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Quelle/Publication: Farbe und Lack Ausgabe/Issue: 03/2010 Seite/Page: 1 Vincentz Network +++ Plathnerstr. 4c +++ D-30175 Hannover +++ Tel.:+49(511)9910-000 Wirkstoffe in der Matrix Die Einbettung biozider Verbindungen in anorganische Matrizen unter Verwendung der Sol-Gel-Technik bietet interessante neue Perspektiven für biozide Beschichtungen. Papier, Textilien, Holz und Polymerfolien lassen sich so effektiv vor Mikrobenbefall schützen. Biozidhaltige Nanosole zur Veredlung von weichen und temperaturempfindlichen Materialien Boris Mahltig* und Helfried Haufe, Dresden Fast alle Materialien sind mehr oder weniger anfällig für den Befall mit Mikroorganismen. Holzbalken verrotten, Algen und Pilze wachsen auf Häuserfassaden, verfahrenstechnische Apparate leiden unter Biofouling. In vielen Fällen können biozide Beschichtungen das Problem verringern. Neue Perspektiven eröffnen sich durch die Sol- Gel-Technik, mit der sich Biozide in anorganische Matrizen einbetten lassen. Solche Nanosol-Beschichtungen eignen sich besonders für die Funktionalisierung von weichen und temperaturempfindlichen Materialien, wie Papier, Textilien, Holz und Polymerfolien, da für die thermische Fixierung der Schichten Temperaturen im Bereich von 60 °C bis 180 °C ausreichend sind. Vorteilhaft für die Behandlung weicher Materialien sind weiterhin die gute Schichthaftung, verbesserte mechanische Materialeigenschaften (Abrieb) und modifizierte optische Eigenschaften (bspw. Mattierung oder Glanz-Effekte bei Applikation auf Holz). Besonders vielversprechend zeigen sich diese Nanosole beim Holzschutz sowie bei der antimikrobiellen Ausrüstung von Textilien, Verpackungsmaterialien für Lebensmittel und bei der Beschichtung medizinischer Geräte, wie Kathetern. Im folgenden sei ein Überblick über einige in den letzten Jahren entwickelte erfolgreiche biozide Nanosol- Beschichtungen und ihre Anwendungsmöglichkeiten gegeben. Abschließend werden neuartige biozide Nanosol- Beschichtungen mit flüchtigen bioziden Verbindungen (VBC) vorgestellt. Nanosole Siliciumdioxid-Sole beispielsweise lassen sich unter sauren oder alkalischen Bedingungen mittels Hydrolyse aus metallalkoxiden Verbindungen (z.B. Tetraethoxysilan) herstellen. Das resultierende Nanosol enthält anorganische Metalloxidpartikel, in der Regel mit Durchmessern unterhalb 80 nm, die in Lösung stabilisiert sind. Die flüssigen Nanosole können in einfacher Weise durch Aufsprühen, Streichen, Aufrollen oder Tauchen auf weiche Materialen aufgebracht werden. Beim Einsatz auf Holz eignen sie sich auch zur Vakuumimprägnierung und beschichtung. Aufgrund ihres hohen Oberflächen/ Volumen-Verhältnisses zeigen die Nanosolpartikel eine stark ausgeprägte Aggregationsneigung. Deshalb bilden sie während der Aufbringung eine dreidimensionale anorganische Lyogelschicht aus, wobei das Lösemittel verdunstet. Nach weiterem Trocknen entsteht eine Xerogelschicht, welche einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaften der behandelten weichen Materialien hat. Eine thermische Nachbehandlung im Bereich von 60°C bis 180°C ist dabei vielfach zweckmäßig, um eine weitere Verfestigung der Beschichtung zu gewährleisten. Über eine entsprechende Modifizierung der anorganischen Nanosole lassen sich die behandelten Materialien mit einer Reihe von neuen Eigenschaften ausstatten (Abb. 1). Neben den hier ausführlich beschriebenen bioziden Eigenschaften sind insbesondere der UV-Schutz, antistatische, antiadhäsive bzw. schmutzabweisende Beschichtungen zu nennen. Die Modifizierung erfolgt durch Zugabe von Additiven im Laufe der Nanosol- Synthese, wobei die Gabe vor oder nach der Hydrolyse erfolgen kann. In der Fachliteratur wird dabei häufig zwischen chemischer und physikalischer Modifizierung unterschieden. Bei der chemischen Modifizierung erfolgt eine kovalente Anbindung der Additive an die anorganische Xerogel-Matrix. Hingegen kommt es bei der physikalischen Modifizierung nur zu einer Einbettung (Einsperren) der Additive in die anorganische Xerogel-Matrix im Laufe des Beschichtungs- und Trocknungsprozesses [1, 2]. Zur Ausstattung von Materialien mit bioziden Eigenschaften durch das Aufbringen einer Nanosol-Beschichtung bieten sich verschiedene Strategien an, so die Einbettung von Polykationen oder die Herstellung von photokatalytischen Beschichtungen bzw. Systemen mit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung [3; 4]. Die facettenreichsten Anwendungsmöglichkeiten bieten die Systeme mit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung. Hier wird die biozide Verbindung physikalisch in die Xerogel- Matrix eingebettet und über einen längeren Zeitraum hinweg freigesetzt und so eine langfristige biozide Wirkung gewährleistet. Als biozide Verbindungen für die Einbettung eignen sich sowohl organische Biozide, wie Alkylammonium-Verbindungen, als auch anorganische Biozide, wie Silber, Kupferverbindungen oder Borsäure. Silberhaltige Beschichtungen Nanopartikuläres Silber zählt wohl zu den effektivsten bioziden Wirkstoffen. Tatsächlich gibt es viele verschiedene Methoden zur Herstellung von Silber-Nanopartikeln in SiO2-Nanosol-Beschichtungen (Abb. 2) [3; 5-7]. Das Hauptunterscheidungskriterium bei diesen Methoden ist die Herstellungsphase, in der das nanopartikuläre Silber gebildet wird. Lösliche Silberpartikel können einem bereits hergestellten Nanosol zugegeben werden, die Silberpartikel können aber auch während der für die Nanosol- Bildung durchgeführten Hydrolyse oder während des Beschichtungs- und Trocknungsvorgangs gebildet werden. Besonders effektiv ist die Kombination mit kolloiden Stabilisatoren während des Herstellungsprozesses unter Rückfluss oder unter solvothermalen Bedingungen. So lassen sich Nanosole als effektive biozide Beschichtungslösungen herstellen und z.B. in Form von bioziden Beschichtungsstoffen auf Textilien aufbringen. Je nach eingesetztem Stabilisator und der gewählten

