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„Wo drückt wirklich der Schuh?“
Ergebnisse von Untersuchungen zur Kinderarmut in Osnabrück
Referenten: Darijusch Wirth und
Helene Gerhards, Universität Osnabrück
2
Gliederung
1. Kinderarmut – ein Überblick2. Theoretischer und methodischer
Hintergrund3. Die Osnabrücker Studie: Ziele, Methodik,
Vorgehensweise4. Wie sind die SGB II-Bedarfsgemeinschaften
in Osnabrück verteilt ?5. Erreichte Familien6. Lebenslage von armen Kindern in
Osnabrück7. Elternengagement und Kinderbedarf8. Fazit und Ausblick
3
1. Kinderarmut – ein Überblick
• In Deutschland beträgt die Armutsgefährdungsquote (60 Prozent des gewichtetes Medianeinkommens) von Kindern und Jugendlichen 18,7 % (vgl. Stat. Bundesamt 2009)
• In Niedersachsen liegt sie bei 20,8 % (vgl. Stat. Bundesamt 2009)
• In Osnabrück (d.h. Stadt OS, LK OS, LK Vechta) liegt die allgemeine (!) Armutsquote bei 17,0 % (vgl. Paritätischer 2009)
Referenzdaten für Kinderarmutsquote in Osnabrück lagen bisher nicht vor
Kinderarmut liegt in Osnabrück wahrscheinlich höher
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2. Theoretischer und methodischer Hintergrund (I)
• Orientierung am Lebenslagenkonzept der AWO-ISS-Studien (vgl. Hock/Holz/Wüstendörfer 2000: 12 f.)
• Zentrale Fragestellung: Was kommt (unter Armutsbedingungen) bei den Kindern an? (vgl. Holz/Hock 2006: 78)
• Die Lebenslagen:- Materiell (Kleiden, Wohnen, Nahrung etc.)- Gesundheitlich (physisch und psychisch, z.B. Arztbesuche)- Sozial (Soziale Kompetenz und Kontakte)- Kulturell (Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten, Schulerfolg,
Aktivitäten in der Freizeit etc.) Lebenslagendimensionen werden in verschiedenen Indikatoren
operationalisiert, Armutsschwellen bestimmt und durch den Fragebogen abgefragt
Vorteil: Die Bedürfnisse und Mangellagen der Kinder werden in den Fokus genommen, Kinder stehen als betroffene und handelnde Subjekte im Mittelpunkt des Interesses (vgl. Zander 2005: 124).
5
6
3. Die Osnabrücker Studie (I) –Ziele
• Mit Hilfe empirisch gesicherter Daten Aussagen über die Lebenslagen armer Kinder im Stadtgebiet Osnabrück machen
• Handlungsempfehlungen zur lokalen Bekämpfung von Kinderarmut ableiten
• Am Bedarf der betroffenen Kinder orientierte Hinweise zur kommunalen Sozialpolitik beitragen.
Relevante Fragen (vgl. Wüstendörfer 2008)
• Wie kann die Situation von Kindern in armen Familien beschrieben werden?
• Welche Anstrengungen und Aktivitäten unternehmen Eltern unter Armutsbedingungen, um das Wohl ihrer Kinder nicht zu gefährden?
• Wie stark müssen sich die Eltern einschränken und wie wirkt sich dieses auf ihre Kinder aus?
• Welche Unterstützungs- und Hilfeangebote nutzen die Eltern?• Welchen zusätzlichen Bedarf haben die Eltern für ihre Kinder?
