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XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1996) (in Zusammenhang mit dem Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen Union 1996 veröffentlichter Bericht) vorbemerkung von KAREL VAN MIERT, für die Wettbewerbspolitik zuständiges Mitglied der Kommission Auch 1996 wurde die strukturelle Entwicklung der europäischen Wirtschaft in erheblichem Ausmaß vom Zwang zur Anpassung an die Globalisierung der Handelsströme und der ökonomischen Trends geprägt. Vier Rahmenbedingungen sind für den raschen Wandel des globalen Umfelds maßgeblich verantwortlich: die Beschleunigung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts, das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, das nie gekannte Wachstum des Waren- und Dienstleistungsangebots sowie die Intensivierung der Waren- und Kapitalbewegungen. Die Politik der Europäischen Union _ und insbesondere ihre Wettbewerbspolitik _ ist darum bemüht, die unausweichliche Anpassung der europäischen Wirtschaft an dieses neue Umfeld zu fördern. Die Globalisierung bietet in vielfacher Hinsicht eine Chance für jene Volkswirtschaften, die Vorkehrungen treffen, sie zu nutzen. Die Liberalisierung des Handels _ in der Welt wie im Binnenmarkt _ ist ein Wachstumsfaktor zum Wohle Europas, seiner Wirtschaft, seiner Unternehmen und seiner Verbraucher. Manchmal wird diese Globalisierung von den Europäern aber auch als eine Bedrohung wahrgenommen. Je mehr die Welt zusammenwächst, desto komplexer wird für sie die Gesellschaft; je reicher sie wird, desto unsicherer erscheint die Zukunft; je mehr sie sich öffnet, desto anfälliger wird sie. Diese Sorgen sind verständlich und legitim. Die Politik, und insbesondere die Gemeinschaft, hat sie in Rechnung zu stellen. Sie sind Ausdruck der wachsenden Unsicherheit, mit der der Zwang zur Anpassung an die raschen Veränderungen die Gesellschaft und die Menschen belastet. Die Wettbewerbspolitik gehört zu jenen Strukturfaktoren, die die Anpassung Europas an die neuen Wettbewerbsbedingungen infolge der Globalisierung wesentlich mitgestalten: _ Sie soll unsere Wirtschaft stärker und wettbewerbsfähiger machen; _sie soll Solidarität und Gleichbehandlung, Grundprinzipien des gesellschaftlichen Modells Europa, mittels einer ausgewogenen Liberalisierungspolitik insbesondere im Telekommunikationswesen bewahren helfen, durch die die europäischen Unternehmen und Verbraucher in den Genuß möglichst hochwertiger und preisgünstiger Dienstleistungen gelangen, ohne daß das Gemeinwohl vernachlässigt wird; _ sie spielt eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung des Binnenmarktes, in dem die Marktmechanismen eine bessere Ressourcenallokation und eine größtmögliche Effizienz der Wirtschaft im Interesse aller gewährleisten. Um ihre Aufgabe optimal zu erfüllen, muß sich auch die Wettbewerbspolitik unablässig anpassen und in der Lage sein, den ohne Unterlaß wachsenden Arbeitsaufwand zu bewältigen. Dabei nehmen die fachlichen Anforderungen und der Zeitdruck wegen der Größe der betroffenen Fälle und der Geschwindigkeit der Marktveränderungen ständig zu, was die Kommission veranlaßt hat, auch 1996 ihre Bemühungen um eine Modernisierung ihrer Wettbewerbspolitik fortzuführen. Diese Bemühungen wiesen in drei Richtungen: _ Schaffung geeigneter multilateraler oder bilateraler Instrumente und Strukturen, um nationale, europäische oder weltumspannende Wettbewerbsprobleme auf der jeweils bestgeeigneten Ebene

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XXVI. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1996)(in Zusammenhang mit dem Gesamtbericht über die Tätigkeit der

Europäischen Union 1996 veröffentlichter Bericht)vorbemerkung von KAREL VAN MIERT, für die Wettbewerbspolitik zuständiges Mitglied derKommission

Auch 1996 wurde die strukturelle Entwicklung der europäischen Wirtschaft in erheblichem Ausmaßvom Zwang zur Anpassung an die Globalisierung der Handelsströme und der ökonomischen Trendsgeprägt. Vier Rahmenbedingungen sind für den raschen Wandel des globalen Umfelds maßgeblichverantwortlich: die Beschleunigung des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts, dasBevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, das nie gekannte Wachstum des Waren- undDienstleistungsangebots sowie die Intensivierung der Waren- und Kapitalbewegungen. Die Politikder Europäischen Union _ und insbesondere ihre Wettbewerbspolitik _ ist darum bemüht, dieunausweichliche Anpassung der europäischen Wirtschaft an dieses neue Umfeld zu fördern.

Die Globalisierung bietet in vielfacher Hinsicht eine Chance für jene Volkswirtschaften, dieVorkehrungen treffen, sie zu nutzen. Die Liberalisierung des Handels _ in der Welt wie imBinnenmarkt _ ist ein Wachstumsfaktor zum Wohle Europas, seiner Wirtschaft, seiner Unternehmenund seiner Verbraucher.

Manchmal wird diese Globalisierung von den Europäern aber auch als eine Bedrohungwahrgenommen. Je mehr die Welt zusammenwächst, desto komplexer wird für sie die Gesellschaft;je reicher sie wird, desto unsicherer erscheint die Zukunft; je mehr sie sich öffnet, desto anfälligerwird sie. Diese Sorgen sind verständlich und legitim. Die Politik, und insbesondere dieGemeinschaft, hat sie in Rechnung zu stellen. Sie sind Ausdruck der wachsenden Unsicherheit, mitder der Zwang zur Anpassung an die raschen Veränderungen die Gesellschaft und die Menschenbelastet.

Die Wettbewerbspolitik gehört zu jenen Strukturfaktoren, die die Anpassung Europas an die neuenWettbewerbsbedingungen infolge der Globalisierung wesentlich mitgestalten:

_ Sie soll unsere Wirtschaft stärker und wettbewerbsfähiger machen; _sie soll Solidarität undGleichbehandlung, Grundprinzipien des gesellschaftlichen Modells Europa, mittels einerausgewogenen Liberalisierungspolitik insbesondere im Telekommunikationswesen bewahren helfen,durch die die europäischen Unternehmen und Verbraucher in den Genuß möglichst hochwertiger undpreisgünstiger Dienstleistungen gelangen, ohne daß das Gemeinwohl vernachlässigt wird;

_ sie spielt eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung des Binnenmarktes, in dem dieMarktmechanismen eine bessere Ressourcenallokation und eine größtmögliche Effizienz derWirtschaft im Interesse aller gewährleisten.

Um ihre Aufgabe optimal zu erfüllen, muß sich auch die Wettbewerbspolitik unablässig anpassen undin der Lage sein, den ohne Unterlaß wachsenden Arbeitsaufwand zu bewältigen. Dabei nehmen diefachlichen Anforderungen und der Zeitdruck wegen der Größe der betroffenen Fälle und derGeschwindigkeit der Marktveränderungen ständig zu, was die Kommission veranlaßt hat, auch 1996ihre Bemühungen um eine Modernisierung ihrer Wettbewerbspolitik fortzuführen.

Diese Bemühungen wiesen in drei Richtungen:

_ Schaffung geeigneter multilateraler oder bilateraler Instrumente und Strukturen, um nationale,europäische oder weltumspannende Wettbewerbsprobleme auf der jeweils bestgeeigneten Ebene

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behandeln zu können. In diesem Sinn hat die Kommission auf meine Initiative hin vorgeschlagen, dieZusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zu verbessern, um die dezentraleAnwendung der Wettbewerbsregeln im Innern der Gemeinschaft zu fördern. Mit dem gleichen Zielsetzt die Kommission auch ihre Bemühungen um einen allmählichen Ausbau der internationalenZusammenarbeit und weltweite Mindestregeln fort; _ beschleunigte Anpassung desGemeinschaftsrechts an die wirtschaftliche Realität sowohl bei der Fusionskontrolle als auch bei derAnwendung der Artikel 85 und 86 und der Beihilfenkontrolle;

_ schließlich auf vielen Gebieten eine Modernisierung der Verfahrensregeln, um die äußerstzahlreichen Fälle mit der gebotenen Effizienz und Schnelligkeit bearbeiten zu können und dieTransparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Entscheidungen insbesondere im Bereich der staatlichenBeihilfen zu verbessern.

Diese intensive Modernisierung wird der Kommission jene Instrumente an die Hand geben, die dieWettbewerbsbehörden für die Annahme der Herausforderung durch die Globalisierung, den raschenWandel und die zunehmende Komplexität der Weltwirtschaft dringend benötigen. Dabei wurde dieKommission in der Erfüllung der, wie ich meine, zentralen Aufgabe der Wettbewerbspolitik, nämlichdem Kampf gegen die Beeinträchtigung des wirksamen Funktionierens der Märkte zur Bewahrungdes allgemeinen Interesses, nicht beeinträchtigt.

Die Kartellpolitik bleibt im Vordergrund der europäischen Wettbewerbspolitik. Im Laufe des Jahres1996 ist die Kommission insbesondere gegen Preisabsprachen im Verkehrswesen vorgegangen, aberauch andere Kartelle und mißbräuchliche Verhaltensweisen werden zur Zeit geprüft. Es ist meinfester Wille, künftig den Kampf gegen geheime Kartelle noch zu verstärken.

Darüber hinaus war die Kommission auch um eine strikte Disziplin bei den staatlichen Beihilfenbemüht, wo die Zahl der Negativentscheidungen erheblich angestiegen ist. Eine strikte Kontrolle istvor allem in jenen Wirtschaftszweigen unabdingbar, die _ wie die Kfz-Industrie _ durch strukturelleÜberkapazitäten geprägt sind und in denen staatliche Beihilfen weniger im konkreten Einzelfall diejeweiligen Probleme lösen als vielmehr lediglich die Schwierigkeiten innerhalb der Gemeinschaftverlagern. Die Kommission war durchaus darauf bedacht, den Beitrag bestimmter Beihilfen zuanderen Zielen der Gemeinschaftspolitik zu berücksichtigen.

Die Zahl der Fusionskontrollentscheidungen ist im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen. In dreiFällen war die Kommission gezwungen, den geplanten Zusammenschluß zu untersagen.

Ich möchte mit der Hoffnung schließen, daß dieser Bericht zur Transparenz der Wettbewerbspolitikbeiträgt. Um dieser Transparenz willen _ und um der Aufforderung des Europäischen Parlaments unddes Wirtschafts- und Sozialausschusses nachzukommen _ wurde diesem Jahresbericht für 1996 einKapitel über die Vorhaben der Kommission für das Jahr 1997 angefügt. Mein besonderer Dank giltall denen, die 1996 an den zahlreichen Debatten über Wettbewerbsfragen beteiligt waren: demEuropäischen Parlament, dem Wirtschafts- und Sozialausschuß, dem Rat, den Mitgliedstaaten, denWirtschafts-, Berufs- und Verbraucherverbänden und den Dienststellen der Kommission. Ich bindavon überzeugt, daß ihre Stellungnahmen und Beiträge die Darstellung und Umsetzung unsererWettbewerbspolitik und das Verständnis für diese gefördert haben, und würde mich freuen, wenndiese fruchtbare Mitarbeit auch 1997 fortgesetzt würde.

So bereitet sich die Kommission Schritt für Schritt aktiv und systematisch auf jeneHerausforderungen vor, mit denen sich Europa zur Jahrtausendwende konfrontiert sehen wird. Hierwäre an erster Stelle die künftige Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft zu nennen. Es istmeine feste Absicht, die Instrumente für eine wirksame, aber auch transparente und demokratischeWettbewerbspolitik unter voller Berücksichtigung der Kompetenzen des Parlaments und des Rates zu

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modernisieren und weiterzuentwickeln, im Sinne einer ausgewogenen Wettbewerbspolitik, diesowohl die Erfordernisse der wirtschaftlichen Effizienz als auch die des Gemeinwohls berücksichtigt.

Einleitung

1. Ziele der Wettbewerbspolitik

1. Indem die Wettbewerbspolitik die europäische Wirtschaft in ihren Strukturen beeinflußt, stellt sieauf den Märkten die zur Entfaltung des Unternehmensgeistes und der Innovationsfähigkeitnotwendige Flexibilität her und ermöglicht eine wirksame und dynamische Allokation derRessourcen der Gesellschaft. Diese strukturbezogene Orientierung führt zu Wechselwirkungenzwischen der Wettbewerbspolitik und den meisten anderen Politiken, mit denen sie sichüberschneidet, wie der Vertiefung des Binnenmarkts, der Politik im Bereich des Wachstums und derWettbewerbsfähigkeit, der Kohäsionspolitik, der Forschungs- und Entwicklungspolitik sowie derUmwelt- und der Verbraucherpolitik.

2. Die Wettbewerbspolitik ist also sowohl eine autonome Politik der Europäischen Kommission alsauch Bestandteil einer Vielzahl von Politikfeldern der Union, mit denen sie zur Verwirklichung der inArtikel 2 des Vertrags niedergelegten Gemeinschaftsziele beiträgt, nämlich einer harmonischen undausgewogenen Entwicklung des Wirtschaftslebens, eines beständigen, nicht inflationären undumweltverträglichen Wachstums, eines hohen Beschäftigungsniveaus, eines hohen Maßes ansozialem Schutz, der Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität sowie des wirtschaftlichenund sozialen Zusammenhalts.

3. Schließlich zielt die Wettbewerbspolitik wie alle anderen Gemeinschaftspolitiken darauf ab, denwirtschaftlichen Wohlstand der Union und das Wohlergehen aller europäischer Bürger zu erhöhen. Ineiner Mitteilung vom 11. September 1996 über die "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa"1 hatdie Kommission diese Vorstellungen nochmals nachdrücklich bekräftigt: "Die Marktkräfteermöglichen eine bessere Ressourcenallokation und eine effizientere Leistungserbringung, was sichfür den Verbraucher in höherer Qualität und günstigeren Preisen niederschlägt". Die Kommission istsich jedoch durchaus der Tatsache bewußt, daß "diese Marktmechanismen mitunter an ihre Grenzenstoßen: sie bewirken unter Umständen, daß ein Teil der Bevölkerung von den damit verbundenenVorteilen ausgeschlossen bleibt und die Festigung des sozialen und territorialen Zusammenhaltsbehindert wird. Der Staat muß dann dafür sorgen, daß dem Gemeinwohl Rechnung getragen wird."

4. Diese vorteilhaften Wechselwirkungen zwischen der Wettbewerbspolitik und den anderenPolitikbereichen der Gemeinschaft sind 1996 auf dem Gebiet der Beschäftigung besondershervorgehoben worden. Die Kommission nahm am 5. Juni 1996 auf Vorschlag ihres PräsidentenSanter das Dokument "Für Beschäftigung in Europa: ein Vertrauenspakt"2 an. DieWettbewerbspolitik ist an der in diesem Dokument vorgeschlagenen Gesamtstrategie zur Steigerungdes Wirtschaftswachstums sowie der Abhängigkeit zwischen Schaffung von Arbeitsplätzen undWachstum beteiligt. In Übereinstimmung mit der Einheitlichen Akte und dem "Weißbuch überWachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung"3 schlägt der Vertrauenspakt insbesondere vierAktionslinien vor: "die Binnenmarktordnung vollenden und effektiv umsetzen; diewettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen in Europa verbessern; den kleinen und mittleren 1 ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3.

