28
§ 3 Die nat¨ urlichen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlen 3.2 Die Menge N der nat¨ urlichen Zahlen 3.3 Induktionsprinzip 3.5 N ist abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation 3.6 N ist wohlgeordnet 3.7 Vollst¨andigeInduktion 3.9 Bernoullische Ungleichung 3.10 Geometrische Summenformel 3.12 N 0 und die ganzen Zahlen Z 3.13 Die rationalen Zahlen Q 3.14 Rechenregeln f¨ ur Potenzen 3.18 Rechenregeln f¨ ur Binomialkoeffizienten 3.19 Binomischer Lehrsatz 3.24 Gleichm¨achtigkeit 3.26 Endlichkeit und Kardinalzahl von endlichen Mengen 3.36 Charakterisierung der endlichen und unendlichen Mengen 3.37 2 ist keine rationale Zahl In den Axiomen f¨ ur den angeordneten, vollst¨andigen K¨orper R taucht der Be- griff oder auch nur das Wort nat¨ urliche Zahl“ nicht auf. Man steht daher vor der Aufgabe, die nat¨ urlichen Zahlen mit den Mitteln dieses Axiomensy- stems zu definieren. Man nennt hierzu die Zahl 1 eine nat¨ urliche Zahl und definiert die anderen nat¨ urlichen Zahlen durch 2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, 4 := 3 + 1, 5 := 4+1, 6 := 5+1, 7 := 6+1, 8 := 7+1, 9 := 8+1, 10 := 9+1 und so weiter“. Etwas genauer sollen die nat¨ urlichen Zahlen beschrieben werden durch: (I) a) 1 ist eine nat¨ urliche Zahl, b) ist n eine nat¨ urliche Zahl, so ist auch n + 1 eine nat¨ urliche Zahl. (II) Nur die aus 1 durch endliche Anwendung der Schlußregel (Ib) entste- henden reellen Zahlen sollen nat¨ urliche Zahlen heißen. Die Pr¨azisierung dieser Vorstellung f¨ uhrt zu folgenden Definitionen: C 1 [3]–1

x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

§ 3 Die naturlichen, die ganzen und die ra-

tionalen Zahlen

3.2 Die Menge N der naturlichen Zahlen

3.3 Induktionsprinzip

3.5 N ist abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation

3.6 N ist wohlgeordnet

3.7 Vollstandige Induktion

3.9 Bernoullische Ungleichung

3.10 Geometrische Summenformel

3.12 N0 und die ganzen Zahlen Z3.13 Die rationalen Zahlen Q3.14 Rechenregeln fur Potenzen

3.18 Rechenregeln fur Binomialkoeffizienten

3.19 Binomischer Lehrsatz

3.24 Gleichmachtigkeit

3.26 Endlichkeit und Kardinalzahl von endlichen Mengen

3.36 Charakterisierung der endlichen und unendlichen Mengen

3.37√

2 ist keine rationale Zahl

In den Axiomen fur den angeordneten, vollstandigen Korper R taucht der Be-griff oder auch nur das Wort

”naturliche Zahl“ nicht auf. Man steht daher

vor der Aufgabe, die naturlichen Zahlen mit den Mitteln dieses Axiomensy-stems zu definieren. Man nennt hierzu die Zahl 1 eine naturliche Zahl unddefiniert die anderen naturlichen Zahlen durch 2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, 4 := 3 + 1,5 := 4+1, 6 := 5+1, 7 := 6+1, 8 := 7+1, 9 := 8+1, 10 := 9+1

”und so weiter“.

Etwas genauer sollen die naturlichen Zahlen beschrieben werden durch:

(I) a) 1 ist eine naturliche Zahl,

b) ist n eine naturliche Zahl, so ist auch n+ 1 eine naturliche Zahl.

(II) Nur die aus 1 durch endliche Anwendung der Schlußregel (Ib) entste-henden reellen Zahlen sollen naturliche Zahlen heißen.

Die Prazisierung dieser Vorstellung fuhrt zu folgenden Definitionen:

C 1 [3]–1

Page 2: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

3.1 Induktive Mengen

Eine Menge I heißt induktiv, wenn I ⊂ R ist, und die folgenden beidenBedingungen erfullt sind:

(i) 1 ∈ I;

(ii) a ∈ I ⇒ a+ 1 ∈ I.

Es gibt viele induktive Mengen, z.B. I := R, I := R+. Nach Vorstellung (I) mußdie noch zu definierende Menge der naturlichen Zahlen eine induktive Mengesein. Vorstellung (II) legt nahe, die Menge der naturlichen Zahlen als moglichstkleine induktive Menge einzufuhren. Betrachtet man hierzu die Menge T ⊂M := P(R) aller induktiven Mengen, so wird man versuchen nachzuweisen,

daß T ein Minimum besitzt. Nach den Uberlegungen des § 1 (nach 1.7) ist dasMinimum von T bzgl. ⊂, wenn es uberhaupt existiert, durch ∩I∈T I gegeben.Dies fuhrt zu folgender Definition:

3.2 Die Menge N der naturlichen Zahlen

Sei T die Menge aller induktiven Mengen. Die Menge der naturlichenZahlen wird definiert durch

N := ∩I∈T

I,

also als Durchschnitt aller induktiven Mengen.

Es ist N das kleinste Element von T bzgl. ⊂, d.h. (siehe Definition 1.4)

(i) N ist eine induktive Menge;

(ii) N ⊂ I fur jede induktive Menge I.

Beweis. (i) Es ist 1 ∈ I fur jedes I ∈ T (siehe 3.1(i)). Also ist 1 ∈ ∩I∈T I = N.Sei a ∈ N, d.h. a ∈ I fur jedes I ∈ T. Dann ist a+ 1 ∈ I fur jedes I ∈ T (siehe3.1(ii)). Also ist a+ 1 ∈ ∩I∈T I = N.Nach Definition 3.1 ist daher N eine induktive Menge.

(ii) Ist I eine induktive Menge, dann gilt I ∈ T und somit N = ∩I ′∈T I ′ ⊂ I.

Aus der Definition von N folgt unmittelbar das folgende wichtige Induktions-prinzip:

3.3 Induktionsprinzip

Sei I eine Menge naturlicher Zahlen mit

(A) 1 ∈ I;

(S) n ∈ I ⇒ n+ 1 ∈ I.Dann ist I = N.

[3]–2 C 1

Page 3: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Beweis. Wegen (A), (S) und I ⊂ N ⊂ R ist I eine induktive Menge. Somitgilt N ⊂ I nach 3.2(ii) und damit wegen I ⊂ N auch I = N.Es heißt (A) auch der Induktionsanfang und (S) der Induktionsschluß .

Die folgenden drei Satze beweisen wir mit dem Induktionsprinzip.

3.4 Positivitat der naturlichen Zahlen

Jede naturliche Zahl ist ≥ 1 und somit insbesondere positiv.

Beweis. Es ist I := {n ∈ N : n ≥ 1} eine Menge naturlicher Zahlen.

(A) Es ist 1 ∈ N und 1 ≥ 1, also 1 ∈ I.(S) n ∈ I ⇒ (n ∈ N∧n ≥ 1)⇒ (n+1 ∈

3.2(i)N∧n+1 ≥

2.3(viii)n ≥ 1)⇒ n+1 ∈ I.

Nach 3.3 ist also I = N, d.h. jede naturliche Zahl ist ≥ 1. Wegen 1 > 0 (siehe2.3(viii)) ist damit jede naturliche Zahl insbesondere positiv.

3.5 N ist abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation

(i) m,n ∈ N⇒ m+ n, m · n ∈ N;

(ii) (m,n ∈ N ∧m < n)⇒ n−m ∈ N;

(iii) (m,n ∈ N∧m < n)⇒ m+1 ≤ n; d.h. ist m eine naturliche Zahl,so liegt zwischen m und m+ 1 keine weitere naturliche Zahl.

Beweis. (i) Sei m ∈ N. Um m+ n ∈ N zu zeigen, setze

I := {n ∈ N : m+ n ∈ N} ⊂ N.(A) Es ist 1 ∈ I, da 1 ∈ N ist und wegen m ∈ N auch m+ 1 ∈ N ist.

(S) Ist nun n ∈ I, so gilt n ∈ N und m + n ∈ N nach Definition von I. Damitsind n+ 1 und m+ (n+ 1) = (m+ n) + 1 aus N, d.h. n+ 1 ∈ I.

Nach 3.3 gilt somit I = N. Also ist mit m ∈ N und n ∈ N auch m+ n ∈ N.Um m · n ∈ N zu zeigen, setze

I := {n ∈ N : m · n ∈ N} ⊂ N.(A) Es ist 1 ∈ I, da 1 und m · 1 = m ∈ N sind.

(S) Sei n ∈ I, dann sind n und m · n ∈ N. Also ist auch n + 1 ∈ N, und nachdem gerade Bewiesenen auch m ·(n+1) = m ·n+m ∈ N. Also ist n+1 ∈ I.Daher gilt I = N nach 3.3.

(ii) Wir zeigen zunachst:

(1) N = {1} ∪ {n ∈ N : n− 1 ∈ N} =: I.

Nun ist I ⊂ N und es gilt:

C 1 [3]–3

Page 4: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

(A) 1 ∈ I.(S) Sei n ∈ I. Dann ist n ∈ N und somit sind n + 1 und (n + 1) − 1(= n)

Elemente von N. Also ist n+ 1 ∈ I.Aus (A) und (S) folgt nach 3.3, daß N = I ist, d.h. es gilt (1).

Wir zeigen jetzt:

(2) N = {n ∈ N : (m ∈ N ∧m < n)⇒ n−m ∈ N} =: I1.

Es ist I1 ⊂ N, und es gilt:

(A) 1 ∈ I1, denn es ist 1 ∈ N, und es gibt nach 3.4 gar kein m ∈ N mit m < 1.

