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XXD11 Über Kunst und Künstler der Gegenwart Ein Nachlesebuch zur Documenta 11

XXD11 - kunst.erzwiss.uni-hamburg.dekunst.erzwiss.uni-hamburg.de/ful-home/blog/wp-content/uploads/2014/01/... · Inhaltsverzeichnis 50 Der rote Roller - Kutlug Ataman, Die vier Jahreszeiten

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XXD11 Über Kunst und Kün stler der Gegenwart Ein Nachlesebuch zur Documenta 11

Bernhard Balkenhol/Heiner Georgsdorf/Pierangelo Maset (Hrsg.)

x X D11 Über Kunst und Künstler der Gegenwart Ein Nachlesebuch zur Documenta 11

kassel university press

Inhaltsverzeichnis 50 Der rote Roller - Kutlug Ataman, Die vier Jahreszeiten der Veronica Read Hanin Tischer

52 .Mind the Gap' - eine Fallgeschichte The Atlas Group, gegründet 1999 von Walid Ra'ad Ursula Panhans-Bühler

55 Insert Adib Fricke

6 Vorwort 56 Zarina Bhimji Christoph Blase

8 Die Plattform 3 der Documenta 11 - über CreoliM und Kreolisierung vom 12. -15. Januar 2001 58 John Bock Hans Brinckmann Tilman Osterwold

12 Hinweise und Ratschläge, die Nähe auszuhalten 60 John Bock - Plattform6 Karl Josef pazzini Julia Rabe-Kröger

16 Über das Sehen beim Gehen und die zunehmende 64 John Bock Unüberschaubarkeit der Kunstwerke Johannes Lotz Helmut Hartwig

68 Zeichnungen über Zeichnungen -20 Heimatgefühle Louise Bourgeois Insomnia Zeichnungen

Santu Mofokeng, Mona Hatoum, Bernhard Balkenhol Annette Messager, Jett Wall Tanja Wetzel 72 Die Gefängnisse der Erinnerung -

Louise Bourgeois auf der Documenta 11 24 Zeichen systeme Michael Wimmer

Angelika Nollert 76 Tania Bruguera per mail an Juliane Krüger

28 White-Out Alfredo Jaar, Jett Wall, Seifollah Samadian 80 Ein Erklärungsversuch Christine Biehfer L uis Camnitzer

32 Die Nöte beim .Nation-building' - Südafrika im 82 Nächtliche Konversation - Constant, New Babyion Fokus von Kendell Geers, David Goldblatt. Santu Franziska Bunge/Frauke Wiegand Mofokeng, Alfredo Jaar und Steve McOeen Dorothee Baer-Bogenschülz 86 Unheimliche Spiegelungen -

Destiny Deacon, Forced into Images, 36 Georges Adeagbo - ein afrikanischer und Mona Hatoum, Homebound

Forschungereisender in Europa Carmen Mörsch und Eva Sturm Andres Baiser

92 Suspiria - eine Videoarbeit von Stan Douglas 40 Spaces have become overlapping _. Heiner Georgsdorl

Eija-Liisa Ahtila, TalofThe House Simon Trautmann 98 Maria Eichhorn Aktiengesellschaft

Maria Eichhorn 43 Insert Adib Fricke

101 Böse Buben - zwei unwahrscheinliche Geschichten 44 Reale und mediale Übergänge: Ursula Panhans-Bühler

Chantal Akerman, From the Other Side Petra Lange-BerndtiDietmar Rübel 102 Carlos Garaicoa

Michael Wifkens 47 Insert Tim Besserer Cildo Meireles

104 Tot oder lebendig - Die Entdeckung einer Arbeit 48 Dehnung auf der Documenta 11

Thomas Bayrle Heiner Andresen

108 Wenn der Ausnahmezustand die Regel ist 158 Du denkst besser, wenn Du über Kunst sprichst -Kendell Geers Ein Gespräch über ,Reduzierte Räume mit Bettina Steinbrügge wechselndem Halt (reduziert auf 88%)"

von Mark Manders 112 Pertekt improvisiert oder Luise Laube/Simon Missal

Was sind moderne Hochhäuser? Isa Genzkens ,New Buildings for Berlin 1 - 8" 164 Dance macabre der Kuscheltiere Thomas Wagner Annette Messager, Articules - Desarticules /

