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Diplomica Verlag
Wissensmanagement,Kompetenzmanagementund Modelltheorie
Ein Integrationsansatz zum erfolgreichenTransfer von Expertise in betrieblichen Abläufen
Bernhard Mayr
Bernhard Mayr Wissensmanagement, Kompetenzmanagement und Modelltheorie Ein Integrationsansatz zum erfolgreichen Transfer von Expertise in betrieblichen Abläufen ISBN: 978-3-8366-2091-8 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2009
1
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Mag. Rainer Born vom Institut für
Philosophie und Wissenschaftstheorie der Johannes Kepler Universität Linz, bei Herrn
Professor Dipl.-Ing. Dr. Gerhard Chroust vom Institut für Systems Engineering and
Automation der Johannes Kepler Universität sowie bei Herrn Professor Dr. Franz
Hörmann vom Institut für Rechnungswesen und Revision der Wirtschaftsuniversität
Wien, die mich bei der Ausarbeitung des Werkes durch Ihre fachliche Kompetenz mit
hilfreichen Inputs unterstützen.
Ebenso gilt mein Dank meiner Familie für ihre Motivation, Unterstützung und ihr
Verständnis, besonders während der letzten Phase des Buchprojekts bedanken.
3
1 EINLEITUNG UND MOTIVATION .............................................................. 7
1.1 Motivation des Buchs ....................................................................................................................... 7
1.2 Strukturierung des Buchs.............................................................................................................. 10
1.3 Problemaufriss................................................................................................................................ 11
1.4 Wissenschaftliche Fragestellungen ............................................................................................... 13
1.4.1 Zentrale Frage im Buch .......................................................................................................... 13
1.4.2 Hypothese H0 ......................................................................................................................... 14
1.4.3 Hypothese H1 ......................................................................................................................... 14
1.5 Ausgangssituation – Warum Mitarbeiter für das Unternehmen wichtiger geworden sind..... 15
1.5.1 Veränderung der Märkte......................................................................................................... 15
1.5.2 Veränderung der Mitarbeiter .................................................................................................. 17
1.5.3 Veränderung in der Unternehmensführung............................................................................. 18
1.5.3.1 Taylorismus................................................................................................................... 18
1.5.3.2 Fordismus...................................................................................................................... 21
1.5.3.3 Toyotismus.................................................................................................................... 21
1.5.4 Taylorismus im Wissensmanagement..................................................................................... 24
1.5.5 Der Einfluss des demografischen Wandels auf die Unternehmen .......................................... 28
1.5.6 Shareholder Value vs. Stakeholder Value............................................................................... 30
1.5.7 Konzentration auf die Fähigkeiten der Mitarbeiter................................................................. 32
1.5.8 Investitionen in Mitarbeiter als finanzieller Aufwand ............................................................ 36
1.6 Ressourcenbasierter Ansatz vs. marktorientierter Ansatz der strategischen
Unternehmensführung ............................................................................................................................ 36
1.6.1 Erklärung des Strategie-Begriffs............................................................................................. 37
1.6.2 Der marktorientierte Ansatz strategischer Unternehmensführung.......................................... 37
1.6.3 Der ressourcenbasierte Ansatz strategischer Unternehmensführung ...................................... 38
1.6.4 Der kompetenzorientierte Ansatz strategischer Unternehmensführung.................................. 43
1.7 Individuelles und organisationales Wissen als betriebliche Ressource...................................... 44
1.8 Notwendigkeit von IT-Systemen zur Unterstützung betrieblicher Abläufe.............................. 45
2 GRUNDLAGEN FÜR ORGANISATIONALES LERNEN.......................... 46
2.1 Organisationales Lernen als Grundlage für Wissensmanagement............................................ 46
4
2.2 Systemische Sichtweise................................................................................................................... 46
2.2.1 Organisation von Kompetenzinseln ........................................................................................ 53
2.2.2 Modelltheoretischer Ansatz organisationalen Lernens ........................................................... 54
2.2.3 Das Hilbertsche Problem ........................................................................................................ 56
2.2.4 Das Gödel Theorem ................................................................................................................ 58
2.3 Komplexe dynamische Systeme..................................................................................................... 59
2.3.1 Herkunft .................................................................................................................................. 60
2.3.2 Diskrete dynamische Systeme ................................................................................................ 61
2.3.3 Was soll mit komplexen Systemen erklärt werden? ............................................................... 62
2.4 Organisationales Lernen................................................................................................................ 63
2.4.1 Organisationales Lernen nach Argyris und Schön.................................................................. 63
2.4.2 Ein- / Zweischleifenlernen ...................................................................................................... 64
2.4.3 Lerntheoretischer Ansatz von Kim ......................................................................................... 66
2.4.4 U-Theorie................................................................................................................................ 68
2.4.5 Language, Information, Reality – Das LIR-Schema............................................................... 74
2.5 Verbindung U-Theorie und LIR-Schema..................................................................................... 77
3 WISSENSMANAGEMENT........................................................................ 81
3.1 Begriffsbestimmung von Wissen ................................................................................................... 82
3.1.1 Implizites / explizites Wissen ................................................................................................. 82
3.1.2 Wissenstransformationen nach Nonaka/Tacheuchi................................................................. 83
3.1.3 Fakten, Interpretation von Wissen .......................................................................................... 85
3.1.4 Der Kontext von Wissen ......................................................................................................... 85
3.2 Wissensmanagement der ersten Generation ................................................................................ 86
3.2.1 Zusammenfassung der zentralen Aspekte von Wissensmanagement der ersten Generation .. 88
3.2.2 Probleme von Wissensmanagement der ersten Generation..................................................... 88
