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Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld Abschlussbericht Dipl.-Soziologe Kapriel Meser & Prof. Dr. Susanne Miller Bielefeld im November 2016 Fakultät für Erziehungswissenschaft AG 3 Schultheorie

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Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts

der Stadt Bielefeld

–Abschlussbericht

Dipl.-Soziologe Kapriel Meser & Prof. Dr. Susanne Miller

Bielefeld im November 2016

Fakultät für Erziehungswissenschaft

AG 3 Schultheorie

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Inhalt 1. Einleitung ............................................................................................................................... 2 2. Die wissenschaftliche Begleitung .......................................................................................... 4

2.1 Ziele der wissenschaftlichen Begleitung .......................................................................... 6

2.2 Methoden der wissenschaftlichen Begleitung .................................................................. 7 3. Ergebnisqualität aus Sicht der Akteure ................................................................................ 10

3.1 Die Perspektive der Fachkräfte der Kindertagesstätten ................................................. 10

3.1.1 Ziele und Bewertungen der Leitungen der Kindertageseinrichtungen ................ 10

3.1.2 Die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppen ................... 12

3.1.3 Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte zur kindlichen Entwicklung mittels PERIK-Bögen .......................................................................................... 18

3.1.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 22

3.2 Die Perspektive der Professionellen der Grundschulen ................................................. 23

3.2.1 Ziele und Bewertungen der Schulleitungen ........................................................ 23

3.2.2 Die Perspektive der Lehrkräfte der aufnehmenden ersten Klassen ..................... 25

3.2.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 30

3.3 Die Perspektive der KIGS-Kinder .................................................................................. 31

3.3.1 Qualitative Interviewergebnisse .......................................................................... 31

3.3.2 Selbsteinschätzungen der KIGS-Kinder im Vergleich zur Fremdeinschätzung durch ihre Eltern vor dem Übergang in die Grundschule.................................... 33

3.3.3 Quantitative Erhebung der Schulerfahrungen nach dem Übergang .................... 40

3.3.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 42

3.4 Die Perspektive der Eltern .............................................................................................. 43

3.4.1 Qualitative Ergebnisse der leitfadengestützten Elterninterviews ........................ 43

3.4.2 Quantitative Ergebnisse des Fragebogens für Grundschuleltern......................... 46

3.4.3 Zusammenfassung ............................................................................................... 48 4. Vertiefende Fallrekonstruktionen ausgewählter Kinder ...................................................... 49

4.1 Lina: Entwicklung von einem ängstlichen zu einem selbstbewussten Kind .................. 50

4.2 Alexej: Der Übergang eines in vielen Bereichen förderbedürftigen Kindes ................. 55

4.3 Marek: Die Entwicklung sprachlicher und sozialer Kompetenzen im KIGS-Projekt ... 61

4.4 Sipan: Die Entwicklung vom passiven Außenseiter zu einem humorvollen Mitglied der Gruppe ............................................................................................ 65

4.5 Zwischenfazit ................................................................................................................. 69 5. Fazit ...................................................................................................................................... 71 6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .................................................................................. 76 7. Literatur ................................................................................................................................ 77

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1. Einleitung

Übergänge stellen pädagogisch und bildungspolitisch ein zentrales Thema im Bildungsbereich

dar. Ein früher wichtiger Bildungsübergang findet sich an der Schnittstelle von

Kindertageseinrichtung und Grundschule. In Anlehnung an ökosystemisch orientierte

Forschungsansätze (Bronfenbrenner 1981; Rimm-Kaufmann/Pianta 2000) und den

Transitionsansatz (Griebel/Niesel 2004) lässt sich der Übergang in die Grundschule als eine

Phase beschreiben, die potenziell krisenhaft für Kinder sein kann. Nicht zuletzt gewinnt das

Thema dadurch Brisanz, dass ein erfolgreicher Übergang in die Grundschule als wichtige

Weichenstellung für die weitere schulische Laufbahn erachtet wird. Daher berühren sich hier

Aspekte von Bildungsgestaltung, Teilhabe und Chancengleichheit. Die erfolgreiche

Bewältigung hängt von verschiedenen Faktoren ab, sie zeichnet sich insbesondere durch ko-

konstruktive und interaktionale Arrangements aus. Die Vernetzung von

Kindertageseinrichtungen, Grundschulen und Familien spielt demnach eine große Rolle, wobei

dadurch weitreichende Transformationen des tradierten Verhältnisses der beteiligten

Institutionen, insbesondere in Hinblick auf die Bezugnahme auf individuelle kindliche

Bildungsprozesse, impliziert sind (Urban et al. 2015; Roßbach 2010). Demgegenüber lassen

sich Ansätze beschreiben, die den Schuleintritt nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit

Krisen beschreiben, sondern vielmehr von stabilen Persönlichkeits- und

Verhaltenseigenschaften der Kinder ausgehen, die kaum vom Übergang selbst beeinflusst

werden (Faust et al. 2012; Caspi/Moffit 1991; 1993).

Gerade in Hinblick auf die Notwendigkeit einer individualisierten Gestaltung schulischer

Bildungsprozesse gewinnt eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Kontinuitäten und

Diskontinuitäten in der Transition an Bedeutung. Konkret stellt sich die Frage, wie von den

Institutionen, den Professionellen und den Eltern anschlussfähige Bildungsprozesse für das

einzelne Kind gestaltet werden können. Dabei ist die Gefahr einer potenziellen schoolification

des Elementarbereichs zu beachten (Dollase 1978; 2000; Arndt et al. 2015).

In diesem Sinne hat die Stadt Bielefeld mit „KIGS“ ein Modelprojekt initiiert, bei dem die

Zielsetzung einer möglichst positiven Transitionsgestaltung im Vordergrund stand. Die

konkreten Ziele des KIGS-Projekts lauteten:

die Minimierung der Risiken und Probleme des Übergangs von KiTa in GS eine inhaltliche und strukturelle Verzahnung von Elementar- und Primarbereich die räumliche Anbindung der KIGS-Gruppe in der Grundschule die Fokussierung auf die soziale, gesundheitliche und kognitive Förderung von Kindern,

insbesondere von sozial benachteiligten Kindern

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die Entwicklung eines Leitbildes für den Elementar- und Primarbereich in enger Zusammenarbeit mit den lokalen Kooperations- und Präventionsnetzwerken.

Für das KIGS-Projekt wurden zwei Grundschulen und zwei Kindertagesstätten im Stadtgebiet

Bielefeld ausgewählt. Kriterien für die Auswahl der Standorte waren:

- die Möglichkeit einer sozialen Durchmischung der späteren Eingangsklassen in der Grundschule

- es sollte eine möglichst abgeschlossene räumliche Gruppensituation für KiTa-Kinder an der Grundschule geben mit unmittelbar angrenzendem Außengelände und eigenen Sanitäranlagen

- es sollte gewährleistet sein, dass die Grundschule über die Projektlaufzeit bestehen bleibt.

Zusätzlich gab es Kriterien, die sich beispielsweise auf bauliche Beurteilungen, eine

gewünschte Trägerpluralität und bestimmte Sozialdaten bezogen.

Zum Standort 1: Es wurde eine Grundschule ausgewählt, bei der nur sehr geringe

Umbaumaßnahmen notwendig waren, da es eine leerstehende Hausmeisterwohnung mit

angrenzendem Außengelände gab. Außerdem gab es von dort einen direkten Zugang zur

Turnhalle und zu einem Lehrschwimmbecken. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler sollte

bis zum Ende des KIGS-Projektes nur geringfügig sinken. Außerdem arbeitete die Schule

bereits vor Beginn des Projektes mit sechs Kindertageseinrichtungen aus der näheren

Umgebung enger zusammen. Als Stammeinrichtung der KIGS-Gruppe wurde eine Kita

gewählt, die eine der zwei Kindergärten war, aus denen die meisten Kinder an die Schule

wechseln. Zudem ist sie in der Trägerschaft des Kirchenkreises Bielefeld. Insgesamt liegt der

Einzugsbereich der Grundschule im mittleren Bereich sozialer Belastungen (vgl. Kommunaler

Lernreport der Stadt Bielefeld 2012).

Zum Standort 2: Er benötigte zwar teurere Umbaumaßnahmen, jedoch sprachen für diesen

Standort die Lage im Bielefelder Süden und die Sozialstruktur der Bevölkerung im

Einzugsbereich der Schule, die als sehr belastet gilt (ebd.). Auch hier wurde nur von einem

geringen Rückgang der Schülerzahlen ausgegangen. Vorgeschlagen als Stammkindergarten

wurde eine KiTa in der Trägerschaft der Stadt Bielefeld. In der Umgebung wohnen

verhältnismäßig viele sozial benachteiligte Familien. Es war der einzige Standort der sechs

infrage kommenden Schulen, in dem dieser Anteil relativ hoch ist. Dieses Umfeld spiegelt sich

nach Auskunft der Schulleitung auch in der Schule wider.

Für das Projekt wurde auch eine Kooperation mit den offenen Ganztagsschulen der jeweiligen

Schulen vorgesehen, auch diesbezüglich war eine Trägerpluralität gegeben.

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2. Die wissenschaftliche Begleitung

Unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Miller hat die AG 3 der Fakultät für

Erziehungswissenschaft an der Universität Bielefeld die Umsetzung der wissenschaftlichen

Begleitung übernommen. Bei der Konzeption und dem Start der wissenschaftlichen Begleitung

im Oktober 2013 bestand das Forscherinnen-Team aus Susanne Miller und Anne Tecklenborg.

Ab Januar 2014 übernahm Kapriel Meser als wissenschaftlicher Mitarbeiter auf halber Stelle

die Umsetzung hauptsächlich. Wir danken Rebecca Hummel, die zum Ende des Projekts die

wissenschaftliche Begleitung ergänzte, ganz besonders für ihre Unterstützung bei der

Aufbereitung des quantitativen Datenmaterials.

Im Einschulungsjahrgang 2015 wurde der Feldzugang durch verschiedene Tatsachen

erschwert. Die notwendige schriftliche Zustimmung zu den Erhebungen seitens der Eltern der

KIGS-Kinder wurde trotz mehrfacher Erinnerung und des großen Einsatzes der KIGS-

Gruppenleiterinnen von sehr vielen Eltern erst nach dem Jahreswechsel abgegeben. Somit

konnten einige Erhebungen nur verspätet stattfinden und auf andere, wie etwa eine

Performativbefragung für KIGS-Kinder, musste verzichtet werden. In diesen Zeitraum fiel auch

eine Phase, in der in Kindertageseinrichtungen gestreikt wurde, wodurch einige gemeinsame

Projekte und Aktionen mit der Schule ausfielen oder verschoben wurden. Hierdurch konnten

einige geplante Beobachtungen nicht durchgeführt werden. Dennoch ermöglichte hier

insbesondere die Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte eine Gewinnung von KIGS-

Eltern für die Erhebungen.

Unser Dank gilt den am KIGS-Projekt beteiligten pädagogischen Fachkräften, Lehrerinnen und

weiteren Personen, die uns über die Jahre hinweg stets sehr kooperativ Einblicke in ihre Praxis

boten. Insbesondere danken wir den Kindern aus den KIGS-Gruppen und den

Grundschulklassen. Nicht nur ermöglichten sie uns mit ihrer Offenheit Zugang zu ihrem Kita-

und Schulalltag, sondern sie verschafften uns zugleich immer wieder Freude an der

pädagogischen Praxis.

Der Abschlussbericht stellt die Ergebnisqualität des KIGS-Projekts in Form von

Rekonstruktionen der einzelnen Akteursperspektiven und einer daran anschließenden

Erörterung der Implikationen für die Kooperationsbeziehungen an der Schnittstelle von

Elementar- und Primarbildung dar. Er lässt sich als Fortschreibung der Zwischenberichte lesen

und bezieht wesentliche Teile dieser ein und erweitert sie um zeitlich nachgelagerte Erhebungen

und Analysen. Zusätzlich zu den Berichten wurden Ergebnisse der wissenschaftlichen

Begleitung in Form von Vorträgen auf wissenschaftlichen Fachtagungen oder Publikationen in

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Fachmedien veröffentlicht. Bislang wurden Zwischenergebnisse des KIGS-Projekts auf

folgenden Tagungen vorgestellt:

Kongress Armut und Gesundheit 2015, Titel des Vortrags: „Resilienzförderung in der Transition zwischen Elementar- und Primarbereich“ (Kapriel Meser, Susanne Miller, Robert Stölner, Werner Wörmann), 6. März 2015 in Berlin

DGFE-Sektionstagung Schulpädagogik 2015, Titel des Vortrags: „KIGS: Den Übergang anders gestalten“ (Susanne Miller und Kapriel Meser), 30.09.2015 in Göttingen

Internationale Jahrestagung 2016 der Inklusionsforscher_innen, Titel des Vortrags:

„Die Kommunikations- und Kooperationspraxis im KIGS-Projekt: Potenziale für eine

(inklusive) Übergangsgestaltung“ (Kapriel Meser und Susanne Miller), 17.02.2016 in Bielefeld

DGFE-Kongress 2016, Titel des Vortrags: „Das Bildungshaus-Modell KIGS der Stadt

Bielefeld: Strukturelle Veränderungen und politische Rahmenbedingungen“ (Robert Stölner und Suanne Miller), 16.03.2016 in Kassel

Jahrestagung Grundschulforschung 2016, Titel des Vortrags: „Kita und GS rücken

zusammen: Veränderungen durch gemeinsame Bildungsarbeit "unter einem Dach" im

Bielefelder KIGS-Projekt“ (Kapriel Meser und Suanne Miller), 30.09.2016 in Bielefeld

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung entstandene und bereits veröffentlichte

Publikation sind:

1) Stölner, Robert, Miller, Susanne & Hilker, Frank (2014): KiGs – ein Projekt aus

Bielefeld zur Gestaltung des Übergangs zwischen Kindertagesstätte und Grundschule.

In: KiTa aktuell NRW, 23, 12, 274-276.

2) Meser, Kapriel/Miller, Susanne (2016): Eine KiTa-Gruppe befindet sich in der

Grundschule: Den Übergang anders gestalten. In: Heinzel, Friederike & Koch, Katja

(Hrsg.): Individualisierung im Grundschulunterricht: Anspruch, Realisierung und

Risiken. Jahrbuch Grundschulforschung, Band 21. Wiesbaden: VS/Springer, 55-60.

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2.1 Ziele der wissenschaftlichen Begleitung

Die Zielsetzung der wissenschaftlichen Begleitung des KIGS-Projekts verfolgt zwei

Schwerpunkte:

1.) Es soll die Ergebnisqualität des Modellprojekts evaluiert werden, indem die Perspektiven

der beteiligten Akteursgruppen (Pädagogische Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen1 und

Grundschulen sowie Erziehungsberechtigte2 und Kinder) erhoben werden.

2.) Zum anderen sollen vielversprechende Konzeptvarianten, pädagogische Settings,

Arrangements und Prozesse sowie Kooperationsformen beobachtet werden, um „gute Praxen“

im Sinne einer förderlichen Übergangsgestaltung dokumentieren zu können.

Prozessbegleitend war es ein Anliegen, Raum für einen standortübergreifenden

kommunikativen Austausch der Professionellen der KIGS-Gruppen und ihrer

Stammeinrichtungen zu bieten. Zu diesem Zweck wurden zusätzlich zu den regelmäßig

stattfindenden gemeinsamen Treffen der Steuergruppe mit der wissenschaftlichen Begleitung

auch zwei weitere Austauschtreffen in den Räumen der Universität angeboten, bei denen die

Projektumsetzung reflektiert wurde. In den vielen Gesprächen mit den pädagogischen

Fachkräften der Kita, mit den Fachkräften der KIGS-Gruppen und den Leitungen der

Stammeinrichtungen kristallisierte sich ein Diskussionsbedarf zu verschiedenen Themen der

päd. Praxis heraus (u.a. Jahrgangshomogenität, Übergang in die KIGS-Gruppe, Kollegialer

Austausch der elementarpädagogischen Fachkräfte). Diesem Bedarf konnte, auch mit

Unterstützung der Stadt Bielefeld, durch die Organisation von insgesamt drei Workshops

nachgekommen werden, an denen Vertreterinnen beider Standorte gemeinsam teilnahmen. Die

Workshops wurden durch Frau Dr. Birgit Holler-Nowitzki, einer Mitarbeiterin des Lehrstuhls

mit langjähriger Erfahrung in der Begleitung von Qualitätsentwicklungsprozessen in

Elementarbildungseinrichtungen, organisiert und geleitet. Die Workshops sollten den

Teilnehmenden die Chance bieten, sich kritisch über aufkommende Themen, Unsicherheiten,

Pläne und Ziele auszutauschen sowie wesentliche Punkte der weiteren Umsetzung zu klären.

Dieses Angebot wurde durch die Anwesenden als sehr hilfreich bewertet.

1 Im Folgenden auch PFK. 2 Im Folgenden als Eltern benannt.

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2.2 Methoden der wissenschaftlichen Begleitung

Die Vorgehensweise der wissenschaftlichen Begleitung des KIGS-Projekts lässt sich über drei

Ebenen mit je eigenem Analysefokus beschreiben. Diesen drei Analyseebenen,

Akteursperspektiven, Fallrekonstruktion und Dokumentation der Konzeptvarianten sind

verschiedene Erhebungsinstrumente und Analyseziele zugeordnet (Abb. 1). Dabei sind die

einzelnen Ebenen nicht als strikt voneinander getrennt zu begreifen, sondern als sich

komplementierende Stränge:

Abb. 1: Graphische Darstellung der Analyseebenen

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, findet in der wissenschaftlichen Begleitung sowohl ein

quantitatives als auch qualitatives Vorgehen statt, dies ergibt sich u.a. auch aus den jeweiligen

Fallzahlen. Bei den qualitativen Messebenen sind die wesentlichen methodische Instrumente

leitfadengestützte Interviews mit den PFK der KIGS-Gruppen und Grundschulen, Lehrkräften,

Eltern und Kindern sowie teilnehmende Beobachtungen. Das Datenmaterial wurde mithilfe

inhaltsanalytischer Auswertungsverfahren (Mayring 2000) sowie Techniken des offenen und

thematischen Kodierens (Strauß 1994; Strauß/Corbin 1996) ausgewertet. Dafür wurden

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zunächst Transkriptionen der Interviews und aufgezeichneten Gespräche angefertigt, die dann

systematisch strukturiert wurden. Aus dem Material wurden dann in zirkulären Arbeitsschritten

Kategorien abgeleitet, an denen sich die weitere Analyse orientierte.

Im quantitativen Bereich wurden folgende Erhebungsinstrumente eingesetzt:

Kindgerechte (standardisierte) Befragung der KIGS-Kinder3 Elternfragebogen für KIGS-Eltern Elternfragebogen für alle Eltern der ersten Grundschulklassen (nach dem Übergang der

KIGS-Kinder)

Außerdem finden individuelle und gruppenbezogene diagnostische Instrumente zur Erfassung

des sozial-emotionalen Bereichs Verwendung: Sowohl in der KIGS-Gruppe als auch zu Beginn

der Schulzeit wurde für ausgewählte Kinder das Instrument PERIK an die pädagogischen

Fachkräfte bzw. Lehrkräfte verteilt (Mayr & Ullich 2007), um die Perspektive der Fachkräfte

auf sozio-emotionale Aspekte der kindlichen Entwicklung zu erfassen.

In der Schule kam der FEESS 1-2 (Rauer & Schuck 2004) im ersten Halbjahr der ersten Klassen

zum Einsatz, um die sozial-emotionalen Schulerfahrungen der ehemaligen KIGS-Kinder und

der Kinder, die nicht in der KIGS waren, in ihren Klassen zu erheben.

Flankierend wurde durch das Institut für Didaktik der Mathematik unter Federführung von

Sebastian Fricke die Lernentwicklung der KIGS-Kinder im Bereich Mathematik mit dem

EMBI-KiGa (Peter-Koop & Grüßing 2011) erhoben. Anschließend wurde eine individuelle

Förderung für KIGS-Kinder initiiert, wenn die EMBI-Ergebnisse dies nahelegten. Nach dem

Übergang auf die Grundschule wurden die mathematischen Kompetenzen aller Kinder der

ersten Klassen an den Grundschulen mit dem DEMAT 1 (Krajevski et al. 2002) erfasst, um

eine Vergleichbarkeit zwischen Schulkindern aus den KIGS-Gruppen und solchen, die nicht in

KIGS-Gruppen waren, herzustellen. Außerdem sollen die Ergebnisse dazu dienen, Aussagen

über die Wirkung und die Nachhaltigkeit der begleitenden Förderung in den KIGS-Gruppen

machen zu können.

Insgesamt wurden im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung 6 Interviews mit den PFK der

KIGS-Gruppen, 2 Interviews mit den Leitungen der Stammeinrichtungen, 15 Interviews mit

KIGS-Eltern, 58 Kinderinterviews sowie 5 Einzelinterviews mit Personal der Grundschulen

(Schulleitungen, Klassenlehrkräfte, Schulsozialarbeiter) erhoben. Außerdem wurden zum

3 Es handelt sich um eine performative Befragung der Kinder, die dabei ihre Zustimmung bzw. Ablehnung bei einem ihnen vorgelesenen Item durch Hüpfen auf eine grüne bzw. rote Markierung ausdrücken sollen. Die Befragung und die einzelnen Items wurden von Katrin Velten im Rahmen ihres Dissertationsprojekts angelehnt an den Forschungsstand entwickelt.

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Abschluss des Projekts zwei Gruppendiskussionen mit den pädagogischen Fachkräften geführt.

Für alle Kinder des letzten untersuchten KIGS-Jahrgangs wurden insgesamt 79 PERIK-Bögen

zu zwei Erhebungszeitpunkten erhoben.

Ferner wurden an mehreren Erhebungszeitpunkten insgesamt 146 performative

Kinderbefragungen in den KIGS-Gruppen durchgeführt sowie 113 FEESS 1-2 in der

Grundschule erhoben. Außerdem konnten während der wissenschaftlichen Begleitforschung in

den KIGS-Gruppen insgesamt 94 KIGS-Elternfragbögen und nach den Übergängen 121

Fragebögen von allen Eltern der ersten Grundschulklassen erhoben werden.

Erhebungsinstrument Anzahl der Erhebungen

Qualitative Interviews 86

Performative Kinderbefragung 146

Fragebogen für Eltern von KIGS-Kindern 94

Fragebogen für Grundschuleltern 121

PERIK 95

FEESS 1-2 113

Tab. 1: Übersicht der Erhebungsinstrumente und der Anzahl der Erhebungen

Zusätzlich zu den oben aufgeführten Erhebungen konnten im Feld stattfindende

kommunikative Austauschsituationen beobachtet und aufgezeichnet werden, zu nennen sind

hier insbesondere Übergabegespräche zwischen KIGS-Gruppe und Grundschule sowie

Teamgespräche der pädagogischen Fachkräfte. An beiden Standorten wurde abschließend mit

dem Instrument der Gruppendiskussion jeweils die professionelle Reflexion des Projekts und

der konkreten Kooperation erhoben. Darüber hinaus wurden fortlaufend Feldbeobachtungen

von Projekten oder des pädagogischen Alltags in beiden Einrichtungen durchgeführt und

dokumentiert, deren Ergebnisse hauptsächlich in die Fallbeschreibungen und die Handreichung

einflossen.

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3. Ergebnisqualität aus Sicht der Akteure

3.1 Die Perspektive der Fachkräfte der Kindertagesstätten

3.1.1 Ziele und Bewertungen der Leitungen der Kindertageseinrichtungen

Die Leitungen der Kindertageseinrichtungen wurden jeweils im ersten Durchlauf interviewt.

Die Interviews fokussierten hauptsächlich deren Projektziele sowie Bewertungen und

Einschätzungen der konkreten Umsetzung. Mit dem KIGS-Projekt wird an beiden Standorten

die besondere Möglichkeit verbunden, Kindern einen verbesserten Übergang in die

Grundschule zu gewährleisten: „Genau, das [das KIGS-Projekt; K.M.] ist eine gute

Möglichkeit, um Kindern den Übergang von der Kita zur Grundschule gut zu gestalten“

(Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 2).

Dabei wird das KIGS-Projekt aufgrund der Ausstattung der Gruppen mit pädagogischem

Material und der im Projekt ermöglichten Angebote als besonders förderlich für die Herstellung

einer Chancengleichheit für sozioökonomisch benachteiligte Familien im Übergang erachtet:

„Die können sich nicht leisten, die Kunst- und Musikschule in Anspruch zu nehmen, und jeden

Monat achtzig, neunzig Euro hinzulegen. Und das sind so Sachen, wo ich denke, genau, (…) da

wird kein Kind zurückgelassen, sondern sie werden alle mit ins Boot geholt (...) im normalen

Kita-Alltag, das find ich immer so wichtig“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 100).

Als besonderes Moment des KIGS-Projekts wird im obigen Zitat hervorgehoben, dass

kompensatorische Effekte der Angebote hier in den pädagogischen Alltag integriert werden

könnten und somit zur Normalität für Kinder würden.

Neben der Ausstattung und den erweiterten pädagogischen Angeboten im Projekt wird eine

zentrale positive Erwartung mit der räumlichen Nähe zur Grundschule verknüpft: „[W]ie

komme ich von A nach B, an wen kann ich mich wenden? (…) Wir fühlen uns auch nur da wohl,

wo wir sicher sind, und das ist bei Kindern nicht anders. Und wenn ich »Für kurze Beine kurze

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Wege« als mein Leitbild quasi auch ein Stück weit habe, dann meine ich das auch so“

(Interview_Leitung Stammeinrichtung1, Z. 70).

Durch die Anbindung an den schulischen Raum sollen die KIGS-Kinder demnach die

Möglichkeit erhalten, Sicherheit im Umgang mit schulischen Personen und Räumen zu

gewinnen. Dies wird hier als Voraussetzung für das Wohlbefinden der Schulanfänger*innen

betrachtet und als Besonderheit des KIGS-Projekts hervorgehoben. Mit der Umsetzung zum

Interviewzeitpunkt zeigen sich die Leitungen der Kindertageseinrichtungen weitestgehend

zufrieden, wobei für beide Standorte eine sich zum Positiven entwickelnde

Kooperationsbeziehung mit der Grundschule konstatiert wird. Dabei wird eine Gemeinsamkeit

in der Zielsetzung gesehen, Kinder im Übergang gut zu begleiten und zu fördern.