(S) Sei n ∈ I1. Zu zeigen ist n+ 1 ∈ I1. Nun ist mit n auch n+ 1 ∈ N.Zu zeigen bleibt daher, daß fur m ∈ N mit m < n+1 auch (n+1)−m ∈ Nist. Fur m = 1 ist dieses wegen n ∈ N klar. Sei nun m > 1. Dann istnach (1) auch m − 1 ∈ N und wegen n ∈ I1 und m − 1 < n folgt daher(n+ 1)−m = n− (m− 1) ∈ N.

Aus (A) und (S) folgt nach 3.3, daß N = I1 ist, d.h. es gilt (2) und somit (ii).

(iii) Aus m < n fur m,n ∈ N folgt n−m ∈ N nach (ii) und somit 1 ≤ n−mnach 3.4. Also ist m+ 1 ≤ n.

Man nennt eine totalgeordnete Menge M wohlgeordnet , wenn jede nicht-leereTeilmenge von M ein kleinstes Element besitzt.

3.6 N ist wohlgeordnet

Jede nicht-leere Teilmenge von N besitzt ein kleinstes Element.

Beweis. Angenommen, L sei eine nicht-leere Teilmenge von N ohne kleinstesElement. Setze dann

I := {n ∈ N : n < t fur alle t ∈ L}.Wir zeigen: I ⊂ N ist induktiv. Dann gilt I = N und somit t < t fur jedest ∈ L. Da L 6= ∅ ist, erhalten wir den gewunschten Widerspruch.

Zur Induktivitat von I:

(A) Nach 3.4 ist 1 ≤ t fur alle t ∈ L. Somit ist 1 6∈ L, da L kein kleinstesElement enthalt. Also gilt 1 < t fur alle t ∈ L, d.h. 1 ∈ I.

(S) Sei n ∈ I. Dann gilt n ∈ N, und n < t fur alle t ∈ L. Somit ist n + 1 ≤ tfur alle t ∈ L (benutze 3.5(iii)). Da L kein kleinstes Element enthalt, istn + 1 6= t fur alle t ∈ L, und somit n + 1 < t fur alle t ∈ L. Also istn+ 1 ∈ I.

Fur jedes n ∈ N sei eine Aussage A(n) gegeben, d.h. fur jedes n ∈ N ist A(n)gultig oder nicht gultig. Es soll nun bewiesen werden, daß A(n) fur alle n ∈ Ngultig ist. Die Gultigkeit dieser

”unendlich“ vielen Aussagen A(n) kann man

nun nicht fur jedes n einzeln nachprufen. Als”Beweisprinzip“ bietet sich dann

die vollstandige Induktion an:

[3]–4 C 1

Page 5: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

3.7 Vollstandige Induktion

Es sei A(n) fur jedes n ∈ N eine Aussage. Es sei folgendes bekannt:

(A) A(1) ist gultig.

(S) Fur jedes n ∈ N haben wir: A(n) ⇒ A(n + 1), d.h. ist A(n)gultig, so ist auch A(n+ 1) gultig.

Dann sind die Aussagen A(n) fur alle n ∈ N gultig.

Beweis. Setze I := {n ∈ N : A(n) ist gultig} ⊂ N. Es ist 1 ∈ I, da 1 ∈ N undA(1) nach (A) gultig ist. Ist n ∈ I, dann ist n ∈ N und die Aussage A(n) istgultig. Also ist n+ 1 ∈ N und nach (S) ist auch A(n+ 1) gultig, d.h. n+ 1 ∈ I.Nach 3.3 ist somit I = N, d.h. A(n) ist fur alle n ∈ N gultig.

(A) nennt man wieder den Induktionsanfang . A(n) nennt man Induktionsan-nahme oder Induktionsvoraussetzung (kurz (V) genannt) und den Schluß (S)von A(n) auf A(n+ 1) den Induktionsschluß .

Die vollstandige Induktion dient nicht nur dazu, Aussagen zu beweisen, sondernauch dazu, einen Begriff fur alle naturlichen Zahlen zu definieren. Man definiertden Begriff zunachst fur die Zahl 1. Hat man ihn dann fur eine naturliche Zahl ndefiniert, so definiert man ihn fur n+1 unter Zuhilfenahme der Definition fur n.Diese Form der Definition wird auch rekursive Definition genannt. Man sprichtauch von einer Definition durch vollstandige Induktion, da man die vollstandigeInduktion benotigt, um sich klar zu werden, daß der Begriff wirklich fur allenaturlichen Zahlen definiert ist.

So wird man eine formale Definiton von∑n

k=1 ak, d.h. der Summe von n-vielenSummanden a1, . . . , an folgendermaßen geben:

(A)∑1

k=1 ak := a1,

(S)∑n+1

k=1 ak :=∑n

k=1 ak + an+1.

Man setzt noch • ∑0k=1 ak := 0.

Es ist also ∑2k=1 ak =

(S)

∑1k=1 ak + a2 =

(A)a1 + a2,

∑3k=1 ak =

(S)

∑2k=1 ak + a3 = (a1 + a2) + a3.

Fur den Summationsindex k im Summenzeichen kann man statt k auch einenanderen Buchstaben, z.B. i, j,m wahlen. Es ist also∑n

k=1 ak =∑n

i=1 ai =∑n

j=1 aj =∑n

m=1 am.

Eine formale Definition von∏nk=1 ak, d.h. des Produktes von n-vielen Faktoren

a1, . . . , an sieht folgendermaßen aus:

(A)∏1k=1 ak := a1,

(S)∏n+1k=1 ak := (

∏nk=1 ak) · an+1.

Man setzt noch • ∏0k=1 ak := 1.

C 1 [3]–5

Page 6: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Entsprechend definiert man an fur a ∈ R:

(A) a1 := a,

(S) an+1 := an · a.Man setzt noch • a0 := 1.

Fur eine exaktere Untersuchung der rekursiven Definition siehe § 2.8 in Walter,Analysis I.

In den folgenden drei Satzen benutzen wir die vollstandige Induktion zum Be-weis.

3.8 Summe der ersten n naturlichen bzw. der ersten n Qua-dratzahlen

Fur jedes n ∈ N gilt:

(i)∑n

k=1 k = n(n+ 1)/2;

(ii)∑n

k=1 k2 = n(n+ 1)(2n+ 1)/6.

Beweis. Beide Beweise werden mit vollstandiger Induktion (siehe 3.7) gefuhrt.(i) Es bezeichne A(n) also die Aussage:

∑nk=1 k = n(n+1)

2 .

Induktionsanfang (A): A(1) lautet:∑1

k=1 k = 1·22 , dies ist aber gultig.

Induktionsschluß (S): Sei fur ein n ∈ N nun A(n) gultig (Induktionsvorauset-zung (V)). Dann gilt A(n+ 1) wegen:

∑n+1k=1 k =

Def.

∑nk=1 k + (n+ 1) =

(V)

n(n+1)2 + n+ 1

= (n+ 1)(n2 + 1) = (n+1)(n+2)2 .

Also gilt A(n) fur alle n ∈ N nach 3.7.

(ii) Bezeichne A(n) die Aussage:∑n

k=1 k2 = n(n+ 1)(2n+ 1)/6.

(A) A(1) ist gultig, weil∑1

k=1 k2 = 1 = 1 · 2 · 3/6.

(S)∑n+1

k=1 k2 =

Def.

∑nk=1 k

2 + (n+ 1)2 =(V)

[n(n+ 1)(2n+ 1) + 6(n+ 1)2]/6

= [(n+ 1)(2n2 + n+ 6n+ 6)]/6 = [(n+ 1)(n+ 2)(2(n+ 1) + 1)]/6.Also haben wir A(n)⇒ A(n+ 1) gezeigt.

Die Ungleichung in 3.9, die vielfach in der Analysis verwandt wird, stammt vonJacob Bernoulli (1654–1705).

3.9 Bernoullische Ungleichung (1689)

Fur alle n ∈ N und alle t ∈ R mit t ≥ −1 gilt:

(1 + t)n ≥ 1 + nt.

[3]–6 C 1

Page 7: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Beweis. (A) (1 + t)1 = 1 + t ≥ 1 + 1t fur t ≥ −1.

(S) Sei nun die Aussage fur n gultig, d.h. es gelte

(V) (1 + t)n ≥ 1 + nt fur alle t ≥ −1.

Wegen t ≥ −1 ist 1 + t ≥ 0. Daher folgt durch Multiplikation von (V) mit0 ≤ 1 + t:

(1+ t)n+1 = (1+ t)n(1+ t) ≥(V)

(1+nt)(1+ t) = 1+nt+ t+nt2 ≥2.3(vii)

1+(n+1)t.

Damit haben wir die Aussage fur n+ 1 gezeigt.

Insbesondere gilt also

• 2n > n fur alle n ∈ N,denn (1 + 1)n ≥

3.91 + n > n.

3.10 Geometrische Summenformel

Fur alle reellen q 6= 1 und alle n ∈ N gilt:

1 + q + . . .+ qn =1− qn+1

1− q .

Beweis. (A) 1 + q = (1+q)(1−q)1−q = 1−q2

1−q(S) (1 + q + . . .+ qn) + qn+1 =

(V)

1−qn+1

1−q + qn+1 = 1−qn+1+1

1−q

Will man in der geometrischen Summenformel die”Punktchenschreibweise“ ver-

meiden, so kann man die Formel auch folgendermaßen schreiben:

• ∑n+1k=1 q

k−1 = 1−qn+1

1−qUmgekehrt lautet 3.8 in Punktchenschreibweise

1 + 2 + . . .+ n = n(n+1)2 ; 12 + 22 + . . .+ n2 = n(n+1)(2n+1)

6 .