3.3 Wissensmanagement der zweiten Generation.............................................................................. 90
3.3.1 Kennzeichen und zentrale Aspekte von Wissensmanagement der zweiten Generation.......... 92
3.3.2 Probleme, die durch Wissensmanagement der zweiten Generation gelöst werden können.... 93
3.3.3 Der „Knowledge-Life-Cycle“ ................................................................................................. 95
3.3.4 Verbindung von komplexen Systemen und Wissensmanagement .......................................... 99
3.3.5 Offene Problemstellungen..................................................................................................... 101
5
4 KOMPETENZMANAGEMENT ............................................................... 103
4.1 Begriffsbestimmung Kompetenz................................................................................................. 103
4.1.1 Abgrenzung von „Qualifikation“ und „Kompetenz“ ............................................................ 106
4.1.2 Englische Termini................................................................................................................. 109
4.1.3 Zusammenfassung der Definitionen von Kompetenz ........................................................... 109
4.2 Begriffsbestimmung Kompetenzmanagement ........................................................................... 112
4.3 Woher kommt der Begriff Kompetenz und Kompetenzmanagement? ................................... 114
4.4 Was bringt Kompetenzmanagement? ........................................................................................ 115
4.5 Ziele von Kompetenzmanagement.............................................................................................. 120
4.6 Kompetenzklassen........................................................................................................................ 126
4.7 Messung bzw. Beurteilung von Kompetenz ............................................................................... 129
4.7.1 Selbstbeurteilung .................................................................................................................. 130
4.7.2 Fremdbeurteilung.................................................................................................................. 131
4.7.3 Verzerrungen der Beurteilung von Kompetenzen ................................................................ 136
4.8 Kompetenzmanagement im LIR Schema................................................................................... 139
4.9 Kompetenzmanagementsysteme ................................................................................................. 151
4.10 Was erklärt den Erfolg von Kompetenzmanagement? ........................................................ 154
4.10.1 Humankapital................................................................................................................... 157
4.11 Einführung von Kompetenzmanagementsystemen .............................................................. 164
4.11.1 Erfolgsfaktoren für die Einführung von Kompetenzmanagement ................................... 164
4.12 Fokussierung auf Administration von Kompetenz?............................................................. 173
4.13 Grenzen und Gefahren von Kompetenzmanagementsystemen........................................... 174
4.14 Der Kompetenzmanagementansatz nach Probst/Deussen/Eppler/Raub............................ 176
4.14.1 Inhalt des Ansatzes nach Probst/Deussen/Eppler/Raub ................................................... 177
4.14.1.1 Individuelles Wissens- und Kompetenzmanagement.................................................. 177
4.14.1.2 Organisationales Kompetenzmanagement .................................................................. 179
4.14.1.3 Interorganisatorisches Kompetenzmanagement .......................................................... 182
4.14.2 Kritik am Ansatz von Probst/Deussen/Eppler/Raub ........................................................ 183
4.14.3 Schlussfolgerungen aus der Kritik am Ansatz nach Probst et al. ..................................... 185
6
5 INTEGRATION VON WISSENSMANAGEMENT UND KOMPETENZMANAGEMENT IN EINEM MODELLTHEORETISCHEN ANSATZ......................................................................................................... 187
5.1 Voraussetzungen für eine Integration ........................................................................................ 187
5.1.1 Ausrichtung der Organisation als lernende Organisation...................................................... 187
5.1.2 Betrachtung der Organisation aus systemischer Sichtweise ................................................. 188
5.1.3 Selbstreflexion ermöglichen ................................................................................................. 188
5.1.4 Wissen als kontext- bzw. subjektbezogen betrachten ........................................................... 189
5.1.5 Kommunikation über die klassischen Unternehmensgrenzen hinaus ................................... 189
5.2 Wissensmanagement, Strategie, Kompetenzmanagement ........................................................ 192
5.3 Warum Wissen vor Strategie?..................................................................................................... 198
5.4 Transfer von Expertisen durch Kompetenzmanagement ......................................................... 202
6 ZUSAMMENFASSUNG .......................................................................... 207
7 AUSBLICK.............................................................................................. 210
8 ANHANG A: ZUSAMMENFASSUNG DER EXPERTENINTERVIEWS.. 212
9 ANHANG B: LEBENSLAUF DES AUTORS .......................................... 217
10 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS .................................. 219
11 LITERATUR ............................................................................................ 221
7
1 Einleitung und Motivation In diesem Kapitel wird auf die Motivation eingegangen – sprich warum das vorliegende
Werk aus praktischer und persönlicher Sicht des Autors lesenswert ist. Die inhaltliche
Strukturierung des Buchs wird in Kapitel 1.2 dargestellt.
1.1 Motivation des Buchs Die Konzentration auf die Entwicklung der Mitarbeiter als Teil des Unternehmens und
die Tatsache, dass eine Organisation oder ein Betrieb mehr ist als die reine Summe der
einzelnen Mitarbeiter stellt einen Anreiz dar, sich mit einem Thema aus diesem Bereich
näher zu beschäftigen.
Innovation an sich stellt einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor der westlichen
Wirtschaft im Vergleich zu Niedriglohnländern dar. Es scheint, keinen Sinn zu machen,
auf Basis der Lohnkosten konkurrieren zu wollen. Vielmehr liegt der Schlüssel in der
Innovationsfähigkeit. Diese geht jedoch vom einzelnen Mitarbeiter und dessen Wissen
und Entwicklung aus. Aus diesem Grund ist es erfolgversprechend die Entwicklung der
Mitarbeiter eines Unternehmens in die Konzepte der Unternehmensführung
aufzunehmen und bestmöglich zu fördern.
Eine wesentliche Möglichkeit, eine solche Basis für Innovationsfähigkeit zu schaffen ist
es, die Kommunikation unter den Mitarbeitern zu fördern und durch eine Dispersion des
Wissens das Unternehmen wachsen zu lassen.
War Wissen in der Geschichte eher statisch und über einen längeren Zeitraum
unverändert, stellt es heute eine sehr flexible und schnelle Entität dar. Während es vor
geraumer Zeit ausreichend war, einen Beruf zu erlernen und diesen dann in derselben
Form bis an das Ende des aktiven Arbeitslebens auszuüben, ist heute lebenslanges
Lernen vom Berufsalltag nicht mehr wergzudenken.
8
Aus diesem Grund stellen die Beschäftigung mit Wissen im Unternehmen und das
Management von Wissen sowie die Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne von
organisationalem Lernen einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Beeinflussung des
Unternehmenserfolgs dar.