2 CSE (96) 1 endg.

3 Weißbuch "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins

XXI. Jahrhundert", KOM(93)700 endg. vom 5. Dezember 1993.

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Unternehmen helfen; den Zugang zum Weltmarkt verbessern", wobei die ersten drei Aktionslinien inenger Verbindung zur Wettbewerbspolitik stehen. Die ersten beiden Aktionslinien entsprechenaufgrund der Artikel 85, 86 und 90 des Vertrages sowie in Anwendung der Verordnung Nr. 4064/89über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen wesentlichen Zielsetzungen derWettbewerbspolitik. Die dritte Aktionslinie ist in diesem Jahr in der Politik zur Kontrolle staatlicherBeihilfen verschiedentlich zum Ausdruck gekommen: Annahme einer neuen, vereinfachten underweiterten De minimis-Regel, Erstellung eines neuen Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfenan KMU und eine Mitteilung über die Kontrolle staatlicher Beihilfen und Senkung der Arbeitskosten.

5. Als Strukturpolitik muß die Wettbewerbspolitik heute, will sie ihrer Aufgabe in vollem Umfangegerecht werden, den wirtschaftlichen Entwicklungen vorgreifen und diese begleiten, um einewirksame Funktionsweise der Märkte zu gewährleisten, ohne deren Leistungsfähigkeit inungerechtfertigter Weise zu behindern. Sie muß insbesondere:- die Globalisierung berücksichtigen;- zur Vertiefung des Binnenmarkts beitragen;- ihre Instrumente modernisieren.

2. Berücksichtigung der Globalisierung

6. Die beschleunigte technologische Entwicklung und die rasche Globalisierung des Wettbewerbsin einer Vielzahl von Sektoren stellen ganz zweifellos für alle Bereiche der öffentlichen Politik undinsbesondere für die Wettbewerbspolitik, ob auf Ebene der Europäischen Union, der Mitgliedstaatenoder der übrigen Staaten in der Welt, eine Herausforderung dar4. Tatsächlich unterscheiden sich diegegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen in zahlreichen Sektoren grundlegend von den Bedingungen,die noch vor zehn Jahren bestanden. Die Unternehmen müssen sich auf eine Wirtschaft einstellen, inder informierte Verbraucher Tag für Tag die Waren- und Dienstleistungsangebote in einer durch dieEntwicklung der Kommunikation und des Handels kleiner gewordenen Welt miteinander vergleichenkönnen. Gleichzeitig haben die Internationalisierung des Handels und die wachsende wirtschaftlicheIntegration der verschiedenen Erdteile dazu geführt, daß die Unternehmen der Gemeinschaft ihreStrategien auf die internationale Zusammenarbeit ausgerichtet haben, um globaleWirtschaftsteilnehmer auf weltweiter Ebene zu werden. Diese Entwicklung war nur aufgrund einesäußerst schnellen technischen und technologischen Umbruchs möglich. Die früheren Gegebenheitenganzer Sektoren haben sich infolgedessen verändert. Noch vor kurzem konnte beispielsweise derTelekommunikationssektor vor dem internationalen Wettbewerb und den Integrationsbestrebungender Gemeinschaft abgeschirmt werden.

7. Diese neue Situation ist für die Kommission kein Grund, um in der Wachsamkeit bei derAnwendung der Wettbewerbsregeln nachzulassen. Ihre Erfahrung aufgrund der Entscheidungspraxisin allen Bereichen der Wettbewerbspolitik zeigt, daß die Wettbewerbskultur und die Effizienz, dienotwendig sind, um auf der internationalen Bühne als erfolgreicher Wettbewerber aufzutreten, dasErgebnis der wettbewerblichen Konfrontation auf den einheimischen Märkten sind. Während imübrigen einige Märkte weltweite Märkte mit einer mitunter sehr geringen Zahl von Marktteilnehmernsind (z.B. der Platinmarkt in der Sache Gencor/Lonrho), behalten andere Märkte aus verschiedenenGründen (z.B. wegen der Bedeutung der Sprache bei Waren und Dienstleistungen im audiovisuellenund kulturellen Sektor) eine europäische oder gar nationale Dimension. Sogar in den durch weltweiteStrategien gekennzeichneten Sektoren besteht im übrigen aus Sicht der Abnehmer auf Märkten voninternationaler Tragweite nicht unbedingt Wettbewerb; dies gilt insbesondere für dieTelekommunikationsmärkte, die für den Benutzer vor allem nationale Märkte bleiben und nochhäufig von Betreibern mit einer Monopolstellung beherrscht werden.

4 Siehe Bericht der amerikanischen Federal Trade Commission (FTC) "Competition in the New High-Tech Global

Market Place".

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8. Deswegen besteht die Politik der Kommission darin, durch eine weiterhin strikte Anwendung derWettbewerbsregeln gegenüber den Staaten ebenso wie gegenüber den Unternehmen auf jedem Marktunter Berücksichtigung seiner besonderen Dimension zur Wettbewerbsfähigkeit der gesamteneuropäischen Industrie beizutragen.

So möchte die Kommission durch eine schrittweise, ausgewogene Liberalisierung der netzabhängigenIndustrien, die für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten europäischen Industrie von entscheidenderBedeutung sind, wie Telekommunikation, Energieversorgung oder Verkehr, das mit den Kostendieser Dienstleistungen für die europäischen Unternehmen verbundene Manko, das im zweitenCiampi-Bericht herausgestellt wurde5, beseitigen. Gleichzeitig kann die Kommission staatlicheBeihilfen, die zur Rationalisierung der Produktion und zur Umstrukturierung eines Unternehmens imHinblick auf die Förderung seiner Wettbewerbsfähigkeit und längerfristig auf die Erhaltung derArbeitsplätze beitragen, positiv beurteilen. Beihilfen, die sich darauf beschränken, eine Tätigkeit zuunterstützen, ohne ihre künftige Rentabilität zu garantieren, steht sie hingegen kritisch gegenüber.

Im Bereich der Absprachen, Mißbräuche beherrschender Stellungen undUnternehmenszusammenschlüsse möchte die Kommission Abschottungseffekte auf den europäischenMärkten und insbesondere auf neuen oder unlängst entmonopolisierten Märkten verhindern undgleichzeitig die Entwicklung einer starken europäischen Industrie ermöglichen, die in der Lage ist,sich dem weltweiten Wettbewerb zu stellen. Die von der Kommission 1996 erlassenenEntscheidungen enthalten zahlreiche Beispiele, die dieses Anliegen widerspiegeln. In diesem Sinnewurden insbesondere die Entscheidungen in Anwendung des Artikels 85 Absätze 1 und 3 in denSachen Atlas/Global One und Lufthansa/SAS erlassen. In dieselbe Richtung weist die von derKommission ergriffene Initiative zur Einschätzung der Auswirkungen sämtlicher transatlantischerBündnisse im Luftverkehrssektor auf den Wettbewerb in Europa. In gleicher Weise bemüht sich dieKommission um die Gewährleistung eines effizienten Wettbewerbs in Europa zugunsten dereuropäischen Verbraucher, wenn sie Unternehmenszusammenschlüsse im Rahmen weltweiterStrategien auf weltweiten (Sache Gencor/Lonrho), europäischen oder nationalen Märkten (SacheKimberly Clarke/Scott Paper) untersucht.

3. Vertiefung des Binnenmarkts

9. Obwohl die Globalisierung zweifellos einen wichtigen Faktor der modernen Wirtschaft darstellt,ist sie keineswegs ein universales Phänomen, von dem die gesamte Wirtschaft gleichermaßen erfaßtwird. In sehr vielen Bereichen betrifft die Integrationsdynamik im wesentlichen Europa.

Während der Zeit, in der das Binnenmarktprogramm durchgeführt wurde, haben sich dieHandelsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten erheblich intensiviert. Der Anteil derinnergemeinschaftlichen Einfuhren an sämtlichen Einfuhren von Verarbeitungserzeugnissen ist von61,2 % im Jahre 1985 auf 67,9 % im Jahre 1995 gestiegen, während der Dienstleistungsverkehr ingeringerem Maße von 46,9 % im Jahre 1985 auf 50 % im Jahre 1995 gestiegen ist. DieseIntensivierung des innergemeinschaftlichen Handels erfolgte nicht auf Kosten der Hersteller inDrittländern. Die Marktanteilsanalyse zeigt, daß sowohl der inner- als auch deraußergemeinschaftliche Handel ihren Anteil am Konsum auf Kosten einheimischer Hersteller erhöhthaben. Die Vollendung des Binnenmarkts und die Globalisierung haben führere Beschaffungsmusterund Marktstrukturen grundlegend verändert und läuten eine von Wettbewerbsdruck gekennzeichneteZeit ein.

5 "Förderung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit", Zweiter Bericht des Rats für Wettbewerbsfähigkeit, Vorlage

an den Präsidenten der Kommission sowie die Staats- und Regierungschefs im Dezember 1995.

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In einer neueren Untersuchung, die für die Mitteilung der Kommission über Wirkung undWirksamkeit der Binnenmarktmaßnahmen durchgeführt wurde, wird die allgemeine Tendenz zuverminderter Konzentration auf den nationalen Märkten bei gleichzeitiger erhöhter Konzentration aufGemeinschaftsebene hervorgehoben6. Diese Tendenz entspricht einem schärferen,grenzüberschreitenden Wettbewerb, der mit einer gewissen Umstrukturierung aufGemeinschaftsebene einhergeht. Sie ist am ausgesprägesten in FuE-intensiven Sektoren undSektoren, in denen homogene Erzeugnisse hergestellt werden. Die Zunahme desgrenzüberschreitenden Wettbewerbs hat außerdem zu einer Aushöhlung der Gewinnspannen inSektoren geführt, die früher durch diskriminierende Auftragspraktiken und technische Hemmnissesegmentiert waren. Die Gewinnspannen liegen um rund 0,5 % des Umsatzes unterhalb derGewinnspannen, die ohne den Binnenmarkt möglich gewesen wären. Außerdem tendieren die Märktefür Konsum- und Ausrüstungsgüter sowie Dienstleistungen, die auf die Binnenmarktmaßnahmenempfindlich reagieren, zur Preiskonvergenz.

Die neuesten Erkenntnisse lassen also darauf schließen, daß der Binnenmarkt mit Erfolg einewettbewerbsfördernde Dynamik freigesetzt hat. Simulationen deuten darauf hin, daß der Wettbewerbund die produktivitätsverstärkenden Wirkungen des Binnenmarktprogramms die Wirtschaftstätigkeitund Beschäftigung in einem Maße gesteigert haben, das sonst nicht beobachtet worden wäre. DasGemeinschaftseinkommen liegt dadurch schätzungsweise um 1,1 bis 1,5 % höher , während dasBinnenmarktprogramm bis zu 900.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben dürfte. DieInflationsraten waren 1994 um 1,2 % niedriger, als sie es ohne den Binnenmarkt gewesen wären.

Die heute gemessenen Wirkungen bleiben hinter den ursprünglichen Erwartungen in bezug auf diepotentielle Auswirkung des Binnenmarkts auf Wachstum und Beschäftigung zurück. Dasbescheidenere Ergebnis kann der Tatsache zugeschrieben werden, daß die Marktöffnungseffekte derBinnenmarktvorschriften erst jetzt anfangen, zum Tragen zu kommen. Außerdem haben dieungünstigen makroökonomischen Folgen die Bereitschaft der Wirtschaftsteilnehmer zukommerziellen Vorstößen gedämpft. Die Kommission stellt bei ihrer Überprüfung aber auchGesetzeslücken fest, die geschlossen werden müssen, bevor die Früchte des Binnenmarkts geerntetwerden können. Zu diesem Zweck wird gegenwärtig an einem Aktionsplan gearbeitet, der demEuropäischen Rat in Amsterdam vorgelegt werden soll.

Außerdem hebt die Kommission die Notwendigkeit zu anhaltender Wachsamkeit und zupflichtgetreuer Aufrechterhaltung der Grundsätze des freien Verkehrs und Wettbewerbs zurOptimierung der Möglichkeiten des Binnenmarkts hervor. Die konsequente Anwendung wirksamerwettbewerbspolitischer Sicherheitsmaßnahmen ist in diesem Zusammenhang von entscheidenderBedeutung. Nach Auffassung der Kommission muß diese Politik fortgesetzt und muß vermiedenwerden, daß Verhaltensweisen von Unternehmen oder staatliche Maßnahmen bestimmte Sektorendaran hindern, von den Vorteilen des Binnenmarkts zu profitieren. Hierin liegt der Grund nicht nurfür ihre Entscheidung in der Sache Adalat, sondern auch für ihr Tätigwerden im Bereich des

6 Dieses Material wurde im Rahmen einer breit angelegten Untersuchung gesammelt, die die Erstellung von 39

Studien und Umfragen umfaßt. Die Einzelstudien sollen Anfang 1997 veröffentlicht werden. Über die wichtigsten

Ergebnisse dieser Untersuchung berichtet die Kommission in ihrer Mitteilung (KOM(96) 520 vom 30.10.96)

"Wirkung und Wirksamkeit der Binnenmarktmaßnahmen". Die Ergebnisse werden in einem Arbeitsdokument der

Kommissionsdienststellen eingehend dargestellt. Eine ausführliche Darstellung der wirtschaftlichen Auswirkungen

der Vollendung des Binnenmarkts ist in der Sonderausgabe der Europäschen Wirtschaft vom März 1997 enthalten.

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Kraftfahrzeugvertriebs zu einem Zeitpunkt, wo die neue Gruppenfreistellungsverordnung für denKraftfahrzeugvertrieb in Kraft tritt, um Praktiken ein Ende zu setzen, die zu einer Abschottung desMarktes führen. In dieselbe Richtung weisen die von ihr 1996 ergriffenen Maßnahmen, um denZweitbetreibern von Mobiltelefonen einen raschen, tatsächlichen und nichtdiskriminierenden Zugangzu dem von den Mitgliedstaaten zu erteilenden Lizenzen zu garantieren.

10. Desgleichen betreibt die Kommission eine aktive Politik im Bereich der Kontrolle staatlicherBeihilfen, um insbesondere zu vermeiden, daß Beihilfen gewährt werden, die eine Marktaufteilungerleichtern oder zur Folge haben. Außerdem setzt sie aufgrund von Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertragihre entschlossene Marktöffnungspolitik sowohl mit Hilfe allgemeiner Maßnahmen als auch durchEinzelverfahren, die von den Mitgliedstaaten getroffene Maßnahmen betreffen, fort. So hat sie 1996den für das Funktionieren eines liberalisierten Telekommunikationsmarkts notwendigenRechtsrahmen durch Verabschiedung zweier Richtlinien vervollständigt, von denen die eine dieMobil- und Privatkommunikation und die andere die vollständige Öffnung desTelekommunikationsmarkts für den Wettbewerb betrifft.

4. Modernisierung der wettbewerbspolitischen Instrumente

11. Um ihrer Funktion in vollem Umfange gerecht zu werden, die ihr zugewiesenen Ziele zuverwirklichen und zum Wohlergehen der europäischen Bürger wirksam beizutragen, muß dieWettbewerbspolitik in der Lage sein, sich zu modernisieren und den sich schnell änderndenRahmenbedingungen anzupassen. Die Marktintegration auf europäischer Ebene und dieGlobalisierung zwingen insbesondere zu Fusionen und Kooperationen, um vor allem im Bereich derFinanzierung sowie der Forschung und Entwicklung eine maßgebliche Größe zu erreichen. Hierausergibt sich eine Zunahme der von der Kommission zu bearbeitenden Vorgänge. Die Fusionen undKooperationen finden jedoch häufig auf oligopolistischen Märkten mit erheblichen Zutrittsschrankenstatt. Wegen dieser Entwicklung, des komplizierten Charakters und der zunehmenden Größe der zuuntersuchenden Märkte, einer wachsenden Neigung von Wettbewerbern, bei der KommissionBeschwerde zu erheben, sowie größerer Transparenzerfordernisse besteht die Gefahr, daß sich dieBearbeitungsdauer verlängert, während die Notwendigkeit rascher Entscheidungen angesichts derTragweite der Vorgänge und der Geschwindigkeit der Marktveränderungen wächst.