Die Induktionsmethode, die wir in 3.4–3.6 und 3.8–3.10 angewandt haben, isteine Methode, den Beweis von unendlich vielen Aussagen, namlich Aussagenfur alle naturlichen Zahlen, durch den Beweis von zwei Aussagen — namlichden Beweis von (A) und den Beweis von (S) — zu erledigen. Die Induktionsme-thode ist aber eine Methode, die nur lehrt, Aussagen zu beweisen; sie ist keineMethode, die lehrt, (gultige) Aussagen zu finden. Fur letzteres gibt es keinesichere Methode. Oftmals wird man empirisch vorgehen. Man wird z.B. voneinigen Spezialfallen ausgehend eine Aussage vermuten, und diese Aussage erstdanach mit Hilfe von vollstandiger Induktion, d.h. mit einer speziellen Formder Deduktion, zu beweisen versuchen. Der vollstandigen Induktion geht alsooft eine

”unvollstandige“ Induktion voraus.

C 1 [3]–7

Page 8: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

So kann man z.B. wegen

1 = 12

1 + 3 = 4 = 22

1 + 3 + 5 = 4 + 5 = 32

1 + 3 + 5 + 7 = 9 + 7 = 42

vermuten, daß 1 + 3 + . . .+ (2n− 1) = n2 ist. Dieses gilt dann in der Tat, wieman mit vollstandiger Induktion sofort sieht.

Fur die Vermutung daruber, was fur eine Aussage gilt, ist die Betrachtungvon Spezialfallen, die Intuition und die Phantasie zustandig. Gleiches gilt beischwierigen Beweisen auch fur das Finden der Beweise. Nur das Nachvollziehendes Beweises ist alleine eine Sache des logischen Denkens. Hilbert soll in diesemZusammenhang auf die Frage, was aus einem seiner Assistenten geworden sei,geantwortet haben:

”Er hatte nicht genug Phantasie, er ist Dichter geworden.“

In der linearen Algebra beweist man, daß — da + und · kommutative undassoziative Operationen sind — fur jede Umordnung b1, . . . , bn von a1, . . . , angilt:

• ∑na=1 bk =

∑nk=1 ak,

∏nk=1 bk =

∏nk=1 ak.

b1, . . . , bn heißt dabei eine Umordnung von a1, . . . , an, wenn es eine bijektiveAbbildung ϕ von {k ∈ N : k ≤ n} auf sich gibt mit bk = aϕ(k) fur k = 1, . . . , n.

Die in 3.11 notierten Rechenregeln (i)–(vii) beweist man wieder mit vollstan-diger Induktion. Fur den Fall n = 2 sind jedenfalls (iii)–(vii) schon bewiesen.Der Fall n = 2 kann daher fur (iii)–(vii) beim Beweis des Induktionsschrittesverwandt werden.

3.11 Rechenregeln fur Summen und Produkte

Seien a1, . . . , an und b1, . . . , bn ∈ R. Seien ferner a, b ∈ R. Dann gilt furalle n ∈ N:

(i)∑n

k=1(ak + bk) =∑n

k=1 ak +∑n

k=1 bk;

(ii)∑n

k=1 bak = b∑n

k=1 ak;

(iii) (ak ≤ bk fur k = 1, . . . , n)⇒∑nk=1 ak ≤

∑nk=1 bk;

(iv) (ak ≤ bk fur k = 1, . . . , n und aj < bj fur wenigstens ein j)⇒∑n

k=1 ak <∑n

k=1 bk;

(v) 0 ≤ ak ≤ bk fur k = 1, . . . , n)⇒∏nk=1 ak ≤

∏nk=1 bk;

(vi) (0 < ak ≤ bk fur k = 1, . . . , n und aj < bj fur wenigstens ein j)⇒∏n

k=1 ak <∏nk=1 bk;

(vii) |a1 + . . .+ an| ≤ |a1|+ . . .+ |an|;(viii) an+1 − bn+1 = (a− b)(an + an−1b+ an−2b2 + . . .+ abn−1 + bn).

[3]–8 C 1

Page 9: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Beweis. Etwa von (iii): Fur n = 1 ist nichts zu beweisen. Sei die Aussagefur n bewiesen. Dann gilt:

∑n+1k=1 ak =

Def.

∑nk=1 ak + an+1 ≤

(V),2.3(i)

∑nk=1 bk + bn+1 =

Def.

∑n+1k=1 bk.

(iv) folgt entsprechend mit Hilfe von 2.3(ii). (v) folgt mit Hilfe von 2.3(iii).(vi) folgt mit Hilfe von 2.3(iv). (vii) folgt mit Hilfe von 2.7(iii).(viii) Fur a = b oder a = 0 ist die Behauptung trivial. Sei also a 6= 0 und

q := ba 6= 1. Dann ist die Behauptung aquivalent zu (dividiere die Gleichung

durch an+1):1− qn+1 = (1− q)(1 + q2 + . . .+ qn).

Diese Aussage gilt nach 3.10.

Die Gleichunga+ t = b

hat fur feste a, b ∈ N i.a. keine Losung t in N. Will man immer eine Losungsolcher Gleichungen haben, so benotigt man also eine Menge L mit

R ⊃ L ⊃ N und a, b ∈ L⇒ a− b ∈ L.Die ganzen Zahlen Z werden nun als kleinste Menge mit dieser Eigenschafteingefuhrt.

3.12 N0 und die ganzen Zahlen ZSetze N0 := N ∪ {0} und bezeichne mit Z die kleinste Menge L, die

(1) N ⊂ L ⊂ R ∧ a, b ∈ L⇒ a− b ∈ Lerfullt. Dann gilt:

(i) Z = N0 ∪ {−n : n ∈ N} = {n−m : n,m ∈ N}.(ii) N0 = {m ∈ Z : m ≥ 0} und somit N = {m ∈ Z : m > 0};(iii) N ⊂6= N0

⊂6= Z;

(iv) Es ist 0 ∈ Z, und es gilt: a, b ∈ Z⇒ a+ b, a− b, a · b ∈ Z.

Beweis. (i) R ⊃ N0 ∪ {−n : n ∈ N} =: L1 ⊃ N. Somit bleibt zu zeigen:

(2) Erfullt L die Bedingung (1), so gilt: L1 ⊂ L.

(3) a, b ∈ L1 ⇒ a− b ∈ L1.

(4) L1 = {n−m : n,m ∈ N} =: L2.

Zu (2): Es ist N ⊂(1)L und 0 = 1− 1 ∈

(1)L. Also ist −n = 0− n ∈ L. Daher gilt

L1 ⊂ L.

C 1 [3]–9

Page 10: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Zu (4):”⊂“: Sei k ∈ L1. Ist k ∈ N, so ist k ∈ L2 wegen k = (k + 1)− 1 sowie

k + 1, 1 ∈ N. Ist k = 0, so ist k = 1 − 1 ∈ L2. Ist k = −n mit n ∈ N, so istk = 1− (1 + n) ∈ L2.

”⊃“: Sei k ∈ L2, d.h. k = n−m mit n,m ∈ N. Ist m < n, so ist k = n−m ∈ N

(siehe 3.5(ii)). Ist m = n, so ist k = 0 ∈ N0 ⊂ L1. Ist m > n, so ist k = −(m−n)mit m− n ∈ N (siehe 3.5(ii)). Also ist auch in diesem Fall k ∈ L1.Also gilt (4).

Zu (3): Seien a, b ∈ L1 =(4)L2. Dann gilt a = n1 − m1, b = n2 − m2 mit

n1, n2,m1,m2 ∈ N. Da n1 +m2, m1 + n2 ∈ N sind (siehe 3.5(i)), folgt:

a− b = (n1 +m2)− (m1 + n2) ∈ L2 = L1.

(ii) Es ist N0 ⊂ Z und m ≥ 0 fur m ∈ N0 (siehe 3.4). Also gilt N0 ⊂{m ∈ Z : m ≥ 0}. Ist nun m ∈ Z und m ≥ 0, so gilt m 6∈ {−n : n ∈ N}, dajedes Element der letzten Menge nach 3.4 negativ ist. Also ist m ∈ N0.

(iii) N ⊂ N0 nach Definition und 0 6∈ N nach 3.4. Also N⊂6=N0. N0 ⊂ Z gilt

nach (i). Ferner gehort −n fur n ∈ N zu Z, aber nicht zu N0 nach (ii).

(iv) Nach (1) ist 0 ∈ Z. Seien a, b ∈ Z. Zu zeigen ist

a+ b, a− b, a · b ∈ Z.Wegen (i) gilt:

a = n1 −m1, b = n2 −m2 mit n1, n2,m1,m2 ∈ N.Wegen n1 + n2, m1 +m2 ∈ N (siehe 3.5(i)) gilt:

a+ b = (n1 + n2)− (m1 +m2) ∈(i)Z.

Wegen n1n2 +m1m2, m1n2 + n1m2 ∈ N (siehe 3.5(i)) gilt:

a · b = (n1n2 +m1m2)− (m1n2 + n1m2) ∈(i)Z.

Wegen 1 ∈ Z und a − b = a + (−b) = a + (−1) · (b) folgt aus dem schonBewiesenen auch a− b ∈ Z.Fur 3.12(iv) sagt man in der Algebra auch: Z ist ein Unterring von R.

Die Gleichunga · t = b

hat fur feste a ∈ Z, a 6= 0 und b ∈ Z i.a. keine Losung t in Z. Will manimmer eine Losung solcher Gleichungen, so benotigt man also eine Menge Lmit R ⊃ L ⊃ Z und a, b ∈ L mit a 6= 0⇒ b/a ∈ L.Die rationalen Zahlen werden nun als kleinste Menge mit dieser Eigenschafteingefuhrt.

[3]–10 C 1

Page 11: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

3.13 Die rationalen Zahlen QSetze

Q := {mn : m,n ∈ Z, n 6= 0}.

(i) Dann ist Q die kleinste Teilmenge von R, die Z umfaßt und mita, b und a 6= 0 auch b/a enthalt. Es gilt Z⊂6=Q.

(ii) 0, 1 ∈ Q, und fur a, b ∈ Q gilt:

a+ b, a− b, a · b ∈ Q, und fur a 6= 0 ist auch b/a ∈ Q.(iii) Q ist der kleinste Teilkorper von R.

