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WirtschaftsBlatt Der Brexit als Bremse für die besten Köpfe

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Page 1: WirtschaftsBlatt Der Brexit als Bremse für die besten Köpfe

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ANDREASHRUSCHKAManaging PartnerBoyden in Wien

iStock, Niederl

Zitate des Tages

„Selbst symbolische Sanktionen wären von derÖffentlichkeit nicht verstanden worden. Sie sindnicht die beste Herangehensweise in Zeiten, indenen es weitgehende Zweifel an Europa gibt.“

Pierre MoscoviciEU-Wirtschaftskommissar; die EU-Kommission verzichtet auf Geldstrafen für

Spanien und Portugal wegen jahrelanger übermäßiger Haushaltsdefizite.

„Ich weiß, dass viele das eklig finden.“Arne Verliefde

Wasserexperte von der Universität Gent;Belgische Forscher wollen aus Urin Bier brauen lassen und nebenbei billigen

Dünger herstellen.

wirtschaftsblatt.atDONNERSTAG, 28. JULI 2016

Redaktion: Ingrid KrawarikIhre Meinung an: [email protected]

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Mehrwert von Markus Stingl

Den US-Vorständen gehtjetzt alles viel zu schnell

E infach mal entschleunigen.Das große Ganze betrach-ten. Strategischen Weit-

blick beweisen. Langfristige Stra-tegien entwickeln. Danach sehnensich die Chefs der an der WallStreet börsenotierten großenKonzerne offenbar.Aber der Reihe nach. Vor ein

paar Tagen hat eine illustre Rundevon CEOs und Vermögensverwal-tern aus den USA einen neuenVerhaltenskodex für börsenotierteGesellschaften („CommonsenseCorporate Governance Principles“)herausgegeben. Unter ihnen JamieDimon, Chef von JP Morgan Chase,Mary Barra, CEO von GM, LarryFink von Blackrock und auch War-ren Buffett. In Auszügen wurde dasKonzeptpapier publikumswirksamin einem ganzseitigen Inserat inder „Financial Times“ lanciert.

Das Papier beinhaltet Gefäl-liges wie einen Aufruf zur Zwei-teilung von Aufsichtsrat (Chair-man) und Vorstand oder mehrDiversität in der Führungsebene.Wirklich aufhorchen lässt aberfolgender Satz: „Unsere Finanz-märkte sind mittlerweile zu be-sessen von vierteljährlichen Ge-winnprognosen.“ Konzerne sollten

sich nicht dazu verpflichtet fühlen,selbige bekannt zu geben. DerDruck, die Prognosen einzuhalten,heißt es sinngemäß, führe dazu,dass sich so mancher Managerdazu genötigt fühle, zu tricksen.Aktionäre sollten vielmehr überdie langfristige Strategie aufge-klärt werden.Auch wenn die Begründung

etwas hohl klingt – sich an Gesetzezu halten, egal in welcher (Stress-)Situation auch immer, ist Grund-voraussetzung: Die Getriebenheit,im Quartalstakt zu wirtschaften,mutet bisweilen grotesk, ja eigent-lich wirklichkeitsfremd an. Natür-lich wollen und müssen Aktionäreinformiert werden, wie es um „ihr“Unternehmen steht. Aber mussdas im Vierteljahrestakt und indieser Ausführlichkeit sein? Des-halb wäre es begrüßenswert, wennder Kodex eine Debatte über dieseBörsenpraxis anregen würde.

Pressespiegel

„Libre Belgique“/„ABC“Werte verteidigen undErneuerung des Islam

BRÜSSEL/MADRID. Wir müsstentrotz oder gerade wegen derTerroranschläge an unseren Wer-ten festhalten, meint „La LibreBelgique“: „Es können unmöglichalle Kultstätten bewacht werden.Noch illusorischer ist es, alle so-genannten ,sensiblen‘ Orte identi-fizieren und schützen zu wollen.Die Reaktion auf die Barbarei be-schränkt sich daher nicht aufSicherheitsmaßnahmen und de-ren Verschärfung, die notwendig,aber unzureichend sind. Die Ant-wort besteht darin, dass wir umsostärker unsere Ideen und Werte

hochhalten: Wir müssen uns wei-gern, alle in einen Topf zu werfen,unsere hochheilige Meinungsfrei-heit beschneiden zu lassen undeiner niederträchtigen Logik zuverfallen, die uns dazu veranlas-sen will, unsere Welt durch dasPrisma eines Religionskriegs odergar eines Kampfs der Kulturen zubetrachten. Ebenso müssen wirverhindern, dass der Terror einnoch schlimmeres und gefähr-licheres Übel verbreitet: Spaltungund Zwietracht. Wir müssen ein-fach weiterleben.“ Die spanische„ABC“ fordert einen Paradigmen-wechsel: „Der Islam, zumindestder europäische, braucht eineGrunderneuerung, damit solchePerversionen in seinen Kreisenkeinen Platz mehr finden.“ (ag)

Gastkommentar

Der Brexit als Bremse fürdie besten KöpfeSchlüsselarbeitskräfteerwarten neben einemguten Einkommen auchein inspirierendesKlima. Der EU-Austrittder Briten schafft lang-fristig enorme Problemefür Unternehmen.

