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Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe- dargesteUt an einem Harrod- Domar- Modell*) Von Hans-Joachim Heinemann, Mfinchen § 1. Wachstumsprobleme geschlossener Volkswirtschaften 1. Zur Walhl des Modells 1. In den folgenden Paragraphen soll untersucht werden, wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der bereits entwickelten Volkswirt- sehaf~ A und dem noch unterentwickelten Land B auf das Volkseinkommen and das (dynamische) Gleichgewicht in A auswirken. Von den in den letz- ten 25 Jahren entwiekelten Wachstumsmodellen ist das Harrod-Domar- Modell das bekannteste; es wird bisweilen -- u. E. jedoch falsehlicherweise -- auch als Modell des isolierten Kapitalwachstums bezeichnet, da das Produktionswachstum ausschliei]lich als Funktion des Kapitalbestandes und seiner Ver~nderung gesehen wird, wobei die funktionale Beziehung dutch zwei konstant gedachte Koeffizienten -- n~mlich die Sparneigung ~ind den Kapitalkoeffizenten -- hergestellt wird. Niche explizit enthalten dagegen ist in diesem Modell der teehuische Fortschritt, dem nach ver- schiedenen Untersuchungen der Hauptanteil am Realeinkommenswachstum in diesem Jahrhundert in den westlichen L/indern zu verdanken ist 1 * Der Beitrag stellt den 2. Teil einer Studie fiber ,Entwicklungshilfe und internationale Wirtschaftsbeziehungen" dar, deren erster Teil in XXIII, Heft 1/2 dieser Zeitschrift unter dem Titel ,,Entwieklungshilfe, Technischer Fortschritt und Terms of Trade" erschienen ist. Auch bei der Abfassung dieses Beitrages haben mir die kritischen Anregungen vieler geholfen, yon denen nur Professor Hans M 611 e r (Universitat Miinchen) und Professor Franz G e h r e 1 s (Indiana Uni- versity) erw~hnt seien. Ihnen und allen hier nieht Genannten mSchte ich viel- reals danken. Zum Harrod-Domar Modetl vgl.: R. F. H a r r o d: An Essay in Dynamic Theory. Economic Journal XLIX (1939) ; d e r s. Towards a Dynamic Economics. London: 1948; E. D. Domar: Capital Expansion, Rate of Growth, and Employment. Econometriea XIV (1946), abgedr, in D o mar: Essays in the Theory of Economic Growth. N. Y.: 1957; eine gute Zusammenstellung findet sich bei G. B o m b a c h: Zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums. Weltw. Archiv 70 (1953); ferner: D. H a mb e r g: Economic Growth and Instability. N. Y.: 1956; W. Fellner: Trends and Cycles in Economic Activity. N. Y.: 1956. 1 S o 1 ow nnd H o g a n kommen fiir die USA zu einem Anteil yon 90~o (R. S o 1 o w: Technical Change and the Aggregate Production Function. Review of Economics and Statistics 39 (1957); W. P. Hogan: Technical Progress and Production Functions. Ibid. 40 (1958)). K i n d 1 e b e r g e r und B o m b a e h

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe — dargestellt an einem Harrod-Domar-Modell

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Wirtschaftliches Wachstum und E n t w i c k l u n g s h i l f e - dargesteUt an einem Harrod- Domar- Modell*)

Von

Hans-Joachim Heinemann, Mfinchen

§ 1. Wachstumsprobleme geschlossener Volkswirtschaften 1. Zur Walhl de s M o d e l l s

1. In den folgenden Paragraphen soll untersucht werden, wie sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der bereits entwickelten Volkswirt- sehaf~ A und dem noch unterentwickelten Land B auf das Volkseinkommen and das (dynamische) Gleichgewicht in A auswirken. Von den in den letz- ten 25 Jahren entwiekelten Wachstumsmodellen ist das Harrod-Domar- Modell das bekannteste ; es wird bisweilen -- u. E. jedoch falsehlicherweise - - auch als Modell des isolierten Kapitalwachstums bezeichnet, da das Produktionswachstum ausschliei]lich als Funk t ion des Kapi ta lbestandes u n d seiner Ver~nderung gesehen wird, wobei die funkt ionale Beziehung dutch zwei kons tant gedachte Koeffizienten -- n~mlich die Sparneigung ~ind den Kapitalkoeffizenten -- hergestellt wird. Niche explizit enthal ten dagegen ist in diesem Modell der teehuische Fortschritt , dem nach ver- schiedenen Untersuchungen der Hauptante i l am Realeinkommenswachstum in diesem Jahrhunder t in den westlichen L/indern zu verdanken ist 1

* Der Beitrag stellt den 2. Teil einer Studie fiber ,Entwicklungshilfe und internationale Wirtschaftsbeziehungen" dar, deren erster Teil in XXIII, Heft 1/2 dieser Zeitschrift unter dem Titel ,,Entwieklungshilfe, Technischer Fortschritt und Terms of Trade" erschienen ist. Auch bei der Abfassung dieses Beitrages haben mir die kritischen Anregungen vieler geholfen, yon denen nur Professor Hans M 611 e r (Universitat Miinchen) und Professor Franz G e h r e 1 s (Indiana Uni- versity) erw~hnt seien. Ihnen und allen hier nieht Genannten mSchte ich viel- reals danken.

Zum Harrod-Domar Modetl vgl.: R. F. H a r r o d: An Essay in Dynamic Theory. Economic Journal X L I X (1939) ; d e r s. Towards a Dynamic Economics. London: 1948; E. D. D o m a r : Capital Expansion, Rate of Growth, and Employment. Econometriea X I V (1946), abgedr, in D o m a r : Essays in the Theory of Economic Growth. N. Y.: 1957; eine gute Zusammenstellung findet sich bei G. B o m b a c h: Zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums. Weltw. Archiv 70 (1953); ferner: D. H a m b e r g: Economic Growth and Instability. N. Y.: 1956; W. F e l l n e r : Trends and Cycles in Economic Activity. N. Y.: 1956.

1 S o 1 ow nnd H o g a n kommen fiir die USA zu einem Anteil yon 90~o (R. S o 1 o w: Technical Change and the Aggregate Production Function. Review of Economics and Statistics 39 (1957); W. P. H o g a n : Technical Progress and Production Functions. Ibid. 40 (1958)). K i n d 1 e b e r g e r und B o m b a e h

H.-J. Heinemann: Wirtsehaftliches Waehstum und Entwiddungshilfe 287

Die groge Bedeutung des technischen For tschr i t t s ve ran lag t uns zu der Uberlegung, ob wir fiir d ie Ana lyse nieht ein Modell verwenden sollten, das den teehnischen For t sehr i t t explizi t beri ieksichtigt ~. Die yon T i n b e r- g e n und S o 1 o w formul ier te Waehstumstheor ie verwendet die Douglas- Cobb-Funk t ion und lgl]t sich dureh folgende Gleiehung veransehaulichen, in wel&er P das (reale) Sozia lprodukt , A und K die P roduk t ions fak to ren A r b e i t und Kapi ta l , a nnd k ihre Produkt ionse las t iz i tg ten , T den S tand des teehnisehen Wissens und t den Ze i t f ak to r angeben:

P (t) = T (t) . h (t) a(t) . K (t) k(t). ( I .1)

Die Funk t ion zeigt abnehmende, gleiehbleibende odor zunehmende Er t rgge, je nachdem, ob die Summe der Prodnkt ionse tas t iz i tg ten Ideiner, gleieh oder grSl]er Ms eins ist. Je nachdem, ob der technische For t schr i t t neutra l , a rbe i t s - oder k a p i t a l s p a r e n d ist, b le iben die Produkt ionse las t iz i tg ten im Zei tab lauf gleich oder i indern sich. Hande l t es sich um neu t ra len techni- schen For tschr i t t , so b le iben im Zuge des Wachstums die Grenzraten der Subs t i tu t ion zwischen den Fak to ren unver/ indert ; (1.I) vereinfaeht sich zu

da . dk P (t) : ert . A (t) a" K (t) k mi t ~ - und ~ ---~ O. (1.2)

Hierbei gibt r die Rate des te&nisehen For tschr i t t s an. Die Waehstums- ra te der Pro dukt ion (rp) ergibt sich wie folgt ( r a u n d rK s ind die Waehs- tumsra ten der Faktoreneinsa tzmengen) :

rp = r -t- a . rA "~- k . rK. (1.3)

W i t wollen auf eine weitere Diskuss ion des Modells verziehten 3 trod uns

weisen auf die fiberragende Bedeutung des technischen Fortsehritts fiir das wirt- sehaftliehe Wachs~um in Grot]britannien (seit dem 1. Weltkrieg) bzw. Deutsch- land (1950--1956) hin (Oh. P. K i n d 1 e b e r g e r: Foreign Trade and Growth: Lessons from British Experience since 1913. Lloyds Bank Review, July 1962; G. B o m b a o h: Quantitative und monetgre Aspekte des Wirtschaftswachstums. In: Finanz- und w~ihrungspolitische Bedingnugen stetigen Wirtschaftswachstums'. Schriften des Vereins ftir Soeialpolitik, N. F. 15, Berlin: 1959.

Das Ifo-Institut in Miinchen hat fiir die deutsche Entwieklung seit 1925 zahlreiehe Produktionsfunktionen entwiekelt, in denen ebenfalls der teehnische Fortsehritt Ms der wichtigste Waehstumsfaktor erscheint; vgl. hierzu K. C. K u h I o: Die Wachstumsprognose, insbesondere auch die Prognose der Pro- duktiviti~tsentwiektung. In: Diagnose und Prognose Ms wirtschaftswissenschaft- lithe Methodenprobleme. Schriften des Vereins fiir Soeialpolitik N. P. 25, Berlin: 1962.

-~ Vgl. R. S e l o w: A Contribution to the Theory of Economic Growth. Quarterly Journal of Economies 70 (1956) ; J. T i n b e r g e n: Zur Theorie des langfristigen Wirtschaftswachsmms. WeItw. Archiv 55 (1942).

Vgl. hierzu insbes. A. E. 0 t t: Produktionsfunktion, teehnischer Fort- schritt und Wirtschaftswachstum. In: Einkommensverteilung und technischer Fort- schritt. Schriften des Vereins fiir Socialpolitik N. F. 17, Berlin: 1959. S o t o w kommt zu dem Ergebnis, dab in den USA der technische Fortschritt im Durch- sehnitt neutral war (Technical Change . . . . S. 320). F e I 1 n e r stellt in einem kiirzlich erschienenen Aufsatz die Krgfte heraus, die bewirken, dab langfristig der technische Fortschritt neutral gewesen ist. Arbeits- bzw. kapitalsparende Neuerungen 15sen Faktorpreisgnderungen aus, die Erfindungen in der anderen Richtung anregen, so dab auf die Dauer be~de Formen yon gleicher Bedeutung

288 Hans-Joachim Heinemann:

der Frage zuwenden, ob zwi~schen diesem und dem Harrod-Domar-Modell ein uni iberbri ickbarer Gegensatz besteht.

2. Im Wachstumsmodell von H a r r o d ist wirtschaftliches Gleieh- gewicht erreicht, wenn die sich aus dem Quotienten yon Sparneigung und Kapitalkoeffizient ergebende , ,warranted rate of growth" der ta ts~Michen Wachstumsrate, die langfrist ig ihre Obergrenze in der nattirli6hen Wachs- tumsrate findet, gleieh ist. Abweichungen zwischen beiden ffihren bei Konstanz aller anderen Bedingungen zu sieh kumul ierenden Depressionen und Inflat ionen. Ohne Dateni inderungen kommt es zu keiner Angleiehung der Waehstumsraten. S o 1 o w sieht den Mangel der Harrodsehen Theorie in der Wahl einer Produkt ionsfunkt ion mit s tarren Faktoreinsatzrela- t ionen und in fehlenden Faktorpreis~nderungen. W~hrend beziiglieh des letzten Punktes S o 1 o w zuzustiramen ist -- ungeachtet der Frage, ob man in Faktorpreis i inderungen eine ausreichende MSglichkeit zur Behe- bung yon Ungleichgewichten sieht --, t r i ff t u. E. die Kr i t ik an der Produk- t ionsfunkt ion nieht zu. Sicherlich erfiillt eine Leont ief-Funkt ion das Har- rod-Modell, aber auch andere Produkt ionsfunkt ionen, wie z. B. solehe veto Cobb-Dougla~ Typ s ind mit ihm w~reinbar 4. S o l o w w e i s t da r au fh in , dab bei VernachlEssigung technologischer Verbesserungen die natiirliche Wachs- tumsrate bei H a r r o d mi t der BevSlkerungsentwicklung i ibereinstimmt, sofern sieh die Erwerbsquote nieht wesenttich iiudert. In einem soIehen Fall miissen, damit natiirliche bzw. tats~ehliche und gleichgewichtige Waehstumsrate i ibereinstimmen, Kapitalstoek und Einkommen sich mit der Rate der BevSlkerungsentwicklung vemehren , wodureh die Kapi ta l in ten- sit,it unver~nder t bleibt. Nun sind in der Defini t ion der natiirl ichen Waehstumsrate bei H a r r o d die teehnologisehen )~nderungen aber aus- driicklieh erwi~hnt, so daB man sie bei der Wiirdigung des Modells nicht

sind (Arbeitssparende und kapitalsparende Erfindtmgen ira Westen und in den Entwiddungsl~indern. Weltw. Archiv 88 (1962)). Im Wirtscbaftsverkehr mit unterentwickelten L~indern kann -- wie F e 11 n e r zeigt -- das Problem auf- treten, dab dort Methoden iibernommen werden, die zwar den Faktorproportio- nen in den entwickelten L/indern, .nidlt aber in den unterentwickelten L~ndern entspreehen, so dab eine Fehlallokatioa die Folge ist.

4 Vgl. hierzu A. E. 0 t t: Produktionsfunktion . . . , a.a.O., S. 156 f. und insbes. S. 188 ft.

Ist der neutrale technische Fortschritt in der Wirklichkeit die wichtigste Form, so ergeben sieh Einw~nde gegen die Verwendung des Harrod-Domar- Modells, sofern die SchluBfolgermlg S o 1 o w s zutrifft, dab neutraler technischer Fortschritt zu einem steigenden Kapitalkoeffizienten f/ihrt, w~hrend bei H a r- r o d und D o m a r mit konstanten Kapitalkoeffizienten gerechnet wird (vgl. S o 1 o w: Contribution . . . . S. 65 ft. u. 85 f.). Der Beweis S o 1 o w s vermag uns allerdings nicht ganz zu iiberzeugen. Zu dieser Frage und damit auch zu der Vereinbarkeit neutra]en technischen Fortschritts in einer Douglas-Cobb Funktion mit dem Modell von H a r r o d vgl. die in Bearbeitung befindliche Dissertation yon G. H u o b e r: Die Rolle des technischen Fortschritts in der Produktions- funktiom Einige Hinweise zu den obigen Ausffihrungen verdanke ich einem Referat yon FrL H u o b e r in der Doktorandenarbeitsgemeinschaft von Prof. M 5 t I e r i m Sommersemester 1962. O t t meint, dab eine Donglas-Cobb Funktion mit arbeitssparendem technisvhem Fortschritt den Kapitalkoeffizienten konstant halte und datum dem Harrod-Modell ad~quat sei.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 289

vernachl~ssigen darf . Dann bes teh t aber auch kein Grund mehr zu der Folgerung, das Model l impl iz iere eine P roduk t ions funk t ion mi t f ixen Koef- fizienten.

3. Wenngleich der Bei t rag S o 1 o w s in vielem wesentlich wei terf i ihr t als das Modell veto Ha r rod -Domar -Typ , so is t er doch mi t diesem nicht unvereinbar . Unsere Uber legungen zeigen, dab es wenig sinnvott w~,re, Per ioden mi t einem , ,Har rod-Domar -Wachs tum" gegeniiber sotchen mi t einem , ,Solow-Wachstum" abzugrenzen, wobei im 1. Fa l l Zeitr~ume ge- meint s ind, in denen Kap i t a l akkumula t i on und Kapi ta l in tens iv ie rung vor- herrschend waren, w/~hrend es sich im 2. Fa l l um durch den technischen For t schr i t t gepr/igte Zei tabschni t te ha~udelt 5. In beiden F~lten jedoch kann das Wachstum mi t einer s t a rken Zunahme des Rea. lkapi talbestandes ver- bunden sein.

Von den erw/ihnten Modellen w/ihlen wi t f i ir die weitere Behandlung das analyt isch einfachere, n/~mlich das Har rod-Domar-Model l , das in § 2 dutch die explizi te Berficksiehtigung der Aui3enhandelsbeziehungen er- g~nzt wird 6. Beim Harrod-Domar-ModeI1 ha.ndelt es sich urn ein aggre- giertes Modell , das keine sektora len Verschiedenheiten beriicksichtigt. Mit seiner Hilfe beschreiben wir nicht den tats/~chlichen Wachs tumsver lauf einer Volkswirtschaft , sondern den Prozel3 des glelchgewichtigen Wachs- turns. Da, s Ergebnis i s t also nicht die in einer bes t immten Perio de rea l i - s ier te Wachs tumsra te des Einkommens, sondern vie lmehr diejenige, die zur erwiinschten Ausnu tzung der Produkt ionskapaz i tE t erforderl ich ist.

W i t beriieksichtigen in unserem Modell explizi t lediglich die Vorg~i~uge in der sich entwickelnden ¥o lkswir t schaf t A; die Wir tschaf tsbeziehungen mit dem un~erentwickelten Land B werden in gewissermaBen exogener Fo rm in das Model l eingefiigt. Die beiden wichtigsten Griinde f i i r dieses Vorgehen s ind:

1. Unser Modell verwendet die Mult ipl ikato.r- und Akze le ra to rhypo-

So K i n d l e b e r g e r : Foreign Trade . . . . S. 25. K i n d l e b e r g e r gtaubt, beide Wachstnmsfonnen trennen zu kSnnen, je nachdem, ob der Waehs- tumsanstoB dutch eine Kapitalakkumutation oder tcchnologische Verbesserungen erfolgt. Die beiden Formen haben nach seiner Meinung versehiedenen EinfluB auf die Zahlungsbilanz.

6 Wir vcrzichten hier auf eine Diskussion der Waehstumsmode]le yon N. K a 1 d o r (A Model of Economic Growth. Economic Journal L X V H (1957)) und D. G. C h a m p e r n o w n e (Capital Accumulation and the Maintenance of Full Employment. Ee. J. L X V I I I (1958)), die sich yon S o t o w u. a. dadureh untcrscheiden, dab in ihnen keine Trennung von Bewegungen innerhalb einer Produktionsfunktion auf Grund yon FaktorpreisEnderungen und yon Verschie- bungen yon Produktionsfunktionen infolge technischen Fortschritts mSglich ist. Beide Modelle werden diskutiert von A. E. O t t (Produktionsfunktion . . . . S. 155 ff. und S. 198 ff.). Zur Diskussion der ,,neoklas'sisehen" Wachstums- theorie vgt. auch das Buch von J. E. M e a d e: A Neoclassical Theory of Economic Growth. London: 1961, insbes. Kap. 2--4, und die kritische Besprechung von J. R. H i c k s im Economic Journal L X X I I (1962), S. 371 ff., ferner das Sym- posium zur Wachstumstheorie im Juni-Heft (1962) der Review of Economic Studies mit BeitrEgen yon K a l d o r , S a m u e l s o n , S o l o w , Joan R o b i n - s o n und anderen.

Zeitschr. f. NationalSkonomie. XXIII. Bd.. Heft 3-4 19

290 Hans-Joachim Heinemann:

these, die fiir entwickelte Volkswi[rtschaften bereits nicht unbestritten sind, fiir die Analyse der Wachstumsprobleme unterentwickelter Lander abet noch wesentlich weniger geeigDe~ erscheinen 7. Das schnelle BevSlke- rungswachstum in diesen Gebieten l~13t die Annahme eines konstanten Kapitalkoeffizienten noch fraglicher erscheinen als in entwicke]ten L~n- dern;

2. ungeachtet dessen gilt jedoch: wir wollen annehmen, dab dutch das Zusammenwirken der Entwicklungshilfe seitens des Landes A und einer entspreehenden Wachstumspolitik in B dessen Einkommenswachstumsrate stabilisiert wird. l)ber die HShe dieser Wachstumsrate werden wir aller- dings einiges zu sagen ha.ben, wobei die verschiedenen sic beeinflussenden Faktoren zu untersuchen sein werden. MSglichkeiten des Landes A, auch seine Wachs~umsrate zu stabilis~ieren, und die Auswirkungen solcher Sta- bilisierungsmal3nahmen werden an verschiedenen Stellen behande~t werden.

Im folgendenden Abschnitt wollen wir kurz auf Wachstumsprobleme des Landes A eingehen, ohne da~ wir die Wirtschaftsbeziehungen zu B be- riicksichtigen. Anschliel3end werden jedoch diese AuBenwirtscbaftsbezie- hungen beriieksichtigt. Hierbei werden much Probleme beriihrt werden, die mit der zunehmenden Verschuldung bzw. der wachsenden Gl~ubigerposi- tion eines Landes und den damit verbundenen Zinszahlungen in Verbin- dung stehen.

