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Elektrotechnik & Informationstechnik (2014) 131/3: 99–104. DOI 10.1007/s00502-014-0204-2 ORIGINALARBEITEN Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau und Smart Grid-Lösungen in der Niederspannungsebene M. Schwarz, A. Kollmann In der Energieversorgung vollzieht sich ein Strukturwandel zu einer stärker dezentral geprägten Energieversorgung auf Basis regene- rativer Energieträger. Den Herausforderungen, die diese fundamentalen Veränderungen für die sichere und zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie mit sich bringen, steht ein Portfolio unterschiedlicher technischer Lösungen gegenüber, mit denen die zu- nehmende Integration volatiler Erzeugung ermöglicht werden kann. Ziel des Projektes SG-Essences war zu zeigen, wie sich diese verschiedenen Systemlösungsansätze aus ökonomischer Sicht darstellen. Die Analysen wurden dabei exemplarisch für den Fall einer verstärkten Integration von Photovoltaik (PV) in zwei repräsentativen ländlichen Netzstrukturen durchgeführt. Schlüsselwörter: Netzausbau; Smart Grids; Photovoltaik; wirtschaftliche Bewertung Economic evaluation of grid expansion and Smart Grid solutions within the low voltage grid. The electricity markets face fundamental structural changes due to the ever increasing production from decentralized energy supply technologies based on renewable sources. The challenges that these fundamental changes pose for the safe and reliable supply of electricity, are matched by a portfolio of different technical solutions which enable the integration of volatile electricity production. The aim of the project SG-Essences was to assess these various system solutions from an economic point of view. The analyses were carried out using the example of increased integration of photovoltaic (PV) in two representative rural electricity networks. Keywords: network expansion; Smart Grids; photovoltaic; economic assessment Eingegangen am 25. März 2014, angenommen am 4. April 2014, online publiziert am 30. April 2014 © Springer Verlag Wien 2014 1. Einleitung und Motivation Die zunehmende Integration dezentraler kleiner und mittlerer Er- zeugungseinheiten auf Basis erneuerbarer Energieträger stellt die bislang zentral ausgerichtete Stromversorgung vor komplexe Her- ausforderungen. Den Möglichkeiten, die ein weiterer Ausbau der Netze bietet, stehen intelligente Systemlösungen bzw. Smart Grids gegenüber, in denen eine wechselseitige Kommunikation zwischen den Erzeugern, dem Netz und den Verbrauchern ermöglicht wird. Von allen in Frage kommenden dezentralen Strombereitstellungs- technologien weist Photovoltaik (PV) aktuell die größte Marktdurch- dringung auf und gehört zu jenen Technologien mit den höchsten zu erwartenden Steigerungsraten [1, 2]. Dieser Beitrag widmet sich der wirtschaftlichen Evaluation verschiedener Möglichkeiten der In- tegration von PV-Strom in bestehende Niederspannungsnetze. Vor- wiegend geht es dabei um die Frage, welche Möglichkeiten zur Ge- staltung eines intelligenten Stromnetzes auf der Niederspannungs- ebene bestehen, damit der zu erwartende weitere Ausbau dezentra- ler Stromerzeugung effizient bewältigt werden kann. Die Steigerung der Gesamteffizienz der Netzinfrastruktur und die Erhöhung des An- teils dezentraler Energieträger innerhalb des österreichischen Ener- giesystems waren daher die wichtigsten Leitgedanken dieses Projek- tes. 2. Bewertungsmethodik Als Basis für die wirtschaftliche Bewertung dienen die Ergebnisse einer technischen Analyse, die das Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien durchgeführt hat. Bei dieser Ana- lyse wurden zwei reale Testgebiete ausgewählt, die sich im ländli- chen Bereich befinden, wobei es sich bei Versorgungsgebiet 1 um ein reines Wohngebiet mit 33 Haushalten (132 MWh Strombedarf) und bei Versorgungsgebiet 2 um einen Mix aus Wohnhäusern und Gewerbebetrieben, bestehend aus 16 Haushalten und 2 Gewer- bebetrieben (237 MWh Strombedarf), handelt. Der Fokus auf ein ländliches und nicht auf ein urbanes Netz wurde gewählt, da dort hinsichtlich der Integration dezentraler Stromerzeugung am ehesten Netzengpässe erwartet werden können. Diese Niederspannungsnetzabschnitte wurden für die durchzu- führenden Netzberechnungen in das Programm NEPLAN übertra- gen. Jedem Haushalt bzw. Gewerbebetrieb wurde ein Lastprofil zu- gewiesen, sowie die PV-Einspeiseleistung eingestellt und anschlie- ßend eine Lastflussberechnung durchgeführt. Bei diesen Simulatio- nen wurde zwischen den in Tab. 1 gezeigten Konzepten unterschie- den. Als Referenzszenario dient die maximale PV-Leistung, die ohne zu- sätzliche Maßnahmen in die bestehende Netzinfrastruktur integriert werden kann, während bei den Netzausbau-Szenarien zwischen konventionellen und gezielten Ausbaumaßnahmen unterschieden wird. Die Analyse wurde für den Fall einer symmetrischen, unsym- metrischen und einphasigen Einspeisung durchgeführt. Diese ergibt April/Mai 2014 131. Jahrgang © Springer Verlag Wien heft 3.2014 Schwarz, Markus, Energieinstitut, Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Österreich (E-Mail: [email protected]); Kollmann, Andrea, Energieinstitut, Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz, Österreich 99

Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau und Smart Grid-Lösungen in der Niederspannungsebene; Economic evaluation of grid expansion and Smart Grid solutions within the low voltage

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Elektrotechnik & Informationstechnik (2014) 131/3: 99–104. DOI 10.1007/s00502-014-0204-2 ORIGINALARBEITEN

Wirtschaftliche Betrachtungvon Netzausbau und Smart Grid-Lösungenin der NiederspannungsebeneM. Schwarz, A. Kollmann

In der Energieversorgung vollzieht sich ein Strukturwandel zu einer stärker dezentral geprägten Energieversorgung auf Basis regene-rativer Energieträger. Den Herausforderungen, die diese fundamentalen Veränderungen für die sichere und zuverlässige Versorgungmit elektrischer Energie mit sich bringen, steht ein Portfolio unterschiedlicher technischer Lösungen gegenüber, mit denen die zu-nehmende Integration volatiler Erzeugung ermöglicht werden kann. Ziel des Projektes SG-Essences war zu zeigen, wie sich dieseverschiedenen Systemlösungsansätze aus ökonomischer Sicht darstellen. Die Analysen wurden dabei exemplarisch für den Fall einerverstärkten Integration von Photovoltaik (PV) in zwei repräsentativen ländlichen Netzstrukturen durchgeführt.

Schlüsselwörter: Netzausbau; Smart Grids; Photovoltaik; wirtschaftliche Bewertung

Economic evaluation of grid expansion and Smart Grid solutions within the low voltage grid.

The electricity markets face fundamental structural changes due to the ever increasing production from decentralized energy supplytechnologies based on renewable sources. The challenges that these fundamental changes pose for the safe and reliable supply ofelectricity, are matched by a portfolio of different technical solutions which enable the integration of volatile electricity production.The aim of the project SG-Essences was to assess these various system solutions from an economic point of view. The analyses werecarried out using the example of increased integration of photovoltaic (PV) in two representative rural electricity networks.

Keywords: network expansion; Smart Grids; photovoltaic; economic assessment

Eingegangen am 25. März 2014, angenommen am 4. April 2014, online publiziert am 30. April 2014© Springer Verlag Wien 2014

1. Einleitung und MotivationDie zunehmende Integration dezentraler kleiner und mittlerer Er-zeugungseinheiten auf Basis erneuerbarer Energieträger stellt diebislang zentral ausgerichtete Stromversorgung vor komplexe Her-ausforderungen. Den Möglichkeiten, die ein weiterer Ausbau derNetze bietet, stehen intelligente Systemlösungen bzw. Smart Gridsgegenüber, in denen eine wechselseitige Kommunikation zwischenden Erzeugern, dem Netz und den Verbrauchern ermöglicht wird.Von allen in Frage kommenden dezentralen Strombereitstellungs-technologien weist Photovoltaik (PV) aktuell die größte Marktdurch-dringung auf und gehört zu jenen Technologien mit den höchstenzu erwartenden Steigerungsraten [1, 2]. Dieser Beitrag widmet sichder wirtschaftlichen Evaluation verschiedener Möglichkeiten der In-tegration von PV-Strom in bestehende Niederspannungsnetze. Vor-wiegend geht es dabei um die Frage, welche Möglichkeiten zur Ge-staltung eines intelligenten Stromnetzes auf der Niederspannungs-ebene bestehen, damit der zu erwartende weitere Ausbau dezentra-ler Stromerzeugung effizient bewältigt werden kann. Die Steigerungder Gesamteffizienz der Netzinfrastruktur und die Erhöhung des An-teils dezentraler Energieträger innerhalb des österreichischen Ener-giesystems waren daher die wichtigsten Leitgedanken dieses Projek-tes.

