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311 Silicon- Implantate Chemische Aspekte fur die medi- zinische Anwendung von Siliconen Polymere, keramische Gefiige, Verbundwerkstoffe oder Glaser, all dies sind Materialien, die in der medizinischen Implantattechnik eine wichtige Rolle spielen. Wenn ein defektes Korperteil ersetzt werden mu& so wiirden die meisten Mediziner jedoch heutzutage ein entsprechendes natiirliches Gewebestiick einer kiinstlichen Pro- these vorziehen. Natiirliches Gewebe enthalt korperahnliche Sub- stamen, welche fur den Reparaturmechanismus und die optimale Erfiillung der Funktion notig sind. Es kann zudem im Gegensatz zu den genannten kiinstlichen Materialien vom Korper mehr oder weniger regeneriert werden. Die Verwendung von naturli- chein Gewebe ist jedoch nicht in allen Fallen moglich, weshalb nach Ersatzstoffen gesucht und kunstliche Organe und Implanta- te entwickelt werden miissen. Als Material fur diese kunstlichen Implantate wahlt man den Werk- stoff aus, der die geringsten Ne- benwirkungen mit einer Vielzahl von gewiinschten Eigenschaften kombiniert. Hierbei spielen Steif- heit oder Flexibilitat, Abrieb und Rauhigkeit, Warmeleitfahigkeits- und elektrisches Isolierverhalten sowie hydrophobe oder hydro- phile Eigenschaften bei der Ent- scheidung fur den geeigneten Werkstoff eine zentrale Rolle. Diese Auflistung kann nur un- vollstandig sein. Silicongummi kann, durch Varia- tion der bei der Herstellung ein- gesetzten Komponenten, iiber ei- nen weiten Bereich an mechani- sche und formbestimmende An- forderungen angepaat werden. Zudem ist es gegeniiber den mei- sten biologischen Einwirkungen aufierst stabil und chemisch weit- gehend inert. Als Alternative tritt es dabei Polyurethanen und ande- ren Polymeren mit ahnlichen Ei- genschaften gegeniiber, wobei die Lichtdurchlassigkeit und die gummiartigen Eigenschaften aus- schlaggebend fur die Wahl des Si- licongummis sind. Silicon besteht aus einem che- misch und thermisch stabilen Netzwerk von Si-0- und Si-C- Bindungen. Es wird aus Alkyl- chlorsilanen und Alkylhalogeni- den mit Katalysatoren wie Si oder Cu hergestellt. Durch Hy- drolyse erhalt man Silanole, die spontan kondensieren. Langket- tige Siliconoie konnen wahrend der Verarbeitung zu Formkor- pern quervernetzt werden, so dafi je nach Veriietzungsgrad Silicon- gummis unterschiedlicher Harten erzeugt werden konnen. Die er- zeugten Formkorper werden nachtraglich mechanisch, che- misch und physikalisch behan- delt. Dabei wird die Oberflache fur den geplanten Einsatzbereich optimiert und ,,biokompatibel" gemacht. Dies kann zum Beispiel durch eine Plasmaatzung (SO,- Plasma) erfolgen. Dabei werden OH-Gruppen an der Oberflache in 0SO;-Gruppen iiberfiihrt, und damit konnen anschliefiend beispielsweise Kollagen oder Polyurethan an die Oberflache gebunden werden. Verwendet man Silicon als Im- plantatmaterial, so mui3 dieses vorher einer speziellen Behand- lung unterzogen werden, um ste- rile Verhaltnisse bei gleichzeitig verringertem Abstofiverhalten der korpereigenen Zellen zu er- reichen. Hierbei spielt die Erfor- schung der Oberflache des Im- plantates fur den Chemiker eine entscheidende Rolle. Ferner mufi die Oberflache so modifiziert werden, dafi die Abgabe von Reststoffen aus der Herstellung weitgehend unterbunden werden kann, oft auch iiber Jahre hinaus, ohne dafl sich die Oberflache andert. In der medizinischen Verwendung sind dabei Rest- stoffe von der Siliconherstellung, die spater, nach Monaten oder auch Jahren, in den menschlichen Korper diffundieren konnen, kontraindizierend. Es wird ange- nommen, daa sie unter anderem Arthritis, Gicht oder andere rheumatische Erkrankungen aus- losen konnen. Dieses wurde in Studien mit Mausen definitiv auf die Implantation von Silicon- materialien zuruckgefiihrt [2]. Bei neueren, mit Polyurethan be- schichteten Siliconpraparaten ist die Abgabe von Reststoffen ge- ringer. Trachealprothese nach Berghaus [4a]. Die wohl bekanntesten medizini- schen Einsatzbereiche von Sili- conmaterialien sind die Verwen- dung als Fiillkorper in Mamma- plastiken und als Hornhautim- plantate [3]. Daneben konnen sie auch als Stiitzkorper fur Knor- pelersatz (z. B. Ohrmuschel) ver- wendet werden. Dabei werden je- doch zunehmend andere Poly- mere wie Polyethylen eingesetzt. Die Verwendung von Silicon als Implantatmaterial wird aufierdem in wenigen speziellen Anferti- gungen, wie Stimm- oder Tra- chealprothesen (Abbildung) vor- genommen. Bei letzterem handelt es sich um eine lebenserhaltende Mafinahme, in der ein Teil der Luftrohre durch ein Implantat ersetzt oder freigehalten werden mui3, um ein Ersticken zu ver- hindcrn [3]. Eine Stimmprothese wiederum ist ein Implantat, wel- ches bei Verlust des Kehlkopfes einem Patienten eine Sprachmog- lichkeit gibt. Insgesamt betrachtet hat der Ein- satz von Silicongummi in der me- dizinischen Praxis seine Berechti- gung aufgrund der nicht ersetz- baren Eigenschaften wie optische Transparenz und chemische Inertheit, verbunden mit einer grogen Flexibilitat der in beliebi- gen Formen erzeugbaren Form- korper. Die Risiken miissen auch unter dem Aspekt der Notwen- digkeit der Einsatze abgewogen werden, wobei (kurzfristige) le- benserhaltende Mafinahmen mit einer grof3en Prioritat moglichen negativen Langzeitwirkungen gegenuberstehen. [l] H. Planck, Kunst5tofe und Elastomere in der Medizin, Ver- lag W. Kohlhammer, Stuttgart, 1988. [2] ,,The influence of silicone im- plantation on type I1 collagen-in- duced arthritis in mice": C. J. Schafer, J. D. Whalen, T. Knapp und P. H. Wooley, Arthritis Rheum. 1997,40,1064-1072. [3] ,,Elastic siloxane materials for endoprosthetic applications": Yu. A. Yuzhelevskii, Artif: Organs 1991,15, 392-396. [4] a) ,,Haftung von Tracheo- bronchialsekret auf Innenbe- schichtungen von Luftrohren- prothesen": K. Kippenhahn, M. Bloching, A. Berghaus und 0. Kriiger, Arch. Oto-Rhino-Laryn- Vortrag: ,,Modifikation von Sili- konoberflachen - Wege zum pas- siven Sekrettransport in Tracheal- prothesen": R. Bischoff, Poly- meywerkstofie 96, Merseburg, gol. S~ppl. II1993,339-340; b) September 1996. 0 Robert und Gerlinde Bischoff, Halle (Saale) Texas A&M University Graduate Assistantships The Department of Chemistry has a research community of 55 research faculty and approximately 300 graduate students and postdoctoral associates working in most branches of contemporary chemical research.We are able to offer graduate assistantships for PhD studies to cover stipend, tuition, and medical insurance. Students trained in Germany are strongly encouraged to apply. Further infor- mation and application forms can be obtained by contacting us via our web page http://www.chem.tamu.edu, by email at gradmailQchemvx.tamu.edu, or writing to The Graduate Student Office, Department of Chemistry, Texas A&M Uni- versity, College Station, Tx 77843-3255, USA. Chemie in unserey Zeit /31. Jahyg. 1997/ Nz 6

Wissenschaft aktuell

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311

Silicon- Implantate

Chemische Aspekte fur die medi- zinische Anwendung von Siliconen

Polymere, keramische Gefiige, Verbundwerkstoffe oder Glaser, all dies sind Materialien, die in der medizinischen Implantattechnik eine wichtige Rolle spielen. Wenn ein defektes Korperteil ersetzt werden mu& so wiirden die meisten Mediziner jedoch heutzutage ein entsprechendes natiirliches Gewebestiick einer kiinstlichen Pro- these vorziehen. Natiirliches Gewebe enthalt korperahnliche Sub- stamen, welche fur den Reparaturmechanismus und die optimale Erfiillung der Funktion notig sind. Es kann zudem im Gegensatz zu den genannten kiinstlichen Materialien vom Korper mehr oder weniger regeneriert werden.

