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Deus ExHuman RevolutionEin Setting-Feature für Shadowrun 4.0 von Ingo Meuter

»Es ist nicht das Ende der Welt… Aber man kann es von hier sehen.«

die deus Ex-Games definieren seit nun-mehr elf Jahren, wie Cyberpunk in Video-spielen auszusehen hat. Keinem anderen

Computerrollenspiel gelang es so wie der deus Ex-Reihe, die Atmosphäre, die Stimmung und die

Themen des Genres Cyberpunk in einem Spiel zu vereinen und interaktiv erlebbar zu machen.

Ende August 2011 erscheint mit deus Ex: human revolution der dritte Teil der Serie für PC, Xbox360 und Playstation 3 und lässt Sie eine Welt erleben, die am Rande einer wegweisenden Veränderung steht.

Shadowrun

60 Shadowrun • DEuS Ex: HumAn REvolution

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die kybernetische Evolution des Men-schen hat begonnenMit der Unterstützung von Francois Lapikas, Mit-arbeiter von Eidos Montreal und Chefentwickler von deus Ex: human revolution, stellen wir Ihnen in diesem Artikel die Welt des Jahres 2027 vor und machen Ihnen Vorschläge, wie Sie die Ideen und Konzepte des deus Ex-Prequels für eine Shadowrun 4.0 (Mini)-Kampagne verwenden können. Neben Meisterinformationen finden Sie hier auch einige Tipps für Spieler, wie man das Konzept des gemeinsamen Charakterhinter-grunds nutzen kann.

Eine schöne neue weltIm deus Ex-Universum markiert das Jahr

2027 einen Wendepunkt in der menschlichen Entwicklung. Rund zwanzig Jahre vor der kyber-netischen Revolution in der Sechsten Welt des Shadowrun-Universums werden mechanische »Augmentationen«, Cyberware-Implantate wie kybernetische Arme und Beine, Netzhautprothe-sen oder elaborierte Implantate, die die körper-lichen, sozialen und geistigen Fähigkeiten eines Menschen um ein vielfaches Steigern können, erstmals für die breite Öffentlichkeit verfügbar und erschwinglich.

Die Zukunft des Jahres 2027 unterscheidet sich ansonsten noch nicht allzu sehr von unserer heutigen Lebenswirklichkeit. Zumindest in westli-chen Ländern existiert nach wie vor eine Mittel- und Unterschicht. Das soziale Sicherungsnetz ist weltweit in Auflösung, da es nicht mehr finanzier-bar geworden ist; wer arbeitslos ist, sich keine private Krankenversicherung leisten kann, oder nicht dazu bereit ist, weltweit hyperflexibel und termingerecht zu arbeiten, ist dazu verdammt, ein Leben am Rande der Gesellschaft zu fristen. Die neue Oberschicht ist eine Leistungselite, die sich zunehmend über die Nutzung der neuen kybernetischen Augmentationen definiert. Wer nur drei Stunden am Tag schlafen muss, kann eben länger arbeiten, als ein durchschnittlicher Mensch. Auch wenn künstliche Ernährung in Form tierischer Ersatzprodukten weiter an Bedeu-tung gewonnen hat, ernährt sich der Großteil der Bevölkerung nach wie vor nicht ausschließlich von Soja-Produkten. Nahrungsergänzungsmittel hingegen haben parallel zur beschleunigten Lebenswirklichkeit einen bedeutenden Zuwachs erlebt; 2027 existieren Energieriegel in hunderten

Geschmacksrichtungen, die genug Nährstoffe für einen ganzen Tag beinhalten, satt machen und dazu noch lecker schmecken. Das Inter-net hat den Schritt in die weniger textbasierte, dritte Dimension geschafft, der durchschnittli-che Nutzer stöpselt sich allerdings noch nicht ein. Datenbuchsen sind noch ein Privileg von Hardcore-Hackern und Regierungsagenten. Die Cyberware-Nutzung begann in deus Ex zunächst an Universitäten und verbreitete sich von dort aus in den Profisport, die Popkultur und ist im Jahr 2027 auch erstmals für alle die, die es sich leisten können, öffentlich und komplikationslos verfügbar.