2. BewertungsmethodikAls Basis für die wirtschaftliche Bewertung dienen die Ergebnisseeiner technischen Analyse, die das Institut für Energiesysteme undElektrische Antriebe der TU Wien durchgeführt hat. Bei dieser Ana-

lyse wurden zwei reale Testgebiete ausgewählt, die sich im ländli-chen Bereich befinden, wobei es sich bei Versorgungsgebiet 1 umein reines Wohngebiet mit 33 Haushalten (132 MWh Strombedarf)und bei Versorgungsgebiet 2 um einen Mix aus Wohnhäusern undGewerbebetrieben, bestehend aus 16 Haushalten und 2 Gewer-bebetrieben (237 MWh Strombedarf), handelt. Der Fokus auf einländliches und nicht auf ein urbanes Netz wurde gewählt, da dorthinsichtlich der Integration dezentraler Stromerzeugung am ehestenNetzengpässe erwartet werden können.

Diese Niederspannungsnetzabschnitte wurden für die durchzu-führenden Netzberechnungen in das Programm NEPLAN übertra-gen. Jedem Haushalt bzw. Gewerbebetrieb wurde ein Lastprofil zu-gewiesen, sowie die PV-Einspeiseleistung eingestellt und anschlie-ßend eine Lastflussberechnung durchgeführt. Bei diesen Simulatio-nen wurde zwischen den in Tab. 1 gezeigten Konzepten unterschie-den.

Als Referenzszenario dient die maximale PV-Leistung, die ohne zu-sätzliche Maßnahmen in die bestehende Netzinfrastruktur integriertwerden kann, während bei den Netzausbau-Szenarien zwischenkonventionellen und gezielten Ausbaumaßnahmen unterschiedenwird. Die Analyse wurde für den Fall einer symmetrischen, unsym-metrischen und einphasigen Einspeisung durchgeführt. Diese ergibt

April/Mai 2014 131. Jahrgang © Springer Verlag Wien heft 3.2014

Schwarz, Markus, Energieinstitut, Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße69, 4040 Linz, Österreich (E-Mail: [email protected]); Kollmann, Andrea,Energieinstitut, Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz,Österreich

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ORIGINALARBEITEN M. Schwarz, A. Kollmann Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau

Tab. 1. Systemlösungsszenarien für die ausgewählte Niederspannungsnetzstruktur

Referenz Referenzszenario + max. PVNetzausbau Doppelleitung im gesamten Netz

150 mm2 für alle Leitungen im NetzBestimmte Leitungen durch 150 mm2 ersetzt

Smart Grid-Lösungen Q-Regelung Blindleistung (Q) in Abhängigkeit von der Spannung (U) (Q von U)Q von U + Kommunikation (Q von U alle)Blindleistung (Q) in Abhängigkeit von der Leistung (P) (Q von P)Q von U + Netztopo 0,95

P-Regelung Wirkleistungsbegrenzung 70 % (P von U)Wirkleistungsbegrenzung 70 % + Kommunikation (P von U alle)

RONT Regelbarer Ortsnetztrafo (RONT)Kombination Q von U + P von U

RONT + Q von U + P von U

je Szenario u.a. die maximal installierbare PV-Leistung, Netzverlus-te sowie die erforderliche Änderung in der Netzinfrastruktur (Tra-fotausch, usw.).

Aufbauend auf die technische und energetische Analyse erfolg-te die Entwicklung einer wirtschaftlichen Bewertungsmethodik. AlsSystemgrenze für diese Bewertung wurde der gesamte Netzab-schnitt inkl. Trafo (Sicht des Netzbetreibers) sowie die Sichtweise desKunden bzw. Nutzers (Systemgrenze Gebäude) betrachtet. Dabei istzu beachten, dass die Sicht des Netzbetreibers beim jeweiligen Ge-bäude bzw. Kunden endet, somit wird das Augenmerk der Evalu-ierung auf die Rahmenbedingungen bzw. Maßnahmen gelegt, diedazu notwendig sind um den PV-Anteil im Netzabschnitt zu erhö-hen.