Das Konzept „Wissensmanagement“ kann sich nun schon seit Anfang der 1990er Jahre
als zentrales Konzept der Unternehmensführung behaupten - sowohl in der
wissenschaftlichen Diskussion wie auch in der Praxis. Daraus kann geschlossen werden,
dass es sich beim Wissensmanagement weniger um einen Management-Trend als viel
mehr um eine Neuorientierung der Unternehmensführung handelt. Dies untermauern
einerseits nach wie vor zahlreich erscheinende Publikationen zum Thema wie auch die
Tatsache, dass Management-Trends eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa fünf
Jahren haben.1 Diese Lebensdauer hat Wissensmanagement inzwischen bereits deutlich
überschritten.
Wenn wir von Wissen oder Wissensmanagement sprechen, muss uns klar sein, dass wir
uns immer Metaphern bedienen, die unserer Vorstellung von Wissen hinterlegt sind.2
Vor dem Hintergrund dieser Metapher interpretieren wir den Begriff Wissen und
Wissensmanagement als Konzept. Andriessen stellte die Metaphern, die in den
Ansätzen westlicher Autoren von Wissensmanagement stecken, jenen der Autoren aus
dem japanischen Raum gegenüber.
Abbildung 1 zeigt diese Gegenüberstellung. Besonders auffällig erscheint, dass Wissen
in westlichen Ansätzen deutlich häufiger mit etwas physischem assoziiert wird, als in
der japanischen Kultur. Es erscheint von dieser Sichtweise plausibel, warum vor allem
in westlichen Ansätzen zu Wissensmanagement besonderes Augenmerk auf das
Speichern und Verteilen von Wissen gelegt wird. (Zu den verschiedenen Ansätzen von
Wissensmanagement siehe auch Kapitel 3 des vorliegenden Buchs, das sich mit
Wissensmanagement an sich beschäftigt.)
1 Zur Diskussion von Wissensmanagement als Management-Trend („Management-Fad“) vgl. Ponzi und
Koenig, 2002 2 Vgl. Andriessen, 2008
9
Abbildung 1: Unterschiede der Metaphern im Wissensmanagement (Quelle: Andriessen, 2008)
Das vorliegende Buch stellt einen Versuch dar, durch die Einbindung von
Kompetenzmanagement, den Fokus im Wissensmanagement auch auf den
Transferprozess und vor allem auf die Interpretation von Wissen zu lenken.
Kompetenzmanagement hat als Managementansatz eine etwa genauso lange Tradition
in der wissenschaftlichen Diskussion wie Wissensmanagement (im Kontext der
Kognitionswissenschaften eine längere). Jedoch vor verschiedenen wissenschaftlichen
Hintergründen. Kompetenz bezieht sich in dem vorliegenden Buch immer auf
Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen. Im Unterschied dazu betrifft die
Kompetenz im rechtlichen Sinne die Berechtigung, etwas tun zu dürfen. In diesem
Zusammenhang würde man dann auch vom Kompetenzenmanagement sprechen.
Einerseits wird Kompetenzmanagement als Werkzeug zur Abbildung von Fähigkeiten
der einzelnen Mitarbeiter diskutiert, andererseits wird auf Unternehmensebene von
Kernkompetenzen beziehungsweise strategischem Kompetenzmanagement gesprochen.
Wissensmanagement konzentriert sich in den meisten Ausprägungen auf das Wissen als
eigenständiges Objekt, während Kompetenzmanagement die Person und deren
10
Fähigkeiten in das Zentrum der Betrachtung rückt. Anders formuliert könnte man
behaupten, Wissensmanagement zielt auf die Prozesse der Wissensweitergabe und
Wissensentwicklung ab, während Kompetenzmanagement auf die personenbezogene
Weiterentwicklung und Anwendung der individuellen Fähigkeiten und deren Abbildung
abzielt – ohne jedoch näher auf den Weg des Kompetenzerwerbs einzugehen. So
betrachtet bildet Wissensmanagement eher eine dynamische Komponente wo hingegen
Kompetenzmanagement die statische Komponente darstellt. Dynamisch bezieht sich in
diesem Kontext auf den schnellen Wandel und die schnelle Verteilung von Wissen.
Statisch bezieht sich auf die längere „Halbwertszeit“ der Kompetenz einer Person. Das
heißt, heute ist weniger das aktuelle Fachwissen an sich wesentlich, sondern vielmehr
der Umgang mit Wissen und die Akquise von Wissen. Daher hat die Kompetenz des
Individuums eine längere „Halbwertszeit“ – ist somit statischer – als das Wissen, das
sich im ständigen Fluss befindet. In diesem Sinne stellt die Dynamisierung der
Gesellschaft und der Wirtschaft die Grundlage für das vorliegende Werk dar.
Die Kernfrage dieses Buchs ist daher, ob es möglich ist, Kompetenzmanagement und
Wissensmanagement in ein System zusammenzufügen und auf diese Weise sowohl den
dynamischen Teil wie auch den statischen Teil in einem Ganzen zu vereinen und damit
den Transfer von Expertisen zu erleichtern. Expertise wird in diesem Zusammenhang
als eine bereichsspezifische Lösungskompetenz betrachtet.
1.2 Strukturierung des Buchs Das Buch beginnt mit der Darstellung der Faktoren, die zu einer stärkeren Fokussierung
der Managementaktivitäten auf die einzelnen Mitarbeiter geführt haben. Eine
Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter und der Organisation als Ganzes kann nur
durch Lernen geschehen, indem die individuellen Mitglieder der Organisation lernen
und durch den Austausch unter den Individuen das Lernen der Organisation als Ganzes
gestärkt wird.
Diesem Fakt trägt der Autor dieses Buchs Rechnung und stellt daher im Anschluss
daran die Basisfaktoren, die organisationales Lernen ermöglichen dar, da das
organisationale Lernen die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Organisation als
11
Ganzes darstellt. Dieses Kapitel stellt einen wesentlichen Teil des vorliegenden Buchs
dar, da der Autor davon ausgeht, dass organisationales Lernen die Grundlage sowohl für
Wissensmanagement als auch für Kompetenzmanagement darstellt.