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3. Die Osnabrücker Studie (II) - Methodik
• Modifizierungen und Anpassungen der Osnabrücker Studie gegenüber AWO-ISS-Methodik:
• Befragung der SGB II-Bedarfsgemeinschaften
• Betrachtung der Lebenslagendimensionen anhand ausgewählter Fragestellungen (kein vollständiges „Indikatorensystem“)
8
3. Die Osnabrücker Studie (III) - Vorgehensweise
• Postalische Befragung, Fragebogen mit kostenlosem Rückumschlag, Gewährung der Anonymität, Auslobung von Preisen (über 300 Freikarten)
• Grundgesamtheit der Fragebögen N=3087 An Haushalte, die Leistungen aus dem SGB II
beziehen und in denen Kinder (bis 18 J.) leben• Aktueller Rücklauf: n=638 Fragebögen (20,7 %
Rücklaufquote)• Befragungszeitraum: Ende September bis Mitte
Oktober 2010• Beeinflussende Faktoren der Gesamtzahl an
gültigen Fragebögen: Selektionsmechanismen, Bereinigung des Datenpools, Ergebnisse vorläufig
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4. Wie sind die SGB II-Bedarfsgemeinschaften in Osnabrück verteilt (Haushalte mit Kindern)? (I)
PLZ Gebiet AnzahlProzent
(gerundet)
49084 Schinkel, Schinkel-Ost, Fledder 734 23,8%
49090 Hafen, Eversburg, Haste,Pye 516 16,7%
49088 Dodesheide, Sonnenhügel 402 13%
49082 Sutthausen, Nahne, Schölerberg 365 11,8%
49080 Wüste, Kalkhügel 291 9,4%
49086Voxtrup, Darum-Gretesch-Lüstringen,
Widukindland271 8,8%
49074 Innenstadt, Gartlage 203 6,6%
49078 Weststadt, Hellern 181 5,9%
49076 Westerberg, Atter 124 4%
3087 100%
10
4. Wie sind die SGB II-Bedarfsgemeinschaften in Osnabrück verteilt (Haushalte mit Kindern)? (II)
23,8%
16,7%
13%
11,8%
9,4%
8,8%
6,6%
5,9%
4%
11
5. Erreichte Familien (I) – Wer beantwortete die Fragen?
82,0%
8,8%
0,2%2,8%
6,2%
Mütter
Väter
Mütter und Väter gemeinsam
Sonstige Person
Keine Angabe
12
5. Erreichte Familien (II) – Familienform
60,4%
37,8%
1,8%
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0%
Alleinerziehend
mit PartnerIn
andere Lebensform
13
5. Erreichte Familien (III) – Migrationshintergrund
J a53%
Nein47%
14
5. Erreichte Familien (IV) – Schulabschlüsse der Eltern
9,2%
42,0%
3,6%
13,3%
20,7%
24,5%
20,9%
34,1%
26,1%
5,7%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
45,0%
Keinen Schulabschluss Hauptschulabschluss MittlereReife/Realabschluss
(Fach-)Abitur SonstigerSchulabschluss
Mütter Väter
15
5. Erreichte Familien (V) – Berufsabschlüsse der Eltern
43,6%
3,3%
32,9%
5,9% 6,1% 5,5% 2,8%
34,1%40,0%
3,4%6,8% 7,8%
2,4% 5,4%
0,0%5,0%
10,0%15,0%20,0%25,0%30,0%35,0%40,0%45,0%50,0%
Keinen
Berufsa
bsch
luss
Abge
schlo
ssen
e Au
sbild
ung
Fach
hoch
schu
labsc
hluss
Univer
sitätsa
bsch
luss
In A
usbil
dung
/Umschu
lung
Im Stu
dium
Sons
tiger B
erufsa
bsch
luss
Mütter Väter
16
5. Erreichte Familien (VI) – Kinder nach Altersgruppen
40,3%
10,5% 9,4% 9,0%6,2%
11,9% 12,7%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
30,0%
35,0%
40,0%
45,0%
0 bis 5 6 und 7 8 und 9 10 und 11 12 und 13 14 und 15 16 und 17
Alter in Jahren
17
6. Materielle Lebenslage (I) - Taschengeldempfehlung der
StadtAlter Empfohlener
Monatsbeitrag Auszahlun
g
6-7 4,80 - 7,50 Euro wöchentlich
8-9 8,90 – 12,50 Euro wöchentlich
10-11 14,00 – 17,00 Euro monatlich
12-13 19,50 – 25,00 Euro monatlich
14-15 28,00 – 34,00 Euro monatlich
16-18 39,00 – 48,00 Euro monatlich
18
6. Materielle Lebenslage (II) – Erhalten Kinder Taschengeld?
J a 68,8%
Nein 31,2%
19
6. Materielle Lebenslage (III) - Taschengeldhöhe
72,3%
70,8%
76,0%
88,2%
75,6%
75,4%
15,2%
20,8%
12,4%
8,6%
14,4%
9,2%
12,5%
8,5%
11,6%
10,0%
15,4%
3,2%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
6-7-jährige
8-9-jährige
10-11-jährige
12-13-jährige
14-15-jährige
16-17-jährige
unterhalb Empfehlung Stadt OS oberhalb
20
6. Materielle Lebenslage (IV) - Zitate
• „Ich würde gern [Taschengeld] geben!"
• „Ich kann leider nicht allen [Kindern] auf einmal zusammen Kleidung kaufen, deswegen bekommen die Kleinen von den Älteren die Kleidung."
• „Was ist denn Urlaub?"