2. Ein Wachstumsmodell fiir eine geschlossene Wirtschaft

1. Gleichgewichtiges Wadastum erfo.rdert, dab Giiterproduktion and Giiternachfrage im selben Mal3e zunehmen. Die H5he der Produktion be- stimmt sich nach folgender Gleichung

Pt ~--- k" Kt k ~--- const. (1.4)

Hierbei bedeuten: K die eingesetzte Kapitalmenge und k die Kapitalpro- duktivit~it bzw. den reziproken Wert des Kapitalkoeffizienten. Ffir die Wachstumsrate yon Produktion und Angebot ergibt sich

dPt /Pt ~ k" dKt rpt = d~- - ~ /Pt---~ k" IJPt ~- k" it. (1.5)

It zeigt die Veriinderung des Kapitalbestandes, also die Nettoinvestition in der Periode t, it den Anteil der Nettoinvestition an der Produktion, also die Investitionsquote. Die Wachstumsrate tier Produktionskapazit~t ist somit umso hSher, je grSBer die Produktivit~t des eingesetzten Kapitals und je grSBer dessen Ver~nderung sind s. Die Kapitalproduktivitiit k ent-

7 Zur Anwendbarkeit der Beschiiftigungs- und Wachstumstheorie auf Pro- bleme der unterentwiekelten L~nder: V. K. R. V. R a o: Investment, Income and the Multiplier in an Underdeveloped Economy; H. J. B r u t o n: Growth Models and Underdeveloped Economies. Beide Aufs~tze in A g r a r w a 1 a & S i n g h eds.: The Economics of Underdevelopment. Oxford: 1958; vgl. ferner die in ver- schiedener Hinsicht ~ul3erst instruktJ:ve Untersuchung yon A. O. H i r s e _h'. m a n: The Strategy of Economic Development. New Haven: 1958, bier Kap. 2.

s In unserem Modell erscheint nnr die Nettoinvestition, nieht aber die Ersatzbeschaffung. Zum Zusammenhang zwischen Abschreibung und Ersatz-

Wirtschaftiiehes Wachstum and Entwicklungshilfe 291

h~it sowohl J~nderungen der Kapitalintensit~t -- also Anderungen des Verh~lmisses von Kapital- and Arbeitseinsatz -- Ms auch Anderungen der Arbeitsproduktivit~t , verstanden Ms Quotient yon Sozialprodukt und Arbeitsstunden. Eine ErhShung der Arbeitsproduktivi t~t mut] sich bei gleichbleibender Kapitalintensit~t in einer ErhShung yon k bzw. einer Senkung des Kapitalkoeffizienten ~uBern. Bleibt dagegen der Kapital- koeffizient im Zeitabtauf gleich -- was wir in unserem Modell anneh- men --, so muB mit der Arbeitsproduktivit~t auch die Kapitalintensit~t steigen. Die in der Realit~it beobachtete Zunahme der KapitaIintensit~.t hEtte ohne den technischen Fortschrit t zu einer VergrSl]erung des Kapital- koeffizienten fiihren mfissen. Insoweit solche Tendenzen jedoch nicht fest- stellbar sind, ist dies auf den technischen Fortschrit t and die damit ver- bundene Zunahme der Arbeitsproduktivit / i t zurfickzuffihren.

Das Einkommen wird bei fehlender staatlicher Aktivit~t f/Jr den Kauf yon Konsum- und Investitionsgfitern verwendet. Wir vernachlgssigen in beiden Funktionen ZinsEnderungen and dan Vel~5gensbestand. Die Nach- frage der Wirtsch~ftssubjekte nach Verbrauchsgiitern sei linear vom Ein- kommen der gleichen Periode abhgngig:

Ct ~ e - ¥ . (L6) Ffir die Ersparnis gilt entsprechend

St = s" Yt (e -]- s ~ 1). (1.7)

Fiir unsere Untersuchung ist as weder zweckmEl~ig noch erforderlich, Kon- sum und Sparen Ms yore Einkommen der Vorperiode abhEngig zu be- traehten 9

beschaffung: E. D. D o m a r: Depreciation, Replacement and Growth. Economic Journal LXIII (1953).

9 Bei yon nul] verschiedener Wachstumsrate wiirden sich in einem solchen Fall Ersparnis and Verbrauch nicht zum Einkommen der laufenden Periode erg~nzen. Die tats~chliche Ersparnis ergibt sich bei realisierten KonsumpI~nen dana Ms Summe aus der geplanten Ersparnis m~d der Einkommensver~nderung. Die gesamte aus dem ~drtschaftlichen Wachstum resultierende Einkommens- differenz were dann als ungepla~te Ersparnis zu betrachten. Die Konsum- quote, d. h. der Anteil des laufenden Verbrauchs am laufenden Einkommen, ist dann notwendigerweise geringer Ms die Kons~mneigung, die den Iaufenden Verbrauch auf das Einkommen der Vorperiode bezieht. U. E. ist es weaig sinnvoll, geplanten Konsum and geplante Ersparnis auf das Einkommen der Vorperiode zu beziehen, wenn man Probleme gleichgewichtigen Wazhstums er- 5rtert, denn hierbei wird unterstellt, dal] die Planungen der Wirtschafts- subjekte nicht ,,wachs~tumsbewuBt " erfolgen. Berficksiehtigen die WirtsehMts- subjekte auch das wi1~schaftliche Wachstum, so kSnnen wir davoa ausgehen, daG die auf das Einkommen der Vorperiode und die aaf die erwartete Einkommens- differenz bezogenen Konsumneigungen im wesentlichen fibereinstimmen. Im gleich- gewichtigen Wachstum stimmen abet erwartete and tats~chliche Einkommens- differenz fiberein, so dab wit die Funktionen (1.6) und (I.7) erhalten.

Bei time-lags, in Konsum and Sparfunktion stimmen die sich aus den Gleichungen Y~--m-C-~ I and S m-~- I ergebenden Wachstumsraten nicht mehr ~berein, die aus der ersten Gleiehung sich ergebende Rate ist vielmehr die grSt3ere. Vgl. hierzu D. H a m b e r g : Economic Growth . . . . a. a. O., S. 225ff.; A. K e r v y n: A Note on the Accelerator and Constant Growth. Review of Economic

19"

292 Hans-Joachim Heinemann:

Die Investitionsnachfrage wird vor Mlem yon der erwaxteten Produk- tivitgt bzw. der realen Verzinsung und den Absatz- bzw. Einkommens- erwartungen bestimmt. In vereinfadhter Form kSnnen wir unter Verwen- dung der Akzeleratorhypothese also schreiben

dY It ~ b" d~ (1.8)

Der bier verwendete Akzelerator b ist natiirlich nicht identisch mit dem reziproken Wert der Kapitalproduktivit~it k. W~hrend es sieh bei dieser um eine technische Relation handelt,, die den tatsgehliehen Erfolg des ein- gesetzten Kapitals angibt, handelt es sich bei b um einen Verhaltens- koeffizienten. Nichtsdestoweniger bestehen zwischen beiden GrSBen enge Beziehungen. Betrug die Produktiv:itgt des Kapitals in den vergangenen Perioden immer k, so werden die Unternehmer bei ihren Investitions- entscheidungen yon dieser Produktivitgt ausgehen und uaterstellen, dab sie auch in den n~ehsten Perioden gilt. Der Quotient zwisehen der erwar- teten Einkommens~nderung und der laufenden Investition ist dann dem reziproken Wert der Produktivitgt, also dem Kapitalkoeffizienten gleieh. Werden die unternehmerischen Erwartungen entt~iuscht, dann besteht die- ser engo Zusammenhang nieht mehr. Allerdings wird dann ohnehin die Gleiehgewichtswachstumsrate nicht realisiert, so dab sich kumulative Ex- pansions- oder Kontraktionsprozesse einstellen, sofern nicht neue Daten- gnderungen oder wirtsehaftspolitische MaBnahmen dies verhindern 1~

2. Aus unseren die Konsum- und Investitionsgiiternaehfrage bestim- menden Funktionen (1.6) und (1.8) ergibt sich (unter Beachtung von e ~- s----- 1) folgende Gleiehung flit das Volkseinkommen 11:

Y---~ (1 - - s) Y ~- b d Y . (1.9) dt

Fiir die Wachstumsrate des Einkommens erhalten wir also dY ~ - / Y ~-: ry = s/b. (1.10)

Die Wachstumsrate des Volkseinkommens ist umso hSher, je grSl]er die Ersparnis und je niedriger der Akzelerator sin& Niedriger Akzelerator und hohe Sparneigung bewirken, dab die volkswirtschaftliehe Nachfrage aus dem laufenden Einkommen geringer ist als bei hSherem Akzelerator und kleinerer Sparneigung. Um dennoch das verffigbare Angebot aufzu- nehmen, mul3 das Einkommen stgrker wachsen. Fiir das Gleichgewichts- einkommen gilt also

Y ~ Y0e (s/b)t. (1.11)

Hierbei gibt Y0 das Ausgangseinkommen an.

Studies XXII (1954/5). Im Grunde handelt es sich hier weitgehend um ein Definitionsproblem, so auch E. P r e i s e r: Wachstum und Einkommensvertei- lung. Heidelberg: 1961, S. 30, Ful]note 2.

le Vgl. A. E. O t t: The Relation between the Accelerator and the Capital Output Ratio. Review of Economic Studies X X V (1957/8).

n Im folgenden beziehen sich alle nicht indizierten Griiflen auf die laufende Periode (t).

Wirtschaftliehes Wa&stum und Entwicklungshilfe 293

Das Waehstum der Produktionskapazit/i,t ergibt sich entspreehend (1.5) aus dem Produkt yon Kapitalproduktivit/it und Investitionsquote, das Einkommenswaehstum aus dem Quotienten yon Sparneigung und Akzele- rator. Wirtschaftliches Gleichgewicht erfordert bei Gleichheit yon Inve- stitions- und Sparquote somit die 1Jbereinstimmung yon tatsi~ehlieher and -- dureh den reziproken Weft des Akzelerators bestimmter -- erwarteter Produktivitgt des Kapitals. Stimmen i und s fiberein, so mul~ eine even- tuetle Neigung der Volkswirtsehaft zur Depression bzw. Stagnation an einem zu grogen Akzelerator im Vergleieh zur Kapitalproduktivitgt lie- gen. Die Unternehmer haben die Preduktivitgt der ~nvestitionen zu gering einges&iitzt; in der ni~ehsten Periode stellen sic fest, dab sie Oberkapa- zitiiten haben. Um diese einzusehr~i.nken, senken sie die Investitionsnaeh- frage, wodureh in der betreffenden Periode d ~ lJbersehul3angebot jedoeh zwangsI/iufig vergrSBert wird. Liegt die Waehsmmsrate des Einkommens fiber der der Produktionskapazitgt, so mfissen b bzw. k heraufgesetzt wer- dan, um inflation~ire Auswirkungen zu vermeiden.

3. Die ermittelten Waehstumsraten ffir Produktion und Einkommen beruhen auf der Konstanz der Spar- und Investitionsneigung, sowie der Kapitalproduktivit~.t nnd des Akzelerators. Kurzfristige Vergnderungen dieser Parameter fiihren zu kumulativen Abweiehungen yore Waehstums- pfad; Iangfristige Vergnderungen f/ihren dagegen zu vergnderten Gteieh- gewichtswaehstumsraten yon Produktion und Einkommen. Unser Modell sehlieBt kontinuierliehe 24nderungen dieser Art ans; es erlaubt freilieh Anderungen im Rahmen yon Datengnderungen.

Steigt das Einkommen einzelner Wirtsehaftssubjekte stgrker Ms das anderer, so mag bei ersteren die Konsumneigung fallen und die Sparneigung demzufolge steigen. Ein solcher Zusammenhang zwischen Einkommens- zunahme und Sparneigung besteht dagegen nieht notwendigerweise fiir die Volkswirtsehaft als ganzer, wenn z. B. das Einkommen Mler urn etwa den gleiehen Prozentsatz steigt.

In der Tat dfirfte in den westliehen Volkswirtsehaften der Anteil der Ersparnis (und damit aneh der Investition) am Volkseinkommen ziemlich stabil geblieben sein ~:. Dies bedeutet freilieh nieht, dab bei weiteren Einkommensznnahmen, sofern diese nieht mit einer starken Einkommens- verteilung ,,naeh unten" verbunden sind, nieht die Sparneigung zunehmen kSnnte, wodureh bei nnvergnderter Kapitalproduktivitgt die Gefahr der Stagnation eintreten kSnnte.

Das wirts&aftliehe Waehstum wiirde stgndig zurfi&gehen, wenn die Kapitalproduktivitgt dauernd abnehmen wiirde, was bei unver~.ndertem teehnisehen Wissen bei zunehmender Kapitalintensivierung sowohl naeh dam Ertragsgesetz als aueh bei der Cobb-Dougtas-Funktion bei gleieh- bleibenden Ertrggen eintreten mfil3te. Wenn fiber lange Zeitrgume jedoeh keine eindeutigen Tendenzen zugunsten einer Steigerung des Kapitalkoeffi- zienten beobaehtet wurden, so mul~ die Emveiterung des teehnischen Wis- sens offenbar die Wirkungen der zunehmenden KapitMintensivierung kompensiert haben. Die technologisehen Verbesserungen kamen nieht nur

1_o F e 1 1 n e r, Trends and Cycles . . . . a. a. O., S. 118 ff.

294 Hans-Joac~m Heineraann:

den Neuinvestitionen, sondern selbsLverstandlich auch den Ersatzinvesti- tionen zugute, so dab sich auch die Produktivit~t des urspriinglichen Ka- pitalstocks vermehrte. Ein weiterer Faktor, der die Wirkung des Ertrags- gesetzes neutralisierte, ist z. B. die Verbesserung des Transportwesens 13

Die wirtschaftliche Entwicklung der westlichen Welt nach dem 2. Welt- krieg scheint nicht gerade die Stagnationsthese zu bestiitigen. Die effektive Nachfrage entwickelte sich eher zu rasch, so dab inflation~ire Erscheinun- gen auftraten. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, da~ weitere technische Verbesserungen dazu fiihren kSnnen, dab das Produktionswachstum die Entwicklung der Nachfrage iibersteigt. Sollen Unterbeschaftigung und de- flation~re Prozesse vermieden worded, so sind in einem solchen ,,S~itti- gungsbereich" drei MSglichkeiten gegeben:

1. einmal kann man versuchen, die inl~ndische Nachfrage durch wirt- scha.ftspolitische Mittel ~nzuregen und eventueI1 den AnteiI des 5front- lichen Sektors an der Einkommensverwendung vergrSBern, um einer mSg- licherweise hohen Einkommenselastizitat ffir 5ffentliche Giiter Rechnung zu tragen;

2. zum zweiten kann man das Arbeitsangebot verringern und semit das Angebot des Gutes Freizeit erhShen und

3. drittens ist es schlieBlich mSglich, das Uberschul]angebot ~ndere~ L~ndern in Form eines realen Kapita][exports in Form yon Leistungsbilanz- iiberschiissen als EntwickIungshilfe zur Verfiigung zu stellen. Diese MSg- lichkeit interessiert im folgenden besonders.

Wir haben im vorhergehenden kaum die tats~chlichen Wachstums- bedingungen beachtet. Aussagen iiber den Zusammenhang zwischen Wirt- schaftsstruktur, den sektoralen Beziehungen und Einkommenswachstum w~ren hierzu zu beriicksichtigen. Hier sollten jedoch nur einige Fragen erSrtert werden, die fiir die folgenden Betrachtungen von Bedeutung sin&

§ 2. W a c h s t u m s p r o b l e m e o f t e n e r V o l k s w i r t s c h a f t e n

1. Die Erweiterung unseres Modells

Die in der geschlossenen Wirtschaft im dynamischen Gleichgewicht er- forderliche ~)bereinstimmung yon Einkommens~ und Produktionswachstum

13 F e 11 n e r kommt zu dem Ergebnis (ibid. S. 244 ff.), dab der Kapital- koeffizient in den letzten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA zu- genommen hat, danach 30 Jahre konstant blieb und in den folgenden 20 Jahren sogar geringfiigig zuriickging. Da dieser Riickgang jedoch geringer war als die Abnahme der Profitquote, mul3 die Rentabilit~t des Kapitals etwas abgenommen haben. Zur Stabilit~it des Kapitalkoeffizienten auch" E. D. D o m a r: Die gegen- seitigen Beziehungen zwischen KapitaI mid Ausstol] in der amerikanischen Wirt- schaft. Zeitschrift ffir NationalSkonomie XV (1955), S. 115 ft.

Kann man ffir grSl~ere Gebiete ~md l~ingere Zeitr~ume auch n. U. eine gewisse Konstanz des Kapitalkoeffizienten feststellen, so gilt dies doch sicher nicht fiir kleinere Regienen oder ffir Wirtschaften, die ihre Entwick]ung gewissermal]en schubweise mit grSl~eren Investitionsprojekten einleiten. Liegen solche point input -- point output bzw. point input -- continuous output Projekte vor, so ist zun~ichst mit einer sprunghaften Zunahme des Kapitalkoeffizienten zu rechnen, w~hrend bei Anfall der Ertr~ige dieser ebenfalls sprunghaft bzw. kontinuierlieh wieder sinkt.

Wirtschaftliches Wachstum und EntwicMungshilfe 295

impliziert, dab die geplanten Investitionen mit den geplanten Ersparnissen fibereinstimmen. Fiir die offene Wirtsehaft tritt an die Stelle dieser Gteieh- gewichtsbedingung

S -~- M ~ I -}- X. (2.1)

Die Summe aus den geplanten Erspai'nissen (S) und Importen (M), also aus den nicht unmittelbar einkommenswirksamen Einkommensbetrggen, mu/3 der Summe aus Inlandsinvesti t ionen (I) und Exporten (X) gleich sein. Wir sehen bereits hieraus, dag durch die augenwirtschaftl i&en Be- ziehungen eines Landes StSrungsfaktoren beseitigt oder vermindert wer- den kSnnen, die in der gesehlossenen Wirtsehaft mSglieherweise auftreten. Ubersteigt die geplante Ersparnis die beabsiehtigte Investition, so kann in der offenen Wirtschaft eine Depression vermieden werden, wenn die inl/indische NachfrageI/i&e durch einen gleichhohen ExportfibersehuB kom- pensiert wird.

Die Spar- und Investi t ionsfunktion haben wir bereits betraehtet; im folgenden mfissen noeh die Import fnnkt ion des Landes A und die dessert Exporte bestimmende Import funkt ion des unterentwiekelten Landes B behandelt werden, wobei einiges fiber das Waehstum unterentwi&elter L~nder zu sagen sein wird ~4 tn diesem Paragraphen wollen wit vor allem die Bedeutung der GtiterstrSme fiir das Waehstum untersuchen. Weitere Bemerkungen fiber die damit verbundenen Leistungsbilanzprobleme und die sich ergebenden Folgen fiir die Entwieklung der Zahlungsbilanz und der AuslandssehuIden finden sieh an sp~iterer Stelle.

2. Die Importnaehfrage des Landes B (Die Exporte des Landes A)

1. In unserer aus zwei B15cken bestehenden Weltwirtschaft zNalen zu den Exporten des Landes A nur die Lieferungen nach B, entsprechend rechnen zu seinen Importen nur die yon B empfangenen Lieferungen. Dies ist im folgenden zu bea,hten, die Aussagen kSnnen nicht oder doch nur

i4 Dabei kann es sich freitich nur um Andeutungen handeln. Aus der umfangreichen Literatur vgl. beispielhaft: N. S. B u c h a n a n and H. S. Ellis: Approaches to Economic Development. N. Y.: 1955 ; A. O. H i r s c h m a n: The Strategy of Economic Development, a. a. 0.; W. A. L ewi s: The Theory of Economic Growth. London: 1955 (dr.: Die Theorie des wirtschaftlichen Wachs- turns. Tiibingen: 1956).

Ein interessanter Versuch, den Zusammenhang zwischen interregionalem bzw. internationalem Handel und wirtschaftlieher Entwicklung aufzuhellen, finder sich bei T. H a ~ v e I m o im 5. Teil yon A Study in the Theory of Economic Evolu- tion. Contribugons to Economic Analysis, Vol. III, Amsterdam: t956. Neben dem friedlichen Wirtschaftsverkehr untersucht H a a v e I m o Strategien der Kooperation, des Protektionismus usw. Wie das Einkommcn einer isolierten Region nicht lediglieh die Summe aller prodnzierten Giiter und Dienste sei, sondern den Weft dieser Produktion nach ihrer Verteilung unter die Wirt- schaftssubjekte angebe, se ider Wert der yon offenen Regionen erstellten Gtiter sowohl eine Funktion der produktiven T~tigkeiten innerhalb jeder einzelnen Region als auch der Haadetst~tigkeit, welche erst die endgfiltige Verteibang bestimmt.

296 Hans-Joachim Heinemann:

mit groi~en Vorbehal ten auf die wirtschaftl ichen Beziehungen zwischen entwickelten Votkswirtschaften oder zwischen unterentwickelten LEndern angewandt worden. Die in der Reali tEt sei t dem Ende des 2. Wel tkr ieges beobachtete In tegra t ion dev Weltwirtsc~haft und die dami t verbundene Aus- weitung des Wel thande ls brauchen daher nic~ht zu bedeuten, dab auch die Handelss t rSme zwischen den entwickelten Gebieten insgesamt und der Gesamthei t de r unterentwickel te~ LEnder b re i t e r geworden sind. In unse- rem Modell i s t jene Auswei tung des Wel thandels a l lenfal ls als eine In ten- s iv ierung der (Binnen-)Handelsbezie]hungen innerha lb des Landes A auf- zufassen.

2. Wir betrachten kein homogenes 2-L~i~der-Wachstumsmodell. Viel- mehr unterstellen wir, dab sich die Exporte des Landes A in einer be- stimmten, gleich n~her zu erl~uternden Weise entwickeln und dab diese Entwicklung nicht durch Vorg~nge in einem der beiden L~nder gestSl~ wird. MSgliche Einf l i isse wi r t sd la f t spol i t i scher Mal3nahmen des Landes A werden als Datenanderungen der in B wi rksamen Fak to ren angesehen. Die Expor t funk t ion des Landes A habe folgendes Aussehen ~

Xa ~m~,Yboe ~bt. (2.2)

Die Expor te von A nach B sind dami t ein dutch die Impor tne igung des Landes B (rob) bes t immter Teil des laufenden Einkommens yon B, welches mi t der gleichbleibenden Rate rb wachse. Die Expor te des Landes A s ind also umso hSher, je grSBer das Ausgangseinkommen, dessert Wachstums- ra te und die Imporme igung in B sind.