Die beiden Hauptthemen, die im Anschluss daran behandelt werden, sind
Wissensmanagement und Kompetenzmanagement. Der Autor geht auf die
verschiedenen Definitionen von Wissen und Kompetenz ein und skizziert die zentralen
Inhalte der Konzepte. Weiters stellt er die Problemstellungen dar, die die beiden
Konzepte adressieren und lösen können, sowie jene Problemstellungen, die ungelöst
bleiben.
Darauf folgt dann eine Ausarbeitung jener Anforderungen, die erfüllt sein müssen,
damit ein System die beiden Konzepte Wissensmanagement und
Kompetenzmanagement erfolgreich vereinen kann und so einen betrieblichen
Erfolgsfaktor darstellt.
Den Abschluss des Buchs stellen eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte des
Werks sowie ein Ausblick auf weitere Forschungstätigkeit in dem behandelten Gebiet
dar.
1.3 Problemaufriss Für jede konkrete Problem(lösungs)situation in Unternehmen existieren verschiedene
Wissensrollen3. Auf jeden Fall die Rolle der Experten (E), die über hohes fachliches
Wissen verfügen und die Rolle der Laien bzw. vielfach auch Praktiker (F für Folk-
Knowledge), die über Anwendungswissen beziehungsweise Erfahrungswissen
verfügen. Diese Rollen sind für jeden konkreten Fall anders gelagert.
Wenn es um die Dokumentation von Problemlösungen geht, wird vielfach versucht, die
Inhalte des Expertenwissens, in ein Regelsystem (Kalkül, K) abzubilden. Damit kann
aber nur ein Subset vom Wissen an sich erfasst werden. Daher beinhalten diese
3 Für eine genauere Erläuterung der Wissensrollen und ein Einführung des Konzepts „LIR-Schema“ siehe
Kapitel: 2.4.5, 2.5 und 4.8.
12
Dokumentationen auch nur jenes Wissen, das Experten benötigen, um damit
Problemlösungen reproduzieren zu können. Verwenden Laien dieses Regelwissen, um
damit Probleme zu lösen, weicht die Ergebnismenge der Laien von jener der Experten
ab. Abbildung 1 zeigt die Einbettung der Wissensrollen M, E, K und F sowie den Weg
der Problemlösung von P (Problem) zur Lösung (Q – Quest).
Abbildung 2: Die Wissensschere
Abbildung 2 zeigt die Einbettung der Anwendung von Regelwissen (K) von Experten
(E) und von Laien (F) sowie die daraus resultierenden Ergebnismengen Q* und Q in das
Q’
M
K F
E
S R
P Q
Q* Q
13
LIR-Schema4. Die Ergebnismenge Q* entsteht, wenn die Experten (E)
Problemlösungen mithilfe des Kalküls (K) produzieren. Die Ergebnismenge Q entsteht,
wenn die Laien (F) Problemlösungen unter Anwendung des Kalküls (K) produzieren.
Es ist ersichtlich, dass sich diese beiden Mengen zwar in einem mittleren Bereich (Q‘)
überlagern, jedoch nicht deckungsgleich sind. Born5 spricht in diesem Zusammenhang
von der Wissensschere, die sich dadurch zwischen E, K und F aufspannt. Gelingt es,
den Abstand zwischen E und F zu verringern, heißt das, dass die Wissensschere (fast)
geschlossen werden kann.
1.4 Wissenschaftliche Fragestellungen
1.4.1 Zentrale Frage im Buch
Die zentrale Thematik, der sich das vorliegende Buch widmet, betrifft die Verteilung
von Wissen im Unternehmen unter der besonderen Berücksichtigung des Kontexts von
Wissen. Kontext bezieht sich in diesem Fall zum Einen auf das Hintergrundwissen der
handelnden Personen – also dem Sender und dem Empfänger im Wissensentstehungs-
beziehungsweise Wissenstransferprozess. Also ob die jeweilige Person Experte oder
Laie bezogen auf die jeweilige konkrete Situation ist, welchen Zugang zur
Problemsituation sie hat, etc. Zum Anderen bezieht sich der Kontext von Wissen auf die
konkreten Umstände, in der jeweiligen Situation der Entstehung oder Weitergabe von
Wissen.
Wissen wird in der Regel mithilfe von Schulungen, Kursen oder auf informellem Weg
weitergegeben. Der zentrale Anspruch von Wissensmanagement ist die Verbreiterung
der organisationalen Wissensbasis im Unternehmen – also die Entstehung und
Weitergabe von Wissen innerhalb des Unternehmens in gerichtete Bahnen zu lenken. Es
soll das Expertenwissen auch den jeweiligen Laien mit deren Erfahrungswissen zur
Verfügung stehen. Damit sollen die Laien in die Lage versetzt werden, mithilfe von
Regelwissen (zumindest) ähnliche Ergebnisse bei der (Re)produktion von Lösungen zu
erzeugen, wie die Experten es tun würden. Dazu ist ein Transfer der Expertisen
4 Zur genaueren Erläuterung des LIR Schemas siehe Kapitel 2.4.5 in diesem Buch und vergleiche Born,
1987; Born, 2000a; Born, 2000b; Born und Danielczyk, 2007 5 Vgl. Born und Danielczyk, 2007
14
notwendig. Doch gestaltet sich der Wissenstransfer von Experten zu Laien aufgrund
von verschiedenen kognitiven Barrieren als schwierig.6
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Frage, ob dieser Transfer von Expertisen
durch eine Integration der Konzepte Wissensmanagement und Kompetenzmanagement
erleichtert werden kann, indem mittels Kompetenzmanagement der Kontext der
handelnden Personen analysiert und repräsentiert wird und dadurch Wissen
kontextgerecht aufbereitet werden kann. Ziel ist es, durch ein Kontext-sensitives System
der Wissensverteilung, die Wissensschere im Unternehmen (vgl. Kapitel 1.3) zu
reduzieren.