Ausgangspunkt dieser Entwicklungen waren die Forschungen eines Dr. Hugh Darrow, einem Wissenschaftler, dem es um die Jahrtausend-wende gelang, klinische Metalle zu entwickeln, die vom menschlichen Körper nicht abgesto-ßen werden. Er konzipierte daraus die ersten Kunstmuskeln und archaischen Cyberarme, die zunächst als medizinische Prothesen verwendet wurden. Die Entwicklung einer zuverlässigen Gehirn-Computerverbindung (DNI) ermöglichte die zuverlässige Kontrolle dieser Augmentationen ohne eine direkte Kabelverbindung zum Gehirn des Nutzers und brachte eine enorme Vielzahl revolutionärer Erfindungen hervor.

Die Augmentationen führten zu einem enor-

men Boom der Biotech-Industrie. Darrow selbst ließ seine Erfindung patentieren und gründete ei-nen eigenen Konzern; ab 2012 sprangen dutzende kleine Start-Up Unternehmen weltweit auf den Zug auf und erwirtschafteten in den kommenden Jahren Milliardengewinne.

der rest der weltDer Augmentation-Boom ging auch an

Schwellenländern wie Indien, China und den afrikanischen Staaten nicht spurlos vorüber. Zahlreiche Firmen kopierten zuerst die Technolo-gie, die in den USA und Europa konzipiert wurde, entwickelten dann allerdings viel versprechende

eigene Konzepte und erlangten nach und nach einen Ruf, der dem von Sarif Industires und der Darrow Corporation in nichts nachsteht. Vor al-lem chinesische Konzerne verdienen mittlerweile enorm viel Geld mit der Entwicklung militäri-scher Cyberware, angepasster Körperpanzerung und den digitalen Gehirn-Computer-Schnittstel-len, die eine neue Form des Computerhackings ermöglichen. Derartiges »einstöpseln« ist bei Shadowrun schon von Beginn an Alltag, bei deus Ex hingegen findet hacken nach wie vor analog bzw. mittels »augmented-reality«-Un-terstützung statt.

Während im Westen Cyberware-Gegner und -Befürworter schon die Messer wetzen, sieht

Deus ExHuman Revolution

Cyberpunk & renaissanceDas Cyberpunk-Genre entstand in den frühen 1980iger Jahren in den USA als dystopische Zukunfts-vision einer Welt, die in einer bis dato unbekannten Geschwindigkeit technische Revolutionen hervorbrachte und erfreute sich dank Philip Kindred Dick, Blade runner und den robocop-Filmen großer Beliebtheit. Bis in die 1990iger hinein entwickelte sich das Genre weiter, um dann gegen Mitte des Jahrzehnts wieder zu einem Nischengenre der Science Fiction zu werden.

Warren Spector, Entwickler des ersten deus Ex, entfernte im ersten Teil im Jahr 2000 einen Großteil der japanophoben Tendenzen des frühen Cyberpunk und implementierte stattdessen populäre Verschwörungstheorien wie die Illuminaten, oder die Majestic-12-Gruppe. deus Ex: human revolution behält die grundlegenden Elemente des Genres bei, aktualisiert sie aber durch die Einbindung aktueller technischer Entwicklungen und kultureller Strömungen und schafft so ein weiteres Subgenre.

Die Entwickler selbst beschreiben ihr Genre als Cyber Renaissance. Auch wenn der Vergleich ein wenig hinkt, da das Wiedererstarken der Kultur der Antike wohl eher keine Rolle spielt, ist verständlich, was Square Enix mit dem Begriff beabsichtigt. Die Wissenschaft übernimmt die Rolle der Religion und mächtige »Konzerne« entstehen, wie einst die Medici oder die Fugger im 15. Jahrhundert. Gleichsam bedeutete der Aufstieg der Stadt als kulturelles Zentrum den erheblichen sozialen Abstieg der Landbevölkerung. Die Rolle von Bauern und Tagelöhnern von einst über-nehmen 2027 die arbeitenden Massen. In gewissem Sinne handelt es sich bei deus Ex: human revolution also um ein Proto-Cyberpunk-Game.

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gestaubt, war jedoch bei Erscheinen des ersten Spiels gerade aktueller Trend und im kollektiven Gedächtnis verankert. Dankbarerweise sind die Verschwörer in human revolution noch nicht aus den Schatten getreten und so finden die Verschwörungen 2027 noch auf niedrigerem Niveau statt. Die Auswirkungen allerdings werden weitreichend sein, da Augmentationen nur der erste Schritt sind – man steht an der Schwelle zum DNS-Modding und der Veränderung des Genoms selbst.

