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1 62. Jahrestagung der DGZfP, 22.-24. Mai 1995, Vortrag Nr. 16 Gerhard Mook, Rolf Lange Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Werkstofftechnik und Werkstoffprü- fung, Postfach 4120, 39016 Magdeburg, Tel.: (0391) 5592-4555 Wirbelstromprüfung von Hochleistungswerkstoffen Die meisten Hochleistungswerkstoffe weisen eine geringe elektrische Leitfähigkeit auf. Um dennoch aussagekräftige Wirbelstromprüfungen durchführen zu können, müssen hohe Prüf- frequenzen eingesetzt werden. Dazu sind problemangepaßten Sonden und Sondenführungen zu entwickeln. Der Beitrag zeigt am Beispiel der Titan- und CFK-Prüfung mögliche Vorge- hensweisen auf. Prüfung von Titanlegierungen In Zusammenarbeit mit der MTU-München wurde die Aufgabe der Wirbelstromprü- fung von Kühlluftbohrungen des Mittel- druckverdichters eines Strahltriebwerkes auf Anrisse in der Mantelfläche gelöst. Die Führung der Wirbelstromsonde übernahm dabei ein Industrieroboter [1]. Der Prüfling wurde im Schleuderversuch belastet und periodisch auf Rißfortschritt untersucht. Bild 1 zeigt den Rißfortschritt einer aus- gewählten Kühlluftbohrung. Die Wirbel- stromtechnik bewies neben einer besseren Handhabbarkeit sowohl ihre größere Emp- findlichkeit als auch ihren höheren Infor- mationsgehalt im Vergleich zur Penetrati- onsprüfung. Aufbauend auf diesen ermutigenden Er- gebnissen entstand ein halbautomatischer Scanner (Bild 2), der vor Ort auf den Rotor aufgesetzt wird. Zwei Schrittmotoren sor- gen einerseits für die pendelnde Bewegung der Sonde um den rißgefährdeten Bereich der Kühlluftbohrung und andererseits für den Vorschub in Höhenrichtung. Die Win- dows-Software ermöglicht die Scanner- steuerung, die Datenerfassung, -verarbei- tung und -darstellung. Bild 1:Wirbelstromtechnisch dokumentierter Riß- fortschritt in Kühlluftbohrungen eines MDV-Rotors [1]

Wirbelstromprüfung von Hochleistungswerkstoffen · 2019. 12. 20. · Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Werkstofftechnik und Werkstoffprü- fung, Postfach 4120,

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1 62. Jahrestagung der DGZfP, 22.-24. Mai 1995, Vortrag Nr. 16 Gerhard Mook, Rolf Lange Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Werkstofftechnik und Werkstoffprü-fung, Postfach 4120, 39016 Magdeburg, Tel.: (0391) 5592-4555 Wirbelstromprüfung von Hochleistungswerkstoffen Die meisten Hochleistungswerkstoffe weisen eine geringe elektrische Leitfähigkeit auf. Um dennoch aussagekräftige Wirbelstromprüfungen durchführen zu können, müssen hohe Prüf-frequenzen eingesetzt werden. Dazu sind problemangepaßten Sonden und Sondenführungen zu entwickeln. Der Beitrag zeigt am Beispiel der Titan- und CFK-Prüfung mögliche Vorge-hensweisen auf. Prüfung von Titanlegierungen In Zusammenarbeit mit der MTU-München wurde die Aufgabe der Wirbelstromprü-fung von Kühlluftbohrungen des Mittel-druckverdichters eines Strahltriebwerkes auf Anrisse in der Mantelfläche gelöst. Die Führung der Wirbelstromsonde übernahm dabei ein Industrieroboter [1]. Der Prüfling wurde im Schleuderversuch belastet und periodisch auf Rißfortschritt untersucht. Bild 1 zeigt den Rißfortschritt einer aus-gewählten Kühlluftbohrung. Die Wirbel-stromtechnik bewies neben einer besseren Handhabbarkeit sowohl ihre größere Emp-findlichkeit als auch ihren höheren Infor-mationsgehalt im Vergleich zur Penetrati-onsprüfung. Aufbauend auf diesen ermutigenden Er-gebnissen entstand ein halbautomatischer Scanner (Bild 2), der vor Ort auf den Rotor aufgesetzt wird. Zwei Schrittmotoren sor-gen einerseits für die pendelnde Bewegung der Sonde um den rißgefährdeten Bereich der Kühlluftbohrung und andererseits für den Vorschub in Höhenrichtung. Die Win-dows-Software ermöglicht die Scanner-steuerung, die Datenerfassung, -verarbei-tung und -darstellung.