„Die Besonderheit der Zusammenarbeit sind die kurzen Wege, das Interesse und das

unglaubliche Einfühlungsvermögen für Kinder, und dass die beiden Professionen, Schule und

Kita, so unterschiedlich, wie manche Haltungen auch sein mögen, jetzt aber ein gleiches Ziel

haben: Das Kind gut im Übergang zu begleiten, im Übergang zu stärken, und wenn es dann

angekommen ist, das fortzuführen. Das ist sehr viel intensiver geworden“ (Interview_Leitung

Stammeinrichtung1, Z. 100).

In diesem Zitat wird die Bedeutung der gemeinsamen Zielsetzung hervorgehoben und die im

KIGS-Projekt möglich gewordenen weniger komplizierte Kontaktierung, hier beschrieben als

„kurze Wege“. Damit ist nicht nur die räumliche Anbindung angesprochen, sondern die

Betonung verweist auf die gemeinsame Übergangsgestaltung und eine darüberhinausgehende

Zusammenarbeit neu entstandener Kommunikationswege, die sich zu etablieren beginnen.

Auch für die Schulen wird seitens der Leiterin einer Stammeinrichtung eine Erweiterung des

Zugangs zu wichtigen Personen und Institutionen in der Transition als positiver Effekt und als

weitere Zielsetzung des KIGS-Projekts hervorgehoben, denn insbesondere durch die

beobachtete Präsenz der Schulleitung in der KIGS-Gruppe könne diese bereits im „Vorfeld (…)

Vertrauen zu Eltern und zu Kindern“ aufbauen. Dies ließe sich als „Tür (…) zur intensiven

Zusammenarbeit“ beschreiben, „egal ob es mit Eltern, mit der Kita oder (…) mit den Kindern

ist“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung2, Z. 18).

Auch die Form der Zusammenarbeit der Kindertageseinrichtungen mit den Eltern hat sich durch

das KIGS-Projekt verändert. In ihren Darstellungen verweisen die Leitungen beider

Stammeinrichtungen einerseits auf einen durch das Projekt enger gewordenen Kontakt zu

Eltern. Andererseits seien die KIGS-Gruppen für die Elternschaft mit positiven Erwartungen

verknüpft. Beispielsweise seien die KIGS-Eltern im Vergleich zu den Eltern der Kinder vor

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Projektbeginn nicht mehr so unsicher bezüglich des Übergangs: „Schulvorbereitung ist

überhaupt kein Thema mehr“ (Interview_Leitung Stammeinrichtung, Z. 50).

3.1.2 Die Perspektive der pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppen

Die KIGS-Gruppenleiterinnen der beiden Standorte wurden jeweils im November 2013, im

Juni 2014 und im Juli 2015 interviewt. Im November 2013 bestand die Zielsetzung des

Interviews darauf, die Erwartungen und Befürchtungen bezüglich des KIGS-Projekts zum

Programmstart zu erheben. Außerdem sollte herausgefunden werden, wie die pädagogischen

Fachkräfte den Übergang der Kinder von der Stammeinrichtung in die KIGS-Gruppe erlebten

und worauf sie zum Beginn den Fokus ihrer pädagogischen Arbeit legten. Nach Projektstart ist

noch eine Schwerpunktsetzung der KIGS-Fachkräfte auf das Wohlbefinden der Kinder in ihrer

neuen Umgebung zu erkennen. Außerdem lassen sich erste Erfahrungen in dem

Kooperationsprojekt in den Blick nehmen. Die folgenden Interviews fokussieren dann die

konkrete pädagogische Praxis im Projekt und es können Bewertung der Kooperation und

Zusammenarbeit mit der zugehörigen Grundschule, die Erzieherinnenperspektive in Hinblick

auf die Entwicklung der KIGS-Kinder und die Ausgestaltung der Beziehung zu den Eltern

rekonstruiert werden.

Die Gruppenstruktur

Eine Besonderheit der KIGS-Gruppen besteht in der Gruppenstruktur und einer damit

einhergehenden Zusammensetzung aus Kindern unmittelbar vor dem Schulbeginn. Das Thema

der Altersstruktur wurde besonders zu Beginn des Projekts mit einer gewissen Skepsis

betrachtet, da diese Struktur den gewohnten Gruppenkonstellationen in den

Kindertageseinrichtungen nicht entspricht. Die Analyse der Interviews deutet auf eine

mehrheitlich positive Bilanzierung der homogenen Altersstruktur hin. Es zeigt sich dabei

allerdings ein Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen -Größe der Räume und

Personalsituation- und den Bewertungen.

Die Kinder in den jahrgangshomogenen KIGS-Gruppen regen sich demnach –insbesondere bei

günstigen Rahmenbedingungen– gegenseitig an und lassen sich auf die spezifischen Angebote

sehr motiviert ein: „Naja, die profitieren hauptsächlich hiervon, dass sie mit Gleichaltrigen

zusammen sind, und sich mit Gleichaltrigen messen können einfach. Also es ist, ich finde das

einen unschätzbaren Vorteil“ (PFK2, Interview3, Z. 38).

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Alle beteiligten Fachkräfte betonen erweiterte Möglichkeiten einer zielgerichteten

pädagogischen Arbeit, die durch das KIGS-Projekt entstanden seien. Durch die ausschließliche

Zugehörigkeit von Kindern im Übergangsprozess sehen sie die Voraussetzungen für ein

individuell zugeschnittenes pädagogisches Angebot gegeben. In diesem Zusammenhang

scheint die übergangsbezogene Arbeit der päd. Fachkräfte vor dem KIGS-Projekt besonders

dadurch erschwert gewesen zu sein, dass neben den Schulanfänger*innen noch viele jüngere

Kinder in der Gruppe waren und sich somit nicht ausreichend auf Erstere fokussiert werden

konnte.

Und die Kinder wollen das im Grunde auch. Die wollen nicht immer irgendwelche Pimpelchen spielen. Was die im Kindergarten immer noch machen, weil die auch die Zweijährigen dazwischen sitzen haben. Also: Für mich der Vorteil ist ganz klar. Ich kann für die Kinder etwas Passendes anbieten, mit denen machen. Ich finde, die werden altersgerechter gefördert… (PFK1, Interview3, Z. 213).

Als ein Problembereich, der in Zusammenhang mit der Altersstruktur entstehen kann, wird ein

höherer sozialer Vergleich zwischen den Kindern von einer KIGS-Leiterin benannt, der gerade

zu Anfang des KIGS-Jahres als erhöhte Unruhe wahrgenommen wird, der durch entsprechende

Angebote begegnet werden muss. In Abwägung der Vor- und Nachteile erfolgt eine klare

Stellungnahme zugunsten der Gruppenstruktur im KIGS-Projekt, da auf die wahrgenommene

Unruhe und gesteigerte Konkurrenzsituation eingegangen werden könne: „Aber sie lernen es

dadurch, dass sie immer zusammen sind, dass wir ihnen natürlich auch helfen“ (PFK2,

Interview3, Z. 38).

Die Tatsache, dass der letzte Jahrgang der Kindertageseinrichtungen im Rahmen der KIGS-

Konzeption in die Schule zieht, bedeutet jedoch auch eine große Veränderung für die

Stammeinrichtungen. Es verbleiben lediglich jüngere Kinder dort und die Vierjährigen sind

plötzlich schon die Ältesten, was viele Veränderungen hervorgerufen hat. Nach einem

Austausch zwischen wissenschaftlicher Begleitung und den Leiterinnen der Stammeinrichtung

wurden mehrere standortübergreifende Workshops initiiert, die Raum für eine breite Reflexion

der Thematik boten. Hierbei konnten Vor- und Nachteile sowie Handlungsideen für den

Umgang mit dieser Veränderung entwickelt werden. Zusammenfassend kann gesagt werden,

dass beide Institutionen nach dieser Auseinandersetzung mit der Jahrgangsstrukturierung

überwiegend überzeugt sind, dass die Beibehaltung der KIGS-Gruppen und der damit

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zusammenhängenden pädagogischen Konzeption auch in den Stammeinrichtungen als

wünschenswert erachtet wird.

Kooperation zwischen den Institutionen

„Wir haben, das erste Jahr haben wir zugeschaut, da haben wir uns ja noch nicht so getraut, haben das Theaterstück in der Gruppe ja gemacht. Das, jetzt dieses Jahr haben wir die Bühne mitbenutzen dürfen, haben wir Theater gespielt, und haben die Schule eingeladen, und nächstes Jahr wäre es schön, wenn wir sagen würden, wir machen zusammen mit der Schule, dann hätte man einmal so, einmal so, und einmal zusammen alles gemacht“ (PFK2, Interview3, Z. 17).

Die Kooperation mit der Grundschule wird im Projektverlauf als immer intensiver werdend

beurteilt. Angenähert haben sich die Institutionen über die gemeinsame Teilnahme an

bestimmten Aktionen, etwa dem Laternesingen oder Adventskreisen. Die Zusammenarbeit

findet nach einer Anlaufphase dann zunehmend auf weiteren Ebenen statt. Zu einer besonders

erweiterten Form der Zusammenarbeit gehören Übergabegespräche im Vorfeld der

Einschulung der KIGS-Kinder, die eine detaillierte Erörterung der Entwicklung eines jeden

Kindes enthalten. Sie geben den pädagogischen Fachkräften und den Schulleitungen dabei

Raum für gegenseitige Rückmeldungen und für den Austausch. Außerdem finden verschiedene

Formen von gegenseitigen Hospitationen statt. Diese reichen von Kennlernbesuchen über

Unterrichtsbesuche der KIGS-Kinder bis hin zu festen Stunden der Lehrkräfte in der KIGS-

Gruppe. Die KIGS-Leiterinnen sehen ihre eigene Arbeit auch dadurch bestätigt, dass sie eine

sich über die Zeit positiv entwickelnde interinstitutionelle Kooperation beschreiben können.

Der Aufbau von systematischen Kooperations- und Kommunikationsbeziehungen mit den

Lehrkräften der Grundschulen lässt sich über den Rückblick der pädagogischen Fachkräfte als

ein Prozess beschreiben, der nicht ohne Weiteres, etwa allein durch die räumliche Anbindung,

zu einer besseren Vernetzung führte. Die KIGS-Gruppen mussten erst in unterschiedlicher

Weise andocken, gegenseitige spontane Kontaktierungen wurden erst allmählich möglich. Der

persönliche Kontakt zur Grundschule erfolgte zunächst über die Schulleitungen,

darüberhinausgehende feste Zuständigkeiten auf schulischer Seite konnten die pädagogischen

Fachkräfte insbesondere anfangs nur selten erkennen. Im Projektverlauf jedoch wurde die

KIGS-Gruppe insbesondere durch den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften

der ersten Klassenstufen immer deutlicher zu einem Bestandteil des schulischen Raums. Es

erfolgen nach den ersten Jahren dann vielfach Beschreibungen, die auf ein

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Gemeinschaftsgefühl – „ich hab das Gefühl, wir gehören jetzt dazu“ (PFK2, Interview3, Z. 138)

–. innerhalb des KIGS-Schul-Tandems verweisen.

[I]n diesem zweiten Jahr ist es so, dass die Schule, dieses engere Zusammenarbeiten mit der Schule sich komplett zum Positiven verändert hat. Ganz erstaunlich sind so diese, ja, diese Gespräche, die auf dem Schulhof stattfinden. (…) [W]ie die Lehrer hier dieses Jahr uns besucht haben, was wir gemeinsam gemacht haben, (…) hat sich auch verändert (PFK2, Interview3, Z. 6)

Dabei haben sich unterschiedliche Formen der Kooperation an den Standorten entwickelt, die

von den KIGS-Leiterinnen präferiert werden. Hier lassen sich zwei Ausgestaltungsformen

nachzeichnen, die von den pädagogischen Fachkräften besonders positiv bewertet werden. Zum

einen wird eine Annäherung an die Institution Schule rekonstruiert, die auf Befürchtungen einer

Überforderung dadurch reagiert, dass in Vorab-Gesprächen eine Präferenz für wenig

aufwändige gemeinsame Projekte vermittelt wird. Diese Projekte werden dann durch externe

Dritte organisiert und durchgeführt. Hier lassen sich als Beispiele Trommelworkshops an den

Grundschulen sowie NaWi-Projektwochen nennen. An diesen Projekten partizipierten KIGS-

und Grundschulkinder gemeinsam.

Zum anderen wird, anders als zu Beginn des Projekts, positiv Bezug genommen auf nunmehr

vorhandene Möglichkeiten, Räume der Grundschule eigenständig zu nutzen. Sowohl in der

projektbezogenen Kooperation als auch in der Nutzung schulischer Räume lassen sich zwar

standortspezifische Besonderheiten erkennen, jedoch führten kurze Wege in beiden Fällen zu

einer Zusammenarbeit, die mit der Zeit weniger aufwendig wahrgenommen wurde und sich

gerade im dritten Projektjahr als Normalfall in der pädagogischen Arbeit der beiden

Institutionen beschreiben lässt: „[E]s mussten einfach Wege nicht mehr gegangen oder neu

gefunden werden. Die mussten auch gegangen werden, aber die mussten nicht mehr neu gelegt

und erfunden werden. (…) Ich habe auch das Team der Lehrer als sehr positiv erlebt“ (PFK1,

Interview3, Z.9).

Bewertung der Elternarbeit im KIGS-Projekt

Die Beziehung zu den Eltern im KIGS-Projekt empfinden die pädagogischen Fachkräfte in

unterschiedlicher Weise intensiver als sie es aus der Stammeinrichtung gewohnt sind. Einerseits

häufen sich weiterhin Gesprächskontakte, da Eltern über neue Inhalte, anstehende Projekte oder

andere mit KIGS zusammenhängende Aspekte aufgeklärt werden, auch wenn die Ausrichtung

der Elternarbeit als nicht verändert und die Beziehung ohnehin positiv beschrieben wird.

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Andererseits wird die Relation zu Eltern im KIGS-Projekt als intensiver und qualitativ

höherwertiger als zuvor rekonstruiert:

Ich hab' auch mit Eltern hier ein anderes Ding, einen anderen (…) Kontakt. (…) Ich hab' 'ne (…) intensivere Art. Das ist hier nicht so Funktionsraum Kita. (…) Es ist näher, sowohl mit Kindern als auch mit Eltern (PFK1, Interview3, Z. 165).

In folgender Passage wird deutlich, dass die PFK eine auf Eltern im Übergang zur Grundschule

zugeschnittene Form des Austausches praktizieren können und somit die Bewertung der

eigenen Elternarbeit im KIGS-Projekt als bedarfsgerechter beschrieben werden kann: „Und

was förderlich ist, was man drüben auch nicht hat, das dürfen wir nicht vergessen, [sind] die

intensiven Gespräche mit den Eltern: (…) (Wir) haben auch ein kompakteres Gesprächsfeld für

die Eltern“ (PFK2, Interview2, Z. 173).

Die engere Relation zeigt sich u.a. in veränderten Formen von Entwicklungsgesprächen, bei

denen unter anderem Bildungsdokumentationen mit den Eltern gemeinsam vervollständigt

werden. Die Zufriedenheit der Eltern schätzen die pädagogischen Fachkräfte als mehrheitlich

hoch ein, erkennen jedoch eine gewisse Bandbreite in der Elternzufriedenheit, die auch kritische

Stimmen enthält. Von Eltern an die pädagogischen Fachkräfte herangetragene Kritik bezog sich

insbesondere im ersten Jahr darauf, dass noch mehr Projekte oder Förderangebote gefordert

wurden. Hohe Zufriedenheit bei den Eltern ergebe sich insbesondere durch die Wahrnehmung

von Entwicklungsfortschritten der Kinder. Im Projektverlauf lässt sich den Angaben der päd.

Fachkräfte entnehmen, dass sich die Eltern im zweiten und dritten KIGS-Durchlauf zufriedener

zeigten, was auf einen gesteigerten Informationsfluss und eine erfahrenere pädagogische Arbeit

in KIGS zurückgeführt wird: „Ja, und im zweiten Jahr ist es ja auch so gewesen, dass die Eltern

nicht mehr so skeptisch waren wie im ersten Jahr. Im ersten Jahr kamen noch sehr viele

Fragen: Wie wird das sein, was machen Sie denn überhaupt hier? (…), im zweiten Jahr waren

viele Eltern schon vorinformiert“ (PFK2, Interview 3, Z. 6).

Entwicklung der KIGS-Kinder

Eine positive Bewertung der Konzeption der KIGS-Gruppen korrespondiert mit der

Vorstellung von einer an den individuellen Bedürfnissen und Entwicklungsverläufen der

Kinder orientierten Arbeitsweise, die in dieser Form in der Stammeinrichtung als weniger

ausgeprägt erachtet wird.

Aber, ähm, was mich sehr freut ist, dass Kinder so strukturierter geworden sind (…) sich selber organisieren können. Also man sieht ja

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nicht nur, die werden größer, sondern man sieht ja auch die innere Entwicklung, und das kann ich hier schon sehen. Ich glaube, die sind ganz, nach allen Kräften vorbereitet auf die Schule (PFK1, Interview 2, Z. 848-860).

Weitere Vorteile des KIGS-Projekts erkennen die PFK über die räumliche Anbindung an die

Grundschule und die im Projektverlauf entwickelte stärkere Fokussierung auf die sozial-

emotionale Stärkung der KIGS-Kinder und auf die Gruppenkohäsion. In diesem

Zusammenhang ist gerade der Faktor „Zeit“ als besonderes Moment zu nennen. Im Projekt

werden Möglichkeiten gesehen, den KIGS-Kindern die jeweils nötige Zeit zu geben, sich an

die schulischen Strukturen zu gewöhnen und dabei schrittweise - und vor allem an den

pädagogischen Präferenzen der Elementarbildungseinrichtung orientiert - vorzugehen. Dies

bedeutet auch, dass die KIGS-Kinder anfangs noch stärker in ihren Gruppenstrukturen

verbleiben und dann im Jahresverlauf vorsichtig an die Personen und Räume der Grundschulen

herangeführt werden. Das Ergebnis dieser zeitlichen Entzerrung sehen die pädagogischen

Fachkräfte am Selbstbewusstsein der KIGS-Kinder verdeutlicht.

Nein, also ich seh´ es als Riesenunterschied. Ich habe letztens noch, als wir (…) Elternnachmittag hatten (…) hab´ ich gesagt: »Ich habe noch nie so selbstbewusste Schulanfänger gesehen (…). Und ich war wirklich schon, erstens bin ich lange im Beruf, ich war in vielen verschiedenen Einrichtungen, ich habe schon viele Schulanfänger miterlebt. Aber so selbstbewusst wie diese waren noch keine, die haben immer alle noch Ängste gehabt (PFK2, Interview 2, Z. 755-760).

Durch positive eigene Beobachtungen sowie durch Rückmeldungen seitens der Grundschulen

und der Eltern haben die päd. Fachkräfte ein gesteigertes Selbstvertrauen entwickelt, diese Zeit

auch in der beschriebenen Form zu nutzen und das damit verbundene sukzessive Annähern

gegenüber Erziehungsberechtigten und auch Externen zu vertreten. Hier enthalten die positiven

Resümees der päd. Fachkräfte auch wahrgenommene Erfolge auf der Ebene der Entwicklung

einzelner Kinder. Insbesondere bei sehr ängstlichen oder von den pädagogischen Fachkräften

im sozial-emotionalen Bereich förderbedürftig wahrgenommenen Kindern zeige sich eine sehr

positive Entwicklung bis zum Schulstart. Selbst für Kinder, bei denen auch nach einem Jahr in

der KIGS-Gruppe noch potenzielle Schwierigkeiten beim bevorstehenden Schulbeginn

vermutet werden, lässt sich eine positive Bilanzierung des Projekts erkennen. Eine solche

positive Bilanzierung erfolgt dann meist über das Benennen von Fortschritten der Kinder in

diversen Entwicklungsbereichen, die diese nach Ansicht der Fachkräfte ohne KIGS nicht

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gemacht hätten. Somit wird fortlaufend ein Vergleich zwischen KIGS und der Zeit vor

Projektbeginn bzw. mit einer imaginierten Betreuung der Kinder außerhalb der KIGS-Gruppen

vollzogen.

Kinder, wo wir noch vor einem Jahr gesagt haben: »Oh meine Güte, das wird wirklich schwierig werden in der Schule«, dass wir da sagen können: »Och, da haben wir was geschaffen für das Kind, und das Kind hat sich selber was geschafft« (PFK1, Interview 2, Z. 16-19).

3.1.3 Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte zur kindlichen Entwicklung mittels

PERIK-Bögen

Die über die Interviewanalysen nachgezeichneten positiven Bewertungen der päd. Fachkräfte

in Bezug auf die Entwicklung der KIGS-Kinder spiegeln sich auch in der Auswertung der

erhobenen PERIK-Bögen im letzten KIGS-Durchlauf wider. PERIK, „Positive Entwicklung

und Resilienz im Kindergarten“, ist ein Instrument zur Beobachtung der sozial-emotionalen

Entwicklung von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Der Konzeption des Bogens liegt die

Annahme zugrunde, dass die sozial-emotionale Entwicklung der Kinder der Grundstein für ihr

Wohlbefinden und ihre Resilienz ist (vgl. Mayr/Ulrich 2007, Mischo, Weltzien und Fröhlich-

Gildhoff 2011, S. 216f). Das Instrument erfasst die Entwicklungsbereiche Kontaktfähigkeit,

Selbststeuerung/Rücksichtnahme, Selbstbehauptung, Stressregulierung, Aufgabenorientierung

und Explorationsfreude. Die päd. Fachkräfte werden im Bogen aufgefordert, für jedes Kind zu

jedem dieser Bereiche je sechs Fragen zu bearbeiten. Anhand ihrer Antworten kann für jedes

Kind ein Score für die einzelnen Entwicklungsbereiche ermittelt werden. Nachfolgend werden

die Analysen der PERIK-Bögen für den Einschulungsjahrgang 2016 näher betrachtet. Es

wurden für alle Kinder der KIGS-Gruppen Einschätzungen der päd. Fachkräfte zu zwei

Messzeitpunkten erhoben. Die Messzeitpunkte lagen jeweils ca. zwei Monate nach KIGS-Start

– die meisten Kinder sind 5 Jahre alt – und kurz vor dem Ausscheiden aus der Gruppe – die

Mehrzahl der Kinder ist 6 Jahre alt. Ein Mittelwertvergleich der einzelnen Kategorien des

PERIK zu den beiden Messzeitpunkten (Abb. 2) macht deutlich, dass sich die Kinder in der

Einschätzung der pädagogischen Fachkräfte insgesamt über die Zeit in allen Kategorien positiv

entwickelt haben. Insbesondere bezüglich der Selbstbehauptung, der Selbststeuerung und der

Aufgabenorientierung ist ein starker Anstieg festzustellen. Dies sind gerade die

Entwicklungsbereiche, die von den päd. Fachkräften als Schwerpunkte ihrer Arbeit und als

durch KIGS besonders geförderte Bereiche benannt werden.

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Abb. 2: Quantitative Auswertung der PERIK-Bögen im Einschulungsjahrgang 2016

In den folgenden Tabellen 2.1 bis 2.6 sind die Werte der KIGS-Kinder in den einzelnen

Kategorien des PERIK etwas differenzierter dargestellt. Bei der Analyse der Zahlen fällt auf,

dass die päd. Fachkräfte der KIGS-Gruppen die Mädchen fast in allen Bereichen deutlich besser

bewerten als die Jungen. Gerade zum Messzeitpunkt 2 sind die Werte der KIGS-Mädchen in

den Kategorien Kontaktfähigkeit (Tab. 2.1), Selbststeuerung (Tab 2.2), Selbstbehauptung (Tab.

2.3), Aufgabenorientiertheit (Tab 2.5) und Explorationsfreude (Tab. 2.6) auch deutlich höher

als die der Normstichprobe. Lediglich die Werte für den Entwicklungsbereich Stressregulierung

fallen etwas heraus, hier liegen die Werte der KIGS-Jungen deutlich unter denen der

Normstichprobe, wohingegen die KIGS-Mädchen zum Messzeitpunkt 2 ähnliche Werte wie

ihre Normstichprobe erhalten. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn die Werte des

Messzeitpunkts1 mitberücksichtigt werden, da die KIGS-Mädchen hier deutlich niedrigere

Werte erreichten als zugehörige Normstichprobe. Die Mädchen scheinen laut den

Einschätzungen der PFK von dem KIGS-Projekt in besonderem Maße profitiert zu haben. Doch

auch für die KIGS-Jungen wurden im Schnitt in allen Bereichen höhere Werte im

Messzeitpunkt 2 angegeben.

18,83

21,41

18,7920,48 20,22 20,65

22,16

25,05 24,1622,74 23,53 23,28

0

5

10

15

20

25

30

Mittelwerte MZP 1 und MZP 2

MZP 1 MZP 2

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20

Tab 2.1 Ergebnisse PERIK-Kategorie Kontaktfähigkeit

Die Tabellen enthalten die

Werte der Kinder getrennt

nach Geschlecht und lassen

zudem erkennen, wie die

Werte verteilt sind. Tabelle

2.1 ist beispielsweise zu ent-

nehmen, dass die oberen 25%

der Jungen zum Messzeitpunkt 1 in der Kategorie Kontaktfähigkeit 24 und mehr Punkte, die

mittleren 50% 15-23 Punkte und die unteren 25% bis 14 Punkte erreichten. Die Zahlen in den

Klammern geben die entsprechenden Werte der Normstichprobe des PERIK an (Für MZP1 sind

dies die Werte für 5-Jährige Mädchen und Jungen, für MSZ2 für 6-Jährige Mädchen und

Jungen). Beispielitems dieser Kategorie sind u.a. „Kind findet leicht/schnell (positiven)

Kontakt zu anderen Kindern“ oder „seine/ihre Meinung zählt bei den Kindern“.

Tab 2.2 Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbststeuerung/Rücksichtnahme

Beispielitems dieser Katego-

rie sind u.a. „kann anderen

Kindern was gönnen, sich

mit ihnen freuen, z.B. wenn

ein Kind ein Geschenk be-

kommt“ oder „respektiert

Verbote, z.B. in Bezug auf

bestimmte Räume, Gegenstände“.