Gelenkig - Ungelenkig 114 Victor Grippo Ursula Panhans-Bühler

Karin Stempel 166 Multiplicity, ID: A Journey through aSolid Sea

116 Park - Ein Fluchtplan Patricia Holder Dominique Gonzalez-Foerster, Park - Plan d'evasion Ursula Panhans-Bühler 168 Gabriel Orozco, Gefäße (Anfänge)

Claudia Jolles 119 Insert Tim Besserer Binding-Brauerei

172 A goodwill gesture - Rayrnond Pettibon 120 Was das ,Bataille Monument" und ,Park Fiction" Ulrich Schätker

nicht gemeinsam haben Pierangelo Maset 177 Insert Tim Besserer doc

126 Im Hemd, mit Stricken um den Hals - Candida 178 Dieter Roth: Große Tischruine 1970 - 1998. Höfers globale Foto-Expedition zu den zwölf Verschiedene Materialien. Abgüssen der Rodin-Plastik .Die Bürger von Calais" Nils Räller Alfred Nemeczek

184 Hit Me With Your Rythm Stick, Hit Me 132 Lament of the Images Olav Westphalen

Alfredo Jaar 189 Insert Adib Fricke

138 Insert Jürgen O. Olbrich inside / outside -On Kawara, One Million Years 190 Andreas Siekmann

im Gespräch mit Karin Thieleke 143 On Kawara

Ursula Panhans-Bühler 198 SIMPARCH, Free Basin - Ein Frontsite geflogener Kickflip Indy Grap to fakie über einen vier Meter

144 Bodys Isek Kingelez breiten Channel? Meinrad Ladleif Juliane Krüger

148 Die doppelte Documenta 11 - Die Videoistallation 200 Gunsterweisung - zu Fiona Tan, Countenance ,Flow" von Igor & Svetlana Kopystiansky als Christine Fuchs Sinnbild einer mediatisierten documenta Kai-Uwe Hemken 203 Insert Dieter Schwerdtle Thomas Hirschhorn

151 Insert Adib Fricke 204 Schöner Alptraum - Jet! Wall, Ralph Ellison & The Invisible Man

152 Glenn ligon Matthias Pätzsch Fremder im Dort, 1998, Emaillack, Öl, Gesso, Kohlegrus, diverse Farben auf Leinwand 207 Jet! Wall, Der unsichtbare Mann Johannes Kirschenmann Sabine Schulze

155 Insert Dorothee von Windheim Shirin Neshat 208 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 212 Verzeichnis der Künstlerinnen und Künstler

~

156 Die wundersame Welt des Mark Manders - 'c .c

Kunst und Raum als Selbstporträt 215 Insert Ursula Panhans-Bühler Stanley Brouwn u

'Q5 r;

Stefan Wimmer " > 216 Verzeichnis der Fotografinnen und Fotografen

~

'iii 218 Impressum .c

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Karl Josef Pazzini

Hinweise und Ratschläge, die Nähe auszuhalten

1 Sie begann mit sogenannten Plattformen, Ge­sprächs- und Vortragsveranstaltungen, die die neu­en Oenk- und Wahrnehmungserfordernisse für Politik und Kunst zu präzisieren versuchten. Es ging um "Demokratie als unvollendeter ProzessN

,

"Experimente mit der Wahrheit Rechtssysteme im Wandel und die Prozesse der Wahrheitsfindung und Versöhnung", "Cn§olite und Kreolisierungg und "Unter Belagerung: Vier afrikanische Städte, Freetown, Johannesburg, Kinshasa, Lagos", Ein weites Feld. Das kann hier nicht genauer erläuert werden. Sie sind verwiesen auf das auf der 5. Platt­form ausliegende Informationsmaterial.

.Die postkoloniale Gegenwart ist eine Welt der Nähe, nicht eine Welt des Anderswo" (Okwui Enwezor).

Hamburg, den 18. September 2002

Sie werden fernsehen müssen. Viele Monitore und Projektio­nen kommen auf Sie zu.

Die Documenta 11 findet keinen Ort, trotzdem findet sie statt. Die Ausstellung sucht nach Räumen und Zeiten. Nicht nur in Kassel und nicht nur für hundert Tage.