Beweis. (i) Sei m ∈ Z. Dann ist m = m1 ∈ Q. Es ist 1/2 ∈ Q. Ware 1/2 ∈ Z,

dann ware 1/2 ∈ N (nach 3.12(ii), wegen 0 < 1/2). Also ist 1/2 ∈ Q−Z. Daherist insgesamt Z⊂6=Q.Seien a = m1

n1∈ Q und b = m2

n2∈ Q mit a 6= 0, und m1, n1,m2, n2 ∈ Z. Dann

sind m1, n1, n2 6= 0 und somit n2 ·m1 6= 0. Daher gilt:

ba = m2·n1

n2·m1∈

3.12(iv)Q.

Jede Teilmenge von R, die Z umfaßt und mit a 6= 0 und b auch b/a enthalt,muß Q nach Definition von Q umfassen.

(ii) Nach (i) sind 0, 1 ∈ Q. Seien a = m1n1, b = m2

n2mit m1,m2, n1, n2 ∈ Z und

n1, n2 6= 0. Zu zeigen bleibt wegen (i):

a+ b, a− b, a · b ∈ Q.Dies folgt mit 3.12(iv) und n1 · n2 6= 0 wegen

a+ b = m1·n2+m2·n1n1·n2

, a− b = m1·n2−m2·n1n1·n2

, a · b = m1·m2n1·n2

.

(iii) (ii) besagt, daß Q Teilkorper von R ist. Ist T ein Teilkorper von R, soenthalt er 0 und 1 und mit a, b ∈ T und a 6= 0 auch b/a. Wegen (i) bleibt Z ⊂ Tzu zeigen.Nach 3.12(i) reicht es hierzu, N ⊂ T zu zeigen. Dies folgt daraus, daß T alsTeilkorper von R insbesondere eine induktive Menge ist.

Daß Q 6= R ist, werden wir erst im nachsten Paragraphen mit Hilfe der Voll-standigkeit von R beweisen konnen.

Mit vollstandiger Induktion beweist man die folgenden Potenzrechenregeln.

3.14 Rechenregeln fur Potenzen

(i) Seien a, b ∈ R. Dann gilt fur n,m ∈ N0

am+n = am · an, an · bn = (a · b)n, (am)n = am·n.

C 1 [3]–11

Page 12: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Sei a 6= 0. Setze fur n ∈ N:

a−n := 1/an.

(ii) Damit ist am fur alle m ∈ Z erklart, falls a 6= 0 ist.Sind nun a, b ∈ R mit a, b 6= 0, so gilt fur n,m ∈ Zam+n = am · an, an · bn = (a · b)n, (am)n = am·n.

Schon beim Induktionsbeweis von (i) ist es vorteilhaft, die Induktion mit 0zu beginnen, um den Fall, daß n oder m Null ist, nicht separat behandeln zumussen. In anderen Fallen ist es sogar zwingend erforderlich, die Induktionmit einer von 1 verschiedenen ganzen Zahl zu starten. Betrachtet man z.B. dieAussage 2n > n2, so gilt diese Aussage fur n = 4 nicht, wohl aber fur n0 := 5.Gilt sie fur n ≥ 5, dann gilt sie auch fur n+ 1:

2n+1 = 2n · 2 > 2n2 > (n+ 1)2.

Hierbei folgt die letzte Ungleichung aus:

2n2 > (n+1)2 ⇐⇒ 2n2 > n2 +2n+1 ⇐⇒ n2−2n+1 > 2 ⇐⇒ (n−1)2 > 2.

Daß damit 2n > n2 fur alle n ≥ n0 bewiesen ist, folgt durch eine leichte Modifi-kation der vollstandigen Induktion aus 3.7, die in 3.16 angegeben wird. Zunachsteine Voruberlegung:

3.15 Fur n0 ∈ Z gilt:

• {m ∈ Z : m ≥ n0} = {n0 + n− 1 : n ∈ N}.Beweis.

”⊂“ Sei m ∈ Z, m ≥ n0 ⇒ m − n0 ≥ 0 =⇒

3.12(ii)m − n0 ∈ N0

⇒ n := m− n0 + 1 ∈ N ⇒ m = n0 + n− 1 mit n ∈ N.

”⊃“ Sei m := n0 + n − 1 mit n ∈ N. Dann ist m ∈ Z (siehe 3.12(iv)). Ferner

ist n− 1 ≥ 0 und somit auch m ≥ n0.

3.16 Vollstandige Induktion fur n ≥ n0

Sei n0 ∈ Z und A(n) fur jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 eine Aussage. Es seifolgendes bekannt:

(A) A(n0) ist gultig

und entweder

(S1) Fur jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 haben wir: A(n)⇒ A(n+ 1),

oder

(S2) Fur jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 haben wir:A(n0) ∧ . . . ∧ A(n)⇒ A(n+ 1).

Dann sind die Aussagen A(n) fur alle n ∈ Z mit n ≥ n0 gultig.

[3]–12 C 1

Page 13: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Beweis. Da, wenn (A)∧(S1) gilt, auch (A)∧(S2) gilt, reicht es, den Satz unterder Bedingung (A)∧(S2) zu beweisen. Sei also (A)∧(S2) erfullt.

Wegen 3.15 ist zunachst A(n0+k−1) fur jedes k ∈ N eine Aussage. Wir konnendaher definieren

I := {n ∈ N : A(n0 + k − 1) ist gultig fur k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ n} ⊂ N.Wir wenden das Induktionsprinzip 3.3 an:1 ∈ I, denn fur k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ 1, d.h. fur k = 1 gilt A(n0 + 1− 1) = A(n0)nach (A). Sei n ∈ I. Dann ist n ∈ N und

(1) A(n0 + k − 1) ist fur k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ n gultig.

Wir zeigen n + 1 ∈ I, d.h. A(n0 + k − 1) ist fur 1 ≤ k ≤ n + 1 gultig. Wegen(1) bleibt zu zeigen:

(2) A(n0 + (n+ 1)− 1) = A(n0 + n) ist gultig.

Wegen (S2) reicht es zu zeigen:

(3) A(m) fur n0 ≤ m ≤ n0 + n− 1,m ∈ Z sind gultig.

Es folgt aber (3) aus (1) wegen: n0 ≤ m ≤ n0 + n− 1, m ∈ Z⇒ (1 ≤ k :=m− n0 + 1 ≤ n, k ∈ N ∧ m = n0 + k − 1).

Mit Hilfe dieses Satzes konnen wir nun auch rekursive Definitionen geben, diemit n0 ∈ Z starten. Daher sind z.B. auch

∑nk=0 ak oder allgemeiner, fur n ≥ n0,

auch∑n

k=n0ak mittels rekursiver Definition definierbar.

Es gilt dann ∑nk=1 ak =

∑n−1k=0 ak+1

oder auch ∑nk=0 ak =

∑n+jk=j ak−j fur j ∈ Z.

Im folgenden denke man an die Vereinbarung∑0

k=1 ak = 0 und∏0k=1 ak = 1

oder allgemeiner:

• ∑m−1k=m ak := 0,

∏m−1k=m ak := 1.

Die Binomialkoeffizienten spielen sowohl fur die Kombinatorik und Wahrschein-lichkeitstheorie als auch fur die Analysis eine Rolle. Sie werden hier das ersteMal beim binomischen Lehrsatz verwandt werden.

3.17 Binomialkoeffizienten und Fakultaten

Definiere fur α ∈ R induktiv fur n ∈ N0:

(α)0 := 1, (α)n+1 := (α− n)(α)n.

Setze ferner fur n ∈ N0:

n! := (n)n und

n

):=

(α)nn!

.

C 1 [3]–13

Page 14: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Dann gilt fur alle n ∈ N0:

(i) (α)n =∏n−1k=0(α− k) = α · (α− 1) · · · (α− (n− 1)).

Fur m ∈ N0 mit m < n ist (m)n = 0.

(ii) 0! = 1, (n+ 1)! = (n+ 1)n!, n! =∏nk=1 k.

(iii)(α

0

)= 1,

( αn+1

)=(αn

)α−nn+1 ,

(αn

)= α(α−1) ··· (α−(n−1))

1·2 ···n ,(α

1

)= α.

Beweis. (i) Es wird (α)n =∏n−1i=0 (α− i) fur n ∈ N0 induktiv gezeigt:

(A) Es ist (α)0 =Def.

1 =∏0−1i=0 (α− i).

(S) (α)n+1 =Def.

(α− n)(α)n = (α− n)∏n−1i=0 (α− i) =

∏ni=0(α− i).

Fur m ∈ N0 mit m < n folgt hieraus (m)n =∏n−1k=0(m − k) = 0, da wegen

m ≤ n− 1 der Faktor 0 auftritt.

(ii) 0! =Def.

(0)0 = 1. Nun ist n! = (n)n =(i)

∏n−1k=0(n− k) =

∏nk=1 k,

(n+ 1)! =∏n+1k=1 k = (n+ 1)

∏nk=1 k = (n+ 1)n!.

(iii)(α

0

)= (α)0

0! = 11 = 1,

( αn+1

)= (α)n+1

(n+1)! =(i),(ii)

α·(α−1) ··· (α−n)1·2 ··· (n+1) = α−n

n+1

(αn

),

(α1

)=(α

0

)α1 = 1 · α = α.

3.18 Rechenregeln fur Binomialkoeffizienten

Sei α ∈ R und k, n ∈ N0. Dann gilt:

(i)(αk

)+( αk+1

)=(α+1k+1

);

(ii)(α

0

)+(α+1

1

)+ . . .+

(α+kk

)=(α+k+1

k

);

(iii)(nk

)=

{ n!k!(n−k)! =

( nn−k), falls k ≤ n,

0 falls k > n;

(iv)(nn

)+(n+1n

)+(n+2n

)+ . . .+

(n+kn

)=(n+k+1n+1

);

(v)(nk

)∈ N0.

Beweis. (i)(αk

)+( αk+1

)=

3.17(iii)

(αk

)+(αk

)α−kk+1 =

(αk

)α+1k+1 =

Def.