Bild 1:Wirbelstromtechnisch dokumentierter Riß-fortschritt in Kühlluftbohrungen eines MDV-Rotors [1]

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2 Prüfung von CFK Kommt neben der geringen elekt-rischen Leitfähig eine starke A-nisotropie dieser physikalischen Eigenschaft hinzu, können a-zentrische Sonden die Interpreta-tion des Wirbelstromsignals er-leichtern [2,3]. Die Bilder 3 und 4 zeigen die Nutzbarkeit der elektrischen Ani-sotropie zur Aufklärung der im Laminat vorhandenen Faserori-entierungen. Schritte zur Einschätzung des Alterungszustands Neben der größten Leitfähigkeit in Faserrichtung werden auch quer dazu lokale Maxima be-merkt, wie Bild 3 zeigt. Diese werden durch die ohmsche und kapazitive Verkopplungen der Fasern untereinander hervorgeru-fen und widerspiegeln neben dem Faser-Matrix-Kontakt auch den

Zustand der Matrix selbst. Um diesen Effekt für die Einschätzung des Alterungszustandes nutzbar zu machen, wurde eine Probenserie durch thermische Wechselbeanspruchung gealtert [4,5,6]. Der Temperaturbereich lag zwischen -160°C und +120°C. Die Periode betrug 47 Mi-nuten.

Bild 2: Halbautomatischer Scanner zur Wirbelstromprüfung von Kühlluftbohrungen an Triebwerksteilen.

Bild 3:Wirbelstrompolardiagramm eines unidirektionalen Laminats

Bild 4: Wirbelstrompolardiagramm eines CFK-Laminats mit den Faser- richtungen 0°,+45°,-45° und 90°

Bild 5: Alterndes Laminat. Die Höhe der Nebenkeulen entspricht 0 (kleinste Keule), 10 und 200 Zyklen

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Bild 6 zeigt als Folge der thermischen Wechselbeanspruchung Faserablösungen in Porenge-bieten. Während links die Ränder der herstellungsbedingten Poren einen einwandfreien Faser-Matrixkontakt aufweisen, treten nach 200 Zyklen Faserablösungen deutlich hervor. Bild 5 verdeutlicht die Wirkung der thermischen Alterung auf die Signalschleifen. Mit zunehmender Alterung ist ein Anstieg der Nebenmaxima zu beobachten. Ortsabhängige Charakterisierung des Laminats Während die bisher dargestellten Ergebnisse mit ru-hender Sonde und rotierender Probe gewonnen wur-den, soll im folgenden eine rotierende Sonde zur orts-abhängigen Charakterisierung des Laminats genutzt werden. Bild 7 zeigt den prinzipiellen Aufbau der Ro-tiersonde mit azentrischem Sende-Empfangssystem. Als zusätzliche Störfaktoren kommen die einge-schränkte Bandbreite des Rotierübertragers und sein Eigensignal hinzu, das durch mechanische Unvoll-kommenheiten hervorgerufen wird. Die mit ca. 20 Umdrehungen pro Sekunde rotierende Sonde wird nun zeilenförmig über das Material be-wegt. Das Empfangssignal wird im Prüfgerät (ELO-TEST B1) bandpaßgefiltert. Die Analogausgänge des Gerätes (y-t-Modus) werden auf einen zweikanaligen ADC gelegt. Im PC werden daraus on-line die Polar-koordinaten berechnet und der Meßpunkt im Polarsys-tem dargestellt. Ein Assemblerprogramm mit Direkt-zugriff auf die Umsetzer und die VGA-Hardware sorgt für hohe