Die Verwendung von naturli- chein Gewebe ist jedoch nicht in allen Fallen moglich, weshalb nach Ersatzstoffen gesucht und kunstliche Organe und Implanta- te entwickelt werden miissen. Als Material fur diese kunstlichen Implantate wahlt man den Werk- stoff aus, der die geringsten Ne- benwirkungen mit einer Vielzahl von gewiinschten Eigenschaften kombiniert. Hierbei spielen Steif- heit oder Flexibilitat, Abrieb und Rauhigkeit, Warmeleitfahigkeits- und elektrisches Isolierverhalten sowie hydrophobe oder hydro- phile Eigenschaften bei der Ent- scheidung fur den geeigneten Werkstoff eine zentrale Rolle. Diese Auflistung kann nur un- vollstandig sein.

Silicongummi kann, durch Varia- tion der bei der Herstellung ein- gesetzten Komponenten, iiber ei- nen weiten Bereich an mechani- sche und formbestimmende An- forderungen angepaat werden. Zudem ist es gegeniiber den mei- sten biologischen Einwirkungen aufierst stabil und chemisch weit- gehend inert. Als Alternative tritt es dabei Polyurethanen und ande- ren Polymeren mit ahnlichen Ei- genschaften gegeniiber, wobei die Lichtdurchlassigkeit und die gummiartigen Eigenschaften aus- schlaggebend fur die Wahl des Si- licongummis sind.

Silicon besteht aus einem che- misch und thermisch stabilen Netzwerk von Si-0- und Si-C- Bindungen. Es wird aus Alkyl- chlorsilanen und Alkylhalogeni- den mit Katalysatoren wie Si oder Cu hergestellt. Durch Hy- drolyse erhalt man Silanole, die spontan kondensieren. Langket- tige Siliconoie konnen wahrend der Verarbeitung zu Formkor- pern quervernetzt werden, so dafi je nach Veriietzungsgrad Silicon-

gummis unterschiedlicher Harten erzeugt werden konnen. Die er- zeugten Formkorper werden nachtraglich mechanisch, che- misch und physikalisch behan- delt. Dabei wird die Oberflache fur den geplanten Einsatzbereich optimiert und ,,biokompatibel" gemacht. Dies kann zum Beispiel durch eine Plasmaatzung (SO,- Plasma) erfolgen. Dabei werden OH-Gruppen an der Oberflache in 0SO;-Gruppen iiberfiihrt, und damit konnen anschliefiend beispielsweise Kollagen oder Polyurethan an die Oberflache gebunden werden.

Verwendet man Silicon als Im- plantatmaterial, so mui3 dieses vorher einer speziellen Behand- lung unterzogen werden, um ste- rile Verhaltnisse bei gleichzeitig verringertem Abstofiverhalten der korpereigenen Zellen zu er- reichen. Hierbei spielt die Erfor- schung der Oberflache des Im- plantates fur den Chemiker eine entscheidende Rolle. Ferner mufi die Oberflache so modifiziert werden, dafi die Abgabe von Reststoffen aus der Herstellung weitgehend unterbunden werden kann, oft auch iiber Jahre hinaus, ohne dafl sich die Oberflache andert. In der medizinischen Verwendung sind dabei Rest- stoffe von der Siliconherstellung, die spater, nach Monaten oder auch Jahren, in den menschlichen Korper diffundieren konnen, kontraindizierend. Es wird ange- nommen, daa sie unter anderem Arthritis, Gicht oder andere rheumatische Erkrankungen aus- losen konnen. Dieses wurde in Studien mit Mausen definitiv auf die Implantation von Silicon- materialien zuruckgefiihrt [2]. Bei neueren, mit Polyurethan be- schichteten Siliconpraparaten ist die Abgabe von Reststoffen ge- ringer.

Trachealprothese nach Berghaus [4a].

Die wohl bekanntesten medizini- schen Einsatzbereiche von Sili- conmaterialien sind die Verwen- dung als Fiillkorper in Mamma- plastiken und als Hornhautim- plantate [3]. Daneben konnen sie auch als Stiitzkorper fur Knor- pelersatz (z. B. Ohrmuschel) ver- wendet werden. Dabei werden je- doch zunehmend andere Poly- mere wie Polyethylen eingesetzt. Die Verwendung von Silicon als Implantatmaterial wird aufierdem in wenigen speziellen Anferti- gungen, wie Stimm- oder Tra- chealprothesen (Abbildung) vor- genommen. Bei letzterem handelt es sich um eine lebenserhaltende Mafinahme, in der ein Teil der Luftrohre durch ein Implantat ersetzt oder freigehalten werden mui3, um ein Ersticken zu ver- hindcrn [3]. Eine Stimmprothese wiederum ist ein Implantat, wel- ches bei Verlust des Kehlkopfes einem Patienten eine Sprachmog- lichkeit gibt.

Insgesamt betrachtet hat der Ein- satz von Silicongummi in der me- dizinischen Praxis seine Berechti- gung aufgrund der nicht ersetz- baren Eigenschaften wie optische Transparenz und chemische Inertheit, verbunden mit einer grogen Flexibilitat der in beliebi- gen Formen erzeugbaren Form- korper. Die Risiken miissen auch unter dem Aspekt der Notwen- digkeit der Einsatze abgewogen

werden, wobei (kurzfristige) le- benserhaltende Mafinahmen mit einer grof3en Prioritat moglichen negativen Langzeitwirkungen gegenuberstehen.

[l] H. Planck, Kunst5tofe und Elastomere in der Medizin, Ver- lag W. Kohlhammer, Stuttgart, 1988.

[2] ,,The influence of silicone im- plantation on type I1 collagen-in- duced arthritis in mice": C. J. Schafer, J. D. Whalen, T. Knapp und P. H. Wooley, Arthritis Rheum. 1997,40,1064-1072.

[3] ,,Elastic siloxane materials for endoprosthetic applications": Yu. A. Yuzhelevskii, Artif: Organs 1991,15, 392-396.

[4] a) ,,Haftung von Tracheo- bronchialsekret auf Innenbe- schichtungen von Luftrohren- prothesen": K. Kippenhahn, M. Bloching, A. Berghaus und 0. Kriiger, Arch. Oto-Rhino-Laryn-

Vortrag: ,,Modifikation von Sili- konoberflachen - Wege zum pas- siven Sekrettransport in Tracheal- prothesen": R. Bischoff, Poly- meywerkstofie 96, Merseburg,

gol. S~ppl. II1993,339-340; b)

September 1996. 0

Robert und Gerlinde Bischoff, Halle (Saale)

Texas A&M University Graduate Assistantships

The Department of Chemistry has a research community of 55 research faculty and approximately 300 graduate students and postdoctoral associates working in most branches of contemporary chemical research. We are able to offer graduate assistantships for PhD studies to cover stipend, tuition, and medical insurance. Students trained in Germany are strongly encouraged to apply. Further infor- mation and application forms can be obtained by contacting us via our web page http://www.chem.tamu.edu, by email at gradmailQchemvx.tamu.edu, or writing to The Graduate Student Office, Department of Chemistry, Texas A&M Uni- versity, College Station, Tx 77843-3255, USA.

