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WuV-Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht, 14.04.2014 PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)

WuV -Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht , 14.04.2014

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WuV -Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht , 14.04.2014. PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur . ( Oxon .). IV. Schutz des Besitzes Überblick:. Der sachenrechtliche Besitzschutz Grundlagen Der Schutz des Besitzes im BGB ist zweigeteilt: - PowerPoint PPT Presentation

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WuV-Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht, 14.04.2014

PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)

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IV. Schutz des BesitzesÜberblick:

Der Schutz des Besitzes im BGB

Deliktsrechtlich (§ 823 BGB)

Sachenrechtlich

Selbsthilfe(§§ 859, 860

BGB)

Possessorisch(§§ 861, 862,

869 BGB)

Petitorisch(§ 1007 BGB)

Bereicherungs-rechtlich

(§ 812 BGB)

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1.Der sachenrechtliche Besitzschutza. GrundlagenDer Schutz des Besitzes im BGB ist zweigeteilt:• Der Besitz als solcher wird durch erweiterte

Selbsthilferechte und spezielle („possessorische“) Ansprüche geschützt.

• Der berechtigte Besitz wird durch den („petitorischen“) Anspruch des § 1007 BGB sowie das Delikts- und Bereicherungsrecht geschützt.

• Der Schutz des bloßen Besitzes dient dem Rechtsfrieden und der Stabilisierung der bestehenden Güterlage.

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b. Selbsthilfe§ 859 Selbsthilfe des Besitzers(1) Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren.• § 859 BGB regelt Ausnahmen vom

Gewaltmonopol des Staates.• § 859 BGB erweitert als lex specialis die

Rechtfertigungsgründe:– Gegenüber § 227 BGB (Notwehr) bei einem

gegenwärtigen Angriff auf den Besitz (Besitzwehr).

– Gegenüber § 229 BGB (Selbsthilfe) bei einem bereits erfolgten Angriff, dessen Ergebnis der ehemalige Besitzer umkehren will (Besitzkehr).

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Die Selbsthilferechte des Besitzers nach § 859 BGB setzen voraus, dass ihm gegenüber verbotene Eigenmacht begangen wurde.§ 858 Verbotene Eigenmacht(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).Voraussetzungen einer verbotenen Eigenmacht:• Besitzentziehung oder Besitzstörung• Ohne Willen des Besitzers• Kein Rechtfertigungsgrund: Die eigenmächtige

Handlung muss als solche erlaubt sein, ein Anspruch auf Besitzeinräumung genügt nicht!

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Besitzstörung oder Besitzentziehung?Beispiele:• A braucht dringend einen Schönfelder und nimmt sich

deshalb das Exemplar des B.• Die Kernkraftgegner X und Y versperren den Zugang

zum Endlager Gorleben, sodass niemand es betreten kann.

• K betritt trotz Hausverbots die Kneipe Z.• I steckt einen Prospekt in einen Briefkasten, obwohl

„Keine Werbung einwerfen“ darauf steht.• I klebt auch Plakate auf Bauzäune in derselben Straße.Im Rahmen des § 858 Abs. 1 BGB ist die Unterscheidung zwischen Störung und Entziehung irrelevant. Sie wirkt sich aber bei § 859 BGB aus.

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Ohne Willen des Besitzers?Beispiel 1: Student S hat sich von V ein Fahrrad gekauft und mit ihm vereinbart, daß er sich das Fahrrad aus dem un-verschlossenen Keller des V abholen darf. Noch bevor S das Fahrrad abholen kann, ruft ihn der V per Handy an und untersagt ihm das Betreten des Kellers. Das Fahrrad wolle er ihm später lieber persönlich überge-ben. S hält das für allzu umständlich. Außerdem denkt er, daß V ihm ja vertraglich die Abholung ge-stattet habe und ihm dieses vertragliche Recht nicht nachträglich wieder entziehen könne. Er holt sich deshalb das Fahrrad heimlich trotzdem. Hat er dabei gegenüber V verbotene Eigenmacht begangen?

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Beispiel 2: S hat von V eine Wohnung in Passau gemietet. Es stellt sich aber heraus, dass die Wohnung viel zu teuer für S ist. Er kann seine Miete nicht bezahlen, und V kündigt ihm deshalb wirksam zum 31.10.2012. S bleibt aber auch nach Ablauf des 31.10.2012 weiter in der Wohnung, obwohl V ihn ausdrücklich zum Ausziehen aufgefordert hat. Hat S gegenüber V verbotene Eigenmacht begangen?

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Beispiel 3: S parkt seinen Pkw am Freitagabend auf dem Kundenparkplatz des V und kauft auch dort ein. Nachdem er seine Einkäufe im Kofferraum seines Wagens verstaut hat, lässt er den Pkw allerdings stehen und feiert das Wochenende. V entdeckt am Samstagmorgen, dass der Pkw des S immer noch auf seinem Parkplatz steht, obwohl man dort nur für zwei Stunden parken darf. Hat S verbotene Eigenmacht gegenüber V begangen?Wie wäre es, wenn S erst nach Betriebsschluss auf dem Parkplatz des V geparkt hätte?

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§ 859 BGB enthält verschiedene Selbsthilferechte des Besitzers:• § 859 Abs. 1 BGB, sogenannte Besitzwehr:– Notwehr gegen unmittelbar drohenden, aber

noch nicht eingetretenen Besitzentzug– erlaubte Selbsthilfe bei anhaltender Störung

Beispiel: R liegt friedlich schlummernd in einem Liegestuhl auf seiner Terrasse, als ihn plötzlich ein kalter Wasserstrahl trifft. Nachbar N hat nämlich seinen Sprenger so eingestellt, dass er bis zu R spritzt. R klettert über den Zaun und stellt den Sprenger um. Zurecht?

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• § 859 Abs. 2 und 3 BGB sind leges speciales gegenüber § 859 Abs. 1 BGB bei Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht:- § 859 Abs. 2 BGB gilt bei beweglichen Sachen- § 859 Abs. 3 BGB gilt bei Grundstücken

• Die Selbsthilferechte der § 859 Abs. 2 und 3 BGB sind anders als bei § 859 Abs. 1 BGB zeitlich begrenzt!

Beispiel: An einem Freitagabend um 22:00 Uhr parkt S in einem belebten Hamburger Viertel seinen Pkw auf dem Kundenparkplatz des X. Als X am nächsten Morgen sein Geschäft öffnen will, steht der Wagen immer noch da. Da die Plätze für seine Kunden frei sein sollen, schleppt X den Wagen des S ab. Zurecht?