Je nach Szenario sind entsprechende Investitionen in die Netzin-frastruktur und IKT notwendig, um eine dezentrale PV-Einspeisungzu ermöglichen. Die intelligenten Systemlösungen bilden dabei eineAusnahme, da diese die Integration dezentraler Einspeisung meistdurch eine geregelte Betriebsweise (Blindleistungs- oder Wirkleis-tungsregelung) der Erzeugungstechnologie erreichen. Aus Sicht desNetzbetreibers entstehen bei innovativen Lösungen somit Kostenaufgrund der koordinierten Steuerung und Regelung der PV.

Die betriebswirtschaftliche Analyse erfolgt nach dem Vollkosten-ansatz sowie der Kapitalwertmethode auf Basis der Energieträger-kosten, typischer Investitions- und Betriebskosten für die Netzin-frastruktur und IKT sowie durchschnittlicher Stromkosten und PV-Einspeisetarife. Das Kostenmodell ist dabei so aufgebaut, dass aus-schließlich zusätzliche, d.h. über den status-quo hinausgehende,Kosten berücksichtigt werden. Fixe und variable Kosten, die ohnehinfür die Aufrechterhaltung des Netzbetriebs notwendig sind, werdennicht miteinbezogen. Aus Netzbetreibersicht sind daher für die Sze-narienberechnungen im Wesentlichen die Kostenblöcke (a) Netzver-luste, (b) Netzausbau und (c) Trafo relevant.

2.1 NetzverlusteDurch eine verstärkte, v.a. fluktuierende Einspeisung von kleinenund mittleren Erzeugungseinheiten wie jener der PV, kommt es imNetzabschnitt zu Lastflussumkehren und somit zu erhöhten Verlus-ten im Netz und am Trafo [3]. Diese energetischen Verluste stellenfür den Netzbetreiber monetäre Verluste dar und werden dement-sprechend in Form von Kompensationskosten bewertet.

2.2 Kosten NetzausbauDer Netzausbau auf der Niederspannungsebene ist von Fall zu Fallunterschiedlich zu bewerkstelligen bzw. hängt stark von den örtli-chen Gegebenheiten ab. Die bestehende Netzinfrastruktur in den

untersuchten Versorgungsgebieten setzt sich aus freistehenden so-wie verkabelten Leitungen zusammen, wobei jeweils verschiedeneTechnologien bzw. Querschnitte eingesetzt werden. Dabei wird an-genommen, dass, entsprechend den definierten Szenarien, ein zu-sätzlicher Netzausbau ausschließlich mit Verkabelung durchgeführtwird. Die Kosten hierfür setzen sich einerseits aus den Investiti-onskosten für das Kabel sowie den Grabungs- und Verlegungsar-beiten zusammen. Zum anderen sind für die Instandhaltung bzw.den Betrieb der Leitungsinfrastruktur Kosten anzusetzen, die starkvon Parametern wie Verbauungsdichte, Oberflächen, Bewuchsdich-te und dgl. beeinflusst werden. Auf Basis einer fundierten Literatur-recherche sowie umfangreichen Gesprächen mit Verteilnetzbetrei-bern konnten realistische Kostensätze für die ökonomische Evaluie-rung des Netzausbaus bestimmt werden [3, 4].

2.3 Kosten TrafoAdaptierungen am bestehenden Transformator werden gemäß dertechnischen Analyse bei zwei Szenarien durchgeführt. Dabei wirdder bestehende konventionelle Ortsnetztrafo durch einen regelba-ren Ortsnetztrafo (RONT) ersetzt. Trotz geringer Marktreife und ho-hen Kosten für den Stufensteller erhofft man sich vom RONT maxi-male technische Effektivität und wirtschaftliche Effizienz, wie in ei-nigen Untersuchungen bereits bewiesen wurde [3]. Das Investmentfür einen Trafo bzw. RONT definiert sich maßgebend durch die Leis-tungsgröße, zusätzliche Betriebskosten fallen nicht an. Ebenso wiefür den Netzausbau wurde auch für die Bewertung des RONT einerepräsentative Bandbreite an Kosten aus einer umfassenden Litera-turrecherche sowie Gesprächen mit Netzbetreibern abgeleitet undfür die vorliegenden Berechnungen zugrunde gelegt.