2027 profitieren hunderttausende Menschen unmittelbar von der Entwicklung der mechani-schen Augmentationen, doch ist die eigentliche Branche noch immer neu und recht überschau-bar. Die wirklich revolutionären Ideen auf dem Gebiet der menschlichen Weiterentwicklung ent-stehen den Köpfen von vielleicht gerade einmal einhundert Individuen weltweit.

Diese Tatsache macht das deus Ex nahezu perfekt geeignet für die Umsetzung in einer Rol-lenspielkampagne; in dieser noch recht über-sichtlichen Konzernkultur können die Spieler schon auf niedrigem Karmalevel entscheidend an der Gestaltung der Zukunft der ganzen Welt mitwirken.

die deus Ex- KampagneEine deus Ex-Kampagne unterscheidet sich teil-weise stark von einer typischen Shadowrun-Kampagne. Der klassische Shadowrunner, der Straßensamurai und einsame Wolf der Großstadt existiert im deus Ex-Setting noch nicht. Zwar gibt

es zweifelsohne eine Vielzahl von Individu-en, die auch in der Welt des Jahres

2027 als freischaffende Kri-minelle und Industrie-

spione arbeiten, doch von

e iner r e g e l -

r e c h t e n Shadowrun-

ner-Kultur ist das Setting noch

w e i t e n t f e r n t . Folglich ist auch die

man die Dinge in China weit progressiver und entspannter. Zwar existieren auch hier religiös-traditionell motivierte Gegner von Augmenta-tionen, doch im Vergleich mit der Bewegung der Transhumanisten, die den menschlichen Körper am besten ganz ersetzen wollen, sind sie eine ver-schwindend kleine Minderheit. Trotz aller Macht, die Konzerne in der Welt von deus Ex besitzen, omnipräsente Megakonzerne wie Ares, Saeder-Krupp oder Renraku existieren 2027 (noch) nicht. Konzerne genießen zudem keine Extra-territorialität, auch wenn manche afrikanische Großunternehmen die faktischen Machthaber in ihren Heimatländern sind.

Die Welt von deus Ex ist also um einiges nä-her an unserer realen Gegenwart, als die düstere Zukunft der Sechsten Welt. Regierungen sind nach wie vor die effektiven Machthaber der Welt, und auch öffentliche Dienstleister wie Schulen oder Universitäten und Ordnungskräfte wie Po-lizei und Feuerwehr, befinden sich üblicherweise nach wie vor in öffentlicher Hand. Vollkommen isolierte Konzernenklaven oder ein eigenes Kon-zernrecht, wie es die Megakonzerne der Sechsten Welt haben, existieren im Jahr 2027 nicht. Wer al-lerdings die ersten beiden deus Ex-Games gespielt hat, weiß, dass die wahre Macht über die Welt der 2030er eigentlich in der Hand von einigen wenigen Personen liegt.

Die »finstere Macht im Hintergrund«, die alle Fäden in der Hand hält, ist späte-

stens seit Dan Brown und sei-nen Sakrileg-Romanen

mehr als nur ein wenig an-

Ausgangsbasis einer deus Ex-Kampagne eine andere. Die Spieler arbeiten als Mitarbeiter eines Konzerns. Vielleicht in der Sicherheitsabteilung wie Protagonist Adam Jensen, aber auch Ent-wickler von Augmentationen, IT-Spezialisten, oder einfache Angestellte des Unternehmens wie Fahrer oder Mitarbeiter der Betriebsfeuerwehr wären denkbar.

Wenn Ihre Gruppe aber die typische Aus-gangssituation variieren will und sich nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, für die Corpo-rations zu arbeiten, sind auch andere Szenarien denkbar. Die chronisch unterfinanzierte Polizei wäre zum Beispiel ebenfalls eine interessante Option. Wie hält man als einfacher Polizist einen Verbrecher auf, dessen Körper zu 70% aus nicht-leitenden Metallen und mechanischen Muskeln besteht? Welche Handhabe hat man, wenn ein Konzern den Zutritt zu einem seiner Labore per Gerichtsbeschluss verweigert, auch wenn alle Indizien darauf hinweisen, dass genau dort il-legale Versuche an Menschen gemacht werden? Eine weitere Alternative wäre es, die Rolle von Anti-Augmentation-Terroristen zu übernehmen, die einen Untergrundkrieg gegen die Konzerne führen, oder Agenten des FBIs, die gegen eben jene Subjekte ermitteln.