Die Documenta ist dieses Jahr nicht in Kassel, nicht nur in Kassel, sondern schon letztes Jahr in Wien und Berlin, in New Delhi, in St. Lucia und in Lagos' .

Die Documenta 11 ist die erste Documenta, bei der ganz klar wird, dass Sie nicht dabei waren, auch wenn Sie vielleicht in Kassel alles gesehen haben, was sowieso unmöglich ist. Sie werden merken, dass die Zeit nicht reicht, dass Sie aber nur deshalb Zeit haben. Und vom Raum haben Sie auch zu viel und zu wenig.

Wenn Sie zur Binding Brauerei fahren werden, werden Sie damit konfrontiert, dass hier Bezeichnendes umgenutzt worden ist. Auch die Orangerie ist keine. Der Kulturbahnhof ist ein Zwitter. Und so werden auch die ausgestellten Arbeiten sein.

Fassen Sie doch die Documenta 11 als einen Test auf: Wie viel Nähe vertragen Sie? Wie viel Feme brauchen Sie? Woraus werden gegenwärtig Grenzen gemacht? Etwa die Grenzen zwischen zwei Staa­ten, zwischen Kunst und Dokumentarfilm, zwischen white box und black box, zwischen Innen und Außen, zwischen dem immer noch unterge­henden Abendland und der anderen Welt, zwischen der europäischen (Kunst-)Geschichte und den anderen (Kunst-)Geschichten?

Die Documenta 11 ist als Ausstellung einseitig. Vielseitigkeit entsteht erst im Moment des Aufeinandertreffens mit dem Besucher. Insofern ist sie eine Ausstellung und die Konstellation von Wunsch­displays, die sich zur Füllung an Besucher wendet. Sie stellt eine Ver­mutung über, eine Zumutung für Besucher dar, und alle die, die nicht hinkommen können. Nehmen sie bequeme Schuhe mit. Und denken Sie daran: Märchenhaft sind nur Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat ...

Es ist darauf zu achten, dass die Installationen, Objekte, Pro­jektionen der Documenta 11 geladen sind. Es steckt darinnen soziale Energie. Ebenso sind Sie geladen. Nicht zuletzt durch die Energie, die Sie aufwenden mussten, um zur Plattform5, der Ausstellung selber, zu gelangen - von den Kosten ganz abgesehen. Es besteht die Gefahr von Kurzschlüssen. So sagte ein bekannter Kritiker auf die Arbeiten von Bodys Isek Kingilez zeigend; .Bestenfalls auf dem Niveau einer Anfängerklasse!". Viele solche Kurzschlüsse waren schon in Tageszei­tungen nachzulesen.

Die Documenta 11 wird Sie zum Laien machen können, zu einem, der sein Wissen vergisst, zu einem, der sich nicht mehr aus­kennt. Statt zu neuen/alten gesicherten Erkenntnissen und Deutun­gen zu kommen, werden Sie die Documenta 11 vielleicht erkennen müssen - im Sinne der Bibel -, was ja lieben und anerkennen heißt, denn die Documenta 11 ist inkommensurabel mit dem, was man immer schon weiß, mit dem Orientierungswissen. Die Documenta 11 ist un­angemessen. Als Besucher könnte man maßlos oder unmäßig werden.

Ein Aufmerksamkeitsanreger für die Analyse der Documenta 11 könnte deshalb sein, zu beobachten, wie die Einbildungskraft arbeitet, sich ermächtigt. Sie ist nämlich in sich selbst gewalttätig auf grund der Spannung zwischen Auffassung und Zusammenfassung. Es kommt immer mehr rein, als man sortieren kann. Die Zusammenfassung kann mit der Auffassung nie Schritt halten. Postkolonial bestimmt nicht mehr (In der mrkei z.B. sprechen sich die Islamisten für einen Beitritt zur EU aus, weil sie sich davon Religionsfreiheit, also einen starken Einfluss im laizistischen türkischen Staat versprechen. Die Kemalisten, die ur­sprünglich an den Freiheiten und dem Laizismus Europas orientiert waren, fürchten den größeren Einfluss der Islamisten und dass sie von der EU genötigt werden könnten, Minderheitenrechte einzuräumen). Diese Kluft wird umso größer, je öfter das Begreifen abgleitet.