Tab 2.3 Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbstbehauptung

Beispielitems für diese Kate-

gorie sind „Kind erzählt von

sich aus der päd. Bezugsper-

son, z.B. vom Wochenende“

oder „bleibt standhaft, lässt

Kontaktfähigkeit MZP 1 Kontaktfähigkeit MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 15-23 (17-24) Die unteren 25: bis 14 (16)

Die oberen 25%: 26 (27) und mehr Die mittleren 50%: 17-25 (21-26) Die unteren 25%: bis 16 (18)

Mädchen Die oberen 25%: 24 (27) und mehr Die mittleren 50%: 14-23 (20-26) Die unteren 25%: bis 13 (19)

Die oberen 25%: 30 (27) Die mittleren 50%: 20-29 (20-26) Die unteren 25%: bis 19 (19)

Selbststeuerung MZP 1 Selbststeuerung MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 23 (24) und mehr Die mittleren 50%: 18-22 (17-23) Die unteren 25: bis 17 (16)

Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-26 (19-25) Die unteren 25%: bis 21 (18)

Mädchen Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 18-26 (20-25) Die unteren 25%: bis 17 (19)

Die oberen 25%: 29 (28) und mehr Die mittleren 50%: 25-28 (22-27) Die unteren 25%: bis 24 (21)

Selbstbehauptung MZP 1 Selbstbehauptung MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (19-24) Die unteren 25: bis 16 (18)

Die oberen 25%: 28 (27) und mehr Die mittleren 50%: 19-27 (20-26) Die unteren 25%: bis 18 (19)

Mädchen Die oberen 25%: 22 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-21 (19-24) Die unteren 25%: bis 16 (18)

Die oberen 25%: 28 (27) und mehr Die mittleren 50%: 23-27 (20-26) Die unteren 25%: bis 22 (19)

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sich von anderen Kindern nicht unter Druck setzen, z.B. vertritt eine Meinung, die Andere nicht

teilen“.

Tab 2.4 Ergebnisse PERIK-Kategorie Stressregulierung

Beispielitems der Kategorie

Stressregulierung sind „das

Kind bleibt in schwierigen

Situationen ansprechbar, zu-

gänglich, z. B. wenn es trau-

rig, wütend oder enttäuscht

ist“ oder „wirkt ausge-

glichen“.

Tab 2.5 Ergebnisse PERIK-Kategorie Aufgabenorientierung

Beispielitems dieser Katego-

rie sind „Kind beginnt

schnell mit einem Ange-

bot/einer Aufgabe“ oder

„bearbeitet Aufgaben

selbständig“.

Tab 2.6 Ergebnisse PERIK-Kategorie Explorationsfreude

Beispielitems der Kategorie

sind „das Kind hat Spaß,

Neues kennen zu lernen“

oder „traut sich auch Dinge

zu, die schwieriger erschei-

nen/nicht sicher gelingen“.

Stressregulierung MZP 1 Stressregulierung MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 22 (24) und mehr Die mittleren 50%: 20-21 (18-23) Die unteren 25%: bis 19 (17)

Die oberen 25%: 21 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-20 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)

Mädchen Die oberen 25%: 24 (26) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (20-25) Die unteren 25%: bis 16 (19)

Die oberen 25%: 27 (27) und mehr Die mittleren 50%: 23-26 (24-26) Die unteren 25%: bis 22 (23)

Aufgabenorient. MZP 1 Aufgabenorient. MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 22 (24) und mehr Die mittleren 50%: 14-21 (18-23) Die unteren 25%: bis 13 (17)

Die oberen 25%: 23 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-22 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)

Mädchen Die oberen 25%: 27 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-26 (20-25) Die unteren 25%: bis 21 (19)

Die oberen 25%: 30 (27) Die mittleren 50%: 23-29 (24-26) Die unteren 25%: bis 22 (23)

Explorationsfreude MZP 1 Explorationsfreude MZP 2

Jungen Die oberen 25%: 23 (24) und mehr Die mittleren 50%: 17-22 (16-23) Die unteren 25%: bis 16 (15)

Die oberen 25%: 25 (26) und mehr Die mittleren 50%: 19-24 (20-25) Die unteren 25%: bis 18 (19)

Mädchen Die oberen 25%: 24 (25) und mehr Die mittleren 50%: 17-23 (19-24) Die unteren 25%: bis 16 (18)

Die oberen 25%: 28 (26) und mehr Die mittleren 50%: 22-27 (21-25) Die unteren 25%: bis 21 (20)

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3.1.4 Zusammenfassung

Als übergreifendes Ergebnis der Interviews mit den PFK lässt sich festhalten, dass das KIGS-

Projekt übereinstimmend als förderlich für die individuelle Entwicklung der Kinder beurteilt

wird. Aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte trägt es positiv zum Übergang der Kinder bei. In

diesem Zusammenhang benennen die pädagogischen Fachkräfte besondere Möglichkeiten

durch die Konzentration ihrer Arbeit auf die zukünftigen Schulkinder. Gerade für Kinder mit

vielen Unterstützungsbedarfen wird die Arbeit innerhalb der KIGS-Gruppen positiv

hervorgehoben. Es wird dabei eine zeitlich entzerrte und kindgerechte Heranführung an den

schulischen Raum befürwortet. Im Fokus der pädagogischen Fachkräfte steht dabei ganz

deutlich die sozial-emotionale Entwicklung der KIGS-Kinder.

Auch wenn besonders im ersten Jahr eine teilweise sehr hohe Belastung für die Pädagogischen

Fachkräfte selber benannt wird, wird die Projektphase auf diverse Weise als besonders positiv

und intensiv in Bezug auf die eigene Arbeit und die Beziehung zu den Kindern rekonstruiert.

Gleichzeitig entstehen in KIGS auch intensivere Formen der Elterneinbindung. Zum Ende der

Projektlaufzeit fühlen sich die pädagogischen Fachkräfte als Teil des schulischen Raums, ohne

von der Schule vereinnahmt zu sein. Die Beziehung zur Grundschule, insbesondere zu den

Lehrkräften der ersten Klassen wird mittlerweile als Bereicherung betrachtet, da der Austausch

nicht nur für die Übergabe in der Schule die Anschlussfähigkeit sichert, sondern die

pädagogischen Fachkräfte auch systematischer Rückmeldung über die Kinder erhalten, und die

Kinder halten unkompliziert Kontakt, wenn sie in der Schule sind. Dies rundet ihre eigene

Arbeit in ihrer eigenen Wahrnehmung sehr viel besser ab. In der Handreichung wird gesondert

dargestellt, welche vielfältigen Formen der Kooperation entwickelt wurden, die sich auch

teilweise von Standort zu Standort unterscheiden.

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3.2 Die Perspektive der Professionellen der Grundschulen

Die Erhebung der Perspektiven der Akteure der Grundschulen erfolgte mittels qualitativer

Interviews. Im Juni 2014 wurden vor den Sommerferienferien leitfadengestützte Interviews mit

der Schulleiterin und dem Schulsozialarbeiter an einem der beiden Standorte erhoben.

Entsprechendes Interview mit der Schulleitung wurde am zweiten Standort im Januar 2015

erhoben, da die bei KIGS-Start amtierende Schulleiterin recht überraschend an eine andere

Schule wechselte und die Grundschule anschließend zunächst kommissarisch von einer Person

geleitet wurde, die vorher keinerlei Berührungspunkte und Erfahrungen mit dem Projekt hatte.

Das Leitungsinterview wurde erst erhoben, als die neue Schulleitung im Amt war.

Nach dem Übergang der KIGS-Kinder des ersten und zweiten Durchlaufs in die Grundschulen

wurde pro Standort ein Gruppeninterview mit den Lehrkräften der ersten Klassen erhoben. Die

Interviews sind dabei so strukturiert, dass zunächst generelle Aussagen zum Erleben des KIGS-

Projekts im Mittelpunkt stehen. Anschließend werden Einschätzungen zu den KIGS-Kindern

erfragt. Es folgt die Fokussierung auf die Thematiken Elternarbeit und Kooperation mit der

KIGS-Gruppe. Schließlich beinhalteten die Interviews Bewertungen des Projekts und Ziele für

die weitere Zusammenarbeit.

3.2.1 Ziele und Bewertungen der Schulleitungen

In dem Interview mit der Schulleiterin aus Standort1 im Juni 2014 wird ein großer Vorteil des

KIGS-Projekts darin gesehen, dass sich die Kinder an die Institution Schule herantasten

könnten. Sie werden als sehr viel selbstsicherer und selbstbewusster wahrgenommen als sie es

normalerweise von zukünftigen Schulkindern gewohnt ist: „Ja, die Kinder sind offen. Die

kommen auch mal hier 'rüber, die kennen die Kollegen, wenigstens vom Sehen. Die kennen die

Räumlichkeiten und bewegen sich da schon ganz anders, als Kinder, die vielleicht einmal an

einem Schulvormittag hier hospitiert haben. Also da sind die KIGS-Kinder bestimmt im

Vorteil“ (Schulleitung1, Z. 52).

In diesem Zusammenhang wird das kindliche Wohlbefinden als wichtiger Faktor für einen

gelingenden Schulstart und als Zielsetzung hervorgehoben. Das KIGS-Projekt wird in dieser

Hinsicht als sehr positiv bewertet, da, so die Einschätzung, sich die Kinder im Umfeld der

Grundschule schon heimisch und wohl fühlen würden. Die Schulleiterin verortet die Chancen

des Projekts bei den erweiterten Möglichkeiten durch die räumliche Nähe. Sie sieht darin die

Möglichkeiten, Vorläuferfähigkeiten zu fördern bei gleichzeitiger Erweiterung der

Zusammenarbeit und der Gesprächsanlässe. Parallel dazu werde über das Vertrautwerden der

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KIGS-Kinder mit dem gesamten Schulgelände einschließlich aller Räumlichkeiten der

Grundschule deren Wohlbefinden gesteigert.

Ich kann nur gut lernen, wenn ich mich in einer Umgebung auch wohlfühle. Und zum Wohlfühlen gehört, dass ich die Umgebung kenne, und dass ich mich da einrichten kann, und da kann in dem Bereich KIGS eine Menge schaffen (Schulleitung1, Z. 50)

Die Beziehung zu den KIGS-Eltern sei zwar nicht intensiver als zu den Eltern der anderen

Kinder, jedoch werden geringere Kontakthemmnisse bei Ersteren wahrgenommen. Die Eltern

können während der Bring- und Holphasen angetroffen werden, worüber sich unkompliziert

spontane Gesprächsanlässe ergeben können: „Ja, der Kontakt ist anders. (…) Mal ein bisschen

Smalltalk zwischendurch, und dadurch ein natürlicherer Umgang vielleicht miteinander“

(Schulleitung1, Z. 26).

Die Schulleiterin des anderen Standorts benennt im Interview ähnliche Aspekte der KIGS-

Konzeption als besonders förderlich für die Übergangsgestaltung: „Und das ist was, was ich

jetzt hier ganz, ganz positiv erlebe in dieser KIGS-Gruppe, dass [die KIGS-Leiterin] wirklich,

ja, eine Kindergartengruppe führt, auch bewusst eine Kindergartengruppe führt, aber durch

diese Anbindung an die Schule merkt man einfach, dass die Kinder so einen Rucksack voll

Sicherheit mitbringen, sich auskennen im Schulgebäude, keine Angst mehr vor Begegnungen

mit Lehrern, vor Begegnungen mit großen Kindern haben, was ja sonst für Viele so ein Bruch

ist, wenn die aus dem geschützten Rahmen Kindergarten in die Schule kommen und erstmal die

vielen Kinder auf sie zukommen, die viel älteren Kinder auf sie zukommen“ (Schulleiterin2, Z.

39-46).

Hierbei nimmt Schulleiterin2 positiv Bezug auf die Eigenständigkeit der KIGS-Gruppe als

elementarpädagogische Institution, sowohl in Hinblick auf die enthaltenen Professionen als

auch die pädagogische Praxis. Dabei benennt sie deutlich ein Ziel des KIGS-Projekts, das

bereits bei der Konzeption eine zentrale Rolle spielt. Im Transitionsprozess bekommen die

Kinder Sicherheit und entwickeln Vertrautheit mit der Institution Schule. Diese gründet sich

einerseits auf die alltäglichen Begegnungen und Erfahrungen der Kinder und verweist

gleichzeitig auch auf konkrete pädagogische Produkte, was durch die Metapher des Rucksacks

deutlich wird.

Wesentliche Gelingensbedingungen einer förderlichen Übergangsgestaltung durch KIGS aus

der Schulleitungsperspektive beziehen sich auf Inhalte der kooperativen Vernetzung der

beteiligten Professionen und auf die abgestimmte Einbindung der gesamten Kollegien. Der

erste genannte Punkt lässt sich an folgender Aussage von Schulleiterin1 verdeutlichen:

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

25

„Für mich ist die Kita das Grundlegende, also da werden die grundlegenden Voraussetzungen

geschaffen, damit Kinder schulisch dann entsprechend lernen können. Und, ja, das Bewusstsein

zu stärken, dass diese grundlegenden Fähigkeiten wichtig sind für schulisches Lernen, ja, das

wäre die Verzahnung eigentlich für mich“ (Schulleiterin1, Z. 38).

Zunächst lässt sich der Passage eine Unterscheidung von Bildungsprozessen in

Kindertageseinrichtungen und Schulen entnehmen. Erstere werden hier als basal und

vorbereitend präsentiert. Das schulische Lernen wird geleichzeitig als different erachtet, baut

jedoch auf den Bildungsprozessen der Kita auf. Die Verständigung über solche aufeinander

aufbauende Lernphasen wird hier als präferierter Kooperationsgegenstand aufgezeigt. Die

Schulleiterin betont im Anschluss, dass sie keine Ausweitung von „Fördermaßnahmen, die

teilweise stattfinden“ wünscht, sondern professionelle Kooperation in den Bereichen

„Koordination, Motorik, Grob- und Feinmotorik, Psychomotorik“ (ebenda, 36).

Über einen intensiven Austausch kann auch eine Verständigung über interprofessionelle

Differenzen und Präferenzen in der pädagogischen Arbeit stattfinden, wodurch in KIGS ein

Erkenntnisprozess bezüglich der professionellen Herangehensweisen stattfinden würde.

Also da tauschen wir uns ganz viel aus über, warum macht sie was wie, warum hat sie das so oder so entschieden, was jetzt über den Inhalt an sich hinausgeht einfach, (…) für mich ist es so, das ist natürlich noch mal ein ganz anderer Blick, als ich den habe als Lehrerin und das finde ich für mich persönlich auch sehr bereichernd, dass man da wirklich so einen engen Kontakt hat und auch noch mal wirklich diese andere Profession anders wahrnehmen kann (Schuleiterin2, Z. 149-154).

3.2.2 Die Perspektive der Lehrkräfte der aufnehmenden ersten Klassen

Bei Betrachtung der Interviews mit den Lehrkräften der ersten Klassen fällt zunächst auf, dass

diese zwar ein grundlegendes Wissen über die KIGS-Gruppen haben, sie sich jedoch erst

konkreter mit Potenzialen und Gestaltungsmöglichkeiten des Projekts auseinandersetzen, seit

sie die KIGS-Kinder in diesem Schuljahr als Klassenlehrkräfte betreuen. Aus den Interviews

lässt sich ableiten, dass die meisten Lehrkräfte der Grundschulen im ersten Projektjahr lediglich

während einiger Projekte oder durch Begegnungen auf dem Pausenhof Berührungspunkte mit

den KIGS-Kindern hatten. Diese Einschätzung korrespondiert mit der Wahrnehmung der

pädagogischen Fachkräfte und mit Wünschen der Stammeinrichtungs- und Schulleitung, die

sich mehr Zeit für die Lehrkräfte wünschen, in der diese systematisch mit dem KIGS-Projekt

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

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arbeiten können. Das intensive Interesse an dem Projekt liege eher bei den direkt beteiligten

Personen, also den aufnehmenden Lehrkräften. Zudem sind in diesem Zusammenhang die

Schulleitung und standortspezifisch zusätzlich die Schulsozialarbeit als mit dem KIGS-Projekt

interagierende schulische Instanzen zu benennen. Die Gründe für diesen relativen späten Bezug

auf die KIGS-Gruppen sehen die Lehrkräfte in strukturellen Gegebenheiten. Bedingt durch den

Umstand, dass die Lehrkräfte der ersten Klassen erst relativ spät im Schuljahr feststünden, sei

es organisatorisch kaum realisierbar, dass zukünftige Klassenlehrkräfte die Kinder schon früh

kennenlernen und erleben. Lehrkräfte, die nicht direkt involviert sind, erfahren hauptsächlich

auf Konferenzen von Einzelheiten und detaillierten projektbezogenen Informationen, ansonsten

ergeben sich Berührungspunkte lediglich in ausgewählten Interaktionssituationen. Im Verlauf

der Projektlaufzeit entwickeln die Standorte jedoch verschiedene Instrumente, um das

erarbeitete Wissen und gesammelte Erfahrungen für die folgenden Lehrkraftgruppen zur

Verfügung zu stellen, etwa in Form eines KIGS-Ordners.

Von den Lehrkräften hervorgehobene Interaktionssituationen mit KIGS-Kindern bilden

gegenseitige Hospitationen. In diesem Zusammenhang werden Besuche der Lehrkräfte in den

KIGS-Gruppen genannt, bei denen diese beispielsweise Geschichten vorlesen, Lieder mit den

KIGS-Kindern singen oder persönliche Fragen der Kinder beantworten, wodurch ein

gegenseitiges Kennenlernen in ungezwungenen Situationen stattfinden kann. Diese

Interaktionssettings unterscheiden sich zwar in beiden Tandems, werden jedoch von allen

Akteuren positiv bewertet. Gleichzeitig bietet sich für die pädagogischen Fachkräfte und KIGS-

Kinder die Möglichkeit, in den ersten Klassen zu hospitieren und somit Grundschulklassen auch

im Unterricht zu erleben. Derartige Unterrichtsbesuche durch KIGS-Kinder und PFK

ermöglichen zudem, dass die ehemaligen KIGS-Kinder in der Schule erlebt werden. Dabei gibt

es eine klare Präferenz für Unterrichtseinheiten, die „nicht so fachlich orientierten, nicht

mathematisch oder sprachlichen Fächern – so etwas wie Kunst und-und Musik und Sport,

solche Sachen“ (Interview2, Lehrkräfte 1, Z. 190) zuzuordnen sind.

Die Lehrkräfte der ersten Klassen berichten von einem großen Interesse, noch intensiver in

Austausch mit den pädagogischen Fachkräften zu treten. Gleichzeitig nähern sie sich den

aktuellen KIGS-Kindern, indem sie in Freistunden in die KIGS-Gruppen gehen und sich dort

vorstellten. Die Lehrkräfte begrüßen die Möglichkeit, auch entwicklungsbezogene Gespräche

über die Kinder mit den KIGS-Leiterinnen führen zu können: „Was aber auch noch ganz

angenehm ist, finde ich, durch diesen Austausch, ist, dass man auch mal Sachen erfährt von

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

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Kindern, die schon hier sind, die jetzt letztes Jahr noch im KIGS waren, dass man da sich

drüber austauschen kann“ (Interview2_Lehrkräfte1, Z. 37).

Diese Form eines systematischen und elaborierten, vor allem eines kontinuierlichen und über

die Zeitmarke Schulanfang hinausgehenden, kommunikativen Austausches bildet eine

innovative Kooperationspraxis in der Transition vom Elementar- in den Primarbereich. Das

Besondere daran ist neben der Regelmäßigkeit, dass der Informationsfluss nicht einseitig ist,

sondern auch Rückmeldung in die KIGS-Gruppe aus der Schule erfolgen. Aus Sicht der

befragten Lehrkräfte ist es übereinstimmend positiv zu bewerten, dass sie in einem regen

Austausch mit den pädagogischen Fachkräften stehen. Der Kontakt mit den pädagogischen

Fachkräften der KIGS-Gruppen wird im Vergleich zur Vergangenheit intensiver erlebt. Gerade

die räumliche Situation biete dabei eine wichtige Voraussetzung, da sowohl spontane als auch

geplante Gesprächsanlässe sehr viel leichter geschaffen werden können. Gleichzeitig erfolgen

vereinzelte Hinweise auf mögliche Problematiken im Sinne einer zu undifferenzierten und zu

frühen Einbindung der Kinder in das Schulsystem. Gerade die für die Kinder gegebenen

Möglichkeiten, sich sukzessive an die Institution Schule zu gewöhnen, werden aber

überwiegend positiv hervorgehoben. In dieser Hinsicht gewinnen die bereits angesprochenen

Strategien der KIGS-Leiterinnen, den Übergang fließend und an den Bedürfnissen der Kinder

orientiert zu gestalten, an besonderer Bedeutung: „Ja, dass man den KIGS-Kindern, die jetzt in

der Kita sind, hier in der Gruppe, dass man denen wirklich die Zeit geben muss, überhaupt hier

zu sein. Es ist wirklich so, wenn man sie von Anfang an direkt in die Pausen mit 'rein ließe, das

wäre zu viel“ (Interview_Lehrkräfte1, Z.52).

Die räumliche Nähe der KIGS-Gruppen hat aus Sicht der Lehrkräfte große Vorteile gegenüber

weiter entfernten Kindertageseinrichtungen. Zum einen erfolgen positive Bewertungen der

Tatsache, dass KIGS-Kinder sich auf dem gleichen Gelände wie die Grundschülerinnen und

Grundschüler bewegen und somit frühe Erfahrungen mit den älteren Kindern sammeln können.

Zum anderen wird begrüßt, dass die KIGS-Kinder in Musik- oder Kunstprojekte integriert

werden, worüber sie schneller in schulische Kontexte integriert werden könnten. Die „alten“

KIGS-Kinder kennen sich nach Auffassung der Lehrkräfte schon besser in der Schule aus und

profitieren zu Beginn der Schulzeit auch davon. Diese Kinder werden als angstfreier und

selbstbewusster erlebt. Gleichzeitig können sie dadurch den Kindern bei der Eingewöhnung

helfen, die nicht sehr vertraut mit dem Raum Schule sind. Dadurch kann auch eine

Erleichterung für die Lehrkräfte gerade zu Beginn der Schulzeit eintreten: „Also (…) das

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

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erleichtert uns auch die Arbeit, dass viel einfach so geguckt wird durch Nachahmen, und das

find' ich schon sehr erleichternd. Gerade am Anfang sind die ja sehr wuselig, und das hilft

schon, wenn da eine gewisse Gruppe ist, die Abläufe kennt (…) einfach auch“ (Interview2,

Lehrkräfte2, Z. 51).

Insbesondere bei sehr ruhigen und zurückhaltenden Kindern erkennen Lehrkräfte Vorteile des

KIGS-Projekts. Ohne das Projekt wären demnach einige dieser Kinder nicht so schnell mit dem

Schulalltag zurechtgekommen und hätten größere Schwierigkeiten beim Übergang gehabt.

Über diese sozial-emotionalen Aspekte hinaus werden die ehemaligen KIGS-Kinder als ganz

„normal“ erlebt. Sie seien zwar offener für die Institution Schule, hätten weniger

Berührungsängste und eine bessere räumliche Orientierung.

LK1: Und die alten KIGS-Kinder, ich glaube, ich hab´ sechs oder sieben, die (…) kennen schon mehr von der Schule, kennen den Schulhof, das Gebäude, weil sie (LK2: Schwimmen waren) Turnen, (LK3: Genau, das kennen die alles schon) genau, den Musikraum waren die ja teilweise, im Schulgebäude auch, ja, ihre Stunden haben und sind ein bisschen, ja, hemmungsloser. (B: im positiven Sinne erst einmal) im positiven Sinne, ja, genau. Hemmungslos, haben nicht so viele Ängste vielleicht vor dem Gebäude, vor der ganzen Institution Schule (Interview_Lehrkräfte1, Z. 46-52).

Jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie generell konzentrierter oder besser im

Unterricht seien. Im Allgemeinen kämen die Kinder alle mit ähnlichen Kompetenzen in die

Schule. Es sei gut, dass die KIGS-Kinder die Schule und die Lehrkräfte schon kennenlernen

konnten. Die Beobachtungen der Lehrkräfte lassen nicht darauf schließen, dass ehemalige

KIGS-Kinder sich auch in der Klasse als eigene abgekapselte Gruppe begreifen, sondern sie

seien gut in das gesamte Klassengefüge integriert. Dies korrespondiert mit unseren Ergebnissen

der FEESS 1-2, wonach keine signifikanten Unterschiede in den Bereichen „Soziale

Integration“ und „Klassenklima“ zwischen KIGS-Kindern und den übrigen Erstklässler*innen

bestehen (Siehe Kapitel 3.3.3).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche Problematiken im Transitionsprozess

und insbesondere in der Schuleingangsphase durch die Zugehörigkeit zu einer KIGS-Gruppe

ausgeschlossen werden können. Dies bezeugen auch Lehrkraftangaben, die

Startschwierigkeiten von KIGS-Kindern beschreiben, bei denen schwierige Phasen im

häuslichen Umfeld vermutet werden. Jedoch lassen sich über die Interviews Sichtweisen

nachzeichnen, die auf eine gewisse Stärkung auch dieser Kinder durch KIGS verweisen.

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

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Gerade dieser Punkt kann als weiterer Entwicklungsschritt in der Kooperationsbeziehung

zwischen Grundschule und KIGS-Gruppen beschrieben werden, dessen Weiterverfolgung

potenziell wichtige Anhaltspunkte für die Analyse der Austauschpraxis der pädagogischen

Fachkräfte, Lehrkräfte und Eltern bietet.

Ich finde also das KIGS-Projekt sehr gut, denn wenn ich jetzt H. im KIGS-Projekt gehabt hätte, dann hätten wir jetzt nicht dieses Problem, dass er sich von seiner Mutter nicht hätte lösen können. Also das wäre dann viel einfacher gewesen. Er wäre schon viel selbstsicherer ins erste Schuljahr 'reingekommen. Diese ganze Problematik jetzt, wo ist Mama, Papa kommt nicht, Oma ist nicht da, das wäre alles im kleinen Rahmen schon abgebaut worden, und wäre viel leichter gewesen. Ich habe jetzt eine volle Klasse, muss mich um meine Kinder kümmern, muss auch gucken, dass H. zu seinem Recht kommt, dass er nicht ängstlich ist. In dieser kleinen KIGS-Gruppe ist das viel eher aufzufangen (Interview_Lehrkräfte2, Z. 71-79).

Die Beziehung zu den Eltern der Kinder aus den KIGS-Gruppen wird durch die Lehrkräfte

nicht als andersartig dargestellt, wobei die Lehrkräfte in der Phase der Erhebung ohnehin nur

auf wenige Erfahrungen zu den Eltern in ihren aktuellen Klassen zurückgreifen können. Da bei

den Interviewterminen die Elternsprechtage noch bevorstehen, können keine Vergleiche

gezogen werden.

Übereinstimmend nehmen alle professionellen schulischen Akteure positiv Bezug auf das

KIGS-Projekt. Die Lehrkräfte bewerten das Projekt als sehr gut und hilfreich, gerade für die

Kinder. Der Schulstart werde ihnen sehr erleichtert. Die auf die Zukunft gerichteten Wünsche

für das KIGS-Projekt beinhalten Treffen mit den pädagogischen Fachkräften in regelmäßigen

Abständen, bei denen sich über einzelne Kinder ausgetauscht werden soll und weitere

Planungen erfolgen sollen4.