Anstatt die Rolle von unabhängigen Kriminel-len zu übernehmen, die für einen Job widerwillig mit anderen Spezialisten zusammenarbeiten, sollten die Spieler über einen gemeinsamen Charakterhintergrund verfügen, der sie von Anbeginn als Team zusammenfügt. Beispiele dafür, wie sich ein solcher Ansatz realisieren lässt, finden sich in Filmen, Serien oder Comics. Die US-Serie Leverage liefert großartige Vorla-gen, die Anime-Serie Ghost in the Shell: Stand alone Complex ist ebenfalls eine gute Vorlage, oder auch die Legacy of dhakaan-Buchreihe von Don Bassingthwaite. Durch dieses Konzept erspart man sich als Meister nicht nur die ob-ligatorische Gruppenzusammenführung in der Bar am Verhandlungstisch mit Mr. Johnson, sondern ermöglicht den Spielern auch gleich von Anfang an, Persönlichkeitszüge ihrer Charaktere zu entwickeln, aufeinander abzustimmen und eine stringente Geschichte zu konzipieren. Das heißt natürlich nicht, dass alle Charaktere beste Freunde sein müssen; Konflikt ist schließlich ein wichtiges Element spannender Geschichten.

Im Spiel pflegt Adam Jensen beispielsweise eine gesunde Rivalität zu Team-Hacker Francis Pritchard, ist mit Firmengründer David Sarif befreundet, und seine Beziehung zur Wissen-schaftlerin Megan Reed ist vor einiger Zeit in die Brüche gegangen. Derartige Verknüpfungen

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sollten gemeinsam entwickelt werden, um alle Spieler am Tisch gleichermaßen einzubinden, und jedem die Gelegenheit zu geben, sich und seinen Charakter einzubringen.

Anders als der klassische Shadowrunner, der sich von Job zu Job und von Auftraggeber zu Auftraggeber hangelt, verfügen die Protagoni-sten in einer deus Ex-Kampagne üblicherweise über ein soziales Sicherungsnetz. Ein geregeltes Einkommen, eine dauerhafte Unterkunft und üblicherweise kaum Probleme mit Recht und Gesetz zwingen Sie als Meister dazu, auch an-deren Plots zu schreiben, als gewöhnlich. Kon-zipieren Sie Ihre Abenteuer in deus Ex eher als Mini-Kampagne, denn als offen angelegte, freie Spielwelt. Planen Sie eher einen stringenten Plot und eine überschaubare Anzahl an Gegenspielern (Mensch und Konzerne), als Ihren Spielern die absolute Handlungsfreiheit zu geben. Wenn Sie Ihre Spieler in einer Shadowrun-Kampagne »Freilauf« gewähren, werden sie nicht an Gren-zen stoßen – 90% der Welt sind definiert und für 80% existieren mittlerweile Quellenbücher. Diese Vielfalt haben Sie mit einer deus Ex-Kampagne nicht; ein Großteil der Welt besteht aus weißen Flecken, die im Zweifelsfall durch eigene Kreati-vität gefüllt werden müssen.

Ihre Mini-Kampagne sollte sich also eher an den schon erwähnten Fernsehserien orientieren. Gehen wir davon aus, dass Sie zumindest einen neuen Spieler am Tisch haben, stehen die Chan-cen gut, dass er oder sie auf diese bekannten und erlernten Schemata reagiert und sich sofort heimisch fühlt. Entwerfen Sie anhand der Vor-schläge Ihrer Gruppe eine konkrete Geschichte; dies bedeutet jedoch nicht, dass Sie Ihre Spieler dem gefürchteten Railroading aussetzen müssen und Sie an der Nase durch den Plot schleifen. Konzipieren Sie Ihre Kampagne also eher wie die aktuellen Geisterkartelle und weniger wie das offenere Emergenz.