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Die §§ 859 Abs. 4, 858 Abs. 2 S. 2 BGB erweitern den Besitzschutz gegenüber dem Nachfolger im Besitz.

Beispiel: Räuber R hat sich auf Smartphones spezialisiert. Als er S um das seine erleichtern will, nimmt S den Verlust nicht so einfach hin und verfolgt den R. R läuft zu seinem Hehler H, mit dem er dauernd kooperiert und übergibt ihm schnell die Beute. Unmittelbar darauf betritt auch S den Laden, erkennt sein Handy in der Hand des H und entreißt es ihm mit Gewalt. Zurecht?

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Selbsthilferecht des mittelbaren Besitzers?Beispiel:A hat dem B sein Fahrrad geliehen. Eines Tages sieht A zufällig, wie der R sich an dem Schloss des Fahrrads zu schaffen macht und es aufbricht. A ist empört und kann den R nur noch dadurch am Wegfahren hindern, dass er ihn vom Fahrrad stößt. Dabei bricht sich R ein Bein. Muss A dem R nun Schadensersatz zahlen?• § 859 BGB ist in § 869 BGB nicht genannt.• Die h.M. gewährt dem mittelbaren Besitzer

gleichwohl die Rechte aus § 859 BGB, um einen lückenlosen Besitzschutz zu gewährleisten.

• Eine Mindermeinung verweist auf den Willen des Gesetzgebers und hält die allgemeinen Rechtfertigungsgründe für ausreichend.

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c. Possessorischer Besitzschutz (§§ 861 f. BGB)• Die Ansprüche aus §§ 861 f. BGB knüpfen an den

bloßen Besitz (lat. possessio, daher possessorische Ansprüche) an.

• Es kommt nicht auf eine etwaige Berechtigung des Besitzers an.

• § 861 BGB greift bei Besitzentziehungen, § 862 BGB bei Besitzstörungen ein.

Beispiel: Auch nachdem R den Sprenger seines Nachbarn N umgestellt hat, findet er keine Ruhe. Denn N stellt den Sprenger bald wieder in die frühere Position. R ist es nun zu bunt, und er will etwas gegen N und seinen Sprenger unternehmen. Was kann er tun?

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Gegenüber den Ansprüchen aus §§ 861f. BGB sind nur begrenzt Einwendungen zulässig:• Es gab keine verbotene Eigenmacht, dh. die

Voraussetzungen der §§ 861 Abs. 1 bzw. 862 Abs. 1 liegen nicht vor.• Der Besitz des Klägers war seinerseits gegenüber

dem Beklagten fehlerhaft und ist im letzten Jahr erlangt worden (§§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB)• Ein Recht zum Besitz oder zur Störung kann nur

ausnahmsweise im Fall des § 863 BGB geltend gemacht werden, soweit dadurch das Vorliegen verbotener Eigenmacht bestritten wird.• Aber: nach BGH petitorische Widerklage zulässig!

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Beispiel: R hat Interesse an dem Handy des S. Als geübter Taschendieb kann R dem S geschickt das Handy unbemerkt aus der Tasche ziehen. S stellt den Verlust erst am nächsten Tag fest. Sofort kommt ihm ein Verdacht, und tatsächlich entdeckt er sein Handy in dem Laden des Hehlers H. Ohne H zu fragen, nimmt er das Handy wieder an sich. Hat H einen Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB gegen S?

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d. Der Besitzschutz des mittelbaren Besitzers• § 869 BGB gibt die Ansprüche aus §§ 861 f. BGB

auch dem mittelbaren Besitzer, wenn der unmittelbare Besitzer in seinem Besitz gestört oder ihm der Besitz entzogen wird.• Bei einer Besitzentziehung kann der mittelbare Be-

sitzer aber grundsätzlich nur Rückgabe an den un-mittelbaren Besitzer und nicht an sich selbst fordern.• Ein Besitzschutz des mittelbaren gegenüber dem

unmittelbaren Besitzer findet nicht statt.Beispiel: M hat ein Auto bei S gemietet. Am nächsten Tag sieht S wie M das Auto eigenmächtig bunt lackiert. Welche Rechte hat S gegenüber M?

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e. Petitorischer Besitzschutz (§ 1007 BGB)• § 1007 BGB schützt den berechtigten Besitzer

sowie den, der gutgläubig im Hinblick auf sein Besitzrecht ist (§§ 1007 Abs. 3, 932 Abs. 2 BGB).

• § 1007 BGB verlängert gewissermaßen die Vermutung des § 1006 BGB in den Besitzschutz.

• § 1007 BGB betrifft nur bewegliche Sachen.• Bei § 1007 Abs. 1 BGB darf der Anspruchsgegner

weder ein Recht zum Besitz haben, noch gutgläubig sein.

• Nach § 1007 Abs. 2 BGB kann eine abhanden gekommene Sache auch von einem gutgläubigen Besitzer heraus verlangt werden.

• § 1007 BGB spielt in der Praxis kaum eine Rolle.

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2. Der Schutz des Besitzes im Deliktsrecht• Die h.M. erkennt zwar nicht den Besitz als solchen,

aber den berechtigten Besitz als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB an.

• Zudem wird § 858 BGB als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verstanden, so dass ein Schadensersatz-anspruch bei verbotener Eigenmacht besteht.

3. Der Schutz des Besitzes im Bereicherungsrecht• Das (durch Leistung oder auf sonstige Weise) erlang-

te Etwas i.S.d. § 812 BGB kann auch der Besitz sein.• Im Bereicherungsrecht sind also Ansprüche auf Her-

ausgabe von Besitz und Eigentum getrennt zu prüfen!

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§ 3 Eigentum und EigentumsschutzI. Begriff und Inhalt des Eigentums1. Der Eigentumsbegriff des § 903 BGB§ 903 Befugnisse des Eigentümers Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.• Gegenstand des Eigentums können alle Sachen sein. Für

Tiere gilt § 903 S. 1 BGB gemäß § 90a BGB entsprechend.

• Das Eigentum ist das Paradigma des absoluten Rechts.

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2. Privatrechtliche Schranken• Räumliche Schranken§ 905 Begrenzung des EigentumsDas Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auf den Raum über der Oberfläche und auf den Erdkörper unter der Oberfläche. Der Eigentümer kann jedoch Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.Beispiel: A besitzt ein Haus in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Der Flugverkehr geht ihm gewaltig auf die Nerven. Er meint, dass er sich das als Grundstücks-besitzer und Hauseigentümer obendrein nicht gefallen lassen muß, und will die Fluggesellschaften auf Unter-lassung verklagen. Kann er sich auf sein Eigentum berufen?