Angenommen, Sie wollen sich auf der Documenta 11 bilden: Der beabsichtigten Bildung steht Ihre Vorbildung entgegen. Nicht un­bedingt im Widerspruch dazu. Aber vielleicht als Widerstand oder als Abwehr. Der Widerstand ist notwendig, die Abwehr macht dumm. Der Widerstand gibt dem aufgefassten eli1e erste Form. Damit kommt man dann vielleicht weiter. Mit dem Widerstand gilt es zu arbeiten. Bildung heißt, in Beziehung zu setzen. Im Cafe, gleich am Fridericianum gibt es kein Sauerkraut, aber Falafel.

Die Documenta 11 macht vieles unsichtbar durch all das, was sie zu sehen gibt.

Die Documenta 11 entsteht in einem Prozess einer Übertra­gung als Kreuzung. Die Kreuzung werden Sie selbst sein (z. B. Wolper­tinger oder Wollmilchsau). Übertragung ist der Vorgang, der ausgelöst wird, wenn man versucht, sich in Beziehung zu setzen. Es werden die

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'] Jetzt doch eine Namensnennung: Sehen Sie sich in der Binding-Brauerei daraufhin einmal die Ar­beit von Yinka Shonibare an.

alten eingefallenen Bilder durch neue aktiviert, übereinander geschich­tet. Die Ausstellung ist der Widerstand, der wie ein Bildschirm, eine Projektionswand funktioniert, der etwas erst wahrnehmbar macht, was Sie vielleicht schon lange .wussten", sich aber nie zu wissen getraut haben. Auf dieser Projektionsfläche treffen Welten zusammen (wahr­scheinlich etwa 187). Seien Sie dankbar, dass es eine solche Fläche gibt! Schimpfen Sie nicht über den Boten, der Ihnen (verschlüsselte) Nachrichten bringt! Es sei denn Sie haben den begründeten Verdacht, dass die Botschaften gefälscht worden sind vom Boten selbst.

Die Documenta 11 ist ein Forschungsprojekt innerhalb oder von innerhalb der Kunst her. Wie das zu verstehen ist habe ich näher erläutert (vgl. KJP: documenta(tion von Forschung - )II(Auflage). In: Kunst + Unterricht 263. Juni 2001, S. 41 - 44). Sie greift aus ins Politische, ins Philosophische, ins Ökonomische, ins Ethnologische, ins Psychoanalytische, ins Historische ... Ich jedenfalls freue mich, dass ein solcher Diskurs mit Berührungen zu einer groBen Öffentlichkeit, dargestellt in einer Ausstellung - nicht als Abschluss - noch irgendwo möglich ist.

Morgen werde ich zur Documenta 11 fahren.

Der obige Text verdankt sich der Lektüre der Texte zu den Plattformen, Presseberichten, Gesprächen, der Lektüre des Katalogbuches der documenta X. dem Vorwort zum Katalogbuch der Documenta 11, einem Ausschnitt aus einer arte Sendung über die Documenta 11 und dem schon orientierungshalber gekauften Kurzführer.

Gestern war ich auf der Documenta 11 für drei Tage. Und es hat mich gereizt, in den obigen Text nachträglich Künstler- und Gruppennamen einzusetzten. Das habe ich doch nicht getan.

Stattdessen vier nachträgliche Hinweise und eine Warnung: Sie werden vielleicht erfahren, dass Sie mitgenommen sind,

dass sie benommen sind, vielleicht still begeistert, aber ausdrucksarm, dass Sie vielleicht nach einiger Zeit anfangen zu reden, vielleicht sogar de/irant, dass sie etwas sehen, was andere nicht sehen (Halluzination). Sie werden sich vielleicht sagen, dass Sie dies oder jenes schon gese­hen haben, aber Ihnen partout nicht einfallen will, wann und wo. Psy­choanalytisch gesehen wären das alles Merkmale, die auch bei einer Psychose auftreten. Die mitteleuropäische Version, das Imaginäre (die je individuelle und kollektive Vorstellungswelt) mit dem Symbolischen in eins zu bringen - eine Bezeichnung verbindet sich fest mit einem Bezeichneten und so hat man Orientierung und Macht - wird arg her­ausgefordert. z.a. ein afrikanischer Stoff Is t kein afrikanischer Stoff ist aber ein afrikanischer StofP. Die schönen neurotischen Strukturen, die in der Wissenschaft und in der Bürokratie bevorzugten zwangs-neurotischen Strukturen, können dabei zerbröseln. .