Chemie in unserey Zeit / 3 1 . Jahyg. 1997/ Nz 6

312 Wissenschaft aktuel l

Festkorpercbemie

Cobaltreiche mikroporose Zeolith-Analoga

Zeolithe sind mikroporose Alu- mosilicate, deren Mikroporen in Form von Kanalcn und Kafigen durch dic Geriiststruktur des je- weiligen Zeolithtyps vorgegeben werden. Je nach Art und Modifi- kation des Zeoliths werden sie groi3technisch als Ionenaustau- scher, als Katalysatorcn oder fur die Reinigung und Trennung von Gasen eingesetzt [ 11. Neben den eigentlicheii Zeolithen sind seit einigen Jahren auch zeolithanalo- ge Materialien bekannt, dic sich in ihrer cheniischcn Zusainnicn- setzung und zum Teil auch in ih- rcr Struktur von herkommlichen Zeolithen unterscheiden. Es han- delt sich hicrbei unter anderem um mikroporosc Alumophos- phate (AlPO,) und GaIlophos- phate (GaPO,). Gemeinsam ist allen diesen Matcrialien, dai3 ihre Strukturen auf tetraedrischen Bausteinen basieren. hi Zentrurn jedes dieser Bausteine befinden sich die ,,T-Atome" (Al, Si, Ga, P etc.), die von vier Sauerstoffato- men tetraedrisch koordiniert sind. Die Tetraeder sind iiber Sauerstoffecken miteinander ver- kniipft. Im folgenden steht T'+ fur ein zweifach, T3+ fur ein drci- fach und T5+ fur ein fiinffach positiv geladencs T-Atom. Bci der Synthese dieser Materialien wird in der Regel ein Amin oder auch ein Ammoniumsalz, das ,,Tcmplat", zugesetzt, welches strukturbcstimmend in die Kri- stallisation eingreift. Die Festkiir- per werden in der Kegel urn die Templatmolekiile aufgebaut, wo- durch Kafige und Kanale inner- lialb der Strukturen stabilisiert werden. Zusatzlich wirken die Templatmolekiilc oft als Puffer und stabilisieren fur die Kristalli- sation bestimmtcr Phasen giinsti- ge pH-Werte. Die Art der gebil- deten Struktur hangt soinit stark vom Templat ab.

Ubergangsmetallhaltige Zeolith- analoga sind wegen des leichteii Wechsels und der grol3en Zahl moglicher Oxidationsstufen der T-Atome als Katalysatoren von besonderem Interesse. An An- strengungen, solche Festkorper zu synthetisieren, hat es daher nicht gefehlt. Vor allem in Alu- mophosphaten konnten Uber- gangsmetalle in die Geriiststruk- turen eingebaut werden. In der

Regel ist die Substitution von Aluminium durch Ubergangsme- talk jedoch nicht uneingeschrankt moglich, uiid cs waren bislang kcine zeolithanalogen Phasen be- kannt, bei denen das Verhaltnis Ubergangsmetall/Aluminium im Gerust grol3er als eins ist (groflter bislang bekannter Substitutions- grad im Cobalt-Alumophosphat ,,CoAPO-50" ist Co/AI = 0,6; 30 % der Al-Atome sind durch Co-Atome ersetzt).

Pingyun Feng, Xiaiihui Bu und Galen Stucky berichteten nun erstmals iiber die Synthese einer Reihe von cobaltreichen Zeolith- analoga mit einem Verhaltnis Co/Al>1 [2]. Beeindruckend an dieser Arbeit ist der rationale Ansatz, mit dem die Entwicklung dieser ncuen Festkorpcrklasse ge- lungen ist. T3+/T5+-Verbindungen (wie AIPO,) sind ncutral, acht negativen Ladungen von den vier Sauerstoffatomeii stchen acht positive Ladungen vom Alumini- um und vom Phosphor gegen- iiber. Solche Verbindungen kon- nen mit Amincn als Templat pro- blemlos hergestellt werden. T'+/T5+-Vcrbindungen (2. B. NH,CoPO,, oder RbCoPO,) haben eine iiberschiissige negative Gerustladung, die durch entspre- chende positive Ladungstrager ausgeglichen wcrden miissen (hier NH,+ bzw. Rb+). In T2+/T3+/T5+-Vcrbindungen (wie ,,CoAPO") erhoht sich die An- zahl an negativen Geriistladun- gen mit der Anzahl der durch Cobalt substituicrten Alumi- niumatome im Geriist. Die so er- haltenen Zeolithanaloge konnen mit dcr allgenieinen Formel 1 (siehe unten) beschrieben wer- den, wobei A+ ein einfach positiv geladenes Templatmolekul (Am- moniumverbindung) und M"+ ein m-fach positiv geladcnes Kat- ion bezeichnen.

Sol1 nun vie1 Co2+ anstelle von A13+ in das Geriist eingcbaut wer-

Blick in die Mikrokanale des neuen Alumo-Cobaltphosphats ACP-1. Die Cobalt- und Aluminium-Positionen sind gelb und die Phosphor-Positionen rot markiert.

den, mussen mehr negative Ge- riistladungen neutralisiert wer- den. Entsprechende positive La- dungstrager lassen sich aber auf- grund der raumlichen Begren- zung durch die Kanalwande nicht in beliebiger Zahl einbringen. Feng, Bu und Stucky losten die- ses Problem dadurch, dai3 sic Templatmolekiile mit mehreren positiven Ladungszentrcn und einer den Kafigen angepai3tcn Form (,,charge-shape-matching") verwendeten. Auf diese Weise konnen zusatzliche Cobaltzen- tren in die Geriiststruktur einge- baut werden, da die entstehenden negativen Ladungen von den zu- satzlichen Ammoiiiumgmppeii dcr Templatmolekiile ncutrali- siert werden. Dic solcherart her- gestelltcn Materialicn konnen mit dcr allgemeincn Formel 2 (siehe unten) beschrieben werden. Die Templatmolekiile konnen hier die n-fache Anzahl negativer Geriist- ladungen kompensieren.

Mit diesem Konzept konnten Feng, Bu und Stucky sowohl von Zeolithen bekannte als auch drei neue cobaltreiche Strukturen synthetisicren (Analcim (Co/Al

I I

= 2), Chabasit (Co/Al> 0,3), So- dalith (Co/Al = 0,5,2), Thomso- nit (T2+/T3+ = 4), Gismondin (Co/Al > 0.33), Merlionit (Co/Al = 1,5 - 3), Phillipsit (Co/Al = 3) sowie die neuen Strukturen ACP-1 (Co/Al = 8) (Abbildung), ACP-2 (Co/Al = 3) und GCP-2 (Co/Ga = 3); ACP steht fur Alu- nio-Cobaltphosphat und GCP fur Gallo-Cobaltyhosphat).

Feng, Bu und Stucky gehen da- von aus, dal3 dieser Ansatz auch auf andere Systeme ubertragbar ist und konnten damit bereits weitere isomorph substituierte Alumophosphate und Zeolithe herstellen. Ihre Arbeit zeigt ein generellcs Konzept zur gezielten Synthese iibergangsmetallreicher mikroporijser Strukturen auf, mit deni es moglich sein sollte, Kara- lysatoren auf der Basis von Zeo- lithen in Zukunft noch besser auf ihren jeweiligen Anwendungsbe- reich hin abzustimmen da sich nun eine Vielzahl neuer Produkte mit bislang nicht erreichbaren Zusammensetzungen herstellen 1ai3t.