Also [der Austausch ist] sehr positiv. Also wegen einem Schüler war ich dann auch noch mal drüben, dass wir in Ruhe sprechen konnten. Also es ist ja nur, also ich weiß nicht, dass man noch mehr Hintergrundwissen erfährt über die Kinder, also eigentlich sehr positiv. Nur bereichernd eigentlich, dass man weiß, was drüben auch los war. (Interview_Lehrkräfte1, Z. 571-574)

4 An einem der beiden Standorte finden seit dem zweiten KIGS-Jahr nunmehr monatlich Treffen statt, bei denen sich die KIGS-Leiterin und die Lehrkräfte der Klassen 1 austauschen und koordinieren.

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Neben diesem regelmäßigen Austausch wird auch der Wunsch nach zeitlichen Ressourcen für

gegenseitige Hospitationen formuliert. Allgemein wird der Bedarf an mehr Lehrkraftstunden

und höherem finanziellen Budget für das KIGS-Projekt und dafür, dass andere Kitas auch in

KIGS-ähnliche Projekte involviert werden können betont, um positive Wirkungen ausweiten

und auch Kooperationen mit weiteren Kindertageseinrichtungen ausbauen zu können.

3.2.3 Zusammenfassung

Die Perspektive der Grundschule wurde über Interviews mit Schulleitungen und Lehrkräften

zu verschiedenen Zeitpunkten kurz vor oder nach dem Übergang erhoben. Die KIGS-Kinder

werden, bis auf Ausnahmen, als sehr viel selbstsicherer und selbstbewusster wahrgenommen

als die anderen Schulstarter*innen. Das Projekt wird in dieser Hinsicht als sehr positiv bewertet,

da, so die Einschätzungen, die Kinder sich im Umfeld der Grundschule schon heimisch und

wohl fühlen. Auch bei vielen KIGS-Eltern werden geringere Kontakthemmnisse

wahrgenommen. Übereinstimmend nehmen alle Akteure der Schule positiv Bezug auf das

KIGS-Projekt. Die Lehrkräfte beschreiben es als sehr hilfreich, weil der Schulstart erleichtert

werde. Als Wünsche für das KIGS-Projekt werden Treffen mit den pädagogischen Fachkräften

in regelmäßigen Abständen benannt, bei denen sich über einzelne Kinder ausgetauscht werden

soll und weitere Planungen zur Zusammenarbeit erfolgen sollen, die dann zunehmend

aufeinander bezogene Bildungsprozesse fokussieren können. Neben diesem regelmäßigen

Austausch solle sich auch mehr Zeit für gegenseitige Hospitationen genommen werden können.

Allgemein wird der Bedarf an mehr Lehrkraftstunden für das KIGS-Projekt betont und es

werden darüber hinaus Wünsche dahingehend geäußert, dass andere Kitas auch in ähnliche

Projekte involviert werden sollen. Allerdings lässt sich erkennen, dass das KIGS-Projekt,

abgesehen von Begegnung bei gemeinsamen Projekten, vorwiegend erst nach dem Übergang

der Kinder und hauptsächlich bei den Lehrkräften der ersten Klassen ins Zentrum der

Aufmerksamkeit rückt. Dies hängt auch damit zusammen, dass erst relativ spät im Schuljahr

feststeht, wer die zukünftigen Lehrkräfte der ersten Klassen sein werden. Mit zunehmender

Projektdauer ergeben sich dann immer Berührungspunkte und entstehen Erfahrungen bei

weiteren Lehrkräften.

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3.3 Die Perspektive der KIGS-Kinder

3.3.1 Qualitative Interviewergebnisse

Im ersten KIGS-Durchgang wurden mit allen Kindern der beiden KIGS-Gruppen jeweils zwei

Interviews in zwei Projektphasen geführt. Die Interviews der ersten Phase fanden im Oktober

statt und fokussierten die Eingewöhnung und das Wohlbefinden der KIGS-Kinder in ihrer

neuen Umgebung. Die Interviews der zweiten Phase hingegen fanden im Juni kurz vor den

Sommerferien statt, sie zielten auf die Erhebung der kindlichen Vorstellungen von Schule und

der Selbstbilder der Kinder als „KIGS-Kinder“ Am Ende der Interviews wurde zudem die

Selbsteinschätzung der Kinder über eine Performativbefragung zu ihren Selbst- und

Sozialkompetenzen erhoben (Hüpfbefragung).

Die Hauptergebnisse der Interviews mit den KIGS-Kindern aus Interview-Phase 1 lassen sich

wie folgt benennen: Der weit überwiegende Teil der Kinder äußert, sich im Wesentlichen in

der KIGS-Gruppe wohl zu fühlen. Als Inhalte von KIGS wird häufig das Spielen oder Malen

genannt. Viele Kinder verbinden mit dem KIGS-Projekt bzw. mit der Zugehörigkeit zur KIGS-

Gruppe die Bedeutung, Teil einer besonderen Gruppe zu sein, wie etwa zu den „Großen“ zu

gehören. Einzelne Kinder berichten von Freunden oder Spielgegenständen, die sie beim Start

des Projekts vermisst hätten. Häufig werden neue Spielmaterialien als Unterschied zur

Kindergartengruppe benannt. Die Kindererzählungen in dieser Phase enthalten selten Kontakte

und Begegnungen mit Lehrkräften der Grundschule, einige KIGS-Kinder kennen diese noch

gar nicht. Sind den Kindern Lehrkräfte bekannt, haben bestehende Kontakte noch wenig mit

eigenen Erfahrungen in KIGS zu tun, sondern gehen auf Erzählungen von Geschwisterkindern,

Freunden oder Nachbarn zurück. Die Vorstellungen von Schule basieren dementsprechend

meist auf Erfahrungen und Berichten anderer Kinder. Die meisten interviewten KIGS-Kinder

freuen sich jedoch auf die Schule, sie bejahen entweder darauf bezogene Fragen oder

thematisieren ihre Vorfreude selbst. Die Freude bezieht sich auf ein Wiedersehen mit Freunden

und Geschwistern, die schon auf der Schule sind oder bestimmte mit dem Schulanfang in

Verbindung gebrachte Rituale oder Gegenstände, wie die Schultüte.

Die Kinder-Interviews der Phase II im Juni werden mittels der Besprechung einer Zeichnung

der Kinder, in der sie ihre Vorstellungen zu ihrer zukünftigen Schulklasse festhalten sollten,

eingeleitet. In den Interviews werden dann die Vorstellungen von Schule, die bislang erfolgten

Kooperations-Projekte sowie die Lernerfahrungen in der KIGS-Gruppe thematisiert.

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Die KIGS-Kinder geben nun relativ differenziert Auskunft über die bevorstehende

Grundschulzeit, so können sie neben ihren auf die Zukunft gerichteten Vorstellungen auch auf

selbst gemachte Erfahrungen mit Schule zurückgreifen. Aussagen über unterrichtsbezogene

Thematiken werden dabei oft über die Begriffe Rechnen und Schreiben beschrieben, aber selten

vertieft. Die Kinder bewerten die Präsenz der Lehrkräfte in der KIGS-Gruppe und während

gemeinsamer Projekte positiv und kennen mittlerweile die Namen vieler Lehrkräfte. Die

meisten Kinder freuen sich nach wie vor auf die Grundschule. Sie blicken dem Schulanfang

fast durchweg positiv entgegen. Im Rahmen einer im Projektzusammenhang entstandenen

Masterarbeit mit ähnlichem methodischem Vorgehen konnten Erhebungen in einer externen

Kindertageseinrichtung durchgeführt werden. Beim Vergleich der Kinder kann eine Tendenz

festgestellt werden, dass die interviewten KIGS-Kinder deutlich differenziertere Vorstellungen

von der Schule haben, als Kinder, die nicht in einer KIGS-Gruppe waren5.

Für den ersten Projektjahrgang wurde die sehr aufwändige Kinderinterview-Erhebung mit dem

Hauptziel durchgeführt, potenzielle Beeinträchtigungen des kindlichen Wohlbefindens durch

die Teilnahme am KIGS-Projekt zu erkennen und zeitnah an die Beteiligten zurückzumelden.

Bis auf die bereits benannten vereinzelten Sehnsüchte einzelner Kinder, ließen sich in den

Interviewanalysen keine Schwierigkeiten beim Übergang in die KIGS-Gruppe oder auf das

Wohlbefinden der Kinder erkennen. Gleichzeitig verwiesen weder die einzelnen Befragungen

bzw. Interviews von Eltern und PFK noch die teilnehmenden Beobachtungen der Kinder auf

projektbedingte Negativwirkungen. Aufgrund dieser Einschätzungen wurde für die folgenden

Jahrgänge entschieden, die Kinder der Folgejahrgänge nicht mehr in dieser Weise zu

interviewen. Beibehalten wurde jedoch die Performativbefragung zu den Selbst- und

Sozialkompetenzen, bei der diese ihre Antworten hüpfen sollten.

In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse dieser Kinderbefragung in der KIGS-

Gruppe sowie die Ergebnisse der Erhebung der Schulerfahrungen der KIGS-Kinder der ersten

beiden Jahrgänge nach den Übergängen dargestellt.

5 Zweifelsohne kann hier nicht von empirisch erhärteten Ergebnissen ausgegangen werden, sondern soll lediglich der Hinweis auf sich andeutende Unterschiede angemerkt werden.

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3.3.2 Selbsteinschätzungen der KIGS-Kinder im Vergleich zur Fremdeinschätzung durch

ihre Eltern vor dem Übergang in die Grundschule

Die Erhebung der Selbsteinschätzung der KIGS-Kinder erfolgte über die Befragung, bei der die

Kinder performativ durch ein Hüpfen auf einen grünen oder roten Kreis ihre Zustimmung bzw.

Ablehnung ausdrücken konnten. Die Erhebungen erfolgten zu zwei Messzeitpunkten. Der erste

war im ersten Halbjahr des KIGS-Jahres verortet, der zweite in den letzten Wochenvor den

Sommerferien. Lediglich für den Einschulungsjahrgang 2015 konnte die Befragung der Kinder

nur zu einem Messzeitpunkt am Ende des KIGS-Jahres erhoben werden.

Bei den KIGS-Kinderbefragungen wurden jeweils zwei Items für die Kategorien

Gruppenklima, Soziale Integration, Selbstkonzept, Autonomie und Partizipation, somit 10

Items pro Kind, erhoben. Die Items für das Gruppenklima lauten „In der Gruppe halten wir

zusammen“ und „Wir verstehen uns untereinander gut“. Die Items für die soziale Integration

lauten „Die anderen Kinder aus der Gruppe sind nett zu mir“ und „Ich komme mit den anderen

Kindern in meiner Gruppe gut aus“. Das Selbstkonzept wird über die Items „Ich mache in der

Kita das Meiste richtig“ und „Ich kann ganz gut lernen“ erfasst. Das Autonomieempfinden der

KIGS-Kinder wird mithilfe der Items „Was ich will, schaffe ich auch“ und „Was ich mir selbst

aussuche, schaffe ich auch“ erhoben. Die Items für Partizipation schließlich lauten „Was ich

sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ und „Bei vielen Dingen im Kindergarten kann ich

mitbestimmen“.

Zu selben Items wurden die Einschätzungen der KIGS-Eltern in einem Fragebogen im Verlauf

des KIGS-Jahres erhoben. Während die Kinder Zustimmung und Ablehnung der Items über die

Antwortmöglichkeiten „Stimmt“ oder „Stimmt nicht“, jeweils über das Hüpfen auf den grünen

bzw. roten Punkt, ausdrückten, wurde die Elterneinschätzung über eine Likert-Skala mit den

Antwortmöglichkeiten „trifft sehr zu“, „trifft eher zu“, trifft weniger zu“ und „trifft nicht zu“

erhoben.

Die Abbildungen 3.1 bis 3.10 stellen die Ergebnisse der Einschätzungen der KIGS-Kinder und

ihrer Eltern im Vergleich dar und beinhalten die jeweilige prozentuale Zustimmung bzw.

Ablehnung. Damit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden konnte, wurden die

Antwortmöglichkeiten „trifft sehr zu“ und „trifft eher zu“ der Eltern als Zustimmung

zusammengefasst und in den Abbildungen mit „Ja“ dargestellt. In diesem Sinne sind die

Antwortmöglichkeiten „trifft weniger zu“ und „trifft nicht zu“ als Ablehnung zusammengefasst

und in den Abbildungen als „Nein“ dargestellt. Außerdem wurden alle Befragungen einer

Akteursgruppe in einem Jahrgang zusammengefasst und nicht nach Erhebungsphasen

unterschieden. Im Einschulungsjahr 2014 wurden die Kinder zu zwei Erhebungszeitpunkten im

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

34

Oktober und im Juni befragt (Insgesamt N=56) und die Eltern nach etwa vier Monaten im

KIGS-Projekt (N=28). Im Einschulungsjahr 2015 wurde aufgrund der bereits angesprochenen

Schwierigkeiten mit den Einverständniserklärungen die Kinderbefragung nur zu einem

Zeitpunkt und erst im Juni durchgeführt (N=28), die Elternbefragung wurde etwa zum Halbjahr

des KIGS-Jahres abgeschlossen (N=28). Im Einschulungsjahr 2016 konnte die Erhebung der

Kinderbefragung wie geplant an zwei Erhebungszeitpunkten im Dezember 2015 und im Juni

2016 durchgeführt werden (Insgesamt N=62), außerdem wurden im letzten begleiteten KIGS-

Durchlauf auch die Eltern der KIGS-Kinder in diesen Erhebungsphasen und somit zweimal

befragt (Insgesamt N=38).

Grundsätzlich können die Angaben zu den Kategorien Gruppenklima, Autonomieempfinden,

Selbstkonzept und Soziale Integration als mehrheitlich positiv interpretiert werden und es

finden sich keine wesentlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder nachhaltig problematische

Erfahrungen durch den Übergang in die KIGS-Gruppen gemacht haben. Auffällig ist u.a. das

zweite auf die Partizipation bezogene Item „Bei vielen Dingen im Kindergarten kann ich

mitbestimmen“. Die Kinder verneinen dies insbesondere in der zweiten Erhebungsphase

mehrheitlich. Lediglich bei den Items, die sich auf partizipatorische Aspekte innerhalb des Kita-

Alltages beziehen, fällt die Ablehnung etwas stärker aus. So sind in allen Jahrgängen jeweils

mehr als 10%, teilweise sogar mehr als 20% der Kinder und befragten Elternteile der

Auffassung, dass die Kinder in der Kita bei vielen Dingen nicht mitbestimmen können.

Auch wenn für den Zusammenhang von Elementarbildungseinrichtungen nicht unbedingt

überraschend ist, dass Kinder nur in einem begrenzten Maße mitbestimmen, bleibt festzuhalten,

dass hier möglicherweise ein Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit

besteht. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Kinder sich insbesondere zum Ende des KIGS-

Jahres in den meisten Fällen aber auch von den pädagogischen Fachkräften ernst genommen

fühlen. Dies wird bei Betrachten des Antwortverhaltens zum ersten Partizipations-Item „Was

ich sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ erkennbar. Ein ähnliches Antwortverhalten bezüglich

der Teilhabe an Entscheidungsprozessen zeigt sich auch bei Kindern, die im Rahmen der

World-Vision-Studie befragt wurden (World Vision 2013, S. 298f.). Auch hier äußern

Schulkinder, dass ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten eher gering sind.

Eine weitere Veränderung zwischen Start und Ende des KIGS-Jahres lässt sich beim zweiten

Item zum Selbstkonzept, „Ich kann ganz gut lernen“, beobachten. Hier nimmt der Anteil der

Kinder, die diese Aussage verneinen, sehr deutlich ab. In gleicher Weise wird das zweite Item

zum Selbstkonzept, „Ich mache in der Kita das Meiste richtig“, von dem überwiegenden Teil

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35

der KIGS-Kinder positiv beantwortet. In den drei Jahrgängen zeichnet sich bei der

Beantwortung aller Items ein ähnliches Bild, die positive Einschätzung der Selbst- und

Sozialkompetenzen überwiegt bei allen Items in den drei Jahrgängen deutlich. Tendenziell

sehen die befragten Elternteile allerdings die Kinder in diesen Bereichen noch etwas positiver

als die Kinder sich selbst. Sie schätzen ihre Kinder also insgesamt stärker als gut integriert,

autonom und kompetent ein, als die Kinder sich selbst. Insgesamt fällt die Selbst- und

Fremdeinschätzung der KIGS-Kinder in allen drei Jahrgängen somit sehr positiv aus.

Kategorie Gruppenklima (GK):

Abb. 3.1: Eltern-Kind-Vergleich Item In der Gruppe halten alle zusammen

Abb. 3.2: Eltern-Kind-Vergleich Item Die Kinder aus der Gruppe / Wir verstehen uns untereinander gut

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

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36

Kategorie Soziale Integration (SI):

Abb. 3.3: Eltern-Kind-Vergleich Item Die Kinder aus der Gruppe sind nett zu mir /zu meinem Kind

Abb. 3.4: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich (Mein Kind) komme (kommt) mit den anderen Kindern aus der Gruppe gut aus

Kategorie Selbstkonzept (SK)

Abb. 3.5: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich mache/Mein Kind macht in der Kita das Meiste richtig

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

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37

Abb. 3.6: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind/Ich kann ganz gut lernen

Kategorie Autonomie

Abb. 3.7: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind / Ich schafft/e das was es sich/ich mir selbst aussucht/e

Abb. 3.8: Eltern-Kind-Vergleich Item Ich schaffe (Mein Kind schafft) das was ich (es) will

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

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60%

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100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

40%

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100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

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Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

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Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

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80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

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38

Kategorie Partizipation

Abb. 3.9: Eltern-Kind-Vergleich Item Was ich sage/mein Kind sagt ist der Erzieherin wichtig

Abb. 3.10: Eltern-Kind-Vergleich Item Mein Kind/Ich kann bei vielen Dingen in der Kita mitbestimmen

Nachfolgend erfolgt ein Vergleich der kindlichen Selbsteinschätzungen zwischen zwei

Messzeitpunkten innerhalb eines Jahrgangs sowie zwischen dem ersten und dem letzten KIGS-

Jahrgang. Die Abbildungen 4 (MZP 1) und 5 (MZP2) zeigen, zu welchen Anteilen die KIGS-

Kinder des ersten Einschulungsjahrgangs den Items der jeweiligen Kategorien zugestimmt

haben. Es fällt auf, dass ein relativ hoher Anteil der KIGS-Kinder im ersten Jahrgang 2014 den

stets positiv formulierten Items der Kategorien nicht zustimmte. Dies zeigt sich insbesondere

bei der Kategorie Partizipation, hier verringerte sich der Anteil der Zustimmung zum zweiten

Messzeitpunkt 2 sogar von 63 % auf 57 %. Das Antwortverhalten der Kinder pro Einzelitem

ist hier nicht graphisch dargestellt. Es ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Zustimmung der

KIGS-Kinder zum Item „Was ich sage, ist meiner Erzieherin wichtig“ im Vergleich der beiden

Erhebungsphasen des Einschulungsjahrgangs 2014 von 66% im Oktober auf 83% im Juni

gestiegen ist. Gleichzeitig ist der Anteil der Zustimmung zum zweiten Item der Kategorie, „Bei

vielen Dingen im Kindergarten kann ich mitbestimmen“ von 59% auf 29% gesunken.

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2014

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2015

Kinder Eltern

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ja Nein

Jahrgang 2016

Kinder Eltern

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39

In den Abbildungen 6 und 7 lässt sich erkennen, dass die Selbsteinschätzungen der Kinder im

Einschulungsjahrgang 2016 im Vergleich zum Jahrgang 2014 deutlich gestiegen sind und auch

innerhalb des Jahrgangs zum Ende höhere Werte erreichen als im ersten Messzeitpunkt. So

bejahten in Phase1 85% der KIGS-Kinder ein positives Gruppenklima, dieser Wert erhöhte sich

auf 97% in Phase 2. Entsprechende Werte sind für Autonomie 89% und 95%, für das

Selbstkonzept 92% und 98 für die soziale Integration 90% und 100 % und für die Partizipation

82% und 84%. Bei letztgenanntem Wert für die empfundene Partizipation fällt ähnlich wie im

Jahrgang 2014 auf, dass hier deutlich weniger positive Antworten der Kinder zu verzeichnen

sind als in den anderen Kategorien, allerdings liegt der Wert auch deutlich höher als im ersten

Einschulungsjahrgang. Wie auch die Werte in den Abbildungen 3.9 und 3.10 zeigen, ist dieser

Wert hauptsächlich auf das zweite Item der erhobenen Kategorie Partizipation, „Ich kann bei

vielen Dingen in der Kita mitbestimmen“, zurückzuführen. Das andere Item dieser Kategorie,

„Was ich sage, ist der Erzieherin wichtig“, wurde mit insgesamt 94% der Antworten bejaht.

Abb. 4: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 1

Abb. 5: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 2

8973 78 75

63

0

25

50

75

100

GK A SK SI P

2014 Phase 1

Zustimmung Ablehnung

9173

88 85

57

0

25

50

75

100

GK A SK SI P

2014 Phase 2

Zustimmung Ablehnung

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40

Abb. 6: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 1

Abb. 7: Selbsteinschätzungen Messzeitpunkt 2

3.3.3 Quantitative Erhebung der Schulerfahrungen nach dem Übergang

Die Kinder wurden jeweils im 2. Halbjahr des ersten Schuljahrs zu ihrem schulischen

Wohlbefinden befragt. Als Instrument diente der FEESS 1-2 (Rauer & Schuck 2004), der über

2 Teilfragebögen –SIKS (Selbstkonzept und Sozialklima) und SALGA (Schul- und

Lernklima)– mit insgesamt sieben Skalen die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und

Schüler erfragt. Entsprechend des Testmanuals wurden die beiden Teilfragbögen separat für

jede Klasse an jeweils verschiedenen Tagen erhoben. Zwischen den Erhebungen der beiden

Teilfragebögen lag an beiden Schulen jeweils etwa eine Woche. Die Erhebungen wurden immer

durch zwei Personen aus dem Forschungsteam durchgeführt. Entsprechend den

Durchführungsanweisungen wurden die einzelnen Items der Teilfragebögen den Kindern

vorgelesen. Ihre Zustimmung bzw. Ablehnung drückten die Kinder dann durch ein Ankreuzen

der gewählten Alternative, „stimmt“ bzw. „stimmt nicht“, aus. Insgesamt wurden 113 FEESS

1-2 erhoben. In den ersten Klassen befanden sich jeweils sowohl KIGS-Kinder als auch Kinder,

die aus keiner KIGS-Gruppe kamen. Der Vergleich zeigt keine signifikanten Unterschiede

zwischen KIGS-Kindern (N=38) und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern ohne KIGS-

Teilnahme (N=75). Auch innerhalb der einzelnen durch den FEESS 1-2 abgefragten Merkmale

85 89 92 9082

0

25

50

75

100

GK A SK SI P

2016 Phase 1

Zustimmung Ablehnung

97 95 98 10084

0

25

50

75

100

GK A SK SI P

2016 Phase 2

Zustimmung Ablehnung

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41

Klassenklima, Selbstkonzept der Fähigkeit, soziale Integration, Schuleinstellung, Lernfreude

und Anstrengungsbereitschaft lassen sich keine signifikanten Unterschiede nachweisen

zwischen Kindern, die eine KIGS-Gruppe besucht haben und solchen, die einen

Regelkindergarten besucht haben. Auch wenn man die Jahrgänge einzeln betrachtet, ergeben

sich keine signifikanten Differenzen. Vergleicht man hingegen Jungen und Mädchen

miteinander, so wird deutlich, dass die Mädchen in allen Bereichen außer bei der sozialen

Integration und der Anstrengungsbereitschaft signifikant höhere Werte erreichen. Insbesondere

bezüglich der Schuleinstellung liegen die Werte der Mädchen bedeutend höher als die der

Jungen (s. Abb. 8). Das Instrument erfasst in erster Linie Dimensionen, die sich wohl eher durch

die Bedingungen in der Grundschule erklären lassen als durch die Zuordnung zu einer

elementarpädagogischen Maßnahme. Aufgrund der Anlage des Instruments darf der FEESS

frühestens nach einem halben Jahr in dem Schuljahr eingesetzt werden. Hiermit ist

möglicherweise zu erklären, dass die schulischen Bedingungen das Antwortverhalten so stark

beeinflussen, dass die Einflussgrößen der KITA-Zeit verschwinden, falls sie überhaupt jemals

so groß waren, dass sie das Antwortverhalten maßgeblich beeinflusst hätten. Auch wenn

hierdurch keine Vorteile der KIGS-Kinder im schulischen Bereich nachgewiesen werden

können, stellt das Ergebnis trotzdem aus der Perspektive der Eltern und Kinder, die nicht am

KIGS-Projekt teilnehmen konnten, eine Beruhigung dar, weil ihnen keine signifikanten

Nachteile in der Schulzeit entstehen.

Abb. 8: Mittelwerte der Schuleinstellung der Jungen (N=48) und der Mädchen (N=62)

8,56

11,2710,09

0

2

4

6

8

10

12

Schuleinstellung

Schuleinstellung

Jungen Mädchen Gesamt

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42

3.3.4 Zusammenfassung

Der Übergang von der Stammeinrichtung in die KIGS-Gruppe verläuft für die große Mehrheit

der KIGS-Kinder relativ reibungslos und ohne nachhaltige Schwierigkeiten. Vereinzelt hängen

Kinder noch an befreundeten Kindern aus den Stammeinrichtungen oder Bezugserzieherinnen.

Diese Sehnsüchte werden durch die päd. Fachkräfte in der KIGS-Gruppe aufgegriffen und

insbesondere das erste Halbjahr in der KIGS-Gruppe wird sich der Eingewöhnung und

Gruppenkohäsion gewidmet. Dies scheint den Kindern gut zu tun, wie die relativ hohen Werte

im PERIK-Bogen oder der kindlichen Selbsteinschätzung bestätigen. Im Verlauf des KIGS-

Jahres entwickeln die Kinder dann eine relativ differenzierte Sicht auf die Schule und kennen

sich schon zunehmend im schulischen Raum aus. Wie die Selbsteinschätzungen der Kinder

nahelegen, entwickeln sich die Kinder insbesondere im sozial-emotionalen Bereich zum

Positiven. Hier profitieren insbesondere Mädchen sehr stark vom KIGS-Projekt. Im Vergleich

mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern aus anderen Kindertageseinrichtungen zeigen sie

keine Unterschiede in vom FEESS 1-2 erfassten Kategorien, dies verweist auch darauf, dass sie

sich in gleicher Weise in das Klassengefüge einfinden.