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• Schikaneverbot: § 226 BGBBeispiel: A und B sind Nachbarn und deshalb sehr zerstritten. Da B den A ärgern will, stellt er in seinem Garten jede Menge übel aussehender Haßzwerge auf. A fordert B auf, die Zwerge zu entfernen. B weigert sich unter Berufung auf sein Eigentumsrecht. Zurecht?• Notstand: §§ 228, 904 BGBBeispiel: A geht am Meer spazieren und entdeckt ein Kind, das offenbar am Ertrinken ist. Kurzentschlossen springt er in das am Strand liegende Boot des B, rudert hinaus und rettet das Kind. Beim Anlegen stößt das Boot aber gegen einen Stein und schlägt Leck. B ist empört und verlangt Schadensersatz. Zurecht?• Beschränkte dingliche Rechte anderer.

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3. Öffentlichrechtliche Schranken (im Überblick)• Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG:

Inhalts- und Schrankenbestimmungen:, u.a.:- Bau- und Bauplanungsrecht- Raumordnungsrecht- Natur- und Umweltschutzrecht- Denkmalschutzrecht- Agrarrecht- Öffentliches Verkehrs- und Sachenrecht- Straf- und zwangsvollstreckungsrechtliche

Sanktionen• Art. 14 Abs. 3 GG: Enteignung (grundlegend:

BVerfGE 58, 300: „Naßauskiesung“)

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4. Funktionen des Eigentums:Man unterscheidet zwei grundlegende Funktionen des Eigentums: Die Zuweisungsfunktion und die Ausschlussfunktion.• Die Sache ist dem Eigentümer zugewiesen, so dass er

grundsätzlich nach Belieben mit ihr verfahren kann.Beispiel: A gehört die Gans G, die in seinem Heimatort H zu einiger Berühmtheit gelangt ist, da sie kurz vor Ostern ein Feuer in der Kirche bemerkt und durch ihr aufgeregtes Schnattern rechtzeitig aufgedeckt hat, so dass es gelöscht werden konnte. A ist allerdings wenig dankbar und will die Gans zu Weihnachten schlachten. Die Einwohner von H finden das unglaublich. Sie ziehen vor Gericht. Zurecht?

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• Das Eigentum gibt dem Eigentümer nicht nur das positive Recht zur Nutzung, sondern auch die negative Befugnis, andere von der Nutzung auszuschließen.

Beispiel: A gehört ein Bürohaus in der City von München, das schon geraume Zeit leer steht. Da sie keine andere Herberge finden, besetzen verzweifelte Studenten das Haus. A verlangt von ihnen, das Haus zu räumen. Zurecht?• Wenn das Gesetz, wie bei § 823 Abs. 1 BGB, von

„sonstigen Rechten“ spricht, müssen diese Rechte regelmäßig eigentumsähnlich sein und auch eine Zuweisungs- und eine Ausschlussfunktion haben.

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5. Formen des Eigentums• Das Eigentum kann einer Person alleine zustehen

(Alleineigentum nach § 903 BGB), oder mehreren Personen.

• Bei Eigentum einer Personenmehrheit sind verschiedene Formen zu unterscheiden.

a. Miteigentum (§§ 1008 ff., 741 ff. BGB)• Beim Miteigentum nach Bruchteilen hat jeder

Miteigentümer einen gedanklich-rechnerischen Bruchteil, der sich aber auf den ganzen Gegenstand erstreckt und nicht auf einen realen Teil davon beschränkt ist.

• Das schuldrechtliche Verhältnis der Miteigentümer richtet sich nach den §§ 741 ff. BGB.

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• Jeder Miteigentümer kann über seinen Anteil verfügen, über den ganzen Gegenstand aber nur alle gemeinsam (§ 747 BGB).

Beispiel:A hat einen alten Ferrari entdeckt, den er gerne als Kapitalanlage erwerben würde, der aber für ihn allein zu teuer ist. Er spricht deshalb den B als Mitinvestor an. Gemeinsam kaufen A und B den Ferrari und lassen ihn sich übereignen. Nach einigen Monaten verkauft und übereignet B dem C seinen Anteil an dem Ferrari. A ist empört. Er hält Bs Geschäft mit C für unwirksam. Zurecht?Abwandlung: C will den ganzen Wagen haben, und lässt ihn sich deshalb von B übereignen, obwohl er weiß, dass A und B Miteigentümer sind.

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b. Gesamthandseigentum (GbR, OHG/KG, Güter- und Erbengemeinschaft)

• Die Gesamthänder haben nur einen Anteil an der Gesamthand, nicht aber an den Gegenständen der Gesamthand (§ 719 Abs. 1 BGB).

• Über die Gegenstände der Gesamthand können die Gesamthänder regelmäßig nur gemeinschaft-lich verfügen (§ 709 Abs. 1 BGB).

Beispiel: A und B haben eine Rechtsanwaltskanzlei gegründet und dafür einen Firmenwagen erworben. Nach kurzer Zeit verkauft der stets klamme B seinen Anteil an dem Wagen an C. A ist empört und hält das Geschäft des B für unwirksam. Zurecht?

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II. Anspruchsgrundlagen zum Schutz des Eigentums• Der Eigentümer kann in vielfältiger Weise in seinem

Recht verletzt werden.• Je nach Schutzbedürfnis greifen unterschiedliche

Anspruchsgrundlagen ein:– Auf Herausgabe:

§§ 985, 812, 823 BGB– Auf Unterlassung und Beseitigung:

§ 1004 BGB– Auf Schadensersatz:

§§ 823, 989, 990 BGB

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a. Auf Unterlassung und Beseitigung§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.• Bei Entziehung der Sache oder Vorenthaltung des

Besitzes greift § 985 BGB ein; in allen anderen Fällen ist § 1004 BGB einschlägig.

• § 1004 BGB setzt nur eine rechtswidrige Beeinträchtigung und kein Verschulden des Störers voraus.

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• Da Schadensersatzansprüche regelmäßig verschuldensabhängig sind, muss die Beseitigung im Rahmen des § 1004 Abs. 1 BGB gegenüber einem Schadensersatz abgegrenzt werden.

Beispiel (Vgl. BGHZ 135, 235) : Der reiche A hat sich einen neuen Tennisplatz auf seinem Grundstück gebaut. Allerdings kann er sich nicht lange daran erfreuen, weil bald wachsende Wurzeln Risse im Boden verursachen. Die Wurzeln gehören zu einem Baum, der auf dem Grundstück des Nachbarn N steht. A verlangt von N Beseitigung der Wurzeln und Reparatur des Tennisplatzes. Zurecht?