Bild 6: REM-Aufnahmen von Poren im CFK, links: vor und rechts: nach der Alterung. 5µm

Bild 7: Aufbau der Rotiersonde

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Einlese-, Umrechnungs- und Darstellungsgeschwindigkeiten (ca. 20 kHz Kanal-Erfassungs- und Darstellungsrate). Damit auch bei variierender Rotationsgeschwindigkeit der Sonde stets ein möglichst lückenloser Vollkreis gezeichnet wird, werden bei der Signaldarstellung ein Offsetwert (Startwinkel) und ein Korrekturfaktor (Streckung auf Vollkreis) berücksichtigt. Beide Werte werden nach jeder Umdrehung aktualisiert. Die Anzahl der darzustellenden Meßpunkte (Punktschweiflänge) kann laufend beeinflußt werden. Das Assemblerprogramm erlaubt es weiterhin, während eines Umlaufes der Sonde an zwei Winkelpositionen die Meß-werte abzugreifen und auf Wunsch miteinander verrechnet auf einen DAC auszugeben. Die

Bild 9: Hardcopy vom PC-Bildschirm.

Bild 8: Prinzip der Meßwertbildung bei der ortsabhängigen Ermittlung der Eigenschaften

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5 Winkelpositionen werden mit Hilfe von Cursoren ausgewählt. Als Verknüpfungsoperationen stehen die Subtraktion und die Division zur Verfügung. Bild 8 zeigt die prinzipielle Vorge-hensweise beim Abscannen des Objektes mit rotierender Sonde und der Auswahl der Winkel-positionen zur Meßwerterfassung. Bild 9 stellt den PC-Bildschirm bei der Signalerfassung dar. Der im Außenring erkennbare 3. Cursor dient zur Positionierung des Polarsystems entsprechend der Faserorientierung im La-minat. Mit dieser Versuchsanordnung wurden folgende Untersuchungen durchgeführt: Prüfung auf Homogenität der Faserverteilung unidirektionalen Laminats, Nachweis wechselnder Faserori-entierung im Laminat und der Nachweis von Legespalten zwischen einzelnen Tapes. Prüfung auf Homogenität der Faserverteilung Zur Homogenitätsprüfung ist lediglich die Aufzeichnung des Meßsignals in Faserrichtung erforderlich. Um Abstandsschwankungen zu unterdrücken, empfiehlt es sich jedoch, das Verhältnis der Signale in Faserrichtung und quer zur Faserrichtung zu bilden. Das Er-gebnis der Prüfung ist in einzelnen Berei-chen des Bildes 11 zu erkennen. Nachweis wechselnder Faserorien-tierung Im ersten Schritt wurden die beiden Winkel-positionen der Cursoren (vgl. Bild 8) ge-sucht, deren Meßwerte Faserübergänge am besten widerspiegeln. Dazu wurde zunächst das Meßsignal bei Überfahren eines Faser-richtungswechsels untersucht. Bild 10 stellt die Meßergebnisse einer Sonde mit großem Sender-Empfänger-Abstand (14mm) dar. Der Bildteil 10a) zeigt schematisch die An-ordnung von Sende- und Empfangswicklung (S,E) über einem Faserrichtungswechsel. Das Diagramm 10b) gibt die Meßsignale an einer horizontalen (links) und einer vertika-len (rechts) Cursorposition separat wieder. Während in 10c) diese Signale subtrahiert voneinander zur Anzeige gebracht werden, kommt in 10d) eine Division zur Anwen-dung. Letztere zeigt einen steileren Signal-anstieg am Übergang. Im Diagramm 10e) ist das Meßsignal als Quotient zweier Signale dargestellt. Dabei befand sich der eine Cur-sor in vertikaler Position und der andere Cursor am vorhergehenden Minimum. Die hierbei erzielten Meßergebnisse spiegeln am