Ziel des vorliegenden Buchs ist es, die Hypothese H1 zu stärken. Damit wird gezeigt,
dass unter der Annahme von Hypothese H1 weitere Problemstellungen gelöst werden
können, die unter der Annahme von H0 nicht gelöst werden könnten. Zusätzlich können
unter Annahme von Hypothese H1 auch alle Problemstellungen gelöst werden, die unter
der Annahme von H0 gelöst werden könnten. H1 erweitert damit das Lösungsspektrum
von H0 oder anders ausgedrückt: Die Lösungsmenge unter H0 ist eine Teilmenge der
Lösungsmenge von H1. H0 liefert das engere Lösungsspektrum, H1 das weitere
Lösungsspektrum.
1.4.2 Hypothese H0
Wissensmanagement ohne die Integration von Kompetenzmanagement, das zusätzlich
zur syntaktischen Ebene auch die semantische Ebene von Wissen berücksichtigt, ist
bestens geeignet, um im Unternehmen vorhandenes Expertenwissen zu verteilen und
dessen Generierung zu unterstützen.
1.4.3 Hypothese H1
Durch die Integration von Wissensmanagement und Kompetenzmanagement wird der
Wissenstransfer kontextabhängig. Dadurch werden die Ergebnismengen der Experten
und Laien (unter Anwendung des Regelwissens) an einander angeglichen. Anders
formuliert heißt das, die Wissensschere im Unternehmen wird verkleinert.
6 Vgl. Hinds und Pfeffer, 2002
15
1.5 Ausgangssituation – Warum Mitarbeiter für das Unternehmen wichtiger geworden sind. Basis für den Fokus des Managements auf die Mitarbeiter und deren (Weiter-)
Entwicklung stellen eine Veränderung der Märkte und eine Veränderung des
Blickwinkels aus dem das Management das Unternehmen sieht dar. Eine weitere
Herausforderung an die Unternehmensführung im dritten Jahrtausend stellen der
zunehmende demografische Wandel und die damit einhergehende Überalterung der
Bevölkerung dar. Kapitel 1.5.1 stellt kurz die historische Entwicklung der Märkte
beginnend in den 1950er Jahren bis heute dar. Darauf folgend, widmet sich Kapitel
1.5.3 der Entwicklung des Managements der Unternehmen. Kapitel 1.5.5 gibt einen
Überblick über den demografischen Wandel und die Konsequenzen und neuen
Aufgaben für das Management.
1.5.1 Veränderung der Märkte
In den vergangenen 50 Jahren war der Markt starken Veränderungen unterworfen.7
1950er Jahre: In der Nachkriegszeit und dem beginnenden Wirtschaftswunder
herrscht ein Produzenten-Markt vor. Die Nachfrage nach Gütern kann nicht
gedeckt werden. Produzierende Unternehmen brauchen keine Strategie, wie die
Güter am Markt abgesetzt werden können. Daher haben die Mitarbeiter nur eine
ausführende Funktion. Es reicht, wenn sie die ihnen delegierten Aufgaben
korrekt erledigen. Es herrscht keinerlei Wettbewerbsdruck.
1960er Jahre: Es beginnt eine Verschiebung in Richtung Konsumenten Markt.
Die Nachfrage nach Gütern kann vollständig gedeckt werden. Der Preisdruck
von Seiten der Kunden nimmt zu. Ziel ist es, die gleichen Produkte günstiger zu
produzieren. Es erfolgt eine Optimierung in Richtung einer gesteigerten
Effizienz der Produktionsvorgänge. Die erzeugten Produkte müssen keine
spezifischen Kundenanforderungen erfüllen, sondern nur einwandfrei
funktionieren, um Absatz zu finden. Den Mitarbeitern kommt dabei keine
besondere Rolle zu.
7 Vgl. Mulej, Rebernik, Knez-Riedl, Zenko, Ursic, Potocan, Rosi und Kroslin, 2005 S.470
16
1970er Jahre: Die Unternehmen konkurrieren nicht mehr ausschließlich über
den Preis. Die Kunden erwarten eine verbesserte Qualität. Die Verschiebung des
Marktes in Richtung eines Konsumentenmarktes, in dem die Kunden die
treibende Kraft sind, ist abgeschlossen. Auf den Unternehmen lastet ein Kosten-
und Qualitätsdruck. Die Mitarbeiter werden in den Qualitätsprozess mit einge-
bunden.
1980er Jahre: Zusätzlich zur gesteigerten Qualität wird von den Unternehmen
eine Flexibilisierung und Anpassung an Kundenwünsche erwartet. Der Markt-
druck breitet sich auch auf das Produktprogramm aus.
1990er Jahre: Einzigartigkeit emanzipiert sich zum Alleinstellungsmerkmal am
Markt. Durch die zunehmende Sättigung am Markt müssen sich Unternehmen
durch Innovationen von der Masse abheben können, um erfolgreich zu sein. Die
Mitarbeiter werden stärker in den Entwicklungsprozess des Unternehmens ein-
gebunden.
2000er Jahre: Es erfolgt ein Umdenken in Richtung der Nachhaltigkeit. Durch
gestiegene Rohstoffpreise sind die Unternehmen auch aus wirtschaftlichen
Gründen gezwungen, nachhaltig zu wirtschaften. Die Kostensenkungspotentiale
sind weitgehend ausgelotet. „Die Fortschrittswelt mutiert zu einer Kreislaufwelt.