[I] Ubcrsicht: F. Schiith, Chem. unserer Zezt 1995,29, 42.

[2] P. Feng, X. Bu und G. D. Stucky, Nature 1997,388, 735. 0

Wolfgang Schmidt, Frankfurt

Chemie in unserer Zeit /31, Jahrg. 1997/ Nu. 6

313

Nobelpreise 1997 Mit der Verleihung des diesjahrigen Chemie-Nobelpreises an den Amerikaner Paul Boyer, den Briten John Walker und den Danen Jens Skou wurden ihre wegweisenden Arbeiten uber die Funktion von Proteinen ausgezeichnet, die an der Umsetzung der energiereichen Verbindung Adenosintriphosphat (ATP) beteiligt sind. Der Nobelpreis fur Medizin oder Physiologie ging an den Amerikaner Stanley B. Prusiner fur seine Entdeckung einer neuen Art von Krankheitserregern, den Prionen.

Chemie - Umwandlung von chemischer in elektroosmotische Energie

AT? der Trager der Zell- energie

Die Natur bedient sich eines ge- nialen Prinzips, um die vielfalti- gen Energie-verbrauchenden Prozesse innerhalb der Zellen zu crmoglichen. Dabei wird Licht- energie bei der Photosynthese oder die bei der Verbrennung von Nahrungsstoffen freiwerdende chemische Energie benutzt, um unter Beteiligung des Enzyms ATP-Synthasc aus Adenosin- diphosphat (ADP) und Phosphat die energiereiche Verbindung Adenosintriphosphat (ATP) her- zustellen. Bei Bedarf wird die im ATP gespcicherte Energie wieder abgegeben und fur die unter- schiedlichsten, zur Aufrechter- haltung des Lebens notwendigen Arbeitsleistungen verwendet. Das Ausmafi dieses innerhalb der Zel- len stattfindcnden Energiekreis- laufs ist gewaltig: Man hat bc- rechnet, dafi ein Mensch unter Ruhebedingungen pro Tag etwa die Halftc seines Korpergewichts an ATP herstellt und wieder ver- braucht. Unter extremen An- strengungen, z. B. bei Marathon- laufen, kann diese Menge sogar auf den nahezu unvorstellbaren Wert einer Tonne ansteigen.

Peter Mitchell hat die Zusam- menhange der Kopplung zwi- schen ATP-Synthese und der Verbrennung der Nahrungsstoffe erkannt und erhiclt dafur 1978 den Nobelpreis. Er entdeckte, dafi an der Verbrennung beteiligte Enzyme der ,,Atmungskette" uber biologische Membranen ein Konzentrationsgefalle von Was- serstoff-Ionen herstellen. Die Wasserstoff-Ioncn flie8en dann, ihrem Gradienten folgend, unter Einwirkung des Enzyms ATP- Synthase zuriick und wirkcn da-

bei als Energielieferant fur die Vcrkniipfung von ADP und Phosphat zu ATP. Nach welchem Mechanismus dies geschieht, war und ist Ziel intensiver Forschung in vielen Landern der Welt.

Rotierende Maschine

Die ATP-Synthase ist ein aufierst komplizierter, aus mindestens 25 Proteinen zusammengesetzter Komplex (Abbildung). Es wurde schon friih erkannt, dafi das En- zym in zwei Teile zerlegt werden kann, den membrangebundenen E,-Teil mit drei Arten von Unter- einheiten in unterschiedlicher Zahl: a (eins), b (zwei), c (neun bis zwolf) dcr den Transport der Wasserstoff-Ionen bewerkstelligt und den wasserloslichen F,-Ted, in dem sich das katalytische Zen- trum fur die ATP-Synthese be- findet. Durch dicscn Aufbau be- dingt sind Ionentransport und ATP-Synthese raumlich getrennt; dennoch konnen die beiden Vor- gange nicht unabhangig vonein- andcr ablaufen.

Paul Boyer konzentrierte sich auf den F,-Teil des Enzymkomple- xes. Bereits in den siebziger Jah- ren entwickelte er ein Konzept fur die Wirkungsweise der ATP- Synthase, welches er als ,,Bin- dungswechselmechanismus" be- zeichnete. Das Model1 sieht drei Bindungszentren vor, die sich zu keiner Zeit im gleichen Zustand befinden. Dabei ist das erste Zen- trum leer, wahrend das zweite ADP und das dritte ATP gebun- den hat. Jedes Bindungszentrum macht fortwahrend einen Wech- sel vom leeren zum ADP- bindenden und schliefilich zum ATP-bindenden Zustand durch. Auf diesem Bindungswechsel ba- siert letztendlich die ATP-Syn- these.

Den Fachleuten war klar, dai3 sich der vorgeschlagene Mechanismus ohne Kenntnis der Struktur der ATP-Synthase nicht beweisen

liefi. John Walker, der am Medical Research Council in Cambridge arbeitet, hat deshalb alles auf eine Karte gesctzt, um dieses Problem zu losen. Zunachst ermittelte er mit gentechnischen Methoden die Reihenfolge der Aminosauren. Spater gelang ihm die Kristallisa- tion des F,-Komplexes der ATP- Synthase. Aus dem Rontgcnbcu- gungsmuster konnte die Struktur schliefilich ermittelt werden. Es ist bezeichnend, dafi sich Walker wahrend all der Jahre, in denen an diesem Problem gearbeitet wurde, mit Auftritten und Be- richten an die Offentlichkeit zuriickhielt. Als dann 1994 die geloste Struktur veroffentlicht wurde, war die Sensation perfekt.

In Walkers Struktur stellt sich der F,-Teil als ein nahezu spharisches Partikel dar, das aus je drei Kopi- en der beiden grofien Protein- untereinheiten a und P aufgebaut ist. Im Inneren dieses Partikels befindet sich die langgestreckte y-Untereinheit, die wie eine ver- drehte Welle aussieht. Wie von Boyer vorausgesagt, liegt jede der drei fur die Katalyse verantwort- lichen P-Untereinheiten in einer anderen Konformation vor. Die erste enthalt gebundenes ADP, die zweite gebundenes ATP und in der dritten, leeren, ist die Bin- dungstasche weit geoffnet, so dafi es zu keiner festen Bindung von ATP oder ADP kommcn kann.

Dariiber hinaus erkennt man vol- lig unterschiedliche Kontakte zwischen der zentralen y-Unter- einheit und den drei p-Unterein- heiten. Die Vorstcllung der Momentaufnahme einer rotieren- den Maschine drangt sich gerade- zu auf: Bei der Drehung der y-Untereinheit konnten durch diese unterschiedlichen Kontakte dic von Boyer vorausgesagten Strukturanderungen an dcn P-Untereinheiten ausgelost werden.

Die Entdeckung einer als Kataly- sator wirkenden rotierenden Ma- schine setzt sich iiber alle herge- brachten Vorstellungen der Wir- kungsweise von Enzymen hin- weg und ist deshalb cines Nobel- preises wiirdig. Das Komitec wird aber auch beriicksichtigt ha- ben, dai3 der inzwischen gelunge- ne experimentclle Nachweis die- ser Rotation ohne die Struktur kaum moglich gewesen ware. Das eleganteste Experiment hierzu wurde von M. Yoshida in Japan durchgefuhrt. Er verknupfte die y-Untereinheit mit einem sehr langen Proteinarm und konnte auf diese Weisc die wegen der kleinen Dimensionen sonst nicht zu sehende Drehung im Mikro- skop direkt beobachten. Auf dem Internet kann man sich dieses einfallsreiche Experiment inzwi- schen im Film ansehen (http:// www.res.titech.ac.jp). Zuvor

Vereinfachte Darstellung der ATP-Synthase. Der Molekiil- komplex besteht aus dem mem- brans tandigen F,-Teil und dem F,-Kopfteil. Man nimmt an, daD der IonenfluD (in den meisten FaI- len in Form von Wasserstoff- Ionen, H+) durch den F,-Ted eine Drehung des Rings aus c- Untereinheiten zur Folge hat. Diese Drehung ist auf noch ungeklarte Weise mit der Drehung der y-Untereinheit verbunden. Innerhalb des F,-Teils fiihrt die Rota- tion der y-Untereinheit durch unterschiedliche Kontakte rnit den a- und P-Untereinheiten zu Strukturanderungen, die von ent- scheidender Bedeutung fur den Mechanismus der ATP-Synthese sind. Im F,-Teil ist die a-Untereinheit nicht gezeigt. Man muD sie sich in engem Kontakt mit einem Teil der c-Untereinheiten auf der AuDenseite des von diesen gebildeten Ringes vorstellen.