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43

3.4 Die Perspektive der Eltern

3.4.1 Qualitative Ergebnisse der leitfadengestützten Elterninterviews

Wenige Wochen vor den Sommerferien konnten im ersten Jahr sieben und im zweiten Jahr 8

vertiefende Interviews mit KIGS-Eltern realisiert werden, die deren Perspektive entlang

folgender thematischen Foki erfassen:

Allgemeiner Rückblick auf das Projekt Einschätzung des pädagogischen Settings Übergang in die Grundschule, Kooperation der Institutionen, Elternarbeit Kindliche Entwicklung

Allen erhobenen Interviews lässt sich eine grundsätzliche Zufriedenheit mit dem KIGS-Projekt

entnehmen. Die interviewten Eltern würden ihr Kind erneut anmelden, wenn sie wieder vor der

Wahl stünden. Es erfolgt eine nahezu übereinstimmend positive Bewertung sowohl bezüglich

der Gruppengröße als auch der Altersstruktur der KIGS-Gruppen. Auch die

Entwicklungsverläufe der Kinder in den KIGS-Gruppen werden durch die Eltern positiv

dargestellt. Hierbei wird die Entwicklung in einigen Fällen in einen direkten kausalen

Zusammenhang mit dem KIGS-Projekt bzw. der Arbeit in den KIGS-Gruppen gesetzt.

Beispielsweise sieht eine Mutter, die selbst pädagogische Fachkraft in einer

Kindertageseinrichtung ist, in der eher homogenen Altersstruktur der Kinder der KIGS-Gruppe

eine Parallele zu einer Schulklasse. Zwar entfiele dadurch die Erfahrung, sich um jüngere

Kinder zu kümmern – diesen Punkt benennen auch einige andere Eltern, ohne dies sonderlich

zu problematisieren –, jedoch werde dafür die Gewöhnung an die schulische Situation

erleichtert: „Das ist schon, macht schon den Unterschied. (…) Das ist genau wie in der Schule.

In der Schule sind die Kinder alle gleich alt“ (Interview_Mutter_Berivan, Z. 198f.). Als positiv

werden explizit einige Projekte hervorgehoben, wie etwa Sportaktivitäten mit den Kindern der

OGS unter Anleitung der zuständigen OGS-Fachkräfte und Aktivitäten mit der

Schulsozialarbeit. Seitens der Eltern wird mit dem KIGS-Projekt eine zumeist positiv bewertete

und an der Altersstruktur der Kinder orientierte Form der Angebotsgestaltung verbunden. Dies

ermögliche eine bessere Organisation von Angeboten für zukünftige Schulkinder und eine

intensive Förderung der Kinder. Zudem sei dadurch, dass sich nicht mehr um U3-Kinder

gekümmert werden müsse, die „Arbeit der Kollegen auch hier einfacher und [die] können das

[die Arbeit mit zukünftigen Schulkindern; K.M] intensiver durchführen“ (ebenda, Z. 229-230).

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44

Also Robin hat das wirklich gutgetan. Also weil sie hier ja nur unter Gleichaltrigen sind, wird besser auf ihre Bedürfnisse eingegangen, wie jetzt, ich sag mal – also drüben war das schon anders. Da waren ja auch die Kleinen, und da hat man auch, natürlich auch Rücksicht auf die Kleinen genommen, (…) dann war das auch schon mal so, dass sie dann wirklich mit ihren Bedürfnissen ein bisschen zu kurz gekommen sind (Interview_Mutter_Robin, Z. 30-37).

In der KIGS-Gruppe sehen die Eltern größere Möglichkeiten auf Schwächen von Kindern

einzugehen und sie dahingehend zu fördern, sich in den Bereichen zu entwickeln. Ähnlich wie

die pädagogischen Fachkräfte selbst, sehen Eltern dies als Folge eines wahrgenommenen

stärkeren Fokus auf Kinder im Übergang, so auch folgende Mutter: „Also, ich glaube, dass die

Erzieherinnen aufmerksamer sind, also aufmerksamer auf die großen Kinder sein können, sich

auf die großen Kinder konzentrieren können“ (Interview_Mutter_Tom, Z. 37)

Als weiteres hervorzuhebendes positives Merkmal des KIGS-Projekts benennen die meisten

interviewten Eltern wiederholt die räumliche Zugehörigkeit zum Schulgebäude und

beschreiben damit zusammenhängende Aspekte über die Begrifflichkeit „Nähe zur Schule“.

Dies ist umso augenscheinlicher, desto größere Schwierigkeiten mit Übergängen bzw. weniger

vertrauten Situationen sie bei dem jeweiligen Kind vermuten. Somit deutet sich an, dass der

Begriff sich sowohl auf geographische als auch auf emotionale Nähe bezieht.

[I]ch denke, dass es für [unsere Tochter] einfach von Vorteil ist, dass sie einfach die Nähe schon zur Schule hat, und das einfach schon kennen lernt, weil [sie] schon eher, ich sag' mal, mit Veränderungen ein bisschen schwerer tut (Interview_Eltern_Andrea, Z. 28-31).

Über die besagte Nähe erfolge auch – en passant – ein frühes Erlernen von Regeln der Schule,

was als nützlich für die Kinder bewertet wird: „Also die wissen schon, wie sie sich hier

benehmen müssen“ (Interview_Eltern_Thorben-Maik, Z. 94). Als Beispiele für diese

alltäglichen Erfahrungen der Kinder werden Begegnungen mit der Schule zugehörigen

Personen herangezogen, neben den Lehrkräften ist beispielsweise das technische Personal zu

nennen. Durch die im Rahmen des KIGS-Projekts vollzogene Annäherung der Institutionen

sehen Eltern auch erweiterte Möglichkeiten eines professionellen Austausches gegeben, etwa

bei Problemen in der Schuleingangsphase. Die PFK und die Lehrkraft könnten „sich dann

einfach austauschen (...). Und das war ja, das ist ja sonst gar nicht möglich“ (ebenda, Z. 457).

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45

Das Mädchen macht wahnsinnige Schritte nach vorne. Also die ist wirklich […] vom Typus eher ängstlich zurückhaltend oder eher so ein unsicheres Kind […] [u]nd die hat hier riesengroße Schritte gemacht: stabiler, fröhlicher, selbstsicherer, also das ist schon ein Hammer, also wirklich ganz, ganz große Schritte (Interview_Mutter_Lina, Z. 473-480).

In einigen Fällen berichten Eltern davon, dass ihre Kinder in den KIGS-Gruppen Interessen im

künstlerischen Bereich entwickelt hätten, die sie vorher nicht hatten. Die betrifft sowohl den

Bereich Musik als auch das Malen und Zeichnen von Bildern. Dabei wird in einem Interview

ein sich entwickelndes Interesse für das Malen mit einer erweiterten individuellen Bezugnahme

in der KIGS-Gruppe erklärt. Das Beispiel Malen wählt das Elternteil deswegen, weil sich das

Kind in der Stammeinrichtung und zu Hause strikt geweigert habe, zu malen. Ebenso sehen

Eltern die Interessenentwicklung durch in der KIGS-Gruppe gegebene Anreize und alltägliche

Erfahrungen der Kinder in der Einrichtung gefördert – „Ja, singen zum Bespiel. Also dadurch,

dass [die pädagogische Fachkraft] jetzt Gitarre spielt, möchte er auch gerne Gitarre spielen,

also das war ja vorher auch nicht“ (Interview_Mutter_Robin, 665-668).

Ein von Eltern von KIGS-Kindern mit anfangs geringen Deutschkenntnissen häufig genannter

geförderter Entwicklungsbereich ist Sprache. Auffallend ist dabei, dass viele Eltern die positive

Entwicklung direkt auf die Förderung innerhalb der KIGS-Gruppe zurückführen und die

Entwicklungsschritte dabei in Vergleich zu ihren Eindrücken aus der Stammeinrichtungen

setzen. Dies zeigt sich auch an folgender Passage, in der die Mutter eines Kindes im Anschluss

an Berichte über sprachliche Probleme in der Zeit vor dem KIGS-Jahr nun die Entwicklung des

Kindes in der KIGS-Gruppe beschreibt: „Aber seitdem er hier ist, ist wirklich der, ganz anderes

Kind. Also der ist aufgeschlossen, der hat Deutsch gelernt, der spricht wunderbar Deutsch. Der

ist aufgeschlossen, der spielt mit allen Kindern, der ist fröhlich, der freut sich, wenn er

hierherkommt, und hat wirklich ganz, ganz große Fortschritte gemacht“

(Interview_Mutter_Marek, 11).

Die interviewten Eltern beziehen sich zwar mehrheitlich positiv auf die Kooperation zur

Grundschule, doch nur relativ wenige Eltern benennen konkrete Gegenstände, auf die sich ihre

Zufriedenheit bezieht, häufig machen sie es an der wahrgenommenen größeren Sicherheit im

schulischen Raum fest. Die Elternarbeit in der KIGS-Gruppe wird mehrheitlich als positiver

Aspekt des Projekts hervorgehoben. Die Elternaussagen korrespondieren teilweise mit den

Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte, wonach die Beziehung als intensiver und

zielgerichteter als vorher beschrieben wird. Allerdings wird die Beziehung der beiden

Stammeinrichtungen zu den Eltern mehrheitlich als ohnehin gut beschrieben.

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

46

3.4.2 Quantitative Ergebnisse des Fragebogens für Grundschuleltern

Nach dem Übergang auf die Grundschule wurde eine Fragebogenerhebung für alle Eltern der

ersten Grundschulklassen durchgeführt, damit werden also nicht nur die KIGS-Eltern, sondern

alle Eltern befragt. Hierzu wurde eine Einverständniserklärung verfasst, in der das Vorgehen

beschrieben und um die Teilnahme gebeten wurde. Der Rücklauf in den Einschulungsjahren

2014 und 2015 beträgt insgesamt 121 Elternfragebögen, davon stammen insgesamt 40 von

KIGS-Eltern.

Der Fragebogen beinhaltet im Wesentlichen einen Fragenteil mit 6 Items zur Eingewöhnung

der Kinder und einen weiteren Teil, in dem die elterlichen Einschätzungen zur

Übergangsbewältigung der Kinder und der Übergangsgestaltung mittels 10 Items erfragt

werden. Die Items des ersten Fragebogenteils erfragen u.a. die Einschätzungen zur „Beziehung

zu den Mitschülerinnen und Mitschülern“ des eigenen Kindes oder dessen Eingewöhnung

bezüglich des Aspekts „Regeln und Rituale“. Als Beispielitems des zweiten Fragebogenteils

lassen sich u.a. „Mein Kind fühlte sich selbstbewusst und stark zu Schulbeginn“, „Mein Kind

ist von Beginn an mit Freude in die Schule gegangen“ und „Mein Kind wurde im letzten Jahr

durch die Kita gut auf die Schule vorbereitet“ benennen.

Für die Beantwortung der 6 Items zur Eingewöhnung ist eine Likert-Skala mit den 4 Stufen

„leicht gefallen“ (1), „eher leicht gefallen“ (2), „eher schwer gefallen“ (3) und „schwer

gefallen“ (4) vorgesehen, für die Antwortmöglichkeiten bei den 10 Items zum zurückliegenden

Übergang die Antwortmöglichkeiten „trifft zu“ (1), „trifft eher zu“ (2), „trifft weniger zu“ (3)

und „trifft nicht zu“ (4). Der erste Teil des Fragebogens zielt auf die Erfassung der

Einschätzungen zur kindlichen Eingewöhnung in der Grundschule entlang verschiedener

Aspekte (Lehrkräfte, Peers, Räume und Rituale etc.). Die sechs Items weisen eine interne

Konsistenz von .767 nach Cronbachs Alpha auf. Der zweite Teil des Fragebogens zielt darauf

ab, Bewertungen zu möglichst vielen verschiedenen Aspekte der Übergangsgestaltung zu

erheben.

Übergreifend lässt sich bei vielen Eltern unabhängig von einer KIGS-Teilnahme eine Tendenz

beobachten, die positiven Antwortmöglichkeiten zu bevorzugen. Im ersten Teil des

Fragebogens lassen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den Elterngruppen

berechnen. Damit lässt sich sagen, dass nahezu alle Eltern die Eingewöhnung ihres Kindes

entlang der erfassten Dimensionen positiv bewerten.

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47

Bezüglich der Bewertung des Übergangs und der Übergangsgestalten werden jedoch bei zwei

Items Unterschiede zwischen den Gruppen deutlich: Sie beziehen sich auf die Zusammenarbeit

von Kindertagesstätte und Grundschule und auf die Freude des Kindes am Schulanfang (s. Abb.

9 und 10). KIGS-Eltern nehmen ihre Kinder signifikant mit größerer Freude am Schulanfang

wahr als die Eltern von Nicht-KIGS-Kindern. Außerdem bewerten KIGS-Eltern die

Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Grundschullehrkräften signifikant

besser.

Abb. 9: Freude des Kindes zu Schulbeginn- Die Mittlere Differenz zwischen KIGS (N=40) und Nicht-KIGS (N=81) liegt bei 0,393 und ist bei P = .005 sehr signifikant

82,5%

63,0%69,4%

10,0%

17,3%14,9%

9,9% 6,6%2,5% 6,1% 5,0%

5,0% 3,7% 4,1%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

KIGS-Teilnahme keine KIGS-Teilnahme Gesamt

Mein Kind ist von Beginn an mit Freude zur Schule gegangen

trifft zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu keine Angabe

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48

Abb. 10: Zusammenarbeit der Professionellen - Die mittlere Differenz zwischen KIGS und Nicht-KIGS liegt bei 0,622 und ist bei p = <.001 höchst signifikant

3.4.3 Zusammenfassung

Die Eltern der KIGS-Kinder haben überwiegend positive Erwartungen bezüglich des Projekts.

Die Zufriedenheit bezieht sich zum Start des Projektes besonders auf die Ausstattung und die

Konzeption als innovativ und neuwertig. Allerdings gibt es hier zu Beginn speziell in einer

Einrichtung geäußerte Unzufriedenheiten, was die Gestaltung des Außengeländes und den

Schallschutz betrifft. Den in der KIGS-Gruppe erhobenen Elterneinschätzungen lässt sich

insbesondere nach einigen Monaten im Projekt eine positive Bewertung sowohl der

Gruppengröße als auch der Altersstruktur der KIGS-Gruppen entnehmen. In den Interviews

werden zudem die Entwicklungsverläufe der Kinder durch die Eltern positiv rekonstruiert.

Dabei beziehen sich die Eltern auf die Arbeit der Fachkräfte und eine im KIGS-Projekt

gegebene Förderung von kindlichen Interessen. Aus der Retroperspektive –einige Wochen nach

Schulbeginn– gibt der weitaus größte Teil der befragten KIGS-Eltern analog zu den übrigen

Eltern an, ihr Kind habe den Übergang gut geschafft, sich gut eingewöhnen können und fühle

sich in der Schule wohl. Zudem deutet sich an, dass die Eltern von KIGS-Kindern die

Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften der Grundschule

positiver bewerten.

57,5%

30,9%39,7%

27,5%

32,1%

30,6%

7,5%

18,5%14,9%

9,9%6,6%

7,5% 8,6% 8,3%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

KIGS-Teilnahme keine KIGS-Teilnahme Gesamt

Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte haben bei der

Übergangsgestaltung gut zusammengearbeitet

trifft zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu keine Angabe

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49

4. Vertiefende Fallrekonstruktionen ausgewählter Kinder

Auf Grundlage der Interviews mit den KIGS-Leiterinnen und anschließenden Gesprächen, der

Kinderinterviews sowie der KIGS-Elternfragebögen wurden pro Standort vier Kinder

ausgewählt, bei denen eine empirische Fokussierung vorgenommen wurde, die in Fallanalysen

mündete. Die Fallanalysen sollten dabei exemplarisch die Entwicklung von Kindern innerhalb

des KIGS-Projekts nachzeichnen. Hierfür wurden sowohl die Eltern und die pädagogischen

Fachkräfte befragt als auch eigene Beobachtungen in verschiedenen pädagogischen Situationen

vorgenommen. Die Auswahl der Fälle wurde danach getroffen, hier eine möglichst große

Bandbreite abbilden zu können, wobei von vornherein aber der Fokus auf Kindern lag, bei

denen die Notwendigkeit einer Unterstützung im Transitionsprozess von den Erzieherinnen

angenommen wurde.

Diese empirische Fokussierung umfasst Interviews und Befragungen der Kinder und ihrer

Eltern, Thematisierung der kindlichen Entwicklung in den Interviews mit den Professionellen

der KIGS-Gruppen und Grundschulen sowie die Analyse von Bildungsdokumentationen,

FEESS 1-2 und PERIK-Bögen. Die ausgewählten Kinder wurden im Verlauf des KIGS-Jahres

zudem mehrmals teilnehmend beobachtet. Im Folgenden werden vier Kinder aus der KIGS-

Gruppe vorgestellt, deren Übergänge in die Grundschule fokussiert wurden und nunmehr in

Fallbeschreibungen dargestellt werden können. Dabei handelt es sich im ersten Fall um einen

eher als gelungen bewerteten Übergang in die Grundschule, bei dem ein Mädchen gerade in

sozial-emotionalen Bereich von dem KIGS-Projekt profitiert zu haben scheint. Der zweite Fall

eines Übergangs in die Grundschule beinhaltet die Transition eines Jungen, bei dem von den

Akteuren vielfältige Probleme angesprochen wurden. Der dritte Fall beschreibt die sprachliche

und soziale Entwicklung eines Jungen und im letzten Fall wird ein junge fokussiert, der sich

zunehmend in das Sozialgefüge in KIGS-Gruppe und Grundschule einfindet. Die Fälle wurden

so gewählt, dass eine möglichst große Varietät der Voraussetzungen und der Übergangspraxis

dargestellt werden kann. Die Differenzen betreffen u.a. das Geschlecht, den familiären

Hintergrund, die Beurteilungen der kognitiven Fähigkeiten der Kinder sowie den KIGS-

Standort.

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Meser/Miller: Wissenschaftliche Begleitung des KIGS-Projekts der Stadt Bielefeld - Abschlussbericht

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4.1 Lina: Entwicklung von einem ängstlichen zu einem selbstbewussten Kind

Lina ist ein Mädchen, welches zu Beginn des KIGS-Projektes von ihren Eltern und den PFK

als sehr ängstlich beschrieben wurde. Im kognitiven Bereich hingegen deuten weder die

Einschätzungen der Erwachsenen noch die Bildungsdokumentation auf Problematiken, für das

Kind sind keine Förder- bzw. Entwicklungsaufgaben festgehalten.

Die Eltern des Mädchens standen dem KIGS-Projekt schon von Beginn an sehr positiv

gegenüber. Sie beschreiben auch für ihre Tochter, dass diese sich über die Zugehörigkeit zur

KIGS-Gruppe freue. Gleichzeitig beobachten sie anfänglich auch Ängste bezüglich der neuen

Räumlichkeiten und der neuen Gruppe. In den ersten Monaten nach dem KIGS-Start äußern

die Eltern bezüglich der altershomogen Gruppe, dass sie es etwas schade fänden, dass ihr Kind

dadurch nicht zu den „Großen“ innerhalb der Stammeinrichtung gehören könne. Diese

Einschätzung passt zu der Wahrnehmung, nach der Lina in einer Gruppe von gleichaltrigen

Kindern zu ängstlich agieren könne. Die Eltern sehen aber auch einen Vorteil in der

Fokussierung auf die Altersstufe, da dadurch genauer auf die Kinder eingegangen werden

könne. Diese Ansicht vertreten die Eltern insbesondere zum Ende des Projekts sehr deutlich. In

dieser Hinsicht stimmen ihre Bewertungen mit denen der PFK überein, auch diese sehen einen

Vorteil gerade für Lina in der Altersstruktur der KIGS-Gruppe.

Von dem KIGS-Projekt erhoffen sich die Eltern im Fragebogen, dass es keine Vorschule

darstellt und dass es geförderte Aktionen gibt. Am Ende des KIGS-Jahres berichtet die Mutter,

dass sie sehr zufrieden mit dem gesamten Projekt sei. Das Verhältnis zwischen geplanten

Angeboten und Freiräumen für die Kinder sei sehr gut gewesen. Sie hebt ein positiv erlebtes

Gemeinschaftsgefühl der Gruppe hervor und äußert ihre Ansicht, dass alle Kinder mit ihren je

eigenen Eigenschaften akzeptiert würden. Sie lobt die Sprachförderung, auch wenn ihr Kind

selbst diese nicht benötigt habe und die auf Naturwissenschaften bezogenen pädagogischen

Angebote in der KIGS-Gruppe.

Zu Beginn war die Angst

Vor dem KIGS-Projekt wird Lina als sehr ängstlich und an Erwachsenen orientiert beschrieben.

Die Eltern bezeichnen sie als einen eher ängstlichen Typ. Lina habe immer alle (negativen)

Aussagen aus ihrem Umfeld auf sich bezogen. Auch die pädagogischen Fachkräfte äußern

einen ähnlichen Eindruck: „Immer wenn man die anguckte oder irgendwas zu ihr gesagt hat,

war die sofort verschreckt und hatte Angst, dass sie irgendwas gemacht hat“ (PFK2,

Interview2, Z. 897-905). Die Angst des Kindes beschreiben die PFK insgesamt als

ungewöhnlich groß. Lina habe eine große Abhängigkeit von den Fachkräften gezeigt. Wenn sie

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etwas geleistet hatte, habe sie zeitnah eine Rückmeldung über ihr erstelltes Produkt gebraucht,

eine Bestätigung. Die Reaktionen der Erziehenden darauf hätten direkten Einfluss auf das

emotionale Wohlbefinden des Kindes. Bei Kritik hingegen fange sie schnell an zu weinen.

Diese Unsicherheit von Lina habe sich auch in einer Suche nach körperlicher Nähe

widergespiegelt. Phasenweise hätten sich manche PFK durch diese extreme Nähe zu sehr

eingeengt gefühlt.

Die Entwicklung des Selbstbewusstseins

Alle Beteiligten am Projekt sind sich einig, dass die Entwicklung von Lina im KIGS-Jahr sehr

positiv verlaufen ist. Die Mutter beschreibt im Interview kurz vor den Sommerferien, dass ihre

Tochter an ihrem Leistungsstand abgeholt worden sei, insbesondere an der Angst des Kindes

sei gearbeitet worden: „Das Mädchen macht wahnsinnige Schritte nach vorne. Also die ist

wirklich von, vom Typus eher ängstlich zurückhaltend oder eher so ein unsicheres Kind (...)

[u]nd die hat hier riesengroße Schritte gemacht: stabiler, fröhlicher, selbstsicherer, also das

ist schon ein Hammer, also wirklich ganz, ganz große Schritte“ (Interview_Mutter_Lina, Z.

473-480).

Auch die Erzieher bestätigen dies und verbinden diese Stärkung des kindlichen

Selbstbewusstseins mit der pädagogischen Arbeit in der KIGS-Gruppe durch die Vermutung,

dass die Entwicklung bei Verbleib in der Stammeinrichtung nicht in dieser positiven Art

verlaufen wäre: „Und mittlerweile ist die so selbstbewusst, dass man sie schon wieder bremsen

muss, (...). Das find ich, das sind natürlich Vorteile, ich vermute, ich glaube, dass sie das in der

alten Kita so nicht hinbekommen hätte“ (PFK2, Interview2, Z. 897-905).

Sowohl Linas Eltern als auch die PFK berichten von einem positiven Austausch untereinander,

bei dem die Ängstlichkeit des Kindes häufig thematisiert worden sei. Im von den PFK für Lina

ausgefüllten PERIK-Bogen finden sich insgesamt nur wenige Items, die nicht mit dem

höchstmöglichen Skalenwerten bewertet wurden, zwei davon finden sich in der Kategorie

„Selbstbehauptung“. Es sind die Items „kann sich verteidigen (körperlich, verbal), wenn es von

anderen Kindern bedrängt/angegriffen wird“ und „bleibt standhaft, lässt sich von anderen

Kindern nicht unter Druck setzten, z.B. vertritt eine Meinung, die Andere nicht teilen“. Somit

sind es insbesondere Situationen, in denen das Kind sich mit Forderungen, Angriffen und

Offensiven von anderen konfrontiert sieht, die hier mit einem mittleren Wert versehen wurden.

Bezüglich der auf ihr Kind bezogenen pädagogischen Arbeit in der Gruppe hebt die Mutter

hervor, dass auf ihr Kind individuell eingegangen worden sei, dass an den Ressourcen

angeknüpft wurde und das Selbstbewusstsein gezielt gestärkt worden sei:

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„Und das merke ich auch bei meiner Tochter, weil das eben anders Selbstbewusstsein, sicherer

ist, wo sie vorher Ängste gehabt hat. (...) Und sie ist fröhlicher und selbstsicherer geworden.

Das hat hier ganz, ganz viel beigetragen“ (Interview_Mutter_Lina, Z.109-116).

Die Verantwortung für die positiven Veränderungen lässt die Mutter insbesondere dem

pädagogischen Personal der KIGS-Gruppe zuteilwerden. Sie resümiert für ihr Kind: „Die Angst

ist weg“ (ebenda, Z. 249).

Die Entwicklung Linas im Umgang mit anderen Kindern

Die PFK beschreiben, dass Lina erst zum Ende der KIGS-Zeit offen und spielfreudig geworden

sei und auch erst nach und nach Freundschaften geschlossen habe. Auch im Interview, das mit

Lina in Phase 1 durchgeführt wurde, zeigte sie sich als ein relativ offenes und nicht allzu

scheues Kind. Allerdings benannte sie auf Nachfrage keine Kinder aus der KIGS-Gruppe als

Spielkameraden. Lina hingegen wurde von vielen anderen Kindern als Kind benannt, mit dem

gespielt werde. Die Mutter beschreibt, dass sich Lina dadurch, dass sie alles auf sich bezog,

immer mehr zurückgezogen habe. Die KIGS-Leiterin, habe dies schnell in den Blick

genommen und darauf geachtet, das Kind diesbezüglich zu stärken.