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b. Auf Schadensersatz• In einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis be-

stehen spezielle Schadensersatzansprüche, die dem allgemeinen Deliktsrecht vorgehen (§ 993 BGB).

• Bei Beeinträchtigungen des Eigentums durch einen Außenstehenden, der nicht Besitzer ist, greift aber das Deliktsrecht ohne weiteres ein.

Beispiel:A ist ein kleiner Pyromane. Besonders gern zündet er Autos an. Als er den neuen Porsche des P in Flammen aufgehen lässt, ist dieser nicht so begeistert und nimmt den A umgehend auf Schadensersatz in Anspruch. Zurecht?

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• Probleme tauchen auf, wenn das Eigentum nicht durch einen unmittelbaren physischen Eingriff beeinträchtigt wird.

Beispiel 1 (nach BGHZ 55, 153):Reeder A besitzt zwei Schiffe, mit denen er den Hafen H am Ende eines Seitenkanals der Schwentine bedient. Bei Bauarbeiten beschädigt der Unternehmer U fahrlässig das Kanalufer, so dass der Kanal gesperrt wird. A verlangt Schadensersatz für seinen entgangenen Gewinn. Eins seiner Schiffe ist nämlich im Kanal eingeschlossen, und das andere kann nicht mehr hineinfahren. Wie ist die Rechtslage?

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Beispiel 2 (nach BGHZ 41, 123; 66, 388):Bei Bauarbeiten zerstört der Baggerführer B fahrlässig ein Stromkabel. Dadurch kommt es sowohl in der Druckerei D als auch in dem Legehennenstall L zu einer Strom- und Betriebsunterbrechung. D macht einen entgangenen Gewinn von 10.000 Euro geltend, bei L ist ein Schaden von 2.000 Euro wegen verdorbener Eier entstanden. Wie ist die Rechtslage?

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III. Der Erwerb des Eigentums1. Der rechtsgeschäftliche Erwerb vom Berechtigten• §§ 413, 398 BGB bildet den Grundtatbestand der

Übertragung dinglicher Rechte.• Gemäß §§ 413, 398 BGB ist grundsätzlich eine

Einigung der Parteien ausreichend.• Besondere Regelungen im Überblick:

§§ 873, 925 (Eigentum an Grundstücken), 929 (Eigentum an beweglichen Sachen), 1154 (Hypothek), 1192 (Grundschuld)

• Für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen bildet § 929 BGB den Grundtatbestand.

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Tatbestandsvoraussetzungen des § 929 BGB• Einigung• Übergabe, kann ersetzt werden:– nach § 929 S. 2 BGB (brevi manu traditio)– nach § 930 BGB (vereinbartes Besitzkonstitut)– nach § 931 BGB (Abtretung eines

Herausgabeanspruchs)• Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe• Berechtigung, kann ersetzt werden:– durch Genehmigung (§ 185 II 1 1. Fall BGB)– durch Konvaleszenz (§ 185 II 1 2. und 3. Fall BGB)– durch gutgläubigen Erwerb (§ 932 ff. BGB)

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• Die Einigung ist ein dingliches Rechtsgeschäft.• Die Vorschriften des AT sind anwendbar.Beispiel:S braucht dringend ein neues Fahrrad und kauft deshalb von F dessen gebrauchtes Mountainbike. F hat sein Rad allerdings gerade nicht dabei und will es deshalb dem S am Abend geben. Sie verabreden sich in einer Kneipe in der Passauer Altstadt. F ist schon früher dort und begießt sein gutes Geschäft ausgiebig. So ist er bereits schwer betrunken, als S schließlich eintrifft. Bloß noch lallend händigt F dem S das Fahrrad aus.Ist S Eigentümer des Fahrrads geworden?

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Die Übergabe erfordert:• dass die „Eigentümerseite“ den unmittelbaren

Besitz aufgibt,• dass die „Erwerberseite“ ihn erhält,• dass dieser Erwerb auf Veranlassung des

Eigentümers erfolgt.Beispiel:T hat eine Hütte im Bayerischen Wald, die er im Winter noch mit Holz beheizt. Deshalb kauft er von V ein Klafter Brennholz. Da das Holz im Wald des V frei zugänglich lagert, einigen sich T und V darauf, dass T das Holz selbst abtransportieren und zu seiner Hütte bringen soll.Ist T nun Eigentümer des Holzes geworden?

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• Die h.M. folgert aus einem Umkehrschluss zu § 873 Abs. 2 BGB, dass die Einigung bis zur Übergabe frei widerruflich ist.

• Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bei § 929 BGB ist deshalb: Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe.

Beispiel:V betreibt ein Kleidungsgeschäft in Passau, in dem er u.a. Mode des Herstellers H verkauft. V hat einen langfristigen Liefervertrag mit H, nach dem alle Ware bei Übergabe an den V in dessen Eigentum übergehen soll. H gefällt das jedoch bald nicht mehr. Er weist seinen Fahrer A an, dem V zu sagen, dass er fortan kein Eigentum an der Ware mehr bekommt. A vergisst dies aber bei der nächsten Lieferung und sagt V erst bei der übernächsten Lieferung Bescheid. Ist V Eigentümer der Waren beider Lieferungen geworden?

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Die Berechtigung des Veräußerers kann sich aus vielen Gründen ergeben:• Aus der Verfügungsbefugnis des Eigentümers,

die nach § 137 BGB rechtsgeschäftlich nicht eingeschränkt werden kann.

• Aus einer sonstigen gesetzlichen Verfügungsbefugnis (etwa § 80 Abs. 1 InsO).

• Aus einer Einwilligung des Berechtigten (§ 185 Abs. 1 BGB)

Eine Verfügung durch einen Nichtberechtigten kann nachträglich wirksam werden:• Durch Genehmigung: § 185 II 1 1. Fall BGB• Durch Konvaleszenz: § 185 II 1 2. und 3. Fall BGB

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• Die nach § 929 S. 1 BGB erforderliche Übergabe der Sache kann durch sogenannte ‚Übergabesurrogate“ ersetzt werden:- § 929 S. 2 BGB: Besitzübergang ‚kurzer Hand‘

(brevi manu): - § 930 BGB: Vereinbarung eines Besitzkonstituts- § 931 BGB: Abtretung des Herausgabeanspruchs

• Wenn und soweit die Übergabe durch ein Surrogat ersetzt wird, kommt es zu einer Einschränkung des Publizitätsprinzips.

• Bei der Auslegung der Vorschriften ist stets zu bedenken, ob die Änderung der Rechtslage nach Außen deutlich genug erkennbar ist.

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§ 929 S. 2 BGB: Besitzübergang brevi manu• Grundsätzlich ist zunächst sorgfältig zu prüfen, ob

nicht bereits eine Besitzübertragung im Sinne des § 929 S. 1 BGB vorliegt.