Chemie in unserer Zeit/31.jahrg. 1997/ N,: 6

314 Wissenschaft aktuel l - Nobelpreise

Paul D. Boyer

John E. Walker

schon hatten R. Cross in den USA und W. Junge in Deutsch- land andere Beweise fur eine sol- che Drehung erhalten.

Wie funktioniert der Motor?

Trotz dieses Fortschritts ist ein entscheidendes Problem bezug- lich der Funktion der ATP-Syn- thase noch nicht gelost, der An- trieb der Rotation. Der Motor fur dieses Maschine wird von dem membranstandigen F,-Teil gebildet, welcher die im Wasser- stoff-Ionen-Gradienten gespei- cherte Energie in eine Rotations- bewegung umsetzt. Wie dieser Motor funktioniert, wird man im einzelnen erst verstehen konnen, wenn es gelingt, auch die Struk- tur dieses Teilkomplexes der ATP-Synthase aufzuklaren. Bei Membranproteinen ist eine Struk- turaufklarung allerdings auflerst schwierig und gelang bisher le- diglich bei etwa einem Dutzend von ihnen, wohingegen jeden Tag zwei, drei Strukturen von losli- chen Proteinen neu hinzukom- men. Aller Schwierigkeiten zum Trotz wird in Laboratorien in den USA, Groflbritannien, Deutschland, Japan und der Schweiz fieberhaft an diesern Problem gearbeitet.

Im Labor des Autors an der ETH Zurich wird cinc ATP- Synthase untersucht, die neben Wasserstoff-Ionen auch Natrium- oder Lithium-Ionen fur den An- trieb des Motors venvenden kann. Mit diesem System ist es gelungen, den Weg der Metall-Io- nen durch den membranstandi- gen Teil der ATP-Synthase zu verfolgen und die Kopplung des Transports an die Rotation nach- zuweisen. Wir konnten zeigen, dai3 der Transport sich in zwei Schritte unterteilen laflt. Zunachst gelangt ein Ion von der einen Membranseite uber die a-Unter- einheit auf das Bindungszentrum eines aus c-Untereinheiten beste- henden Ringes. Von hier aus kann es erst nach einer Drehung dieses Ringes zur gegenuber- liegenden Membranseite abgege- ben werden und damit den Trans- port beenden. Diese Rotation ist uber die y-Untereinheit an die irn Kopfteil stattfindende ATP-Syn- these gekoppelt. Noch vollig un- bekannt ist der Mechanismus, nach dem der Ionenstrom durch den Membranteil in die Drehbe- wegung umgesetzt wird. Als Mo- dell schlagen wir vor, dai3 es wahrend der Passage der positiv

Jens Christian Skou (Photos: dpa)

geladenen Ionen zu elektrischen Interaktionen mit positiv und ne- gativ geladenen Aminosaure- seitenketten der Proteine kommt, die eine Rotation auslosen, ahn- lich wie magnetische Krafte fur die Rotation des Elektromotors verantwortlich sind. Der biologi- sche Motorist allerdings mit ei- nem Durchmesser von etwa ei- nem hunderttausendstel Milli- meter unvorstellbar klein und so- mit tatsachlich der kleinste Motor der Welt.

Erste Ionenpumpe

Der andere Teil des diesjahrigen Chemie-Nobelpreises wurde Jens Skou fur seine bereits in den fiinfziger Jahren gemachte Ent- deckung der ersten Ionenpumpe verliehen. Das als Natrium/Kali- um- ATPase bezeichnete Enzyin benutzt die im ATP gespeicherte Energie zum aktiven Transport von Natrium und Kalium-Ionen uber die Membran. Die so erhal- tenen Konzentrationsgradienten sind z. B. fur'die Nervenleitung, aber auch fur viele andere Funk- tionen von Zellen unentbehrlich. Diese Entdeckung findet erst ihren Abschlufl mit der Auf- klarung der Struktur des beteilig- ten Enzyms; denn diese Informa- tion ist unerlafllich fur ein tief- greifendes Verstandnis des dem Ionentransport zugrunde liegen- den Mechanismus.

Zusamrnen mit der Auszeich- nung von Michel, Deisenhofer und Huber fur die Aufklarung der Struktur des photosyntheti- schen Reaktionszentrums im Jah- re 1988 ist dies der dritte Che- mie-Nobelpreis fur Entdeckun- gen an Enzymen der Bioenerge- tik in weniger als 20 Jahren. Ein klarerer Beweis fur die Bedeu- tung dieses innovativen Arbeits- gebiets laBt sich nicht finden.

,,Structure at 2.8 A resolution of F1-ATPase from bovine heart mitochondria": J. P. Abrahams, A. G. Leslie, R. Lutter und J. E. Walker, Nuture 1994,370, 62 1-628.

,,The ATP synthase - a splendid molecular machine: P. D. Boyer, Annu. Rev. Biochem. 1997,66, 71 7-749.

,,The Na+/K+-ATPase": J. C. Skou und M. Esmann,]. Bio- energ. Biornembr. 1992,24, 249- 261.

,,ATP-Synthase: elektrochemi- scher Wandler n i t rotatorischer Mechanik": W. Junge, Biospek- trum 1997,5,24-30.

,,Wie synthetisieren Zellen ATP?": P. Dimroth, Chem unse- rer Zezt 1995,29, 33-41.

Peter Dimroth, Zurich

Medizin oder Physiologie: Prusiner's Prionen

Der diesjahrige Nobelpreis fur Medizin oder Physiologie ist an Stanley B. Prusiner (University of California, San Francisco) fur die Entwicklung des Prionenmo- dells verliehen worden. Prusiner hatte sich Anfang der 70er Jahre der Erforschung der Scrapie- Krankheit zugewandt, doch wer ihn nach dem Erregertyp dieser seltsamen Schafskrankheit gefragt hatte, hatte nicht vie1 mehr als ein Kopfschutteln geerntet, obwohl Prusiner von Anfang an und wohl als erster mit systematischer Biochemie das Problem behan- delt hatte. Es war wohl 1979 auf dem Internationalen Biochemie- Kongrefi in Toronto, dafl er zum ersten Ma1 verlauten lie& seine Ergebnisse liei3en auf eine Pro- teinnatur des Erregers schliei3en.

Damals war bekannt, dafl Scrapie beim Schaf, Kuru bei Eingebore- nen auf Papua-Neuguinea und ei- nige Falle von Creutzfeldt-Jakob Krankheit gewisse Ahnlichkeiten aufwiesen und durch einen auflerst mysteriosen Erreger her- vorgerufen zu werden schienen. Je mehr man daran geforscht hat- te, desto mehr hatte man sich in Widerspriiche verwickelt. Carle- ton Gajdusek hatte die Ubertrag- barkeit der Kuru-Krankheit und auch den Ubertragungsweg uber die rituelle Verwendung der Ge- hirne der Toten nachgewiesen und dafur 1976 den Nobelpreis erhalten. Er hatte den Erreger als ,,slow virus" bezeichnet. Slow virus war per definitionem ein Ubertrager mit langer Inkuba- tionszeit, d. h. mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Gajdusek hatte nie behauptet, das Virus gesehen zu haben. Damals wurden diese Krankheiten rein virologisch be- trachtet. Das ist nicht negativ ge-

Chemie in unserer Zeit /31.]ahrg. 1997/ NK 6

315 Wis s e n s ch a f t a k t u e I I - No b e lp r e is e

meint, denn ,,virologisch" im Sinne ,,Kochscher Postulate" be- inhaltet genaue mikrobiologische Vorschriften zur Reproduktion der Krankheit.

