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„WIR SEHEN UNS ALS WEGBEREITER“ Dipl.-Ing. Wolfgang Hatz ist quasi unter dem Mercedes-Stern auf- gewachsen. Den konnte der 52-jährige Gaggenauer nämlich aus seinem Kinderzimmer heraus sehen. Er kannte die Versuchsfahrer mit Namen, durfte manchmal sogar mitfahren. Kaum verwunder- lich daher, dass es ihn in die Automobilbranche trieb, allerdings startete er seine Laufbahn bei BMW, gefolgt von Porsche. Nach einigen Stationen, oft im Motorsportbereich, dabei aber auch ein Zwischenstopp im Management von Knorr Bremse, kehrte er wieder nach Weissach zurück. Auch hier kennt er die Versuchs- fahrer und Mechaniker beim (Vor-)Namen, auch heute noch. Mit der Integration von Porsche in den Konzernverbund von Volkswagen begann für manchen das Bangen um die Markenidentität des Sportwagen-Herstellers. Doch Entwicklungschef Wolfgang Hatz winkt ab. Das Entwicklungszentrum Weissach wird ausgebaut, Porsche bleibt eine feste Größe in der F&E-Kompetenz. Und hat ein straffes Programm vor sich. TITELTHEMA INTERVIEW 716

„Wir sehen uns als Wegbereiter“

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Page 1: „Wir sehen uns als Wegbereiter“

„Wir sehen uns als Wegbereiter“

Dipl.-Ing. Wolfgang Hatz ist quasi unter dem Mercedes-Stern auf-gewachsen. Den konnte der 52-jährige Gaggenauer nämlich aus seinem Kinderzimmer heraus sehen. Er kannte die Versuchsfahrer mit Namen, durfte manchmal sogar mitfahren. Kaum verwunder-lich daher, dass es ihn in die Automobilbranche trieb, allerdings

startete er seine Laufbahn bei BMW, gefolgt von Porsche. Nach einigen Stationen, oft im Motorsportbereich, dabei aber auch ein Zwischenstopp im Management von Knorr Bremse, kehrte er wieder nach Weissach zurück. Auch hier kennt er die Versuchs-fahrer und Mechaniker beim (Vor-)Namen, auch heute noch.

Mit der Integration von Porsche in den Konzernverbund von Volkswagen begann für manchen das Bangen um die Markenidentität des Sportwagen-Herstellers. Doch Entwicklungschef Wolfgang Hatz winkt ab. Das Entwicklungszentrum Weissach wird ausgebaut, Porsche bleibt eine feste Größe in der F&E-Kompetenz. Und hat ein straffes Programm vor sich.

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mTZ _ Wie sehr beschäftigt Sie der Flotten-verbrauch der marke Porsche?HaTZ _ Die Verbrauchsreduzierung ist eines unserer höchsten Ziele. Das zeigt sich ja an unseren jüngsten Aktivitäten. Wir stehen unmittelbar vor der Einfüh-rung des neuen 911, der hier deutliche Fortschritte zeigen wird – trotz gestiege-ner Fahrleistungen. Damit sind wir nicht nur im Wettbewerbsumfeld sehr gut auf-gestellt, wir erfüllen auch alle für uns als Kleinserienhersteller geltenden Vorgaben, soweit sie uns heute bekannt sind. Ja, wir übererfüllen die Vorgaben sogar.

mit elektrifizierung, oder auch ohne?Natürlich spielt dabei auch die Elektrifi-zierung eine Rolle. Neben Cayenne und Panamera, die als Hybridvarianten bereits zu kaufen sind, haben wir ja auch den 918. Aus meiner Sicht gibt es derzeit in der Industrie kein Projekt, das vergleich-bar ehrgeizig ist – sowohl von der Techno-logie als auch von den Werten her. Der 918 ist für uns ein ganz wichtiges Projekt, um das technisch Machbare abzustecken. Daraus können wir viel lernen und später, vielleicht in abgespeckteren Varianten, auch Antriebe für breitere Anwendungen ableiten. Wir sehen uns an dieser Stelle als Wegbereiter.