12. Aus diesem Grunde hat die Kommission die notwendige Modernisierung ihrerwettbewerbspolitischen Instrumente fortgeführt:

- Sie hat versucht, den besonderen Kontext und die besonderen wirtschaftlichen Zwänge dereinzelnen Märkte im Rahmen ihrer Fallbearbeitung besser zu berücksichtigen, und damit Fragen imZusammenhang mit den von ihr verwendeten Konzepten und wirtschaftsanalytischen Instrumentenaufgeworfen;- sie hat Maßnahmen ergriffen, die die Bedingungen der Zusammenarbeit mit denWettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und der Drittländer betreffen, damit jedesWettbewerbsproblem an der richtigen Stelle beurteilt werden kann;- sie hat eine breitangelegte Kampagne zur Erneuerung der von ihr angewandten Vorschrifteneingeleitet, was zur Vorbereitung und in mehreren Fällen zur Annahme verschiedener Rechtstextegeführt hat.

4.1. Entwicklung der wirtschaftsanalytischen Instrumente

13. Die Abgrenzung der Märkte und die Definition der für den Wettbewerb ausschlaggebendenFaktoren sind insbesondere auf Märkten, die einem schnellen Wandel unterliegen, eine ständigeHerausforderung für die Wettbewerbspolitik. Angesichts eines sich wandelnden Umfelds, in dem dieherkömmlichen Grenzen zwischen den verschiedenen Produktmärkten aufgrund der technologischenInnovation nicht mehr klar erkennbar sind (z.B. im Bereich der "Informationsgesellschaft" zwischen

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den Märkten der Informatik, Telekommunikation und Medien) und die Entstehung neuer Märktebegünstigt wird, die sich ebenfalls wegen ihrer ständigen Fortentwicklung räumlich nicht absteckenlassen, müssen die Kommission und ihre Dienststellen im Bereich der Wirtschaftsanalysewachsenden Anforderungen gerecht werden. Dies gilt insbesondere für die Marktabgrenzung, dieAnalyse der Marktmacht, die Berücksichtigung des potentiellen Wettbewerbs und, genereller, für dieErstellung der in Artikel 85 Absatz 3 vorgesehenen Wirtschaftsbilanz.

Diese wachsenden Anforderungen ergeben sich in sämtlichen Bereichen der Wettbewerbspolitik:vertikale und horizontale Wettbewerbsbeschränkungen, Zusammenschlüsse, Anwendungsfälle imRahmen des Artikels 90 und Kontrolle staatlicher Beihilfen. Sie sind einer der Gründe für die imGrünbuch enthaltenenen Überlegungen über vertikale Wettbewerbsbeschränkungen.

4.2. Verstärkung der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und internationaleZusammenarbeit

14. Die Kommission möchte einen angemessenen institutionellen Rahmen schaffen, um dieverschiedenen Wettbewerbsfragen in einem der Art und der Tragweite der jeweiligenProblemstellungen entsprechenden Rahmen prüfen zu können. Auf diese Weise können dieSachzwänge und besonderen Merkmale jedes Sektors besser analysiert und berücksichtigt werden.Die Kommission hat 1996 verschiedene Initiativen in diese Richtung ergriffen. Zum einen hat sie denEntwurf einer Mitteilung über die dezentrale Anwendung der Wettbewerbsregeln veröffentlicht, undzum anderen hat sie im Rahmen bereits bestehender und durch Aushandlung neuer bilateralerAbkommen mit den Wettbewerbsbehörden in Drittländern zusammengearbeitet. Schließlich hat sieam 18. Juni 1996 auch noch eine Mitteilung an den Rat angenommen, in der sie vorschlägt, daß imRahmen der Welthandelsorganisation eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die sich ab 1997 mit denim Hinblick auf die Ausarbeitung weltweiter Wettbewerbsregeln notwendigen Untersuchungenbefaßt.

4.3. Modernisierung der Rechtsinstrumente

15. Nach Auffassung der Kommission setzt eine vernünftige Antwort auf die Herausforderungeneines wirtschaftlichen Umfelds, das sich schneller als in der Vergangenheit verändert, zwangsläufigeine Neubewertung und gegebenenfalls eine Revision ihrer Rechts- und Auslegungsinstrumentevoraus. Zu diesem Zweck hat die Kommission eine Reihe grundlegender Maßnahmen ergriffen, umden Rechtsrahmen zu modernisieren.

16. So sind die im Bereich der "Patentlizenzvereinbarungen" und der "Know-How-Vereinbarungen"nicht mehr gültigen Gruppenfreistellungsverordnungen durch die Verordnung über den"Technologietransfer" ersetzt worden. Diese Verordnung wurde flexibler gestaltet, um eine rascheVerbreitung der Innovation im Binnenmarkt zu erleichtern.

17. Desgleichen hat die Kommission am 10. Juli 1996 einen Vorschlag zur Änderung derVerordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen angenommen. Auch dieserVorschlag zielt auf eine bessere Aufgabenverteilung zwischen der Kommission und denMitgliedstaaten ab: er sieht niedrigere Schwellenwerte in Verbindung mit einem Verfahren, das dasProblem der Mehrfachanmeldungen bestimmter Fälle mit grenzüberschreitenden Wirkungenunterhalb der Schwellenwerte regelt, und ein flexibleres Verfahren für die Verweisung der Fälle andie Mitgliedstaaten vor. Nach dem Vorschlag sollen außerdem alle Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen in den Anwendungsbereich der neuen Verordnung aufgenommen werden.

18. Schließlich hat die Kommission 1996 ihr Grünbuch über vertikale Wettbewerbsbeschränkungen,das im Januar 1997 veröffentlicht wurde, fertiggestellt. Darin wird die Entwicklung der vertikalenVertriebsvereinbarungen untersucht und werden verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen, um die

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beiden konfliktreichen Ziele, nämlich die wirtschaftsanalytische Vertiefung im Hinblick auf einfeineres Verständnis der Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 und die Aufrechterhaltungeiner hohen Rechtssicherheit, auf die die Unternehmen legitimerweise Wert legen, miteinander inEinklang zu bringen.

19. Im speziellen Fall des Luftverkehrs hat die wachsende Zahl von Bündnissen zwischen dengrößten europäischen und nichteuropäischen Luftverkehrsunternehmen die Kommission veranlaßt,diese Bündnisse - vor allem im Nordatlantikverkehr - eingehend zu prüfen. Die Analyse hat ergeben,daß der Kommission nicht die üblichen Instrumente zur Verfügung stehen, um Verstöße gegenArtikel 85 und 86 bei zwischen der Gemeinschaft und Drittländern erbrachten Dienstleistungenunmittelbar zu ahnden, und daß sie sich auf die in Artikel 89 des Vertrages vorgeseheneÜbergangsregelung stützen muß. Denn die einschlägigen Ratsverordnungen 3975/87 und 3976/87betreffen nicht den internationalen Luftverkehr zwischen Gemeinschafts- und Drittlandsflughäfen.Aus diesem Grunde erwägt die Kommission Änderungsvorschläge zu den Ratsverordnungen, damitsie ähnliche Instrumente wie diejenigen erhält, über die sie zur Anwendung der Artikel 85 und 86EG-Vertrag im Luftverkehr innerhalb der Union verfügt.

20. Die Kommission hat ihre Prioritätenpolitik fortgesetzt, die darin besteht, ihre Tätigkeit auf dieFälle zu konzentrieren, die ihrer Ansicht nach eine spürbare Auswirkung auf den Markt und einechtes Gemeinschaftsinteresse haben. Diese Fälle behandelt sie eingehend innerhalb möglichst kurzerFristen. Sie hat in diesem Bereich mehrere Mitteilungen im Entwurf oder in einer endgültigenFassung angenommen.

So hat sie am 10. Juli 1996 im Hinblick auf eine verstärkte Kartellbekämpfung, die ein absolutvorrangiges Ziel bleibt, eine Mitteilung angenommen, wonach gegen Unternehmen, die bestimmteArten unzulässiger Absprachen, an denen sie beteiligt waren, anzeigen, niedrigere oder überhauptkeine Geldbußen festgelegt werden können.

Die Kommission hat außerdem unlängst eine De minimis-Mitteilung sowohl für den Bereich derstaatlichen Beihilfen als auch einen entsprechenden Mitteilungsentwurf für Vereinbarungen nachArtikel 85 angenommen, um ihre Tätigkeit noch mehr als in der Vergangenheit auf die auswettbewerbspolitischer Sicht prioritären Fälle zu konzentrieren. Sie hat weiterhin die nationalenBehörden gebeten, sich mit den Beschwerden zu befassen, die gemeinschaftsweit eine geringeBedeutung haben. Die Anwendungsmodalitäten dieser Politik sind eine der Fragen, die dieKommission in ihrem Entwurf einer Mitteilung über die Zusammenarbeit mit den nationalenWettbewerbsbehörden in Artikel 85 und 86 betreffenden Angelegenheiten behandelt. DieseMitteilung bezweckt vor allem eine stärkere dezentrale Anwendung der Wettbewerbsregeln, um ihreWirksamkeit zu erhöhen.

Des weiteren hat die Kommission dem Industrie-Rat ein Memorandum mit verschiedenenGesetzgebungsmaßnahmen vorgelegt, die staatliche Beihilfevorhaben, die keine wirtschaftlicheBedeutung haben oder aufgrund eines Gemeinschaftsrahmens positiv beurteilt werden, von derGemeinschaftskontrolle befreien sollen. Auf diese Weise könnte die Kommission ihre Ressourcen aufwichtige oder zweifelhafte Fälle konzentrieren.

5. Fortführung einer ausgewogenen, am Gemeinwohl orientierten Liberalisierungspolitik

21. Die Kommission hat am 11. September 1996 eine Mitteilung über die Leistungen derDaseinsvorsorge in Europa angenommen, in der sie erneut bekräftigt, daß "Solidarität undGleichbehandlung in einer offenen und dynamischen Marktwirtschaft grundlegende Ziele derEuropäischen Gemeinschaft sind" und daß "die Leistungen der Daseinsvorsorge zur Verwirklichungdieser Ziele beitragen". Sie erklärt, daß "vor allem die Ausgestaltung der Wechselwirkung zwischenden Binnenmarkterfordernissen der Freizügigkeit, der wirtschaftlichen Effizienz und Dynamik sowie

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des Wettbewerbs einerseits und der Berücksichtigung von Gemeinwohlzielen andererseits "wichtigist, und erinnert gleichzeitig daran, daß das gemeinschaftliche Liberalisierungskonzept ausgewogenist und das Gemeinwohl respektiert.

22. In ihrem Bemühen um ein dynamisches Gleichgewicht verfolgt die Kommission einenvorsichtigen, schrittweisen und ausgewogenen Ansatz im Rahmen des Artikels 90 des Vertrages, derbesagt, daß die Anwendung der Vertragsvorschriften und insbesondere der Wettbewerbsregeln mitder Wahrnehmung der Aufgaben der Daseinsvorsorge vereinbar sein muß.

Die Kommission hat Artikel 90 im Telekommunikations- und im Postsektor 1996 in völligerÜbereinstimmung mit ihren politischen Leitlinien durchgesetzt. So war in den ersten Richtlinien imBereich der Telekommunikationsdienstleistungen 1990 die Notwendigkeit anerkannt worden, daß dasMonopol für den Sprachtelefondienst während einer bestimmten Zeit aufrechterhalten werden muß,um den Übergang zum Wettbewerb schrittweise zu ermöglichen7. Erst sechs Jahre später, nämlich1996, nachdem die Ergebnisse der von der Kommission mit den verschiedenenWirtschaftsteilnehmern des Sektors vorgenommenen Konsultationen klar gezeigt haben, daß dieAufrechterhaltung eines Universaldienstes im Telekommunikationssektor künftig ohneAusschließlichkeitsrechte - weder für die Infrastrukturen noch für den Sprachtelefondienst - vollgewährleistet werden kann, hat die Kommission mit Unterstützung des Europäischen Parlaments eineRichtlinie zur vollständigen Liberalisierung des Sektors angenommen. Desgleichen hat sie imPostsektor bereits 19898, also lange vor dem Urteil in der Sache Corbeau9, eingeräumt, daß dieausschließlichen Rechte für die grundlegenden Postdienste notwendig waren, um zu verhindern, daßdie rentabelsten Tätigkeiten von Privatbetreibern abgesahnt werden, und um einen Universaldienstaufrechtzuerhalten. Auf dieser Grundlage hat sie 1996 in Übereinstimmung mit ihrem stetigenBemühen um eine breite Einigung in Fragen der Liberalisierung mit den Konsultationen über einenRichtlinienentwurf in Anwendung der Artikel 57, 66 und 100A des Vertrages und einenMitteilungsentwurf betreffend Artikel 85, 86 und 90 des Vertrages begonnen.

23. Schließlich hat sich die Kommission anläßlich ihrer Mitteilung über die Leistungen derDaseinsvorsorge in Europa gegen jede Änderung des Artikels 90 im Rahmen derRegierungskonferenz ausgesprochen, weil sich Artikel 90 insofern als nützlich herausgestellt hat, alser die vorteilhafte Wechselwirkung zwischen Liberalisierung und Gemeinwohl voll gewährleistenkann. Doch hat sie sich für die Aufnahme einer Bezugnahme auf die Leistungen der Daseinsvorsorgein den Vertrag ausgesprochen und vorgeschlagen, daß Artikel 3 des Vertrages um einen neuenBuchstaben u) mit folgendem Wortlaut ergänzt wird: "einen Beitrag zur Förderung der Leistungender Daseinsvorsorge".

6. Anwendung der Wettbewerbspolitik in den neuen Mitgliedstaaten

24. Zwei Jahre nach dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur Union läßt sichüberraschenderweise feststellen, daß sich die neuen Mitgliedstaaten und ihre Unternehmenwahrscheinlich wegen ihrer früheren Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), 7 Richtlinie der Kommission 90/388/EWG vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für

Telekommunikationsdienste (ABl. Nr. L 192 vom 24.7.1990, Erwägungsgründe 18-20, S. 12-13).

8 Entscheidung der Kommission 90/16/EWG vom 20.12.1989 über Eilkurierdienste in den Niederlanden (ABl. L 10

vom 12.1.1990, S. 47).

9 Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91, Corbeau, Slg. 1993, S. I-2533; siehe

ebenfalls Urteil des Gerichtshofs vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92, Almelo, Slg. 1994, S. I-1477.