• Die Übergabe nach § 929 S. 1 BGB kann eigentlich auch nach § 854 Abs. 2 BGB geschehen.

Beispiel 1: S hat sich von F dessen Fahrrad geliehen. Als S das Fahrrad ein paar Tage benutzt hat, gefällt es ihm so gut, dass er es am liebsten ganz behalten möchte. Er fragt bei F nach und einigt sich mit ihm über einen günstigen Kaufpreis. S bezahlt den Preis und nutzt das Fahrrad des F weiter.Ist S Eigentümer des Fahrrads geworden?• Es ist umstritten, ob hier § 929 S. 2 BGB eingreift.

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• Nach h.M. reicht es aus, wenn der Erwerber im Fall des § 929 S. 2 BGB irgendeinen (unmittelbaren oder mittelbaren, Eigen- oder Fremd-) Besitz hat.

• Fraglich ist, ob auch eine Besitzdienerstellung genügt:

Beispiel 2: A ist im Unternehmen des U als Außen-dienstmitarbeiter angestellt und nutzt zu diesem Zweck als ausschließlicher Fahrer einen VW-Golf des U. Nach drei Jahren ist der Wagen abgeschrieben, und U bietet dem A an, den Wagen zu einem günstigen Preis erwerben zu können. A nimmt das Angebot an. Er bekommt einen neuen Wagen für die Arbeit und nutzt den alten VW-Golf fortan privat.Ist A Eigentümer des VW-Golf geworden?

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§ 930 BesitzkonstitutIst der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Über-gabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt.• Statt die Sache zu übergeben, können die Parteien auch

ein Besitzmittlungsverhältnis nach § 868 BGB verein-baren, so dass der Veräußerer für den Erwerber besitzt.

Beispiel: A merkt nach einer Weile, dass er den VW-Golf doch nicht so richtig braucht. Er bietet ihn deshalb dem K zum Verkauf an. Tatsächlich einigt man sich über den Preis. Da A den Golf noch für eine Urlaubsfahrt nutzen möchte, vereinbaren A und K, dass A die Reise noch machen, aber den Wagen fortan für den K besitzen soll.Ist K Eigentümer des Wagens geworden?

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• Nach h.M. braucht das Besitzmittlungsverhältnis nicht vertraglich zu sein, sondern es genügt auch ein gesetzliches Verhältnis (Bsp.: Eltern/Kinder).

• Ein Besitzkonstitut kann der Veräußerer auch durch mit sich selbst als Vertreter des Erwerbers als erlaubtes Insichgeschäft abschließen:

Beispiel: In einer Auktion steht ein wertvolles Bild von Egon Schiele zur Versteigerung an. Der Kunstliebhaber K möchte das Bild gerne haben. Er möchte aber ano-nym bleiben und beauftragt deshalb den Händler H, das Bild auf seine Rechnung zu ersteigern. H erhält tatsächlich den Zuschlag, bezahlt den Preis und nimmt das Bild mit in seinen Laden, wo er es für K verwahrt.Wer ist Eigentümer des Bildes?

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• Das Besitzkonstitut kann auch im Vorweg verein-bart werden, so dass es sich erst später realisiert, sog. antezipiertes (oder antizipiertes) Konstitut.

Beispiel: Der Händler H benötigt dringend einen Kredit für sein Geschäft. Er wendet sich an seine Bank B. Als Sicherheit kann H der B nur sein Warenlager anbieten. H und B einigen sich, dass B das Eigentum an aller Ware erhalten soll, die sich im Lager des H befindet oder zukünftig dorthin gelangt. H soll diese Ware fortan für die B besitzen. So läuft das Geschäft des H noch mehrere Monate, bis er insolvent wird. Kann B nun als Eigentümerin auf ihre Waren zu greifen?Achtung: Auch in diesen Fällen wird der Veräußerer für eine „logische Sekunde“ Eigentümer der Sachen!

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Sonderproblem: Ausgesuchte WareBeispiel:S entdeckt im Schaufenster des V ein schönes Kleid. Er kauft das Kleid für seine Freundin. Da V die Dekoration des Schaufensters aber nicht verändern möchte, einigen sich V und S, dass nur ein Schild „Verkauft“ an dem Kleid angebracht wird, es aber vorerst im Schaufenster bleiben soll. Dort entdeckt es der X, dem es auch gut gefällt und der dann den V überzeugen kann, ihm das Kleid noch einmal zu verkaufen und gleich mitzugeben.Kann S das Kleid von X herausverlangen?

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§ 931 Abtretung des HerausgabeanspruchsIst ein Dritter im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt.• Hat der Veräußerer mittelbaren Besitz, muss er den

Anspruch aus dem Besitzmittlungsverhältnis abtreten.Beispiel: V betreibt eine Autovermietung und hat einen Mercedes langfristig an M vermietet. Nun benötigt V dringend frisches Kapital. Er verkauft deshalb den Mercedes an den K und vereinbart mit ihm, dass K fortan alle Rechte aus dem Mietverhältnis mit M haben soll. M freilich weiß nichts davon. Als K sich nach einiger Zeit bei ihm meldet, meint M, dass ihn das Geschäft zwischen V und K nichts anginge. Für ihn sei V sein Vertragspartner und weiterhin der Eigentümer des Wagens. Hat M recht?

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• Fraglich ist, welchen Anspruch der Veräußerer abtreten muss, wenn er keinen Besitz hat:

Beispiel 1:Bei einem Einbruch in den Laden des L sind kürzlich 12 sehr wertvolle, aber leider nicht versicherte Uhren gestohlen worden. L hat zwar Anzeige er-stattet, glaubt aber nicht, daß er seine Uhren je wiedersehen wird. Er ist deshalb sehr froh, als sich der Detektiv D bei ihm meldet und ihm anbietet, die Uhren zu einem Drittel ihres gewöhnlichen Markt-wertes zu kaufen. Allerdings weiß er nicht, wie er dem D das Eigentum an den Uhren verschaffen soll und wendet sich deshalb mit der Bitte um Rechtsrat an Sie. Was sagen Sie dem L?

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Beispiel 2:Bei einer Ruderfahrt über den Dorfsee in X ist dem schusseligen S leider ein wertvoller Ring in das Wasser gefallen. Er glaubt nicht, dass man den Ring noch retten kann, und ist froh, als sich das professionelle Bergungsunternehmen B bei ihm meldet. B bietet S an, den Ring für zehn Prozent des Marktwertes zu kaufen und dann die Bergung auf eigene Kosten zu versuchen.Wie kann B das Eigentum an dem Ring von S erwerben?• Wenn der Veräußerer keinen Besitz hat, genügt

es nach h.M., wenn die Parteien sich über den Eigentumsübergang einigen.