Die molekulare Charakterisie- rung hatte nicht die hochste Prio- ritat, ja das Feld erschien unge- eigneter denn jedes andere fur eine solche Charakterisierung. Es gab gewisse physikalische und chemische Ungereimtheiten in der Beschreibung eines mogli- chen Virus, es gab aber keine Mo- dellvorstellung. Die englische Strahlenbiologin Tikvah Alper hatt den Trefferbereich des Scra- pieerregers als zu klein fur ein Vi- rus charakterisiert, hatte durchaus uber ein Protein spekuliert, sich dann aber mehr auf membran- artige Strukturen konzentriert.

In dieser besonderen Ausgangs- situation hate sich Stanley Prusi- ner entschieden, an dem myste- riosen Erreger zu arbeiten. Prusi- ner war von seiner Ausbildung her nicht nur Neurologe, genau gesagt Internist damals, sondern auch Biochemiker; er hatte bei Earl Stadtman an den National Institutes of Health in Bethesda drei Jahre lang grundliche Enzy- mologie und Proteinchemie ge- lernt. Dieser Hintergrund sol1 er- wahnt sein, urn zu betonen, dai3 es sehr wohl in jedem Gebiet Probleme gibt, die so frappierend uber das lehrbuchmaaig Gelernte hinausgehen, dai3 man einen be- sonderen Hintergrund wie Stan- ley Prusiner haben und den Wil- len mitbringen mug, eine breite Ausbildung auch zu nutzen, um ganz neuartige Probleme zu Iosen. Er fing an, systematische biochemische und chemische Analysen des infektiosen Mate- rials durchzufuhren; er hat sozu- sagen die Biochemie in die Scrapieforschung eingefuhrt.

Diese systematischen Analysen brachten ihn dann vom Pfad der virologischen Tugend ab, indem namlich nicht Nucleinsaure mit der Infektiositat korrelierte, son- dern nur Protein. Ein Erreger, d. h. ein sich replizierendes System, das keinen Informations- trager oder Erbmaterial in Form von Nucleinsaure hat, sondern nur Funktionstrager in Form von Proteinen, erschien schlichtweg undenkbar. Es war keine Schreib- tischidee von Stanley Prusiner, die Idee entwickelte sich aus den Ergebnissen harter Arbeit. Man mui3te wohl die Arbeit auch

selbst geleistet haben, um uner- warteten Ergebnissen so zu ver- trauen, dai3 man sie zu einem Dogma-verletzenden Modell aus- arbeiten konnte. Der Kern dieser Aussage, die 1982 im inzwischen klassischen Science-Artikel publi- ziert wurde, lautete: Der Erreger der Scrapie-Krankheit ist kein Virus, sondern ein proteinartiger Erreger. Die Abkurzung fur Pro- teinartiges Infektioses Agens wurde von Stanley Prusiner als Prion eingefuhrt.

Die Reaktion auf die Prionen war: Kontroverse, Ablehnung, Belacheln. Nur bei wenigen: An- erkennung und Respekt vor der Leistung. Es gab sogar einige, die ihm vorwarfen, er versuche an- ders lautende Ergebnisse zu un- terdriicken. Hierzu mui3 der Ver- fasser dieser Wurdigung auf per- sonliche Erfahrungen zuruck- greifen. Folgende Situation war 1984 gegeben: Die Proteinnatur des Erregers war inzwischen zu einem funktionalen Prionenmo- dell ausgebaut worden. Eine Rei- he neuerer Ergebnisse war der aufierst fruchtbaren Zusammen- arbeit mit Leroy Hood aus Pasa- dena und besonders Charles Weissmann aus Zurich zu ver- danken. Als Hauptkomponente der Prionen war ein korpereige- nes Protein identifiziert worden, welches aber Menschen und Schafe im normalen Zustand nicht krank macht. Man mui3te also annehmen, dai3 infolge der Infektion das korpereigene Pro- tein in eine andere, eine pathoge- ne Form ubergeht, die dann ,,Scrapie-Form" genannt wurde und zwei Folgeerscheinungen hervorruft: 1) die pathogene und verheerende Wirkung im Gehirn und 2 ) die vie1 uberraschendere, dai3 die pathogene Form bei der Passage in einen anderen Orga- nismus auch dort wieder zur pa- thogenen Form fuhrt, mit ande- ren Worten: Die Krankheit in Form einer Infektion weitertragt.

Als der Verfasser zu dieser Zeit einer Einladung von Prusiner zu einem Forschungsfreisernester in San Francisco folgte, um an der Umwandlung des Proteins zu ar- beiten, war Prusiner ganz im Gegenteil uber die Anwesenheit eines typischen ,,Nucleinsaure- Kollegen" erfreut und konnte ihn sehr schnell uberzeugen, dai3 das Nucleinsaure-Problem, das heifit die fehlende Nucleinsaure, die ja den Kern des Modells ausmachte, keineswegs als vollkommen gege-

ben hinzunehmen sei, sondern noch einmal ganz unabhangig aufgerollt werden muate -was dann auch getan wurde. Diese personliche Erfahrung mit Stan- ley Prusiner sei erwahnt, um eine wesentliche Eigenschaft dieses aufiergewohnlichen Forschers deutlich zu rnachen. Er ist nach aui3en als der wortgewaltige Pro- pagierer von Prionen auigetreten und war im Grunde seines Her- zens zugleich sein scharfster Kri- tiker. Bei unzahligen Diskussio- nen wurde diese Einstellung zur Wissenschaft deutlich. Sie lai3t sich in seiner nachfolgenden For- schung im Detail nachvollziehen.

Wahrend sich sehr bald eine zweite Generation von Prionen- forschern auf der ganzen Welt verbreitete, die das Prionenmo- dell bereits als gottgegeben ange- nommen hatte, und noch ver- suchte, ein Stuck vom Kuchen zu schneiden, wares Prusiner, der wiederum ganz neue Disziplinen in die Prionenforschung einfuhr- te. Dabei sind als herausragende Beispiele zu nennen; Humange- netik, Transgenetik, Proteinbio- chemie und gerade in neuerer Zeit modernste Strukturbiologie. Immer wurden diese Arbeitsfel- der eingefuhrt, nicht um nur das eigene Modell auszuschmucken und popular zu machen, sondern um handfeste, zusatzliche und neue Beweise zu liefern.

So konnte man beispielsweise nach der Entdeckung der gene- tisch bedingten Prionen-Krank- heiten wie etwa dem Gerstmann- Straussler-Scheinker-Syndrom zum ersten Ma1 erklaren, dai3 und warum es Krankheiten gibt, die sowohl infektios als auch spora- disch und genetisch bedingt sein konnen. Die britische Rinderseu- che ware nicht so schnell als Prio- nen-Krankheit und daher beson- ders gefahrlich erkannt worden, wenn nicht das Prionenmodell zu der Zeit schon aus der Grundla- genforschung frei Haus geliefert worden ware.