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Wirkstoffe in der Matrix

Die Einbettung biozider Verbindungen in anorganischeMatrizen unter Verwendung der Sol-Gel-Technikbietet interessante neue Perspektiven für biozideBeschichtungen. Papier, Textilien, Holz undPolymerfolien lassen sich so effektiv vorMikrobenbefall schützen.

Biozidhaltige Nanosole zur Veredlung von weichenund temperaturempfindlichen MaterialienBoris Mahltig* und Helfried Haufe, DresdenFast alle Materialien sind mehr oder weniger anfälligfür den Befall mit Mikroorganismen. Holzbalkenverrotten, Algen und Pilze wachsen auf Häuserfassaden,verfahrenstechnische Apparate leiden unter Biofouling. Invielen Fällen können biozide Beschichtungen das Problemverringern. Neue Perspektiven eröffnen sich durch die Sol-Gel-Technik, mit der sich Biozide in anorganische Matrizeneinbetten lassen. Solche Nanosol-Beschichtungen eignensich besonders für die Funktionalisierung von weichen undtemperaturempfindlichen Materialien, wie Papier, Textilien,Holz und Polymerfolien, da für die thermische Fixierungder Schichten Temperaturen im Bereich von 60 °C bis180 °C ausreichend sind. Vorteilhaft für die Behandlungweicher Materialien sind weiterhin die gute Schichthaftung,verbesserte mechanische Materialeigenschaften (Abrieb)und modifizierte optische Eigenschaften (bspw. Mattierungoder Glanz-Effekte bei Applikation auf Holz). Besondersvielversprechend zeigen sich diese Nanosole beimHolzschutz sowie bei der antimikrobiellen Ausrüstung vonTextilien, Verpackungsmaterialien für Lebensmittel und beider Beschichtung medizinischer Geräte, wie Kathetern.Im folgenden sei ein Überblick über einige in denletzten Jahren entwickelte erfolgreiche biozide Nanosol-Beschichtungen und ihre Anwendungsmöglichkeitengegeben. Abschließend werden neuartige biozide Nanosol-Beschichtungen mit flüchtigen bioziden Verbindungen(VBC) vorgestellt.