Da deus Ex völlig auf phantastische Elemente wie Magie und Metarassen verzichtet, werden Sie auch die Shadowrun-Regeln begrenzen müssen. Glücklicherweise ist die 4te Edition so flexibel, dass Sie auch ohne Einbuße auf Magier, Gei-ster, Trolle und Elfen verzichten können, und das Regelwerk noch immer problemlos nutzbar ist. Zwerge, Elfen und Orks können durchaus nach wie vor regeltechnisch genutzt werden, repräsentieren allerdings eher unterschiedlich gebaute Menschentypen. Da das Tech-Level von deus Ex deutlich unter dem des Jahres 2072 liegt, fallen auch einige Körpermodifikationen weg. Im Bodytech-Quellenbuch entfällt das gesamte Gen-tech- und Nanotech-Kapitel, da diese Technologie

gerade erst in den Kinderschuhen steckt und nur eine Handvoll Individuen überhaupt Zugriff auf dieses Equipment hat. Das heißt natürlich nicht, dass Sie diese Technologien nicht als Aufhänger für Ihren Plot nutzen können!

Auch Biotech ist im Jahr 2027 noch nahezu unbekannt; für Bioware wie die Kiemen, die Adre-nalinpumpe, Reflexrekorder oder Zerebralbooster existieren allerdings mechanisch-elektronische Varianten, so dass dieses Modifikationen noch immer zur Verfügung stehen. Auf unserer Home-page (www.mephisto.name) finden Sie übrigens Protagonist Adam Jensen als Shadowrun-Cha-rakter, mit der Möglichkeit, ihn als Heimlich-keitsspezialist, Hacker, oder Kampfmaschine zu spielen. Zusätzlich dazu haben wir auch einige charakteristische Augmentationen des Spiels mit Werten versehen, damit Sie Ihren Charakter auch mit dem entsprechenden Signaturequipment ausrüsten können. Und auch wenn deus Ex das Konzept der Entmenschlichung durch Essenz-verlust (noch) nicht kennt, sollten Sie die Essenz schon aus Gründen der Spielmechanik nach wie vor beibehalten. Die Entmenschlichung ist für Adam Jensen und andere Augmentierte eher ein moralisches und psychologisches Problem, als ein tatsächlicher Effekt.

Wenn das deus Ex-Setting für Sie und Ihre Gruppe interessant klingt, können Sie die offen

gestaltete Welt noch weiter nutzen und zusam-men einen Konzern (oder eine Organisation) konzipieren, für den die Charaktere arbeiten. Selbstverständlich lässt sich dieses Konzept auch problemlos auf eine typische Shadowrun-Kampa-gne übertragen – versuchen Sie es einfach mal.

Überlegen Sie sich, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, über wie viele Mitarbeiter und Firmenniederlassungen es verfügt, welche Konzerne in direkter Konkurrenz arbeiten, und überlegen sie sich ein, zwei Personen, die den Konzern nach außen repräsentieren. Das erhöht nicht nur die Bindung und das ganz persönliche Interesse jedes einzelnen am Spielgeschehen, sondern gestattet Ihnen auch, Ihren Abenteuern gemeinsam eine Richtung zu vorzugeben.

Wenn Sie nun diese Ideen Ihrer Spieler auf-greifen, gleichzeitig die Absichten hinter den Vorschlägen Ihrer Gruppe erkennen und deuten können, und selbst ein paar Meisterideen oder Konzepte von NSCs einstreuen, übernimmt Ihre Gruppe quasi wie von selbst einen Großteil der Kampagnenplanung ohne es zu merken. Ihre Spieler wissen am besten, was für ein Abenteuer sie gerne erleben würden; wenn Sie ihnen aber die sprichwörtliche Ares Predator bzw. Zenith 10mm auf die Brust setzen und direkt fragen: »Worauf habt Ihr denn Lust?!« erhalten Sie mei-stens Schulterzucken als Antwort.

wTF, Chummer?!Die sechste Welt des Shadowrun-Universums blickt auf eine 20-jährige Geschichte zurück, die in dutzenden Quellenbüchern, Romanen und Artikeln detailliert ausgearbeitet und entwickelt wurde. Warum sollten Sie also auf all dieses Hintergrundwissen verzichten und stattdessen eine Kampagne beginnen, die auf einem an-deren fiktiven Universum basiert, das noch dazu aus einer Videospielserie stammt, nur über einen Bruchteil des Hintergrunds verfügt und zudem auch noch einen Teil des Shadowrun-Regelwerks außer Acht lässt?