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aufgrund deren sie sich bereits vor dem Beitritt einen Großteil des gemeinschaftlichen Besitzstandesangeeignet haben, sehr schnell an die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln angepaßt haben. Dieserasche Umstellung ging in den drei neuen Mitgliedstaaten mit der Annahme geeigneter Vorschrifteneinher, sei es um die grundlegenden nationalen Wettbewerbsregeln mit denen desGemeinschaftsrechts in Einklang zu bringen, den Beistand der mit Nachprüfungen beauftragtenBediensteten der Kommission in ihrem Hoheitsgebiet zu gewährleisten oder die in Anwendung desArtikels 90 Absatz 3 erlassenen Richtlinien umzusetzen. Im übrigen hat die Kommission in derselbenWeise wie in den übrigen Mitgliedstaaten enge und fruchtbare Arbeitsbeziehungen mit denösterreichischen, finnischen und schwedischen Wettbewerbsbehörden hergestellt. Auf diese Weisekonnten die neuen Mitgliedstaaten einen schnellen und umfassenden Beitrag zur Wettbewerbspolitikder Gemeinschaft leisten. Die einzigen Schwierigkeiten, die aufgetreten sind, betreffen dieUmformung der Handelsmonopole in Übereinstimmung mit Artikel 37 des Vertrages und derdiesbezüglichen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Diese Schwierigkeiten betreffen insbesondere dasösterreichische Tabakmonopol, gegen das die Kommission ein Verfahren nach Artikel 169 desVertrages eröffnen mußte.

7. Statistik10

25. Die Zahl der neuen Fälle in sämtlichen Bereichen (Kartelle, Mißbrauch beherrschenderStellungen, Zusammenschlüsse und staatliche Beihilfen) ist 1996 gegenüber dem Vorjahrzurückgegangen (von 1472 im Jahre 1995 auf 1246 im Jahre 1996). Die Zahl von 1995 erklärt sichallerdings zum großen Teil daraus, daß die zuvor von der EFTA-Überwachungsbehörde bearbeitetenFälle der Kommission übertragen wurden. Die Zahl der neuen Fälle liegt auch 1996 immer noch um15 % über dem Stand von 1994. Im Vergleich zu den in den Anwendungsbereich der Artikel 85 bzw.86 fallenden Sachen, bei denen die Zahl der Beschwerden weiterhin tendenziell zunimmt, und zu denstaatlichen Beihilfen ist die Zahl der angemeldeten Zusammenschlüsse noch um knapp 15 %gestiegen.

26. Die Zahl der erledigten Fälle ist gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen: während 19951210 Fälle geregelt werden konnten, war dies 1996 nur in 1064 Fällen möglich, was zum Teil mit derzunehmenden Kompliziertheit der Vorgänge (und der Langwierigkeit bestimmter Verfahren)zusammenhängt. Außerdem mußte die GD IV eine Reihe zusätzlicher, wichtiger undressourcenintensiver Aufgaben wahrnehmen, die Vorrang hatten und für die ihr keine zusätzlichenMittel zur Verfügung standen. Dies gilt insbesondere für die Vorbereitung neuerLegislativmaßnahmen, das Grünbuch über vertikale Wettbewerbsbeschränkungen und dieinternationale Zusammenarbeit. Nicht zuletzt haben die Bediensteten der GD IV beträchtliche Zeitund Mühe in die Vorbereitung von Reformen in Management und Verwaltung investiert, um dieinterne Produktivität zu erhöhen. Dazu zählen der verstärkte Rückgriff auf das Setzen von Prioritätenund das Delegieren von Fällen, die Einführung von Zielvorgaben für die Dauer der Bearbeitung vonKartellfällen, ein neuer interner Mechanismus zur raschen und wirksamen Erledigung unkomplizierterFälle sowie die Erstellung von Profilen für Neuzugänge und die Vorbereitung fortlaufenderLehrgänge. Diese wichtigen Reformen werden 1997 fortgesetzt.

10 Ausführliche Zahlen zu den einzelnen wettbewerbspolitischen Bereichen siehe in den nachfolgenden Kapiteln.

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I- Kartellverbot: Artikel 85 und 86

A - Entwicklung des Rechts- und Auslegungsrahmens

1. Wettbewerb und Innovationsverbreitung

27. Nach einem langen Konsultationsverfahren mit den Wirtschaftskreisen hat die Kommission am31. Januar eine neue Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungenangenommen11. Mit dieser Verordnung trägt die Kommission zur Schaffung eines für die Förderungder technologischen Innovation und ihrer Verbreitung in der Europäischen Union günstigenRechtsrahmens bei, ohne den gesunden Wettbewerb und die Errichtung des Binnenmarkts zubeeinträchtigen.

Mehrere Faktoren, zu denen vor allem die Bedeutung des Technologietransfers als treibende Kraft fürdie wirtschaftliche Entwicklung der Union gehört, haben die Kommission veranlaßt, die bisherigenVorschriften für Technologietransfer-Vereinbarungen erheblich zu vereinfachen.

Diese Vorschriften waren in den Gruppenfreistellungsverordnungen für Patentlizenzvereinbarungenund Know-how-Vereinbarungen enthalten. Die Anwendung dieser beiden Verordnungen war jedochinsbesondere wegen ihres interventionistischen Charakters und der Rechtsunsicherheit für gemischteVereinbarungen nicht unproblematisch. Die neue Verordnung will diese Probleme lösen, indem siedie ehemaligen Freistellungsverordnungen zu einem einzigen Rechtsinstrument zusammenfaßt undden Unternehmen für Patentlizenzvereinbarungen, Know-how-Vereinbarungen und gemischtePatentlizenz- und Know-how-Vereinbarungen eine einzige Regelung anbietet.

Gleichzeitig sieht die neue Verordnung mehrere Verbesserungen und Vereinfachungen vor und istgegenüber bestimmten Klauseln, denen man häufig in der Vertragspraxis begegnet und die mehr dasKräftegleichgewicht zwischen den Parteien als den Wettbewerb beeinträchtigen, großzügiger.

28. Durch die Unterscheidung zwischen "weißen", "schwarzen" und "grauen" Vertragsklauseln lehntsich die neue Verordnung an das gängige Muster für Gruppenfreistellungsverordnungen an. Sie siehtzunächst eine automatische Freistellung aller Patentlizenzvereinbarungen mit bestimmtenwettbewerbsbeschränkenden Verpflichtungen vor, die normalerweise in den Anwendungsbereich desArtikels 85 Absatz 1 fallen. Dabei handelt es sich vor allem um territoriale Beschränkungen zwischenden Parteien und zwischen Lizenznehmern: diese werden für eine begrenzte Dauer freigestellt.Anschließend nennt die Verordnung eine längere Liste von Verpflichtungen, die im allgemeinennicht wettbewerbsbeschränkend sind, und sieht vor, daß diese ebenfalls freigestellt werden dürften,falls sie aufgrund der besonderen wirtschaftlichen oder rechtlichen Umstände in denAnwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 fallen. An dritter Stelle nennt die Verordnung eineListe von Klauseln bzw. Beschränkungen, die der Gewährung einer Gruppenfreistellungentgegenstehen. Diese sogenannte "schwarze" Liste wurde im Vergleich zu den beidenvorangegangenen Verordnungen wesentlich verkürzt. Sie betrifft Preis- und Mengenbeschränkungen,das Verbot der Verwertung konkurrierender Technologien, Kundenbeschränkungen zwischenkonkurrierenden Herstellern, die Verpflichtung des Lizenznehmers zur Überlassung technologischerVerbesserungen und Gebietsbeschränkungen für eine längere Dauer als die Freistellung. Außerdemsieht die Verordnung ein Widerspruchsverfahren vor. Demnach erstreckt sich die Freistellung aufVereinbarungen, die nicht ausdrücklich in der Verordnung erwähnte weitereWettbewerbsbeschränkungen enthalten, sofern diese Vereinbarungen der Kommission (in einem

11 Verordnung (EG) Nr. 240/96 der Kommission vom 31. Januar 1996 zur Anwendung von Artikel 85Absatz 3 des

Vertrages auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. L 31 vom 9.2.1996, S.2).

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vereinfachten Verfahren) notifiziert worden sind und diese innerhalb einer von sechs auf vier Monateherabgesetzten Frist keinen Widerspruch erhoben hat. Diesem Verfahren unterliegen insbesondereKlauseln, die früher als "schwarz" bezeichnet wurden, wie die Verpflichtung des Lizenznehmers, dieErzeugnisse, die für eine technisch korrekte Verwertung der überlassenen Technologie nichtnotwendig sind, vom Lizenzgeber zu beziehen und die Nichtanfechtungsklausel.29. Die Bestrebungen der Kommission zur Förderung einer raschen Verbreitung der Technologienund Innovation in Europa geht mit einer klaren Warnung an die Unternehmen einher, die auf denbetreffenden Märkten über bedeutende Anteile verfügen. Tatsächlich muß vermieden werden, daßUnternehmen, die auf einem Markt sehr stark sind, die Anwendung von Innovationen aufhalten, dieeine Konkurrenz für ihre Erzeugnisse oder Verfahren darstellen und anderen Unternehmen,insbesondere innovationsfreudigen KMU, zugute kommen könnten. Deswegen sieht die neueVerordnung vor, daß die Kommission die Gruppenfreistellung widerrufen kann, insbesondere wenndie Lizenzerzeugnisse im Vertragsgebiet keinem effektiven Wettbewerb ausgesetzt sind. Bei derWürdigung der Wettbewerbsbedingungen wird die Kommission die Fälle besonders aufmerksamprüfen, in denen der Marktanteil des Lizenznehmers 40 % überschreitet.

2. Dezentrale Anwendung des Wettbewerbsrechts

30. Die Kommission hat ihre Bemühungen zur dezentralen Anwendung der Artikel 85 und 86fortgesetzt.

31. In Anwendung ihrer Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission undden nationalen Gerichten bei der Anwendung der Artikel 85 und 8612 hat sie Fragen deutscher,belgischer, spanischer und französischer Gerichte beantwortet.

32. Sie hat insbesondere im September 1996 den Vorentwurf einer Bekanntmachung über eineZusammenarbeit zwischen ihr und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendungder Artikel 85 und 86 des EG-Vertrags veröffentlicht13. Der Titel der Bekanntmachung läßt dieBereitschaft der Kommission erkennen, die Kooperation nicht nur auf die Sachen zu erstrecken, indenen die nationalen Wettbewerbsbehörden Artikel 85 Absatz 1 und Artikel 86 anwenden, sondernauch auf diejenigen, in denen die Behörden ausschließlich das nationale Recht anwenden könnenbzw. wollen. Nur sieben der fünfzehn Mitgliedstaaten verfügen gegenwärtig über Rechtsvorschriften,die es ihren Wettbewerbsbehörden gestatten, das Gemeinschaftsrecht in den diesem Rechtunterliegenden Sachen anzuwenden: Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich, Griechenland,Italien und Portugal (wobei Portugal bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht keine Möglichkeithat, Geldbußen festzusetzen). Die Anwendung der Bekanntmachung auf alle gemeinschaftsrechtlichrelevanten Sachen bezweckt, daß die nationalen Wettbewerbsbehörden keine mit diesem Rechtunvereinbaren Entscheidungen erlassen, mit denen sie eine einheitliche Anwendung desGemeinschaftsrechts in der gesamten Union gefährden würden. Aus diesem Grunde sieht derVorentwurf der Kommission enge Kontakte mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten vor,um kontradiktorischen Lösungen vorzubeugen. Da eine solche Verhütung von Konflikten einfacherist, wenn die Behörden das Gemeinschaftsrecht anwenden, fordert die Kommission dieMitgliedstaaten auf, im Bedarfsfalle die für eine wirksame Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 undArtikel 86 notwendigen Rechtsvorschriften zu erlassen. 12 Mitteilung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten bei der

Anwendung der Artikel 85 und 86 des EG-Vertrages (ABl. Nr C 39 vom 13.2.1993, S. 6).

13 ABl. C 262 vom 10.9.1996, S. 5. Siehe ebenfalls XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1993), Ziff. 190-191;

XXIV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1994), Ziff. 40-42; XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995),

Ziff. 94-95.

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Die Anwendung dieser Vorschriften auf alle Angelegenheiten, die in den Anwendungsbereich desGemeinschaftsrechts fallen, wäre äußerst günstig für die Unternehmen, deren Vereinbarungen oderVerhaltensweisen, die die vorerwähnte Voraussetzung erfüllen, im gesamten Gebiet der Gemeinschaftnur noch einem Regelwerk unterliegen würden. Die Anwendung der in Anlehnung an Artikel 85 und86 erlassenen Rechtsvorschriften kann jedoch, auch wenn sie nicht ganz dieselbe Rechtssicherheitbietet, eine gewisse Alternative darstellen, wenn sie in einer mit dem Gemeinschaftsrecht hinreichendübereinstimmenden Art und Weise und mit einem ähnlichen Ergebnis durchgeführt wird. DieKommission begrüßt deswegen die sich in mehreren Ländern abzeichnende Entwicklung zurAngleichung der nationalen Vorschriften an die europäischen Wettbewerbsregeln.

33. Die Reaktionen der Berufsverbände und Anwaltskammern auf diesen Bekanntmachungsentwurfder Kommission waren im allgemeinen positiv. Positiv waren auch die Reaktionen derGeneraldirektoren für Wettbewerb anläßlich ihrer Sitzung am 2. Oktober 1996, die einige nützlicheschriftliche Stellungnahmen abgegeben haben. Die Kommission begrüßt außerdem den konstruktivenBeitrag des Wirtschafts- und Sozialausschusses, der eine umfangreiche Stellungnahme zu demveröffentlichten Entwurf abgegeben hat. Der Ausschuß bejaht grundsätzlich das Ziel, das dieKommission mit ihrer Mitteilung verfolgt, vertritt aber die Auffassung, daß sich eine wirksameDezentralisierung nur über einschneidendere Maßnahmen wie die Revision der Verordnung Nr. 17und die Harmonisierung der nationalen Wettbewerbsvorschriften - insbesondere der Verfahrensregeln- erreichen läßt. Die Kommission wird den Anregungen in vollem Umfange Rechnung tragen, um dieÜbersichtlichkeit, Schnelligkeit und Rechtssicherheit der geplanten Verfahren zu verbessern. Dochmuß sie darauf hinweisen, daß sich der Entwurf in den gegenwärtigen Rechtsrahmen einfügt, derdurch ihre ausschließliche Zuständigkeit für Freistellungen der Kommission nach Artikel 85 Absatz 3gekennzeichnet ist.

3. Mitteilung über die Nichtfestsetzung von Geldbußen

34. Die Kommission hat am 10. Juli 1996 eine Mitteilung über die Nichtfestsetzung oderHerabsetzung von Geldbußen in Kartellfällen angenommen14.

In Anlehnung an erfolgreiche politische Maßnahmen in den Vereinigten Staaten und in Kanada, dieauf die europäischen Besonderheiten abgestellt wurden, erhält die Kommission durch dieseMitteilung ein zusätzliches Instrument im Kampf gegen besonders schädliche Kartelle. DieMitteilung betrifft geheime Absprachen über Preise, Produktionsquoten, Verkauf, Aufteilung vonMärkten bzw. Einfuhr- oder Ausfuhrverbote. Diese Absprachen sind für die Verbraucher und für dieeuropäische Wirtschaft generell besonders gefährlich. Sie führen zu Preiserhöhungen und einerverminderten Auswahl nicht nur für die Kunden der am Kartell beteiligten Unternehmen, sondernauch für den Endverbraucher. Derartige Praktiken lenken die Unternehmen im übrigen vontechnischen Innovationen und geschäftlicher Dynamik ab, die das Ergebnis eines normalenWettbewerbs sind. Schließlich schwächen sie langfristig die Wettbewerbsfähigkeit derjenigenSektoren der europäischen Wirtschaft, in denen sie auftreten, und auf den Märkten mit einerzunehmend weltweiten Dimension wirken sie sich negativ auf die Beschäftigung aus.