Trotz mSglicher Einwande wollen wi t diese Funk t ion als Ann~herungs- wert verwenden. Meistens dfiff ten gerade die Impor te de r unterentwickel- ten L~nder weniger yon ihrem laufenden Einkommen als yon ih re r Im- por tkapaz i t~ t bes t immt werden, die wiederum yon den Expor ter lSsen ab- h~ingt. Nati i r l ich b i lde t die Impor tkapazi tEt , deren GrS~e auch von den Devisenreserven abhangt , letztlich auch die Obergrenze f i i r d ie Impor te de r entwickelten L~nder 10.

1~ Im Gegensatz zu dieser Exportfunktion h~tte die Exportfunktion des Landes A bzw. die Importfunktion yon B in einem homogenen Wachstums- modelt z. B. folgendes Ausschen: X~ ~ mbYb(Ya); hier w~re also die Abh~ngig- keit der Einkommensentwicklung in B yon dem Wachstum in A explizit berfick- sichtigt. Solche vollst~adigen 2=L~nder Modelle finden sich bei H. G. J o h n s o n: Equilibrium Growth in an International Economy. Abgedr. in: J o h n s o n: International Trade and Economic Growth. London: 1958. (2.2) gibt nut die Nachfrageseite ffir Exporte aus A wieder. Inwieweit diese Nachfrage zu kon- stanten Preisen beffiedigt werden kann, h ~ g t yon den wirtschaftlichen Bedin- gungen in A ab; hierzu unten mehr.

16 Eine genaue Analyse erfordert die Aufteihmg der Gesamtimportfunktionen in solche flit Rohstoffe, ffir Nahrungsmittel und ffir Manufakturwaren (vgL H. N e i s s e r & F. M o d i g 1 i a n i: National Incomes and International Trade. Urbana (Ill.): 1953). Insbesondere ffir unterentwickelte L~nder is't die Import- abh~ngigkeit vom Einkommen vielleicht weniger entscheidend als die yon den ExporterlSsen und der industriellen Produktion, die sich nieht immer parallel zum Einkommen entwickeln mul~. Vgl. H i r s c h m a n , Strategy . . . . Kap. 6 & 7; B r u t o n, Growth Models . . . . Ch. K i n d 1 e b e r g e r, Economic Development, N. Y. etc. 1958, Kap. 14 & 15.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 297

3. Die Wachstumsrate rb gibt lediglich Auskunft fiber die Sozialpro- duktsentwicklung in B; es ist weder etwas dariiber gesagt, wie sic erreicht werden kann, noch dariiber, inwicweit sic eine wirkliche wirtschaftliche Entwicklung im Sinne einer Re~leinkommenszunahme pro Kopf repr~i- sentiert. Wirtschaftliche Entwicklung in diesem Sinne liegt vor, wenn r~ grSBer als die Wachstumsrate der BevSlkerung ist. Wie wit wissen, ist das BevSlkerungswgchstum in vielen unterentwickelten Lgndern sehr hoch, so dab das pro Kopf-Einkommen h~ufig nur unbedeutend zunirnmt und bis- weilen sogar stagniert. Dies hgngt wiederum damit zusaznmen, dab Be- vSlkerungs- und Einkommenswachstumsrate nicht un~bhgngig voneinan- der sind. Steigt das Durchschnittseinkommen, so mag dies Einfliisse guf die Geburtenrate haben; sic sollen hier aber nicht untersucht werden. In jedem Falle aber dfirfte der far hygienische nnd ghnliche Zwecke ausge- gebene Betrag zunehmen, so da~ eine Verringerung der Sterberate wahr- scheinlich ist. Diese Tendenz wird unterstiitzt durch die Tgtigkeit inter- nationaler Organisationen wie z. B. der Weltgesundheitsorganisation. Da die Verminderung der Sterblichkeitsziffer eine ErhShung des durchschnitt- lichen Lebensalters imptiziert, insbesondere aber die Sguglings- und Kin- dersterblichkeit verringern dfirfte, nimmt der Anteil der arbeitenden Be- vSlkerung an der Ge,samtbevS]kerung moist ab. Insoweit die BevSlkerungs- vermehrung das &rbeitsa, ngebot nicht erhSht, ist ihr Grenzertrgg null und der Durchschnittsertrag sinkt entsprechend. Abet auch die Grenzproduk- tiviti~t der zusi~tzlichen Arbeitskrgfte ist bei dem Stand der Produkt~ons- technik in den unterentwickelten Liindern h~ufig sehr gering und liegt unter dem Durchschnittsert:rag. Die Einko.mmenswaehstumsrate wird dutch d~s Wachstum der BevSlkerung somit kaum gfinstig beeinfluBt ~7

Eine Steigernng der Wachstumsrate erfordert eine ErhShnng der Pro- dnktivitgt der bereits eingesetzten Faktoren und einen vermehrten Einsatz der Yaktoren, dere,n Produktiviti~t hoeh ist, die also knapp sind. Dies ver- langt vor ahem eine ErhShung des Re~lkapitalbestandes in den betreffen- den Volkswirtschaften. Dazu ist neben einem entsprechenden Kapital- angebot aus eigenen Ersparnissen und einera Kapitalimport aus entwik- kelten Li~ndern die Schaffung entsprechender Investitionsgelegenheiten notwendig. Solange diese Investitionsgelegenheiten nicht vorhanden sind, besteht die Gefahr, dab nicht konsumierte Einkommensteile iiberhaupt nicht in den unterentwickelten L~ndern selbst, sondern in a,nderen Gebie- ten investiert werden. Der vidgenannte circutus ~Stiosus, der iiblicherweise nut a uf die eine Seite der Medaille bezogen wird, n~mlich: die Entwick-

~ Vgl. L e w i s, Theory of Economic Growth, Kap. 6; H. L e i b e n s t e i n: A Theory of Economic Demographic Development. Princeton: 1954; H. J. B r u t o n : Contemporary Theorizing on Economic Growth. In: Theories of Economic Growth, by F. H o s e 1 i t z etc., Glencoe (Ill.) : 1960, S. 268 ft.

Ist Y das Sozialprodukt und N der Arbeitseinsatz, so erhalten wit fiir das Durchschnittseinkommen y ~ Y/N. Die Ableitung nach N ergibt dy/dN ~ (N. dY/dN -- Y)/N ~. Das pro Kopf Einkommen sinkt somit immer, wenn das Grenz- produkt geringer als das Durchschnittsprodukt ist nnd der Arbeitseinsatz ver- mehrt wird. Diese Anssage mull alIerdings variiert werden, wenn die Erwerbs- quote nicht konstant bleibt.

298 Hans-Joachim Hoinemann:

lung erfordert Kapitalbildung, also Ersparnis ; die Ersparnisse sind wegen des niedrigen Einkommens gering; dieses wiederum bleibt gering, solange die Ersparnisse nieht zunehmen --, ist daher insofern zu erg/inzen: die In- vestitionen sind gering, weft die Rentabilit/~t gering ist; diese wird aber solange gering bleiben, soIange keine Investitionen vorgenommen werden, welcho die Rentabilit/it zu erhShen vermSgen. DaB nicht nur das geringe Kapitalangebot, sondern vor a11em auch die mangelnden Investitionsgele- genheiten einen EngpaB der wirtschaftlichen Entwicklung darstellen, betont H i r s c h m a n. Er glaubt daher, dab die Ersparnis in den unterent- wickelten L/indern nicht so sehr yon der laufenden Einkommensentwiek- lung abh/~ngt, sondern vielmehr yon den Investitionsgelegenheiten. Desh~/Ib sei auch der Zustrom aus1~ndischen Kapitals nicht so sehr nStig, um das unzureiehende Angebot an investierbaren Mitteln zu erg~nzen, als viel- lnehr deshalb, weft er zugleich neue Investitionsgelegenheiten br ingt is.

Neue Fragen wirft dann die Auswahl der Investitionsgelegenheiten auf. Privatwirtscha.ftliche wenig rentable Grundinvestitionen sind z u n ~ h s t erforderlich, um die fiir die weitere Entwicklung nStigen Produktions- mittel Wasser, Elektrizitgt und Transportgelegenheiten hervorzubringen. ire grSl]er dieses ,,basic development" aber bereits ist, umso geringer sind die Kosten der iibrigen Investitionen 19. Die Investitionen vermehren nicht nur den Realkapitalbestand, sondern sic erhShen zugleich die Faktorpro- duktivitEten; wegen des his dahin geringen Kapitalbestandes ist ffir diesen noch nicht die Wirksamkeit des Ertragsgesetzes zu befiirchten, ins- besondere, wenn die Investitionen mit der Schaffung ,modernerer" Pro- duktionsverfahren vorbunden sind. Diese Produktivit~tserhShm~g resultiert u. a. aus der Abwanderung yon Arbeitskr/fften aus Sektoren mit niedriger in solche mit hoher Produktivit/it, die dutch die Schaffung neuer Wir t - schaftszweige gefSrdert wird. Verst~rkt wird dieser Prozel] dutch die intra- sektoralen Produktivit/~tsfortschritte.

Der Abzug yon Arbeitskr/~ften in die Industr ie und die Sektoren des

is H i r s c h m a n , Strategy . . . . a. a. 0., S. 32 und S. 38f. Damit bleibt alterdings die Frage often, woher die Ersparnis kommen sell, wenn Investitionsgelegenheiten geschaffen sind. H i r s c h m a n geht allerdings in seinem Buch spKter hierauf ein.

fJblicherweise unterstellen wir eine negative Beziehung zwischen dem t)ber- gang zu einer gleichmKBigeren Einkommensverteilung and dcr Ersparnisbildung. Eine Verringerung der bedeutenden Einkommensunterschiede in den nnter- entwickelten Lgndern m£iBte somit den EntwicklungsprozeB hemmen. B r u t o n weist aber mit Recht darauf hin, dab die grSBere Ungleichm~fiigkeit der Ver- teilung in den Entwicklungsl~ndern keineswegs wachstumsfSrdernd zu sein braucht, denn die Bezieher hSchster Einkommen, d. h. die Bezieher yon Pacht- und Renteneinkiinftcn, verwenden diese h/~ufig zu conspicuous consumption, wodurch die Produktionskapazit~t nicht erhSht wird. Eine Umverteilung zu- gunsten der Besitzer produktiver Kapitalausstattung kSnnte die Wachstumsrate erhShen (B r u t o n, Growth Models . . . . . a. a. 0., S. 231).

~9 H i r s c h m a n, Strategy, Kap.. 5. Mit verschiedenen Ansichten hierzu setzt sich auseinander: R. N u r k s e: Balanced and Unbalanced Growth, In: R. N u r k s e: Equilibrium and Growth in the World Economy. Economic Essays, Cambridge (Mass.): 1961, S. 241 ff., insbes. S. 272.

WirtsehaftIiches Waehstum und Entwieklnngshilfe 299

basic development erforder% dab die in der Landwirtsehaft verbleibenden Arbeiter die bisherige Produkt ion nieht nu t aufrechterhalten, sondern wegen den mit steigenden Einkommen zunehmenden Konsumwiinsehen sogar erhShen kSnnen, sofern die fehlenden Nahrungsmittel nieht aus dem Ausland bezogen werden sollen. Land B, das bisher Agrarprodukte und Rohstoffe exportiert, Fertigwaren dagegen importiert hat, wiirde in diesem FMle diese Gtiter exportieren, jene dagegen importieren. Das setzt freilich einen Umsehwung in den komparat iven Kostenvorteilen voraus. Natiirlich sind aueh kompliziertere Transformationsbeziehungen denkbar 2o Abge- sehen yon dieser MSgliehkeit setzt eine solche Entwi&lung eine entspre- ehende ErhShung der Arbeitsproduktivit~t in der Landwirtsehaft voraus 21

Die Notwendigkeit einer gleiehzeitigen Entwieklung des landwirtsehaft- lichen und des industriellen Sektors einer Volkswirtsdaaft wirft die viel diskutierte Fr~ge des ,,balaneed growth" auf 2~. Erforder t das wirtschaft- liehe Wachstum eine gleichzeitige FSrderung aller Sektoren eines unter- entwiekelten Landes, wie die Vertreter dieser These meinen, oder ist es sinnvoller, die knappen Ressoureen dem produktivsten Verwendungszweek zuzuf/ihren? Die Ietzte Ansieht beruht auf der VorstelIung, dab die Ent- wicktung eines Sektors selbst Ausbreitungseffekte erzeugt, weshaIb allen- falls kurzfristige Engp~sse auftreten. Solehe Ungleichgewiehte sNen aber das Kennzeiehen jeder wirtsehaftli&en Entwi&tung. Dagegen besteht n~eh dieser -- vor allem von H i r s e h m a n vertreteaen -- These bei gleieh- zeitiger F6rderung aller Sektoren wegen der Knapphei t der Ressoureen die Gefahr, dab kein Sekto.r in ausreichendem MaBe entwiekelt werden kann, so dab die FSrderungsmaBnahmen versi&ern. Obglei& dieser Ein-

~o Vgl. auch Ziff. 5 dieses Absehnitts. K i n d I e b e r g e r weist in diesem Zusammenhang darauf hin (Economic Development, Kap. 15), daft die Aussage, die wirtschaftliche Entwi&lung unterentwiekelter L~nder erfordere realen Kapitalimport, da der Bedarf an auslSndisehen Investitions'giitern schneller a]s die dureh Exportert~se erreiehbare Importkapazitgt wachse, auf einer partiellen AnMyse beruht, die die angedeuteten Tra.nsformationsvorggnge nieht beaehtet. Ist man allerdings der Meinung, dab in den ersten Entwiekhmgsstadien das gesamtwirtsehaftliehe Giiterangebot unteroptimM ist, so folgt doeh, daft diesem Lande seitens der anderen Lander mehr Giiter zur Verftigung gestellt werden sollen Ms es an diese liefern kann.

22 Vgl. hierzu das instruktive Modell yon H. W. S i n g e r in: The Mechanics of Development. In: The Economics of UnderdeveloDment, a. a. O., S. 381 ft.

se R. N u r k s e , Balanced and Unbalanced Growth, a. a. 0.; d e r s e l b e : Problems of Capital Formation in Underdeveloped Countries, Oxford: 1953, Kap. 1; T. S c i t o v s k y : Two Concepts of External Economies. Journal of Political Economy 62 (1954); L e w i s, Theory of Economic Growth, a. a. O., S. 274ff. Kritiseh zu alIem P. S t r e e t e n : UnbManced Growgh. Oxford Economic Papers X I (1959) und insbesondere H i r s c h m a n , Strategy, Kap. 3 & 4; ferner J. S h e a h a n: International Specialisation and the Conce~)t of Balanced Growth. Quarterly Journal of Economies 72 (1958) ; Ch. K i n d 1 e- b e r g e r: Economic Development, Nap. 9. S t r e e t e n weist zn Beginn seines Artikels zu Reeht darauf hin, dab diese ganze Diskussion im Grunde weniger neuartig sei Ms sic scheine; s&IieBlieh sei das Problem z. B. im Zusammenha.ng mit den Erziehungszollargumenten yon Friedrieh L i s t bereits diskutiert worden.

300 Hans-Joach:im Heinemann:

wand berechtigt erscheint, ist do~c zu iiberlegen, ob die Ausbreitungs- effekte von Prim~rinvestitionen in einem Land ohne ausgebildetem Markt- system stark genug sein werden, um sowohl die zur Abnahme der Pro- duktion des gefSrderten Sektors nStige Nachfrage zu schaffen and ins- besondere die fibrigen Sektoren der Volkswirtschaft so azlzuregen, am das zur Befriedigung der zusgtzlichen Na~hfrage benStigte Angebot hervorzu- bringen ~3. Die Nachfrage auf den einzelnen Mii, rkten nimmt (bei gleich- bleibenden Preisen) entsprechend der jeweiligen Einkommenselastizitgt zu; solange keine Entwicklungsmai3nahmen erfolgt sind, ist die Angebots- elastizitgt in vielen Sektoren aber gering, so dab unerwfinschte Preisstei- gerungen auftreten kSnnen. Die Preisrelationen versehieben sich zugunsten der veto (primgren) Wachstum nicht oder nnr wenig boriihrten Bereiche.

Zur Verteidignng der ,,balanced growth"-These seien noch zwei Be- merkungen angeffigt: zungchst beruht die Vorstellung, die. wir tschaftliche Entwicklung werde durch ungleichmgBiges Wachstum in den einzelnen Sektoren am meisten begfinstigt, u. a. auf der me ist zutreffenden Anna.la- me, dab die verfiigbare.n Produktionsmittel nicht so unteilbar sind, wie es in der (statischen) Theorie meist unterstellt wird. Je grSi3er die Teil- barkeit der Produktionsfaktoren jedoch ist, umso mehr spricht fiir die ,,balanced growth"-These, weft nut durch Verteilung der Fak~oren auf mehrere Sektoren der Ausgleich der Grenzertrgge erreichbar ist e4. Zwe~- tens kann man die Idee dos ,,unbalanced growth" als eine Modifizierung der Schumpeterschen These auffassen, wonach die wirtschsYtliche Entwick- ]ung auf einem monopolartigen Wettbewerbsvorsprung der Newcomers beruht, dessen Beseitigung zu einem neuen -- station~ren -- Gleichgewicht ffihrt. In der ,,unbalanced growth"-These wird einzelnen Sektoren wegen ihrer hSheren volkswirtschaftlichen Grenzergiebigkeit ein Waehstums- bzw. Wettbewerbsvorsprung zugebilligt. MSglicherweise kSnnen durch eine sol- the Entwicklung jedoch Starrheiten begiinstigt werden, die zu einer wachs- tumsungiinstigen Allokation der Faktoren ffihren.

4. Die Wachstumsrate der unterentwickelten Lgnder wird ebenso wie .die der fortgeschrittenen Gebiete auch dutch die AuBonhandeIsmSgliehkei- ten beeinflul3t. Die iiberlieferte Aul3enhandelstheorie sieht in den Han- delsmSglichkeiten zwar wohlstandserhShende Faktoren, sie sagt jedoch wenig dariiber aus, ob diese Handelsvorteile grSBer oder kleiner sind als

"-s Im Gegensatz zu H i r s e h m a n neigt Nu rk s e der Ansicht zu, dal3 die selbstwirksamen AusbreitungseffekLe zu schwach seien und daher Mal3nahmen zur Erhiihung des Kapitalangebots' zweeks FSrderung weiterer Sektoren erfor- dertich seien. Dies mag alterdings dazu fiihren, dat~ infolge der damit mSglieher- weise verbundenen D~impfung der Konsumnachfrage die private Investitions- t~tigkeit geschw~cht wird, was zu einer Verlagerung der notwendigen Investitionen zu den staatliehen Stellen fiihren mag. Im iibrigen sehen auch die Anh~nger der ,,balanced growth"-These die Gefahr einer Versickerung knaoper Ressourcen. N u r k ~ e weist ausdriicklich darauf h!in, dal3 die Kapitalknappheit die Verwirk- tichung ausgeglichenen Wachstums verhindern kann (Balanced Growth . . . . S. 250).

2a S t r e e t e n vertritt in seinem genannten Aufsatz die Meinung, daI3 ein Konflikt zwischen einer hohen Wachstumsrate und dem Gleichgewicht im Sinne eines Ausgleichs der Grenzertr~ige der eingesetzten Faktoren auftreten kann.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 301

die dutch Anregung der binnenwirtschaft l ichen Entwicktung erzielbarer~ Vorteile. Sorait kann diese statische Theorie nieht ohne weiteres f i ir die Untersuchung yon Wachs tumsproblemen herangezogen werden es. Ira Zuge der wirtschaft l ichen Entwicklung kSnnen sich bei entsprechender GestaI- tung der terms of t r ade die kompara t iven Kostenvortef le umkehren, was s t ruk ture l l e Umste l lungen in de r P roduk t ion des bet reffenden Landes er- forder t , durch we]che das Wachstumsterapo ged~mpft werden kann, so dab die Handelsvor te i le durch die Kosten der S t ruk tur~nderungen ve rminder t oder gar bese i t ig t werden kSnnen. Diese Umstel lungsver lus te dfirf ten umso ger inger sein, je umfangreicher das Expor tg i i te rsor t i raent eines Landes ist.

Myin t weist da rau f bin, dab bei ger inger Elas t iz i t~t der In landsnaeh- frage nach exportf~higen Gii tern und ger inger Fak tormobi l i t~ t sektora le i)berschui3kapazit~ten auf t re ten kSnnen, die als Argument sowohl ffir als auch gegen Handel aufgefal]t werden k5nnen. Einersei ts kSnnen diese sonst unausgeni i tz ten Kapazi t~ ten zur P roduk t ion von Expor tg i i te rn ver- wandt werden und des Soz ia lp roduk t steigern. Zum anderen wi rd aber die Verwundbarke i t de r be t ref fenden Votkswir tschaf t grSBer ~.6

e5 Vgl. hierzu auch die Bemcrkungcn in dem Aufsatz des Veffassers: Ent- widdungshilfe, Tectmischer Fortsehritt und Terms of Trade, Zeitschrih ffir National5konomie X X I I I (t963), S. 131ff. G. H a b e r l e r ist bezfiglich der Anwendbarkeit der klassischen Theorie auf die Wachstumsprobleme unter- entwickelter Gehiete reeht optimis~isch (International Trade and Economic Deve- lopment. Kairo: 1959). Sehr kritisch ist dagegen G. M y r d a 1 (Economic Theory and Underdeveloped Regions. London: 1957), der die statische AuSenhandels- theorie bier ffir unanwendbar h~lt. Der Aut3enhandel habe nieht verhindern kSnnen, daI] die Einkommensdisparit~it zwischen entwickelten und unter- entwickelten L~ndcrn immer grSl]er geworden sei. Ebenfalls skeptiseh sind H. W. S i n g e r (The Distribution of Gains between Investing and Borrowing Countries. American Economic Review, Papers and Proceedings X L (1950)~ S. 473 ff.) und R. P r e b i s c h (Commercial Policy in the Underdeveloped Countries. Ibid. IL (1959), S. 251 ft.). Vgl. ferner zn diesem Problem: G. M. M e i e r : International Trade and International Inequality. Oxford Economic Papers X (1958). M e i e r weist anf die einseitigen Schlu~folgerungen M y r d a 1 s hin, die anf eine partielle Analyse zuriickzuffihren seien. Von empirisd~er Be- deutung sind hier vor allem die zahlreichen Untersuchungen yon S. K u z n e t s, z. B.: Economic Change. London: 1954, und: Economic Growth. Glencoe (Ill.): 1959.