Sie planen modellreihen unterhalb der bis herigen Fahrzeugpalette, zum Beispiel den Cajun. müssen Sie in diesem niedrigeren Preissegment die entwicklungs-kosten eindämmen, indem Sie den Konzern baukasten nutzen, oder wird auch das ein echter Porsche?

Sie können sich sicher sein, dass der Cajun ein echter Porsche wird. Dieses Auto wird nicht nur wettbewerbskonform, wir werden auch hier Dinge machen, die sich andere nicht trauen würden.

Beim Diesel greifen Sie bislang auf die motoren von audi zurück. Werden Sie dabei bleiben, oder würden Sie die Porsche-Gene auch gern dem Dieselmotor von Grund auf mitgeben?Das Thema Dieselmotor war ja immer heiß diskutiert. Jetzt haben wir gesehen, dass der erste Einsatz in einem Fahrzeug wesentlich erfolgreicher ist, als ursprüng-lich gedacht. Auf Dauer müssen wir abwarten. Wenn sich die Volumen weiter steigern, müssen wir auch an dieser Stelle Porsche-spezifische Maßnahmen umset-

zen. Dabei müssen wir aber auch realis-tisch bleiben. Das Programm, das wir in den nächsten Jahren vor uns haben, ist äußerst intensiv. Und wir haben die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Neckarsulm, wo wir auch unsere Ideen einbringen können.

Sind noch weitere motoren aus dem Konzern-verbund, beispielsweise der Fünfzylinder, für den einsatz bei Porsche vorgesehen?Das Schöne an diesem Konzern ist, dass man den Marken ihre Identität lässt. Der Fünfzylinder ist ein schöner Motor, passt aber nicht so gut zu den Porsche-Genen. In einen Porsche werden wir ihn daher nicht einbauen.

Ist damit auch die Sorge mancher ein-gefleischter marken-Fans, dass künftig zum Beispiel die antriebsentwicklung für lamborghini in Weissach stattfinden könnte, unbegründet?Für diese Marken wäre die Zusammen-arbeit eine große Chance. Wir bauen unser Entwicklungszentrum derzeit mas-siv aus, in den nächsten Monaten wer-den Sie hier überall Krane sehen. Wenn wir unsere Kapazitäten mit denen manch anderer Marken vergleichen, ist das enorm. Und ohne Unterstützung werden diese es in Zukunft nicht leicht haben. Aber das ist ja der große Vorteil des inte-grierten Konzerns.

„Der Vierzylinder-Boxermotor

ist nicht unrealistisch.“

Bei steigendem Absatzvolumen soll auch der Dieselmotor Porsche-spezifisch werden, meint Hatz

Im Konzernverbund sieht Hatz eine historische Chance für die Marke Porsche

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In welche Rolle wird Porsche denn innerhalb des Konzerns hineinwachsen?Die Vorstellungen dazu sind relativ klar. Wir haben eine historische Chance. Wir sind das dritte große Entwicklungszentrum im Konzern, und die Bedeutung von Weissach ist auch in Zukunft sehr entscheidend.

Schauen wir auf die Technik: Viele Kunden wollen vermutlich auch in Zukunft einen Cayenne oder Panamera mit V8-motor – denken Sie bei diesen motoren über die Zylinderabschaltung nach?Absolut. Wir sind gerade dabei, uns bei diesen Motoren für die Zukunft zu orien-tieren. Und eine Neuentwicklung kann nichts anderes bedeuten, als dass sie der Benchmark im Wettbewerb sein muss. Wir müssen heute massiv in Technologie investieren, um effizientere Antriebe zu erhalten. Und da zählt das Thema Zylin-derabschaltung auch dazu.