Für Veteranen des Shadowrun-Rollenspiels ist das eine durchaus berechtigte Frage und eine, die auch ich mir gestellt habe, bevor ich mich näher mit der Welt von deus Ex: human revolution beschäftigt habe.

Eine deus Ex-Kampagne ist insbesondere für Neueinsteiger ins Hobby geeignet. Das Setting bringt wenig traditionellen »Ballast« mit sich, über den sich ein neuer Spieler informieren muss, um einen glaubwür-digen Charakter erstellen zu können. Vorausgesetzt, der Spieler kennt deus Ex: human revolution, kann man ihn oder sie dort abholen, wo sie sich schon auskennen – in der Welt des Jahres 2027. Dadurch, dass sich die Welt noch nicht sonderlich von unserer Realität unterscheidet, fällt es leichter, sich in seinen Cha-rakter einzufinden. Das Fehlen von Magie und Metamenschen entfernt zudem das Element Fantasy aus der Gleichung und erspart es dem Meister, das Konzept des Astralraums erklären zu müssen. Wie man mit Geistern interagiert, wie genau Trolle U-Bahn fahren und welche verschiedenen Magietheorien existieren, kann Neueinsteiger gelegentlich überfahren zurücklassen. Wer nicht auf die Rückkehr der Magie verzichten möchte, kann das deus Ex-Setting auch nutzen, um eine alternative Shadowrun-Kampagne, die kurz nach der Geburt der sechsten Welt, und vor dem Großen Crash spielt, mit Konzernen, Hintergrund und frischen Metaplot-Ideen auszustatten. Ende der 2020er standen viele Megakons noch am Anfang, Cyberware noch längst nicht weit verbreitet, und Decker wie Echo mirage waren noch so gut wie unbekannt.

63mephisto 51 • mai/Juni 2011

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Für welche art von Kampagne eignet sich das Setting aber über-haupt?

Neben typischen den »Besorge-den-Prototyp« oder »Entführe-den-Wissenschaftler«-Aufträgen, die weniger utilitaristische Konzerne durchaus gelegentlich in Auftrag geben (wie Mr. Jensen und Megan Reed gleich zu Beginn des Spiels am eigenen Leib erfahren dürfen), bietet es sich an, Ihre Spieler nicht nur mit Aufträgen von der Stange zu fordern. Ermöglichen Sie Ihren Spielern, Geheimnisse aufzudecken und vom Kleinen ins Große überzuleiten. Das Kernthema »Verschwörung« fügt Ihrer Kampagne Züge einer Agentenkampagne hinzu und erlaubt Ihnen, die typische Fußarbeit, die sonst als eine Reihe von Würfelwürfen geregelt wird, als spannend insze-niertes Detektiv-Abenteuer zu spielen.

Rollenspiele auf PC und Konsole gehen zwar auf Tischrollenspiele zurück, es gibt aber keinen Grund, sich für die eigene Kampagnenplanung nicht im Gegenzug wieder bei ihnen zu bedienen. Klar definierte Aufgaben erleichtern nicht nur Neulingen im Rollenspielhobby den Einstieg, auch erfahrene Spieler freuen sich, wenn Sie neben dem Hauptplot noch kleine Geschich-ten in der eigenen Firma entdecken können, die nicht nur helfen, den Berufsalltag eines Si-cherheitsspezialisten/Hackers/Ökoterroristen darzustellen, sondern sich auch im Laufe einer Kampagne zu einem großen Ganzen zusammen-fügen können.

Ein Beispiel für diese Art der Kampagnenpla-nung liefert deus Ex: human revolution dankba-rer Weise gleich mit. Übernehmen Sie das Konzept einfach oder werden sie selbst kreativ.

detroit Tech CityDer adrette junge Mann auf unserem Cover ar-beitet für die Firma Sarif Industries als Sicher-heitschef. Der mittelständische Konzern wurde ursprünglich 2007 als kleines Biotech-Unter-nehmen in Detroit gegründet. Umfangreiche Subventionen der amerikanischen Regierung und unbekannter Financiers, Stipendien für jun-ge Wissenschaftler, und nicht zuletzt ein überaus lukrativer Vertrag mit der US-Armee ermöglich-ten Sarif Industries 2010 die Entwicklung der ersten Cyberaugen. David Sarif, der enigmatische Gründer des Konzerns, wurde daraufhin binnen weniger Jahre zum wichtigsten Hersteller mecha-nischer Augmentationen und damit zum här-testen Konkurrenten von Augmentation-Mogul Hugh Darrow. Nahezu im Alleingang verwandelte Sarif die durch die Wirtschaftskrise schwer gebeu-telte Stadt Detroit zum weltweiten Zentrum der kybernetischen Forschung.