Linas sozio-emotionale Kompetenz wird in der Bildungsdokumentation von den PFK

durchweg als positiv eingeschätzt. Auch die teilnehmend beobachteten Situationen konnten

zeigen, dass Lina stets aktiv und konzentriert handelte. Zudem zeigte sie sich in Interaktionen

mit Anderen sehr selbstbewusst. In einer NaWi-Woche konnte sie in ihrer Gruppe, nach

anfänglicher Zurückhaltung, eine aktive Rolle einnehmen sowie Tipps und Arbeitsaufträge

geben. Ebenso war sie nicht zu scheu, Hilfe für sich selbst zu erbeten. Ihre aktive Rolle wird

auch in Beobachtungssituationen deutlich, in denen sie es schafft, andere Kinder zu motivieren,

Anweisungen zu erteilen und über Spielinhalte zu bestimmen. Zudem erscheint Lina im

Rahmen der Beobachtungen als eine sehr hilfsbereite Person, die sich um andere Kinder

kümmert. Insgesamt, so die geteilten Einschätzungen, spielt Lina zum Ende des KIGS-Jahres

viel freier, ist nicht mehr so ängstlich und sucht nicht mehr die extreme Nähe der

Bezugspersonen. Sie kann Spielsituationen gestalten und dabei eine aktive Rolle einnehmen.

Aus Sicht der Mutter transportiere Lina das in der KIGS-Gruppe Gelernte, insbesondere ihre

neue Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern, auch in ihr häusliches Umfeld und nutze

sie dort ebenfalls.

Erwartungen an Linas Start in der Schule

Im ersten Interview beschreibt Lina, dass sie von der Schule erwarte, dort richtig Rechnen und

Schreiben zu lernen. Dies geschehe in der KIGS-Gruppe nicht. Detailliertere Angaben zu dem,

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was in der Schule passiere, könne sie nicht machen, dies wisse sie nicht (Lina_Interview1, Z.

84f.). Ihre eigene besondere Fähigkeit sehe sie im „Mithören“ (ebenda, Z. 104). Schon im

ersten Interview sagte sie ebenso wie im zweiten Interview, dass sie sich auf die Schule freue,

was durch ihre Mutter im Elterninterview bestätigt wurde. Im Juni 2014 kann Lina dann

verschiedene Elemente aus einem Klassenzimmer auflisten, die sie bereits kenne. Sie nennt

zum Beispiel „Lehrer“, „Tafel“, „Tische“, „Lernbücher“ und das „Rechnen“ und beschreibt

eine Unterrichtssituation (Lina_Interview2, Z. 15ff.). Anscheinend hat Lina auch schon ein

Wissen über das Regelsystem der Schule entwickelt. Sie erwähnt bei der Beschreibung ihres

Bildes (Zeichnung einer Schulklasse), dass zwei Kinder „zu spät“ (ebenda, Z. 17) gekommen

seien, weshalb ein Tisch leer sei. Sie benennt auf Nachfrage die Namen zweier Lehrkräfte. Sie

kenne zwar mehr Lehrkräfte, deren Namen fielen ihr aber nicht ein. Mit einer der beiden habe

sie zusammen einen Marienkäfer gebastelt. „Bisschen Rechnen und Schreiben ein bisschen“

(ebenda, Z. 120) sollen alle Kinder können, wenn sie auf die Schule kommen. Sie selbst könne

schon „Oma und Opa und Mama und Papa“ (Z. 121f.) sowie ihren Namen schreiben. Ebenso

beherrsche sie das Rechnen: „[E]ins Plus eins macht zwei und fünf plus fünf macht zehn und

drei plus drei macht sechs“ (Z. 124f.).

Lina erwartet von den Hausaufgaben in der Schule, dass dabei geschrieben und gerechnet

werden muss. In der KIGS-Gruppe hingegen bestünden die Hausaufgaben zum größten Teil

aus dem „Kleben“ und „Schneiden“ (ebenda, Z. 128f.). Des Weiteren beschreibt Lina ihre

Kompetenzen, die sie während des Jahres erworben hatte wie folgt: Sie habe „gelernt, dass

man den anderen nicht schubsen oder hauen oder ärgern soll und dass man nicht weglaufen

soll“ (ebenda, Z. 234f.).

Die PFK schätzen die schulischen Kompetenzen Linas als sehr hoch ein, da sie ein sehr

wissendes und nachdenkliches Kind sei. Für die Schule wünschen sie Lina, dass sie ausreichend

Zeit bekommen soll, über Dinge nachzudenken und dass sie nicht durch zu viel Misserfolg

wieder ihr Selbstbewusstsein verliert. Erst dann könne sich das Verhalten des Kindes

stabilisieren. Denn es gäbe „Punkte, die […] ganz schnell kaputtzumachen“ (PFK2, Interview

2, Z. 1015f.) seien „durch ein falsches Erwachsenenverhalten oder durch ein Verhalten von

Kindern“ (ebenda, Z. 1016f.) auf das die Lehrkräfte dann nicht ausreichend achten. Die

Erzieherinnen stellen somit insgesamt die positive Entwicklung des Kindes in den Vordergrund

ihrer Beschreibungen, verweisen jedoch auf eine gewisse Fragilität in der Entwicklung der

sozial-emotionalen Kompetenzen.

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Der Abbau einer Hemmschwelle und ein gelungener Start in die Schule

Lina beschreibt im ersten Interview die Besonderheiten von KIGS über eine geringe Anzahl

von Kindern. Sie berichtet nur von wenigen gemeinsamen Aktionen mit der Schule,

hauptsächlich sind dies Spiele auf dem Schulhof. Zu diesem Zeitpunkt kennt Lina noch keine

Lehrkräfte. Im Juni 2014 berichtet sie von Lehrkraftbesuchen im Stuhlkreis, von ihrem

Sportunterrichtsbesuch und von den gemeinsamen Projekten mit der Grundschule, die ihr gut

gefallen haben (NaWi-Aktionswoche und Trommelzauber).

Ihre Mutter sieht insbesondere den Vorteil von KIGS für die Schule darin, dass die Kinder

bereits die Möglichkeit bekämen, die Schule kennen zu lernen. Zum Beispiel erzählt die Mutter:

„[D]as Mittagessen mit dem ´rübergehen, diesen Alltag, das ist auch ein fester Punkt, der ihr,

glaube ich, meiner Tochter wichtig ist, der ihr auch bisschen Mut beigebracht hat“

(Interview_Eltern_Lina, Z. 74f.). Die Kinder kennen sowohl die Räumlichkeiten der Schule,

als auch Lehrkräfte und andere Schulkinder. „Also ich sehe ganz klar die Vorteile, dass diese

Angst vor dem – es ist ja nicht vor der Schule, die freuen sich alle wie Bolle auf die Schule.

Aber diese, diese fremden Räumlichkeiten, dieses, diese Hemmschwelle, diese Räume zu

betreten, die ist einfach weg, weil die hier sich schon, die sind hier zu Hause“ (ebenda, Z.237-

240). Dadurch behauptet die Mutter, fühle sich ihre Tochter bereits eher der Schule zugehörig.

Insbesondere die kleinschrittige und im Alltag stattfindende Annäherung an die Schule wurde

von Linas Mutter als sehr positiv aufgenommen.

Die Einschätzungen der Lehrkraft Linas im November nach der Einschulung deuten auf einen

gelungenen Start in der Schule. Auf die Frage nach den Eigenschaften und Besonderheiten des

Kindes antwortet sie, dass Lina sehr motiviert, leistungsstark und sozial sei. Lina habe

Lernfreude und sie zeige gerne, was sie geschafft hat. Im sozialen Bereich könne dem Kind

bescheinigt werden, dass es sehr hilfsbereit sei. Lina sei jedoch manchmal sehr gutmütig und

lasse sich dann schnell von anderen Kindern ausnutzen. Sie habe aber einen guten Stand in der

Klasse und werde von allen Kindern akzeptiert. Lina könne sehr gut schreiben, sei sehr fit im

Lernen und zudem schnell. Sie ruhe in sich selbst, wisse aber wie sie mit den Kindern

auskommen soll: „Klassenlehrkraft Lina: Sie hat einen guten Stand. Sie wird ja akzeptiert als

jemand, wenn Probleme sind, auch wenn wir bei Mathe jetzt an der Tafel, aha, sie weiß

Lösungen, und da wird dann auch gerne drauf zurückgegriffen. Wenn jetzt Gruppenarbeit ist,

ist sie eigentlich immer gefragt auch in der Gruppe, »kannst du mir das mal zeigen«, also sie

hat sich total gut integriert, ist also gar nicht irgendwie ängstlich aufgetreten, von Anfang an,

also sehr sicher, das ist mein Platz, hier bin ich richtig, hier arbeite ich mit“

(Interview_Lehrkräfte2. Z. 621-626).

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Neben der ohnehin positiv ausfallenden Bewertung der kognitiven Kompetenzen, verdeutlicht

die Interviewpassage außerdem, dass auch Linas Stand in der Klasse und ihr Selbstvertrauen

durchweg positiv wahrgenommen werden. Die Befürchtungen der PFK vor dem Übergang, in

der Grundschule könnten sich Rückschritte ergeben, haben sich demnach nicht erfüllt. Auch

Linas mit dem FEESS 1-2 erfassten Angaben zu ihren Schulerfahrungen stimmen mit den

positiven Einschätzungen der Lehrkraft überein. Linas Rohwertsummen sind bei fast allen

Skalen höher oder mindestens gleich dem jeweiligen Klassenmittelwert. In den Skalen Soziale

Integration, Selbstkonzept, Schuleinstellung und Gefühl des Angenommenseins erreicht sie den

höchstmöglichen Wert. Linas T-Werte6 in diesen Skalen liegen jeweils auch über eine

Standardabweichung über den Durchschnittswerten. Eine Ausnahme bildet Linas Einschätzung

des Klassenklimas, hier liegt sie mit der Rohwertsumme 7 knapp unter dem Klassenmittelwert

8, wobei auch der T-Wert des Klassenmittelwerts mit 45 unter dem Mittelwert der Normskala

liegt.

4.2 Alexej: Der Übergang eines in vielen Bereichen förderbedürftigen Kindes

Alexejs Start in das KIGS-Projekt

Alexej ist ein Junge, dessen Eltern aus dem russischsprachigen Ausland zugewandert sind, er

selbst ist in Deutschland geboren. Alexej ist das jüngste Kind der KIGS-Gruppe. Kurze Zeit

vor Beginn der Erhebungen hat seine Mutter ein weiteres Kind bekommen.

Ihren Angaben im Fragebogen zufolge rechnen die Eltern wegen sprachlicher Schwierigkeiten

des Kindes mit einem eher schwierigen Übergang in die Grundschule. Gleichzeitig sind sie

zuversichtlich, dass das Kind sich dort mit der Zeit zurechtfinden werde. Nach Aussagen der

Eltern im KIGS-Fragebogen sei Alexej ein Junge, dem es gut in der KIGS-Gruppe gehe und

der Gefallen an dem Projekt finde. Er sei gut gestartet. Insbesondere die neuen Freunde –hier

unterscheidet sich die Elternsicht von der PFK-Perspektive– das gemeinsame Essen, die längere

Betreuung und große Lernmöglichkeiten werden als Vorteile für das Kind gesehen. Durch die

Projektteilnahme erwartete Probleme werden keine benannt. Lediglich die als eng betrachteten

Räumlichkeiten gefallen den Eltern weniger. Im Fragebogen wird die Erwartung mittgeteilt,

dass Alexej durch das KIGS-Projekt ruhiger werden und zudem Lieder, Zahlen und Buchstaben

6 Der T-Wert bezeichnet einen Normwert und gibt Aufschluss darüber, wie der im Test beobachtete Wert sich zum Mittelwert 50 und der Standardabweichung 10 der Normskala verhält.

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kennen lernen solle. Im Interview vor den Sommerferien benennt Alexejs Mutter anfängliche

Bedenken, die sie gegenüber KIGS gehabt habe, da die Kinder aus der Gruppe zu klein seien,

um mit den Schulkindern zu spielen. Diese Bedenken hätten sich aber nicht bestätigt. Wobei

unklar bleibt, ob sie das gemeinsame Spiel von KIGS- und Grundschulkindern nicht mehr

bedrohlich findet oder davon ausgeht, dass die Kinder nicht zusammen spielen. Positiv nimmt

die Mutter Bezug auf die Elternarbeit in der KIGS-Gruppe.

Die PFK können am Anfang des KIGS-Jahres keine festen Freundschaften des Kindes

beobachten und sehen ein teilweise problematisches Verhalten gegeben. Das Kind habe beim

Start in die KIGS-Gruppe ein sehr großes Bedürfnis nach Nähe gezeigt und sei diesem

Bedürfnis auch nachgegangen, beispielsweise während eine PFK Gitarre spielte – „ich konnte

nicht Gitarre spielen. Der ist zwischen Gitarre und meinem, also der ist zwischen Gitarre und

mir geschlupft, weil er da 'rein wollte“ (PFK1, Interview 2, Z. 1088f.). Ebenso sei das Kind im

Stuhlkreis nicht auf einem Stuhl sitzengeblieben, sondern habe sich auf den Schoß einer

Erzieherin setzen wollen. Dies führt die Erzieherin im Interview an keiner Stelle auf mögliche

in Zusammenhang mit der neuen Umgebung in der KIGS-Gruppe stehende Ängste zurück,

sondern vielmehr auf Umstände im familiären Umfeld des Kindes. Das Kind habe „zu Hause

[…] einen (...) schwierigen Background“ (ebenda, Z. 1091). Die PFK kommuniziert den

Eindruck, dass mit dem Kind zu Hause wenig gesprochen werde. Es bekomme nach der Geburt

eines Geschwisterkindes nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit wie vorher.

Alexej beschreibt im ersten Interview seinen Alltag in der KIGS-Gruppe so, dass er viel bastle

und spiele. Er habe eine beste Freundin. Er berichtet, dass er in einem Theaterstück einen Hasen

spiele. Schade finde Alexej, dass er einen Freund in seiner alten Kindergartengruppe habe

zurücklassen müssen. Besonders die Turnübungen, die er in der KIGS-Gruppe machen könne,

fänden sein Gefallen. Zudem habe er bereits gelernt, seinen Namen zu schreiben, zu spielen

und aufzuräumen.

Das KIGS-Projekt und die Bedürfnisse Alexejs

Trotz weiterhin bestehender Problematiken, die die PFK in Hinblick auf Alexejs Entwicklung

sehen, konstatiert die KIGS-Leiterin eine besondere Rolle des KIGS-Projekts für Alexej und

benennt dabei Vorteile einer individualisierten pädagogischen Arbeit:

„[Alexej] [wurde] sehr gesehen in seiner Person und in seinen Fähigkeiten, und in seinen, ich

sag’s mal, Förderbedürfnissen, und da ist sehr, also auf Alexej sind wir sehr eingegangen, der hat Frühförderung bekommen, Logopädie, er hat wirklich alles gekriegt. Sprache, Mathe und

Tonfeld“ (PFK1, Interview2, Z. 1076-1079).

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Alexej wird von den Erziehern als ein sehr förderbedürftiges Kind gesehen. Dies wurde auch

im PERIK-Bogen ersichtlich. Es wurde zumeist angegeben, dass Alexej die Items kaum oder

nur teilweise erfülle. Insbesondere die sozio-emotionalen Kompetenzen erscheinen dabei als zu

fördernde. Die Tonfeldarbeit sollte Alexej hierbei unterstützten. Die Mutter berichtet allerdings,

dass dieses Angebot dem Kind keinen Spaß gemacht habe und er deswegen dort auch nicht viel

gelernt habe. Die pädagogischen Fachkräfte äußern den Eindruck, das Kind solle im häuslichen

Umfeld stärkere Förderung erhalten. Die eigene Arbeit hingegen wird von den pädagogischen

Fachkräften resümierend als sehr an den individuellen Bedürfnissen des Kindes orientiert

beschrieben.

In Alexejs KIGS-Gruppe wird als Bildungsdokumentation eine Form der Leuvener

Engagiertheitsskala verwendet. Dieser wird eine zweiseitige Einschätzung der sprachlichen

Kompetenzen des Kindes beigelegt. Demnach verweisen die Kompetenzen des Kindes in der

deutschen Sprache auf einen Bedarf, in diesem Bereich noch zu fördern.

Seine Mutter berichtet, dass Alexej an der Frühförderung teilnehme und diese ihm Spaß mache.

Insbesondere die Aussprache habe er dadurch verbessern können. Zudem sei er durch die

Förderung im sprachlichen Bereich auch selbstbewusster geworden. Auch die Erzieher

schreiben in der Dokumentation, dass sich der deutsche Wortschatz in den letzten Monaten

durch die Förderung stark verbessert habe, Alexej allerdings weiterhin viel Unterstützung in

diesem Bereich benötige.

Alexej wurde auch im Bereich Mathematik gefördert. Bei dem ersten EMBI-KiGa erzielte er

0,5 von 11 Punkten. Hierbei muss beachtet werden, dass zum Erhebungszeitpunkt eventuell

sprachliche Hürden bestanden. Zu Beginn nahm Alexej nur ungern an der anschließenden

Mathematikförderung teil, da sie sich mit Freispielzeiten überschnitt. Seine Beziehung zur

Förderung wurde besser, als es keine Überschneidungen mehr gab. Der Fokus der

Mathematikförderung lag bei Alexej insbesondere auf der flexiblen Zahlwortreihe. Fortschritte

verzeichnete er den Angaben der Förderkraft zufolge weniger im mathematischen Bereich,

sondern vielmehr in seinem allgemeinen Verhalten: Zuhören, Ausreden lassen und andere

Meinungen akzeptieren. Wenn Alexej bei einem Spiel Begeisterung gezeigt und nicht

abgelenkt worden sei, habe er sich sehr gut konzentrieren können. Musste er hingegen bei

Spielen aussetzen oder verlor er, so die Mathematikförderkraft, stellte die Situation für ihn eine

Herausforderung dar. Dauerte die Förderung länger, sei Alexej immer unruhiger und auch

anfälliger für Streitigkeiten geworden. Am Ende der Mathematikförderung wurde erneut das

EMBI-KiGa erhoben, Alexej erzielte dieses Mal 5 Punkte und erreichte den Ausprägungsgrad

„1“.

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Die Entwicklung Alexejs im KIGS-Projekt

Die Beschreibungen der PFK zu Alexej als ein Kind, welches keine festen Freundschaften hat

und problematisches Verhalten zeigt, wurden auch durch die Einschätzungen im PERIK-Bogen

bestätigt. Diesem ist zu entnehmen, dass Alexej nur teilweise kontaktfähig sei und er kaum

Freundschaften habe. Diese Ansicht widerspricht den Aussagen der Mutter. Ihr zufolge habe

Alexej in KIGS neue Freundschaften geschlossen. Allerdings beschreibt sie auch, dass Alexej

viel von einem anderen Kind geärgert worden sei und er deswegen eine Zeitlang nicht gerne in

die KIGS-Gruppe gegangen sei. Letzteres wird auch durch die PFK benannt: Alexej sei viel

von einem bestimmten Kind geärgert worden und habe deswegen viel geweint. Gerade wenn

Alexej mit Worten geärgert werde, habe er es schwer. Er könne sich sprachlich noch nicht gut

wehren, obwohl seine sprachlichen Fähigkeiten inzwischen besser geworden seien. Aus Sicht

der KIGS-Leiterin versuche Alexej sich anzupassen und den Anderen zu gefallen. Der

Schulsozialarbeiter berichtet von häufigen Auseinandersetzungen zwischen Alexej und anderen

Kindern, wenn keine Erwachsenen in der Nähe sind. Im Beisein von Erwachsenen halte er sich

an die Regeln. Ähnliches konnte in einigen Situationen teilnehmend beobachtet werden. Dort

rangelt er mit einem anderen Kind zunächst um einen Sitzplatz. Sobald er jedoch durch die PFK

ermahnt wurde, verhielt sich Alexej den Anweisungen entsprechend. Insgesamt konnten die

Beobachtungssituationen die Beschreibungen des Sozialarbeiters bestätigen. Zusätzlich fiel

auf, dass Alexej gegenüber Fremden zunächst sehr zurückhaltend ist. Ist jedoch seine Mutter

dabei, tritt er deutlich aktiver und selbstbewusster auf. Auch die Mutter beschreibt eine mit

diesen Beobachtungen konforme Einschätzung. Gleichzeitig macht sie auf Unterschiede im

Verhalten des Kindes zu Hause und in der KIGS-Gruppe aufmerksam: „Er hat gezeigt, hat nie

gesprochen. Aber zu Hause hat er gesprochen. (...) Also sehr viel gesprochen. Er hat sich

geschämt, ja. Weil die, fremde Leute das sind. (...) Und dann, mit der Zeit, hat er so besser

gelernt und so, und jetzt ist so, der ruft also: ´Kann ich zu dir kommen´“ (Interview_Mutter_

Alexej, Z. 424-432).

Die Mutter beschreibt die Fortschritte von Alexej in erster Linie im sprachlichen Bereich.

Zudem habe sich die Merkfähigkeit des Kindes verbessert. Doch auch im Sozialen sieht sie

Fortschritte zum Beispiel darin, dass er neue Freunde kennengelernt habe und sich auch privat

mit diesen verabrede. Im Interview berichtet die Mutter, dass Alexej nun zu Hause häufiger

male oder bastle und mit Legosteinen baue. Dies sind alles Aktivitäten und Interessen, die das

Kind noch vor einem Jahr nicht verfolgt habe: „Ja, die basteln viel, und hat er früher nicht gern

so gemalt. Und jetzt malt er gern. Ja, bastelt er gern, und, ähm, spielt gern Lego“

(Interview_Mutter_ Alexej, Z. 71f.).

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Alexejs Entwicklung kurz vor dem Schulstart

Alexej selbst berichtet im ersten Interview, dass er bereits ein paar Schulkinder und Lehrer

kenne. Er freue sich auf die Schule und wünsche sich dort Schreiben und Malen zu lernen.

Die Mutter äußert ihre Einschätzung, dass es positiv sei, dass ihr Kind bereits die Schule kenne

und nunmehr wisse, auf welche Art und Weise Schulkinder spielen. Im Interview zum Ende

des KIGS-Jahres berichtet sie, dass der Wille des Kindes erkennbar sei und Alexej sich auf den

Start freue, auch wenn er derzeit noch denke, dass in der Schule gespielt werde. Sie berichtige

ihn, wenn er diese Einschätzung äußert. Zu Hause lerne sie mit dem Kind Buchstaben und

Zahlen, was Alexej aber zunehmend missfalle. In einem Kurzinterview mit der KIGS-Leiterin7

äußert Alexej seine Vorstellungen, dass in der Schule geschrieben und gespielt, zu Mittag

gegessen sowie in der OGS Trampolin gesprungen werde. Diese Äußerungen sind vermutlich

auf seine Erfahrungen bei Nutzung der schulischen Räumlichkeiten zum Spielen

zurückzuführen.

Die PFK haben Bedenken bezüglich des Schulstartes von Alexej. Die KIGS-Leiterin bekundet

ihre Unsicherheit, inwieweit die Schule die individuelle Förderung von Alexej weiterführen

kann. Sie beschreibt ihren Eindruck, dass Alexej eine Person brauche, die ihm zur Seite steht.

Die KIGS-Leiterin hätte es besser gefunden, wenn er noch ein Jahr in der KIGS-Gruppe

verbliebe. Auf diese Weise wäre es besser möglich gewesen, dass er sein Potenzial entfaltet.

Auch die Schulleiterin äußert den Eindruck, dass Alexej trotz seiner bereits sehr positiven

Entwicklung weiterhin Förderung benötige.

Es gab bereits ein gemeinsames Gespräch zwischen der Mutter, der Schulleiterin und der KIGS-

Leiterin. Dieses Gespräch habe sich Ad hoc bei einem zufälligen Kontakt der drei im Büro der

KIGS-Leiterin ergeben. Ziel des Austausches sei gewesen, der Mutter die Angst zu nehmen

und ihr deutlich zu machen, dass Alexej noch viel Förderbedarf habe. Die Schulleiterin

berichtet rückblickend sehr positiv von dem Gespräch und vermutet, dass der Mutter darüber

die Sicherheit gegeben werden konnte, dass Alexej integriert und gefördert werden wird, er

außerdem mit seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen gesehen werde. Die Schulleiterin hebt eine

geringe Gruppengröße im KIGS-Projekt positiv hervor und beschreibt, dass dies ermöglicht

habe, dass Alexej mehr Ruhe erfahren konnte. Im Rahmen ihrer Beteiligung an einem von der

KIGS-Leiterin als Kooperationsprojekt initiierten Musicals der KIGS-Kinder habe sie Alexej

beobachten können: „[Alexej] ist auch das Kind, das ähm, wo es eben dieses problematische

7 Alexej konnte nicht für die Teilnahme an dem Interview in der zweiten Phase gewonnen werden. Stattdessen befragte ihn die KIGS-Leiterin auf eigene Initiative und stellte dem Team seine Antworten zur Verfügung.

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Gespräch auch gab. Das ist sicherlich ein Kind, wo wir in der Schule auch gucken müssen,

aber [Alexej] war ja auch in dem Regenbogenfischprojekt. Bei [Alexej] hab ich den Eindruck,

dass das wirklich, dass so die Förderung, die er erfahren hat in KIGS und die Sicherheit, die

er schon hier gewonnen hat, dass sich das bereits auswirkt. Also ich hab´ ihn am Anfang als

sehr viel schwieriger erlebt, als es sich jetzt zum Ende hin darstellt. Ich glaube, da hat sich

unheimlich viel getan. Auch in der Gruppenfähigkeit, in dem Einbinden in eine Gruppe“

(Schulleitung1, Z. 581-589).

Alexejs Klassenlehrkraft in der Grundschule beschreibt ihn nach der Einschulung als ein Kind,

das sehr große Probleme habe, die es schon im KIGS-Jahr gezeigt und von zu Hause

mitgebracht habe: „[U]nd ich weiß aus dem Austausch mit der Kita, die hatte er auch schon im

KIGS-Projekt. Ähm, ja, er hat ganz große Probleme von zu Hause einfach mitgebracht. Er hat

eine ganz geringe Toleranzgrenze oder Hemmschwelle, was so Soziales, was so den sozialen

Bereich anbelangt. Ich habe Sachen sehen können, die auch in der Kita schon waren oder im

KIGS-Projekt“ (Interview_Lehrkräfte1, 350-355).

An diesem Gesprächsausschnitt wird deutlich, dass die Lehrkräfte erweiterte Informationen

über die Kinder erhalten können. Hier ergeben sich Möglichkeitsräume über die

Austauschkommunikation der Lehrkräfte, der pädagogischen Fachkräfte und der Eltern des

Kindes. Die Klassenlehrkraft sieht Alexejs Probleme u.a. im Kontakt mit seinen

Mitschülerinnen und Mitschülern. Wenn ein anderes Kind etwas in den Händen halte, das

Alexej haben möchte, mache er diesen Gegenstand lieber kaputt, anstatt jemand anderes damit

spielen zu lassen. Melde er sich im Unterricht und komme nicht dran, weine er und bekomme

schlechte Laune. Alexej werde sehr schnell aggressiv und suche sich dann Kinder, mit denen

er auffällig werden könne. Es komme vor, dass er handgreiflich gegenüber seinen Mitschülern

werde. Dieses Sozialverhalten werde versucht zu verbessern, indem die Lehrkraft dem Kind

fortlaufend erkläre, wie es sich angemessen verhalten könne. In Hinblick auf seine weitere

Entwicklung, müsse Alexejs Mutter ihm zu Hause Grenzen setzen, ansonsten erwarte die

Lehrkraft, dass die Probleme im kognitiven sowie sozialen Bereich weiter bestehen bleiben

werden.