Wäre die Zylinderabschaltung auch eine Option für die Boxermotoren?Wir haben beim neuen 911 Carrera zunächst ein kleines Downsizing betrie-ben, der Hubraum schrumpft auf 3,4 Liter. Damit und mit vielen Technik-Features haben wir den Verbrauch massiv abge-senkt. Für die Zukunft haben wir noch weitere Ideen. Die Zylinderabschaltung kann ich mir beim Boxermotor nicht so richtig vorstellen, zumindest nicht in

den nächsten drei bis vier Jahren. Tech-nisch ginge das zwar über eine Bankab-schaltung, das würde sich aber vermut-lich nicht so toll anhören.

lassen Sie beim Boxermotor künftig dann von vornherein Zylinder weg – ist der Vier-zylinder-Boxermotor denkbar?Der Vierzylinder-Boxermotor ist nicht unrealistisch. Ich könnte mir das schon vorstellen − ein Auto wie der Boxster mit einem Vierzylindermotor. Im 911 sehe ich das eher nicht, hier haben wir aber auch mit den Sechszylindermotoren so gute Verbrauchswerte, dass sich die Frage der-zeit nicht stellt.

Im neuen 911 auch dank eines manuellen Siebenganggetriebes?Das stimmt. In dem Segment, in dem wir uns mit dem 911 bewegen und bei dem Volumen, das wir hier absetzen, brauchen wir eine Handschalter-Variante. Daher haben wir das neue Getriebe mit einem Overdrive im siebten Gang entwickelt. Das ist so ausgelegt, dass der siebte Gang nur eingelegt werden kann, wenn man zuvor zumindest im fünften Gang war, das macht das Handling einfach.

Wird es den Boxer-Saugmotor auch in Zukunft – über Nischen wie den GT3 hinaus – geben? Oder wird sich der, in der Historie der marke ja durchaus verankerte, ansatz „kleiner motor mit aufladung“ durchsetzen?Ich mag den Saugmotor. Und es wird ihn auch weiterhin geben. Wir werden uns einen vernünftigen Mix überlegen. Natür-

lich wird es mehr Motoren mit Turboaufla-dung geben. Besagter Vierzylinder müsste zum Beispiel ein Turbomotor sein, das ist klar. Beim Sechszylinder werden wir den Sauger noch eine ganze Weile sehen, wir haben auch viele Kunden, die die Charak-teristik des hochdrehenden Saugmotors wollen. Viele Wettbewerber verabschieden sich aus Verbrauchsgründen allerdings von diesem Motorenkonzept.

Planen Sie für die Sportwagen Hybridantriebe?Wir haben auch bei den Sportwagen eine klare Hybrid-Strategie. Über die kann ich im Moment aber noch nicht sprechen.

mit dem GT3 R Hybrid erprobt Porsche der-zeit den Schwungradspeicher. ein spannendes System auch für Serienfahrzeuge?Als reines Performance-System kann ich mir den Schwungradspeicher auch in einem Serien-Sportwagen vorstellen. Aller-dings ist der Bauraum eine Herausforde-rung. Grundsätzlich ist es aber doch so, dass in den nächsten Jahren viele Ansätze zur Hybridisierung ausprobiert werden. Und am Ende wird man sich vielleicht fra-gen: Warum haben wir das nicht gleich so gemacht? Heute ist das Problem, dass die Technik zu teuer ist; betriebswirtschaftlich macht uns dieses Thema keine Freude. Das geht aber anderen genauso. Und daher wird es nicht so sein, dass wir in fünf Jah-ren alle nur noch Hybrid fahren.

Herr Hatz, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

INTeRVIeW: ruben Danisch, Wolfgang Siebenpfeiffer

FOTOS: Uli regenscheit

Hatz im Gespräch mit MtZ-Herausgeber Wolfgang Siebenpfeiffer

Klare Hybrid-Strategie bei den Sportwagen

„Betriebswirtschaftlich macht uns

der Hybrid keine Freude.“

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