Stanley Prusiner hatte sich das Leben in den letzten Jahren einfa- cher machen konnen. Vie1 Aner- kennung und eine Reihe bedeu- tender Preise hat er bereits erfah- ren. Aber er arbeitet weiterhin an vorderster Forschungsfront. Der Mechanismus der Umwandlung vom normalen Protein in die pa- thogene Form ist noch nicht voll- standig bekannt, am Prinzip der Prionen besteht aber kein Zweifel

Stanley B. Prusiner (MPG-Pressebild)

rnehr. Diese Tatsache wurde aus- gezeichnet, und keineswegs ver- fruht, wie manchen Kollegen von Journalisten in den Mund gelegt wurde.

,,Novel proteinaceous infectious particles cause scrapie": S. B. Prusiner, Science 1982,216, 136-144.

,,Molecular biology of prion di- seases'': S. B. Prusiner, Science 1991,252, 1515-1522.

Prion Diseases of Humans and Animals (Hrsg.: S. B. Prusiner, J. Collinge, J. Powell und A. An- derton), Ellis Horwood, Chiche- ster, 1992.

,,Prionen-Krankheiten": D. Ries- ner, Chem. unserer Zeit 1996,30, 66-74.

,,Prionen-Erkrankungen": S. B. Prusiner, Spektrum der Wissen- schaft, Dossier: Seuchen 1997, 66-74.

,,Aktuelle Erkenntnisse aus der Erforschung von BSE und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit": D. Riesner, Spektrum der Wzssen- schaft, Dossier: Seuchen 1997, 77-8 1.

,&ion Diseases and the BSE Cri- sis": S. B. Prusiner, Science 1997, 278,245-25 1. 0

Detlew Riesner, Dusseldorf

Chemie in unserer Zeit /31.]ahrg. 19971 Nr. 6

316

SCHAFT A L

Molekulare Genetik

Protein-Verfilzung und Chorea Huntington

Chorea Huntington, im Volks- mund Veitstanz, ist eine der un- heimlichsten Erbkrankheiten des Menschen: Sie fiihrt iiber den Untergang von Nervenzellen im Gehirn zu schweren korperlichen Behinderungen und seelischen Storungen, zu geistigem Verfall und schliei3lich zum Tod. Wissen- schaftler am Max-Planck-Institut fur molekulare Genetik in Berlin haben jetzt gemeinsam mit engli- schen Forschern einen Sachver- halt aufgedeckt, der Licht in die- ses ratselhafte Leiden bringt [I].

Der Boden fur diesen Fortschritt wurde 1993 bereitet. In diesem Jahr ortete und isolierte eine in- ternationale Forschergruppe das Gen, iiber das Chorea Hunting- ton vererbt und ausgelost wird. Das fuhrte weiter zur Isolierung des Proteins, also des Eiwein- Molekuls, fur das dieses Gen ver- antwortlich zeichnet. Es wurde ,,Huntingtin" getauft; seine naturliche Funktion ist noch un- bekannt.

Durch vergleichende Analysen des Gens, seiner Struktur bei Ge- sunden sowie bei Patienten mit Chorea Huntington, liei3 sich feststellen, welche Mutation der Krankheit zugrundeliegt. Die Erbanderung betrifft ein ,,Re- peat", einen Abschnitt des Gens, in dem eine bestimmte Dreier- kombination van molekularen ,,Buchstaben" mehrmals aufein- anderfolgt - und zwar in diesem Fall das Triplett Cytosin-Adenin-

Guanin, kurz CAG, das gemhi3 dem genetischen Code als ,,Wort" fur die Aminosaure Glutamin steht: Bei Gesunden, so der Befund, folgt der ,,Dreiklang" CAG innerhalb des Repears sechs- bis 39mal hintereinander, bei Patienten mit Chorea Hun- tington hingegen wird er 40- bis 180mal wiederholt.

Dementsprechend weist das Huntingtin-Protein, das durch die Ubersetzung der genetischen Worte in Aminosauren entsteht, bei Gesunden eine Folge von sechs bis 39, bei Huntington- Kranken aber eine Sequenz mit 40 bis 180 Glutaminen auf.

Das deutete auf eine kritische Lange der Glutamin-Kette hin, auf eine Schwelle, von der an das mutierte Huntingtin-Protein als Ausloser der Krankheit wirkt. Eine Arbeitsgruppe am Max- Planck-Institut fur Molekulare Genetik in Berlin konnte nun eine von Max Perutz aufgestellte Hy- pothese bestatigen, wonach sich das Huntingtin-Protein infolge der iiberlangen Glutamin-Kette in eine neue raumliche Struktur faltet und dabei nach aui3en eine Kontaktzone bildet, iiber die sich die Huntingtin-Proteine wechsel- seitig aneinander binden. Ausge- hend vom isolierten Huntington- Gen eines Patienten wurden gen- technisch Huntingtin-Proteine mit unterschiedlich langen Glu- tamin-Einschuben hergestellt, darunter auch solche mit einer ,,pathologisch langen" Kette die- ser Bausteine. In der Tat lagerten sich Huntingtin-Proteine mit 51 Glutaminen im Reagensglas zu hochmolekularen, unloslichen

Aggregaten zusammen - im Gegensatz zu Huntingtin- Molekulen mit nur 20 oder 30 Glutaminen, die keinerlei Ten- denz zu einer solchen Aggrega tion zeigten.

Unter dem Elektronenmikroskop offenbarten die Huntingtin-Ag- gregate eine faserartige Feinstruk- tur (Abbildung). Dieses Merk- mal, eine bestimmte Farbereak- tion sowie eine charakteristische Lichtbrechungseigenschaft kenn- zeichneten die Huntingtin- Aggregate als ,,Amyloide", wie man sie bereits von einigen ande- ren neurodegenerativen Leiden, in deren Verlauf Nervenzellen im Gehirn absterben und ahnliche Symptome wie bei Chorea Hun- tington auftreten, kennt, bei- spielsweise bei der Alzheimer- Krankheit sowie bei &ionen- Krankheiten".

Auch im Gehirn von Mausen, denen man ein menschliches Huntington-Gen mit iiberzahli- gen CAG-Tripletts ubertragen hatte - und die daraufhin Hun- tingtin-Proteine mit verlangerten Glutamin-Folgen bildeten -, lieBen sich Amyloid-Ablagerun- gen nachweisen.

Angesichts dieser Sachverhalte stellt sich die Frage, ob vielleicht eine ganze Reihe neurodegenera- tiver Leiden auf einem analogen molekularen Mechanismus be- ruht: Darauf, dai3 bestimmte Pro- teine - infolge eines erblichen De- fekts oder anderer Einflusse - eine veranderte raumliche Falt- struktur ausbilden, dadurch eine wechselseitige ,,Anhanglichkeit" entwickeln und zu sperrigen Bundeln verklumpen.

So gesehen, konnte die Chorea Huntington zum Modellfall wer- den, an dem sich erstmals experi- mentell aufdecken und im Detail studieren lafit, was im Zuge einer ,,Amyloid-Krankheit" auf mole- kularer und zellularer Ebene ge- schieht. Dabei bilden die ,,patho- logischen" Huntingtin-Molekiile auch fur diese weiterfuhrenden Forschungen eine unverzichtbare Arbeitsgrundlage. Denn nur mit ihrer Hilfe lassen sich die zahlrei- chen Fragen angehen, die mit der Aufklarung des Schlusselpro- zesses hinter Chorea Huntington auftauchten.

mice transgenic for the H D mu- tation": S. W. Davies, M. Trumai- ne, B. A. Cozens, M. DiFiglia, A. H. Sharp, C. A. Ross, E. Scher- zinger, E. E. Wanker, L. Man- giarini und G. P. Bates, Cell 1997, 90,537-548.

[2] ,,Huntingtin-encoded poly- glutamine expansions from amy- loid-like protein aggregates in vitro and in vivo": E. Scherzin- ger, R. Lurz, M. Turmaine, L. Mangiarini, B. Hollenbach, R. Hasenbank, G. P. Bates, S. W. Davies, H. Lehrach und E. E. Wanker, Cell 1997,90,549-558.