Der Telekomriese Voda-fone droht damit, seinHeadquarter ausGroßbritannien abzu-

ziehen, im Finanzsektor sind lautStudien bis zu 100.000 Arbeits-plätze gefährdet – dass der Brexitzu erheblichen Jobverlusten füh-ren wird, ist offensichtlich. Dasist bitter für die Briten, aber esist erst der Anfang. Dass Firmenabsiedeln und auf den europäi-schen Kontinent wechseln, istschmerzhaft, aber ein einmaligerEffekt.

Schlimmer ist der langfristigeEffekt für den britischen Ar-beitsmarkt. Denn für die Unter-nehmen, die „auf der Insel“ blei-ben, wird es in Zukunft immerschwieriger werden, hoch quali-fizierte Arbeitskräfte zu finden –und zu binden. Das hat auch mitden in Zukunft notwendigenFormalitäten und Behördenwe-gen für Ausländer in Groß-britannien zu tun, aber nicht nur.Viel entscheidender ist das Kli-ma. Und damit ist nicht der vieleRegen in Großbritannien ge-meint.

In allen Wettbewerbs-Ran-kings, in denen Staaten miteinan-der verglichen werden, ist dieVerfügbarkeit von gut qualifizier-ten Arbeitnehmern ein entschei-dendes Kriterium. Jede Standort-bewertung steigt, wenn die Re-gion Absolventen von Universi-täten und Fachhochschulen oderFacharbeiter zu bieten hat – undjede Region verliert im Ranking,wenn diese nicht vorhanden sind.Den Unterschied macht derMensch, das weiß nicht nur jederHR-Verantwortliche.

Dies gilt besonders für Dienst-leistungsgesellschaften bzw.Wirtschaftsstandorte, derenKonkurrenzfähigkeit von hoherProduktivität und technischenInnovationen abhängig ist.

RahmenbedingungenDoch diese Schlüsselkräfte sindbegehrt und schwer zu bekom-men. Denn sie erwarten nichtnur ein gutes Einkommen, son-dern auch ein inspirierendesKlima. Und das beschränkt sichnicht auf Klimaanlagen und Ru-hezonen im Büro, sondernumfasst auch ein offenes gesell-schaftliches Klima außerhalb desUnternehmens. Wer neue Ideenhaben soll, braucht Anregungenund Raum für Inspiration. WerÜberdurchschnittliches leistensoll, darf nicht an jeder Ecke kri-tisiert und ausgegrenzt werden,weil er gerade eben nicht Durch-schnitt ist. Wer denken soll, was

bisher noch nicht gedacht wur-de, braucht dafür eine gesell-schaftliche Kultur, die offen istund „anders sein“ toleriert.Warum haben sich die innova-

tivsten und erfolgreichsten Start-ups Amerikas nicht in Missis-sippi oder Texas, sondern inKalifornien angesiedelt? Weilman dort mit Minderheiten tole-ranter und offener umgeht, weildas Wissen und das Engagementvon Mitarbeitern dort wichtigersind als deren private Neigungenund Orientierungen.

Kulturell aufgeschlossenDas bedeutet keinesfalls, dass in-novative Unternehmen Sammel-becken von Minderheiten sind.Es bedeutet aber schon, dass in-novative und kreative Menschenein bestimmtes, kulturell aufge-schlossenes gesellschaftlichesKlima suchen, das sie eben inSan Francisco und Berlin finden,aber nicht in Moskau oder Bag-dad. Und bald eben auch nichtmehr in London, weil dort ge-rade „Fremde“ aus dem Land ge-jagt werden und das Land Gefahrläuft, sich mit hohen Mauern ab-zuschotten.Der beste Beleg für diesen Zu-

sammenhang ist San Francisco.Rein betriebswirtschaftlich ist es

völliger Wahnsinn, dort ein Un-ternehmen zu gründen. Die Mie-ten sind explodiert, die Arbeitge-berkosten zählen zu den höchs-ten in den gesamten USA. Undtrotzdem zieht die Stadt Gründeraus dem ganzen Land wie einMagnet an. Das Klima macht denUnterschied.Für Großbritannien besteht

die erhebliche Gefahr, dass sichder Brexit neben den unmittel-baren wirtschaftlichen Folgenlangfristig als fatale Hürde er-weist, Talente und Visionäre insLand zu holen. Denn wer imWettbewerb um die besten Köp-fe nicht zurückfallen will, mussnicht nur attraktive Arbeitsplät-ze bieten, sondern auch eineoffene Gesellschaft, die gegen-über allem Fremden und Nicht-Üblichen aufgeschlossen ist. Dasist durchaus viel verlangt. Aberlangfristig gibt es dazu keineAlternative – auch nicht in ande-ren Ländern.