Zur Anwendbarkeit der klassischen AuBenhandelstheorie auf unterentwickelte L~nder ferner: H. M y i n t : The Gains from International Trade and the Backward Countries. Review of Economic Studies 22 (1954/55), S. 129 ft.; d e r- s e l b e: The Classical Theory of International Trade and the Underdeveloped Countries. Economic Journal L X V H I (1958), S. 317 ft.; G. M. M e i e r: A Note on the Theory of Comparative Costs and Long Period Developments ~. Economic internazionale V (1952); St. B. L i n d e r: An Essay on Trade and Trans- formation. Stockholm, N. Y. etc.: 1961, bes. II A.

25 Classical Theory . . . . S. 318 ft. M y i n t unterscheidet zwischen einer Theorie der Uberschul]prodnkte, die die MSglichkeiten der Markterweiterung behandeIt, und einer Produl~tivit~tstheorie, die die Zusammenh~nge zwischen Handel, ArbeitsteiIung und Produktivit~i~serhShung erkl~rt. Die Annahmen der klas~sischen Tlleorie werden nach seiner Meinung nut der Produktivit~tstheorie gerecht.

302 Hans-Joachim Heinemann:

Der internationale Hsndel mag also die Entwicklungsrate eines unter- entwickelten Landes steigern, wenn voraussehbar ist, welche Produkte in der Folge exportiert werden kSnnen und wenn sich die terms of trade nicht zu sehr verschlechtern. Die st6rungsfreie wirtschaftliche Entwicklung in den /kbnehmerl~ndern wird damit zu einer wichtigen Vorbedingung einer hSheren Wachstumsrate in den unterentwickelten Gebieten. Der Aus- bau von Exportgfitersektoren mag dann eine hShere volkswirtschaft]iche Produktivit~t aufweisen als die Entwicklung importkonkurrierender Be- reiche.

Hiermit h~ngt die Notwendigkeit des Ausbaus der Exportgiitersekto- ren zur Steigerung der ImportkapeLzit~t zusammen. Insoweit der Import yon Gfitern nicht dutch eigene Produktion ersetzt werden kann, bilden seine MSglichkeiten zugleich eine Begrenzung der wirtschaftlichen Ent- wicklungsmSglichkeitcn. Ceteris paribus ist daher zu sagen, da~ die Wachstumsrate rb umso hSher sein wird, je grSl3er die ImportmSglichkeiten sind 27

5. Neben dem Ausgangseinkommen und der Wachstumsrate bestimmt such die Importneigung mb die Importnachfrage des Landes B. Wir neh- men in unserem Modell an, daJ3 diie Importneigung konstant bleibt, ob- gleich einiges ffir einen steigenden Trend dieses Koeffizienten spricht: die wirtschaftliehe Entwicklung effordert meist eine ErhShung des In- vestitionsanteils am Sozialprodukt. KSnnen die Kapitalgfiter nicht in den unterentwickelten L~ndern hergestellt werden, so mul3 selbst bei konstan- ten Importneigungen ffir Konsumgfiter und ffir Investitionsgiiter die auf das Volkseinkommen bezogenen Importneigung steigen, wenn diejenige fiir Investitionsgfiter hSher als die Im]?ortneigung ffir Konsumgfiter ist. Da zudem der Kapitalgiiterbedarf mit dem Ubergang yon arbeits- zu kapital- intensiven Produktionsmethoden steigt und der den Konsumenten zuflie- 13ende Einkommenszuwachs mehr und mehr ffir im Inland nieht produ- zierte Giiter geplant wird, besteht sogar die MSglichkeit, dal3 die einzelnen Importneigungen steigen. Solange jedoch weder das Exportvolumen noch die terms of trade erheblich steigen und damit die ExporterlSse nicht so stark wie der Importbedarf zunehmen, und solange auch Auslandskredite nicht im gewiinschten Umfang zur Verffigung stehen, ist eine Steigerung der volkswirtschaftlichen Importneigung kaum realisierbar. Die Konsum- giiterimporte mfissen entweder zugunsten der Investitionsgfiterimporte eingeschr~nkt werden oder es sind eine Reihe yon Transforrnationen zwi- schen den Sektoren nowendig. Sind z. B. Investitionsgfiter mit Ressourcen herstellbar, die bisher in der Konsumgiiterindustrie eingesetzt waren, so mag es sinnvoll sein, eine entsprechende Umverteilung der Produktions- mittel vorzunehmen. Die Investitionsgiiterimporte kSnnen dann u. U. sogar verringert werden, so dal3 bisher im Inland produzierte Gfiter eingefiihrt

27 Zur Begrenzung der Wachstumsmiiglichkeiten dutch Engp~sse auf der Importseite vgl. B r u t o n, Growth Models . . . . a. a. O. In der Diskussion fiber den Aui]enhandelsmultiplikator hatte seinerzeit bereits W. S t o 1 p e r auf die expansiven Wirkungen einer parallelen Handelsausweitung hingewiescn, die die einer bloBen Exportvermehrung /ibersteigen kiinnten (The Volume of Foreign Trade and the Level of Income. Quarterly Journal of Economics 61 (1947)).

WirtschMtliches Wachstum and Entwicklungshflfe 303

werden kSnnten. J~hnliche Transformat ionel i s ind zwische~ den Sektoren, die zum In landsverbr~uch bes t immte Gilter bzw. zum Expor t bes t immte Gilter hers te l le~ einersei ts l ind der Inves t i t ionsgi l te r indus t r ie anderer - seits denkbar . Die dami t verbundenel i s t ruk ture l len Versehiebungen mils- son sich nach don gegenw£rtigen und erwarteten int~ndiseheli P roduk t ions - und Nadlf rageverh~I tn issen und der ~usl~ndischen Nachfrageentwicklung richten 28.

Eine weitere interess~nte Frage ist, wie dos BevSlkernngswa~hstum die Impor tne igung beeinf lussen kSnnte. Zun~chst spricht manches dafilr , dal3 eine posi t ive Korre la t ion besteht, da mi t s te igender BevSlkerung die Ken- sumwtinsche ouch fiir die im In land nicht prodnzier ten Gilter waehsen lind grSl3ere Invest i t ionen zur Hebung des Lebenss tandards n6tig werden. Andere rse i t s is t zu bedenken, dab die BevSlkerungsvermehrl ing die Wachs- tumsra te zu senken vermag und dalni t die Nachfrage von hSherwertigeli Aus tandsg t i t e rn zu einfaeheren In landsgi l te rn ablenken kann. W i r wotlen daher da, r auf verzichten, b ie r einen ei l ideutigen Zusammeliha.ng zu be- haupt.en.

Die hohe Impor tne igung der unterentwickelten L~nder im Vergleich zu dan entwiekelten Volkswir tschaften ha t dazu gefiihrt , dot3 sich die Impor te jener Gebiete in den letzten 30 Jahren schneller entwiekelt haben als der Wel thandel . W~hrend dieser voli 1928 bis 1957 sich gut verdreifacht hat , haben die Impor te der unterentwickelten Li~nder sieh fas t vervierfacht; ihr

2s Vgl. hierzu B r u t o n , Growth Models, a. a. 0., K i n d l e b e r g e r kritisiert (Economic Development, Kap. 15), dab die Weltbank nur die Import- bestandteile eines Investitionsprojekts kreditiert und somit nicht die mSglichen Transformationen beriicksichtigt. Ferner: H i r s c h m a n, Strategy . . . . insbes. Kap. 7 und 11; GATT: Trends in International Trade -- A Report by a Panel of Experts. Genf: 1958; dort heist es (S. 80), dab es fiir unterentwid~elte L ~ d e r mit groBer BevSlkerungsdichto zweckm~Big sein kann, arbeitsintensive Mannfakturwaren zu erzeugcn and zu exportieren und Nahrungsmittel zu impor- tieren. N n r k s e steht dieser Idee skeptisch gegeniiber (Patterns of Trade and Development. In: Equilibrium and Growth . . . . a. a. 0., S. 308 ft.), d a e s -- abgesehen yon dem ouch vom GATT-AusschuB genannten Protektionismus, in den AbnehmerI~ndern -- mSglich ist, dab bei diesen Waren der komparative Kosten- vorteil bei den bereits entwickelten L~ndern liegt. Hier ist im fibrigen der seinerzeit yon L e o n t i e f untersuchte Fall (Leontief-Paradox) zu nennen, wonach in bestimmten F~llen ein Land nicht die mit reich]ich vorhandenen Faktoren erzeugten Gfiter exportiert, sondern dab es gerade bei den knappen Faktoren komparative Vortei]e hat. Der Grund ffir dieses am Beispiel der amerikanischen (arbeitsintensiven) Exporte demonstrierte ,,Paradox" diirfte wohl in erster Linie in den Produktivit~.tsunterschieden zungchst gleich scheinender Faktoren in den verschiedenen L~indern liegen. Vgl. hierzu W. L e o n t i e f: Domestic Production and Foreign Trade. The Ameriea~l Capital Position Reexamined. Economic internazionale VII (t954); d e r s e 1 b e: Factor Propor- tions and the Structure of American Trade: Further Theoretical and Empirical Analysis. Review of Economics and Statistics 38 (1956); aus der umfangreichen Kritik einer ftir nile: H. G. J o h n s o n: Factor Endowments, International Trade and Factor Prices. Abgedr. in: International Trade and Economic Growth, a. a. O., S. 28.

304 Hans-Joachim Heinemann:

Anteil am Welthandel ist in der gleichen Zeit demzufolge yon 27,4~o auf 35,2Vo gestiegen s0

6. Inwieweit die Importnachfrage des Landes B befriedigt werden kann, hiingt yon den Angebotsfunktionen fiir Exportgiitern in A ab. Bei unver- Rnderter Importneigung in B wfirde eine 50Voige Einkommensteigerung zu einer ErhShung der Importn~chfrage yon ebenfalls 50% fiihren. Nimmt das Exportgtiterangebot in A nicht im entsprechenden MaBe zu, was auf eine zu geringe Produktivit~tszunahme in A iiberhaupt oder im Exportgiitersektor yon A i m Vergleich zu den iibrigen Bereichen odeT eine Nachfragevorschiebung in A yon Importen, Importsubsti tuten und auBenhandelsneutralen Giitern zu expor t f~igen Produkten zuriickzufiih- ren sein kann, so werden sieh vermutlich die terms of trade fiir B ver- schlechtern; die Importneigung mb wird in diesem Falle bei hinreichend groBen Importelastizit~ten sinken. Da es sich bei den Importgiitern B's um Kapitalgiiter und hochwertige Konsumgiiter handelt, fiir die in don entwickelten L~ndern grebe Produktivit~tsfortschritte zu verzeichnen sind, so dab auch die dortigo Inlandsnachfrage ohne eine negative Beeinflussung des Exportgiiterangebots befriedigt werden kann, ist die besehriebene Ent- wicklung nieht zu erwarten. Wie eine Untersuchung des GATT zeigt, sind die terms of trade zwischen den Industrie- und den Nichtindustriel~ndern seit 1928 nahezu konstant geblieben; nach einer Versehlechterung fiir B um 15~o von 1928--1937 haben sie sich bis 1958 urn etwa den gleichen Betrag wieder verbessert 30 Wir glauben daher, die Angebotsfunktionen fiir Exportgiiter in unserer Importfunktion fiir B nieht unbedingt beriick- sichtigen zu miissen.

3. Die Importe des Landes A

1. Die Importe unserer entwickelten Wirtschaft A bestehen vor- nehmlich aus Nahrungsmitteln, Rohstoffen und -- moist arbeitsinten- siven -- Manufakmrwaren, dagegen kaum aus Investitionsgiitern. Demzu- folge wollen wir sie nicht in unserer Investitionsfunktion (1.8), sondern in unserer Verbrauchsfunktion (1.6) beriicksichtigen. Dann gilt

Ma == maYa. (2.3) Die Einfuhren des Landes A aus B sind folglich umso hSher, je hSher

das laufende Einkommen ist und je hSher die -- in der Importneigvng zum Ausdruck kommende - - durchschnittliche Einkommenselastizit~t der Im- porte ist. Da im Gegensatz zu Yb das Einkommen in A nicht mit einer konstanten Rate w~chst, kSnnen wir M~ nicht auf Yao beziehen. Funktion

2g GATT, Trends in International Trade, S. 45 (bes. Tabelle 18). ~e GATT, Trends in International. Trade, Tabelle 15 (S. 41). Die bisweilen

in der Konjunkturtheorie gemachte Annahme, dab im Aufschwung wegen der steigenden Inlandsnachfrage das Exportaugebot zurtickgehe (was zusammen mit der steigenden Importnachfrage zu der ,,normalen" Leis~tungsbilanzversehlech - terung fiihrt), gilt nur, wenn die Konjunkturbewegung lokalisiert ist; bei einem internationalen Boom kann sie dagegen nicht erwartet werden. Hiervon abgesehen kSnnte ein solcher Zusammenhang allenfalls die kurzfristige Exportfunktion beeinflussen; bei der langfristigen Exportfunktion sprechen u. E. dagegen keine Faktoren fiir einen sinkenden Anteil der Exporte am Sozialprodukt.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 305

(2.3) gi l t ungeachtet dessen, ob ein Toil de]: tmpor t e nicht veto laufenden Einkommen, sondern vom Produk t ionswer t abhgngt s l

2. Auch h ier nehmen wir eine kons tante Impor tne ig tmg an, obgleich im Gegensatz zu dem unterentwickel ten Gebiet f i ir A vielleieht ein s inken- der Trend von m~ erw~rtet werden kSnnte, unabhgngig devon, dab ma ohnehin kle iner als m b sein dfirf te t~. In der Tat is t die Impor tne igung der Indus t r ie l~nder , vor al lem fiir E infuhren aus tmterentwickelten Lgndern, in den letzten 30 Jah ren zu.r/ickgegangen. Als wichtigste Grtinde fi ir eine n u t un te rpropor t iona lo Zunahme der Impor te des Landes A kSnnen angesehen werden: die Versehiebung der indus t r ie l len S t ~ k t u r zu Giitern mi t ger ingem Impor tan te i l wie Energie, E lek t ro indus t r i e und Chemie im Vergleieh zu Texti l ien o. ii.; der ver r inger te Rohstoffverbrauch p ro Pro- dnkte inhe i t bei den Fer t igerzeugnissen; die Subs t i tu t ion nat i i r l ieher dutch synthet isehe Mater ia l ien ; der Pro tek t ion ismus im landwirtschaft l iehen Sektor und die 24nderung der Verb rauehs t ruk tu r zugamsten des ter t igren Sektors , welehe zwar zu erhShten Diens t te i smngs impor ten der entwiekelten Lgnder un te re inander f i ihren mag, jedoch kaum eine Naehfrage naeh Gii tern und Diensten dos Gebietes B erzeugt 3~. Wghrend N u r k s e, M a i z e 1 s, B r u t o n und im wesentliehen aueh GATT dieser Naehfrage- sehwgehe die grSBere Bedeutung f l i t den Riiekgang des Impor tan te i l s am Soz ia lp roduk t zuerkennen, betonen W o I f u n d C a i r n e r o s s die M5g- l iehkeiten des Angebotsausfa l l s ~4. In den unterentwiekelten Gebieten is t

31 j o h n s o n weist darauf hin (Equilibrium Growth . . . . S. I25), dag die als Rohstoffe unmittelbar in die Produktion eingehenden Importe als veto Brnttoproduktionswert abh/~ngig betrachtet werden miissen, der um den Import- anteil der Produktion grSller als des Volkseinkomanen ist. Bezeichnen wir den Importanteil der Produktion mit q, so trit t an die Stelle yon (2.3)

M = q P - b m Y = P [ q - k i n ( I - q ) ] = Y [ m q - q / (1 - -q) ] P gibt den Bruttoproduktionswert an, w~hrend m die Importneigung fiir un- mittclbar veto Einkommen abhEngige tmporte angibt. Solange m u n d q konsta~t bMben, /~ndern sich- die Klarmnerausdrficke in der modifizierten Importfunktion nicht, so dab wir schreiben k5nnen M = mY mit m = const. Diese Gleichung unterscheidet sich praktisch nicht von (2.3).

32 Zum Zusammenhang zwischen Einkommensentwieklung und Importen aus unterentwickelten L~indern: GATT, Trends . . . . , a. a. 0.; N u r k s e, Patterns of Trade and Development, a. m 0.; GATT, International Trade I956, Genf 1957; A. M a i z e l s: The Effects of Industrialization on Exports of Primary-Produ- cing Countries. Kyklos XIV (1961) ; A. K. C a i r n c r o s s: International Trade and Economic Development. Kyklos XIII (1960); H. H e s s e: Der AuBenhandel in der Entwicklung unterentwicketter L~.nder unter besonderer Beriicksiehtigung Lateinamerikas. Ttibingen: 1961, insbes. S. 29 ft.; B r u t o n, Growth Models . . . . a. a. 0., S. 232ff.

~ Naeh dem Paley-Report von 1952 ist die Rohstoffnaehfrage der USA in der ersten HNfte diesis Jahrhunderts um 4 0 ~ st~irker Ms die eigene Roh- stoffproduktion gestiegen, so daft die USA zu einem Rohstoffimportenr wurden. Der Zunahme der Rohstoffnachfrage urn fast I00~o steht allerdings eine SoziM- produktionssteigerung yon 250~o gegeniiber; die Produktion yon Mauufaktur- waren nahm im gleiehen Zeitraum noeh stiirker zu (N u r k s e, Patterns . . . . S. 297).

~4 Ch. W o 1 f: Foreign Aid: Theory and Practice in Southern Asia. Princeton (N. J.): 1960, S. 273 f.; C a i r n e r o s s , International Trade . . . .

Zeitschr. f. NationalSkonomie. XXIII. Bd.. Heft 3-4 20

306 Haus-Joach~ Heinemaun:

hiernach die Angebotselastizit~t fiir Exporte gering, weil die wirtschaft- fiche Entwicklung eine Umverteilung der Produktionsmittel zugunsten neuer Wirtschaftszweige erfo~:dert, die fast ausschlieBtich fiir den Inlands- bedarf produzioren. Die hier angefiihrte terms of trade Verschlechterung der entwickelten Liinder seit 1937 iiberzeugt nicht, da der Basiszeitpunkt am Ende einor noda nicht yell iiberwundenen Depression in den Industrie- l~ndern liegt und der Vergleich zwischen 1928 und 1957 eben nicht zu diesem Ergebnis fiihrt. Einzuwenden ist gegen diese Ansicht ferner, dab bei geniigend groBer Nachfragesteigerung naeh Produkten unterentwickelter L~nder seitens der Industriestaaten in den Entwicklungsgebieten woht weniger Faktoren aus den Exportsektoren abgezogen wiirden. Da jedoch die Nachfrago nach deren Produkten stagniert oder nur schwach zunimmt, mfissen neue ProduktionsmSglichkeiten erschlossen werden, was aller- dings dazu ftihren mag, dag die Angebotselastizit~t in den ,a l ten" Sektoren zuriickgeht.

Wii~rend der Anteil der Importe der unterentwickelten L~nder am Welthandel gestiegen ist, nahm der Exportanteil seit 1928 yon 33,8~ auf 31,3~ im Jahre 1957 ab; berfid~siehtigt man hierbei nicht die Exporte der ,,(}lli~nder", die sich in dieser Zeit mehr als vervierfacht haben, so ist der Exportanteil sogar yon 32,2~ auf 24 ,4~ , also fast um ein Viertel gesunken 35

Trotz solcher Entwicklungstendenzen legen wir im folgenden eine konstante Importneigung fiir A zugrunde. Eine langsam sinkende Import- neigung wiirde unsere Ergebnisse nut graduell vergndern.

4. Ein Waehstumsmodel l fiir eine offene Volkswirtschaft 3o

1. Kombinieren wir die in diese~ und dem vorhergehenden Paragra- phen abgeleiteten Funktionen, so erhalten wir unser Wachstumsmodell, das die Einkommensen~wicMung von A wie folgt beschreibt

Y~ ~- C~ + Ia + X~ -- M~ ~ (1 -- s~ -- ms) Ya + b dYa + mbYboe%t" (2.4) dt

Ffir die Wa~hstumsrate r~ erhalten wit hieraus

dY~, 1 Yboerb t. + - - mb ( 2 . 5 )

LSsen wir (2.4) entsprechend den Methoden zur Berechnung von Differen- tialgleichungen auf, so erhMten wir f/Jr Y~

3~ GATT, Trends . . . . a. a. 0., Appendix, Tabelle A und S. 21 ft. 3e Ausffihrliche Wachstumsmodelle mit Ber/icksichtigung des AuBenhandels

finden sich bei J o h n s o n, Equilibrium Growth . . . , a. a. O.; F. A b b: Die Aul]enwirtschaft in der Modellanalyse des 5konomischen Wachstums. Zeitschrift ffir die ges. Staatswissenschaft 114 (1958); d e r s . : Der EinfluB der AuBen- wirtschaft auf das 5konomische Wachstum unter Beriicksichtigung empirisch gewonnener Werte, ebenda; P. R e i t t e r: AuBenhandel und wirtschaftliches Wachstum. Diss. Miinchen: 1959. Vgl. ferner den Aufsatz yon W. G. H o f f- m a n n : Wachstumsprobleme oftener Volkswirtschaften. Schweizerische Zeit- schrift fiir Volkswirtschaft und Statistik 86 (1950).