Wahrnehmungsvorschlag: Die einzelnen Arbeiten auf der Platt­form5 der Documenta 11 sind Bindungen, so wie die am Ski, von unter­schiedlichen Zeiten und Räumen, von Personen. Ihre Hinwendung zu den Arbeiten könnte Sie herauslocken aus dem Dunkel der mit ge­wohnten Denkweisen nicht erfassbaren Zusammenhänge. Sie bieten

ein Herauskommen aus der "Nacht der Welt" (HegeQ, jenem Aufsprin­gen des als Kontinuum gedachten Übergangs von Natur und Kultur. Da ist aber kein Kontinuum. Es gibt keine natürlich gewachsenen Bezeich­nungen (=Kultur) und Zusammenhänge. Zusammenhänge werden durch Sprünge erst möglich. Manchmal sind die Sprungweiten sehr groß. Deshalb sitzen da Gegenstände, Installationen, Filme, wie Stüt­zen, Hängebrücken, Fallleitern, aber auch Fallen. Das Bild ist allerdings schief: Die ausgestellten Arbeiten sind auch aktiv, liegen nicht nur pas­siv herum oder baumeln vom Himmel. Oder noch mal anders: Sie wer­den zu GelenksteIlen fürs Sehen, fürs Hören, fürs Riechen, für die Aus­richtung im Raum, für den Fluss der Zeit. In diesem Fluss sind sie Orien­tierungsmerkmale. Vielleicht auch Behältnisse für Spuren, als Träger von Darstellung. Jetzt ist es an Ihnen, diese Bindungen wieder zu lösen oder sich lösen zu lassen. Und Sie werden merken, dass all die Aus­stellungselemente nichts repräsentieren als eben die Krise der Dar­stellbarkeit. Anders formuliert: Die Ausstellung stellt die Frage: Wie soll man all das darstellen? All das? Das, was z.8. Globalisierung genannt wird. Und welche Folgen das hat.

Die Documenta 11 ist eine gute Ausstellung. Eine "gute" Aus­stellung ist eine Vorgabe.- Eine "schlechte" Ausstellung ist eine, in der das Publikum genauso reagiert (und das noch freiwillig), wie die Aus­stellungsmacher das vorgesehen haben. Eine ganz schlechte Ausstel­lung wäre eine, von der man zufrieden und in Frieden nach Hause geht. Eine schlechte Ausstellung ist wie ein Foto aus den besten Jahren.

Die Documenta 11 hat leicht erkennbare Schwächen. Das Aus­stellungsdesign ist ziemlich museal, zumindest im Fridericianum. In der Binding-Brauerei ist dies zum Glück schief gegangen. Die einzelnen Ausstellungsräume sind vielleicht museal. Insgesamt bleibt aber ein labyrintischer Gesamteindruck. Es gibt nicht die hervorragenden Arbei­ten, aber viele Kleinigkeiten.

Warnung: Der Kurzführer der Documenta 11 steht bei den meisten Beiträgen zur tatsächlichen Ausstellung in einem ähnlichen Verhältnis, wie wenn die Gebrauchsanweisung für eine Schreibmaschi­ne versehentlich einem Computer beigelegt worden wäre.

Schluss: Ich habe mich nach dem ersten Besuch der Documenta schon mit vie­len gestritten. Ich habe viele Einwände gegen meine eher positive Einschätzung aufgenommen. Viele haben Recht mit ihrer Kritik. Viele Kritiker kommen an die Grenze bisherigen Denkens und Wahmehmens. Auch diese Kritiken sind Bestandteil der Documenta 11. Es gibt kein Anderswo, kein Außerhalb. Nur in den kleinen Pausen dazwischen. Davon gibt es viele - auch in Kassel. Ich freue mich daran, dass Enwezor und sein Team dieses Wagnis eingegangen sind. Alleine eine solche Haltung ist anregend.

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