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• Im Normalfall erfolgt die Übertragung des Eigentums unmittelbar zwischen Veräußerer und Erwerber.

• In der modernen Wirtschaftswelt müssen häufig Hilfspersonen auf Erwerber- oder Veräußererseite tätig werden.

• Eine Stellvertretung ist bei der Übertragung des Eigentums aber häufig problematisch.

• Ohne Probleme möglich ist aber eine Stellvertretung bei der Einigung:

Beispiel: K hat den F beauftragt, für ihn eine neue Jacke auszusuchen, weil er selbst keine Zeit und nicht so viel Geschmack wie der F hat. F kauft deshalb im Laden des L im Namen des F eine schicke Jacke, bezahlt den Kaufpreis und nimmt die Jacke mit. Wer ist nun Eigentümer der Jacke?

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• Eine Stellvertretung bei der Übergabe ist nur ausnahmsweise in den Fällen des §§ 929 S. 1, 854 II BGB und § 929 S. 2 BGB möglich, wenn eine (rechtsgeschäftliche) Einigung genügt.

Beispiel:Holz im Wald ist dieses Jahr sehr beliebt. Auch der N will gerne solch ein Klafter Brennholz kaufen. Er beauftragt deshalb seinen Freund F mit dem Erwerb beim Waldbesitzer B. F kauft im Namen des N von B wie beauftragt ein Klafter und einigt sich zudem mit B, dass N das Holz, das im Wald des B frei lagert, selbst abtransportieren soll, wann es ihm beliebt.Ist N Eigentümer des Holzes geworden?

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• Um auch eine echte Übergabe unter Beteiligung von Hilfspersonen zu ermöglichen hat man einen sogenannten „Geheißerwerb“ erfunden.

• Beim Geheißerwerb wird die Übergabe so konstru-iert, dass Erwerber oder Veräußerer ihren Akt durch eine Person ihres Geheiß vollziehen lassen.

Veräußerer Erwerber

physische Übergabe

Übergabe

Übergabe beim Geheiß-erwerb (§ 929 S. 1 BGB):

Geheißperson

Anweisung zur Übergabe an Erwerber

Einigung

Normalfall(§ 929 S. 1 BGB):

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• Auch der Erwerber kann sich durch eine Geheiß-person ersetzen lassen, indem er den Veräußerer zur Lieferung an einen Dritten anweist:

• Beide Formen des Geheißerwerbs lassen sich natürlich auch kombinieren!

Veräußerer Erwerber

physische Übergabe

Einigung

Geheißperson

Anweisung zur Übergabe an Geheißperson

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Beispiel 1: Die Geheißperson des VeräußerersDer Internethändler I verkauft Computer der Firma Pear. Als K einen solchen Computer bei I online kauft, gibt I die Kundendaten des K an Pear weiter, die den Computer dann an K ausliefert.Ist K nun Eigentümer des Computers geworden?Beispiel 2: Die Geheißperson des ErwerbersDer vielbeschäftigte Anwalt A möchte seiner Geliebten G ein Klavier schenken. Er ruft deshalb bei dem Klavierbauer Steinweg an, bestellt den teuersten Flügel in seinem Angebot und weist den Steinweg an, den Flügel an die Adresse der G zu liefern. Steinweg liefert den Flügel wie beauftragt aus.Wer ist nun wie Eigentümer des Flügels geworden?

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• Auch bei der Übereignung kann es ein „Geschäft an den, den es angeht“, geben.

• Die Figur des „Geschäfts an den, den es angeht“, kann aber nur bei der Einigung angewandt werden.

• Beim Besitzübergang muss ein echter Besitzerwerb des Erwerbers stattfinden!

Beispiel:Händler H schickt seinen Lehrling L los, der neue Stifte für das Büro besorgen soll. L geht deshalb in den nächsten Schreibwarenladen und kauft einen Satz Bleistifte.Wer ist wie Eigentümer der Bleistifte geworden?

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2. Der Erwerb vom Nichtberechtigtena. Allgemeine Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen nach dem BGB:• Eine rechtfertigende Besitzlage.

- Grundgedanke: Ein gutgläubiger Erwerb kommt erst in Frage, wenn der Veräußerer seine bisherige Besitzposition vollständig aufgegeben hat.

- § 932 BGB korrespondiert § 929 BGB- § 933 BGB korrespondiert § 930 BGB- § 934 BGB korrespondiert § 931 BGB

• Guter Glaube des Erwerbers (§ 932 Abs. 2 BGB)• Es muss ein rechtsgeschäftlicher Erwerb sein.• Kein Ausschluss (§ 935 BGB)

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b. Der gutgläubige Erwerb nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGBPrüfungsschema:• Übereignung nach § 929 S. 1 BGB

- Einigung- Übergabe- Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe

• Fehlende Berechtigung des Veräußerers• Besitzerwerb vom Veräußerer• Gutgläubigkeit des Erwerbers

(§ 932 Abs. 2 BGB)• Kein Abhandenkommen (§ 935 BGB)

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Beispiel 1:Der 16jährige J hat sich ein Fahrrad von seinem Freund F geliehen. Da J dringend Geld benötigt, verkauft er das Fahrrad an den volljährigen und gutgläubigen K, dem er erzählt, das Fahrrad gehöre ihm. Als F das Fahrrad bei K entdeckt, ist er empört und verlangt es heraus. K meint, er sei Eigentümer des Fahrrads geworden. Hat K Recht?Probleme:• WE des nichtberechtigten J lediglich rechtlich

vorteilhaft und damit wirksam nach § 107 BGB?• Gutgläubiger Erwerb des K, obwohl K kein

Eigentum erworben hätte, wenn J Eigentümer gewesen wäre?

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Beispiel 2:G ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Deren Angestellter A hat vor kurzem für die X-GmbH mit Papieren aber bösgläubig einen Gebrauchtwagen von V erworben, den dieser vom wahren Eigentümer E entliehen hatte. Als G den Wagen entdeckt, gefällt er ihm so gut, dass er ihn fortan privat nutzen möchte. Er verkauft und übereignet ihn deshalb an sich selbst. Als E den Wagen entdeckt und G über alles aufklärt, meint dieser, daß er Eigentümer des Wagens geworden sei. E müsse sich an V und A halten. Hat G Recht?

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Das Erfordernis eines „Verkehrsgeschäfts“ für den gutgläubigen Erwerb nach §§ 932 ff. BGB• Schutz des gutgläubigen Erwerbs nur dann,

wenn keine (faktische) Personenidentität von Veräußerer und Erwerber.