NanosoleSiliciumdioxid-Sole beispielsweise lassen sich untersauren oder alkalischen Bedingungen mittels Hydrolyseaus metallalkoxiden Verbindungen (z.B. Tetraethoxysilan)herstellen. Das resultierende Nanosol enthält anorganischeMetalloxidpartikel, in der Regel mit Durchmessernunterhalb 80 nm, die in Lösung stabilisiert sind. Dieflüssigen Nanosole können in einfacher Weise durchAufsprühen, Streichen, Aufrollen oder Tauchen aufweiche Materialen aufgebracht werden. Beim Einsatz aufHolz eignen sie sich auch zur Vakuumimprägnierungund beschichtung. Aufgrund ihres hohen Oberflächen/Volumen-Verhältnisses zeigen die Nanosolpartikel einestark ausgeprägte Aggregationsneigung. Deshalb bildensie während der Aufbringung eine dreidimensionaleanorganische Lyogelschicht aus, wobei das Lösemittelverdunstet. Nach weiterem Trocknen entsteht eineXerogelschicht, welche einen entscheidenden Einfluss auf

die Eigenschaften der behandelten weichen Materialienhat.Eine thermische Nachbehandlung im Bereich von 60°Cbis 180°C ist dabei vielfach zweckmäßig, um eine weitereVerfestigung der Beschichtung zu gewährleisten. Über eineentsprechende Modifizierung der anorganischen Nanosolelassen sich die behandelten Materialien mit einer Reihe vonneuen Eigenschaften ausstatten (Abb. 1).Neben den hier ausführlich beschriebenen biozidenEigenschaften sind insbesondere der UV-Schutz,antistatische, antiadhäsive bzw. schmutzabweisendeBeschichtungen zu nennen. Die Modifizierung erfolgtdurch Zugabe von Additiven im Laufe der Nanosol-Synthese, wobei die Gabe vor oder nach der Hydrolyseerfolgen kann. In der Fachliteratur wird dabei häufigzwischen chemischer und physikalischer Modifizierungunterschieden. Bei der chemischen Modifizierung erfolgteine kovalente Anbindung der Additive an die anorganischeXerogel-Matrix. Hingegen kommt es bei der physikalischenModifizierung nur zu einer Einbettung (Einsperren) derAdditive in die anorganische Xerogel-Matrix im Laufe desBeschichtungs- und Trocknungsprozesses [1, 2].Zur Ausstattung von Materialien mit bioziden Eigenschaftendurch das Aufbringen einer Nanosol-Beschichtungbieten sich verschiedene Strategien an, so dieEinbettung von Polykationen oder die Herstellungvon photokatalytischen Beschichtungen bzw. Systemenmit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung [3; 4]. Diefacettenreichsten Anwendungsmöglichkeiten bieten dieSysteme mit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung. Hier wirddie biozide Verbindung physikalisch in die Xerogel-Matrix eingebettet und über einen längeren Zeitraumhinweg freigesetzt und so eine langfristige biozideWirkung gewährleistet. Als biozide Verbindungen fürdie Einbettung eignen sich sowohl organische Biozide,wie Alkylammonium-Verbindungen, als auch anorganischeBiozide, wie Silber, Kupferverbindungen oder Borsäure.

Silberhaltige BeschichtungenNanopartikuläres Silber zählt wohl zu den effektivstenbioziden Wirkstoffen. Tatsächlich gibt es viele verschiedeneMethoden zur Herstellung von Silber-Nanopartikeln inSiO2-Nanosol-Beschichtungen (Abb. 2) [3; 5-7]. DasHauptunterscheidungskriterium bei diesen Methoden istdie Herstellungsphase, in der das nanopartikuläre Silbergebildet wird. Lösliche Silberpartikel können einem bereitshergestellten Nanosol zugegeben werden, die Silberpartikelkönnen aber auch während der für die Nanosol-Bildung durchgeführten Hydrolyse oder während desBeschichtungs- und Trocknungsvorgangs gebildet werden.Besonders effektiv ist die Kombination mit kolloidenStabilisatoren während des Herstellungsprozesses unterRückfluss oder unter solvothermalen Bedingungen.So lassen sich Nanosole als effektive biozideBeschichtungslösungen herstellen und z.B. in Form vonbioziden Beschichtungsstoffen auf Textilien aufbringen.Je nach eingesetztem Stabilisator und der gewählten