Alexejs mit dem FEESS 1-2 erhobenen Schulerfahrungen verweisen ebenso auf Problematiken

des Kindes im schulischen Bereich. Für ihn wurden in jeder Skala des Fragebogens niedrigere

Rohwertsummen berechnet als die jeweiligen Mittelwerte seiner Klasse. Auch die T-Werte für

Alexejs Individualdaten liegen weit unter der angegebenen Norm. Besonders drückt sich dies

bei den Skalen Selbstkonzept (Rohwertsumme 3 im Vergleich zum Klassenmittelwert 12),

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Schuleinstellung (Rohwertsumme 1 im Vergleich zum Klassenmittelwert 9) und Lernfreude

(Rohwertsumme 1 im Vergleich zum Klassenmittelwert 8) aus. Die höchste Annäherung an

den Klassenmittelwert lässt sich mit 9 zu 11 für die Skala Anstrengungsbereitschaft erkennen.

4.3 Marek: Die Entwicklung sprachlicher und sozialer Kompetenzen im KIGS-

Projekt

Marek ist ein Junge, der zu Beginn des KIGS-Jahres nur sehr geringe Deutschkenntnisse hatte

und deswegen auch nur sehr wenig sprach. Gleichzeitig war er sehr zurückhaltend und leise,

was vermutlich auch mit seinen sprachlichen Fertigkeiten zusammenhing. Seine Mutter sprach

selbst kaum Deutsch und kommunizierte mit ihrem Sohn auf ihrer Muttersprache, für das

Elterninterview wurde eine Dolmetscherin engagiert. Marek ist das ältere von zwei Kindern der

Familie.

Hohe Elternzufriedenheit mit den Förderangeboten– Ein anderes Kind

Zu Beginn der KIGS-Zeit sei das Kind laut seinen Eltern sehr zurückhaltend gewesen, was

allerdings bereits in der Stammeinrichtung so gewesen sei. Marek habe die KIGS-Kinder

bereits gekannt. Nach den ersten drei Monaten sei ein Gespräch zwischen den PFK und den

Eltern geführt worden. Damals sei es sehr schwierig mit Marek gewesen. Am Ende habe es ein

erneutes Gespräch gegeben, worin den Eltern eine positive Entwicklung des Jungen aufgezeigt

worden sei. Marek habe in der KIGS-Gruppe deutlich mehr Deutsch gelernt, gehe nun auch auf

die anderen Kinder zu und sei aufgeschlossener und fröhlicher als vorher. Mit den anderen

Kindern komme er gut zurecht, sei sehr sozial. Insgesamt habe Marek große Fortschritte

gemacht, was sowohl die PFK als auch Verwandte den Eltern bestätigen würden. Mareks

Entwicklung finden die Eltern in der Bildungsdokumentation festgehalten. Zunächst sei das

Lesen der Bildungsdokumentation für die Mutter sehr deprimierend gewesen, weil der Sohn so

schlecht gewesen sei. Bei dem letzten Entwicklungsgespräch jedoch habe man dann eine tolle

Entwicklung des Kindes bescheinigt bekommen: „Aber, dann eben bei dem letzten Gespräch

mit [der PFK] hat sich herausgestellt, dass er sich wunderbar entwickelt hat, und dass das

wirklich nicht dasselbe Kind ist wie am Anfang“ (Interview_Eltern_Marek, Z. 109).

Mareks Eltern seien erfreut gewesen, dass er in der KIGS-Gruppe deutlich länger betreut wird,

zuvor war er lediglich drei Stunden in der Kindertageseinrichtung. Zudem erhofften die Eltern,

dass ihr Kind in der KIGS-Gruppe auch deutlich mehr gefördert werden kann. Rückblickend

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sind die Eltern mit dem Projekt und mit der Entwicklung ihres Sohnes sehr zufrieden: „[D]as

Kind hat sich sehr gesteigert, das ist nicht dasselbe Kind“ (ebenda, Z. 24). Einzelne

Förderangebote werden dabei hervorgehoben, wie häufiges Vorlesen, Mathematikförderung

und das Schwimmprojekt. Dabei scheinen die Angebote die Erwartungen der Eltern übertroffen

zu haben: „Ich war [im positiven Sinne] schockiert, als ich erfahren habe, wie die Kinder hier

gefördert werden“ (ebenda, Z. 30f). Zusätzlich habe Marek an der Sprachförderung und an der

Tonfeldarbeit teilgenommen. Letztere sei besonders förderlich für sein Selbstvertrauen

gewesen– „[D]er ist jetzt ganz anders“ (ebenda, Z. 86).

Im Austausch mit den PFK wurde für Marek außerdem eine externe logopädische Förderung

initiiert, was seiner sprachlichen Entwicklung ebenfalls sehr gut getan habe. Der Alltag

innerhalb der KIGS-Gruppe bereite die Kinder gut auf die Schule vor, so die Mutter, da nicht

ausschließlich gespielt werde. Durch das Projekt werde der Übergang zur Schule deutlich

erleichtert, weshalb Mareks Eltern hoffen, dass auch ihr jüngerer Sohn in Zukunft an KIGS

teilnehmen kann. Insbesondere die Förderungen und das Kennenlernen der Grundschule seien

Erleichterungen für den Übergang, die es laut den Eltern in der Stammeinrichtung nicht

gegeben hätte: „[W]äre der dageblieben, dann würde der quasi ahnungslos in die Grundschule

gehen. Und hier wird er vorbereitet auf die Grundschule“ (ebenda, Z. 87). Dabei bringt Mareks

Mutter im Interview eine Dichotomie zum Ausdruck: In der KIGS-Gruppe würden die Kinder

eher gefördert und auf die Schule vorbereitet, während in der Kita im Wesentlichen freigespielt

werde. Diese unterschiedlichen Inhalte in den jeweiligen Settings finde sie allerdings gut. Als

weiteren positiven Aspekt der KIGS-Gruppe hebt die Mutter die Jahrgangshomogenität hervor,

da dadurch die Kinder gleiche Spiele spielen können, die PFK könnten sich so auf die

spezifische Altersgruppe konzentrieren und dadurch die Kinder besser im Übergang begleiten

als in der Stammeinrichtung: „Wären sie da noch geblieben, dann wären sie nicht so gefördert“

(Interview_Eltern_Marek, Z. 103).

In der KIGS-Gruppe empfand die Mutter die Elternarbeit und die Betreuung durch die PFK

deutlich intensiver, es habe laufend Gespräche über die Förderungen und Veranstaltungen

gegeben. Jedoch seien die Fachkräfte sowohl in der Stammeinrichtung als auch in der KIGS-

Gruppe sehr freundlich und hätten Verständnis für ihre fehlenden Deutschkenntnisse gezeigt.

Die Mutter bewertet im Elterninterview die Betreuung des jüngeren Sohnes in der

Stammeinrichtung ebenfalls positiv – „Der ist auch zufrieden, muss ich sagen“ (ebenda, Z.

133) –, was sich als Bestätigung dafür deuten lässt, dass sie KIGS als besonders geeignet für

ihren Sohn im Übergangsprozess bewertet. Obwohl sie mit der Elternarbeit und der Betreuung

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für den jüngeren Sohn zufrieden scheint, benannte sie mehrfach, dass Marek in dieser Phase

kurz vor Schuleintritt sich hätte in der Stammeinrichtung weniger gut entwickeln können.

Bezüglich des Schulstarts, äußert die Mutter vor dem Übergang ihre Angst, dass Marek in der

Schule sehr lange stillsitzen und sich konzentrieren müsse, dies jedoch noch nicht gewohnt sei.

Marek freue sich jedoch bereits sehr auf die Schule, insbesondere auf die Bücher und den

Tornister. Zu Hause seien mit dem Kind das Alphabet oder Buchstaben geübt worden, was ihm

nicht sehr gefallen habe. Für ihren Sohn wünscht sich die Mutter, dass er aufgeschlossener und

selbstischerer werden soll. Sie selbst sei als Kind ebenfalls zurückhaltend gewesen. Sie ist der

Ansicht, dass ihm eine gesteigerte Selbstsicherheit einiges vereinfachen würde: „Solche

Kinder, solche Menschen haben [es] einfacher im Leben, wenn sie einfach aufgeschlossen sind

und nicht schüchtern, wenn man sich alles traut. Das wünsche ich mir deshalb“ (ebenda, Z.

139).

Marek findet sich immer mehr in der Grundschule zurecht

Die PFK benennt rückblickend auf Mareks KIGS-Jahr ähnliche Schwierigkeiten wie die Eltern,

betont jedoch auch ebenso eine sehr gute sprachliche Entwicklung– „der ist hier fast explodiert

sprachlich“ (PFK1, Interview3, Z. 199) – obwohl Marek in die KIGS-Gruppe gekommen sei,

ohne ein Wort zu sprechen. Ähnlich wie die Eltern verweist auch sie auf ein gesteigertes

Selbstwertgefühl des Kindes, was sie auf die Tonfeldarbeit zurückführt.

In einem Übergabegespräch kurz vor dem Übergang kann die KIGS-Leiterin der Schule diese

Entwicklungsschritte Mareks auch weiterleiten und somit Befürchtungen auf schulischer Seite

abmildern. Während die Schulleiterin bei dem erwähnten Gespräch Notizen schulischer

Beobachtungen zum Kind aus dem November und Eindrücke der Schulärztin aus der

Untersuchung Mareks benennt – „Also insgesamt viel Förderbedarf, und auch hier hat die

Schulärztin ein AO-SF-Verfahren [empfohlen]“ (Übergabegespräch1, Z.94), kann die KIGS-

Leiterin auf positive Entwicklungen und Erfolge der Förderprozesse hinweisen, die inzwischen

eingetreten seien: „Also Marek freut uns im Grunde gerade sehr. Der (...) hat jetzt Tonfeld

gemacht, und das hat dem so gutgetan, dass wir alle gesehen haben, da ist wirklich ein Knoten

geplatzt, und dass er sehr viel offener ist, sehr viel kommunikativer, dass wir auf einmal

Potenzial sehen, was vorhanden ist. Also da ist, haben wir ja noch gestern besprochen, das ist

was, was uns freut“ (Übergabegespräch, Z. 95).

Als Reaktion darauf lässt sich die Schulleitung auf die alternative Betrachtung der KIGS-

Leiterin ein und deutet an, sich die Entwicklung des Kindes zunächst anzuschauen: „[M]üssen

wir jetzt gucken. Wenn sich da so viel getan hat, kann ja sein“ (Übergabegespräch, Z. 98). Diese

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dialogische Auseinandersetzung mit Mareks Entwicklung beinhaltet Angebote alternativer

Beobachtungen für die beteiligten Professionellen, bietet Möglichkeiten, Informationen über

Ressourcen und Förderprozesse punktuellen Diagnosen gegenüberzustellen und dadurch für

alle Beteiligten eine Erweiterung des Kontextwissens.

Mareks Start in die Grundschule sei dann auch tatsächlich nicht ganz problemlos verlaufen. Als

Ergebnis des Austausches mit seinen Klassenlehrkräften resümiert die KIGS-Leiterin, dass der

Junge unaufmerksam erscheine, sehr viel träume und als unglaublich langsam bewertet werde.

Ähnliches Verhalten habe er bereits in der KIGS-Gruppe gezeigt. Er sei in der Schule jedoch

nicht unsicher, oder ängstlich. Die KIGS-Leiterin vermutet, dass Marek Sicherheit dadurch

gewonnen habe, dass er schon das Schulgelände kannte: „Er ist kein anderes Kind in der

Schule. Hatte aber z.B. keine Angst. Mit Unsicherheiten hatte er nicht zu kämpfen wohl“ (PFK1,

Interview3, Z. 199).

Die Lehrkräfte beschreiben Marek nach dem Übergang als einen sehr ruhigen und

zurückhaltenden Jungen, der mehr könne als er zeige. Bei den Kindern sei Marek jedoch gut

angekommen. Er sei gut integriert und habe auch engere Freundschaften, teilweise noch aus

der KIGS-Gruppe. Auf dem Schulhof hingegen könne er mit den anderen Kindern auch laut

sein und toben, er sei den Kindern gegenüber offen. Marek sei ein ruhiges Kind, das aber sehr

viel könne. Er sei langsam, aber wolle inzwischen mehr schaffen und wisse, dass er dazu hin

und wieder Erinnerungen brauche. Seine sprachlichen Kompetenzen seien mittlerweile gut,

auch wenn er leise spreche und hin und wieder grammatische Fehler mache. Er gehe seit einiger

Zeit aber in die OGS, weil die Eltern wollten, dass er mehr Kontakt zur deutschen Sprache

bekommen soll. Durch den Austausch mit der KIGS-Gruppe seien die Lehrkräfte informiert

worden, dass Marek viele Förderangebote erhalten habe und anfangs ein Sorgenkind gewesen

sei. In seinem Verhalten in der Grundschule werde dies auch noch deutlich. Bei

Einzelbetreuung und intensiver Beschäftigung mit dem Kind zeige sich, dass Marek sehr viel

könne und verstehe:

„Ja, man muss es von ihm einfordern. Das wird immer wieder klar so. er selber bringt es also

er traut sich nicht so, das zu sagen, und er hat auch Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren auf

längere Sicht. Also dann träumt er. Aber wenn man so mit ihm alleine spricht und wenn man

sich um ihn kümmert bei den Aufgaben, dann kann er ganz, ganz viel“ (Lehrkräfte1, Interview2,

Z. 103).

Zum Ende des letzten Schuljahres können die Lehrkräfte eine positive Entwicklung Mareks

beschreiben. Während sie zu Beginn des Schuljahres Mareks Zurückhaltung noch auf einen

Mangel an Selbstsicherheit zurückführten –– „sein Selbstwertgefühl [ist] nicht so hoch“

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(ebenda, Z. 99) –, sei man nunmehr zu der Einsicht gekommen, Marek habe schlicht ein sehr

ruhiges Naturell, was sich in der Klasse durch seine Zurückhaltung zeige, jedoch keine

Rückschlüsse auf Mareks Kompetenzen zulasse: „Klassenlehrkraft Marek: Und da sagen wir

immer wieder, so stille Wasser sind tief. Denn bei ihm, erst dachten wir immer, der kann ganz

wenig, und da haben wir gemerkt, das stimmt nicht. Der kann ganz viel, der zeigt das nur nicht

so“ (Gruppendiskussion1, Z. 103).

4.4 Sipan: Die Entwicklung vom passiven Außenseiter zu einem humorvollen

Mitglied der Gruppe

Bedingungen im KIGS-Projekt und Entwicklung von Vorläuferkompetenzen

Sipan ist ein Junge der den PFK zu Beginn des KIGS-Jahres durch eine unbeteiligte Art und

große Trägheit aufgefallen sei. Er habe sich kaum an Aktivitäten beteiligt und meist

teilnahmslos auf dem Boden herumgelegen. Die Erwartungen seiner Mutter an das KIGS-

Projekt waren, dass die Kinder spielerisch auf die Grundschule vorbereitet werden. Sie ist im

Rückblick auf das Jahr sehr von dem KIGS-Projekt begeistert: „Das ist super, das ist toll“

(Interview_Eltern_Sipan, Z. 14). Besondere Zufriedenheit lösen Lernfortschritte beim Lesen

und im Umgang mit Zahlen aus, Sipan könne seiner Mutter zufolge bereits einzelne Wörter

korrekt lesen und Zahlen schreiben. Das Lesen sei nicht von seinen Eltern zu Hause mit ihm

geübt worden, sondern wird von der Mutter als Erfolg des Projekts erachtet. Das Programm

Hören, Lauschen, Lernen habe Sipan beispielsweise geholfen. Gleiches gilt für die Förderung

mathematischer Kompetenzen: Zu Beginn des Projektes habe Sipan bei dem EMBI-KiGa

einige Aufgaben noch nicht lösen können, nunmehr könne er aber alle Aufgaben erfüllen. Die

Mutter vermutet, dass die Erzieher durch die geringere Gruppengröße spezieller auf die

Bedürfnisse der einzelnen Kinder eingehen können und dadurch die Fortschritte entstehen.

Auch seine pädagogischen Fachkräfte benennen die Lesekompetenz des Kindes: „Ja, er kann

schon lesen, (…) er kann die Namen schon alle sehr gut erkennen eben auch. (…) Bei Vielem

weiß er auch, was da steht, und sagt dann: Guck mal, das kann ich da, ich lese das“ (PFK2,

Interview3, Z. 194).

Im Elterninterview wird ein deutlicher Unterschied zum älteren Bruder Sipans angesprochen:

„Gegenteil von meinem anderen Sohn, der nicht die KIGS-Gruppe besucht hatte, ist schon ein

sehr großer Unterschied“ (Interview_Eltern_Sipan, Z. 47). Zwar sei auch er in der Kita

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gefördert worden, jedoch erfolge die Förderung im KIGS-Projekt durch die

Jahrgangshomogenität – „man wird auch nicht von anderen, kleineren Kindern gestört“

(ebenda, Z. 47) – und in räumlicher Nähe zur Grundschule viel gezielter gefördert. In diesem

Punkt sieht die Mutter auch den Hauptvorteil des KIGS-Projektes. Die Kooperation zwischen

der KIGS-Gruppe und der Grundschule empfindet die Mutter als gut, könne sich aber eine

Ausweitung von gemeinsamen Projekten vorstellen. Das Kind nahm an gemeinsamen

Aktionen, wie Trommel-, und Kunstprojekten teil, besuchte auch schon die erste Klasse. Zu

Hause berichte Sipan dann mit Freude darüber und könne zeigen, was er gelernt habe. Die

Elternarbeit wird von Sipans Eltern positiv bewertet, da die Gespräche mit den PFK sehr

hilfreich seien und Erziehungstipps enthielten. Insgesamt könne die Mutter nur Positives vom

KIGS-Projekt berichten: „Nachteile? Ich glaube nicht. Nur Vorteile, ich hab´ nur Positives bis

jetzt gesehen und mitbekommen, nur positiv“ (ebenda, Z. 272).

Sipan entwickelt sich zu einem zufriedenen Kind

Aus Sicht der Mutter verlief der Start im KIGS-Projekt eher problemlos, das Kind habe sich im

Vorfeld sehr auf die KIGS-Gruppe gefreut und sei morgens auch eher freudig in die Gruppe

gegangen. Sipan scheint eine für ihn positiv behaftete Identität als KIGS-Kind entwickelt zu

haben, was sich unter anderem darin zeigt, dass der Junge seine Mutter immer wieder darauf

hinweise, dass er in die KIGS-Gruppe gehe und eben nicht in den Kindergarten. Zu Beginn des

KIGS-Projektes sei Sipan gelegentlich bockig oder schlecht gelaunt gewesen, etwa wenn ihm

etwas kaputtgegangen sei oder er ermahnt wurde. Das sei inzwischen nicht mehr der Fall, er

habe gelernt, gelassener mit derartigen Situationen umzugehen. Eine ähnliche Entwicklung

wird auch durch die pädagogischen Fachkräfte der KIGS-Gruppe beschrieben: Sipan habe zu

Beginn eine Phase gehabt, in der er sehr trotzig gewesen sei und habe in dieser emotionalen

Situation verharrt. Mittlerweile habe sich dies verbessert: „Ja, er kommt schneller raus. Das

geht schneller“ (PFK_Austauschgespräch2, Z. 115). Sipan freue sich bereits sehr auf die

Schule, insbesondere auf seinen Tornister. Er spiele auch mit den Schulsachen seines älteren

Bruders, was er „Hausaufgaben machen“ (Interview_Eltern_Sipan, Z. 144) nenne.

Sipan wird durch die Fachkräfte seiner KIGS-Gruppe als ein sehr kleines Kind beschrieben,

das jedoch abgesehen vom Körperlichen ein „großer Junge“ geworden sei. Im ersten Vierteljahr

habe er hauptsächlich ohne sichtliche Aktivitäten auf dem Bauteppich herumgelegen oder sei

durch den Gruppenraum gerobbt. Inzwischen sei er ein aufgewecktes Kind, wisse was es tun

soll, sei offener und traue sich viel mehr zu. Diese Veränderung führen die pädagogischen

Fachkräfte unter anderem darauf zurück, dass er sich mit den anderen Kindern messen musste

und auch konnte. Ihm habe das KIGS-Jahr diesbezüglich viel geholfen. Er habe sich gut

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entwickelt und könne nunmehr andere Seiten von Sich zeigen: „Jetzt kennen Sie ihn ja selber

mit seinem, wie er erzählt, diesen ganzen Witz, der dahinter steckt und hier und da und dieser

ganze Humor und Schalk, der jetzt dahinter steckt, ne. Hat einfach auch damit zu tun, wir haben

ihn, in der ersten Zeit haben wir ihn auch so gelassen, dass er da liegen konnte“ (PFK2,

Interview3, Z. 183).

Er habe im KIGS-Projekt die Zeit bekommen können, nur zu beobachten und sei gleichzeitig

von den pädagogischen Fachkräften beobachtet worden. Er sei dann langsam dazu ermuntert

worden, sich zu beteiligen. Sipan habe sich dann immer öfter eingebracht und einen gewissen

Ehrgeiz entwickelt, Aufgaben erfolgreich zu lösen oder eigene Rollen im Spiel gut und kreativ

zu füllen: „[W]ir haben gemerkt, dass er immer mehr Faxen für sich in so kleinen Zügen da

eingebaut hat selber. Der hat dann selber sich die Rolle […] gestaltet. […] Und das ist das, wo

wir sagen, das ist die Zeit, die wir hier haben“ (ebenda, 185).

Insgesamt sei er in der KIGS-Gruppe sehr bedacht aufgetreten und habe abwägen können, was

er wann tut. Die Pädagogischen Fachkräfte vermuten vor dem Übergang, dass Sipan in der

Schule zunächst ruhiger sein wird, attestieren dem Kind jedoch ein enormes

„Durchhaltevermögen“ (ebenda, 194). Das Kind verweile manchmal zu lange in abwartender

Position und habe dadurch wenige Freunde, sei jedoch mit dieser Situation nicht unglücklich.

Er sei sehr zufrieden mit sich selbst und spiele immer wieder mal mit verschiedenen Kindern,

„also dass er jetzt einen festen Freund braucht, glaub ich nicht“ (ebenda, Z. 195). Sipan könne

Situationen sehr gelassen nehmen, was eine seiner Stärken sei. Diese Stärken würden nicht

sofort auf dem ersten Blick auffallen und könnten in der besonderen Struktur der KIGS-Gruppe

viel besser wahrgenommen werden. Dies wird insbesondere mit der Gruppengröße und der

Jahrgangshomogenität in KIGS begründet. Gleichzeitig wird ein Vergleich zur Situation in der

Stammeinrichtung und anderen jahrgangsheterogenen Settings hergestellt, der analog zur

bereits dargelegten Bewertung durch die Mutter zugunsten der Konzeption in KIGS ausfällt:

„Die [Stärken; K.M.] würden da drüben untergehen, das würden wir wahrscheinlich gar nicht

mal mitkriegen, weil so viel drumrum ist, so viel andere Sachen einfach, (…) man ist abgelenkt,

man kann sich nicht so auf die Altersstufe konzentrieren. Das ist so“ (ebenda, Z. 201).

Sipan kommt in der Schule an

Die vor dem Wechsel auf die Schule seitens der KIGS-Leiterin geäußerte Vermutung, das Kind

werde zunächst ruhig auftreten und sich dann nach und nach durchsetzen, wird seitens seiner

Klassenlehrerin im Interview nach dem Übergang teilweise bestätigt. Sipan wird darin als ein

sehr ruhiger Junge beschrieben, der aber inzwischen etwas aufgetaut sei. Er bringe sich gut ein,

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sei aber eher zurückhaltend und könnte eigentlich viel mehr als das Gezeigte: „Der ist sehr

zurückhaltend und der könnte einfach doch auch ein bisschen mehr aus sich 'rauskommen und

wirklich auch mehr zeigen davon“ (Lehrkräfte2_Interview2, Z. 69).

Die Zurückhaltung im Unterricht wird von seiner Lehrerin nicht in Zusammenhang mit

mangelndem Selbstvertrauen gesehen. Sipan halte sich an die Regeln, die in der Klasse

herrschen und könne sehr gut mit anderen zusammenarbeiten. Die Klassenlehrerin vermutet,

Sipan wisse, dass er was kann. In diesem Punkt stimmt die Einschätzung der Lehrkraft also mit

der Leiterin der KIGS-Gruppe überein.

Insgesamt sei Sipan auch in der Grundschule eher zurückhaltend, habe aber inzwischen zwei,

drei Kinder gefunden, mit denen sich nun Freundschaften entwickelten. Das Kind stehe in der

Klasse zwar eher am Rande der Gruppe, aber nicht im negativen Sinne. Gerade bei Partnerarbeit

sei er beliebt, weil er „ein netter, netter Junge ist, wo man eben auch weiß: Man kann gut mit

ihm zusammen auch was machen, ohne eben mit ihm anzuecken mit ihm oder in problematische

Situationen zu geraten“ (ebenda, Z. 75).

Die Art des Jungen scheint im Klassengefüge gut anzukommen, was auch durch folgende

Eindrücke der Klassenlehrerin unterstrichen wird:

„Das ist so, so ein kleiner Schelm. Ja-ja-ja-ja. Oder auch so, manchmal so versteckt, so, auch

sehr hilfsbereit. Da hab' ich jetzt auch schon erlebt. Wenn irgendwie was ist, da fällt irgendwem

was 'runter, der hebt das auf. Also andere, da muss man ja förmlich drüber weg stolpern, dass

ein anderer da was aufhebt. Er ist, er teilt auch gerne 'n Radiergummi oder irgendwelche

anderen Arbeitsmaterialien mit anderen Kindern, also wirklich vom, vom so vom ganzen

Sozialverhalten her wirklich ein Guter“ (ebenda, Z. 83).