3. ErgebnisseAls Resultat der Lastflussberechnungen im Zuge der technischenAnalyse steht je Systemlösung die integrierbare PV-Leistung zur Ver-fügung, wobei gezeigt werden kann, dass bereits ohne eine Maß-nahme zu setzen, beträchtliche zusätzliche Leistung in der beste-henden Netzinfrastruktur aufgenommen werden können. Die sym-metrische Netzeinspeisung stellt dabei ein Best Case-Szenario dar,während durch eine unsymmetrische Einspeisung im Mittel etwa65 % und durch eine einphasige Einspeisung 90 % weniger an PV-Leistung integriert werden könnte. So können im Falle einer symme-trischen Einspeisung im Referenzszenario 90 kWp (Versorgungsge-biet 1) bzw. 77 kWp (Versorgungsgebiet 2) an PV-Leistung integriertwerden.

Sobald dieses Potential ausgeschöpft ist, können durch Netzaus-bau oder durch intelligente Regelkonzepte weitere PV-Potentiale

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M. Schwarz, A. Kollmann Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau ORIGINALARBEITEN

Abb. 1. Energetische Analyse der untersuchten Netzabschnitte

realisiert werden. Abbildung 1 zeigt zunächst die zusätzlichen maxi-mal integrierbaren PV-Potentiale (im Vergleich zur Referenz) in bei-den betrachteten Netzabschnitten.

Wie in Abb. 1 dargestellt, können – im Vergleich zur Referenz –durch konventionellen Netzausbau sowie durch einzelne intelligenteRegelkonzepte („Q von U“; „RONT+Q von U+P von U“) die höchs-ten PV-Leistungen integriert werden. Betrachtet man ausschließlichdie Netzausbau-Szenarien, so können im Falle einer symmetrischenEinspeisung durchschnittlich 50 bis 105 % höhere PV-Erträge erzieltwerden. Im Vergleich dazu wurde im Rahmen einer Literaturrecher-che eine Bandbreite zwischen 25 und 175 % ermittelt, wobei diePotentialsteigerung meist auf einen Trafotausch oder einer Verdop-pelung des Netzes zurückzuführen ist [3].

Durch die intelligenten Regelkonzepte könnte in den vorlie-genden Netzabschnitten eine Potentialsteigerung zwischen 47und 64 % erreicht werden. Der Literaturvergleich zeigte hier-bei eine Bandbreite zwischen 25 und 155 % an zusätzlicher PV-Integration, wobei die höchsten Potentiale durch einen RONT unddie geringeren Werte durch Blindleistungsregelkonzepte erzielbarsind [3, 5].

Im Zuge der Analyse zeigte sich für die beiden ländlichen Netz-abschnitte, dass das Spannungsband der limitierende Faktor fürdie Integration von zusätzlicher PV-Leistung ist. Unter Ausnutzungvon Kombinationen mehrerer Smart Grid-Lösungen können ther-mische Überlastsituationen auftreten, welche durch den zusätzli-chen Blindstrom aufgrund der Blindleistungsregelung verstärkt wer-den können. Ersichtlich ist dies an dem hohen Blindleistungsbe-darf und den erhöhten Verlusten im Falle der unsymmetrischenund einphasigen Einspeisung, wie es insbesondere bei der Regel-strategie „Q von P“ der Fall ist. Allgemein ist festzuhalten, dassdie Effektivität der Regelstrategien und die damit einhergehen-de installierbare Leistung durch zusätzliche Kommunikation gestei-gert werden kann. Bei näherer Betrachtung der Netzausbausze-narien lässt sich zudem feststellen, dass gezielte Maßnahmen wieder Austausch bestimmter Leitungen eine sinnvolle Ergänzung zuden Smart Grid-Szenarien darstellen können, um zusätzliche Erzeu-gungsanlagen in die Niederspannungsnetzstrukturen zu integrie-ren.

Aufbauend auf die Ergebnisse der technischen Analyse erfolgtin einem weiteren Schritt eine ökonomische Evaluierung der Re-gelkonzepte im Falle einer symmetrischen Einspeisung. Abbil-dung 2 zeigt aus Sicht des jeweiligen Netzbetreibers die Zusam-mensetzung der jährlichen Gesamtkosten im Vergleich zur Refe-renz.