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Prozesstemperatur bleibt die biozide Wirkung auchnach wiederholten Waschzyklen erhalten (Abb. 3). DieWaschzyklen wurden mit ECE-Waschmittel (geliefert vonEMPA, Schweiz) in einer herkömmlichen Waschmaschinebei 40 °C durchgeführt. Analog zu silberhaltigen SiO2-Nanosol-Beschichtungen ist auch die Herstellung von TiO2-Nanosol-Beschichtungen mit eingebettetem Silber möglich.TiO2 kann in amorpher Form und in verschiedenenkristallinen Modifizierungen vorliegen. Kristalliner Anatas istdabei die TiO2-Modifizierung mit höchster Photoaktivität,welche bei Wärmebehandlung (>350 °C) aus amorphemTiO2 gebildet wird. Solch hohe Temperaturen verbietensich allerdings bei der Veredlung der meisten Arten weicherMaterialen wie Polymerfolien oder Textilien aufgrundauftretender thermischer Zersetzung. Eine interessantealternative Methode ist deshalb die gleichzeitige Bildungvon Anatas-Nanosolen und von nanopartikulärem Silberunter solvothermalen Bedingungen [8]. So lassen sichAg/TiO2-Nanosole in Form hoch wirksamer bioziderBeschichtungsstoffe für weiche Materialien in nur einemArbeitsschritt herstellen.

Photokatalytische BeschichtungenIm Gegensatz zu Ag/TiO2-Kompositen enthalten reineTiO2-Beschichtungen keine biozide Verbindung. Diebiozide Wirkung reiner TiO2-Beschichtungen beruhtstattdessen auf der Photoaktivität des TiO2. UnterUV-Strahlung führt sie zu einer Beschädigung derMikroorganismen. Der photoaktivste TiO2-Typ Anataslässt sich problemlos durch solvothermale Behandlungvon handelsüblichen amorphen TiO2-Solen bei 120°C herstellen (Abb. 4). Die Photoaktivität der soentstehenden Beschichtungen kann durch den Abbaueines Farbstoffes bei UV-Strahlung und Kontakt mit derBeschichtung bestimmt werden. Als Farbstoffe werdendabei üblicherweise Methylenblau (nach DIN 52980)oder Acid Orange 7 eingesetzt. Die Photoaktivitätsteht in direktem Zusammenhang mit der Hemmungdes mikrobiologischen Wachstums. So wird dasWachstum von E.coli auf Textilien mit TiO2-Beschichtungunter UV-Strahlung gehemmt (Abb. 5), wobei dieWachstumshemmung mit der Belichtungsdauer korreliertist (Abb. 6).

Restaurierung von HolzDie Beschädigung von Holz kann zum einenauf physikalische Ursachen, wie UV-Strahlung undWitterungseinflüsse, beruhen. Hauptsächlich wird Holzjedoch durch Pilze oder Insekten zerstört. Entsprechendwichtig ist der Schutz des Holzes vor Schadorganismen.Die Zerstörung von Holz durch Pilze lässt sich bereits durcheine Beschichtung mit rein anorganischen Nanosolen ohneweitere Zugabe von bioziden Verbindungen reduzieren. Füreinen Vollschutz ist jedoch eine Kombination anorganischerNanosole mit anorganischen oder organischen biozidenVerbindungen erforderlich (Abb. 7).Ein wichtiger Parameter ist dabei die Art der Aufbringung,da sie die Aufnahme des Nanosols durch das Holzbestimmt. Durch Tauchen oder Vakuumimprägnierung wirdin der Regel eine höhere Aufnahme erzielt als durchAufsprühen oder Streichen. Anorganische Nanosole eignensich insbesondere für die Restaurierung und Konservierungvon Kulturgütern aus Holz [10, 11]. Holzwerkstoffe, die zumTeil mehrere Jahrzehnte oder sogar über 100 Jahre alt sind,