Wirtschaftliches Wachsmm und Entwicklungshilfe 307

(o%t Y - ~ - Y o e ~ T / @ s @ m _ b r b ~ - - e _ (2.6)

Alle nieht-indizierten GrSBen beziehen sieh auf Land A; Yo gibt das Aus- gangseinkommen yon A an. Fiir die Ver/inderung der Waehsmmsrate er- halten wir aus (2.4)

dr __ mb Yboerb t (2.7) dt b ( rb - - r ) " Y "

Der HandelsbilanzsMdo des Landes A ist gleich der Differenz aus seinen Exporten und seinen Importen. Beziehen wir diesen Satdo auf das laufende Einkommen, so erhatten wit aus (2.5), wobei h den Quotienten (X-M)/Y angibt,

1 r = -b- (s -- h). (2.8)

Die Gleiehungen (2.5) und (2.7) zeigen, dal3 im Gegensatz zur geschlos- senen Wirtschaft die fiir die offene Wirtsehaft geltende Gleiehgewichts- wachstumsrate im allgemeinen nicht konstant ist. D a m b und rb unver/i~n- derlich sind, treten in der Wachstumsrate r des Landes A keine Schwan- kungen, sondern tediglich kontinuierliche Zu- oder Abnahmen auf; im letzten Fall kSnnte r auf bzw. gar unter null sinken.

2. Die zur Auslastung der Produktionskapazit~t erforder]iche Gleich- gewichtswachstumsrate des Landes A ist mnso hSher, je niedriger der Akzelerator -- je hSher also die erwartete Produktivit/~t der Investitionen --, je hSher die Sparneigung, je grSfler die tmportneigung, je hSher das laufende Einkommen, abet je niedriger das Ausgangseinkornmen in B, je niedriger dessen Wachsmmsrate und dessen Importneigung sind; m. a. W.: die Gleiehgewiehtswaehstumsrate von A ist umso hSher, je grSBer das Augenhandelsdefizit im Vergleieh zum laufenden Volkseinkommen ist. Dementspreehend nimmt diese Gleiehgewiehtswaehstumsrate im Zeitablauf zu (ab), wenn die gegenwi~rtige Waehsmmsrate gr5gev (kleiner) ist als die des Auslandes. In diesem Fall nimmt ein bestehender Aul3eahandelsfiber- sehug ab (zu) und verwandelt sich fiir den ersten Fall schliel]lich in ein Defizit, ein bestehendes Defizit wird grSl?er bzw. verwandelt si& im zweiten Fall in einen Ubersehug. Sind im Ausgangszeitpunkt die Waehs- tumsraten der beiden LEnder gleieh, so ver/indert sieh bei konstanter Waehstumsrate des Auslandes aueh die Entwieklungsrate yon A nieht; bei anfiingliehen unterschiedliehen Waehstumsraten werden die Abweiehungen jedoeh immer grSl]er.

Ahnlich wie eine hohe Produktivitgt des Faktorbestandes und hohe Kapitalbildung erhShen Importe das Giiterangebot. Zur Aufnahme dieses Angebots muB die reale volkswirtsehaftliehe Naehfrage entspreehend zu- nehmen. Da in unserem Modelt Vergnderungen des Preisniveaus und damit naehfragewirksame ~nderungen des Realwertes der Kassenhaltung und des lanfenden Nominaleinkommens ausgesehtossen sind, miissen somit Real- wie Nominaleinkommen mit der gleiehen Rate waehsen wie das Giiter- angebot, wenn volkswirts&aftliehe lJberkapazitiiten bzw. Inflationen vet-

20*

308 Hans-Joachim Heinemann:

mieden werden sollen. Exporte vermindern das im Inland verfiigbare An- gebot, Inlaaldsnachfrage wird durch Auslaudsnachfrage substituiert. Soil die volkswirtschaftliche Nachfrage da~ Gfiterangebot nieht fibersteigen, so mfissen die Wachstumsraten der Nac~frage und des Einkommens entspre- chend geringer sein.

Ist die Wa~hstmnsrate des Auslandseinkommens grSl]er als die des In- landes, so nimmt bei unverEnderter Importneigung des Auslandes dessen Nachfrage nach Produkten yon A stErker sis das dortige Sozialprodukt zu. Ein steigender Teil der inlEndischen Produktion ist dana nieht mehr ffir den Inlandsmarkt, sondern ffir den Auslandsmarkt bestimmt. Zwecks Ver- meidung inflatorischer Wirkungen muB die zur KapazitEtsausnutzung er- forderliche Einkommenswachstumsrate abnehmen. Von einem bestimmten Zeitpunk~ ab wird die Giiterabgabe in Form yon Exporten die Giiter- einnahme durch Importe iibersteigen bzw. ein bestehender Saldo wird wachsen. Die Wirtschaftssubjekte in A entsehlieBen sich, in zunehmendem MaBe GeldvermSgen in Form yon Forderungen gegen Land B zu halten und auf eine Verwendung des Einkonunens in Form yon GfiterkEufen zu verzichten. Ist A jedoch nieht bereit, in steigendem MaBe Produktions- faktoren ftir Gfiter, die fiir Land B bestimmt sind, freizusetzen und in gleiehem Umfang GeldvermSgen zu bilden, wfinseht es vielmehr, selbst mehr Gtiter zu verbrauchen bzw. im Inland zu investiercm, so liegt die tat- s~chliche Wachstumsrate des Nominaleinkommens fiber der Rate, die bei gegebenem Wachstum der Auslandsnachfrage zur Aufrechterhaltung des (dynamischen) wirtseha~'tlichen Gleichgewichts erforderlich w~re. Bei voll ausgeniitzten KapazitEten kommt es zu PreiserhShungen. Eine Steigerung der realen Wa~hstumsrate kann nur erreicht werden, wenn die zus~tzliehe Nachfrage nicht auf die Inlandsproduktion, sondern auf Importe gerichtet ist. tn diesem Fall erhSht sich die Importneigung and das in A vefffigbare Angebot vermehrt sich ebenso wie die Nachfrage. Die Gleiehgewichtswaehs- tumsrate nimmt zu. Inwieweit allerdings die gestiegene Importnachfrage des Landes A durch B ohne Preissteigerungen befriedigt werden kann, hEngt von den Angebotselastizitiiten in B ab. Wir sehen, dab stark wach- sende Auslandsnachfrage bei gleiehzeitig schnell wachsender Inlandsnach- frage zu inflation~ren Folgen fiihren kann, die bei fehlenden Aul3enhan- delsbeziehungen u. U. hiitten ve~deden werden kSnnen. Andererseits kann jedoch ein hohes Wachstum der Exporte ein langsames Ansteigen der Inlandsnachfrage kompensieren und somit eine bei fehtenden AuBenwirt- schaftsbeziehungen auftretende Stagnation oder Depression verhindern.

Ist die Wachstumsrate yon A grSBer als die von B, so wird A schlieB- lich ein wachsendes Leistungsbilarrzdefizit erleiden. Zur Vemeidung wachsender Auslandsverschuldung muB A entweder seine Einkommens- waehstumsrate senken oder Importe dutch Inlandsgiiter ersetzen. Eine weitere MSglichkeit besteht in der ErhShung der Exporte, was allerdings eine entsprechende Aufnahmebereitschaft in B voraussetzt. Diese kann er- reicht werden, wenn A durch technisehe Hilfe oder Gew/~hrung von Krediten die Wachstumsrate bzw. die Importkapazit/it des unterentwickelten Ge- bietes erhSht.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 309

5. Die Beriicksichtigung yon Zinszahlungen

1. Is t die Wachstumsrate B's grSt3er als die A's, so wird A v o n einem bestimmten Zeitpunkt ab einen Leistungsbil~nziiberschul3 aufweisen. Be- standen bisher keine Schulden gegenfiber B, so miissen die Wirtschafts- subjekte in A dan Exportiibers~ul3 B entweder geschenkweise iiberlassen oder Forderungen gegeniiber B in gleicher HShe begriinden. Nehmen wir fiir unseren Fall an, dab B die Kredite in der uns interessierenden Zeit nicht zuriickzahlt -- es mag sich um ewige Anleihen handeln - , so sind diese Forderungen offenbar nur dann interessant, wenn sie verzinslich sind. Werden sie mit einem konstanten Zinssatz i verzinst, so ffihrt der Leistungsbilanzfiberschul3 der Periode t zu einem Zinseinkommen yon

dZ dt - - i(mbYb°erbt -~- Z(1 -- m) -- mY) = i" T. (2.9)

Die Symbole bedeuten: dZ/dt ist die dem laufenden Leistungsbilanzsaldo zuzuschreibende Ver~nderung des Zinseinkom- mens; Y ist der Wert des Inlandsprodukts in A; Z ist das aus allen gegenw~rtigen und friiheren Forderungen resultierende Zinseinkommen (in A) ; T ist der Leistungsbilanzsatdo;

~ und m sind die Spar- und Impo~rtneigung in bezug auf das Zinseinkommen, die yon den auf das Inlandsprodukt bezogenen Werten s und m abweichen kSnnen; mb sei null.

Sofern die Leistungsbil~nziiberschiisse nicht erst sei¢ der Periode t auf- treten, bestehen also bereits Forderungen aus den Leistungsbilanziiber- schiissen der Vorperioden. Das hieraus resultierende Zinseinkommen Z wird in HShe yon mZ zu Giiterk~,ufen aus B verwendet; der Restbetrag in H5he von ( i - -m)Z erhSht die aus den laufenden Gfitertransaktionen resu]- tierenden Forderungen 37 Anstelle yon (2.4) ergibt sich

dY Y = (t--s--m) Y -~ (1---~--m)Z + b - ~ - +mbYboerb t. (2.10}

Auch hier beziehen sich alle nicht indizierten GrSi3en auf Land A in der Periode t. Fiir die Einkommenswachstumsrate erhalten wir

r ~----~ s + m -- (1 - -~- -m)~- - mbYboerbt/Y (2.11) o

2. Wie wir aus (2.11) ersehen, vermindern die Zinseinkiinfte, soweit sie nicht gespart oder ffir Importe verausgabt werden, die Gleiehgewichts- wachstumsrate. Die Nachfrage nach Inlandsgiitern nimmt um den gleichen Teil der Zinseinnahmen zu. Diese Nachfragestelgerung mu[3, sofern bisher wirtschaftliches Gleichgewicht bestand, zu einer Uberschul3nachfrage fiih- ten und damit Preissteigerungen hervorrufen. Sol! das verhindert werden, so mu~ entweder der aus dem laufenden Inlandseinkommen fiir den Kauf int~ndischer Giiter geplante Betrag abnehmen oder -- bei gleichen Aus-

sT Vgl. J o h n s o n , Equilibrium Growth . . . . . a. a. 0., S. 125 ff.

310 Hans-Joachim Heinemann:

gabenneigungen -- das Wachstum des Inlandseinkommens abnehmen. Ent- sprechend wfirden Nettozinsverpflichtungen die Gleichgewichtswa~hstums- rate erh5hen: in diesem Fall ist das Volkseinkonunen kleiner Ms der Wef t der Inlandsproduktion. Damit diese bei gleichbleibendem Preisniveau und unverEndertem Verhalten der Wirtschaftssubjekte aufgenommen werden kann, mull das Inlaudseinkommen stErker wachsen als es ohne die Zins- verpflichtungen der Fall gewesen were. Nettozinseinnahmen (-ausgaben) bedeuten somit eine inflation~re (deflation~re) Gefahr, die n u t bei ent- spreehend geringerer (hSherer) Waehstumsrate der restlichen Na~hfrage vermieden werden kann. Diese Gefahr ist umso grSl~er, je weniger die Zins- einkilnfte (-ansgaben) gespart oder fiir Importe ansgegebe~ werden. Die Zinsverpfliehtungen des Landes B lassen es mSglicherweise schwierig wer- den, die angestrebte Wachstumsrate rb zu erreichen. WEchst das Inlands- einkommen nach wie ve t mit der Rate rb, So nimmt das Volkseinkommen um einen um die Zinsverpflichtungen geringeren Betrag zu ~s

6. Der Ausgleich der Leistungsbilanz

1. Leistungsbilanzsalden haben ffir eine Volkswirtschaft den Vorteil, dab sie fehlende Inlandsnachfrage bzw. zu geringes Inlandsangebot kom- pensieren und damit deflationgre bzw. inflation~re StSrungen veThindern. In Abschnitt 4 haben wir darauf hingewiesen, dab Leistungsbitanzsa.lden jedoch eine negative Wirkung anf die wirtschaftliche Entwicklung habon, wenn die Inlandsnachfrage bereits sehr hoch ist (bei lJberschfissen) bzw. zu gering ist, um die inl~ndische Predukt ion aufzunehmer~ (bei Defiziteu). In solchen Situationen wird das betreffende Land nicht gewillt sein, welter- b in Leistungsbilanzsalden hinzunehmen. Gehen wir davon aus, dab A Leistungsbilanziiberschiisse gegeniiber B hat, die es beseitigen mSchte. A mSchte seine Entwicklung bei der Rate r = s/b stabilisieren. Is t r kleiner als rb, so kann A gem~t3 unseren obigen Uberlegungen Leistungsbilanz- fiberschfisse nur verhindern, wenn es se ine . Importneigung entspreehend Kndert. Sollen die Leistungsbilanzfiberschiisse durch binnenwirtschaftliche Mal]nahmen beseitigt werden, so mlfl] die Einkommenswachstumsrate der der des Landes B angepal]t werden. Beide Mal]nahmen sind umso schwie- riger, je grS~]er bereits die Unterschiede zwischen den Wachstumsraten geworden sind. Bei kleiner Importneigung sind neutral (in bezug auf die

3s Im Gegensatz zu unserer - mit J o h n s o n fibereinstimmenden -- Analyse kommt A b b (Aul]enhandel in der Modellanalyse .... a. a. 0., S. 480ff.) zu dem Ergebnis, dab Zinsverpflichtungen die Wachs'tumsrate vermindern, Zins- einkiinfte sie dagegen erhShen. Wenn dies aueh ffir die tats~ichliche Wachstums- rate zutreffen kann, stimmt es jedoch nicht fiir die Gleichgewichtswachstumsrate. A b b geht bei der Ableitung dieses Ergebnisse~ yon der Gleichgewichtsbedingung S ~ I aus. Auch wenn man -- wie A b b -- aus Vereinfachungsgriinden yon internationalen Giiterbewegungen absieht, so miissen die einkommenswirksamen aul]enwirtschaftlichen Beziehungen doch insofern berficksichtigt werden, als' sie zu einem Leistungsbflmuzsaldo ffihrem Dann aber kaun man nicht mehr die Gleich-_ gewichtsbedingung S -~ I verwenden, sondern muB schreiben S ~- I + (1 --re)Z, wobei Z wiederum die Zinseinkiinfte angibt. Die AuflSsung naeh der Wachstums- r~te stimmt dann mit unserem Ergebnis iiberein.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 311

Aafteflung der Ausgabea auf In- und Auslaald) wirkende binnenwirt- schaftliche MaBnahmen schwierig oder gar unmSglich, um den erwfinschten LeistungsbiIanzausgleich zu erreichen. Wir wollen im folgenden unter- suchen, wie sich die Importneigung des Landes A vergndern miif~te, wenn bei gegebener Wachstumsrate yon B und A yon Periode o ab Leistungs- bilanzsalden Velznieden werden sollen.

2. Wir nehmen an, daf~ durch die Ma~nahmen des Landes A weder die SVachstumsrate noch die Importneigung des Landes B direkt beeinfluBt werden. Selbstverst~ndlich jedoch werden die Handtungen des Landes A fiber die ver~nderte Importnachfrage die WachstumsmSglichkeiten yon B beeinflussen und somit die Erreichung der Rate rb erleiehtern o der erschwe- ren. Sell in jeder Periode die Leistungsbilanz ausgeglichen sein, so gilt

mY ~-- mbYb bzw. (2.12 a) m ~ mbYb/Y- (2.12)

Wegen Y ~ Yoe n ergibt sich aus (2.12 a)

Ybo (rb -r)t" m = - oe (9.13)

Diff~renzieren wir (2.13) nach der Zeit, so kommen wir zu folgendem Er- gebnis: ist die Wachstumsrate B's hSher (niedriger) ats die des Landes A, so mu/3 zur Aufrechterhaltung des Leistungsbilanzgleichgewichts die Im- portneigung des Landes A st~ndig steigen (sinken). Um dies zu erreichen, sind ira ersten FM1 folgende Ma~nahmen mSglieh:

1. Abbau der Handelsbeschr~nkungen. Dies ist freilich umso schwerer, je weniger ZSlle und sonstige t t ande lshemmisse noch bestehen;

2. Abbau yon steuerlichen und sonstigen Schutzmal3nahmen fiir im- portsubstitutive Sektoren im Inland;

3. FSrderung yon Wirtschaftszweigen, die zu ihrer Produktion viel Auslandsgfiter benStigen;

4. Standige Verbesserung des Weehselkurses (Aufwertung). Hierdurch wfirde frei]ieh auch m b beeinfluBt.

Ferner kSnnte A die Importneigung des Landes B in seinem Sinne beeinflussen, indem es bestehende Exportpr~mien abbaut, seine Werbung fiir Produkte des Landes A i m Austand verringert, die Entwicklung import- substitutiver Bereiche in B dutch technische Hilfe begiinstigt u. ~. m. Die genannten Mat3nahmen kSnnen negative Auswirkungen a.nf andere wirt- schaftspolitische Ziele haben und aus diesem Grunde undurchfiihrbar werden.

3. Beriicksichtigen wir Weehselkurs~nderungen, so trit t an die Stelle yon (2.12) ~

w" M(Y, w) = Mb (YD, w). (2.I4)

Der ausl~ndische Exportwert ist nada Urarechnung fiber den ~rechselknrs (w) gleida dem Importwert des Landes A (w 'M) . Im Gleichgewicht muf]

~9 Vgl. J o h n s o n, Equilibrium Growth . . . . a. a. O., S. 139 ft. Nimmt die Importneigung von B (A) im Zeitablauf zu (ab), so ist seine Einkommens- elastizitEt grSBer (kleiner) als 1. Ausgeglichene Leistungsbilanz wiirde dann erfordern, dab r u. U. erheblich grSl]er ats rb were.

312 Hans-Joachira Heinemann:

dieser seinem eigenen Exportwert (l~[b) gleich sein. Ffir die VerEnderungs- rate des Wechselkurses erhalten wir

rw ~ (ear -- ebrb)/(~% -~- ~b-- 1). (2.15)

Hierbei sind die s die Einkommenselastizit~ten und die ~l die Wechselkurs- elastizit~ten der Importe. 'Der Nenner des Ausdrueks gibt die bekannte M a r s h a I 1 - L e r n e r-Bedingung fiir die Stabilit~t des D~zisenmarktes an. Ist sie erfiillt, so muB zur Aufrechterhaltung des Leistungsbilanz- gleichgewichts /~ st~iadig aufwerten (abwerten), wenn seine mit der Ein- kommenselastizit~t der Importe gewogene Wachstumsrate geringer ist als der entsprechende Ausdruck ffir B. Bleiben die Importneigungen im Zeit- ablauf gleich, so nehmen die EinkommenselastizitEten den Wert 1 an.

§ 3. Wirtschaftliche Entwicklung und Leistungsbilanzsaldo

1. Waehstumsrate, Importneigung und Leistungsbilanzentwicklung 1. Wie unsere Untersuchungen gezeigt haben, begiinstigt bei unver/~n-

derten Strukturkoeffizienten die wirtschaftliche Expansion eine Leistungs- bilanzverschlechterung. Die Leistungsbilanzentwicklung eines Landes h~ingt allerdings nicht nur yon seiner eigenen Wachstumsrate und Importneigung ab, sondern auch yon den entspreehenden Werten aller Lander, mit denen das betreffende Gebiet in wirtschaftlichen Beziehungen steht. Wir haben diesen Zusammenhang in unserem Modell in der Weise beriicksichtigt, dab wir fiir Land B eine gleichbleibende Wachstumsrate unterstellt haben, was mit der Wirklichkeit zwar nicht iibereinzustimmen braucht, was jedeeh zu Ergebnissen fiihrt, die von denen nur unerheblieh abweichen, die aus einem homogenen 2-L~nder-Modetl gewonnen werden kSnnen.

2. Unser Modell untersucht nicht die Einkommenswachstumsraten pro Kopf der BevS]kerung, sondern die Bewegungen des Volkseinkommens iiberhaupt. Aus der mSglicherweise rascheren Entwicklung des Durch- schnittseinkommens in den entwickelten L~ndern, die zu einer eich ver- grSl]ernden Disparit~t zwischen den entwickelten und den unterentwickel- ten Gebieten fiihrt, kann nicht geschlossen werden, dab rb kleiner als ra sei. Sofern ra kleiner, gleich o der nur wenig grSl]er als rb ist, spricht die im Vergleich zu ra~ hShere Importnei!gung des unterentwickelten Landes B daf/ir, daB B ein Leistungsbilanzde~izit aufweist. Dagegen kSnnte eventuell die Verschiedenheit der Ausgangseinkommen sprechen, sefern hierdurch f/ir l~ngere Zeitr~ume Ya erheblich grSl]er als YD ist. Je mehr L/~nder zu B gerechnet werden, umso hSher ist einerseits die BevSlkerungszaht, umso hSher ist andererseits aber auch das Durchschnittseinkommen des Gebietes, denn die Einbeziehung eines Gebiete~,~ mit einem pro-K~pf-Einkornmen von 500 $ muB das Durchsehnittseinkommen in B erhShen, wenn das seiner fibrigen Gebiete kleiner als 500 $ ist. Ist Ya nicht wesentlich grSl]er als Yb, SO ist mit einem Leistungsbilanzdefizit in B zu rechnen. Das erfordert einen Kapitalimport in g]eicher HShe aus /k und dort eine entsprechende GeldverrnSgensbildung.