Aus Netzbetreibersicht setzen sich die jährlichen Aufwendungenaus Kompensationskosten für Netzverluste und den Kosten für dieNetzinfrastruktur und dem Transformator zusammen. Hohe Kos-ten wurden dabei vor allem für die Netzausbau-Szenarien „Dop-pelleitung“ und „Einheitlich 150 mm2“ festgestellt, was auf die ho-hen Investitions- und Betriebskosten für die Ausweitung der Netzin-frastruktur zurückzuführen ist. Intelligente Regelkonzepte zeichnensich hingegen durch ihre Steuer- und Regelbarkeit aus und bedingendadurch, mit Ausnahme der beiden RONT-Szenarien, keine Investi-tionen in die bestehende Infrastruktur. Die hierbei anfallenden Kos-ten beschränken sich ausschließlich auf die Kompensationskostenfür die Netzverluste.

Schließlich wurden infolge der umfassenden technischen undwirtschaftlichen Bewertung aussagekräftige Kennzahlen abgeleitet.Abbildung 3 zeigt die zusätzlichen – im Vergleich zur Referenz – spe-zifischen Kosten, auf Basis jährlicher Gesamtkosten im Verhältnis zuden integrierbaren PV-Potentialen.

Die in Abb. 3 dargestellten spezifischen Energiekosten entspre-chen den zusätzlichen Kosten, die aufgewendet werden müss-ten, um eine zusätzliche kWh Strom aus PV zu integrieren. Auf-grund der hohen Jahresgesamtkosten zeigen sich in der Evaluie-rung höhere spezifische Kosten für die Netzausbau-Szenarien (∅ 3,0cent/zusätzlicher kWh) als für die Smart Grid-Lösungen (∅ 0,7cent/zusätzlicher kWh). Im Vergleich dazu wurde durch eine Lite-raturrecherche für den Ausbau des Verteil- bzw. Niederspannungs-netzes eine Bandbreite zwischen 0,5 und 3,6 cent/kWh ermittelt,während für intelligente Regelkonzepte keine vergleichbaren Litera-turwerten recherchiert werden konnten [6, 7].

Betrachtet man zudem die Gestehungskosten von Strom durchPhotovoltaik, so ist zu erkennen, dass sich diese – ausgehendvon mittleren Gestehungskosten von 12,9 cent/kWh [8] – un-

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ORIGINALARBEITEN M. Schwarz, A. Kollmann Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau

Abb. 2. Jahresgesamtkosten der untersuchten Netzabschnitte (symmetrische Einspeisung)

Abb. 3. Spezifische Energiekosten der untersuchten Netzabschnitte (symmetrische Einspeisung)

ter Miteinbeziehung der Kosten für den Netzausbau wesent-lich erhöhen (+23 %). Hingegen würden sich die Gestehungs-kosten im Falle von intelligenten Regelkonzepten durchschnitt-lich nur um 5 % erhöhen und somit 13,6 cent/kWh betra-gen.

4. Zusammenfassung und SchlussfolgerungenZusammengefasst kann für die untersuchten Versorgungsgebie-te gesagt werden, dass im Falle einer symmetrischen Einspei-sung erhebliche PV-Leistungen erzielbar sind. Im Falle eines ge-zielten Netzausbaus besteht die Möglichkeit, unter verhältnismä-ßig niedrigen Kosten weitere Potentiale zu integrieren. Für die

Smart Grid-Lösungen wurden je nach Maßnahme unterschied-lich hohe zusätzliche PV-Potentiale ermittelt. Die Aufwendungenfallen dabei vorwiegend für die Kompensation der Netzverlus-te an, weniger für Investitionen in die bestehende Infrastruk-tur. Die Ergebnisse der Analyse lassen darauf schließen, dassaus ökonomischer Sicht intelligente Regelkonzepte zu bevorzugensind.

Hierbei ist anzumerken, dass im Zuge der Untersuchung inner-halb der Netzausbau- sowie Smart Grid-Lösungen z. T. inhomoge-ne Resultate festgestellt wurden. Fasst man demnach jeweils dieNetzausbau- sowie Smart Grid-Lösungen zusammen, so sind die Er-gebnisse bzw. ist der Vergleich als allgemeine Abschätzung sowie

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M. Schwarz, A. Kollmann Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau ORIGINALARBEITEN

als Tendenz zu betrachten, jedoch nicht als allgemeine Aussage zuwerten.