• Nach h.M. reicht es für Schutz aus, wenn auf Erwerber wenigstens ein Dritter hinzukommt.

• h.M.: ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal.• Richtig: teleologische Reduktion der §§ 932 ff.

BGB, wenn kein Verkehrsgeschäft vorliegt.

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c. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 2, 932 I S. 2 BGBBeispiel:K möchte ein neues Klavier kaufen, ist sich aber nicht ganz sicher, was für ein Modell in seine Wohnung passt. Er wendet sich an den V, der ihm anbietet, drei Modelle unverbindlich zur Ansicht liefern zu lassen. K nimmt dieses Angebot begeistert an. Tatsächlich wendet sich V an den Hersteller Blöthner, dem er erzählt, der K würde für ein Hauskonzert einen Flügel leihen und dabei unter drei Modellen auswählen wollen. Blöthner liefert die Flügel an K. K gefällt tatsächlich ein Modell so gut, dass er es von V kauft, der den Flügel dann nach Kaufpreiszahlung auch an den K übereignet. Als Blöthner seinen Flügel bei K abholen will, meint K, dass er Eigentümer geworden sei. Hat K Recht?

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d. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 930, 933 BGBBeispiel:Der Unternehmer U benötigt dringend einen neuen Kredit und wendet sich deshalb an seine Bank B. B ist auch bereit, dem U 100.000 Euro zur Verfügung zu stellen, wenn er ihr Sicherheiten geben kann. U ver-kauft in seinem Geschäft teure Mode des Herstellers M. M liefert U seine Produkte und ermächtigt U auch, sie an die Kunden zu übereignen. Eigentum überträgt der M dem U aber nicht. Gleichwohl überträgt U das Eigentum an der Mode in seinem Laden an B und ver-einbart mit B, dass er die Ware fortan für sie besitzen wird. Als U pleite geht, streiten sich B und M um das Eigentum an der Mode. Wem von beiden steht es zu?

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e. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 931, 934 BGB§ 934 BGB enthält zwei Alternativen:i. § 934 1. Fall BGB: Veräußerer ist mittelbarer Besitzer• Der Erwerber erwirbt das Eigentum mit Abtretung

des wirklich bestehenden Herausgabeanspruchs.Beispiel:S hat sich ein Fahrrad von E geliehen, das er dann seinerseits an seinen Freund F weiterverliehen hat. Nun benötigt S dringend Geld und verkauft das Fahrrad deshalb an den gutgläubigen K. Er erzählt K, dass er das Fahrrad an F verliehen habe und sagt ihm, dass er sich das Fahrrad von F holen solle.Ist K Eigentümer des Fahrrads geworden?

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ii. § 934 2. Fall BGB: Veräußerer ist nicht mittelbarer Besitzer• Hier muss der Erwerber den Besitz von dem

Dritten erwerben, gegenüber dem der abgetre-tene Herausgabeanspruch angeblich besteht.

Beispiel: Student S ist mal wieder pleite. Er verkauft des-halb dem K ein Fahrrad, das eigentlich dem E gehört. S erzählt dem K, dass er das Fahrrad dem E geliehen hätte. E würde es ihm demnächst vorbeibringen. Dem E erzählt S, der K wolle sich das Fahrrad des E leihen. E ist gut-mütig und bringt das Rad auch bei K vorbei. K wundert sich etwas, dass E immer von „meinem“ Fahrrad spricht, fragt aber nicht nach. Als E das Rad nach ein paar Tagen wieder zurückverlangt, meint K, er habe das Rad von S gekauft und sei Eigentümer geworden. Hat K Recht?

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iii. Problem des sogenannten Nebenbesitzes (vgl. RGZ 135, 75; 138, 265)Der Zuckerhändler Z verkaufte dem X 890 Sack gemahlenen Zucker. Z behielt sich das Eigentum vorerst vor und lieferte den Zucker zum Lager des L, der den Zucker für den Z verwahren sollte. In der Folgezeit geriet der X in finanzielle Schwierigkeiten und nahm einen Kredit bei der Bank B auf. Als Sicherheit verlangte die B Eigentum an dem bei L eingelagerten Zucker. X übertrug der B daher das Eigentum an dem Zucker und trat ihr seinen Herausgabeanspruch gegen L ab. Auf Nachfrage der B versicherte L, dass er den Zucker nunmehr für sie verwahre. Trotz des Kredites ging X bald darauf pleite. Z und B streiten sich nun darüber, wer von ihnen Eigentümer des Zuckers ist. Wer ist es?

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f. Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs durch § 935 BGB§ 935 Kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen(1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war.(2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Geld oder Inhaberpapiere sowie auf Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung oder in einer Versteigerung nach § 979 Absatz 1a veräußert werden.

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• § 935 BGB schließt grundsätzlich den gutgläu-bigen Erwerb an Sachen aus, an denen der Eigen-tümer seinen Besitz unfreiwillig verloren hat.

• Bei einem freiwilligen Besitzverlust wird dagegen der gutgläubige Erwerber geschützt und der Eigentümer soll sich an den halten, der sein Vertrauen missbraucht hat.

Beispiel 1: Der bei dem Unternehmer U angestellte Kurierfahrer K ist in finanziellen Schwierigkeiten. Er verkauft deshalb seinen Dienstwagen mit Papieren an den gutgläubigen X. Ist X Eigentümer des Wagens geworden?• Unfreiwillig ist auch die unerlaubte Aufgabe der

Sachherrschaft durch den Besitzdiener.

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Beispiel 2:Der R ist Leiter einer Jugendbande und hat sich auf den Handel mit Markenware spezialisiert. Nun gefällt ihm die Jacke des J. Unter Androhung von Schlägen erreicht er die Herausgabe der Jacke von J. Bald schon findet R in K einen Käufer für die Jacke, die er dem gutgläubigen K dann auch verkauft und übereignet. Als J seine Jacke im Besitz des K entdeckt, verlangt er sie heraus. J meint, dass er Eigentümer geworden sei. Hat er Recht?• Problem: Ist ein Besitzverlust unfreiwillig, wenn

er unter einem Willensmangel litt?• Differenziere zwischen Irrtum und Täuschung

einerseits und Drohung andererseits.