3. Ein Blick auf die Entwicklung der Leistungsbilanzen verschiedener L~nder zeigt, dab keineswegs jedes :[,and mit einem hohen Durchsehnitts-

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 313

einkommen einen ]Jberschu~ aufweist. Beispielsweise hat Kanada, dessen pro-Kopf-Einkommen 1959 fiber 1500 $ lag, im Durehschnitt der Jahre 1952/59 ein Leistungsdefizit yon 50 $ pro Kopf der BevSlkerung zu ver- zeichnem Israel, dessen Durchschnittseinkonu~en mit 800 $ ebenfalls welt fiber dem aller mlterentwickelten L~nder liegt, hat fiir den gleichen Zeit- ramn sogar ein durchschnittliches Leistungsbilanzdefizit yon I45 $. Abet gerade bei diesen beiden L~ia~denl kann man bei Benutzung anderer Kriterien als dem Durchschnittseinkonu~en auch yon unterentwickelten Liindern spreehen. Kanada bietet noch vide Investitionsgelegenheiten mit hoher Rendite, die einen Kapitalexport in dieses Land begiinstigen. Israel konnte im Rahmen der Wiedergutmachungsleistungen der B.R.D. nnd durch unentgeltliche ~)berwsisungen aus westtichen L~ndern vieI mehr Gfiter erhalten als seinem Export entsprach; dieser ImportiiberschuB er- mSglichte einen raschen Aui~au des zuvor wiistenhaften Landes.

In den folgenden Tabellen vergleichen wir die 10 L~nder mit dem grSBten LeistungsbilanziiberschuB pro Kopf mit den 10 Liindern mit dem grSi3ten Defizit pro Kopf. Die Zahlen sind Durchsehnittswerte aus den Jahren 1952/59 4o. Die I. Spalte gibt den Leismngsbilanzsaldo pro Kopf der BevSlkerung an; Spalte 2 zeigt das Durchschnittseinkommen, Spalte 3 den gesamten Leistungsbilanzsatdo. Die Zahlen sind in US $ ax~gegeben, in Spalte 3 in Millionen US $.

(~berschuBl~inder Defizitliinder

(1) (2) (3) (1) (2) (3) Schweiz 33 1335 158 Israel I45 800 300 Belgien 26 t l00 240 Kanada 50 1540 800 Bundesrepublik D. 22 830 1230 Island 47 (1647) 8 Venezuela 19 830 109 Libanon 46 390 70 Niederlande 18 750 200 Irland 27 490 75 USA 14 2210 2310 Australien 25 1180 270 United Kingdom 12 1020 600 Norwegen 22 930 76 Finnland 4 720 19 Neuseeland 20 1230 42 Irak 3 140 22 Griechenland 19 300 155 D~nemark 3 1000 13 Rhodesien/Nyassa 18 100 116

In der Tabelle der DefizitlEnder sind kaum LEnder mit einem Durchschnittseinkommen unter 200/300 $ verzeichnet, was i. d. R. als

4o Die Zahlen beruhen weitgehend auf eigenen Berechnungen aus den An- gaben des I. M. F. (Summary Statements der Balance of Payments Yearbooks, Vol 10--12; International Financial Statistics 1954--61) nnd beziehen sich auf den Zeitranm von 1952/59; die Volkseinkommenszahlen auf das Jahr 1959. Fiir diese wurde subsidi~ir verwendet: United Nations: Per Capita National Product of 55 Countries 1952--54. N. Y.: 1957. Die Bev51kerungszahlen sind Werte des IMF fiir 1955 bzw. Mittelwerte aus Zahlen yon 1950 nnd 1959 bzw. 1960, was ffir unsere Zwecke ausreieht. Die in Landesw~hrung angegebenen Votkseinkommenszahlen wurden mit den Wechselkursen ffir 1959 in US.-~ umgerechnet. Da die Wechselkurse z. T. gespalten, z. T. erheblich iiberbewertet sind, sind die Zahten nur beschr~inkt vergleichbar. Die Zahlen beziehen sich auf die Leistungsbilanzen ausschliei]lich unentgeltlicher Leistungen.

314 Hans-Joachim Heinemaan:

Kriterium fiir unterentwickelte Lander gilt. Ein Land dieser Kategorie, n~mligh der Irak, hat sogar ~bersghiisse.

Die durghschnittlighen Leistungsbilanzsalden (Spalte 1) geben an, in welchem Ma~e dem einzelnen Bewohner eines Defizitlandes veto Ausla~d Giiter und Dienste geschenk- oder kreditweise tiberlassen wurden bzw. in welchem Umfang der ,,Durchschnit~seinwohner" eines ~JbersghuBlandes auf in der laufenden Periode erzeugte Gtiter verzichtete. Dieses Gliederungs- kriterium fiihrt andererseits dazu, da~ die Tabellen unvollstgndig bleiben und z. B. Indien mit einem Leistungsbilanzdefizit yon durghsghnittlich 425 Mill. $ night beriicksichtigen. Berticksightigen wir auch die in den Tabellen night genannten Lander, so weisen die unterentwickelten Lander in ihrer Gesamtheit erhebliche Defizite auf. Von den 68 Landern, ffir die Zahlen verfiigbar waren, weisen im Durchsehnitt der Jahre 1952/59 nur 17 Lander Leistungsbilanzfiberschiisse auf. Von den Industrielandern 4~ haben t0 Lander Defizite yon insgesamt mehr als 1550 Mill. $, die iibri- gen 9 Lander weisen Leistungsbilanziibersghiisse von fund 5050 Mill. $ auf, so dab die Gruppe der Industriel~nder jahrligh fiir 3500 Mill $ mehr Gfiter und Dienste an die fibrige Welt abgab als sic von ihr bezog. Ziehen wir wegen ihres niedrigen Durghschnittseinkommens yon dieser Gruppe Griechenland, Tiirkei und Portugal ab und zghlen wir wegen ihres hohen pro-Kopf-Einkommens Australien, Neuseeland und Israel hinzu, so kommen wir zu dem Ergebnis, dab die entwickelte Welt den Entwicktungslandern Leistungsbilanzfibersghiisse von jghrtich 3 Milliarden Dollar zur Verffigung stellte. Die entwickelten Volkswirtsghaften haben damit im Zeitraum von 1952 bis 1959 in HShe von 24 Mrd. Dollar mehr Giiter und Dienste produziert als sic selbst verbrauchten. Dieser Produk- tionstibersghuB stellt den realen Giitertransfer seitens der entwickelten Lgnder an die unterentwickelte Welt dar 4e.

42 Nach der Einteilung des GATT (Trends . . . . S. 130) sind dies: Kanada, USA, United Kingdom, Island, Irland, Belgien-Luxemburg, Frank- reich, Bundesrepublik Deutschland, Italien, Niederlande, ~sterreich, D~nemark, Griechenland, Norwegen, Portugal, Schweden, Schweiz, Tfirkei und Japan.

42 Unsere Ergebnisse sind kaum vergleichbar mit den Angaben fiber die finanziellen Leistungen der Industriel~nder an unterentwickelte Gebiete, wie sie sich z. B. in OEEC: Finanzielle Leistungen an Entwicklungstgnder (dt. Ans- gabe 1961) finden. W~hrend wir zu einem LeistungsbilanztibersehuB der entwickelten Welt yon 24 Mrd. Dollar ftir 1952/59 kommen, kumulieren sich die finanziellen Hilfen der OEEC Mitglieder im Zeitraum 1956/59 bereits auf tiber 27 Mrd. Dollar (vgI. a. a. 0., Tabellen 1 d- 2, S. 10 ft.). Diese hobo Diskrepanz bleibt fiberraschend. Eine mSgliche Ursache, ngmlich die Aufffillung der Devisenreserven der Entwicklungsl~.nder, wird durch die International Financial Statistics keineswegs best~tigt. Weitere Ursachen kSnnten Kapital- anlagen unterentwickelter Lgnder in den Bankensystemen oder bei Privaten der entwickelten Welt sein und sehlieSlich unterschiedliche Verbuchnngen in den Statistiken der IMF-Mitglieder (vgl. hierzu P. H ~ s t - M a d s e n: Assymmetries between Balance of Payments Surpluses and Deficits. IMF Staff Papers I X (Juli 1962).

Wirtschaftliches Waehstum und Entwicklungshilfe 315

2. Leistungsbilanziiberschiisse und Entwicklungshilfe 1. Leistungsbilanzsalden kSnnen aus binnenwirtschaftlichen Ungleich-

gewichten resultieren, wenn beispielsweise die geplanten Investitionen die geplanten Ersparnisse iibersteigen, so dab eine inflatorische Lficke ent- steht, wenn nicht Importiiberschiisse die inl~ndische Angebotsliicke schlie- Ben. Ftir solche Importiiberschiisse ist in den unterentwickelten Liindern vor allem die hoha Importneigung ausschlaggebend. Der weniger produk- tions- als konsumorientiert verlaufende Entwicklungsprozefl ffihrt zu einer zu grol3en Gfiternachfrage im Vergleich zum verfiigbaren inliindischen A~n- gebot ~3. Als Ursache ffir diese konsumorientierte Entwicklung kann der ,,demonstration effect" angesehen werden. Der hohe Lebensstandard in vielen westlichen Industrieliindern und die weltwirtschaftliche Integration, die zu einer schnellen Inforrnationsfibermittlung beigetragen hat, haben eine Atmosph£re geschaffen, die vSllig verschieden ist yon der zu Beginn der europiiischen Industrialisierung, in welcher kein Beispiel vorhanden war, des den Neid h/~tte herausfordern kSnnen 44

2. Der Gegenposten zu den Leistungsbilanzfiberschfissen des Landes A in seiner Zahhngsbi lanz gegenfiber B wird von Kapitalexporten in Form l~ingerfristiger Kredite, Direktinvestitionen u. £. m. oder in einer Vel~aeh- rung der Devisenreserven, die ebenfalls Forderungen gegen/iber B dar- stellen, gebildet. In ~nserem ModelI ist der letzte Fall jedoch wenig reali- stisch, denn warum sollte A b e i Kenntnis der Wachstumsbedingungen in beiden L~ndern seine Leistungsbilanzfibersehiisse dutch unverzinsliche De- visenforderungen statt dutch ,,echte" Kapitalexporte finanzieren? Ist A jedoch zu einer unentgeltlichen l~lberlassung seines Produktionsfiberschus- ses an B bereit, so erseheint der Gegenposten in der Bilanz der unent- geltliehen Leistungen. In keinem Fall -- abgesehen von der fiir kfirzere Zeitr~ume mSglichen mangelnden Kenntnis der die wirtschaftliche Ent- wicklung und die Leistungstransaktionen beeinflussenden GrSl]en -- ist aber zu erwarten, daft der Betrag an Devisen, also jederzeit realisierbarer Forderungen gegenfiber B, die zur Durehfiihrung der laufenden Wirt- sehaftsbeziehungen erforderliche Transaktionskasse iibersteigt.

Die Folgerung, dab Leistungsbilanzsalden zwischen A und B entweder dureh unentgeltliche Zahlungen oder durch Kapitalexporte gedeckt sind, besagt noch nichts fiber die Struktur soleher Forderungen. Bei kurzfristi- gen Forderungen ist die Gefahr groB, dab bei Rentabilit~tsverbessernngen im Inland die Kredite an B nieht erneuert werden, so daft B nieht den ffir seine Entwi&lung erforderliehen ImportfibersehuB erh/ilt. Wegen der

4a Vgl. aueh H i r s c h m a n, Strategy . . . . a. a. 0., Kap. 9. 44 Den demonstration effect betont u. a. N u r k s e (Capital Formation in

Underdeveloped Countries, a. a. 0., S. 58 f.). B r u t on sieht dies dagegen nieht als erwiesen an (Growth Models, a. a. 0., S. 230). Er h~It es ebenso gut fiir mSglieh, dab die untcrentwiekelten L£nder darauf bedacht sind, die Ein- kommens- und Wohlstandsunterschiede zu den entwiekelten L£ndern zu ver- ringern und in der Erkenntnis des hierzu erforderliehen Konsumverzichts auf die sofortige Verwirklichung des ,American way of living' vemiehten. Das ist allerdings eine sehr optimistische Eins'ehiitzung der votkswirtschafflichen Men- talit~t der Bewohner dieser Li~nder.

316 Hans-Joachim Heinemann:

langere Zeitranme beanspruchendea Entwicklnngsplanung ist somit die Deckung der Leistungsbitanzsalden durch lg~ngerfristige Kredite der dutch kurzfristige Kredite vorzuziehen %

Somit ist neben der HShe der Leistungsbilanzsalden auch die Art ihrer Finanzierung yon Bedeutung fiir die Beurteilung der Effizienz der Ent- wicklungshilfe. Dieser Aspekt wird bisweilen iibersehen, wenn bereits aus der HShe der Leistnngsbilanzsalden SchlnBfolgerungen fiber die Ent- wicklungshilfe eines Landes gezogen werden 4s.

3. Verlassen wir far einen Moment unser 2-Lander-Modell und nehmen wir an, die entwickelte Welt umfasse die Lander A(1) und A(2), die unter- entwickelte Welt bestehe nach wie vor aus Land B. Die Folgerung, da0 Leisttmgsbilanzsalden durch ,,echte" Kapitalbewegungen gedeckt sind, trifft hier nicht mehr notwendigerweise zu. Entspricht die Bildung yon Geldvermggen in A(1) den Defiziten yon B, so hat A(2) eine ansgegli- chene Leistungsbilanz. Der yon B e r n h o 1 z vertretenen These folgend~ kSnnen wir sagen, dab lediglich A(1) Entwicklungshilfe gew~hrt, aueh wenn es gegeniiber B keinerlei Leistungsbilanziiberschiisse hat, sondern nur gegenttber A(2), die dessen Defizite gegentiber B ansgleichen. Selbst wenn zwischen A(1) trod B keine~dei Wirtschaftsbeziehungen bestehen, wtirde hiernach A(1) B Hilfe gew~hren, sofern nur A(2) seine Leistungs- bilanz nicht ira MaBe des Oberschusses des Landes A(1) verschlechtert. In den bilateralen Beziehnngen hat A(2) ein Defizit gegeniiber A(1) und sinen tdberschul3 gegeniiber B.

H~lt A(1) seine Forderungen gegenfiber A(2) in Gold- und Devisen- reserven, so kann es seine Importneigung kurzfristig stark erhShen nnd seine Forderungen gegeniiber A(2) abbauen. Wegen der bezfiglieh der yon A(1) gewiinschten Gfiter hSheren Angebotselastizit~t in A(2) im Vergleich zu B und der grS~eren Nazhfrageelastizit~t far A(2)-Gfiter gegenfiber B-Giitern in A(1) sind im ,3-L~nder-Fall solehe Importsteigerungen eher wahrscheinlich und ohne Preissteigerungen zu befriedigen als im 2-L~nder- Modell. Sind die Forderungen yon A(2) gegeniiber B laaagfristiger Art oder kann A(2) kurzfristige Forderungen gegen B nicht abbauen, so wird sich die Verringerung der Devisenreserven des Landes A(1) darin ~ul3ern, dal3 A(2) nun -- mSglicherweise unfreiwillig -- Net togeldvemtigen bildet. Insoweit mit solchen Wandlungen zu rechnen ist, ist es u. U. nicht ganz gerechtfertigt, die urspriinglichen Leistnngsbilanziiberschfisse yon A(1) als Entwicklungshilfe an B zu bezeichnen, wenn sie auch verhindert haben, dab die (bilateralen) ~-berschtisse des Landes A(2) in seinen Leismngs-

4s Vgl. hierzu die verschiedenen L~nderberichte in dem yon der Development Assistance Group (OEEC) herausgegebenen Bericht ,,Relative Effectiveness and Terns and Conditions of the Different Types of Financial Assistance" (I961).

4s Dies gilt in gewissem Sinn auch fiir einen Artikel yon P. B e r n h o 1 z (Exportiiberschfisse sind Entwicktungshilfe. Volkswirt 15 (1961), S. 539 f.), in dem richtigerweise dem gfiterwirtschaftlichen Aspekt der Entwicklungshilfe der ¥orrang vet ihrem rein finanziellen Aspckt gegeben wird. B e r n h o 1 z kommt hierbei zu dem auch durch unsere obigen Tabellen best~rkten Ergebnis, dab die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland wesentlich grS~er war als aus den ausgewicsenen finanziellen Lei~,~tungen ersichtlich.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshitfe 317

transaktionen mit B die Giiterversorgung in A(2) verringert haben. Die Entscheidung des Landes A(1), seine Forderungen gegeniiber A(2) zu ver- ringern, kann dieses Land natiirlich auch zu einer Reduktion seiner For- derungen an B veranlassen. Auf jeden Fall werden sowohl in A(1) als auch insbesondere in A(2) vielerlei Preis- und Einkommenseffekte auf- treten, die zu einer Vergnderung der Produktionsstruktur fiihren kSnnen und die die Einnahmen- und Ausgabenpl~ine aller Wirtschaftssubjekte be- einflussen.

§ 4. Auslandsforderungen und wirtschaftliches Wachstum

1. Stabilisierung der Wachstumsrate und Forderungsposition 1. MSchte Land A ebenso wie B die Wachstumsrate seines Volksein-

kornmens stabilisieren, so erziett es bei konstanter Sparneigung und gleieh- bleibendem Kapitalkoeffizienten sehliet31ich einen Leistungsbilanziiber- schul3, sofern seine Wachstumsrate niedriger als die des Landes B ist. Die hiermit verbundenen Kredite an B werden im Laufe der Zeit amortisiert, was allerdings nicht mit einer echten Tilgung im Sinne einer Verminderung der Auslandsforderungen verbunden zu sein braucht. Wird bei unver- i~nderten Verhaltenskoeffizienten A seine Gl~ubigerposition st/i~dig aus- bauen, werden die Giiterexporte die Importe immer iibersteigen oder wird ein Umschwung in der Handelsbilanz- und der Leistungsbilmuzposition eintret.en ?

Die herkSrnmliche Theorie erwartet weder eine sgi~ndige Schuldner- noch eine sti/ndige Gl~ubigerpositien. Vielmehr tritt danach im Zuge der wirtschaftlichen En~vieklung ein Obergang vom jungen Schuldnerland (Handels- und Leistungsbilanzdefizite) zum reifen Schuldnerland (Han- delsbilanziibersehul3, verbunden mit Leistungsbflanzdefizit wegen zu lei- stender Zinszahlungen), zum jungen Glgubigerland (1Jbersehiisse beider Bilomzen) und schlieBlich zum reifen Gli/ubigerland (Zinseinkfinfte finan- zieren Handelsbilanzdefizit) ein 4~. Ungeachtet der Frage, ob ein solcher Zyklus in der Empirie wahrscheinlich ist oder nicht, wollen wit unter- suctmn, ob er unter unseren Annahmen konstanter Verhaltenskoeffizienten und Wachstumsraten in zwei miteinander handeltreibenden Volkswir~- schaften auftreten mug. Kommen wir zu einem solchen Ergebnis, so mag sieh fiir den Wirtschaftsverkehr zwischen A und B die bedenkliche Fol-

4~ Als Beispiele fiir solche Entwicklungen werden hgufig die USA und GroB- britannien angefiihrt, gum Problem des Verschuldungszyklus: Th. B e g g s : The International Trade Balance in Theory and Practice. N. Y.: 1922, S. 7 ff.; E. W a g e m a n n: Struktur und Rhythmus in der Weltwirtschaft. Hamburg: 1931, S. 128; kritiseh: Ch. K i n d l e b c r g e r : ~nternationaI Economies. 2. Anfl. Homewood (Ill.): 1958, S. 417ff.; vet allem: H. M S I i e r : Struktur- wandlungen in der Aul3enwirtsehaft. In: StrukturwandIungen in einer wachsenden Wirtschaft. Schriften des Vereins fiir Soeialpolitik, N. P. 30 Berlin: 1964. R. H i n s h a w berechnete den j~hrlichen Anleihebctrag, der zur Finanzierung eines j~hrlichen Exportfiberschusses yon 1 Mrd nStig ist, und land, dat] er mit einer immer grSl3er werdenden ,compound interest rate" zu rechnen hatte (Foreign Investment and American Employment. American Economic Review, Papers and Proceedings, XXXVI (1946)).

318 Hans-Joachim Heinemann:

gerung ergeben, da~ bei mangelndem Verzicht auf Amortisations- und Zinszahlungen seitens A dieses Land in die Position eines Importfiber- schul~landes ger~t. Das ffir seine wirtschaftliche Entwicklung nStige Giiter- angebot in B wiirde yon diesem Zeitpunkt ab nieht durch einen Import- iiberschuB vermehrt, sondern dutch einen ExportfiberschuB vermindert. Die hieraus resultierende Inflationstendenz kaxm die reale Wachstumsrate in B verringern; die Entwicklungshflfe w~re weniger effizient als erwartet.