(α)kk! · α+1

k+1 =3.17(i),(ii)

(α+1)k+1

(k+1)! =Def.

(α+1k+1

).

(ii) (A) Fur k = 0 folgt die Behauptung aus(α

0

)= 1 =

(α+10

)(siehe 3.17(iii)).

(S) Aus der Gultigkeit der Gleichung fur k folgt, wenn man auf beiden Seiten(α+k+1k+1

)addiert:

(α0

)+(α+1

1

)+ . . .+

(α+kk

)+(α+k+1

k+1

)=(V)

(α+k+1k

)+(α+k+1

k+1

)=(i)

(α+k+2k+1

).

[3]–14 C 1

Page 15: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

(iii) Ist k ∈ {0, n}, so folgt (iii) aus(n

0

)=

3.17(iii)1 = n!

0!(n−0)! = n!n! = (n)n

n! =(nn

).

Sei 1 ≤ k ≤ n− 1, dann gilt:(nk

)=

3.17(iii)

n·(n−1) ··· (n−(k−1))1·2 ··· k = n ··· (n−(k−1))·(n−k)···1

k!(n−k)! = n!k!(n−k)! .

Daher ist auch fur 1 ≤ k ≤ n− 1 :( nn−k)

= n!(n−k)!(n−(n−k))! = n!

k!(n−k)! .

Sei nun k > n, dann ist (n)k = 0 fur k > n (siehe 3.17(i)). Also folgt:(nk

)= (n)k

k! = 0.

(iv) Setze in (ii) fur α := n und benutze fur n, j ∈ N0, daß gilt:(n+jj

)=

(iii)

(n+jn

).

(v) Nach (iii) ist(nk

)=

(iii)

n!k!(n−k)! ∈ N fur 0 ≤ k ≤ n und

(nk

)= 0 fur k > n.

Also insgesamt(nk

)∈ N0 fur alle k ∈ N0.

Aus der Formel 3.18(i) ergibt sich fur n, k ∈ N0 eine sukzessive Berechnungs-moglichkeit fur

(nk

):

Es ist(n+1n+1

)=(n+1

0

)= 1 und fur 1 ≤ k ≤ n:

(n+1k

)=( nk−1

)+(nk

).

(00

)(1

0

)→+←↓

(11

)

(20

)→+←↓

(21

)→+←↓

(22

)

(30

) (31

) (32

) (33

)· · · · · · ·

· · · · · · · · · ·· · · · · · · · · · · · ·(n

0

)→+←↓

(n1

)· · ·

(nk

)→+←↓

( nk+1

)· · ·

( nn−1

)→+←↓

(nn

)

(n+10

) (n+11

)· · · · · ·

(n+1k+1

)· · · · · ·

(n+1n

) (n+1n+1

)

Also (bis n=6):1

(0k

)

1 1(1k

)

1 2 1(2k

)

1 3 3 1(3k

)

1 4 6 4 1(4k

)

1 5 10 10 5 1(5k

)

1 6 15 20 15 6 1(6k

)

Dieses Berechnungsschema heißt das Pascalsche Dreieck , benannt nach BlaisePascal (1623–1662).

C 1 [3]–15

Page 16: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

3.19 Binomischer Lehrsatz

Seien a, b ∈ R und n ∈ N0. Dann gilt:

(a+ b)n =n∑k=0

(nk

)akbn−k.

Insbesondere gilt fur alle t ∈ R:

(1 + t)n =∑n

k=0

(nk

)tn−k =

∑nk=0

(nk

)tk.

Beweis. Fur den folgenden Induktionsbeweis seien a, b zwei reelle Zahlen.

(A) (a+ b)0 =Def.

1 =3.17

(00

)a0b0 =

∑0k=0

(0k

)akb0−k

(S) (a+ b)n+1 =Def.

(a+ b)n(a+ b) =(V)

(∑n

k=0

(nk

)akbn−k)(a+ b)

=3.11(ii)

∑nk=0

(nk

)ak+1bn−k +

∑nk=0

(nk

)akbn+1−k

=3.17(iii)

an+1 +∑n−1

k=0

(nk

)ak+1bn−k +

∑nk=1

(nk

)akbn+1−k + bn+1

=3.17(iii)

(n+1n+1

)an+1b0+

∑nk=1

( nk−1

)akbn−(k−1)+

∑nk=1

(nk

)akbn+1−k+

(n+10

)a0bn+1

=(n+1

0

)a0bn+1 +

∑nk=1[

( nk−1

)+(nk

)]akbn+1−k +

(n+1n+1

)an+1b0

=3.18(i)

∑n+1k=0

(n+1k

)akbn+1−k.

Setzt man in der bewiesenen Formel a := 1, b := t bzw. a := t, b := 1, soerhalt man die Gleichung fur (1 + t)n.

Speziell folgen fur t = 1 bzw. t = −1 aus 3.19:

(3.20)(n

0

)+(n

1

)+ . . .+

(nn

)= 2n fur n ∈ N0.

(3.21)(n

0

)−(n

1

)+(n

2

)− . . .+ (−1)n

(nn

)= 0 fur n ∈ N0.

3.22 Abschatzungen fur Binomialkoeffizienten

Seien m,n ∈ N und m < n. Dann gilt:

(i)(mk

)<(nk

)fur k = 1, . . . , n;

(ii) 1mk

(mk

)< 1

nk

(nk

)< 1

k! ≤ 12k−1 fur k = 2, . . . , n;

(iii) 1mk

(mk

)≤ 1

nk

(nk

)≤ 1

k! ≤ 12k−1 fur k = 0, . . . , n;

(iv) (1 + 1m)m < (1 + 1

n)n;

(v) 2 ≤ (1 + 1n)n < 3.

[3]–16 C 1

Page 17: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Beweis. (i) Die Ungleichung folgt fur k = 1 aus:(m

1

)=

3.17(iii)m < n =

(n1

).

Fur k = 2, . . . , n ergibt sich die Ungleichung aus der ersten Ungleichung in (ii).

(ii) Wir beweisen zunachst die erste Ungleichung. Fur m < k ≤ n folgt dieerste Ungleichung in (ii), da

(mk

)= 0 und

(nk

)> 0 nach 3.18(iii) sind. Sei daher

2 ≤ k ≤ m. Dann ist:

(1) 1mk

(mk

)=

3.17(iii)

1mk · m(m−1) ··· (m−(k−1))

1·2 ··· k = 1k! · 1 · (1− 1

m) · · · (1− k−1m )

Aus 0 < m < n folgt nun j/n < j/m fur j ∈ N (benutze 2.3(x), 2.1(iii)(M)und 3.4) und daher −j/m < −j/n (siehe 2.2(iv)). Ist nun j < m, so ist auchj/m < 1 (siehe 2.3(xi)) und daher 0 < 1− j/m. Insgesamt erhalten wir:

(2) 0 < 1− j/m < 1− j/n fur j = 1, . . . ,m− 1.

Aus (1), (2) und 3.11(vi) folgt:1mk

(mk

)=(1)

1k!(1− 1

m) · · · (1− k−1m ) <

(2),3.11(vi)

1k! · (1− 1

n) · · · (1− k−1n )

=(1)

1nk

(nk

).

Fur die weiteren Ungleichungen sei nun ein beliebiges k = 2, . . . , n gewahlt.1nk

(nk

)< 1

k! folgt nun aus (1), angewandt auf m := n. Ferner gilt (Beweis z.B.

mit vollstandiger Induktion), daß 2k−1 ≤ k! und somit 1k! ≤ 1

2k−1 .

(iii) folgt fur k = 2, . . . , n direkt aus (ii). Fur k = 0, 1 ist die Behauptungwegen 1

m0

(m0

)= 1 = 1

n0

(n0

)≤ 1

0! ≤ 12−1 und 1

m1

(m1

)= 1

m ·m = 1 = 1n1

(n1

)≤

11! ≤ 1

21−1 trivial.

(iv) (1 + 1m)m =

3.19

∑mk=0

(mk

)1mk ≤

(iii)

∑mk=0

(nk

)1nk<∑n

k=0

(nk

)1nk

=3.19

(1 + 1n)n.

(v) Fur alle n ∈ N gilt:

2 = (1 + 1)1 ≤(iv)

(1 + 1n)n =

3.19

∑nk=0

(nk

)1nk

= 1 +∑n

k=1

(nk

)1nk

≤(iii)

1 +∑n

k=1(12)k−1 =

3.101 + 1−(1/2)n

1−1/2 < 1 + 11−1/2 = 3.

Im folgenden sollen n! und die Binomialkoeffizienten anschaulich interpretiertwerden. Hierzu benotigt man die Begriffe der Endlichkeit und der Elementean-zahl einer endlichen Menge. Man rufe sich die folgenden Begriffe der linearenAlgebra in Erinnerung:

3.23 Injektivitat, Surjektivitat und Bijektivitat

Sei f : A→ B eine Abbildung. Dann heißt

(i) f injektiv , wenn fur alle a1, a2 ∈ A gilt:

f(a1) = f(a2)⇒ a1 = a2;

C 1 [3]–17

Page 18: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

(ii) f surjektiv , wenn es zu jedem b ∈ B ein a ∈ A mit f(a) = b gibt;

(iii) f bijektiv , wenn f injektiv und surjektiv ist.

Die Gesamtheit aller Abbildungen von A in B bezeichnet man mit BA.

Ist A = ∅, so gibt es genau eine Abbildung in die Menge B, namlich die”leere

Abbildung“ ∅. Also ist B∅ = {∅}.Sie ist nach der Definition in 3.23(i) dann auch injektiv. Insbesondere wird daher∅ bijektiv auf ∅ abgebildet. Also ist ∅ ∼ ∅ im Sinne der folgenden Definition.Definition 3.24 geht fur den Fall unendlicher Mengen auf Cantor (1845–1918),den Begrunder der Mengenlehre, zuruck.