21
6. Gesundheitliche Lebenslage (I) – Beeinträchtigungen der
Kinder
7,4%
14,9%
10,8%
10,6%
7,5%
2,5%
1,3%
52,3%
9,4%
9,5%
0,0% 10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0%
sonstige Beeinträchtigungen
Sprachstörung
Hyperaktivität
chronische Erkrankung
Gewichtsprobleme
körp. Behinderung
Lernbehinderung
mot. Beeinträcht./Körperbeherrschung
geistige Behinderung
keine Beeinträchtigungen
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6. Gesundheitliche Lebenslage (II) – Zitate
• „Meine Tochter braucht alle paar Monate eine neue Brille und Einlagen für ihre Füße."
• „[Die medizinische Versorgung ist] [z]u teuer, und jetzt noch Zusatzbeiträge! Wir gehen fast nie zum Arzt."
23
6. Soziale Lebenslage (I) – Mitgliedschaft in Vereinen etc.
78,0%
22,0%
48,3%51,7%
43,1%
56,9%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
90,0%
Ja Nein
World Vision Studie 2010 (Kinder 6-11 Jahre) Nürnberger Studie 2008 (6-11)Osnabrücker Studie 2010 (6-17)
24
6. Soziale Lebenslage (II) – Hauptgrund keine
Mitgliedschaft
72,8%
5,0%
2,9%
19,2%
Ist uns zu teuer/Können wir uns nicht leisten
Kein Interesse des Kindes/der Kinder
Kind hat/Kinder haben keine Zeit
sonstiger Grund
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6. Soziale Lebenslage (III) – Zitate
• „Sportverein, da alles andere zu teuer ist. [Ich] finde es wichtig, dass die Kinder sich bewegen, deshalb zwacke ich es vom Haushaltsgeld ab."
• „Die Kinder würden gerne die Musikschule besuchen und ein Instrument erlernen, aber das ist finanziell nicht machbar."
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6. Kulturelle/Schulische Lebenslage – Zitate
• „Nachhilfe wäre nicht schlecht."
• „Es gibt keine Buskarte mehr, ab 11. Klasse Gymnasium."
27
7. Engagement der Eltern (I) – Verzichten sie für ihre Kinder?
90,6%
9,4%
0,0%
10,0%
20,0%
30,0%
40,0%
50,0%
60,0%
70,0%
80,0%
90,0%
100,0%
Ja Nein
28
7. Engagement der Eltern (II) – Wo für die Kinder verzichtet
wird
0,0%10,0%20,0%30,0%40,0%50,0%60,0%70,0%80,0%90,0%
med
izinis
che Ve
rsorgun
g
Esse
n/Le
bens
mittel
Verkeh
r
Woh
nung
seinr
ichtung
/Möb
el
Hobb
ys
Kleidu
ng/S
chuh
e
Ausfl
üge au
ß. der Stadt
Ausg
ehen
Urlau
b
oft manchmal selten nie
29
7. Engagement der Eltern (III) – Zitate
• „Ich habe immer gearbeitet ohne arbeitslos zu sein! Seit dem ich 16 Jahre alt bin! Dann bekomme ich (27) einen wundervollen Sohn (2) und falle in Hartz IV, damit hat sich mein Lebensstandard verschlechtert! Nur wegen [einem] Kind?!"
• „Bewegung und Spaß für die Kinder war mir als alleinerziehende Mutter immer wichtig. Deshalb habe ich … auf vieles verzichtet."
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7. Kinderbedarf nach Kategorien
48,1%
47,4%
42,5%
39,4%
37,4%
29,8%
26,9%
26,1%
25,3%
18,6%
39,9%
38,7%
36,9%
39,0%
40,2%
34,3%
31,8%
39,3%
34,4%
20,1%
6,8%
9,9%
14,3%
14,3%
16,5%
25,0%
21,7%
13,5%
22,2%
30,0%
6,3%
7,4%
5,9%
10,9%
19,6%
21,1%
18,0%
31,3%
4,0%
5,2%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Kleidung/Schuhe
Urlaub
Ausgehen
Spielzeug/Hobbys
Ausflüge auß. der Stadt
Wohnungseinrichtung/Möbel
Verkehr
Ausgaben für die Schule
Essen/Lebensmittel
Medizinische Versorgung
dringend benötigt benötigt selten benötigt gar nicht benötigt
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8. Fazit und Ausblick
• Kinder leiden in verschiedenen Bereichen drastisch unter ihren Armutsbedingungen
• Eltern schränken sich massiv für ihre Kinder ein
• Jetzt handeln: Allen Kindern Zukunft geben!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!