Neben der Sichtweise des jeweiligen Netzbetreibers wurde ebensoaus Nutzer- bzw. Kundesicht eine umfassende Bewertung durchge-führt. Den Nutzer interessiert in diesem Zusammenhang vor allem,inwieweit die erzeugte Energie selbst verbraucht werden kann undob die Anwendung des jeweiligen Szenarios den Betrieb des einzel-nen Nutzers beeinflusst. Dabei zeigt sich, dass durch symmetrischeEinspeisung jeweils der höchste Anteil des Eigenbedarfs gedecktwerden kann. Demnach wurde für die symmetrische Einspeisung einEigennutzungsgrad für beide Netzabschnitte von etwa 33 % quanti-fiziert. Wie sich zeigte, würde durch intelligente Regelstrategien wieder Wirkleistungsbegrenzung („P von U“; „P von U alle“) der Be-trieb der jeweiligen PV-Anlage beeinflusst, um dadurch höhere Leis-tungen im jeweiligen Netzabschnitt zu ermöglichen. Jedoch würdefür diesen Fall nur ein geringer Anteil der PV-Leistung verloren gehen(zwischen 0,6 und 1,3 %) bzw. würden die jährlichen Volllaststun-den der PV-Systeme zwischen 10 und 20 h reduziert werden.

Aus den vorliegenden Evaluierungsergebnissen können schließlichEmpfehlungen und Maßnahmenvorschläge für Regulierungseinrich-tungen, Netzbetreiber und Endverbraucher/Elektrizitätsproduzentenabgeleitet werden. Vor allem für die Regulierungsbehörde solltedas Bestreben darin liegen, ausschließlich eine symmetrische PV-Einspeisung zuzulassen bzw. dahingehend eine Standardisierungdurchzuführen. Eine wesentliche Erkenntnis besteht zudem darin,dass dort wo es möglich ist, stets intelligente Regelkonzepte bzw.Smart Grid-Lösungen gegenüber Netzausbau-Szenarien zu bevorzu-gen sind, da durch diese Regelkonzepte zu verhältnismäßig geringenKosten hohe PV-Leistungen integriert werden können. Dies erfor-dert von Seiten der Regulierungsbehörde, den Netzbetreibern denRahmen zur Umsetzung dieser Maßnahmen zu bieten, wobei einewichtige Rolle intelligente Zähler bzw. Smart Meter einnehmen, dieals Voraussetzung für Smart Grid-Lösungen im Endkundenbereichgesehen werden können.

Hinsichtlich intelligenter Regelkonzepte ist es außerdem erfor-derlich Blind- und Wirkleistungsregelung im Detail zu betrach-ten. Wie sich zeigte, können durch Wirkleistungsbegrenzung er-hebliche Einspeisepotentiale realisiert werden, jedoch würde da-durch in den Betrieb der Nutzeranlage durch Abregelung ein-gegriffen werden. Eine solche Begrenzung der Einspeiseleitungist für den Netzbetreiber unter den derzeitigen organisatorischenund rechtlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben, wäre je-doch in Zukunft im Rahmen eines Abgeltungssystems eine Stra-

tegie, um die stetig steigende Einspeisung von volatiler erneu-erbarer Stromproduktion ohne Netzausbau zu ermöglichen. DesWeiteren bedarf es eines Ausgleichssystems für Blindleistungsre-gelung, da durch erhöhte Einspeiseleistungen ebenso der Blind-leistungsbedarf in den Niederspannungsnetzstrukturen steigt und(z.B. durch Kompensationsanlage am Ortsnetztrafo) auszugleichenist.

DanksagungDie wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau und Smart Grid-Lösungen in der Niederspannungsebene ist Teil des Forschungspro-jektes „SG-Essences“ und wurde aus Mitteln des Klima- und Ener-giefonds gefördert und im Rahmen des Programms „NEUE ENERGI-EN 2020“ durchgeführt.

Literatur

1. Biermayr, P., et al. (2013): Innovative Energietechnologien in Österreich – Markt-entwicklung 2012. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Inno-vation und Technologie, Wien. Verfügbar unter: http://www.nachhaltigwirtschaften.at/nw_pdf/1317_marktstatistik_2012.pdf, zuletzt am 12.12.2013.

2. REN21 (2012): Renewables 2012 global status report, Paris. Verfügbar unter: http://www.ren21.net/portals/0/documents/resources/gsr/2013/gsr2013_lowres.pdf, zuletztam 22.1.2014.

3. Braun, M., et al. (2012): Vorstudie zur Integration großer Anteile Photovoltaik in dieelektrische Energieversorgung. Studie im Auftrag des BSW – Bundesverband Solarwirt-schaft e.V., Kassel.

4. Leprich, U., et al. (2011): Ausbau elektrischer Netze mit Kabel oder Freileitung unterbesonderer Berücksichtigung der Einspeisung Erneuerbarer Energien. Studie im Auftragdes Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Saarbrücken.