3.24 Gleichmachtigkeit

Seien A,B zwei Mengen. Dann heißen A und B gleichmachtig oderaquivalent , in Zeichen A ∼ B, wenn es eine bijektive Abbildung vonA auf B gibt. Es gilt:

(i) A ∼ A;

(ii) A ∼ B ⇒ B ∼ A;

(iii) A ∼ B ∧ B ∼ C ⇒ A ∼ C.

Beweis. (i) Es gilt A ∼ A, da die identische Abbildung eine bijektive Abbil-dung von A auf sich ist.(ii) Sei A ∼ B und bezeichne f die bijektive Abbildung von A auf B. Dannist die inverse Abbildung f−1 eine bijektive Abbildung von B auf A. Also istB ∼ A. (f−1(b) := a⇐⇒ f(a) = b).(iii) Ist f eine bijektive Abbildung von A auf B und g eine bijektive Abbildungvon B auf C, dann ist g ◦ f eine bijektive Abbildung von A auf C, d.h. A ∼ C.((g ◦ f)(a) := g(f(a))).

3.25 Spezielle endliche Mengen

Setze fur n ∈ N0:N≤n := {k ∈ N : k ≤ n}

Fur N≤n schreibt man auch {1, . . . , n}. Speziell ist N≤0 = ∅.

3.26 Endlichkeit und Kardinalzahl von endlichen Mengen

Sei A eine Menge. Gibt es ein n ∈ N0 mit A ∼ N≤n, so heißt A eineendliche Menge. Man nennt dann n die Machtigkeit oder Kardinalzahlvon A und schreibt kard(A) = n. A heißt dann auch eine Menge mit nElementen oder eine n-elementige Menge.

[3]–18 C 1

Page 19: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Wegen ∅ ∼ N≤0 ist die leere Menge eine endliche Menge mit Null Elementen.Sei A eine nicht-leere Menge mit n Elementen. Man bezeichne die Bijektionvon N≤n auf A mit f. Setzt man dann ak := f(k), so gilt:

• A = {a1, . . . , an} mit ai 6= aj fur i 6= j.

Der folgende Satz erscheint unmittelbar evident. Sein exakter induktiver Beweisist jedoch ziemlich aufwendig.

3.27 Satz uber endliche Mengen

(i) Ist A eine Menge und A ∼ N≤n sowie A ∼ N≤m, so folgt n = m.Somit ist kard(A) eindeutig bestimmt.

(ii) Teilmengen endlicher Mengen sind endlich.

Ist A⊂6=B und B eine endliche Menge, so gilt: kard(A) < kard(B).

(iii) Sind A,B endliche Mengen, so ist auch A∪B eine endliche Menge.

Sind zusatzlich A und B disjunkt, so gilt:

kard(A ∪ B) = kard(A) + kard(B).

Ist A ⊂ B und B eine endliche Menge, so gilt:

kard(B \ A) = kard(B)− kard(A).

Beweis. (i) Nach Satz 3.24 ist zunachst N≤n ∼ N≤m. Es reicht also zu zeigen:

N≤n ∼ N≤m ⇒ n = m.

Es sei A(n) fur n ∈ N0 die Aussage:

Ist N≤n ∼ N≤m fur ein m ∈ N0, so gilt n = m.

(A) A(0) und auch A(1) sind trivial.

(S) Sei nun A(n) fur ein n ≥ 1 gultig. Sei N≤n+1 ∼ N≤m′ fur ein m′ ∈ N0.Dann ist m′ ≥ 2, also ist m := m′ − 1 ∈ N und N≤n+1 ∼ N≤m+1. Daher gibtes eine bijektive Abbildung f von N≤n+ auf N≤m+1 mit f(n + 1) = m + 1; ist

namlich f eine bijektive Abbildung von N≤n+1 auf N≤m+1 mit f(n+1) 6= m+1

und somit f(i) = m+ 1 fur ein i 6= n+ 1, so setze f(j) := f(j) fur j 6= i, n+ 1

und f(i) := f(n + 1), f(n + 1) := f(i) = m + 1 (kurz: Man vertausche zweiBildelemente). Mit dieser Abbildung f ist dann f |N≤n eine Bijektion von N≤nauf N≤m. Also ist N≤n ∼ N≤m und es folgt n = m nach Induktionsannahme.Daher ist n+ 1 = m+ 1 = m′.

(ii) Sei o.B.d.A. A⊂6=B. Wir beweisen induktiv die folgende Aussage A(n):

(A⊂6=B ∧ kard(B) = n)⇒ (A endlich und kard(A) < kard(B)).

(A) A(1) ist trivial, da A⊂6=B und kard(B) = 1 liefert, daß A = ∅ ist.

(S) Sei A⊂6=B und kard(B) = n+ 1. Dann gibt es ein b ∈ B mit A ⊂ B \ {b}.Es reicht nun zu zeigen:

(1) B \ {b} ist endlich und kard(B \ {b}) = n.

C 1 [3]–19

Page 20: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Denn ist dann A = B\{b}, so folgt A(n+1) unmittelbar aus (1). Ist A⊂6=B \ {b},so folgt A(n+ 1) aus A(n).

Zu (1): Da kard(B) = n + 1 ist, gibt es eine bijektive Abbildung von N≤n+1

auf B mit o.B.d.A. f(n+ 1) = b (vertausche notfalls zwei Bildelemente). Dannist f |N≤n eine bijektive Abbildung von N≤n auf B \ {b}. Also ist B \ {b} eineendliche Menge und kard(B \ {b}) = n.

(iii) Zum Nachweis der ersten Formel seien zunachst A,B disjunkte undo.B.d.A. nicht-leere endliche Mengen. Dann ist A ∼ N≤n und B ∼ N≤m furn,m ∈ N. Setzt man f(i) := i+n fur i = 1, . . . ,m, dann wird N≤m bijektiv auf{n+ 1, . . . , n+m} =: C abgebildet. Somit gilt B ∼ C. Wegen der Disjunktheitvon A und B sowie von N≤n und C ist dann auch:

A ∪B ∼ N≤n ∪ C = N≤m+n.

Also ist dann A ∪ B endlich mit kard(A ∪B) = m+ n = kard(A) + kard(B).Sind A,B endliche Mengen, so ist zu zeigen:

A ∪ B ist eine endliche Menge.Nun ist B\A nach (ii) eine endliche Menge. Daher ist A∪B, als disjunkte Verei-nigung der beiden endlichen Mengen A und B \A, nach dem gerade Bewiesenenebenfalls eine endliche Menge.

Ist schließlich A ⊂ B und B endlich, so sind A und B \ A endliche Mengennach (ii). Also gilt: kard(B) = kard(A ∪ (B \ A)) = kard(A) + kard(B \ A).

3.28 Vergleich endlicher Mengen

Es seien A und B zwei endliche Mengen. Dann gilt:

(i) Gibt es eine injektive Abbildung von A in B und eine injektiveAbbildung von B in A, so ist A ∼ B.

(ii) Es gibt eine injektive Abbildung von A in B oder eine injektiveAbbildung von B in A.

(iii) Es gibt genau dann eine injektive Abbildung von A in B, wennkard(A) ≤ kard(B) ist.

(iv) Es gibt genau dann eine bijektive Abbildung von A auf B, wennkard(A) = kard(B) ist.

(v) Jede injektive Abbildung von A in A ist surjektiv.

(vi) Jede surjektive Abbildung von A auf A ist injektiv.

Beweis. (iii)”⇒“: Sei f eine bijektive Abbildung von N≤n auf A und g eine

injektive Abbildung von A in B. Dann ist g ◦ f eine injektive Abbildung vonN≤n in B mit Wertebereich (g ◦ f)(N≤n). Also gilt:

kard(A) = n = kard((g ◦ f)(N≤n)) ≤3.27(ii)

kard(B).

”⇐“: Sei n := kard(A) ≤ kard(B) =: m. Dann ist N≤n injektiv in N≤m

abbildbar, und es gilt:A ∼ N≤n−→

inj.N≤m ∼ B.

[3]–20 C 1

Page 21: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Also ist A injektiv in B abbildbar.

(ii) folgt aus (iii), da kard(A) ≤ kard(B) oder kard(B) ≤ kard(A) ist.

(iv) Ist A ∼ B und A ∼ N≤n, so gilt B ∼ N≤n, d.h. kard(A) = kard(B).Ist kard(A) = kard(B) = n, so gilt A ∼ N≤n und B ∼ N≤n, also auch A ∼ B.

(i) Aus (iii) folgt kard(A) ≤ kard(B) und kard(B) ≤ kard(A), also istkard(A) = kard(B). Daher ist A ∼ B nach (iv).

(v) Sei f eine injektive Abbildung von A in A. Dann ist kard(A) = kard(f(A)),da f eine bijektive Abbildung von A auf f(A) ist. Aus f(A)⊂6=A folgte aber nach3.27(ii), daß kard(f(A)) < kard(A) ware.

(vi) Sei f eine Abbildung von A auf A. Wahle fur jedes a ∈ A genau eina′ ∈ A mit f(a′) = a. Dann ist A′ := {a′ : a ∈ A} ⊂ A und f |A′ eine bijektiveAbbildung von A′ auf A. Daher ist kard(A′) = kard(A) (siehe (iv)), und somitgilt A′ = A nach 3.27(ii).

Sei J eine n-elementige Menge und seien aj fur j ∈ J reelle Zahlen. Ist dann ϕ

eine Bijektion von N≤n auf J , so setzt man:

• ∑j∈J aj :=

∑ni=1 aϕ(i),

• ∏j∈J aj :=

∏ni=1 aϕ(i),

• ∑j∈∅ aj := 0,

∏j∈∅ aj := 1.

Da eine Summe (bzw. ein Produkt) nicht von der Anordnung der Summanden(bzw. Faktoren) abhangt, hangt die obige Definition nicht von der speziellenBijektion ϕ von N≤n auf J ab. Sind nun J1, J2 zwei disjunkte endliche Mengen,so gilt:

• ∑j∈J1∪J2

aj =∑

j∈J1aj +

∑j∈J2

aj ,

• ∏j∈J1∪J2

aj =∏j∈J1

aj ·∏j∈J2

aj .