2. D o m a r hat gezeigt, dab die angefiihrte These auf einer stati- schen Betrachtung beruht 4s. ~hnlieh wie bei der inneren Verschuldung eines Sta~tes, fiir die in einer waehsenden Wirtschaft die friiher gem genannte Grenze nicht bestehen mull, ergeben sich ffir die Auslandsver- schuldung bzw. die Auslandsforderungen der Volkswirtscha~t entsprechen- de Konsequenzen. Solange der ffir die Auslandsforderungen geltende Zinssatz geringer als die Einkommenswachstumsrate ist, wird bei gleich- bleibender Amortisationsquote Land A seine Exportiib~rschfisse aufrecht- erhalten und einen st~ndig wachsenden Forderungsbestand gegeniiber B erzielen. Die in Leistungsbilanziiberschfissen zu leistende Entwicklungs- hilfe erleidet keine Unterbrechung. Is t der Zinssatz jedoch grSBer als die Wachstumsrate, so bleibt der Leistungsbilanzsaldo zwar aueh aktiv, der Handelsbilanzsaldo wird irgendwann jedoch passiv, so dab die Giiterver- sorgung des Entwicklungslandes hinter seiner Produktion zuriickbleibt. Um dies zu verhindern, mul3 der Zinssatz ffir Entwicklungsauleihen mit- tels staatlicher Anleihen niedrig gehalten werden.

3. Die soeben erw~hnten Ergebnisse sollen nun anhand eines Wachs- tumsmodells mit gleichbleibender Wachstumsrate abgeleitet werden. Die Symbole (alle beziehen sich auf A) bedeuten: S ~ Ersparnis, Z ~ Zins- einkfinfte, I ~ Inlandsinvestition, Y ~ Inla~udsprodukt, E ~--- Volksein- kommen (~- Y-}-Z) , D ~ Forderungsbestand, L ~ Leistungsbilanz-

saldo, W ~ Handelsbilanzsaldo; D' und E ' stehen f f i r ~ b z w . ~ t ~ .

Es gelten L ~ T ~ - Z ~ S ~ I ~ D ' . (4.1)

Der Leistungsbilanzsatdo ist gleich der Auslandsinvestition, d. h. gleich dem ~bersehul3 des Sparangebots fiber die geplante Vermehrung des in- t~ndischen Realkapitalbestandes. Wie sind in diesen Zusammenhang

as E. D. D o m a r: The Effect of Foreign Investment on the Balance of Pa.v- ments. Am. Ec. Rev. XL (1950). Abgedr. in: Essays in the Theory of Economic Growth, a.a.O. D o m a r vcrwendet eine yon unserem Modell etwas abweichende Darstellung, indem er nicht das Einkommenswachstum, sondern die Entwiek- lung der Auslandsbruttoinvestitionen als vorgegeben betrachtet. Unter unsereu Annahmen ~indert dies an den Ergebnisseu jedoch nichts. Eine neue Darsteltung des Problems finder sich bei G. M. A 1 t e r: The Servicing of Foreign Capital Inflows by Underdeveloped Countries. In: H. S. E I I i s ed.: Economic Develop- ment for Latin America. London: 1961, S. 139 ff., bes. Appendices 1, 2, S. 155 ff.

Zum Problem der Verschuldungsgrenze in wachseuden Wirtschaften: E. D. D o m a r: The Burden of the Debt and the National Income. Am. Ee. Rev. X X X I V (1944), abgedr, in Esvays . . . . a.a.O.

Wirtschaftliehes Waehstum und Entwicklungshitfe 3t9

Amortisationszahlungen zu behandeln? Da as sich hier ura Passivpostan dar Kapitalbilanz handelt, sind die Nattoauslandsinvestitionen um diasen Betrag geringer Ms die Bruttoauslandsinvestitionen. Verglaichen wir aina Situation, in. welcher A auf Amortisationszahlungen verzichtet oder eine Amortisationsquote von 10~ in bezug auf die ausstehende Schuld fest- setzt (was einer durchschnittlichen Laufzait der Entwicklungsanleihen yen 10 Jahren entspricht) mit ainer Lage, in der Amortisationszahlungen verlangt warden oder die bestahende Amortisationsquote erhSht bzw. die Laufzeit der Kredita verringert wird, so mfissen sich im zweiten Fall die GeldvarmSgensplantmgen der Wirtschaftssubjekte gageniibar der Aus- gangslage ver/~ndern. Der b'bergang yon der ersten zur zweiten Situation wird infotge des verstiirkten Kapitalriickflusses da~zu fiihra~, da~ die Zinss~tze in A sinken; die geplanten Einnahmenfiberschiisse gehen zurfick, so dab die beabsichtigte GeldvermSgensbildung dam v6rminderten Kapital- bilanzsaldo antspreehend verringert wird. Sind die Zinss~tze jedoch fast- gelegt, so miissen offenbar andere wirtschaftspalitische MaBnahmen wia beispialsweise eine Verminderung der sta~tliehan GetdvermSgensbildung oder gagebenenfMls eine Senkung der Einkommensteuer auf inl~,ndische Kapitatartr~ge ergriffen werden, um die GeldvermSgensbildung und den Leistungsbilanzsaldo der ver~nderten Kapitalbilanz anzupassen. Dem Ein- flul3 der Laufzait der Anleihen bzw. der Amortisationsquote kSnnte in unserem Modell dadurch Reehnung getragen warden, dab die Spar- und Investitionsfunktionen durch einen einkommensunabhiingigan Bestaadteil erg~nzt warden 4,. Dies wiirda wohI am ehesten dem Modell D o m a r s entspreehen. D o m a r geht yon einar Bruttoauslandsinvestition ~us, die mit einer vorgegebenen Rate w~hst . Die NettoausIandsinvestition ergibt sich dureh Abzug der Amortisationszahlungen und w~ichst daher nicht mit einer gleichbleibenden Rate. Eine andare, hier angewandte Methode ist jedoch die, dab wir von solchen autonomen Grtil3en absehen und annehmen, dal3 die Laufzeit der Anleihen in den GeldvermSgensplanungen dureh ent- sprechende Werte der Sparneigungen und des Akzelerators berficksichtigt wird. Bei einer Ver~inderung der Kreditmodalit~iten mfissen sich dann diese Werte fiber Zins- und Steuer~nderungen entsprechend ~ndern. Ffir die Sparfunktion gilt:

S ----- sY -b-sZ + s D ---- sE -b ( ~ - - s ) Z -b sD. (4.2)

Die auf das Inlandsprodukt bezogene Sp_arneigung s mag yon der auf das Zinseinkommen bezogenen Sparquote s abweichen. In die Sparfunktion

wurde ferner der VermSgenseffekt eingebaut: mit ws~hsendem Geldver- mSgensbestand nimmt die Ersparnis ab, ~ ist negativ 50

49 Diese autonome GrSBe mfil3te in der Sparfunktion negativ oder/und in der Investitionsfunktion positiv sein, so da8 bei einer Verringerung der Lauf- zeit der ~berschul3 von S fiber I entsprechend zurfickgeht.

Die Diskussionen mit Professor M 5 11 e r und Professor G e h r e l s haben mir gerade bei diesem Absvhnitt sehr geholfen.

5o Dies ist a.us dam Gesetz des Ausgleichs der gewogenen Grenznutzen aller Gfiter und Nutzungen ableitbar. In der Aul3enhandelstheorie wird der VermS- genseffekt nur selten berfieksichtigt, ein Beispiel ist A. K o n r ad: Leistungs- bilanzsalden und Einkommenskreislauf. IFO-Studien 6 (1960), insbes. S. 137 ft.

320 Hans-Joachim Heinemann:

Fe rne r sollen gelten I = b E ' = brE. (4.3)

Z := iD. (4.4)

Unter Verwendung von (4.2) his (4.4) ~rgibt sich ans (4.1)

D' = (s --- b r )E - - fD; (4.5)

f ---- i(s - - s) - - ~ . 51 (4.6)

Fi i r Do = 0 erhal ten wir folgende LSsung:

s - - b r D ---- B(e rt - - e - f t ) mi t B = Eo (4.7)

r + f L ---- B(re rt - ~ f " e--It). (4.8)

Wie wir aus (4.8) sehen, s ind ffir f > 0 al le Wer te posi t iv , so dab der Le is tungsbi lanzsa ldo st/~ndig akt iv ist. Dieses Ergebnis s tel l t sich jedoch anch fi ir f < 0 Mn ~, so dab bei unver/ inderten Koeffizienten der Lei- s tungsb i lanzsa ldo immer p o s i t i v i s t , der Fo rde rungsbes t and also st / indig zunimmt. Da dies auch mi t entsprechend umgekehr tem Vorzeichen ffir ein Schuldner land (in unserem Fal le also B) gilt, i s t dami t bewiesen, dab der yon der /~Iteren Theorie angenommene Umschwung veto Schuldner- zum Gl£ubiger land nicht e intreten muff. W i r d die Hande l sb i l anz pass iv werden? Wegen (4.1), (4.4), (4.7) und (4.8) gi l t

T ---- L - - Z = D ' - - i D = B [ ( r - - i ) e rt + (i + f)e-f l] . (4.9)

Eine Pass iv ie rung der HandMsbi lanz i s t o f fenbar nu r f i ir r < i m5glich. W i r erhal ten ans dem Klammeransdruck nach folgenden Rechenoperat io- hen: Mul t ip l ika t ion mi t e - r t , Subs t rak t ion von ( r + f), Divis ion d u r c h - (r + f):

i "~- f (l + f)t). (4.10) R = ~ . m e-Cr

Nur wenn dieser Ausdruck grSi3er als 1 wird, wird die Hande lsb i lanz passiv. Land B wird zum Export i iberschuBland und erh£1t keine reale Ent - wicklungshilfe m~hr in Form yon Gii tern und Diensten. Der Zei tpunkt , zu dem der Umschwung eintreten kann, errechnet sich gem£B (4.10) aus

1 ( . i + f t - - r - t - f In 1 - - r ) (ln = natf ir l icher Logar i thmus) . (4.11)

Nehmen wir an, daft die Amor t i sa t ionsquote erhSht (bzw. die Anle ihelauf-

Zur Beriicksichtigung des GeldvermSgcns in der Konsumfunktion: D. P a t i n - k i n: Money, Interest and Prices. Evanston (Ill.): 1956, passim; R. A. M u s- g r a v e: The Theory of Public Finance. N. Y.: 1959, S. 533 ff.

51 Da i klein ist, ist selbst bei er:heblich gr5Berem-~ im Vergleich zu s mit einem positiven f zu rechnen.

52 Fiir f = 0 ist dieses Ergebnis evident. Fiir f < 0 zeigt sich: (1) r > (-- f) > O: wegen re rt > --re --ft und r + f > 0 ist L > 0; (2) r < (--f) > 0: wegen re rt < - - fe - - I t und r -t- f < 0 ist L > 0.

Wirtschaftliches Wachsmm und Entwicldungshilfe 32t

zeit verkiirzt) wird, dab der VermSgenseffekt starker wirkt oder die Spar- neigung fiir Zinseinkiinfte sinkt, so crhSht sich f. Die Ableitung yon (4.7), (4.8) und (4.11) ergibt

° ° } - - e -~t [ t + t (r + ~)1 - -eFt (4 .12)

5f r

5L B 5f- - - r + f [---ft(r -I- f)e -~t - - r(e rt - - e-ft)] "~ 0. (4.13)

Da (4.12) ffir t = 0 ebenfalls 0 wird, (4.13) aber negativ i,st, ist ffir t ~" 0 aueh (4.12) negativ.

5t I 1 1 5 - - - ~ - = ~ ( i + f t) " ~ 0 f i i r t : > i+------f" (4.14)

(i) Fordertmgsbesta~d und Leistungsbil~nzsaldo nehmen bei einer ErhS- hung von f (Zun~hme yon s: Abnahme von ~) ab. (ii) Falls die Handelsbilanz wegen r "< i passiv wird, so ist nicht eindeutig zu sagen, ob der Zeitpunkt dieses Umschwungs bei einer ErhShung yon f friiher oder sp~ter eintritt.

Bei einer Erh5hung yon s und ~ nehmen, wie die en~spre- chenden Ableitungen yon (4.7) und (4.8) zeigen, Leistungsbilanzsaldo und Forderungsbestand zu. Kein eindeutiges Resultat ergibt sich bei einer Er- hShung der Wachstumsrate. Die erwartete Einkommensiinderung wird grS- 13er, so dal3 sich nach (4.3) die Inlandsinvestitionen erhShen, weshalb zu- n~chst ein geringerer Betrag ftir Auslandsinvestitionen verfiigbar ist. An- dererseits steigt aber das Volkseinkom_men rascher, sodal3 die Spart~tigkeit starker als bei kleinerem r zunimmt. Ist die neue Wachstumsratv immer noch kleiner als s/b, so mul3 schliet31ich trotz geringerer Auslandsinvesti- tionsquote (also hSherer Inlandsinvestitionsquote) der fiir Auslandsin- vestitionen verfiigbare Be~rag zunehmen. Der Forderungsbestand wird -- wie die Ableitung von ('4.7) nach r zeigt -- zunehmen, wenn gilt

t > (bf + s) (1 ~ e - ( ~ + f)t) (s - - br)(r -[- f) (4.15)

Fiir den Anteil des Zinseinkommens am Volkseinkommen des Landes A bzw. der Zinszahlungen am Volkseinkommen yon B erhalten wir

s ~ br (1 - - e - ( r + f)t) (4.16) Z/E = q = i ~

Z/Eb ~ qb ~ i Ebo s - - b r (e_( rb__r) t _ _ e__( i + rb)t). (4.17) E0 r + f

Der Anteil des Zinseinkommens am Volkseinkommen des Landes A nimmt stgndig zu. Wie aus (4.17) (bzw. der Abteitung nach t) ersichtlieh ist, nimmt die Zinsbelastung des Volkseinkommens in B (Stir rb > r) bis zu dcm dutch (4.18) bezeichneten Zeitpunkt zu, anschliel3end sinkt .sie (ffir t = co wird die Zinsbelastung null).

f + r b , 5qJSt = 0 ffir t = (r @ f ) - - I In ( r b - ~ r j (4.18)

Zeitschr. f. NationalSkonomie. XXIII. Bd.. Heft 3-4 21

322 Hans-Joachim Heinemann:

Ist die Wachstumsrate des Volkseinkommens und der Auslandsinvesti- tionen yon A hSher als die des Volkseinkommens yon B, so nimmt die relative Zinsbelastung des unterentwickelte~ Landes st~ndig zu. Auswege bieten (a) die Senkung des Zinssatzes oder (b) eine Einschrgnkung der Auslandsinvestitionen (letzteres wiirde allerdings u. U. die Aufgabe der Wachstumsstabilisierungspolitik in A bedeuten) oder (c) subsidi~re Ma~- nahmen der Entwicklungshilfe, wie ]~andelspolitische Erleichterungen oder technisehe Hilfe zur Steigerung der Wachstumsrate in B.

4. Fassen wit die wichtigsten Ergebnisse von Ziffer 3 zusammen: bei unver~ndertem Akzelerator (bzw. Kapitalkoeffizienten) und Verhaltens- koeffizienten in dem betrachteten Land ist gleichm~Bigeres wirtschaftliches Wachstum (von dem Sonderfall mit st~ndig ausgeglichener Leistungsbilanz abgesehen) mit dem stgndigen Ausbau einer Gl~ubiger- bzw. Schuldner- position vereinbar. Auch der Handdtsbilanzsaldo kann aktiv (passiv) blei- ben, wenn er dies im Ausgangszeitpunkt bereits war. Entscheidend hierffir ist, ob der Zinssatz fiir die Auslandsinvestitionen geringer ist als die Waehstumsrate derselben bzw. des Volkseinkommens oder nicht. Im letz- ten Fall tritt ein Umsehwung in der Handelsbilanz-, nicht aber in der Leistungsbilanzentwicklung ein. Das bedeutet, dab der yon der -- an einem station~ren Modell argumentierenden -- ~lteren Theorie behanptete Verschuldungszyklus empirisch mSglich oder wahrscheinlich sein mag, jedoch nicht zwangslgufig auftritt. Von erheblicher Bedeutung ist es hier- ffir, wie sich im Zeitablauf die Kapitalproduktivit~t, die Spargewohnheiten und die Ansichten aller Wirtschaftssubjekte einschliel]lich der Regierung fiber die optimale Wachstumsrate entwickeln. Wie in der geschlossenen Wirtsehaft nicht die HShe der 5ffentlichen Schuld, sondern die Zinsbela- stung im Vergleich zu den Steuereinnahmen o der dem Sozialprodukt die Grenze der Staatsverschuldung bestimmen, so setzt in der offenen Wirt- schaft die Zinsbelastung im Vergleich zum Volkseinkommen eine mSgliche Grenze der Auslandsverschuldung.

2. Einkommensentwiddung bell vorgegebenen Auslandskrediten 1. Im letzten Abschnitt stand die. Frage im Vordergrund, wie die Stabi-

lisierung des Wachstums in A und B die Versehuldungsbilanz zwischen beiden L~ndern beeinfluBt. Hier befassen wir uns mit dem Problem, wie sich eine vorgegebene Kreditgew~hrungsbereitschaft des Landes A auf seine wirtschaftliche Entwicklung und die des unterentwickelten Landes auswirkt. Diese Untersuchung ist daher mit unserer Betrachtung unter § 2 zu vergleiehen, in welcher der EinfluB des wirtschaftlichen Waehs- tums in B auf Lei~stungsbilanzentwicklung und Einkommen in A unter- sueht wurde.

Wir gehen yon (4.1) aus. Setzen wir wieder ffir dD/dt ~ D' und fiir dE/dt :- E', so erhalten wit

sE -- bE' ---- fD -F- D' ---- Q. (4.19)

Setzen wir s/b ~--w (dies ist also die in der gesehlossenen Wirtschaft oder bei fehlender Verschuldung und somit ausgeglichener Leistungsbilanz

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 323

in A erreichbare Wachstumsrate), so erhaltea wir bei gegebener Funktion ffir D und somit Q folgende LSsung 58.

t

E = e wt (E o - - b- f Qe--Wtdt). (4.20) o

2. Untersuchen wir zun~chst folgenden Spezialfalh Land B mScbte seine Wacbstumsrate stabitisieren und benStigt zu diesem Zweck einen j~hrlichen Kredit in HShe eines konstanten Anteils seines Volkseinkommens (das mit E b bezeichnet wird), der zum Tell ffir Amortisationszahlungen ver- wendet wird. Fiir Q erhalten wit foIglich

Q ~ VEboerb t. ( 4 .21 )

Hierbei ist v die Verschuldensquote und rb die Einkommenswa~hstumsrate in B. Setzen wit (4.21) in (4.20) ein, so ergibt sich die mit (2.6) vergleich- bare Funktion ffir die Einkommensentwicklung in A

v E ~ E0 e wt ......... Ebo(erb t - eWt). (4.22)

b ( r b - w)

Unahhi~ngig davon, ob rb ~ w ist, wird B zu seiner Entwicklung Kredite yon Land A beanspruchen. Diese ffihren d~u , da~ die Ersparnisbildung in A nur zum Tell ffir die Vermehrung des eigenen Kapitalbestandes ver- wendet werden kazm, so dab die Wachstumsrate in A geringer als ohne Kapitalexport ist. Die Differenz zwischen diesen beiden Entwicklungs- raten ergibt sich als

v Eb < 0 (r = E'/E) (4.23) r - - w = - - g

3. Versehuldung bzw. Kreditgew/~hrung und damit Q mSgen einer Funktion m-ten Grades folgen, deren (m -~ 1)re Ableitung somit null wird. Nach mehrmaliger partieller Integration erh~lten wir dann ffir (4.20)

m m

E ----- Eoe wt - - s -1 (e wt ~ w - i Q o (i) - - ~ . w - i Q ( i ) ) . (4.24) i ~ - o i = o

Hierbei ist Q(i) die i-re Ableitung von Q nach t, Qo (i) entsprech~nd die i-re Ableitung ffir t ~- 0. Betrachten wir nun einen Spezialfa~l: Land A gew~hrt B ffir die Dauer yon n Perioden Kredite, die nach der Hi~lfte dieser Zeit ihr Maximum erreichen. Ffir t ~ 0 und t ~- n ist D ~ 0. D' f~llt st~ndig (der Leis¢ungs- bilanzsaldo von A nimmt dauernd ab) und erreicht bei t-~- I1/2 den Weft null. Die Verschuldungsfunktion mSge daher eine quadratische Parabel sein mit

D -~- E0(s -- br0) ( ~ n - i t 2 + t). (4.25)

Hierbei ist ro die Wachstumsrate in der Ausgangsperiode und E0(.s -- br0) gibt den Oberschu$ der Ersparnis fiber die Inlandsinvestition und damit

5~ Ich danke Herrn Dipl.-Math. H. S t e n g e r fiir seine Hilfe bei den fol- genden Ableitungen.

21"

324 Hans-Joachim Heinemaan:

den Leistungsbila~zsaldo f i i r t ~ 0 an. Wir vernachl~ssigen f, indem wir annehmen, der VermSgenseffekt sei nicht wirksam und die auf Zins- und Inlandseinkommen bezogenen Spameigungen seien gteich. Somit gilt Q : D'. Setzen wir die Ableitungen yon (4.25) in (4.24) ein, so ergibt sieh

E ~ E0e wt ~ E0 s -- bro K (4.26) rlsw

mit K ~ (nw - - 2) (e ~t ~ 1) -]- 2 wt. (4.27)

Offenbar ist im Ausgangsze~tpunkt K = 0 und das Einkommen mit be- ginnendem Forderungs- bzw. Schuldeuaufbau ist gleich dem in einer ge- schlossenen Wirtschaft oder in einem Land mit ausgeglichener Leistungs- bilanz. Bei genfigend langer Laufzeit der Kredite (hinreichende Bedin- gung: n :> 2/w) ist d~s Einkommen im Kapitalexportland (-importland) st~ndig geringer (hSher) als bei ausgeglichener Leistungsbilanz, obgleich die Wachstumsrate in der zweiten tt~lfte der Kreditlaufzeit fiber (unter) der bei ausgegliehener Leistungsbilauz liegt, bedingt durch die Passivie- rung (Aktivierung) der Leismngsbilanz 53a

§ 5. Entwicklungshilfe und Wirtschaftsentwicklung (Zusammenfassung der Ergebnisse)

1. Der Kapitalexport in unterentwickelte L~nder ist nur eiue F o r e der Entwicklungshilfe, meist steht er in komplement~rem, seltene~: in substitu- tivem Verh~ltnis zu der Verbreitung technischen Wissens, handelspoliti- scheu Erleichterungen und sonstigen Mal]uahmen zur VergrS•erung des iuternationalen Warenaustauschs seJtens der entwickelten Welt 54 Da we- gen des niedrigen Einkommens die Ersparuis gering ist, sind die Kapital- importe fiir die unterenwickelten Gebiete eine notwendige Bedingung zur Erreichung eiuer befriedigendeu Wachstumsrate.