Die Bekämpfung solcher Kartelle hat daher Vorrang für die Kommission. Gleichzeitig ist dies aberauch eine schwierige und in personeller Hinsicht aufwendige Aufgabe. Die Mittel, die bestimmteUnternehmen anwenden, um ihre Kartelle zu kaschieren, sind manchmal sehr raffiniert. Indem dieKommission den Geldbußebetrag, den sie normalerweise verhängen würde, herabsetzt oder aufdessen Festsetzung völlig verzichtet, hat sie versucht, einen hinreichend starken Anreiz zu schaffen,um das Schweigen der Kartellmitglieder zu brechen.

14 ABl. C 207 vom 18.7.1996, S. 4.

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35. Im Anschluß an die Veröffentlichung des Mitteilungsentwurfs zur Einholung der Stellungnahmeder interessierten Kreise15 haben bestimmte Berufsverbände eingewandt, daß die geplantenMaßnahmen einen Verstoß gegen die Ethik darstellen, da sie die Denunziation institutionalisierenwürden. Die Kommission hat dieses die Werteordnung umstürzende Argument zurückgewiesen undentgegengehalten, daß vielmehr die Verschweigung der schädlichsten Kartelle kritisiert werden muß.In diesem Zusammenhang hat sie auf den Standpunkt des Gerichts erster Instanz verwiesen, wonachein Unternehmen, statt sich an wettbewerbswidrigen Aktivitäten zu beteiligen, die Unternehmen, diees zu derartigen Handlungen veranlassen, anzeigen und gemäß Verordnung Nr. 17 eine Beschwerdegegen sie erheben könnte16. Ebenso wenig hat sich die Kommission auf die Kritik eingelassen, dieden neuen, für die europäische Rechtstradition fremden Charakter des vorgeschlagenen Systemsbemängelte. Die Tatsache, daß derartige Vorschriften im Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaatenfehlen, ist kein ausreichender Grund, um von Neuerungen abzusehen, durch die die Aktionsmittel derKommission gegen die schwerwiegendsten Wettbewerbsverstöße verstärkt werden. Im übrigen wirdeine vom Gerichtshof und vom Gericht erster Instanz seit langem anerkannte, gut etablierte Praxis aufdiese Weise weitgehend durch Normen fixiert. Die Kommission hat in zahlreichen Entscheidungender Kooperationsbereitschaft der Unternehmen im Laufe der Untersuchung bei der Festsetzung desGeldbußebetrags Rechnung getragen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß mehrere Unternehmen seit der Veröffentlichung dieserMitteilung an die Kommissionsdienststellen herangetreten sind. Die Kommission hofft, daß dieMitteilung auf Wettbewerbspraktiken, die besonders schädlich und sträflich sind, letztendlichabschreckend wirkt.

4. Vereinbarungen von geringer Bedeutung

36. Am 22. Januar 1997 nahm die Kommission einen Entwurf zur Revision der Bekanntmachungbetreffend Vereinbarungen von geringer Bedeutung an, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen17. Die geltende Bekanntmachung von 198618, deren erste Fassung von 1970 stammt19

und die zuletzt 1994 geändert wurde20, konkretisiert mit Hilfe quantitativer Kriterien die ständigeRechtsprechung des Gerichtshofs, derzufolge wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nicht vomKartellverbot erfaßt werden, wenn sie nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten undden Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes spürbar zu beeinträchtigen21. Die Kommissionhat tatsächlich die Auffassung vertreten, daß Vereinbarungen zwischen Unternehmen, deren

15 ABl. C 341 vom 19.12.1995, S. 13.

16 Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope Sales

SARL/Kommission, Slg. 1995, S. II-791, Randnummer 58.

17 ABl. C 29 vom 30.1.1997, S. 3.

18 ABl. C 231 vom 12.9.1986, S. 2.

19 ABl. C 64 vom 2.6.1970, S. 1.

20 ABl. C 368 vom 23.12.1994, S. 20.

21 Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache 5/69, Völk/Vervaecke, Slg. 1969, S. 295, 302; Rechtssache 22/71,

Béguelin/GL Import Export, Slg. 1971, S. 949, 959; Rechtssache 30/78, Distillers, Slg. 1980, S. 2229, 2265; und

Rechtssache 22/87, Erauw-Jacquerie/La Hesbignonne, Slg. 1988, S. 1919, 1940.

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gemeinsamer Jahresumsatz 300 Mio. ECU nicht überschreitet und die über gemeinsame Marktanteilevon höchstens 5 % verfügen, nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 fallen.

Diese Bekanntmachung hat in der Praxis vor allem als Verwaltungsinstrument gedient, mit dessenHilfe die Kommission nach einer raschen Prüfung eine beeindruckende Zahl von Vereinbarungen vongeringer Bedeutung zu den Akten legen konnte22. Doch hat sie den Unternehmen keine ausreichendeRechtssicherheit gegeben. Einer der Hauptgründe für die Revision des gegenwärtig anwendbarenTextes besteht darin, diese Unzulänglichkeit zu beseitigen.

37. Die Kommission möchte die Umsatzschwelle aufheben, durch die die Bekanntmachungausschließlich auf die Förderung der Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen(KMU) ausgerichtet war. Tatsächlich besteht kein überzeugender wirtschaftlicher und rechtlicherGrund, um große Unternehmen mit bescheidenen Marktanteilen vom Anwendungsbereich einer Deminimis-Regel auszuschließen. Die Ausdehnung der Bekanntmachung auf sämtliche Unternehmenwird den Interessen der KMU keinen Abbruch tun, deren Position im Gegenteil durch dieVerpflichtung der Kommission zur Nichtintervention, selbst wenn ihre Marktanteile die neue Deminimis-Schwelle überschreiten, verstärkt wird. Die revidierte Bekanntmachung fügt sich demnachauch in die neue KMU-Politik aufgrund der Kommissionsempfehlung vom 3. April 1996 ein23.

38. Um den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Binnenmarkts Rechnung zu tragen, müßte der neueText zwischen horizontalen und vertikalen Vereinbarungen klar unterscheiden. Bei horizontalenVereinbarungen würde der Marktanteil weiterhin 5 % betragen. Bei den im allgemeinen für denWettbewerb weniger gefährlichen vertikalen Vereinbarungen dürfte die Schwelle auf 10 % erhöhtwerden. Die Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 kann jedoch bei bestimmten Vereinbarungen,die von ihrem Wesen her schwere Wettbewerbsbeschränkungen darstellen, nicht ausgeschlossenwerden: Gemeint sind Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen, Produktionsquoten, denVerkauf, die Aufteilung der Märkte oder der Versorgungsquellen. Die Kommission würde jedochgegenüber diesen Vereinbarungen nur ausnahmsweise einschreiten, wenn es das Gemeinwohl derEuropäischen Gemeinschaft erfordert, und insbesondere in den Fällen, wo die Funktionsweise desBinnenmarkts beeinträchtigt würde. Denn an erster Stelle obliegt es den Behörden und Gerichten derMitgliedstaaten, sich mit schweren Wettbewerbsbeschränkungen unterhalb der Aufgreifschwellen zubefassen.

39. Vor Annahme der neuen Bekanntmachung wird die Kommission alle interessierten Kreise, alsodie Wirtschaftskreise und Berufsverbände, die Verbraucher, die Mitgliedstaaten (sie wurden bereitszu einem Vorentwurf befragt) und anderen Gemeinschaftsorgane, umfassend konsultieren.

5. Akteneinsicht

40. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz,insbesondere der Rechtsprechung im sogenannten Soda-Fall24, war der Kommission im Hinblick aufeine Verstärkung der Transparenz für die Unternehmen daran gelegen, im Rahmen einer Mitteilungüber die internen Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in

22 Über 7 000 Fälle seit 1962.

23 ABl. L 107 vom 30.4.1996, S. 4.

24 Urteile des Gerichts erster Instanz vom 29. Juni 1995 in den Rechtssachen T-30/91, Solvay/Kommission, T-36/91,

ICI/Kommission, und T-37/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, SS., II-1775, II-1847 und II-1901.

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Fällen einer Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag, der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag undder Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates die Akteneinsicht systematisch und klar darzustellen25.

41. Die Mitteilung befaßt sich mit zwei Fragen: dem Umfang und den Grenzen der Akteneinsichtund den Anwendungsmodalitäten26.

Da die Akteneinsicht den Empfänger einer Mitteilung der Beschwerdepunkte in die Lage versetzensoll, zu den Schlußfolgerungen Stellung zu nehmen, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilunggelangt ist, muß den betroffenen Unternehmen Zugang zu allen zur Ermittlungsakte der Kommission(GD IV) gehörenden Unterlagen mit Ausnahme der in der Rechtssache Hercules27 genanntenDokumente (Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission undandere vertrauliche Informationen) gewährt werden.

Nicht alle Teile einer Ermittlungsakte sind also einsehbar. Deswegen nennt die Mitteilung dieKriterien, anhand deren die einsehbaren von den nichteinsehbaren Dokumenten unterschieden werdenkönnen.

42. Sobald die Ermittlung anfängt, bestehen auf administrativer und praktischer EbeneMöglichkeiten, um die spätere Akteneinsicht zu erleichtern. Die internen Dokumente werden zumZwecke der Vereinfachung und Effizienz künftig in der grundsätzlich nichtzugänglichen Sammlunginterner Schriftstücke über anhängige Fälle in chronologischer Reihenfolge abgelegt. BestimmteDokumente, die die Kommission im Laufe ihrer Nachprüfungen bei den Unternehmen gesammelt hat,werden den betreffenden Unternehmen so schnell wie möglich nach einer eingehenden Prüfungwieder ausgehändigt, wenn sie für die Angelegenheit irrelevant sind. Anhand neuer internerVerfahrensvorschriften, die im Laufe des Ermittlungsverfahrens zur Anwendung gelangen, sollen sichdie Einsehbarkeit bzw. Nichteinsehbarkeit der Dokumente ohne weiteres feststellen lassen. Eine letzteNeuerung ist ein Verzeichnis der Schriftstücke, in dem alle Seiten der Ermittlungsakte fortlaufendnumeriert sind und anhand eines Klassifizierungscodes angegeben wird, in welchem Umfang undwelchen Parteien Zugang zu den jeweiligen Schriftstücken gewährt wird.

43. Im allgemeinen werden die Unternehmen aufgefordert, die einsehbaren Dokumente an Ort undStelle in den Räumlichkeiten der Kommission einzusehen. Bei Akten von geringem Umfang kann dieKommission dem Unternehmen sämtliche einsehbaren Stücke auf dem Postwege zusenden lassen.

44. Diese praktischen Modalitäten für die Akteneinsicht dürften sich ohne weiteres anwenden lassen,es sei denn für die vor Annahme der neuen Bestimmungen bereits angelegten Akten, für die in jedemEinzelfall eine Lösung gefunden werden muß.

45. Die Akteneinsicht ist eine entscheidende Etappe im Laufe eines Verwaltungsverfahrens, die esden Unternehmen gestattet, ihre Verteidigungsrechte in ausreichendem Maße wahrzunehmen undgleichzeitig sowohl den notwendigen Schutz sensibler Informationen als auch dem Interesse derAllgemeinheit an der Abstellung der Wettbewerbsverstöße Rechnung zu tragen. Die Kommission ist 25 ABl. C 23 vom 23.1.1997, S. 3.

26 Die internen Verfahrensvorschriften der Mitteilung betreffen vor allem die Rechte der Unternehmen, die bei der

Ermittlung eines mutmaßlichen Verstoßes verdächtigt werden; sie betreffen nicht die Rechte Dritter und

insbesondere der Beschwerdeführer.

27 Urteil des Gerichts erster Instanz vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules, Slg. 1991, S. II-

1711.

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davon überzeugt, daß sich die meisten Probleme, die anläßlich eines derartigen Verfahrens auftretenkönnen, mit Hilfe der neuen Modalitäten pragmatisch und effizient lösen lassen und gleichzeitig demRecht der Unternehmen auf Anhörung durch die Kommission in vollem Umfange Genüge geleistetwird.

6. Grünbuch über vertikale Beschränkungen

46. Die Kommission nahm am 22. Januar 1997 das Grünbuch über vertikale Beschränkungen in derEU-Wettbewerbspolitik an28. Mit diesem Grünbuch werden alle interessierten Kreise aufgefordert,sich durch ihre bis 31. Juli 1997 zu unterbreitenden Stellungnahmen an der Diskussion über diesenwichtigen Aspekt der EU-Wettbewerbspolitik zu beteiligen.

47. Der Binnenmarkt ist eine Gelegenheit für EU-Unternehmen, neue Märkte zu betreten, zu denensie aufgrund von Hindernissen ordnungspolitischer Art früher keinen Zugang hatten. Die Eroberungneuer Märkte ist zeit- und kapitalaufwendig sowie risikoreich. Häufig erleichtern Vereinbarungenzwischen dem Hersteller und einem lokalen Vertriebshändler den Zugang zu einem neuen Markt.

Derartige Vereinbarungen können aber auch verwendet werden, um den Markt weiterhin aufzuteilenoder Neuzugänge zu verhindern, durch die der Wettbewerb verstärkt und die Preise nach untengedrückt würden. Vereinbarungen zwischen Herstellern und Vertriebshändlern (vertikaleBeschränkungen) können also sowohl zur Förderung der Marktintegration und des effizientenVertriebs als auch mit der entgegengesetzten Absicht zur Verhinderung der Integration und desWettbewerbs verwendet werden.

48. Wegen ihres besonders starken Bezugs zur Marktintegration, der sowohl positiv als auch negativsein kann, ist den vertikalen Beschränkungen in der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft besondereBedeutung zuerkannt worden. Obwohl sich diese Politik in über 30 Jahren bewährt hat, muß sie heuteaus folgenden Gründen einer Untersuchung unterzogen werden:

- der Rechtsrahmen für den Binnenmarkt ist weitgehend vollendet;- die Gruppenfreistellungsverordnungen der Kommission über vertikale Beschränkungen werden

Ende 1999 außer Kraft treten;- die Vertriebsmethoden haben sich so grundlegend geändert, daß dies Auswirkungen auf die

Wettbewerbspolitik im Bereich der vertikalen Beschränkungen haben kann, und- nach gegenwärtigen ökonomischen Vorstellungen ist bei der Bestimmung der Auswirkungen

vertikaler Beschränkungen die Marktstruktur von Bedeutung. Je intensiver derMarkenwettbewerb ist, desto wahrscheinlicher werden die wettbewerbsfördernden undEffizienzwirkungen die wettbewerbshemmenden Wirkungen vertikaler Beschränkungenaufwiegen.

49. Zur Sammlung von Hintergrundinformationen für das Grünbuch befragte die KommissionHersteller, Einzelhändler, Industrieunternehmen, Handels- und Verbraucherverbände sowie in diesemBereich spezialisierte Akademiker. Es wurden manche kritische Bemerkungen zur Struktur undAnwendung der gegenwärtigen Kommissionspolitik im Bereich der vertikalen Beschränkungen undGruppenfreistellungen formuliert und Änderungen oder Anpassungen gefordert. Die nachstehendenBemerkungen konnten immer wieder gehört werden:

28 Das Grünbuch ist im Dokument KOM(96)721 veröffentlicht. Es ist in allen Sprachen der Gemeinschaft in World

Wide Web auf dem Europa-Server: http://europa.eu.int/en/comm/dg04/dg4home.htm verfügbar.