5. Kerber, G. (2009): Belastbarkeit von Verteilnetzen für Einspeisung aus Photovoltaik.Präsentation im Zuge der Vortragsreihe des VDE Arbeitskreises Energietechnik. Ver-fügbar unter: http://www.vde.com/de/regionalorganisation/bezirksvereine/suedbayern/facharbeit%20regional/akenergietechnik/documents/photovoltaik-niederspannung.pdf,zuletzt am 14.1.2014.

6. Deutsche Energie-Agentur-GmbH (2012): Ausbau- und Innovationsbedarf der Stromver-teilnetze in Deutschland bis 2030. Studie, Berlin. Verfügbar unter: http://www.dena.de/fileadmin/user_upload/Projekte/Energiesysteme/Dokumente/denaVNS_Abschlussbericht.pdf, zuletzt am 5.1.2014.

7. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2011): Abschätzung desAusbaubedarfs in deutschen Verteilungsnetzen aufgrund von Photovoltaik- undWindeinspeisungen bis 2020. Gutachten, Bonn/Aachen. Verfügbar unter: https://www.bdew.de/internet.nsf/id/C8713E8E3C658D44C1257864002DDA06/$file/2011-03-30_BDEW-Gutachten%20EEG-bedingter%20Netzausbaubedarf%20VN.pdf,zuletzt am 7.1.2014.

8. Kost, C., et al. (2013): Stromkosten Erneuerbare Energie. Studie, Freiburg. Verfügbarunter: http://www.ise.fraunhofer.de/de/veroeffentlichungen/veroeffentlichungen-pdf-dateien/studien-und-konzeptpapiere/studie-stromgestehungskosten-erneuerbare-energien.pdf, zuletzt am 21.1.2014.

Autoren

Markus SchwarzNach Abschluss der HTBLA Salzburg für Ma-schineningenieurswesen und des Zivildiens-tes absolvierte Herr Schwarz den Studien-gang Infrastrukturwirtschaft an der Fach-hochschule Joanneum in Kapfenberg mitder Spezialisierung in Energie- und Um-welttechnik. Während eines Auslandssemes-ters an der Luleå University of Technology,Schweden, sammelte Herr Schwarz wert-

volle Erfahrungen im Bereich „Environmental Engineering“. SeinStudium schloss Herr Schwarz schließlich 2006 mit der Diplom-arbeit zum Thema „Interne Zuweisung von Ausgleichsenergie“ab. Nach einer dreijährigen Tätigkeit in den Bereichen Projektie-

rung und F&E im Anlagen- bzw. Kraftwerksbau absolvierte HerrSchwarz 2010 den berufsbegleitenden Masterlehrgang Energie-management am Energieinstitut an der Johannes Kepler Univer-sität Linz. Seit Juni 2010 arbeitet er am Energieinstitut an derJKU Linz als wissenschaftlicher Mitarbeiter und beschäftigt sichim Zuge seiner Dissertation mit der umweltwirtschaftlichen Be-wertung von Stromerzeugungstechnologien in Smart Grids. Sei-ne Projekttätigkeit umfasst neben der ökologischen und ökono-mischen Bewertung erneuerbarer Energietechnologien den Be-reich Smart Grids, insbesondere die Integration regenerativerErzeugungstechnologien.

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ORIGINALARBEITEN M. Schwarz, A. Kollmann Wirtschaftliche Betrachtung von Netzausbau

Andrea KollmannNach Abschluss des BG Ramsauerstraße Linzim Jahr 1998 studierte Frau Kollmann an derJohannes Kepler Universität Linz Volkswirt-schaftslehre. Seit Abschluss ihres Studiums imMai 2004 arbeitet sie als WissenschaftlicheMitarbeiterin am Energieinstitut der Johan-nes Kepler Universität Linz. Ihre Forschungs-schwerpunkte liegen in der volks- und sozial-wirtschaftlichen Analyse und Bewertung von

energie- und umweltpolitischen Fragestellungen. Frau Kollmann hatim Oktober 2008 über das Thema „Die Ökonomie der Althaussa-nierung“ promoviert. In den Jahren 2008 und 2009 war AndreaKollmann auch am Institut für Betriebliche und Regionale Umwelt-wirtschaft der Johannes Kepler Universität Linz tätig. Aktuell ist sieProjektleiterin des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universi-tät Linz.

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