Vom More and More wird übergegangen zum Anderen und besser Passenden,
vom Maximum zum Optimum.“8 Der Großteil der Güter ist durch
Konkurrenzprodukte substituierbar. Daher können auch höherwertige Güter
nicht nur allein durch einen geringen Preis verkauft werden. Den Kunden
kommt es auch auf weiche Faktoren an. Die Kunden legen Wert auf die
Dienstleistungen, die das Unternehmen rund um das Produkt anbietet. Wie der
Kunde das Potential dieser möglichen Dienstleistungen sieht, geht oft mit
Fragen wie „Welche Kernkompetenzen werden dem Unternehmen
zugeschrieben?“ einher. Aus diesem Grund erhalten derartige Fragestellungen,
die letztendlich auf die Kompetenzen, die das Unternehmen nach außen
kommuniziert, eingehen, einen immer höheren Stellenwert in Bezug auf die
Kaufentscheidung der Kunden. Durch die Globalisierung und die weltweite
8 Bergmann und Daub, 2006 S.303
17
Vernetzung und Verfügbarkeit von Produkt- und Herstellerinformationen
können sich die Kunden einen weitaus umfangreicheren Einblick in das
jeweilige Produkt und dessen Produzenten verschaffen
Parallel zur betriebswirtschaftlichen Bilanz gewinnt die Bilanzierung über das
Human-Kapital eine immer größere Bedeutung. Diejenigen Kompetenzen der
Mitarbeiter treten in den Vordergrund, die sie befähigen, auf unvorhersehbare
Situationen im Arbeitsprozess reagieren zu können. Der einzelne Mitarbeiter
muss als Teil des Unternehmens betrachtet werden und nicht mehr lediglich als
ausführende Einheit. Das bereichsübergreifende Denken in Prozessen ist eine
der wichtigsten Kompetenzen der Mitarbeiter. Lediglich das Anhäufen von
Wissen in Datenbanken ist nicht genug, es muss auch neu kombiniert und
angewandt werden. Auch im Hinblick auf - zum Beispiel - Ratifizierungs-
verfahren zur Kreditwürdigkeit (Stichwort Basel II) kommt Bilanzen über das
Humankapital eine gestiegene Bedeutung zu. Ratingverfahren und –kriterien
werden aber in dem vorliegenden Buch nicht vertieft.
1.5.2 Veränderung der Mitarbeiter
Mit der Veränderung der Absatzmärkte ging auch eine gemeinsame Veränderung der
Anforderungen an die Mitarbeiter einher. Während in den frühen Produzentenmärkten
eine Orientierung an der Ausführung einzelner Arbeitsschritte in der Produktionskette
reichte, muss ein Mitarbeiter heute ein Verständnis für den gesamten Prozess, an dem er
beteiligt ist, aufbringen. Es wird erwartet, dass er in der Lage ist, auf unvorhersehbare
Situationen reagieren zu können und so flexibel einsetzbar ist. Da heute von den
Mitarbeitern mehr Innovationskraft erforderlich ist, konzentriert sich die
Unternehmensführung auch vermehrt auf die strategische Entwicklung der
Arbeitskräfte. Die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter kann durch Maßnahmen aus
dem Bereich Wissensmanagement gestärkt werden: „So nutzen Innovatoren [gemeint
sind innovative Unternehmen] in der Regel wesentlich mehr Wissensmanagement-
aktivitäten als Nicht-Innovatoren9.“10
9 In der zitierten Studie werden solche Unternehmen als Innovatoren bezeichnet, deren Umsatzanteil mit
neuen oder merklich veränderten Produkten größer als 10% ist.
18
1.5.3 Veränderung in der Unternehmensführung
Im Zuge der industriellen Revolution gewann das Management als Rolle in
Unternehmen zusehends an Bedeutung. Einer der ersten, der sich intensiv mit diesem
Thema beschäftigte war Frederick Winslow Taylor.
1.5.3.1 Taylorismus
Der Taylorismus geht auf seinen Entwickler Frederick Winslow Taylor (* 20. März
1856 in Germantown, Pennsylvania, USA; † 21. März 1915 in Philadelphia) zurück.
Taylor war der erste, der versuchte, die Betriebswirtschaft aus einer wissenschaftlichen
Perspektive zu betrachten. Taylor beschäftigte sich damit, eine allgemein gültige
Bewegungsabfolge und einen allgemein gültigen Zeitbedarf für alle menschlichen
Tätigkeiten, die bei der Produktion von Gütern zu verrichten sind, zu entwickeln. Sein
Ziel war es, „mehr Wohlstand für alle“ zu erreichen. Das größte Problem, das er
beseitigen wollte war die Leistungszurückhaltung beziehungsweise „loafing“ der
Mitarbeiter. Nach seiner Auffassung standen die Unternehmer und die Arbeiter in
einem permanenten Konflikt untereinander. Die Unternehmer wollten vollen Einsatz
der Mitarbeiter und die Arbeiter ihrerseits versuchten, so wenig intensiv als möglich zu
arbeiten. Taylor sah die Lösung dieses Konflikts im Erarbeiten von Normzeiten für alle
Arbeitsschritte. Diese zeitliche Normierung setzt aber die Zerlegung in kleine, atomare
Arbeitsschritte voraus. Doch existiert eine Grenze, ab der die weitere Zerlegung in
kleinere Einheiten keinen zusätzlichen Nutzen mehr liefert. Man könnte daher
umgekehrt fragen: „Kann man vielleicht eine Produktivitätssteigerung erzielen, indem
man die Grundsätze der Spezialisierung umkehrt?“11
Taylor sah aber in der atomaren Zerlegung des Produktionsprozess die einzige
Möglichkeit, Normierungen der Produktionsschritte zu etablieren. Durch diese
Normierung konnten die Unternehmer die Ausführung der Tätigkeiten der Arbeiter
überwachen und den Arbeitern wurde genau die Zeit gegeben, die sie benötigten. Die
Arbeiter hatten also keine Motivation mehr, ihre Arbeitsleistung zurückzuhalten.
10 Edler, 2003 in Pawlowsky, Gerlach, Hauptmann und Puggel, 2006 S.6 11 Davis 1957, zit. bei Ulich, 1972, S.270 in Bungard und Volpert, 1995 S.XXXIX
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Taylors Ansicht, dass es für jeden Arbeitsschritt einen richtigen Weg der Durchführung
und eine dafür vorgesehene Richtzeit gibt, war dadurch begründet, dass Taylor den
Arbeiter als rein mechanisches System betrachtete: „Arbeiter gehorchen ähnlichen
Gesetzten wie Maschinen.“
Seine Überlegungen basieren auf folgenden vier Grundsätzen12:
1. Trennung von Planung („Kopfarbeit“) und Ausführung von Arbeit
(„Handarbeit). Jeder Mensch ist von Natur aus entweder den Kopf- oder
Handarbeitern zugeordnet.
2. Es gibt nur einen optimalen Weg, wie Arbeiten verrichtet werden können.
Dieser wird vom Management festgelegt und von jedem Arbeiter gleich
ausgeführt.