zeigen häufig Schäden durch Pilz- und/oder Insektenbefalloder durch Wasserkontakt. Durch die Verwendung vonNanosolen lassen sich alte Holzwerkstücke problemloskonsolidieren und stabilisieren. Zusätzlich ergeben sichweitere Vorteile, wie die Stabilisierung von nachträglichaufgebrachten Beschichtungen und ein Schutz vor Pilz-und Insektenbefall. Ein Beispiel für den Schutz vonKulturdenkmälern mit Hilfe von Bioziden ist die Behandlungder Holzfenster des Klosters St. Marienthal bei Ostritz(Sachsen) mit Nanosolen. Hier wurde ein mit Boroxidmodifiziertes Siliciumdioxid-Nanosol zum fungiziden Schutzund zur Konsolidierung des Holzes sowie zur Stabilisierungeiner nachträglich aufgebrachten Beschichtung eingesetzt.Ein weiteres Beispiel ist das kürzlich entdeckte historischehölzerne Bewässerungssystem im "Großen Garten" inDresden. Mithilfe modifizierter Siliciumdioxid-Nanosolewurde das feuchte Holz konsolidiert und ausgetrocknet.Sehr gute Erfahrungen wurden vor allem bei derBehandlung von Holzdächern historischer Gebäudegemacht, die seit ihrer Behandlung mit Nanosolen vormehreren Jahren unter genauer Beobachtung stehen.Primäre Ziele der Behandlung sind die Holzkonsolidierungsowie die Vermeidung der biologischen Zersetzung und derVerfärbung des Holzes als Folge von Blaufäule.

Nanosole mit flüchtigen BiozidenEine besondere Art von bioziden Nanosole sindBeschichtungen mit eingebetteten flüchtigen biozidenVerbindungen [12]. Im Gegensatz zu anderen Systemenmit kontrollierter Wirkstoff-Freisetzung werden die Biozidehier an die Umgebung abgegeben und verhindern so dasmikrobielle Wachstum über eine bestimmte Entfernunghinweg. Zu diesem Zweck lassen sich Biozide mit hohemDampfdruck verwenden. Eine andere Möglichkeit ist dieKombination der Biozide mit flüchtigen Verbindungen wiez.B. Campher (Abb. 8). Solche Beschichtungen eignensich vor allem für Verpackungsmaterialien aus Papier oderTextilien.Zur Überprüfung der bioziden Eigenschaften vonNanosol-Beschichtungen mit flüchtigen Bioziden wurdeein Musteraufbau gewählt, der die Bestimmungdes mikrobiellen Wachstums in einer bestimmtenEntfernung zum biozid wirkenden Material ermöglicht:Ein beschichtetes Papier wurde in definiertem Abstandzu Agarplatten mit Sporen des Pilzes Aspergillusniger positioniert. Bei Beschichtungen mit eingebettetenflüchtigen Bioziden ließ sich eine deutliche Hemmung desPilzwachstums beobachten (Abb. 9).Literatur[1] Böttcher, H: J. Prakt. Chem., 2000, Vol. 342, S. 427.[2] Brinker, C. J.; Scherer, G.: Sol-Gel Science: The Physicsand Chemistry of Sol-Gel Processing, Academic Press Inc.,Boston, 1990.[3] Mahltig, B.; Fiedler, D.; Böttcher, H.: J. Sol-Gel Sci.Technol., 2004, Vol. 32, S. 219.[4] Mahltig, B.; Textor, T.: Nanosols and Textiles, WorldScientific, Singapur, 2008.[5] Mahltig, B.; Haufe, H.; Böttcher, H.: J. Mater. Chem.2005, Vol. 15, S. 4385.[6] Mahltig, B.; Gutmann, E.; Meyer, D. C.; Reibold, M.;Bund, A.; Böttcher, H.: J. Sol-Gel Sci. Technol., 2009, Vol.49, S. 202.

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[7] Mahltig, B.; Gutmann, E.; Reibold, M.; Meyer, D. C.;Böttcher, H.: J J. Sol-Gel Sci. Technol., 2009, Vol. 51, S.204.[8] Mahltig, B.; Gutmann, E.; Meyer, D. C.; Reibold, M.;Dresler, B.; Günther, K; Faßler, D.; Böttcher, H.: J. Mater.Chem., 2007, Vol. 17, S. 2367.[9] Mahltig, B.; Swaboda, C.; Roessler, A.;, Böttcher, H.: J.Mater. Chem., 2008, Vol. 18, S. 3180.[10] Eisbein, M.; Michel, A.; Pönicker, I.; Böttcher, H.;Trepte, J. G.: RESTAURO, 2000, Vol. 106, S. 168.[11] Eisbein, M.: RESTAURO, 2009, Vol. 115, S. 508.[12] Haufe, H.; Thron, A.; Fiedler, D.; Mahltig, B.; Böttcher,H.: Surf. Coat. Int., 2005, Vol. 88, S. 55.DanksagungDiese Arbeiten wurden finanziell gefördertvom Bundesministerium für Wirtschaft undTechnologie Programm INNOWATT; Reg.-Nr. 59/03,Forschungsprogramm "Industrielle Vorlaufforschung",Projekt-Nr.: VF070012, und von der SächsischenAufbaubank, Projekt-Nr. 6563/1013.Weiterhin danken wir dem Bundesministerium für Bildungund Forschung für Förderung im Rahmen des ProjektesKOR 08/025. Für die interessante Diskussion und dieAuswertung von Nanosolen für Restaurierungszweckegilt unser Dank Herrn Manfried Eisbein (Landesamt fürDenkmalpflege, Dresden).