Ebenso wie die PFK der Kigs-Gruppe sieht auch die Lehrkraft einen Sinn für Humor als Stärke

des Kindes. Darüber hinaus zeichne ihn auch ein prosoziales Verhalten aus, wodurch er im

Verlauf seiner Schulzeit bislang immer mehr im Klassengefüge Fuß fassen konnte. Auch

während der Beobachtungen durch das Forscher*innen-Team fiel Sipan als aufgewecktes Kind

auf, das sehr viel Gefühl für Witz und Ironie zeigte und sich sehr freute, wenn seine kleinen

Späßchen verstanden und gewürdigt wurden.

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4.5 Zwischenfazit

In diesem Kapitel wurde der Übergang von vier Kindern dargestellt. Über diese exemplarische

Darstellung der Übergänge konnten verschiedene Dimensionen der Transition im KIGS-Projekt

aufgezeigt werden. Erwartungsgemäß lassen sich durch KIGS nicht alle

Übergangsschwierigkeiten und Probleme beim Schulstart beseitigen. Jedoch birgt die

veränderte Transitionsgestaltung an den beiden Standorten Potenziale einer darauf abzielenden

pädagogischen Praxis. Unabhängig vom Erfolgsgrad der Bewältigung des Übergangs wird ein

positiver Einfluss auf das Kind benannt. Dabei lassen sich u.a. vier Kategorien erkennen, die

eine Übergangsgestaltung im KIGS-Projekt charakterisieren:

Eine besondere pädagogische Praxis und Struktur in den Gruppen Die Form des kommunikativen Austauschs der beteiligten Akteure Die Nähe zum Raum Schule Eine zeitlich entzerrte Begleitung im Übergangsprozess

Bei Lina wird die positive Entwicklung ihres Selbstbewusstseins in einen direkten

Zusammenhang mit der pädagogischen Praxis und Konzeption ihrer KIGS-Gruppe gebracht.

Hier habe das Mädchen lernen können, sich im Umgang mit ihren Peers zu behaupten und ihre

Ängstlichkeit ablegen zu können. Für Alexej wird die Teilhabe am KIGS-Projekt als

Möglichkeit rekonstruiert, sich in Entwicklungsbereichen zum positiven entwickeln zu können.

Angesprochen sind hier insbesondere die sprachlichen und sozial-emotionalen Kompetenzen

sowie die Interessenentwicklung. Gleiches gilt für Marek, er konnte die Förderangebote im

Rahmen der KIGS-Gruppe sehr gut für sich nutzen und insbesondere seine sprachlichen

Fähigkeiten gut entwickeln.

Im Falle Linas beziehen sich die Fachkräfte der KIGS-Gruppe und die Mutter auf eine von

beiden positiv bewertete Austauschkommunikation zur Förderung des kindlichen

Selbstbewusstseins. Die Tatsache, dass auch die Lehrkraft Linas das Thema Ängstlichkeit

anspricht, das Kind sei von Beginn an nicht ängstlich aufgetreten, kann als Hinweis auf einen

kommunikativen Austausch der Lehrkraft mit der Mutter oder der PFK hindeuten, da hier eine

Eigenschaft thematisiert wird, die das Kind nicht demonstriert. Alexej hingegen konnte im

Rahmen des KIGS-Projekts im freien Spiel und in weniger unterrichtsähnlichen Situationen

durch die KIGS-Leiterin und die Schulleiterin gemeinsam beobachtet werden, wodurch ein

kommunikativer Austausch möglich wurde, der ansonsten nur sehr selten zwischen elementar-

und primarpädagogischen Einrichtungen stattfindet. Über diese gemeinsamen Erfahrungen

werden auch eine Einbeziehung der Familie und somit eine abgestimmte Förderplanung schon

vor dem Übergang zumindest möglich. Ein sich abzeichnender kontinuierlicher

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kommunikativer Austausch zwischen KIGS-Gruppe und Grundschule (auch nach dem

Übergang) kann als ein konsequentes Weiterdenken einer solchen Praxis angesehen werden.

Dies konnte in dem Übergangstandem auch beobachtet werden, indem sich zum einen

regelmäßige Austauschtreffen zwischen den Lehrkräften der Klassenstufe 1 und der KIGS-

Leiterin etabliert haben und zum anderen ein jährlich wiederkehrendes Übergabegespräch vor

Schuleintritt fest installiert wurde, welches genutzt wird, um einen erweiterten Austausch über

alle Kinder eines KIGS-Jahrgangs zu ermöglichen und den beteiligten

Alternativbeobachtungen seitens der Kooperationspartner nahebringen.

Über die Nähe zur Schule, wie schon oben gezeigt sowohl geographisch wie emotional,

sammeln die Kinder bereits früh Erfahrungen im schulischen Raum. Hierdurch verlieren die

Kinder im günstigen Fall mögliche Schulängste, werden mit Personen und Räumen vertraut

und fühlen sich wohler und sicherer. Hier ist weiterhin auf eine mögliche Überforderung

mancher Kinder, die sich nur langsam auf neue Situationen einstellen können zu achten. Die

Nähe bedeutet nicht zuletzt kurze Wege zur interinstitutionellen Kontaktaufnahme bei Bedarf

und den Ausbau einer regelmäßigen Kooperationsbeziehung. Positive Wirkungen der

räumlichen Nähe und damit verbundenen frühen Eingewöhnung im schulischen Raum zeigen

sich bei allen vier Fallrekonstruktionen.

Zusätzlich wurde insbesondere in den Fällen Sipans und Mareks die Bedeutung einer zeitlich

entzerrten Annäherung an die Institution Schule und dadurch eine auf die Bedürfnisse und

Voraussetzungen der Kinder zugeschnittene pädagogische Praxis beschrieben. Eine

erfolgreiche Umsetzung förderlicher pädagogischer Prozesse im KIGS-Projekt steht dabei in

unmittelbarem Zusammenhang mit dieser verfügbaren Zeit, die einerseits die Eingewöhnung

der Kinder ermöglicht und andererseits mehr Raum lässt, um Förderprozesse bei Kindern im

Übergang zu initiieren und institutionelle Kooperationen entstehen zu lassen. Folgt man den

aufgezeigten Einschätzungen, konnte sich Sipan die Zeit nehmen, die er benötigte, um seine

Kompetenzen zu entwickeln und auch zu demonstrieren. Gleichzeitig konnten sich die

Fachkräfte Zeit nehmen, die kindliche Entwicklung zu beobachten und zu begleiten. In diesem

Sinne bedeutet die Konzeption der KIGS-Gruppen, dass sich gänzlich einer für die Kinder

förderlichen Übergangsgestaltung gewidmet werden kann. Dies wird durch die pädagogischen

Fachkräfte und die Eltern in einem engen Zusammenhang mit der Jahrgangsstruktur gesetzt.

Wenngleich die einzelnen Fallbeschreibungen einzelne der oben genannten Kategorien

besonders verdeutlichen, lässt sich doch festhalten, dass alle vier Kategorien miteinander

zusammenhängen und sich im KIGS-Projekt gegenseitig ergänzen oder gar voneinander

abhängen.

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5. Fazit

Die wissenschaftliche Begleitung evaluierte die Ergebnisqualität des KIGS-Projekts aus Sicht

aller beteiligten Personengruppen. Die Umsetzung der Ziele an den beiden Standorten wurden

neben den Rekonstruktionen der einzelnen Akteursperspektiven auch durch die Analyse

konkreter Übergänge von Kindern nachgezeichnet. Über diesen mehrperspektivischen Zugang

wurde die Bedeutung verschiedener Inhalte und Konzepte dargelegt, die für eine Zielumsetzung

an den Standorten wesentlich erschienen. Die pädagogische Praxis der beiden KIGS-Gruppen

und die Umsetzung mit verschiedenen Praktiken lassen spezifische Möglichkeiten der

Unterstützung und Förderung der KIGS-Kinder ebenso erkennen wie neu entwickelte Formen

der Interaktion und Kooperation von am Übergang beteiligten Personengruppen und den

Institutionen.

Die pädagogische Arbeit in der Gruppe ist insbesondere durch die räumliche Anbindung an die

Grundschule und die Gruppenzusammensetzung in Jahrgangshomogenität gekennzeichnet.

Wohingegen auf bildungspolitischer Ebene und gemeinhin eher eine Jahrgangsheterogenität als

konstitutives Element des Elementarbereichs aufgefasst wird. In der wissenschaftlichen

Literatur zur Altersstruktur in elementarpädagogischen Einrichtungen finden sich sowohl

positiv als auch negativ bewertete Aspekte altershomogener bzw. –heterogener Gruppen in

Kindertageseinrichtungen (Griebel & Minsel 2009; Textor 2009a, 2009b; Wüstenberg &

Riemann 2008). Insbesondere Textor empfiehlt, dass die einzelnen Kindertageseinrichtungen

in Auseinandersetzung mit ihren Rahmenbedingungen selbst entscheiden sollen, welche Form

der Altersstruktur sie in den einzelnen Gruppen vorziehen.

Die pädagogischen Fachkräfte in den KIGS-Gruppen wägen in ihren Rekonstruktionen positive

und negative Folgen ihrer Jahrgangsstruktur ab. Zwar lassen sich im Vergleich beider KIGS-

Gruppen Unterschiede in den Graden der Zufriedenheit festhalten, jedoch bewerten die

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pädagogischen Fachkräfte die gegebene Altersstruktur letztlich eher positiv. Es zeigt sich dabei

ein Zusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen – wie Größe der Räume und die

Personalsituation – und den Bewertungen. Die Kinder in den jahrgangshomogenen KIGS-

Gruppen regen sich demnach gegenseitig im positiven Sinne an und lassen sich auf die

spezifischen Angebote sehr motiviert ein. Die Analyse der Interviews mit Eltern zeigte zudem,

dass sie die homogene Altersstruktur mehrheitlich als positiven Aspekt des Projekts bewerten.

Durch die ausschließliche Zugehörigkeit von Kindern im Übergangsprozess erkennen sie die

Voraussetzungen für individuell zugeschnittene pädagogische Angebote. Die Ergebnisse der

Kinderbefragungen und –beobachtungen zeigen, dass diese sich in ihren KIGS-Gruppen

wohlfühlen.

Für die Kinder wurde der Übergang von der Stammkita in die KIGS-Gruppe am Anfang

dadurch gestaltet, dass viel auf Vertrautes gesetzt wurde. In diesem Sinne werden seitens der

pädagogischen Fachkräfte und auch einiger Eltern vertraute Erzieherinnen, vertraute Gruppen

und schon bekannte Spielmaterialien als hilfreich für die Kinder erachtet. Die Mehrheit der

interviewten pädagogischen Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte bewerten das KIGS-Projekt als

sehr förderlich für kindliche Entwicklungsprozesse und eine gelingende Transition in die

Grundschule. Dies trifft insbesondere auf die sozial-emotionalen Entwicklungsbereiche zu.

Darüber hinaus werden mit dem KIGS-Projekt erweiterte Potenziale einer kindbezogenen

individuellen Förderung im sprachlichen und mathematischen Bereich gesehen. Damit ist auch

die Möglichkeit einer jahrgangsbezogenen Förderung und Forderung angesprochen, die nach

Einschätzung der Beteiligten viel intensiver und individualisierter umgesetzt werden kann. Es

entstehen demnach erweiterte Möglichkeiten einer Fokussierung in der pädagogischen Arbeit.

Die Fachkräfte richten ihre Arbeit danach aus, besondere Bedarfe der Kinder wahrzunehmen

und entsprechende Angebote bereitzustellen. Dadurch, dass alle Kinder vor dem Übergang in

der Schule stehen, fühlen sie sich den Kindern näher.

Wird den nahezu übereinstimmenden Rekonstruktionen der beteiligten Akteure gefolgt, gibt

die räumliche Anbindung an die Grundschule den Kindern Vertrautheit für den Schulbeginn.

Es wird ein gesteigertes Wohlbefinden und eine größere Sicherheit der KIGS-Kinder

wahrgenommen. Die Kinder selbst entwickeln differenziertere Vorstellungen von Schule.

Parallel dazu entstehen neue Formen der kommunikativen Praxis von Entwicklungsgesprächen

mit Eltern, die stärker in Förderprozesse einbezogen werden sollen. Die Falldarstellungen

zeigten jedoch auch, dass im KIGS-Projekt zwar vielfältige Potenziale für bruchlose und

erfolgreiche Übergang geschaffen werden, aber keine Erfolgsgarantie gegeben ist. Vielmehr

erfordern die einzelnen Kinder in bestimmten Fällen ein besonderes Augenmerk.

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Nach der Eingewöhnungszeit wurden Projekte zwischen den Institutionen zunehmend geplant

und umgesetzt. Sie entwickelten sich im Laufe der drei Jahre zu „normalen“ und zum Alltag

gehörende Elemente. Außerdem wurden immer mehr Berührungspunkte wahrgenommen, die

systematisch in die Arbeitsprozesse integriert wurden. Die jeweiligen KIGS-Gruppen und

zugehörigen Grundschulen verstehen sich nun als Einheit in der Transitionsgestaltung.

Gleichzeitig erhalten sich die Institutionen ihre Eigenständigkeit in organisatorischer Hinsicht.

Vor allem die Kita-Leitungen fungieren als Bindung zu den Stammeinrichtungen. Die

pädagogische Eigenständigkeit zeigt sich in den dargelegten Strategien der pädagogischen

Fachkräfte der KIGS-Gruppe zur Förderung der Gruppenkohäsion, die sich primär am

Wohlbefinden und den Bedarfen der KIGS-Kinder orientieren. Somit können die KIGS-

Leiterinnen mittels der Fokussierung auf Kinder im Übergangsprozess und der direkten

Beobachtung der kindlichen Bedarfe im schulischen Umfeld eigene spezifische Ziele für die

einzelnen Kinder im Transitionsprozess formulieren. Durch die gemeinsame Zielsetzung von

KIGS-Leiterinnen und Lehrkräften bezüglich eines erleichterten Übergangs in die Grundschule

entstehen aber auch vielfältige Formen der Kooperation, die weit über die Zusammenarbeit in

der Vorphase des Modellprojekts hinausgehen. Diese sind zwar hier aufgrund der räumlichen

Nähe entstanden, prinzipiell aber nicht daran zwangsläufig gebunden.

Bislang gehört eine Übergabe von Bildungsdokumentationen an den beiden Standorten nicht

zur gängigen Praxis. Diese bilden keine explizite Gesprächsgrundlage zwischen den

Institutionen. Cloos, Schulz, Urban & Werning (2015, S. 86f.) weisen darauf hin, dass die im

Rahmen von Bildungsdokumentationsverfahren beobachteten und dokumentierten Inhalte auch

indirekt in die kommunikative Praxis der am Übergang beteiligten Akteure einfließen können,

ohne als solche „gekennzeichnet“ zu sein. Ähnliche Befunde können für die Kooperation im

KIGS-Projekt bestätigt werden. Auch hier findet kaum ein Transfer von

Bildungsdokumentationsinstrumenten in die Grundschule statt, aber fortlaufend wird in den

Kommunikationen auf in der KIGS-Gruppe generiertes Wissen über die Kinder

zurückgegriffen. Gleichzeitig zeichnet sich eine Zunahme der Zusammenarbeit von KIGS-

Gruppe, Grundschule und Familien ab, wie dies beispielhaft an einigen Fallrekonstruktionen

gezeigt werden konnte. Im KIGS-Projekt konnte insbesondere die kontinuierliche Präsenz der

Schulleitungen und der Schulsozialarbeiter*innen bei gemeinsamen Veranstaltungen eine frühe

Begegnung mit den Eltern ermöglichen, wodurch auch Hemmschwellen abgebaut werden

konnten. Die Ergebnisse aus den unterschiedlichen Standorten zeigen jedoch auch, dass die

empfundene Qualität dieser Kooperationsformen stark von den jeweiligen

Rahmenbedingungen –materielle, räumliche und personelle Ausstattung– und der

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Kommunikationspraxis vor Ort abhängen. Allein die räumliche Nähe ist kein Garant für eine

bessere Vernetzung, diese muss von weiteren Beteiligten erarbeitet werden. Für beide

Institutionen bedeutet die Umsetzung des KIGS-Projekts auch nach drei Jahren noch eine

ressourcentechnische Herausforderung. Im Zeitverlauf zeichnen sich Erleichterungen ab,

Kommunikations- und Kooperationsabläufe werden alltäglicher und als zunehmend hilfreicher

empfunden. Dennoch sind die Belastungen der Akteure beider Institutionen im KIGS-Projekt

erheblich und die Erfolge sind auch auf freiwilliges Engagement zurückzuführen.

Die Hauptzielsetzung des KIGS-Projekts besteht darin, den Kindern einen gelingenden

Übergang in die Grundschule zu ermöglichen. Dieser ist idealerweise an den individuellen

Bedürfnissen und Voraussetzungen der Kinder orientiert und zeichnet sich durch eine

Vernetzung und Kooperation der beteiligten Institutionen (Kita, Grundschule und Familie) aus.

Durch die Anlage des KIGS-Projekts sowie der Konzeptionierung der KIGS-Gruppen und der

Transitionsgestaltung konnten an beiden Projektstandorten veränderte Bedingungen geschaffen

werden, die sich deutlich positiv von denen der Vorprojektphase unterscheiden. Trotz einiger

Einschränkungen kann somit eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts aus Akteursperspektive

konstatiert werden. Die wissenschaftliche Analyse zeigt von Beginn an Muster von positiven

Übergangsgestaltungen: KIGS ermöglicht den Kindern eine frühe Heranführung an die

alltäglichen Abläufe, Strukturen und Rituale der Grundschule, in welche sie sukzessive

hineinwachsen können. Der Übergang für die Kinder zeichnet sich durch eine hohe Kontinuität

im Sinne einer gesteigerten Vertrautheit mit schulischen Räumen, Personen und Ritualen aus.

Darüber hinaus wird die gegebene Alters- bzw. Jahrgangshomogenität als Grundlage für

individualisierte und auf zukünftige Schulkinder zugeschnittene pädagogische Angebote und

Förderprozesse rekonstruiert, die in einem interprofessionellen kollegialen Austausch

prozessbegleitend reflektiert werden.

Anzeichen für negative Wirkungen eines durch KIGS erzeugten bildungsbiographischen

Bruchs und damit einhergehende nachhaltige negative Einflüsse auf die Entwicklung der

Kinder konnten im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung nicht erkannt werden. Ebenso

ist festzuhalten, dass trotz der ausgebauten Vernetzung sich bislang keine starke

„Schoolifacation“ des Kindergartens zeigt. Dies hängt damit zusammen, dass die KIGS-

Leiterinnen und folglich das pädagogische Personal des Elementarbildungsbereichs eine

tragende Rolle bei der Konzeption der pädagogischen Prozesse einnehmen. Die Intensität und

Ausgestaltung der Kooperationspraxis wird an den wahrgenommenen Bedarfen der Kinder

orientiert. Hier ist weiterhin auf eine mögliche Überforderung von Kindern zu achten, die sich

langsamer auf neue Situationen einstellen können. Außerdem wird eine Verschulung im Sinne

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einer Verlagerung von schulischen Lernstoffen von den beteiligten Lehrkräften und

pädagogischen Fachkräften selbst als mögliche Gefahr erachtet und die Kooperationspraktiken

gemeinsam reflektiert: Für beide Institutionen steht das Wohlbefinden der KIGS-Kinder im

Vordergrund. Gerade im Bereich der sozial-emotionalen Kompetenzen werden die Vorteile für

die KIGS-Kinder verortet. Für die Einrichtungen und die Familien entstehen neue

Kooperations- und Kommunikationspraktiken, die auch institutionsübergreifende Bildungs-

und Entwicklungsprozesse der Kinder avisieren. Die Nähe der Institutionen ermöglicht durch

kurze Wege interinstitutionelle Kontaktaufnahmen und den Ausbau dauerhafter

Kooperationsbeziehungen. An geplante und ungeplante Begegnungen von pädagogischen

Fachkräften und Lehrkräften schließen Gespräche mit Eltern an, wodurch ein Einbezug der

Familie und somit eine Vorbedingung für eine abgestimmte Förderplanung schon vor dem

Übergang möglich wird. Unter den sehr speziellen Rahmenbedingungen des KIGS-Projekts

lassen sich viele Aspekte einer Ko-Konstruktion bzw. Kontinuitätsaspekte im Übergang

erkennen, die aus Sicht der Akteure zu einer positiven Transitionsgestaltung beitragen, wobei

selbstredend nicht für jedes Kind ein erfolgreich bewältigter Übergang berichtet wird. Es

ergeben sich allerdings Potenziale, ein erweitertes Kontextwissen für individualisierte und an

kindlichen Bedarfen orientierte Lernarrangements im Unterricht zu nutzen.

Eine gute Kooperation zwischen Elementar- und Primarbildungsinstitutionen sowie ihrer Fach-

und Lehrkräfte stellen einen wichtigen Bereich der wissenschaftlichen Übergangsdiskurse dar

und können als Hauptziel aktueller Modellprojekte und konkreter Kooperationen benannt

werden. Es können unterschiedliche Formen und Niveaus der Kooperationsbeziehung

unterschieden werden (vgl. Gräsel, Fußnagel und Pröbstel 2006; Hanke, Backhaus und Bogatz

2013). Dabei heben die Autor*innengruppe um Gräsel und im Anschluss daran auch Hanke et

al. die drei Kooperations-Niveaus Austausch, Arbeitsteilung und Ko-Konstruktion hervor. Das

letzte genannte Niveau gilt als besonders anspruchsvolle Kooperationsstufe. Diese Form

zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Beteiligten „neues Wissen aneignen und gemeinsam zu

neuen Aufgaben- und Problemlösungen gelangen“ (Hanke et al. 2013, S. 15). Im KIGS-Projekt

lassen sich sehr viele Kooperationsformen auf der Ebene des Austausches zuordnen, hier sind

die Umsetzungen abhängig von den Präferenzen entweder systematisch und elaboriert oder

fußen auf Adhoc-Kontakten bei Bedarf. Zunehmend entstehen aber auch arbeitsteilig

konzipierte pädagogische Arrangements oder Projekte und ko-konstruktive

Kooperationsprozesse wie dieser Abschlussbericht zeigt.

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6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Graphische Darstellung der Analyseebenen 7

Abb. 2: Quantitative Auswertung PERIK-Bögen 2016 19

Abb. 3.1: Eltern-Kind-Vergleich Gruppenklima 1 35

Abb. 3.2: Eltern-Kind-Vergleich Gruppenklima 2 35

Abb. 3.3: Eltern-Kind-Vergleich Soziale Integration 1 36

Abb. 3.4: Eltern-Kind-Vergleich Soziale Integration 2 36

Abb. 3.5: Eltern-Kind-Vergleich Selbstkonzept 1 36

Abb. 3.6: Eltern-Kind-Vergleich Selbstkonzept 2 37

Abb. 3.7: Eltern-Kind-Vergleich Autonomie 1 37

Abb. 3.8: Eltern-Kind-Vergleich Autonomie 2 37

Abb. 3.9: Eltern-Kind-Vergleich Partizipation 1 38

Abb. 3.10: Eltern-Kind-Vergleich Partizipation 2 38

Abb. 4: Selbsteinschätzungen 2014 MZP1 39

Abb. 5: Selbsteinschätzungen 2014 MZP2 39

Abb. 6: Selbsteinschätzungen 2016 MZP1 40

Abb. 7: Selbsteinschätzungen 2016 MZP2 40

Abb. 8: Mittelwerte Schuleinstellung 41

Abb. 9: Freude des Kindes zu Schulbeginn 47

Abb. 10: Zusammenarbeit der Professionellen 48

Tab. 1 Übersicht der Erhebungsinstrumente und der Anzahl der Erhebungen 9

Tab. 2.1: Ergebnisse PERIK-Kategorie Kontaktfähigkeit 20

Tab. 2.2: Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbststeuerung 20

Tab. 2.3: Ergebnisse PERIK-Kategorie Selbstbehauptung 20

Tab. 2.4: Ergebnisse PERIK-Kategorie Stressregulierung 21 Tab. 2.5: Ergebnisse PERIK-Kategorie Aufgabenorientierung 21 Tab. 2.6: Ergebnisse PERIK-Kategorie Explorationsfreude 21

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7. Literatur

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10. Griebel, W./Minsel, B.: Jahrgangsgruppen in der Kindertageseinrichtung? Bildung, Erziehung,

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11. Griebel, W./Niesel, R. (2004): Transitionen. Fähigkeiten von Kindern in Tageseinrichtungen fördern, Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. Weinheim und Basel: Beltz.

12. Hanke P., Backhaus, J. & Bogatz, A. (2013): Den Übergang gemeinsam gestalten. Münster:

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13. Krajewski, K., Küspert, P. & Schneider, W. (2002). Deutscher Mathematiktest für erste Klassen (DEMAT 1+). Göttingen: Hogrefe.

14. Mayr, T./Ulich, M. (2007): Perik. Positive Entwicklung und Resilienz im Kindergartenalltag (Beobachtungsbogen und Begleitheft) Freiburg: Herder.

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15. Mayring, P. (2000): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 7. Aufl. Weinheim.

16. Mischo, C., Weltzin, D. & Fröhlich-Gildhoff, K. (2011). Beobachtungs- und Diagnoseverfahren

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17. Peter-Koop, A. /Grüßing, M. (2011). Elementarmathematisches Basisinterview für den Einsatz im Kindergarten. Offenburg: Mildenberger.

18. Rauer, W./Schuck, K.D. (2004). Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer

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Hans Rudolf; Rauschenbach, Thomas (Hrsg.), Wie viel Schule verträgt der Kindergarten? Annäherung zweier Lernwelten. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut, S. 75-90.

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22. Textor, M.R. (2009b): Plädoyer für Jahrgangsgruppen. Welt des Kindes, 87 (1), S. 32-34.

23. Stadt Bielefeld (2012): Kommunaler Lernreport 2012. Zugriff am 15.09.2016. Verfügbar unter https://www.bielefeld.de/ftp/dokumente/Lernreport2012.pdf

24. Strauss, A. L. (1994): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und

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25. Strauss, A. L./Corbin, J. M. (1996): Grounded theory. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim.

26. Urban, M./ Schulz, M./ Meser, K./Thoms, S. (2015): Inklusion und Übergang als Transformationsimpulse in der Relation von Kindertageseinrichtung und Grundschule – Eine Einleitung In: Dies. (Hrsg.): Inklusion und Übergang – Perspektiven der Vernetzung von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 7-18.

27. World Vision (2013): „Wie gerecht ist unsere Welt?“ Kinder in Deutschland 2013. World

Vision Survey. Wissenschaftliche Leitung: Sabine Andresen und Klaus Hurrelmann. Weinheim: Beltz.

28. Wüstenberg, W./Riemann, I. (2008): Spielkontakte in der altersgemischten Gruppe.

Ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Studie, TPS – Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Heft 7, S. 38-39.