3. Ein hohes Maß an Arbeitsteilung ermöglicht die Trennung der Arbeit in Kopf-
und Handarbeit.
4. Das einzige Motivationsmittel, das die Arbeiter zu mehr Leistung bewegt, ist
Geld. Daher soll die Bezahlung von der Leistung abhängig gemacht werden.
Im Taylor-Modell ist der Arbeiter fast gänzlich vom Produktionsprozess in der Hinsicht
ausgeschlossen, dass er nur sehr einfache, monotone Arbeiten zu verrichten hat und
nicht mehr darüber nachdenken muss (und soll) wie ein Arbeitsschritt am besten
durchgeführt werden kann. Dies führt in Summe dazu, dass sich die Arbeiter nicht mehr
mit dem Produkt als Ganzem und dem Unternehmen identifizieren. Die Ansicht, dass
rein monetäre Anreize – sofern sie in einem ‚gerechten’ Verhältnis zur abgegebenen
Leistung stehen – die Menschen zu Leistung motivieren bildet die Grundlage für die
Theorie des „homo-oeconomicus“, der rein wirtschaftliche Entscheidungen trifft und für
den monetäre Anreize die einzigen Motivatoren für Arbeit darstellen.13
Geld ist jedoch nicht als Anreizfaktor dazu geeignet, die Attraktivität eines
Arbeitsplatzes nachhaltig und dauerhaft zu steigern. Finanzielle Anreize gehören nur
12 vgl. Mikl-Horke, 2000 13 vgl. Bungard und Volpert, 1995 S.XLVII
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sehr kurzzeitig zu den Motivationsfaktoren und werden danach zu Hygienefaktoren im
Sinne der Zweifaktorentheorie nach Herzberg degradiert.14 Auch können monetäre
Anreize die Möglichkeit nach Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz, als Spitze der
Bedürfnispyramide nach Maslow15, nicht kompensieren.
Dennoch muss festgehalten werden, dass für Taylor die Humanisierung der
Arbeitsbedingungen durch Standardisierung ein erstrangiges Ziel seiner Bestrebungen
war. Er meinte, durch die Reglementierung jedes Arbeitsplatzes wäre es möglich, für
jeden Arbeiter den genau auf ihn passenden Arbeitsplatz zu finden. Des Weiteren war er
der Überzeugung, dass der entgeltliche Lohn für den Arbeiter den einzigen Antrieb –
sprich den einzigen Grund, warum Arbeit verrichtet wird, darstellt. Zusätzlich würde
durch das Konzept von Taylor die Produktivität insgesamt gesteigert, ohne dass die
Arbeiter sich mehr verausgaben müssten. So unangebracht die Ideen Taylors heute
erscheinen mögen, so muss doch angemerkt werden, dass die Produkte und die
Rahmenbedingungen der Wirtschaft in der Zeit Taylors ganz andere waren.
Viele hatten tatsächlich nur das nackte Überleben von sich selbst und ihrer Familie im
Auge und dadurch tatsächlich nur an Geld Interesse. Das heißt, sie arbeiteten, um die
unteren Ebenen nach physischer Sicherheit in der Bedürfnispyramide zu erlangen.
Heute sind die Grundbedürfnisse fast aller Menschen erfüllt. Aus diesem Grund treten
Motivatoren aus den oberen Schichten der Bedürfnispyramide, als Arbeitsmotivatoren
in den Vordergrund.
14 Herzberg entwickelte durch Befragungen über die Zufriedenheit von Arbeitern in den 1950er und
1960er Jahren die Zweifaktorentheorie (oder auch: „Motivator-Hygiene-Theorie“). Herzberg belegte, dass eine Steigerung der Motivation nicht dadurch erreicht werden kann, dass gewisse „Hygienefaktoren“, die für die Unzufriedenheit des Arbeiters ausschlaggebend sind, beseitigt werden. Vielmehr bedarf es der Schaffung weiterer Faktoren, der „Motivatoren“. Daraus leitet sich auch der Name „Zweifaktoren-Theorie“ ab. Werden diese Motivatoren jedoch über einen längeren Zeitraum eingesetzt, so besteht die Gefahr, dass sie zu „Hygienefaktoren“ mutieren und damit keine motivierende Leistung mehr entfalten können. vgl. Herzberg, Mausner und Snydermann, 1993
15 Der Psychologe Abraham Harold Maslow stellte eine Hierarchie menschlicher Bedürfnisse auf, die er in der Bedürfnispyramide skizzierte. Um ein Bedürfnis einer höheren Klasse zufrieden stellen zu können, müssen die jeweils darunter liegenden Bedürfnisse ebenso zufrieden gestellt sein. Maslow kategorisierte die Bedürfnisse in folgende Klassen (von unten nach oben): Grund- und Existenzbedürfnisse, Sicherheit, Sozialbedürfnis, Anerkennung und Wertschätzung, Selbstverwirklichung. vgl. Maslow, 1987
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Weiters wurde durch die von Taylor angestrebte Standardisierung der Arbeitsschritte
ein wesentlicher Aspekt zur Erleichterung der Arbeiter geschaffen, da sie auf diese
Weise eine Vorgabe hatten und nicht der Willkür der Unternehmer ausgeliefert waren.
1.5.3.2 Fordismus
Der erste, der die Prinzipien Taylors tatsächlich in der Praxis umsetzte war Henry Ford.
Durch die Rationalisierungen und die Einführung der Fließbandarbeit konnte er die
Produktionskosten für den Ford Modell T drastisch senken und so anfangs enorme
Marktanteile sichern. Durch fehlende Innovationen und starre Produktionsstrukturen,
die gemäß dem Fließbandprinzip fehlerhafte Ausschussprodukte bewusst in Kauf
nahmen, drohte danach jedoch der Niedergang des Unternehmens Ford. Grundlage für
die Probleme, die das Fließbandprinzip verursacht, liegen in der starren Formalisierung
– sprich dem Abbilden des Wissens auf ein starres Regelwerk. Im LIR-Schema
entspricht das Fließband der Lösungsmenge, die bei der Anwendung des formalen
Wissens (K) unter dem Laienwissen (F) auf eine Problemstellung (P) generiert wird.