3.29 Rechenregeln fur endliche Mengen

(i) Es sei J eine endliche Menge. Ferner seien Aj fur alle j ∈ J endlicheMengen. Dann ist ∪j∈J Aj eine endliche Menge.Sind zusatzlich die Aj , j ∈ J, paarweise disjunkt, so gilt:

kard( ∪j∈J

Aj) =∑j∈J

kard(Aj).

(ii) Es seien A,B zwei endliche Mengen.Dann ist A×B := {(a, b) : a ∈ A, b ∈ B} eine endliche Menge und

kard(A× B) = kard(A) · kard(B).

Ist also m (bzw. n) die Elementeanzahl von A (bzw. B), so ist m ·ndie Elementeanzahl von A× B.

C 1 [3]–21

Page 22: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

(iii) Seien A und B zwei endliche Mengen. Dann ist die Menge BA

aller Abbildungen von A in B eine endliche Menge, und es gilt

kard(BA) = (kard(B))kard(A).

Ist also m (bzw. n) die Elementeanzahl von A (bzw. B), so istnm die Elementeanzahl von BA.

Beweis. (i) Ist J = ∅, so ist ∪j∈JAj = ∅ und∑

i∈∅ kard(Ai) = 0. Also istdie Aussage fur diesen Fall trivial.Wir beweisen die Aussage induktiv nach n = kard(J) ∈ N. Fur n = 1 ist dieAussage trivial.

(S) Sei kard(J) = n + 1. Dann ist J = J \ {j0} ∪ {j0} mit j0 ∈ J undkard(J \ {j0}) = n (benutze 3.27(iii)). Also ist nach Induktionsannahmezunachst ∪j∈J\{j0}Aj und dann nach 3.27(iii) auch ∪j∈JAj eine endliche Menge.

Sind die Aj , j ∈ J, zusatzlich noch paarweise disjunkt, so ist ∪j∈J\{j0}Aj eineendliche, zu Aj0 disjunkte Menge. Also gilt:

kard(∪j∈JAj) =3.27(iii)

kard(∪j∈J\{j0}Aj) + kard(Aj0)

=(V)

∑j∈J\{j0} kard(Aj) + kard(Aj0) =

∑j∈J kard(Aj).

(ii) Es gilt nun nach (i):

A× B = ∪a∈A

({a} × B) ist eine endliche Menge.

Da die Mengen Aa := {a} × B fur a ∈ A paarweise disjunkt sind und Aa ∼ Bist, folgt somit wiederum aus (i):

kard(A× B) =(i)

∑a∈A

kard({a} × B) =∑a∈A

kard(B)

= kard(B) · kard(A).(iii) Ist A = ∅, so ist BA = {∅}, und die Behauptung ist trivial. Ist A 6= ∅ undB = ∅, so ist die Behauptung wegen BA = ∅ ebenfalls trivial. Seien also A 6= ∅und B 6= ∅. Wir beweisen nun die Aussage induktiv nach n = kard(A) ∈ N.Fur n = 1 ist die Aussage wegen B{a} ∼ B trivial. Sei kard(A) = n+ 1. Dannist A = (A \ {a})∪ {a} mit a ∈ A und kard(A \ {a}) = n (siehe 3.27(iii)). Nunist

BA = ∪f∈BA\{a}

{g ∈ BA : g|(A \ {a}) = f}

eine disjunkte Vereinigung von endlichen Mengen mit Kardinalzahl

(1) kard({g ∈ BA : g|(A \ {a}) = f}) = kard(B).

Also gilt:

kard(BA) =(i)

∑f∈BA\{a}

kard({g ∈ BA : g|(A \ {a}) = f}) =(1)

kard(BA\{a})kard(B)

=(V)

(kard(B))kard(A\{a}) · kard(B) =3.27(iii)

(kard(B))kard(A).

[3]–22 C 1

Page 23: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Eine bijektive Abbildung einer endlichen Menge B auf sich nennt man auch einePermutation.

3.30 Interpretation von n!, (n)k und(nk

)

Sei A eine k-elementige und B eine n-elementige Menge.

(i) Die Anzahl aller injektiven Abbildungen der k-elementigen MengeA in die n-elementige Menge B ist (n)k.

(ii) Die Menge aller Permutationen der n-elementigen Menge B ist n!.

(iii) Die Anzahl aller k-elementigen Teilmengen der n-elementigen MengeB ist

(nk

).

Beweis. (i) Nach 3.17 gilt fur k, n ∈ N0:

(1) (0)0 = 1, (0)k = 0 fur k ∈ N; (n)0 = 1 und (n)k = 0 fur k > n.

Da die Anzahl der injektiven Abbildungen von A = ∅ in B = ∅ gleich 1 undvon A 6= ∅ in B = ∅ gleich 0 ist, folgt die Behauptung fur B = ∅ aus (1).

Ist B 6= ∅ und A = ∅, so ist ∅ die einzige injektive Abbildung von A in B. DieBehauptung folgt aus (n)0 =

(1)1.

Seien also nun k, n ∈ N. Ist k > n, so gibt es keine injektive Abbildung von Ain B (siehe 3.28(iii)) und die Behauptung folgt aus (n)k =

(1)0.

Wir beweisen nun fur eine feste Menge B, mit

(2) kard(B) = n ∈ N,induktiv fur k ∈ N, und dieses reicht nach den Voruberlegungen zum Beweisvon (i): Ist

(3) kard(A) = k mit k ≤ n,

so gilt:

(4) Es existieren genau (n)k-viele injektive Abbildungen von A in B.

(A) Fur k = 1 ist die Behauptung (4) wegen (n)1 = n trivial.

(S) Sei die Aussage (4) fur k ≤ n − 1 mit k ∈ N bewiesen. Zu zeigen ist:Die Aussage gilt fur k + 1. Sei also kard(A) = k + 1. Wahle a ∈ A, dann istkard(A \ {a}) =

3.27(iii)k. Bezeichne Finj(C,B) := {g ∈ BC : g injektiv}.

Dann gilt: Finj(A,B) = ∪f∈Finj(A\{a},B)Af

mit Af := {g ∈ BA : g|(A \ {a}) = f, g(a) 6∈ f(A \ {a})}.Die Mengen Af sind paarweise disjunkt und nach Induktionsannahme gilt:

(5) kard(Finj(A \ {a}, B)) =(4)

(n)k.

Ferner ist fur f ∈ Finj(A \ {a}, B):

(6) kard(Af ) = kard(B \ f(A \ {a})) =3.27(iii)

n− kard(f(A \ {a})) = n− k.

C 1 [3]–23

Page 24: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

Somit erhalten wir nach 3.29(i):

kard(Finj(A,B)) =∑

f∈Finj(A\{a},B)

kard(Af ) =(5),(6)

(n)k(n− k) = (n)k+1.

(ii) Nach 3.28(v) ist die Anzahl aller Permutationen von B die Anzahl allerinjektiven Abbildungen von B in sich, also nach (i) gleich (n)n = n!.

(iii) Bezeichne ak die Anzahl aller k-elementigen Teilmengen von B. Da(nk

)=

3.17

(n)kk! ist, reicht es zu zeigen:

(7) (n)k = k! ak.

Nun ist:

(8) Finj({1, . . . , k}, B) = ∪C⊂B ist k-elem.

AC mit paarweise disjunkten

Mengen AC := {g ∈ Finj({1, . . . , k}, B) : g hat Bildmenge C}.Da AC genau die Menge der injektiven Abbildungen von {1, . . . , k} in C ist(benutze 3.27(ii)), gilt:

(9) kard(AC) =(i)

(k)k = k!.

Daher folgt:

(n)k =(i)Finj({1, . . . , k}, B) =

(8),3.29(i)

∑C⊂B ist k-elem.

kard(AC)

= akkard(AC) =(9)

ak · k!

Ist A eine Menge mit 49 Elementen, z.B. 49 Kugeln, so gibt es(49

6

)= 49·48·47·46·45·44

1·2·3·4·5·6 = 13983816 verschiedene 6-elementige Teilmengen.

Die Chance, beim Lotto”6 aus 49“ sechs Richtige zu erzielen, ist daher etwa

1 : 14 Millionen.

3.31 Korollar

Ist A eine endliche Menge, so ist P(A) eine endliche Menge, und es gilt:

kard(P(A)) = 2kard(A).

Eine n-elementige Menge hat also genau 2n Teilmengen.

Beweis. Sei n := kard(A) ∈ N0. Eine Teilmenge von A hat k Elementemit 0 ≤ k ≤ n (siehe 3.27(ii)). Die Anzahl aller verschiedenen k-elementigenTeilmengen ist

(nk

)(siehe 3.30(iii)). Daher folgt nach 3.29(i), daß die Gesamtzahl

aller Teilmengen durch(n

0

)+(n

1

)+ . . .+

(nn

)=

3.202n

gegeben ist.

Eine andere Moglichkeit, 3.31 zu beweisen, besteht darin nachzuweisen, daßP(A) ∼ {0, 1}A ist, und dann 3.29(iii) zu benutzen.

[3]–24 C 1

Page 25: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Die folgenden beiden Satze geben hinreichende Bedingungen dafur an, wannnicht-leere Mengen Maxima oder Minima besitzen.

3.32 Jede nicht-leere endliche Menge reeller Zahlen besitztein Minimum und ein Maximum.

Beweis. Wir zeigen mit vollstandiger Induktion fur n ∈ N:A(n): Hat eine Menge reeller Zahlen n Elemente, so besitzt sie ein Minimum.

(A) Ist M eine einelementige Menge, so ist dieses eine Element Minimum vonM .

(S) Sei M = {a1, . . . , an, an+1} eine (n+ 1)-elementige Menge.Nach Induktionsannahme besitzt dann {a1, . . . , an} ein Minimum c. Istc < an+1, so ist c das Minimum von M, andernfalls ist c ≥ an+1 unddaher an+1 das Minimum von M.