Das Stadtbild Detroits, das einst durch die Fertigungshallen von Ford und General Motors bestimmt wurde, ist mittlerweile tief durch den Konzern geprägt. Nach dem Tod der amerikani-schen Autoindustrie standen Fabriken und Mon-tagehallen leer, ganze Stadtbezirke verwandelten sich über Nacht in Geisterstädte, und ehemals prächtige Firmenzentralen verfielen zu Indu-strieruinen. Mit dem Augmentation-Boom kaufte Sarif Industries diese verrottenden Kadaver des Turbokapitalismus auf und verwandelte sie in Büros und Labore, Bodyshops und Kliniken. Die Bewohner der Stadt hießen den wirtschaftlichen Aufschwung willkommen, brachte er doch neues Leben nach Detroit. Sarif Industries allein schaff-te 1500 Arbeitsplätze in der Firmenzentrale und den Fertigungsstätten. Dazu kamen hunderte weitere Jobs bei Zulieferfirmen, Forschungs- und Entwicklungszentren, der Universität und den unabhängigen Augmentation-Händlern. Die Re-naissance, die Detroit erlebt, lässt sich wohl nicht

von ungefähr mit dem beispiellosen Aufstieg der Stadt zu Anfang des 20. Jahrhunderts vergleichen, als die Autoindustrie entstand.

Doch wo es viel Licht gibt, da gibt es auch viel Schatten…

Und so wie es 1967 zu Unruhen zwischen der armen schwarzen Minderheit, und der reichen weißen Bevölkerung Detroits kam, so kommt es auch im Jahr 2027 zu Konflikten.

Die größere Verfügbarkeit von kybernetischen Updates des menschlichen Körpers entfacht eine hitzige Debatte um die ethische Vertretbarkeit von Augmentationen in der gesamten westli-chen Welt. Während die augmentierte Elite ihre neugewonnenen Fähigkeiten zelebriert, fürchten weite Teile der Bevölkerung den sozialen Absturz. Schließlich kommt es zu einem Anschlag auf einen augmentierten Baseballer der Detroit Ti-gers, die mittlerweile auch von Sarif Industries unterstützt werden. Ihre Spieler können nun die Funktion von Mitarbeitern und Kollegen Adam Jensens übernehmen, die bei einer öffentlichen Veranstaltung der Tigers für die Sicherheit zu-ständig sind.

Mit lautstarken Protestlern vor der Tür, auf-dringlichen Cybersport-Fans und einer überfor-derten Polizei haben sie schon mal alle Hände voll zu tun. Dieser Einstieg veranschaulicht Ihren Spielern die Welt des Jahres 2027 und versetzt sie gleichzeitig in eine actiongeladene Szene, die Improvisation erfordert. Nach diesem Einstieg wird klar, dass internationale Protestgruppen und radikale Anti-Aug-Terroristen zum Alltag gehören. Alles, was es jetzt noch bräuchte, um die aufgeheizte Stimmung endgültig zur Explosion zu bringen, wäre ein skandalträchtiger Medienbe-richt, oder eine gewalttätige Eskalation…

Eine andere Möglichkeit für einen gelungenen Kampagnenstart wäre eine 1:1 Übernahme der ersten Spielstunde mit deus Ex: Eine unbekannte Gruppe schwer bewaffneter Angreifer stürmt das Forschungslabor von Sarif Industries, erschießt dutzende Angestellte und entführt die leitende Wissenschaftlerin. Die Angreifer entkommen unerkannt, doch der hohe Grad ihrer Augmen-tationen und ihr überaus brutales Vorgehen sprechen gegen Fundamentalisten oder einfache Kriminelle. Einen Vorschlag, wie dieses Szenario weitergehen könnte, finden Sie als Einstiegsaben-teuer auf unserer Homepage www.mephisto.name! im

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