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- die gegenwärtigen Gruppenfreistellungsverordnungen sind nicht flexibel genug, haben einenZwangsjackeneffekt und regulieren mehr als notwendig;

- es wird zu viel Gewicht auf die Untersuchung von Klauseln und nicht genug Gewicht auf diewirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarungen gelegt. Eine strengere Politik wäre durcheinen aktiveren Gruppenfreistellungsentzug möglich;

- ebenso wichtig wie die Rechtssicherheit, die verlorenginge, wenn auf dasGruppenfreistellungskonzept verzichtet würde, ist der Grundsatz der Überwachung durch eineeinzige Stelle;

- wird das Gruppenfreistellungskonzept beibehalten, so sollte es flexibler und nicht so dirigistischausgestaltet werden und eine größere Tragweite erhalten. Z.B. sollte eine nichtfreistellbareKlausel nicht die Nichtigkeit der gesamten Freistellung zur Folge haben, und dieGruppenfreistellungen könnten sich auch auf Zwischenprodukte und nicht nur wie gegenwärtigauf Waren für den Wiederverkauf erstrecken.

50. Das Grünbuch fordert zur Stellungnahme zu vier Optionen auf29:

- Option I - Beibehaltung des gegenwärtigen Systems: Das gegenwärtige Konzept bliebeunverändert bestehen.

- Option II - Weitergefaßte Gruppenfreistellungsverordnungen: Diese Option besteht aus derBeibehaltung des gegenwärtigen Systems und den mannigfaltigen Vorteilen derGruppenfreistellung, würde jedoch, um der Kritik gerecht zu werden, eine größere Flexibiliät,eine größere Tragweite und eine geringere Regulierung vorsehen.

- Option III - Gezieltere Gruppenfreistellungen: Da immer noch erhebliche Preisunterschiede imBinnenmarkt bestehen, vertikale Beschränkungen zumindest in der Verbindung mit Marktmachtwettbewerbshemmend sein können und Markenwettbewerb vor allem dann wichtig ist, wenn ernicht sehr stark ist, wird vorgeschlagen, die aufgrund der gegenwärtigenGruppenfreistellungsverordnungen gewährte Freistellung auf Unternehmen mit Marktanteilenunterhalb eines bestimmten Schwellenwerts [z.B. 40%] zu beschränken.

- Option IV - Einschränkung der Tragweite des Artikels 85 Absatz 1: Als Antwort auf die Kritik,daß die Gruppenfreistellungsverordnungen einen Zwangsjackeneffekt hätten und Artikel 85Absatz 1 zu sehr auf vertikale Beschränkungen ohne Hinweis auf ihren wirtschaftlichen undMarktkontext angewandt worden ist, wird vorgeschlagen, für Parteien mit einem Marktanteil vonbeispielsweise weniger als 20 % eine widerrufbare Vermutung der Nichtanwendbarkeit vonArtikel 85 Absatz 1 ("die Negativattestannahme") einzuführen.

B - Die Anwendung der Wettbewerbsregeln zur Förderung derMarktintegration

1. Aufsplitterung des Gemeinsamen Marktes durch Vertriebsvereinbarungen oder -praktiken

51. Einige von der Kommission 1996 erlassene Entscheidungen zeigen, daß die Gemeinschaftsregelnfür wettbewerbsbeschränkende Absprachen und den Mißbrauch beherrschender Stellungen bei derErrichtung und Konsolidierung des Binnenmarkts weiterhin eine grundlegende Rolle spielen. Geradeim Bereich des Vertriebs besteht der fundamentale Grundsatz darin, daß bestimmte Beschränkungenim Hinblick auf die Verbesserung des Vertriebs zwar zulässig sein können, die Beschränkungen abernicht übertrieben sein und vor allem nie zu einer absoluten Marktabschottung führen dürfen.

29 Diese Optionen sind nicht erschöpfend, so daß eine Kombination einzelner Elemente der verschiedenen Optionen

denkbar ist.

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52. Die Kommission hat diesen unumstürzlichen Grundsatz gerade unlängst in einer Entscheidungvom 4. Dezember angewandt, in der sie gegen die Systemform GmbH, einen deutschen Hersteller vonAusrüstungen zur Verarbeitung von EDV-Ausdrucken, eine Geldbuße festgelegt hat, weil dasUnternehmen ein Vertriebssystem praktizierte, mit dem es den Gemeinsamen Markt nach nationalenGebieten aufsplitterte. Tatsächlich sahen die Vertriebsverträge zwischen der Systemform und denAlleinvertriebshändlern in mehreren Mitgliedstaaten ein absolutes Verkaufsverbot außerhalb desVertragsgebiets des Vertriebshändlers vor. Die meisten Verträge enthielten außerdem ein Verbot zurBelieferung derjenigen Kunden im Vertragsgebiet, die die Erzeugnisse ausführen wollten. Außerdemschränkten die Verträge die Preisfestsetzungsfreiheit der Vertriebshändler ein.

53. Die Aufsplitterung des Gemeinsamen Marktes könnte aber auch das Ergebnis einer Politik oderHandelsstrategie innerhalb einer Unternehmensgruppe sein, die in verschiedenen Mitgliedstaatenaufgrund von Tochtergesellschaften aktiv ist.

Unter solchen Umständen dürften die Interventionsmöglichkeiten der Kommission ziemlich begrenztsein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs30 fallen die Beziehungen zwischen den Unternehmeninnerhalb derselben Unternehmensgruppe nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1EG-Vertrag. Dies schließt nicht aus, daß bestimmte Formen der Vertriebsorganisation innerhalb einerUnternehmensgruppe in beherrschender Stellung als mißbräuchliches Verhalten angesehen werdenkönnen, das einen Verstoß gegen Artikel 86 darstellt, wenn hierdurch eine Aufsplitterung desGemeinsamen Marktes bewirkt wird. Aus diesem Grunde hat die Kommission gegen einen Teil einesvon der belgischen Brauerei Interbrew geplanten internen Rundschreibens über die von ihrenTochtergesellschaften in Europa zu verfolgende Vertriebspolitik Einwände erhoben. Diese betrafeninsbesondere die Verpflichtung der Tochtergesellschaften, die für den Verbrauch in einem anderenLand bestimmten Warenbestellungen auf die für das betreffende Gebiet zuständigeTochtergesellschaft zu übertragen. Die Kommission hat die Auffassung vertreten, daß dieseHandelsstrategie auf eine Fragmentierung des Gemeinsamen Marktes hinauslaufen und Interbrewgestatten würde, ihre beherrschende Stellung auf dem belgischen Biermarkt dadurch besserauszunutzen, daß dieser Markt vor dem Preiswettbewerb der eigenen Biere mit Herkunft aus anderenMitgliedstaaten geschützt bleibt.

2. Kraftfahrzeugvertrieb

54. Die neue Gruppenfreistellungsverordnung für Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen überKraftfahrzeuge31 ist seit dem 1. Oktober 1996 auf alle von ihr erfaßten selektiven undausschließlichen Kfz-Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen unabhängig von dem Datum, andem sie geschlossen wurden, anwendbar. Ein Hauptgrundsatz der neuen wie bereits dervorangegangenen Verordnung32 ist die Freiheit der europäischen Verbraucher, ein neuesKraftfahrzeug in der Europäischen Union direkt oder über einen hierzu autorisierten Vermittler zubeziehen. Vertragsbestimmungen, die diese Freiheit durch den Hersteller, den Lieferanten oder einanderes Unternehmen innerhalb des Vertriebsnetzes einschränken, stehen auf einer schwarzen Listeund sind automatisch nichtig. Bei derartigen Verstößen können die Verbraucher vor den nationalen 30 Urteil des Gerichtshofs vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95-P, Viho Europe BV/Kommission (noch

nicht veröffentlicht).

31 Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3

des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. L 145 vom

29.6.1995, S.25). Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 31-34.

32 Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 (ABl. L 15 vom 18.1.1985, S. 16).

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Gerichten Klage erheben, die im Gegensatz zur Kommission leichter einstweilige Verfügungenerlassen und Schadenersatz zuerkennen können. Die Kommission kann allerdings tätig werden, wennUnternehmen aufgrund wettbewerbshemmender Vereinbarungen oder Praktiken durch Einschränkungdes Parallelhandels nationale Märkte von anderen Märkten abschneiden. Es wird daran erinnert, daßdie Kommission in ihren Untersuchungen über Preisunterschiede33, die sie zweimal jährlich anstellt,zu dem Ergebnis gekommen war, daß die Kraftfahrzeugpreise in der Gemeinschaft immer noch starkvoneinander abweichen. Da Preisunterschiede der stärkste Anreiz für den Parallelhandel ist,versuchen die Endverbraucher in zunehmendem Maße ein Fahrzeug in den Mitgliedstaaten zuerwerben, wo die Preise und anderen Verkaufsbedingungen am günstigsten sind.

55. Seit Anfang 1994 hat die Kommission zahlreiche Beschwerden von Endverbrauchern erhalten,die beim Kauf eines Kraftfahrzeuges außerhalb des eigenen Mitgliedstaats erhebliche Schwierigkeitenhatten. Daraufhin hat sie Nachprüfungen durchgeführt, um herauszufinden, ob einigeKraftfahrzeughersteller zusammen mit ihren italienischen Vertragspartnern eine Strategie entwickelthatten, um deutsche, französische und insbesondere österreichische Endverbraucher daran zu hindern,ein Fahrzeug in Italien zu günstigen Bedingungen zu kaufen und auf diese Weise von den Vorteilendes Binnenmarkts zu profitieren. Die Kommission hat anhand der im Laufe ihrer Nachprüfungengesammelten Unterlagen vorläufig festgestellt, daß die betreffenden Unternehmen eine derartigeStrategie verfolgt haben. Deswegen hat sie im Oktober zwei KraftfahrzeugherstellernBeschwerdepunkte mitgeteilt. Sie beschuldigt diese Hersteller des Verstoßes gegen dieWettbewerbsregeln und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine endgültige Entscheidung indieser Sache wird für 1997 erwartet.

Die Kommission mußte sich aber nicht nur mit Beschwerden wegen des italienischen Marktes,sondern auch mit Beschwerden von Endverbrauchern befassen, die andere Mitgliedstaaten betraf (wieDänemark, Finnland, Schweden, die Niederlande und Spanien), wo die Vertriebshändler entwederden Kauf durch Nichtgebietsansässige ablehnten oder nur zu einem höheren Preis verkaufen wolltenoder den Endverbrauchern bzw. den in ihrem Namen tätigen Vermittlern bestimmte Auflagenmachten. Andere Beschwerden wiederum betrafen Vertriebshändler, die sich weigerten,Herstellergarantien für aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Fahrzeuge einzulösen. Einige dieserFälle wurden durch aktives Tätigwerden der Kommission geregelt, andere hingegen machten weitereNachprüfungen bei den Herstellern bzw. ihren Importeuren notwendig.

56. Die Hersteller bzw. Lieferanten erteilen ihren Händlern in der Regel klare Anweisungen zu derArt der Zulassung, die ein von einem Endverbraucher bestellter Vermittler vorzuweisen hat. Aufdiese Weise soll verhindert werden, daß sich nichtzugelassene Wiederverkäufer als Vermittlerausgeben.

Die Verordnung (EG) Nr. 1475/95 über den Kraftfahrzeugvertrieb stellt ein Gleichgewicht zwischendem Interesse des Lieferanten an der Aufrechterhaltung eines selektiven Händlernetzes und demInteresse der europäischen Verbraucher her, ein Fahrzeug innerhalb der Gemeinschaft dort zu kaufen,wo sie es wollen (siehe Artikel 3 Absätze 10 und 11 sowie Artikel 6 Absätze 1 und 7 derVerordnung). Bei der Beurteilung von Einzelfällen vertritt die Kommission die Auffassung, daß sichdieses Gleichgewicht in den Anforderungen widerspiegeln muß, die Hersteller und Lieferanten an dieZulassung eines Vermittlers knüpfen. Bestimmte Anforderungen sprengen offensichtlich den Rahmender Gruppenfreistellungsverordnung; denn sie verhindern möglicherweise den Parlallelhandel. Hierzugehören die Beschränkung der Gültigkeit der Zulassung für Kauf und Abnahme eines Fahrzeugs aufinsgesamt drei Monate, die Forderung einer Bestätigung der Unterschrift oder einer notariellenBeglaubigung der Zulassung sowie die Offenlegung der Vermittlerprovision und des Entgelts für dieDienstleistung. Wenn also Hersteller oder Lieferanten von ihren Händlern verlangen, daß sie nur

33 Pressemitteilungen IP/96/145 vom 15.2.1996 und IP/96/722 vom 29.7.1996.

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Zulassungen mit derartigen Anforderungen akzeptieren, laufen sie automatisch Gefahr, daß ihnen dieGruppenfreistellung entzogen wird.

3. Arzneimittel

57. Die Kommission hat sich 1996 erneut mit den Beschränkungen im Parallelhandel mitArzneimitteln befaßt. Die häufig sehr großen Peisunterschiede zwischen Mitgliedstaaten beidenselben Erzeugnissen, die zum großen Teil auf die Verschiedenheit der nationalen Systeme imBereich der Preiskontrolle und der sozialen Sicherheit zurückzuführen sind, verleiten bestimmteWirtschaftsteilnehmer zur Ausnutzung dieser Preisunterschiede durch den Parallelhandel. Hierauskönnen in den Mitgliedstaaten, in denen die Arzneimittelpreise hoch sind, für die Verbraucher, diesoziale Sicherheit und den Staatshaushalt günstige Preisrückgänge resultieren.

Die Kommission folgt bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln auch in diesem Sektor derBinnenmarktlogik. Sie ist ständig und konsequent gegen Vereinbarungen und Verhaltensweisenvorgegangen, die den Parallelhandel mit Arzneimitteln einschränken. Sie wird darin im übrigen durchdie Rechtsprechung des Gerichtshofes unterstützt. So hat der Gerichtshof unlängst in einer Sache34,die den Grundsatz des freien Warenverkehrs und den durch Artikel 36 EG-Vertrag geschütztengewerblichen und kommerziellen Rechtsschutz in Frage stellte, ein Urteil zugunsten der beidenbritischen Unternehmen Primecrown und Europharm erlassen, die in Spanien verkaufte Arzneimittelfür den Wiederverkauf im Vereinigten Königreich einführen wollten. Arzneimittel sind wegenPreiskontrollen und fehlender Patente in Spanien und Portugal nicht sehr teuer. Die Kommission haterneut den Vorrang des Grundsatzes des freien Warenverkehrs bestätigt und das Argumentabgewiesen, daß Paralleleinfuhren unterbunden werden müssen, wenn nationalePreiskontrollmaßnahmen Wettbewerbsverfälschungen verursachen.

58. Die Entscheidung der Kommission vom 10. Januar in der Sache Adalat fügt sich ebenfalls indieses Verhaltenskonzept der Bekämpfung von Maßnahmen ein, die den Gemeinsamen Marktaufsplittern. Der Preis des vom Bayer-Konzern vermarkteten Arzneimittels Adalat variiert stark voneinem Mitgliedstaat zum anderen. Insbesondere im Vereinigten Königreich wird es zu einemwesentlich höheren Preis als in Frankreich und in Spanien verkauft. Die französischen und spanischenArzneimittelgroßhändler waren gewohnt, weit größere als die zur Versorgung des nationalen Marktesnotwendigen Mengen zu bestellen und die Überschüsse nach dem Vereinigten Königreichauszuführen. Für Bayer stellten diese Parallelausfuhren ein bedeutendes kommerzielles Problem dar.Der Konzern reagierte mit Systemen zur Aufspürung der exportierenden Großhändler und einerHerabsetzung der Liefermengen. Die Großhändler versuchten daraufhin mit verschiedenen Mitteln,sich zusätzliche Mengen zu beschaffen, u.a. durch Verteilung ihrer für die Ausfuhr bestimmtenBestellungen auf ihre verschiedenen Agenturen und durch Einschaltung anderer von Bayer nichtkontrollierter Großhändler für ihre Bestellungen. Als einer der Großhändler als Exporteur entdecktwurde, hat Bayer anschließend zur Strafe die Liefermengen noch weiter gesenkt.