Diese Lösungsmenge funktioniert aber nur in einem Durchschnittsbereich. An den
Randbereichen – die Bereiche in denen Innovation entstehen kann – ist ein
Korrekturwissen notwendig. (Siehe auch Kapitel 2.4.5 und 4.8)
1.5.3.3 Toyotismus
"Das Problem ist das gedankenlose Anbinden des Arbeiters an die Maschine, da er bei
der Arbeit sinnentleert zuschaut. In Japan ist das Ziel die Menschen auszulasten, nicht
wie bei Ihnen die Maschinen."16
Toyota übernahm sehr bald die Erkenntnisse von William Edwards Deming.17 Deming
wollte die Vorteile der Werkstattfertigung mit denen der Fließbandproduktion
verbinden. Während bei der Fließbandfertigung viele Ausschussprodukte bewusst in
Kauf genommen werden, wollte Deming möglichst ohne Verschwendung produzieren.
Dies führte dazu, dass bei Fehlern – egal auf welcher Produktionsstufe – das Fließband
angehalten wurde (entgegen dem Fließbandfertigungsprinzip) und gemeinsam die 16K. Sekine, Miterfinder des Toyota Produktion Systems 17 Vgl. Walton, 1986
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Quelle für den Fehler analysiert wurde. Dies führte zu einem derart hohen Maß an
Qualität, welche der japanischen Autoindustrie den Ruf, langlebige und problemlose
Autos zu produzieren, einbrachte.
Japan bekam nach dem zweiten Weltkrieg keine Wirtschaftshilfe von den USA und so
waren die Ressourcen knapp. Es konnten keine neuen Produktionsmaschinen errichtet
werden. Aus diesem Grund mussten die vorhandenen Mittel möglichst gut genutzt
werden. Die Japaner implementierten aus diesem Grund die Ideen von Deming, der in
den USA auf wenig Anklang stieß, sehr erfolgreich.
Deming formulierte die Grundlagen seiner Lehre in den neun beziehungsweise zehn
Punkten, die seine Erfahrungen bei der Arbeit in Japan zusammenfassten. Später
ergänzte er sein Programm auf vierzehn Punkte18, die nach seiner Meinung besonders
für die U.S.A. Relevanz hatten.
1. Das grundlegende Ziel eines Unternehmens ist es nicht, nur Gewinne zu
erwirtschaften. Die Ziele, die ein Unternehmen verfolgen sollte sind:
a. im Geschäft bleiben
b. Jobs für Angestellte bieten
Dies kann nur durch Innovationen, Forschung und laufende Verbesserung
erreicht werden. Die Gewinne stellen sich dann aber von ganz allein – sozusagen
als Nebenprodukt – ein.
2. Diese neue Unternehmensphilosophie soll übernommen werden. Amerika hat
eine zu hohe Toleranz und Akzeptanz für schlechte Qualität und nachlässigen
Service.
3. Massenüberprüfungen sollten vermieden werden. Wenn Produkte nur am Ende
der Produktionskette kontrolliert und fehlerhafte Produkte ausgeschieden oder
nachgearbeitet werden, dann werden Mitarbeiter zur Produktion von Fehlern
und gleichzeitig für deren Ausbesserungen bezahlt. Tatsächliche
Qualitätsverbesserungen können nur durch eine Verbesserung des Prozesses
18 Zu den vierzehn Prinzipien von Deming, die auf den folgenden Seiten präsentiert werden, vgl. Walton,
1986 S.34ff.
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erreicht werden. In diese laufende Qualitätsverbesserung müssen die Mitarbeiter
eingegliedert werden.
4. Beendigung des Kampfes um Kunden allein über die Höhe des Preises. Vielfach
wird der niedrige Preis nur durch Einbußen beim Service erreicht. Einkäufer
sollten versuchen, den besten Kompromiss aus Preis und Qualität durch eine
langfristige Beziehung zum Lieferanten zu erreichen.
5. Verbessere ständig das Produktionssystem und den Service. Verbesserungen
sollen keine punktuellen Projekte darstellen sondern im Sinne einer
kontinuierlichen Verbesserung laufend vom Management vorangetrieben
werden.
6. Institutionalisiere die Aus- und Weiterbildung im Unternehmen. Wenn Arbeiter
ihre Tätigkeit von anderen Arbeitern gelernt haben, die niemals zweckmäßig
trainiert wurden, so werden diese Mitarbeiter nie die bestmögliche Performanz
in ihrem Job erreichen.
7. Institutionalisiere den Führungsgedanken. Der Vorgesetze sollte nicht den
Mitarbeitern auftragen, was zu erledigen ist und die Ausführung überwachen
sowie die Nicht-Erfüllung tadeln. Ein Vorgesetzter sollte Mitarbeiter führen und
Ihnen helfen, sich zu entwickeln, um ihren Job besser ausführen zu können.
8. Dränge die Angst aus dem Unternehmen. Viele Mitarbeiter scheuen sich davor,
Fragen zu stellen, selbst wenn sie nicht wissen, was richtig wäre zu tun. Das hat
zur Folge, dass die Arbeiter die gleichen Fehler auch in Zukunft wieder machen
werden. So schlägt sich diese Angst in Unternehmen in der Qualität der
Produkte und der Anzahl an Ausschussprodukten nieder, was sich letztendlich in
den Kundenbeziehungen und dem Umsatz des Unternehmens widerspiegelt.
9. Reiß die Barrieren zwischen den Unternehmenseinheiten nieder! Vielfach
werden Lösungen für Abteilungsziele optimiert, die für das gesamte
Unternehmen nicht vorteilhaft sind. Die Abteilungen und Einheiten eines
Unternehmens sollten auf keinen Fall Ziele verfolgen, deren Zielerfüllungen im
gegenseitigen Konflikt stehen.
10. Vernichte vorgegebene Lösungen, Ermahnungen und Ziele für die
Arbeiterschaft! Vorgegebene Ziele und Lösungswege bringen niemanden weiter.