Spharoide und Proto-Helices

Profunde Profumochemie

Biornimese, Modellspiel und Nachahmung der zellularen Re- aktionen zu deren verbessertem Verstandnis oder zur wunsch- gemai3 verbesserten Nutzung ist eines der groi3en und aktuellen Themen der Chemie und be- schaftigt viele kluge Kopfe in vie- len Laboratorien. Neben Reakti- onsmechanismen sind es vor al- lem auch Fragen nach der Fal- tung und Aggregation von biolo- gischen Makromolekulen, wie sie fur die katalytische Aktivitat von Enzymen oder fur die Architek- tur von Korpuskeln und Viren unumganglich sind. Zwei schone Beispiele aus jiingster Zeit sind die Selbstaggregation von supra- molekularen Kapseln [I] und die solvophobe Faltung von Modell- ,,Foldameren" zu helicalen Strukturen [2].

Losungen des Calix[4]arens 1 (R = Me) in aromatischen Sol- ventien mit einem geringen Zu- satz von Wasserstoffbrucken- Acceptoren (d. h. vor allem Was- ser) kristallisieren in Spharoiden, deren Rontgenstrukturanalyse ergab, dai3 sie aus sechs Calix- aren- und acht Wassermolekiilen

Elektronenmikroskopische Aufnahme aggregierter Huntingtin- [I] ,,Formation of neuronal in- H.. -o,H' "0

1 Proteine mit iiberlangen Glutaminsequenzen. (Photo: Max- Planck-Gesellschaft/E. Wanker) the neurological dysfunction in H 1

tranuclear inclusions underlies

Chemie in unserey Zeit / 31. Jahrg. 1997 1 hk 6

317 Wiss ens ch a f t a k t u e 11

bestehen, die durch 60 Wasser- stoffbriicken zusammengehalten werden und die abgebildete Struktur eines Wiirfelstumpfs ha- ben. Die (kreuzschraffierten) Quadrate entsprechen den Calixaren-, die (schraffierten) Dreiecke den Wassermolekiilen. Das Wasserstoffbriickenmuster (insgesamt sind es 64 H-Briicken- -

Calix[4]aren a Wasser donoren und 112 H-Briicken- acceptoren) ist durch Modellbe-

COOR

COOR

M , R =

dOOR COOR

COOR

Porp hyrine

Katalytische bio- mimetische Schadstoff- Hydroxylierung

Xenobiotica (Fremdstoffe aus der Umwelt) werden in Organismen von Cytochrom-P450-(Eisen-) Hamproteinen vor dem eigentli- chen Abbau oft an reaktionstra- gen C-H-Bindungen hydroxy- liert. Diese Hamproteine haben lipophile Bindungsstellen, an de- nen das Substrat unter Verdran- gung von Wasserclustern iiber dem Zentralmetall des Komple- xes zunachst fixiert wird. Dabei andert sich zugleich die Elektro- nenkonfiguration des Zentralme- talls, so dad Sauerstoff Zutritt bekommt und damit als Oxome- tall(M=O)-Zwischenstufe akti- viert wird. Diese greift dann selektiv und stereospezifisch die nachstliegende (inerte) C-H-Bin- dung an und inseriert Sauerstoff, wobei eine C-OH-Einheit ent- steht. Durch Schwachung der Komplexierung wird schliedlich das hydroxylierte Produkt frei, und eine neue Hydroxylierungs- runde kann beginnen. Die Um- satzzahl der Xenobiotica-Hydro- xylasen in der Natur liegt in der Grofienordnung von 103 Mol pro Minute.

Diese Aufgabe von Eisen-Ham- komplexen konnen in Teilschrit- ten auch membrangebundene Manganoporphyrine (und -phthalocyanine) erfiillen. Bisher gelang es mit Modellverbindun- gen nicht, diese Prozesse nachzu- ahmen, da an allen entsprechen- den Umsetzungen das Substrat zu fest gebunden war und die Reaktion stochiometrisch statt wie in der Natur katalytisch ver- lauft.

Nun ist R. Breslow ein groder Fortschritt in der Entwicklung synthetischer Metallo-Hydroxy- lasen dadurch gelungen, dad er einen Mangan(V)-Porphyrin- komplex kovalent mit einem in- nen hydrophoben, aui3en hydro- philen Cyclodextrin-Zylinder an entgegengesetzten Enden versah (+ 1). Als Substrat wurde ein Steroid oder ein Stilben-Derivat mit C-C- statt C=C-Verbin- dungsstiick zwischen den beiden Phenylgruppen zugegeben, das als Bindungspartner fur das hy- drophobe Innere des Cyclodex- trins beidseitig einen aromati- schen tert-Butylphenyl-Rest trug. Diese Substrate wurden selektiv und stereospezifisch hydroxyliert, das Steroid in a-Stellung an C6, das Stilben- Derivat entsprechend im Verbin-

trachtung und Berechnung zu- ganglich: Vier OH-Wasserstoff- atome ragen in die Peripherie; es stehen also 60 Wasserstoffatome fur den Zusammenhalt des supra- molekularen Aggregats zur Ver- fiigung [l]. Dieses schliedt einen wohldefinierten Hohlraum be- trachtlicher Grode ein, der sich moglicherweise zur Aufnahme von ,,Gasten" eignet; mit anderen Calix[4]arenen und Bindungs- mustern sollten sich molekulare Container madschneidern lassen.

Die Faltung von Proteinen zu dreidimensionalen helicalen Strukturen kann - allerdings in einem sehr restriktiven Grund- prinzip - durch Phenylacetylen- Oligomere nachgeahmt werden; die man in gestufter Synthese aus dem Monomer M (n = 1) erhalt. Die Kette ab n = 15 bildet spon- tan eine dreiwindige Spirale von iibereinanderstapelnden Fiinf- ecken (aus den Bindungswinkeln ergeben sich je fiinf Monomere pro Windung, (siehe Kasten links) die durch hydrophobe

Wechselwirkungen und van-der- Waals-Krafte zusammengehalten werden, wahrend Wasserstoffbin- dungen keine Rolle spielen [2]. Dies ist auch ein sehr tragfahiger Hinweis fur das immer wieder angezweifelte Zutreffen der alten Kauzmann-Regel, nach der die hydrophoben Reste einer Poly- peptid-Kette sich im Inneren, die hydrophilen sich an der Periphe- rie eines Aggregats und Knauels finden. Die Helixbildung zeigt sich, wie bei den Polynucleoti- den, in einem Hypochromie- Effekt. Die solvophoben Wech- selwirkungen, die die Faltung energetisch treiben, hangen von Kettenlange, Solvensqualitat und Temperatur ab.

[l] L. M. MacGillivray und J. L. Atwood, Nature 1997,389, 496-471.

[2] J. C. Nelson, J. G. Saven, J. S. Moore und P. G. Wolynes, Science 1997,272, 1793-1796. 0

Lothar Jaenicke, Koln

dungsstiick. Aber nicht nur das; der Komplex verliert dabei seine Stabilitat, dissoziiert und arbeitet dadurch auch katalytisch, aller- dings nur trage mit einer Wech- selzahl unter 5. Er ist chemisch instabil. Der Katalysemechanis- mus ist oben skizziert.

Die Ablosung 1ai3t also noch zu wiinschen iibrig, aber das Prinzip ist modelliert und kann verbes-

sert werden, so dad es eventuell doch moglich wird, gute synthe- tische Hydroxylierungskatalysa- toren fur stereospezifischen Syn- thesen herzustellen.

[R. Breslow, X. Zhang und Y. Huang, J. Am. Chem. SOC. 1997, 119,4535-4536.1 0

Lothar Jaenicke, K o h

Chernie in unserer Zeit / 3 1 . Jahrg. 1997/ Nr. 6