Die Kommission hat in ihrer Entscheidung die Auffassung vertreten, daß Bayer Frankreich und BayerSpanien ihrem Verhalten zufolge im Rahmen ihrer fortlaufenden Beziehungen mit ihren jeweiligenGroßhändlern ein Ausfuhrverbot praktiziert haben. Demnach lag eine Vereinbarung gemäß Artikel 85Absatz 1 vor, die eine Einschränkung des Parallelhandels bzweckte und bewirkte35. Die Kommission

34 Urteil des Gerichtshofs vom 5. Dezember 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-267/95 und C-268/95, Merck

& Co./Primecrown, Beecham/Europharm (noch nicht veröffentlicht).

35 Das Gericht erster Instanz hat in einem Beschluß Artikel 2 der Kommissionsentscheidung aufgehoben, der Bayer

verpflichtet, den französischen und spanischen Großhändlern ein Rundschreiben zu schicken, um sie davon zu

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hat bei der Festlegung der Geldbuße gegen Bayer der Tatsache Rechnung getragen, daß dieverschiedenen nationalen Preisfestsetzungsvorschriften im Arzneimittelsektor als mildender Umstandgewertet werden müssen.

C - Praktiken marktbeherrschender Unternehmen zur Ausschaltung vonWettbewerbern

59. Das Gemeinschaftsrecht verbietet wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, dieam Markt über eine beherrschende Stellung verfügen. Ein Marktverhalten, das normalerweisewettbewerbskonform und daher auch mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft vereinbar ist,kann einen Mißbrauch darstellen, wenn es von Unternehmen mit einer beherrschenden Stellungpraktiziert wird. Dieser Ansatz ist durch die weit stärkere Auswirkung, die das Verhalten dieserUnternehmen auf den Wettbewerb haben, gerechtfertigt, zumal wenn es sich um Praktiken mitAusschließungseffekten handelt, um Praktiken also, die einen Wettbewerber ausschalten oder seineTätigkeit einschränken bzw. behindern. Ein beherrschendes Unternehmen kann seine Stellung imWettbewerb mit Rivalen verteidigen, ist jedoch in besonderem Maße dafür verantwortlich, den amMarkt noch bestehenden Wettbewerb nicht zu verringern36. Die Ausschließung kann sich gegenbestehende Wettbewerber richten oder darauf angelegt sein, den Marktzugang neuer Unternehmen zubehindern. Zu einem derartigen unzulässigen Verhalten gehören: die Weigerung eines Unternehmens,das für ein bestimmtes Erzeugnis die einzige oder beherrschende Versorgungsquelle ist oder denZugang zu einer wichtigen Technologie oder Infrastruktur kontrolliert, mit einem Wettbewerber zuverhandeln, um diesen auszuschalten; Verdrängungswettbewerb; Geschäftsvereinbarungen mitAusschließungseffekten; Diskriminierung als Teil eines größer angelegten Monopolverhaltens zurAusschließung von Wettbewerbern und Rabattsysteme mit Ausschließungseffekten.

60. Ein Blick auf die von der Kommission 1996 bearbeiteten Fälle zeigt, daß diese Artwettbewerbsbeschränkenden Verhaltens in verschiedenen Sektoren immer wieder auftritt. DieKommission begegnete dieser Praxis besonders häufig in Sektoren, die auf dem Wege derLiberalisierung sind, wie Telekommunikation37, Verkehr38 und Energie39. Aber auch andere Sektorensind hiervon betroffen.

61. Die Kommission wurde z.B. in einer Sache tätig, in der sie auf dem finnischen Markt fürSpielautomaten, ehemals ein Monopolmarkt, den Wettbewerb herstellte. Das staatliche Monopol fürden Betrieb von Spielautomaten in Finnland endete Anfang 1995. Pelika RAY, das finnischeStaatsunternehmen, das in über 2000 selbständigen finnischen Einrichtungen Spielautomaten betreibt,hatte Verträge geschlossen, die die Eigentümer dieser Einrichtungen daran hinderten, Automaten vonanderen neuen Wettbewerbern zu beziehen. Nach Gesprächen mit der Kommission hat Pelika RAY

unterrichten, daß die Ausfuhren gestattet sind und nicht bestraft werden, und in den allgemeinen

Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen (Beschluß des Gerichts erster Instanz vom 3. Juni 1996 in der

Rechtssache T-41/96/R, Bayer AG/Kommission, Slg. 1996, S. II-383.

36 Urteil des Gerichtshofs vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg.1983,

S. 3461, 3511.

37 Siehe Punkte D.2, D.3 und D.4 dieses Kapitels.

38 Siehe nachstehendes Kapitel II.E.

39 Siehe Punkt F dieses Kapitels.

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diese Einschränkung freiwillig aufgehoben und auf diese Weise wirksamen Wettbewerb mit anderenBetreibern und zunehmende Alternativen für die Verbraucher ermöglicht.

62. Novo Nordisk, der führende Insulinhersteller Europas, brachte 1985 eine neue Methode zurSelbstinjektion von Insulin auf den Markt, das sogenannte Insulinstiftsystem. Inzwischen stellen auchandere Unternehmen ähnliche Injektionsgeräte mit Injektionsstift her, einschließlich verschiedenerKomponenten (z.B. Injektionsvorrichtungen, Kartuschen mit der jeweiligen Insulindosis sowieEinwegnadeln), von denen einige mit dem System von Novo Nordisk kompatibel sind. Im Anschlußan eine Beschwerde eines Herstellers medizinischer Geräte stellte die Kommission fest, daß NovoNordisk die Haftung für Funktionsmängel seiner Erzeugnisse in mißbräuchlicher Weise ablehnte oderkeine Garantie für die betreffenden Erzeugnisse übernehmen wollte, wenn sie in Verbindung mit denkompatiblen Komponenten anderer Hersteller verwendet wurden. Nach Gesprächen mit derKommission erklärte sich Novo Nordisk bereit, in diesen Fällen künftig die Haftung zu übernehmen.

63. Im Zuge einer öffentlichen Erklärung, die das für Wettbewerb zuständige EU-Kommissionsmitglied abgegeben hatte, beschloß Visa International, eine geplanteAlleinvertriebsmaßnahme aufzugeben, die ihre Mitglieder an der Herausgabe konkurrierenderKreditkarten in Europa gehindert hätte. Nach Auffassung der Kommission hätte diese Vorschrift denWettbewerb zwischen Banken und Kreditkartensystemen beeinträchtigt.

64. Die Kommission eröffnete außerdem ein Verfahren gegen AC Nielsen Company (Nielsen) wegeneiner Zuwiderhandlung gegen Artikel 86. Im Anschluß an eine Beschwerde der InformationResources Inc. (IRI) gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, daß Nielsen seine beherrschendeStellung auf den europäischen Märkten für Einzelhandelsmarktforschungsdienste mißbrauchte, umIRI daran zu hindern, sich mit Erfolg auf diesen Märkten niederzulassen. Nielsen hatte insbesondereAusschließlichkeitsverträge für den Kauf von Marktdaten von Einzelhändlern und Verträgegeschlossen, die die Einzelhändler in ihrer Freiheit beschränkten, Daten an konkurrierendeMarktforschungsunternehmen zu liefern. Beim Verkauf von Dienstleistungen an multinationaleAbnehmer operierte Nielsen mit Rabatten, damit sich die Abnehmer verpflichteten, sich in einerVielzahl von Ländern an Nielsen zu wenden. Auf diese Weise verfügte Nielsen in Ländern, in denensich IRI niederlassen wollte, über eine beherrschende Stellung.

Kurz nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission bekundete Nielsen seineBereitschaft, mit der Kommission zu einer Einigung zu gelangen. Der Fall wurde schließlich imNovember durch eine Zusage von Nielsen geregelt, die die wichtigsten Wettbewerbsbedenkenausräumt und auf den europäischen Märkten für Einzelhandelsmarktforschungsdienste gleicheWettbewerbsbedingungen gewährleistet. Auch die Kartellabteilung des US-Justizministeriums hat dieVertragspraktiken von Nielsen untersucht. Da die meisten Mißbräuche in Europa stattfanden, nahmdie Kommission die Überprüfungen vor. Die Ermittlung wurde in enger Zusammenarbeit mit demJustizministerium durchgeführt, bei der mit Zustimmung der Parteien auch vertraulicheInformationen ausgetauscht wurden. Angesichts der in Europa erzielten Ergebnisse beschloß dasamerikanische Justizministerium, seine Ermittlungen einzustellen.

D - Informationsgesellschaft

65. Bei der Förderung der Infrastruktur und der Dienstleistungen der Informationsgesellschaft spieltdie Wettbewerbspolitik auch weiterhin eine sehr aktive Rolle. 1996 war das Jahr einiger wichtigerEntwicklungen, nicht nur in der Wettbewerbspolitik gegenüber Kartellen und marktbeherrschendenUnternehmen, sondern auch auf dem Gebiet der Liberalisierung40 und der Fusionskontrolle41. 40 Siehe Kapitel II.

41 Siehe Kapitel III.

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Die meisten Dienstleistungen der Informationsgesellschaft sind bereits liberalisiert, in derLiberalisierung begriffen oder werden 1998 liberalisiert (mit einigen Ausnahmen). Gleichzeitig sindrasante technische Fortschritte zu beobachten, die mit erheblichen Produkt- undInfrastrukturinvestitionen einhergehen. Auch für die Kommerzialisierung dieser neuen Dienstewerden beträchtliche Mittel aufgewendet, um die Akzeptanz beim Verbraucher zu fördern.Schließlich ist in bestimmten Bereichen eine rasche Globalisierung zu beobachten, der dieEuropäische Union durch eine Politik der offenen Märkte (mit Ausnahme bestimmter kulturellerAspekte) Rechnung trägt. Die Folgen dieser Politik sind ein größeres Wachstum des europäischenMarktes, mehr Wettbewerb mit Drittländern und mehr Wettbewerbsdruck für die europäischenUnternehmen.

1. Strukturwandel

66. Diese Entwicklungen haben zu zahlreichen Umstrukturierungen im Telekommunikaktions- undim Medienwesen in Form von Fusionen, Allianzen und Gemeinschaftsunternehmen geführt. DieKommission unterstützt diesen Anpassungsprozeß, da nur auf diese Weise die Vorteile derLiberalisierung uneingeschränkt zur Geltung gebracht, die notwendigen Forschungs- undEntwicklungsarbeiten durchgeführt, neue Dienstleistungen angeboten und Kosten reduziert werdenkönnen. Der Liberalisierungsprozeß darf jedoch nicht durch Umstrukturierungen gefährdet werden,die die Beibehaltung überzogener Preise, die Abschottung ehemaliger Monopolmärkte oder andereFormen des Mißbrauchs oder der Stärkung beherrschender Stellungen zur Folge hätten. DieWettbewerbspolitik ist somit einerseits für Umstrukturierungsprozesse der Informationsgesellschaftoffen, beobachtet aber andererseits sorgfältig ihre Begleitumstände und hat sogar in einigen Fällenzum Mittel des Verbots greifen müssen. Es besteht überdies ein Zusammenhang zwischen demjeweiligen Liberalisierungsstand und den Bedingungen, mit denen eine solche Umstrukturierung zuverknüpfen ist. Die Genehmigungsfähigkeit von Allianzen, die dem Wettbewerb außerhalb derInlandsmärkte der beteiligten Unternehmen oftmals förderlich sind, hängt auch davon ab, wie weitdie Inlandsmärkte der Parteien bereits dem Wettbewerb geöffnet wurden.

67. Genau diesen Grundsätzen folgte die Kommission, als sie im vergangenen Juli die Gründung vonAtlas, einem Gemeinschaftsunternehmen der France Télécom (FT) und der Deutschen Telekom (DT)für Telekommunikationsdienstleistungen an Großkunden in Europa, genehmigte. Zu den von Atlasangebotenen Leistungen zählen u.a. Netzdienste, Auslagerungsangebote (Outsourcing) sowieintegrierte VSAT-Netzdienste. Überdies hat die Kommission das geplanteGemeinschaftsunternehmen GlobalOne genehmigt, in dessen Rahmen Atlas und die SprintCorporation (Sprint) gemeinsam weltweite Telekommunikationsdienste anbieten wollen. DieDienstleistungen sind im wesentlichen die gleichen wie die von Atlas, hinzu kommenTelekommunikationsdienste für Reisende und andere Telekommunikationsunternehmen.

Im europäischen Wirtschaftsraum wurden vor allen Dingen bei den Unternehmensdienstleistungenerhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken aufgeworfen, z.B. auf dem Markt für Datenübertragungüber terrestrische Netze. Der Marktanteil von DT in Deutschland und FT in Frankreich liegt jeweilsdeutlich über 70 % und wird überdies durch ein rechtlich abgesichertes Infrastrukturmonopolverstärkt. Außerdem ist im Rahmen des Gemeinschaftsunternehmens Atlas die Ausschaltung der FT-Tochter Info AG, eines Wettbewerbers der DT in Deutschland, vorgesehen.

Im Laufe des Verfahrens haben sich Frankreich und Deutschland verpflichtet, alternativeInfrastrukturen freizugeben, so daß die Wettbewerber weniger abhängig von den FT- und DT-Netzenwerden. Die Kommission hat die Vergabe von zwei Infrastrukturlizenzen in Frankreich undDeutschland zur Vorbedingung für ein Wirksamwerden der Genehmigung von Atlas/GlobalOne

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gemacht. Diese Bedingung war am 1. Dezember 1996 erfüllt.42 Überdies haben DT und FT dieEinbringung ihrer beiden nationalen Datenübertragungsnetze in das Gemeinschaftsunternehmen biszur vollständigen Liberalisierung der Infrastruktur in Deutschland und Frankreich zurückgestellt.Schließlich hat FT zugesagt, die Info AG zu veräußern.

Der geänderte vertragliche Rahmen sowie die strengen Bedingungen und Auflagen werdengewährleisten, daß Atlas und GlobalOne nicht zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs führen. DieFreistellungsentscheidung enthält überdies ein Diskriminierungsverbot und ein Verbot vonQuersubventionen. Bei Nichteinhaltung dieser Auflagen verlöre die Freistellung ihre Gültigkeit.Damit ist auch generell gewährleistet, daß die beiden geplanten Gemeinschaftsunternehmen derimmer dringenderen Nachfrage werden nachkommen und mit den nicht besonders zahlreichenübrigen Anbietern weltweiter Telekommunikationsdienstleistungen in Wettbewerb treten können.

68. Die gleichen Maßstäbe wird die Kommission auch gegenüber den beiden anderen zur Prüfungvorliegenden Allianzen anwenden, die unter den Bezeichnungen Unisource und Uniworld angemeldetwurden.

Die Kommission hat zwei Bekanntmachungen veröffentlicht, in denen sie eine positive Beurteilungvon Unisource/Telefónica und Uniworld ankündigt und sämtliche Betroffenen zur Äußerung einlädt.Bei Unisource handelt es sich um ein Bündnis zwischen der niederländischen PTT Telecom, derschwedischen Telia und der schweizerischen PTT, dem die spanische Telefónica beigetreten ist. BeiUniworld hingegen handelt es sich um eine Allianz zwischen Unisource und AT&T. DieKommission ist nach Gesprächen mit den beteiligten Unternehmen und den Regierungen Spaniens,Schwedens, der Niederlande und der Schweiz zu einer positiven Einschätzung gelangt.