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g. Erweiterungen der Möglichkeiten eines gutgläubigen Erwerbsi. Schutz des guten Glaubens an die Verfügungsbefugnis durch

§ 366 HGB:366 HGB (1) Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.(2) Ist die Sache mit dem Recht eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, ohne Vorbehalt des Rechtes über die Sache zu verfügen, betrifft.(3) […]

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Voraussetzungen des § 366 HGB:• Veräußerung oder Verpfändung einer

beweglichen Sache durch einen Kaufmann• Im Betrieb seines Handelsgeschäfts, §§ 343,

344 HGB• Nichtberechtigung des Kaufmanns• Gutgläubigkeit des Erwerbers, § 932 Abs. 2 BGB– Bezüglich der Verfügungsbefugnis– h.M.: § 366 HGB analog bei Gutgläubigkeit

bezüglich der Vertretungsmacht• Kein Abhandenkommen der Sache, § 935 BGB

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Beispiel:Der eingetragene Kaufmann K verkauft in seinem Ware seines Lieferanten L. L hat K ermächtigt, die Ware an seine Kunden zu veräußern. Nun steckt K in finanziellen Schwierigkeiten und ist auch mit Zahlungen an L in Rückstand. L hat deshalb die Verfügungsbefugnis des K widerrufen. Gleichwohl verkauft K dem G einen Fernseher aus der Ware des L. G hat von den finanziellen Schwierigkeiten des K gehört. Er fragt deshalb nach, ob K überhaupt Eigentum übertragen könne. K gibt zu, dass er nicht Eigentümer sei, erklärt aber, er sei von L zu Verfügungen ermächtigt. G gibt sich damit zufrieden, kauft den Fernseher und erhält ihn von K übereignet. Ist G Eigentümer des Fernsehers geworden?

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ii. Schutz des guten Glaubens an die Erbenstellung des Veräußerers durch § 2366 BGBBeispiel:Der Erblasser T hatte seinen Sohn S 1999 in einem Testament als Alleinerben eingesetzt. Als T im Januar 2012 starb, ließ S sich einen Erbschein ausstellen und ordnete danach den Nachlass. Dabei veräußerte er im April auch an den gutgläubigen K ein wertvolles Bild aus dem Nachlass. Den Erbschein erwähnte S allerdings nicht. Im Juni meldete sich dann auf einmal der Neffe N des T und wies ein Testament des T aus dem Jahr 2005 vor, in dem der S enterbt und er, N, zum Alleinerben eingesetzt worden war. N verlangt nun als Erbe des T das Bild von K heraus. K meint, dass er der Eigentümer sei. Zurecht?

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h. Die Stellung des gutgläubigen Erwerbers• Der gutgläubige Erwerber erwirbt grundsätzlich

vollwertiges Eigentum.• Erfolgte die Verfügung unentgeltlich, gibt § 816 I 2 BGB

dem Eigentümer aber einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung gegen den Erwerber.

Beispiel: S will seiner Freundin F zu Weihnachten eine teure Uhr schenken. Da er kein Geld hat, mietet er sich eine Golduhr beim Juwelier J für das Fest. F ist begeistert, als sie die Uhr unter dem Weihnachtsbaum entdeckt. Aus ist es mit der Liebe der F aber, als S ihr nach den Feiertagen beichtet, dass die Uhr von J nur geliehen und nicht gekauft war. F meint, das solle S mit J ausmachen. Sie sei jedenfalls Eigentümerin der Uhr und wolle fortan weder von ihm, S, noch von J etwas wissen. Wie ist die Rechtslage?

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• Es ist umstritten, ob der ursprünglich nichtberech-tigte Veräußerer später Eigentum vom ursprüng-lichen gutgläubigen Erwerber erwerben kann:

Beispiel: S hat sich ein Fahrrad von E geliehen. Als er Geld braucht, verkauft und übereignet S das Fahrrad an den gutgläubigen G. G fährt das Fahrrad eine Weile, entdeckt dann aber einen Mangel. S weigert sich trotz Fristsetzung, den Mangel zu beseitigen. Daraufhin tritt G vom Kaufvertrag zurück. S, der in der Zwischenzeit wieder zu Geld gekommen ist, zahlt dem G den Kaufpreis zurück und erhält im Gegenzug das Fahrrad. Ist S nun Eigentümer des Fahrrads?

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i. Lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB• § 936 BGB regelt den gutgläubigen Erwerb im

Hinblick auf etwaige Rechte, die an der veräußerten Sache bestehen.

• § 936 BGB enthält in einer Norm komprimiert die gleichen Regeln wie die §§ 932 ff. BGB für den gutgläubigen Eigentumserwerb.

• § 936 BGB setzt irgendeinen Eigentumserwerb (vom Berechtigten oder vom Nichtberechtigten) voraus.

• Mit dem Eigentumserwerb erlöschen gemäß § 936 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich auch alle Rechte Dritter an der Sache, wenn der Erwerber nicht bösgläubig war (§ 936 Abs. 2 BGB).

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• Für einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb ist in den gleichen Fällen wie nach §§ 932 ff. BGB beim gutgläubigen Eigentumserwerb eine Besitzer-langung erforderlich.

Beispiel: Student S benötigt dringend ein bisschen Geld. Sein einzig wertvolles Eigentum ist seine High End Hifi-Anlage. Als Sicherheit für ein Darlehen über 1000 Euro überträgt er das Eigentum an der Anlage an den B und vereinbart mit ihm, dass er die Anlage fortan für B besitzen wird. Mit dem Geld kommt S aber nicht aus und kann vor allem seine Miete nicht zahlen. Sein Vermieter V will sich wegen der Mietrückstände an der Hifi-Anlage des S schadlos halten. B meint, dass er Eigentümer der Anlage sei und ihn die Schulden des S bei V nichts angingen. Wie ist die Rechtslage?

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Literaturhinweise:• Fehling/Faust/Rönnau, Durchblick: Grund und Grenzen des

Eigentums- und Vermögensschutzes, JuS 2006, 18 ff. (sehr empfehlenswert)

• Frahm/Würdinger, Der Eigentumserwerb an Kraftfahrzeugen, JuS 2008, 14 ff.

• Hofmann, Die Übertragung von Rechten - Ein Überblick, JA 2008, 253 ff.

• Katzenstein, Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, AcP 211 (2011), 58 ff.

• Martinek, Traditionsprinzip und Geheißerwerb, AcP 188 (1988), 573 ff.

• Musielak, Der Rückerwerb des Eigentums durch den nichtberechtigten Veräußerer, JuS 2010, 377 ff.

• Neuner, Der Redlichkeitsschutz bei abhanden gekommenen Sachen, JuS 2007, 401 ff.

• Röthel, Der lastenfreie Erwerb, Jura 2009, 241 ff. (eher für Fortgeschrittene)

• Zeranski, Prinzipien und Systematik des gutgläubigen Erwerbs beweglicher Sachen, JuS 2002, 340 ff.