kann die

Vektoriteration einfacher geschrieben werden:

aj+1 = M V V−1 aj ⇒ V−1 aj+1 = D V−1 aj .

Modifizierter Iterationsvektor: uj = V−1 aj

Modifizierter Startvektor: u = u0 = V−1 a0 = V−1 a

Damit: uj+1 = D uj oder uj = Dj u0

Das Konvergenzverhalten hangt ab von den Eigenwerten

λj = 14/ sin2

((j − 1

2 ) π2n ))

und vom modifizierten Startvektor u.

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 19

Die Eigenwerte (Seite 16) erfullen λ1 > λ2 > · · · > λn.

Mit V−1 = 2n V′H ergibt sich fur die r-te Komponente ur des

modifizierten Startvektors, r = 1, 2, . . . , n:

ur =2

n

n∑l=1

′ sin(

(r− 12 ) l πn

)al, Σ′ : letzter Term mit halbem Gewicht

Der Startvektor a muss so gewahlt werden, dass u1 6= 0. Die Aussage

von Seite 17 gilt, falls auch u2 6= 0.

Satz:

Sei r ≥ 2 der kleinste Index mit ur 6= 0. Dann gilt Q = limj→∞ qj =λ1λr

.

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 20

Beispielen=3: a = (4, 7, 8)′, u2 = 2

3

(1 · a1 + 0 · a2 − 1 ·

a3

2

)= 0, r = 3 ⇒

Q3 =λ1

λ3=

sin2(75o)

sin2(15o)= 7 + 4

√3 = 13.92820

n=4: a = (4, 7, 9, 10)′, u2 = 0.20111, r = 2 ⇒

Q2 =λ1

λ2=

sin2(33.75o)

sin2(11.25o)= 8.10973

n=9: a = (2, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12)′, u2 = 0, r = 3 ⇒

Q3 =λ1

λ3=

sin2(25o)

sin2(5o)= 23.51281

n=15: a = (1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 10, 11, 11, 12, 12, 12)′, u2 = u3 = 0,

r = 4 ⇒ Q4 =λ1

λ4=

sin2(21o)

sin2(3o)= 46.88760

n=15 m: ak = 1 if k = 2m or k = 10m or k = 12m, ak = 0 otherwise,

r = 4 ⇒ Q4 ≈ 49, e.g. Q4 = 48.94 for n=90 (Nicollier)

n=15 m: ak = 1 if k = m or k = 11m, ak = φ if k = 7m or k = 13m,

ak = 0 otherwise, r = 6 ⇒

Q6 =λ1

λ6≈ 121, goes back to Q4 ≈ 49 after a few steps if φ is

only approximated, e.g. by φ ≈ 1.6 (Gregoire Nicollier, Sion [8])

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6. Die Progreß Tabulen

Von Jost Burgi ca. 1600 berechnet, leider erst 1620 publiziert [1,2,3]:

Eine einfache Funktion, bei der die Funktionswerte f(n) = fn in der

ersten Differenz proportional reproduziert werden:

fn+1 − fn = ε · fn , f0 = 1 .

Daraus folgt

fn+1 = (1 + ε) fn oder fn = (1 + ε)n.

Burgi tabelliert fur ε = 110000 = 0.0001 die Werte fn (eine Exponential-

funktion von n) bis fN = 10. Er findet die gantze Rote Zahl N , korrekt

mit allen 9 Ziffern:

N = 23027.0022− | 23027.0023+

Modern: N = log1.0001(10) =log(10)

log(1.0001)= 23027.00220 32997

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 22

Anwendung

Damit kann man billig genau multiplizieren (durch Zuruckfuhrung auf

Additionen). Man muss aber die Tabelle sowohl von n zu fn als auch

von fn zu n lesen.

Beispiel:

1.0804 7000 · 1.7188 8000 = 1.8571 9827 36

f774 · f5417 = f6191

Es braucht 3 Tabellenzugriffe (zwei ruckwarts und einen vorwarts) und

die Addition 774+5417=6191. Die Tabelle liefert das Resultat mit 9

korrekten Ziffern; die letzten beiden, 36, entstammen der exakten

Rechnung.

Dies nennt man logarithmische Rechnung (Napier 1614), siehe auch

[7,9,11]. Wird heute wegen guten Taschenrechnern nicht mehr

gebraucht.

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 23

Interpolation

Napier tabellierte f(x) = log(x) fur aquidistante x. Burgi hingegen

tabellierte fur aquidistante n = log(x), d.h. er tabellierte die

Exponentialfunktion xn = 1.0001n. Dies konnte er effizient mit kleinem

Rechenaufwand erreichen. Fur das logarithmische Rechnen ist beides

aquivalent: Man muss die Tabellen immer in beiden Richtungen lesen,

mindestens eine davon braucht Interpolation.

Um zu gegebenem x den zugehorigen Logarithmus log1.0001(x) (die rote

Zahl) zu finden, wendet Burgi lineare Interpolation an.

Beispiel aus dem grundlichen Unterricht: x = 3.6 [7]

Burgi n = 12809.9789 9 Ziffern korrektexakt log(3.6)

log(1.0001) = 12809.97891 08694 6

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 25

7. Literatur

1. Burgi Jost, 1620: Arithmetische und Geometrische Progreß- Tabulen.

Digitalisierte Ausgabe einsehbar in Locomat Project Denis Roegel:

http://locomat.loria.fr/buergi1620/buergi1620doc.pdf.

2. Burgi Jost, 1620: Arithmetische und Geometrische Progreß- Tabulen.

Sign.1603/R 1620-001, http://www.ub.uni-muenchen.de/.

3. Burgi Jost, 1620: Arithmetische und Geometrische Progreß- Tabulen.

Guldin-Bibliothek SOSA, Signatur I 18601, http://www.yorik.uni-graz.at:

8991/F?RN=160090835.

4. Folkerts Menso, 2014: Eine bisher unbekannte Schrift von Jost Burgi

zur Trigonometrie. In: Rainer Gebhardt (H.g.): Arithmetik, Geometrie

und Algebra der fruhen Neuzeit. Adam-Ries-Bund e.V.,

Annaberg-Buchholz.

5. Folkerts Menso, Launert Dieter, Thom Andreas, 2015: Jost Burgi’s

method for calculating sines. arXiv:1510.03180.

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Jorg Waldvogel, ETH Zurich 26

6. Launert Dieter, 2015: Burgis Kunstweg im Fundamentum Astronomiae.

Entschlusselung eines Ratsels. Nova Kepleriana, Verlag der Bayrischen

Akademie der Wissenschaften, C.H. Beck, Munchen.

7. Lutstorf Heinz, 2005: Die Logarithmentafeln Jost Burgis. Bemerkungen

zur Stellenwert- und Basisfrage, mit Kommentar zu Burgis

Grundlichem Unterricht. Schriftenreihe A, 3, ETH Bibliothek, Zurich.

8. Nicollier Gregoire, 2016: How Burgi computed the sines of all integer

angles simultaneously in 1586. Math. Intelligencer, to appear.

9. Staudacher Fritz, 2016: Jost Burgi, Kepler und der Kaiser. Erweiterte

und uberarbeitete 3. Auflage. NZZ Libro, Zurich.

10. Szpiro George, 2016: Ein ,,Kunstweg” zur Berechnung von

Sinuswerten. Neue Zurcher Zeitung NZZ, 29.1.2016, p.58.

11. Waldvogel Jorg, 2014: Jost Burgi and the discovery of the logarithms.

Elem. Math. 69, 89-117.