Ergebnisse auf einen Blick- Biozide Verbindungen lassen sich unter Verwendung derSol-Gel-Technik in anorganische Matrizen einbetten.- So entstehen wirksame biozide Beschichtungen mitkontrollierter Wirkstoff-Freisetzung.- Sie eignen sich besonders für die Funktionalisierungvon weichen Materialien, wie Papier, Textilien, Holz undPolymerfolien.- Siliciumdioxid-Beschichtungen mit eingebettetennanoskaligen Silberpartikeln in Kombination mitorganischen Bioziden verringern die Überlebensrateunterschiedlicher Bakterien und Pilze äußerst effektiv.- Anorganische Nanosole lassen sich für die Restaurierungund Konservierung von Kulturgütern aus Holz einsetzen.- Nanosol-Beschichtungen mit eingebettetenflüchtigen bioziden Verbindungen eignen sich fürVerpackungsmaterialien aus Papier, Folie oder Textilien.

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Abb. 1: Herstellung und Modifizierung von Nanosolen, sowie deren Anwendungals Beschichtungsmittel zur Realisierung von antimikrobiellen Beschichtungen

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Abb. 2: Verschiedene Methoden der Sol-Gel-Herstellung zur Realisierung vonAg/SiO2-Beschichtungen für temperaturempfindliche Materialien

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Abb. 3: Biozide Wirkung gegen E. coli bei Viskosetextilien mit Ag/SiO2-Nanosol-Beschichtungen, die mit verschiedenen Stabilisatoren und beiunterschiedlichen Prozesstemperaturen hergestellt wurden; schwarz: ohneWaschzyklen, grau: nach 5 x ECE-Waschzyklen (PVP = Polyvinylpyrrolidon)

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Abb. 4: Röntgenbeugungsmuster flüssiger TiO2-Sole vor und nach dersolvothermalen Behandlung bei 120 °C Messungen freundlicherweisedurchgeführt von E. Gutmann, TU Dresden

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Abb. 5: Wachstum von E.coli auf Agarplatten nach Kontakt mit Viskosegewebeund einstündiger UV-Bestrahlung; links: unbeschichtetes Gewebe, rechts: mitTiO2-Nanosol beschichtetes Gewebe

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Abb. 6: Abnahme der Anzahl koloniebildenden Einheiten (E. coli) nach Kontaktmit TiO2-Nanosol-beschichtetem Viskosegewebe in Abhängigkeit von derDauer der UV-Bestrahlung. Die Herstellung von TiO2-Nanosolen erfolgte untersolvothermalen Bedingungen bei 160 °C aus amorphen TiO2-Nanosolen

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Abb. 7: Gewichtsabnahme von unterschiedlich behandeltem Fichtenholzaufgrund einer Zerstörung durch den Pilz Coniophora puteana (Bestimmungin Anlehnung an DIN EN113). Die Nanosole wurden 24 Stunden zuvor imTauchverfahren auf das Fichtenholz aufgebracht

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Abb. 8: Substanzklassen mit biozider Wirkung in der gasförmigen Phase

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Abb. 9: Prüfung der Wirksamkeit von Nanosolen mit flüchtigen biozidenVerbindungen; Rechtes Bild: Das mit Nanosol beschichtete Papier wird ineiner bestimmten Entfernung zu Agarplatten mit Sporen des Pilzes Aspergillusniger positioniert. Linkes Bild: Im Vergleich zur Referenz (links) hemmt diebiozidhaltige Beschichtung das Pilzwachstum deutlich (rechts)