Die finanziellen Leistungc*n entwickelter Volkswirtschaften zugunsten unterentwickelter L~nder kSnnen yon diesen verwendet werden, Gfiter zu importieren. Insoweit besteht der Bumerang-Effekt, allerdings nicht in bezug auf ein einzelnes Land, sondern die Gesamtheit der entwickelte~ L~uder. Die untereutwickelteu L~nder haben jedoch auch die MSglichkeit, ihre ,,Transaktionskasse", d. h. ihre Gold- und Devisenreserven zu er- hShen. Dieser Weg wird dann beschritten werden, wenn die bisherige inter- nationale Liquidit~t als unteroptimal betrachtet wurde. Wir wissen, dal3 das Wa~hstum einer Unternehmtmg und das Wachstum einer Volkswirtschaft gehemmt werden kann, wenn der jeweilige Liquidit~ts- status nicht den wirtschaftlichen Transaktionen entspricht. Aus diesem Grunde kSnnen solche ErhShungen der Devisenreserven durchaus entwicklungskonform sein. Insoweit gew~hrte Kredite seitens der unter-

5~a Es l~Bt sich fibrigens zeigen, dab ffir jedes n und jedes p~sitive t K positiv wird, so dal~ unser Ergebni,,~ auch ffir n ~ 2/w gilt. Auf den Beweis sei hier verzichtet.

54 Vgl. hierzu auch den Beitrag des Verf.: Entwick]ungshilfe, Technischer Fortschritt und Terms of Trade. In dieser Zeitschrift X X I I I (1963), S. 115 ff.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungshilfe 325

entwickelten Lander nicht zur Finanzierung von Leistungsbilanz- defiziten verwandt werden, bilden die entwickelten Lander kein Geld- vermSgen, denn die gewahrten Kredite entsprechen in diesem Fall nicht abgerufenen Kontokorrentkrediten privater Wirtschaftssubjekte bei einer Geschaftsbank. SchlieBlich kann die Finanzhilfe verwendet werden~ um Kapital in die entwickelten Lander zu transferieren. Wir haben im§ 3 darauf hingewiesen, dab ~rhebliche Unterschiede zwischen den finanziellen Leistungen der fortgeschrittenen Lander und der Summe ihrer Leistungs- bilanziiberschfisse bestehen. Im Zeitraum yon 1956/59 machten diese nur die Halfte aller finanziellen Leistungen aus. Unterschiedliehe Verbuchun- gen und private KapitalanIagen in den entwickelten L~indern dfirften u. E. die wiehtigsten Griinde ffir solehe Unterschiede sein. Wit halten es nieht ffir ausgeschlossen, daI] bei der Gewahrung der Finanzhilfe in bestimmten Fallen damit gereehnet wird, daI3 nut ein Teil zur Finanzierung yon Lei- stungsbilanzsalden verwendet wird, ein erheblieher Teil jedoch wieder in den entwickelten Landern angelegt wird. In solche~ Fallen mag beispiels- weiso eine ,,reale Entwicklungshflfe" yon 1 Mrd. beabsiehtigt sein; am diese zu erreic'hen, ist es jedoch nStig, Kredite in HShe yon 2 Mrd. zu gewahren.

2. Leistungsbilanzdefizite vergrSBern in den unterentwiekelten Lan- dern das Gfiterangebot fiber die Gfiterproduktion. Die zur Entwicklung notwendigen Kapitatgfiter werden haufig importiert werden, jedoch w~ire es falsch, unterentwickelten Landern generelI nu t Kredite zur Finanzierung solcher hnporte zu gew~hren, denn hierdurch wird den unterschiedlichen und sich veraadernden komparativen Kostenverhaltnissen nicht Reehnung getragen. Bestehen im Inland genfigend TransformationsmSgliehkeiten, so kSnnen Produktionsfaktoren aus den iibrigen Sektoren in die Kapital- gfiterproduktion abgezogen werden. Solange jedoeh die volkswirtsehaftliche Nachfrage das dureh Inlandsproduktion erreichbare Angebot fibersteigt, sind zur Vermeidung inflationarer Prozesse und eines Absinkens tier tea- lea Wachstumsrato Leistungsbilanzdefizite unerlaBlieh, die dann durch den verminderten Export oder erhShten Import yon Nahrungsmitteln, Roh- stoffen und Konsumfertigprodukten entstehen m5gen. Die den Kapital- importen der unterentwickelten Lander entsprech~nden Leistungsbilaaz- fiberschiisse der entwickelten Welt fiihren hier zu einer standigen Vermin- derung der bei Preisniveaustabilitat erreiehbaren Waehstumsrate 55 Der Wille zur GeldvermSgensbildung impliziert somit die Bereitsehaft zu einer geringeren Waehstumsrate. Die standige Abnahme der Wachstnmsrate kann allerdings vermieden werden, wenn durch wechselkurspolitische oder finanzpolitische MaBnahmen tier Ant, eft des Aui3enbeitrages am SoziaI- produkt bzw. der Auslandsinvestitionen an den Gesamtinvestitionen stabi- lisiert wird. In allen Fallen erfordert die Entwicklungshilfe in der ant- wiekelten Welt jedoch eine unterstiitzende Wirtschaftspolitik, die verhin- dert, daf~ die private und staatliche Naehfrage die ~ n die Leistungsbilanz- fiberschfisse verminderte Produktion iibersteigt. Eine inflatorische Liicke ist allerdings umso unwahrseheinIicher, je starker tier Kapitalexport das

~5 Vgl. § 2.4 und § 4.2.2 und § 4.2.3.

326 Hans-Joachim Heinemann:

Zinsniveau zu erhShcn vermag und je st£rker das private Sparangebot auf Zins~nderungen reagiert. Dutch geld- und finanzpolitische MaBnahmen muB im Falle einer durch die Entwicklungshilfe bedingten inflatorischen Liicke die volkswirtschaftliche Sparneigung ,,kiinstlich" erhSht werden.

Ffir eine solche Politik kommen vielerlei MaBnahmen in Frage, die bier nur zum Tell angedeutet werden kSnnen. Einmal kann der Staat die Verwendung des privaten Einkonnnens dureh Sparpr£mien oder Konsum- steuern beeinflussen; zweitens kann er bei gleichem Steueraufkommen seine inlandswirksamen Ausgaben senken oder bei gleichem Ausgaben- volumen die Steuers~tze erhShen; schliel31ich kann der Staat versuchen, Anleihen bei den Wirtschaftssubjekten unterzubringen, die die entspre- chenden Betr~ge sonst ffir inl~ndische Produkte verausgabt h~tten. Auf die sich insbesondere aus der Verzinsung dieser Anleihen und der hierzu erforderlichen Steueraufbringung ergebenden verteilungspolitischen Pro- bleme kann hier nur hingewiesen werden. Die Finanzierung der Entwiek- lungshilfe fiber Anleiheaufnahme des Staates kann wegen der restriktiven Vorsehriften fiber den Haushaltsausgleich, die Kreditfinanzierung nur ffir ,,werbende Zwecke" zulassen (Art. 115 GG), allerdings auf Schwierig- keiten stol3en.

Alle diese wirtschaftspolitischen Probleme treten nur bei einer be- stimmten Form des Kapitalexportes auf, n~mlich dean amplifikativen 5~. Der amplifikative Kapitalexport zeichnet sich dadurch aus, dal3 die Auf- teilung der investierbaren Mittet zwischen den L ~ d e r n berfihrt wird, die an sich auch ganz im Inland h~tten angelegt werden kSnnen. Handelt es sich dagegen um sustentativen Kapi~alexport, der der inl~ndischen Anlage keine Mittel entzieht, sondern ledigl~ch den Uberschul3 des volkswirtschaft- lichen Sparangebots fiber die Investitionsnachfrage bindet, so ist die Situation eine ganz andere: der Kapitalexport and der mit ihm verbundene LeistungsbilanziiberschuB schtieBt die deflatorische Lficke im Inland, er- zeugt jedoch keinen Naehfragefiberhang. Vielmehr tr~gt die Entwicklungs- hilfe dazu bei, das volkswirtschaftliche ~3berangebot und damit die Gefahr der Stagnation oder Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Die gegenw~rtigen wirt- schaftlichen Konste|lationen in den me~sten L~ndern lassen zwar die im Zusammenhang mit dem amplifikativen Kapitalexport erw~hnten Gefahren grSBer erscheinen, jedoch sollte man fiir die Zukunft die zweite M~Sglichkeit nieht ohne weiteres ausschlieBen.

St~ndige Kapitalbewegungen in einer Richtung bedingen -- sofern es sich nicht um unentgeltliche Leistungen handelt -- Zins- und Tilgungs- zahlungen in der entgegengesetzten Richtung. Wir haben im § 4.1 ge- sehen, dab im Gegensatz zu mancher ~Iteren Auffassung diese Kapital- riickflfisse keineswegs dazu zu fiihren brauchen, dab die entwickelte Welt eines Tages zum Kapitalimporteur wird, was das weitere Wachstum der unterentwickelten L~nder u. U. hemmen kSnnte. Sofern die Wachstums- rate des SoziaIproduktes in den entwickeIten Gebieten und die Wac~s- tumsrate der Auslandsinvestitionen grSl3er als der auf die Anleihen erho-

56 Vgl. zu diesen Fragen E. P re i s e r: Kapitalexport und Vollbesch~fti- gung. Abgedr. in: Bildung und Verteilung des Volkseinkommens. G~ttingen: 1957, insbes. S. 84 ft.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicldungshilfe 327

bone Zinssatz ist, bleibt die Handelsbilanz der entwickelten Welt aktiv. Obgleich die hier gemachten Voraussotzungen unrealistisch sein mSgen, kann man folgende Schlul~folgorung ziehen: bei Anleihen internationaler Organisationon oder von einzelnen Regierungen an unterentwickelte Ge- bieto sollten niedrige Zinss~tze fostgelegt worden, was umso wichtigor ist, je grS•er der Anteil privater Kapitalbewegungen an der Entwicklungshilfe ist, ffir die hohe Zinss~tze berechnot werdeu 57 Die Gefahr unerw4inschter Kapitalriickfliisse wird am leichtesten durch unentgeltliche Leistungen beseitigt. Allerdings kann hierbei die Belastung der entwickelten L5nder dutch Stouorn odor andore Eingriffe besonders grog werden.

3. Wesentliehe Annahmen unserer Analyse waren: unver~nderte, Spar- neigungon und unver~nderte Kapitalproduktivitgten. Ist die Wachstums- rate nieht stabilisiert, so kann bei einer ErhShung der Sparneigung in A die zus~tzliehe Ersparnis zur vermehrten Kapitalbildung im Inland ver-, wendet werden, so dab hier das Einkommonswachstum angeregt ~,ird und die Leistungsbilanziiberschiisse sogar zuriickgehen 5s

Allerdings besteht dann auch die MSglichkeit, dab die Gleichgewichts- wachstumsrate die tats~chliche Waehstumsrate iibersteigt, so dal3 ~dber- kapazit~ten mit der Folgo oiner Depression auftroten. Die W-irtschafts- potitik hat in diesem Fall die Aufgabe, die Ersparniszunahme entweder zu vorhindorn oder mittels wachstumsstabilisieronder Eingriffe ins Aus- land zn lenken und damit die Leistungsbilanziiberschiisse zu vermehron. Wird die inl~ndische Wachstumsrate stabilisiert, h~ngt bei konstantor Kapitalproduktivit~t der Anteile der Auslandsinvestition (= Leistungs- bilanztiberschiisse) an der Gesamtinvestition und am Sozialprodukt yon der Sparneigung ab; steigt diese, so nehmen die Auslandsinvestitions- quote und der Forderungsbestand zu, f~llt sie, so sind die entgegen- gesetzten Ergobnisse zu erwarten, w~hrend bei unver~nderter Sparneigung die Aufteilung der Kapitalbildung auf Inlands- und Auslandsinvestition bzw. Real- und GeldvermSgensbildung konstant bleibt 5s Welehe Vor- ~nderung der Sparneigung aus der Wirtsehaftsentwicklung in unserom 2-L~nder-Modell turn wahrseheintichsten ist, vormSgen wir nicht klar zu sagen.

Ebensowenig klar l~l~t sich die wahrscheinliehste Entwicklung der Kapitalproduktivit~ten bestimmen. Einige Vermutungen seien jedoch an- gefiihrt. Die Kapitalbewogungen yon A nach B miiSten bei Zugrunde-

57 Die Festsetzung niedriger Zinss~tze kann allerdings den Nachteil haben, dal~ dadurch der Marktzins in den Empf~ngert~indern zu stark gesenkt wird (vgl. auch Fui]note 62). Eigentiimer yon investierbaren Fonds in den Entwicklungsl~n~ dern kSnnen dadureh veranlaBt werden, ihr Kapital in entwickelten Lgndern mit hSherer Verzinsung anzulegen. Um soIche MSglichkeiten zu vermeiden, miissen die Entwicklungsanleihen entweder an bestimmte Projekte gebunden sein -- was ebenfalls nicht unproblematisch ist -- oder mulJ mittels wirtschaftspolitischer Ma~ nahmen der fiir die privaten Wirtschaftssubjekte in B geltende Zinssatz an- gehoben werden.

5s Dies ergibt sich aus der Ableimng yon (2.6) und der Abteilung yon T : X -- M nach s. Das Inlandseinkommen steigt, die Importe nehmen ebenfalls zu, w~hrend die Exporte unver~dert bleiben.

59 Vgl. hierzu § 4.1.3.

328 Hans=Joachim Heinemann:

legung linear homogener Produktionsfunktionen infolge der geringeren (hSheren) Ausstattung mit fibrigen Faktoren im Zuwanderungsgebiet (Abwanderungsgebiet) die Kapitalproduktivit~t senken (erhShen). Darnit wfirde das reale ZinsgefElle sich zugunsten yon A verbessern, die Kapitat- bewegungen wiirden abnehmen, das Wachstum in A angeregt, in B jedoch gehemmt. Bei stabilisierten Wachstumsraten m/iBte der Staat jedoch einen vermehrt~n Kapitalexport aus A erzwingen, indem z. B. die Steuer auf inl~ndische Kapitaleinkfinfte entsprechend der gestiegenen ProduktivitEt erhSht oder Steuerverghnstigung ffir Auslandsanlagen gewEhrt w/irden. Nun gibt es abet auch GegenkrEfte, die eine solche Produktivit/~tsentwick- lung nicht unbedingt erwarten lassen: die Kapitalbewegungen yon A naeh B erhShen den internationalen Giiteraustausch fiber das sonst mSgliehe Ma~. Hierdurch wird eine neue optimale AlIokation der Produktionsfaktoren angeregt, entwicklungshemmende Markt- und Produktionsunvollkommen- heiten werden verringert. Infolge dieses positiven Produktivit~tseffektes des Aut]enhandels so mag die negative Wirkung der vermehrten Ausstat- tung auf dessen ProduktivitEt in B ausbleiben, w~rend in A die beschrie- bene Produktivit~tszunahme verst~rkt wird. Werden aber die v~r- besserten ProduktionsmSgIiehkeiten sofort genutzt werden? Die Wohl- fahrtstheorie zeigt, dab die Grenznutzenrelationen zu versehiedenen Zeit- punkten anfallender Gfiter bei allen Interessenten gleich sein m/issen, was einen einheitlichen Gleichgewichtszins erfordert 61. Der AuBenhandel mag grit]ere InvestitionsmSglichkeiten mit sieh bringen, die es sinnvoll er- seheinen lassen, in Sektoren zu investieren, die zunEehst wenig oder keine Ertr~ge abwerfen, deren diskontierter Grenzertrag wegen der hohen Er- giebigkeit in spEtere Perioden aber dennoeh groB sein kann. In diesem Falle w/irde die durchsehnittliehe volkswirtsehaftliche Produktivit~t zu- n~chst mSglieherweise absinken, um in sp~teren Perioden desto starker zu steigen. W/~hrend des betraehteten Zeitraumes mag aus diesem Grund abet die Wachstumsrate des Volkseinkommens in eine~: offenen Votks- wirtschaft negativ beeinfluBt werden ~. Der Einwand ist fiir die entwiekelte

60 In seinem Aufsatz ,Die AuBenwirtschaft in der ModellanaIyse des 6kono- mischen Wachstums' (a. a. O.) berficksiehtigt F. A b b diesen Produktivit~itseffekt des AuBenhandels im Rahlnen eines Harrod-Domar-Modells.

61 Vgl. H. G i e r s e h: Allgemeine Wirtschaftspolitik -- Grundlagen. Wies- baden: 1960, S. 120.

62 Ans~itze zu einer allgemeineren Wachstumstheorie, die auch die eben angedeuteten Fragen beachten mfiBte, finden sich bei S o 1 o w (A Contribution to the Theory of Economic Growth, a. m O.), M e a d e (A Neo-ClassieaI Theory of Economic Growth. London: 1961), J. R o b i n s o n (The Accumulation of Capital. London: ]956), H i r s chin a n (The Strategy of Economic Develop- ment) und D o r f m a n - S a m u e 1 s o n = S o 1 o w (Linear Programming and Economic Analysis. N. Y. etc.: 1958, Kap, 12).

In unterentwickelten L~ndern besteht h~ufig eine Diskrepanz zwischen Markt- lohn und Gleiehgewichtslohn bzw. zwisehen Marktzins und Gleiehgewichtszins (vgl. J. T i n b e r g e n: The Design of Development. Baltimore: 1958, S. 39 ff., S. 76 ff.), welche eine nicht optima.le Kapitalintensivierung anregen. Die einge= schlagenen Produktionsumwege mSgen dann reeht lange sein. Wfinscht man je- doch Investitionen mit einer hohen Grenzergiebigkeit in der Gegenwart, so mii0te sich der Zins~satz angleichen, also steigen.

Wirtschaftliches Wachstum und Entwicktungshilfe 329

oder unterentwickelte Welt in ihrer jeweiligen Gesamtheit Mlerdings wolff weniger schwerwiegend als fiir einzelne L~zzder.

Obgleich unsere Bemerktmgen nicht die Annahrae reehtfertigen, die Kapitalkoeffizienten blieben in A und B w~hrend des betrachteten Zeit- raumes auf jeden Fall konstant, mSgen sie es begrfindet erscheinen lassen, warum wir mit dieser Hypothese in unseren Modellen arbeiten.

4. Die Ergebnisse unseres 2-L~nder Modells sollen nidlt zu dem Schlul3 verleiten, in der realen Welt sei es sinnvoll oder g~r notwendig, dab alle entwiekelten Lgnder Leismngsbilanziiberschfisse und alle unterentwickelten Gebiete Defizite zur Vermehrung des Gfiterangebots aufweisen. Selbst wenn diese Fordertmg fiber l~ngere Zeitr~ume erhoben werden kSnnte, wfirde sie doch nieht ffir jede einzelne Periode gelten. Eine solche Folgerung miiflte die MSgliehkeiten der Wirtschaftspolitik jedes einzelnen Landes fiber Gebfihr einschrgnken. Vielmehr ist es -- solange die effektive Nach- frago das inlgndische Angebot in der unterentwickelten Welt insgesamt fibersteigt und die angestrebte Wachstumsrate nicht vermindert werden sell -- erforderlich, dal3 die entwickelte Welt in ihrer Gesamtheit Leistungs- bilanzfibersehfisse aufweist, die nach der jeweiligen wirtschaftlichen Situation in den einzelnen L~ndern auf diese aufzuteilen sind. Dann ist es auch durchaus mSglich, dab manche fortgeschrittenen L~nder fiber lgngere Zeitr~ume Leistungsbilanzcl~ffizite haben. Richter sich die Aufteitung der Entwicklungshilfe auf die verschiedenen ent.wickelten Sta~ten nach deren Wachstumsaussichten, so kann der Yerzicht auf den Konsum bzw. die Investition eigener Gfiter in den Hilfe gew~hrenden L~ndern minimiert werden.

5. Die Aufgabe der Entwicklungshilfe sollte es zwar zun~chs~ sein, zu einer langfristigen Steigerung des Realeinkommens in den unter- entwicketten L~ndern beizutragen, die entwickelten Staaten soIlte~ darfiber hinaus abet auf die Dauer versuchen, die Diskrepanz zwischen den pro-Kopf-Einkommen in den versehiedenen L~ndern zu verringern. Ent- sprechende Erfolge sind zwar mSglicherweise mit einer Verringerung des Wachstums unter das sonst mSgliche Mal3 in den fortgeschrittenen L~n- dern verbunden und wfirden aus diesem Grunde die Wohlstandszielsetzung des Landes A nicht befriedigen; diese Erfolge kSnnten abet sehr wohl andere Komponenten des politischen Zielvektors des Landes A gfinstig beeinflussen, wie z. B. das Ziel ,,Gerechtigkeit". Die sich bUS groBen Ein- kommensunterschieden sowohl innerhalb eines Landes als aueh zwischen verschiedenen Lgndern ergebenden wirtschaftlichen und politischen Span- nungen kSnnten vermindert werden.