Der Beweis fur die Existenz des Maximums verlauft entsprechend.

3.33 Korollar

(i) Ist ∅ 6= M ⊂ {m ∈ Z : m ≥ m0} =: Z≥m0 fur ein m0 ∈ Z, so besitztM ein Minimum.

(ii) Ist ∅ 6= M ⊂ {m ∈ Z : m ≤ m0} =: Z≤m0 fur ein m0 ∈ Z, so besitztM ein Maximum.

Beweis. (i) Sei n1 ∈M. Dann ist

{k ∈ Z : m0 ≤ k ≤ n1} =: M1

eine endliche Menge. Nun ist ∅ 6= M ∩M1 ⊂ M1 und daher eine nicht-leereendliche Menge (siehe 3.27(ii)). Somit existiert min(M ∩M1) nach 3.32.Wegen M 3 min(M ∩M1) ≤ m fur m ∈M ∩M1 und min(M ∩M1) ≤ n1 < mfur m ∈M \M1, ist min(M ∩M1) das Minimum von M.

(ii) verlauft analog.

3.34 Unendliche Mengen

Eine Menge A heißt unendliche Menge, wenn sie keine endliche Mengeist.

(i) Eine unendliche Menge ist zu keiner endlichen Menge aquivalent.

(ii) Jede Obermenge einer unendlichen Menge ist unendlich.

(iii) N ist eine unendliche Menge.

Beweis. (i) Sei A eine unendliche, B eine endliche Menge. Dann gilt fur einn ∈ N0 : B ∼ N≤n. Ware A ∼ B, so ware A ∼ N≤n und somit A eine endlicheMenge.

C 1 [3]–25

Page 26: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

(ii) Sei A eine unendliche Menge und A ⊂ B. Dann ist B unendlich nach3.27(ii)).

(iii) Angenommen, N ist endlich. Dann gibt es ein n ∈ N0 und eine bijektiveAbbildung f von N auf N≤n. Dann ware f |N≤n+1 eine bijektive Abbildungvon N≤n+1 auf f(N≤n+1) ⊂ N≤n. Dann liefert n + 1 = kard(f(N≤n+1)) ≤kard(N≤n) = n einen Widerspruch.

Der folgende Satz zeigt, daß die Menge der naturlichen Zahlen N — in einemspater noch zu prazisierenden Sinne — die

”kleinste“ unendliche Menge ist.

3.35 N als”kleinste“ unendliche Menge

Sei A eine unendliche Menge. Dann gibt es eine injektive Abbildung vonN in A. Eine solche Abbildung heißt auch Folge mit Werten in A.

Beweis. Wir definieren eine Abbildung f von N in A induktiv. Sei a ∈ A undsetze f(1) := a. Nun sei f(1), . . . , f(k) definiert mit:

(1) f(i) 6= f(j) fur 1 ≤ i, j ≤ k und i 6= j;

(2) f(i) ∈ A fur i = 1, . . . , k.

Dann ist {f(1), . . . , f(k)} wegen (1) eine k-elementige und somit, wegen (2),eine endliche Teilmenge von A. Daher ist Bk := A \ {f(1), . . . , f(k)} keineendliche Menge (siehe 3.27(iii)) und somit insbesondere nicht-leer. Wahle nunf(k + 1) ∈ Bk.Dann gilt f(k + 1) 6= f(i) fur i 6= k + 1. Da (1) fur k gilt, gilt somit auch (1)fur k + 1.Da (2) nach Konstruktion auch fur k + 1 gilt, sind somit nach vollstandigerInduktion f(n) fur n ∈ N definiert mit f(n) 6= f(m) fur n 6= m und f(n) ∈ Afur n ∈ N.Satz 3.36 ermoglicht nun eine Charakterisierung der endlichen Mengen, die aufDedekind (1831–1916) zuruckgeht. Diese Definition charakterisiert die endli-chen Mengen, ohne auf die Menge der naturlichen Zahlen Bezug zu nehmen.

3.36 Charakterisierung der endlichen und der unendlichenMengen

(i) Eine Menge A ist genau dann endlich, wenn jede injektive Abbil-dung von A in sich surjektiv ist.

(ii) Eine Menge A ist genau dann unendlich, wenn es eine injektiveAbbildung von A in sich gibt, die nicht surjektiv ist.

Beweis. Zu zeigen ist:

(1) ((A endlich) ∧ (f : A→ A injektiv))⇒ (f surjektiv);

(2) (A unendlich)⇒ (∃f : A→ A injektiv mit f(A)⊂6=A).

[3]–26 C 1

Page 27: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Die naturlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen

Zu (1): Dies ist Aussage 3.28(v).Zu (2): Sei g : N → A eine nach 3.35 existierende injektive Abbildung. Setztman an := g(n), so gilt also ai 6= aj fur i 6= j. Ferner gilt A = {an : n ∈ N} ∪Bmit zu {an : n ∈ N} disjunkter Menge B := A \ {an : n ∈ N}. Setze nun

f(an) := an+1 fur n ∈ N,f(b) := b fur b ∈ B.

Dann ist f : A → A injektiv. Wegen a1 6∈ f(A) = B ∪ {an+1 : n ∈ N} ist fnicht surjektiv.

Gleichungen der Forma+ t = b

haben fur a, b ∈ Z eine Losung in Z.Gleichungen der Form

a · t = b

haben fur a, b ∈ Q mit a 6= 0 eine Losung in Q.Die quadratische Gleichung

t2 = 2

hat keine Losung in Q, wohl aber — wie wir in § 4 sehen werden — in R.

3.37√

2 ist keine rationale Zahl

Es gibt kein c ∈ Q mit c2 = 2.

Beweis. Angenommen, es gabe

(1) c ∈ Q mit c2 = 2.

Dann gabe es m ∈ Z, n ∈ N mit

(2) c = m/n, m und n teilerfremd.

(Zur Definition sowie einfacher Eigenschaften der Teilerfremdheit sei auf dieSchule oder die Erganzungsstunde verwiesen.)

Aus (1) und (2) folgt m2 = 2n2. Also ist m2 und damit auch m gerade. Somitist m = 2k mit k ∈ Z und daher 4k2 = 2n2, d.h. n2 = 2k2. Daher ist wieder n2

und somit n gerade. Also sind m und n nicht teilerfremd — im Widerspruchzu (2).

Daß√

2 keine rationale Zahl ist, hat die erste”Grundlagenkrise“ der Mathema-

tik um ca. 500 v.Chr. ausgelost. Nach der philosophischen Grunduberzeugungdes Pythagoras ist alles Zahl, d.h. fur die Griechen der damaligen Zeit: Natur-liche Zahl. Hat man zwei Strecken A bzw. B der Langen a bzw. b, so sind sienach dieser Uberzeugung stets kommensurabel, d.h. es muß eine weitere (vonA und B in der Regel abhangende) Strecke C der Lange c geben, so daß dieStrecke C m-mal in A und n-mal in B aufgeht. Also muß fur die Langen gelten:

C 1 [3]–27

Page 28: x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra- tionalen Zahlenhn213me/sk/rogge/Ana03.pdf · x3 Die naturlic˜ hen, die ganzen und die ra-tionalen Zahlen 3.2 Die Menge Nder naturlic˜

Kapitel I Reelle Zahlen

a = mc und b = nc. Daher ist a : b = m : n eine rationale Zahl. Betrachtetman nun ein Quadrat mit der Seitenlange b = 1, so hat seine Diagonale nachdem mathematischen Satz des Pythagoras die Lange a =

√2. Sind also die

Diagonale und die Seitenlange des Quadrates kommensurabel, wie es die philo-sophische Lehre des Pythagoras vorschreibt, so mußte a : b =

√2 rational sein.

Dies widerspricht aber 3.37.

Fur die gesamte Mathematik der damaligen Zeit war dies deshalb so entsetz-lich, weil einerseits alle Beweise unter der Annahme der Kommensurabilitatvon Strecken, Flachen, Raumkorpern und Winkeln gefuhrt worden waren. An-dererseits hatten die Griechen aber als erste das Prinzip vertreten, daß allemathematischen Aussagen bewiesen werden mußten. Die Griechen losten die-ses Problem etwa ein Jahrhundert spater, indem Eudoxos (408–355 v.Chr.) dieLehre von den sogenannten Proportionen von Großen (Strecken usw.) entwik-kelte. Die Losung, irrationale Zahlen einzufuhren, ist erst in der zweiten Halftedes 19. Jahrhunderts in vollstandiger Strenge gelungen.

Als Bucher fur die Analysis I seien insbesondere empfohlen:

I) Das rund 650 Seiten umfassende Buch von H. Heuser: Lehrbuch der Analy-sis, Teil 1, B.G. Teubner Stuttgart, 10. Auflage.Dieses Buch

– ist sehr ausfuhrlich geschrieben und gut motiviert,

– ist sehr verstandlich,

– enthalt viele interessante Ubungsaufgaben mit Anleitungen,

– bringt historische Bezuge und am Ende des Teils 2 einen historischenGesamtuberblick uber die Analysis,

– stellt Anwendungen aus den Bereichen Physik, Chemie, Biologie, Psy-chologie, Medizin und Wirtschaftswissenschaften und Technik vor;

II) Das rund 380 Seiten umfassende Buch von W. Walter: Analysis 1, Grund-wissen Mathematik 3, Springer Verlag, 2. Auflage.Dieses Buch

– ist ausfuhrlich geschrieben und gut motiviert,

– ist verstandlich,

– enthalt interessante Ubungsaufgaben mit Anleitungen,

– bringt, in den Text integriert, viele historische Bezuge,

– stellt ebenfalls Anwendungen aus vielen Bereichen vor,

– laßt dadurch, daß es knapper als das Buch von Heuser geschrieben ist,Beweisideen gelegentlich klarer hervortreten, ist dafur aber schwierigerzu verstehen.

[3]–28 C 1