Bild 10: Linescan der rotierenden Sonde am Faserrich-tungswechsel (Wegangaben in mm)

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6 besten den Faserrichtungswechsel wider. Bild 11 und 12 zeigen eine CFK-Probe mit 4 Teilbereichen wechselnder Faserorientierung. Diese liegt als untere Lage in einem simulierten Laminat. Die CFK-Decklage ist doppelt so stark wie die Probe selbst. Dennoch lassen sich die Bereiche unterschiedlicher Faserorientie-rung gut erkennen. Gleichzeitig fällt die inhomogene Faserverteilung in den vertikal orientier-ten Bereichen auf.

Nachweis von Legespalten

Werden CFK-Bauteile aus Tapes gefertigt, ist ein Legespalt zwischen benachbarten Tapes nicht immer vermeidbar. Das solche Spalten Einfluß auf die Festigkeit haben, ist ihr Nach-weis von Interesse. Mit der Weiterentwicklung von Sonden und Signalverarbeitung sollte auch die Spaltbreite bestimmbar werden. Bild 13 zeigt die gewonnenen Signale. Zur Untersuchung der Nachweisbarkeit von Faserrichtungswechseln in unterschiedlicher La-minattiefe wurde eine Treppenstruktur gelegt. Die Bilder 14 und 15 beweisen, daß selbst bei einer Überdeckung mit dem 10fachen der Lagendicke der Faserrichtungswechsel noch ein-deutig erkennbar ist.

Bild 11: Testanordnung zur Aufzeichnung lokaler Eigenschaftsänderungen in CFK-Laminaten. Nicht darge-stellt ist die 2fach stärkere CFK-Verdeckung der Anordnung. Links: Faserorientierungen, rechts: visualisierte Wirbelstromsignale. In den vertikal orientierten Bereichen ist die inhomogene Faserverteilung erkennbar.

Bild 12: 3D-Bild der Struktur aus Bild 11

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Bild 13: Nachweis eines Legespalts parallel zur Faserorientierung

Bild 14: Nachweis eines Legespalts senkrecht zur Faserorientierung

Bild 15: Treppenförmiger Faserrichtungswechsel

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8 Diese Bilder verdeutlichen das hohe Leistungspotential der Wirbelstromtechnik bei der Struk-turidentifikation von Kohlefaserverbunden. Die Autoren bedanken sich für die Förderung der Arbeiten durch die Deutsche Forschungs-gemeinschaft und das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt. Literatur [1] Schmidt, A.; Mook, G.; Bamberg, J.; Steinhauser, L.: Teilautomatisiertes Wirbelstromverfahren zur

quantitativen Fehlerprüfung in Werkstoffen der Luft und Raumfahrt. Berichtsband der 61. Jahrestagung der DGZfP, Timmendorfer Strand, 9.-11.5.94, Teil 2, S. 637-644

[2] Vernon, S. N.: A Single-Sided Eddy Current Method to Measure Electrical Resistivity. Mat. Evaluati-on, 46(1988)11, S. 645-653

[3] Mook, G.; Lange, R.: Wirbelstromprüfung von Kohlefaser-Kompositen. Materialprüfung 36(1994)9, S. 345-349

[4] Lange, R.; Mook, G.; Benziger, Th.; Block, J.: Zerstörungsfreie Bewertung des Alterungszustandes von CFK. Berichtsband der 61. Jahrestagung der DGZfP, Timmendorf, 9.-11.5.94, Teil 2, S. 761-768

[5] Mook, G.: Eddy Current Inspection of Advanced Materials. CSAMI-COMETT-Cours on Non-Destructive Evaluation: „New Trends and Technology Evaluation“ Paris, 12.-14.9.1994

[6] Lange, R.; Mook, G.: Structural Analysis of CFRP Using Eddy Current Methods. NDT&E international 27(1994) 5, S. 241-248