In beiden Bekanntmachungen werden die Abänderungen der ursprünglichen Vereinbarungen sowiedie verbindlichen Zusagen ausführlich erläutert, mit denen die Parteien ihre Vereinbarungen mit demeuropäischen Wettbewerbsrecht in Einklang bringen. In der Bekanntmachung zu Unisource-Telefónica werden auch die Gespräche mit den Regierungen der vier direkt an Unisource beteiligtenLänder wiedergegeben.Die wichtigsten Ergebnisse dieser Gespräche sind folgende:- vollständige Liberalisierung des spanischen Telekommunikationsmarktes zum

30. November 1998 und Vergabe dreier Lizenzen bis 1. Januar 1998 sowie eingeschränkteLizenzen für Kabelunternehmen zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen inihren Gebieten;

- vollständige Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in der Schweiz ab dem1. Januar 1998 sowie

- in bezug auf die Uniworld-Vereinbarung eine Reihe von Verpflichtungserklärungen von AT&Tbetreffend ihr Verhalten in den Bereichen Zusammenschaltung, Zugang und Verrechnungspreise.

2. Telekommunikationstarife

69. Bis 1. Januar 1998 behalten die nationalen Betreiber ihre Monopolstellung beimSprachtelefondienst für die Öffentlichkeit. Die Kommission hat bereits mehrfach angekündigt, daßsie in dieser Phase besonders sorgsam auf die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften des Vertragsdurch die Betreiber achten wird. Damit will sie vermeiden, daß diese Betreiber sich durchmißbräuchliche Verhaltensweisen Vorteile gegenüber ihren neuen Wettbewebern verschaffen odergegenüber Privatkunden ungerechtfertigte Preiserhöhungen vornehmen.

42 ABl. C 47 vom 15.2.1997, S. 8.

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70. In zahlreichen Ländern der Europäischen Union mag allerdings eine Anpassung der Tarife an dieKosten gerechtfertigt sein. Die Tarife für Ortsgespräche liegen oft unter den Kosten und die fürFerngespräche oder Auslandsgespräche generell weit darüber, während gleichzeitig der aufkommendeWettbewerb im internationalen Telefonverkehr die einschlägigen Tarife nach unten drückt. DieKommission fördert diese Tarifanpassungen, soweit sie eine Anpassung an dieWettbewerbsbedingungen widerspiegeln. Bis zur vollständigen Liberalisierung sind allerdings dieGründe und die Folgen solcher Tarifänderungen genau zu beobachten. In dieser Übergangsphasebesteht ein Risiko, daß die marktbeherrschenden Betreiber ihre Tarifumgestaltung dazu mißbrauchen,die Differenz zwischen der wachsenden Preiselastizität auf den liberalisierten Märkten und dergeringeren Preiselastizität auf den anderen Märkten aufgrund des fehlenden Wettbewerbsauszunutzen. Dies könnte Neuanbieter liberalisierter Dienstleistungen beeinträchtigen und siemöglicherweise gar vom Markt fernhalten. Eine Tarifanpassung darf überdies den Universaldienst,ein wesentliches Standbein der Liberalisierung des Telekommunikationswesens in Europa, nichtgefährden.

71. Ein konkretes Beispiel für die Umsetzung dieser Politik bietet die Einführung neuer Tarife für"Unternehmen" durch die Deutsche Telekom. DT hatte eine substantielle Verringerung der Tarife fürGroßkunden geplant, d.h. auf einem für neue Anbieter offenen Markt. Gleichzeitig wollte DT ihreTelefongebühren für die übrigen Kunden sowie für an Neuanbieter vermietete Leitungen beibehalten.Nach der Prüfung der zum 1. Januar 1996 geplanten Preiserhöhungen durch die Kommission wurdedie Tarifreform verschoben. Überdies sagten die Deutsche Telekom und die Bundesregierung zu, daßdie Tarifanpassung nicht über das objektiv gerechtfertigte Maß hinausgehen und der Universaldienstgewährleistet bleiben würde. Zudem hat die Kommission die Genehmigung der neuen Tarife an denAbschluß von Vereinbarungen zwischen DT und ihren Wettbewerbern über den Netzzugang sowiezusätzliche Bestimmungen zur Einführung des Wettbewerbs beim Netzzugang in Deutschlandgeknüpft. Die GD IV verfolgt die Weiterentwicklung aufmerksam, u.a. mit förmlichenAuskunftsersuchen an die DT und die betroffenen Unternehmen sowie in Konsultationen mit derBundesregierung. Von den Ergebnissen dieser Prüfungen wird die Kommission ihre weitere Haltungabhängig machen.

3. Zugangsvereinbarungen

72. Am 10. Dezember 1996 hat die Kommission den Entwurf einer Mitteilung über die Anwendungder Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich angenommen.43

Der Entwurf wird im Amtsblatt zur Einleitung einer zweimonatigen Konsultationsperiodeveröffentlicht. Anschließend soll die endgültige Fassung ausgearbeitet und veröffentlicht werden.Dieser Text soll nicht der Einführung neuer wettbewerbsrechtlicher Grundsätze dienen, sondern einenÜberblick über die Anwendung der in der Praxis bereits bewährten Grundsätze auf die sich durch dieLiberalisierung des Telekommunikationswesens ergebenden neuen Probleme verschaffen.

73. Mit dem Entwurf werden im wesentlichen drei Ziele verfolgt. Zum einen wird die Beziehungzwischen den Wettbewerbsregeln und den sektorspezifischen Vorschriften dargestellt. Zweitenswerden die sachlich relevanten Märkte und insbesondere der Unterschied zwischen Zugang undDienstleistungserbringung kurz untersucht. Schließlich werden die einschlägigen materiellenVorschriften - vor allem die sich aus Artikel 86 EGV ergebenden - dargestellt.

In dem Entwurf geht es nicht nur um Fragen des physischen Zugangs - wie die Zusammenschaltungmit den Telekommunikationsnetzen der großen Gesellschaften -, sondern auch um Zugang imweiteren Sinne, z.B. den zu den entsprechenden Einrichtungen.

43 ABl. C 76 vom 11.3.1997, S. 9.

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4. Mobilkommunikation

74. In diesem Bereich macht der Wettbewerb gute Fortschritte, was sich in hohen Wachstumsraten,neuen Dienstleistungen, größerer Reichweite und sinkenden Preisen niederschlägt. Aufmerksamkeitist dennoch insbesondere mit Blick auf die Konditionen für die Lizenzerteilung weiterhin geboten,um eine Diskriminierung neuer Anbieter zu vermeiden, die diese Entwicklung beeinträchtigenkönnte44. Außerdem sind die Interessen der Verbraucher und insbesondere ihr Recht auf freie Wahldes Dienstleistungsanbieters zu beachten. Bestimmte technische oder kommerzielle Verfahren könnenden Verbraucher fest an einen bestimmten Betreiber binden, was weitere Preisnachlässe nach derKommerzialisierungsphase beeinträchtigen könnte. Die Kommission prüft daher zur Zeit bestimmteVerhaltensweisen, um nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verringern.

75. Im August versandte die Kommission z.B. ein Schreiben an die Hersteller von GSM/DCS1800-Handgeräten und die Netzbetreiber im Europäischen Wirtschaftsraum, um zu gewährleisten, daß die"SIM Locked"-Handgeräte nur dann ausgeliefert und genutzt werden, wenn sie auf Verlangen desVerbrauchers freigegeben werden können. Die SIM-Sicherungsvorrichtung ist zwar sowohl für dieVerbraucher als auch für die Betreiber vorteilhaft, da sie auf Diebe abschreckende Wirkung ausübt,sollte aber keine wettbewerbswidrigen Folgen für vorhandene oder neue Betreiber nach sich ziehen.Der Kommission war vor allem daran gelegen, eine feste Bindung des Geräts an einen bestimmtenBetreiber oder Anbieter zu vermeiden, damit die Käufer ihren Mobilfunkbetreiber frei wählenkönnen.

5. Satellitenkommunikation

76. In diesem Wirtschaftszweig ist der Zusammenhang zwischen der Umsetzung derLiberalisierungspolitik, den angemeldeten oder von Amts wegen untersuchten Fällen, den Reformender internationalen Satellitenorganisationen wie INTELSAT und den Verhandlungen im Rahmen derWelthandelsorganisation über Basistelekommunikation von besonderer Bedeutung. Überdies darfangesichts der neuen Technologien und der zur Zeit vorbereiteten massiven Investitionen auch dieweitere Entwicklung nicht aus den Augen verloren werden, da mit einer Verzehnfachung derSatellitenkommunikation und möglicherweise auch mit einer zunehmenden Konzentration zu rechnenist.

77. Wegen einiger jüngerer Allianzen - Iridium, Globalstar und Odyssey - sind vor kurzem von Amtswegen Verfahren eingeleitet worden.

78. Die Gründung von Iridium, das ab dem letzten Quartal 1998 weltweit digitale drahtloseKommunikationsdienste unter Einsatz von Satelliten erbringen will, die während der nächsten 24Monate in die Umlaufbahn gebracht werden sollen, wurde von der Kommission 1996 genehmigt. Zuden Parteien des vom amerikanischen Konzern Motorola angeführten Konsortiums strategischerGesellschafter zählen Stet (Italien) und Vebacom (Deutschland). Beide Unternehmen verfügen bereitsüber ihr eigenes Gebiet für Netzübergangsdienste, das jeweils einen bestimmten Teil Europasabdeckt, sowie über das zugehörige ausschließliche Recht zur Einrichtung und zum Betrieb einesNetzübergangs in dem betreffenden Gebiet.

In ihrer Entscheidung gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, daß Iridium nicht unter Artikel 85Absatz 1 fällt, da keinem der strategischen Gesellschafter vernünftigerweise zugemutet werdenkönnte, alleine die erforderlichen massiven Investitionen aufzubringen und die erheblichentechnischen und kommerziellen Risiken des neuen Systems zu tragen. Außerdem verfügt keiner derInvestoren über sämtliche Lizenzen, die zum Betrieb des Systems erforderlich sind. Die

44 Siehe Kapitel II.B.3.

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ausschließlichen Rechte für den Netzübergangsbetreiber sind als Investitionsanreize angesichts dieserRisiken unabdingbar. Wegen der starken Position von Stet auf dem Markt fürSatellitendienstleistungen in Italien hat die Kommission die Parteien um die Bestätigung gebeten, daßdie Iridium-Vereinbarungen das Recht anderer Unternehmen auf Zugang zu denTelekommunikations-Infrastrukturen von Stet, die nicht speziell für das Iridium-System entwickeltwurden, nicht beeinträchtigen werden.

6. Online-Dienste und Wettbewerb

79. Diese interaktiven Dienstleistungen sind der Vorreiter der Informationsgesellschaft. DieEntwicklungen von heute sind von erheblichem strukturellem Einfluß auf die Dienstleistungen unddie Wahlfreiheit von morgen. Auch in diesem Bereich muß die Wettbewerbspolitik einGleichgewicht zwischen präventiver Intervention vor dem Auftreten von Wettbewerbsproblemen, diedie Entwicklung der neuen Dienstleistungen in Europa verlangsamen könnten, einerseits und demmöglicherweise zu späten Einschreiten nach Zustandekommen beherrschender Stellungen undetwaigen Mißbräuchen andererseits verfolgen. Zur Zeit ist die Kommission noch kaum mitAnmeldungen, weitreichenderen Beschwerden oder Verfahren von Amts wegen befaßt, aber dieskönnte sich rasch ändern. Gleichgewichtspolitik heißt in diesem Falle zum einen ständigeAnmahnung der Einhaltung der Wettbewerbsbedingungen und zum zweiten aufmerksameBeobachtung der neuen Praktiken und Technologien.

7. Wettbewerbspolitik im Medienwesen

80. Der audiovisuelle Sektor in Europa ist in einem tiefgreifenden und rapiden Wandel begriffen:- technische Entwicklungen und Vervielfachung der Programmkanäle (und das Aufkommen des

Pay-tv);- strategische Betreiberallianzen oder Vereinbarungen zwischen Betreibern, Programmanbietern

und teilweise sogar Infrastruktureigentümern (z.B. Kabel);- immer bedeutendere Investitionen (vor allem bei den Senderechten).

81. Gegenüber dieser raschen und turbulenten Entwicklung ist große Wachsamkeit geboten, da essich um einen Markt mit hohem Wachstumspotential und unter Umständen erheblichenZutrittsschranken (Kosten der Senderechte, Investitionen in Anlagen und Kommerzialisierung,Infrastrukturen) handelt. Die europäische Wettbewerbspolitik hat daher zu gewährleisten, daß dieMärkte offen bleiben und der Wettbewerb nicht durch Allianzen, Zusammenschlüsse oderSchwierigkeiten beim Programmzugang verfälscht wird.

82. Der Trend zu internationalen Allianzen mit gesamteuropäischer Perspektive nimmt zu45. Solltensich diese Vorhaben konkretisieren, wären fast alle großen Fernsehanbieter in Europa in einem Netzvon Allianzen miteinander verbunden. Die Kommission wird diese Entwicklungen daher sehrsorgfältig prüfen und vor allem die Gesamtauswirkungen dieser Allianzen auf europäischer Ebenebeobachten, die über die unmittelbaren Folgen auf bestimmten nationalen Märkten hinausgehen.

83. Die Frage des Programminhalts erhält eine wachsende Bedeutung. Mit der Einführung derDigitaltechnik dürfte es zur Einrichtung zahlreicher Spartenkanäle im Rahmen von Pay-tv-Programmbündeln kommen. Die ersten Anbieter auf diesem neuen Markt verhandeln derzeit über den

45 z.B. die Allianz Bertelsmann-CLT (siehe Kapitel III-D).

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Erwerb von Exklusivrechten in den Bereichen Fiktion und Sport, den beiden Säulen des Pay-tv, umsich umfangreiche Rechtekataloge für besonders zuschauerträchtige Programme zu sichern.

Probleme betreffend die Programminhalte und ausschließliche Senderechte im Medienwesen sind fürdie Kommission nicht neu. Sie hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach zur Vereinbarkeit vonVereinbarungen über ausschließliche Senderechte mit den Wettbewerbsregeln äußern können. Zwarerkennt sie die Bedeutung der Ausschließlichkeit von Senderechten für den Wert der Programme an,aber sie legt auch großen Wert darauf, daß der Zugang Dritter zu den Rechten nicht durch Dauer oderReichweite solcher Vereinbarungen für einen zu langen Zeitraum eingeschränkt oder der Markt aufandere Weise abgeschottet wird.

Von besonderer Bedeutung ist das Problem des Zugangs zu Senderechten auf dem Gebiet des Sports,was vor allem mit der Kurzlebigkeit der Attraktivität von Sportübertragungen zusammenhängt, aberauch mit der Bündelung der Übertragungsrechte bei den Dachverbänden des Sports, wodurch die Zahlder auf dem Markt verfügbaren Rechte abnimmt, sowie mit der relativ geringen Elastizität derZuschauernachfrage. Wegen der großen Bedeutung dieser Fragen und der zunehmenden Zahleinschlägiger Fälle sind in der GD IV Überlegungen über ein Gesamtkonzept zur Anwendung derWettbewerbsregeln im Sport im Gange.

E - Verkehrswesen

1. Linienschiffahrtskonsortien

84. Am 20. April 1995 hat die Kommission eine Gruppenfreistellungsverordnung fürSeeschiffahrtskonsortien erlassen46. Die neue Verordnung trat am 22. April 1995 in Kraft und gilt füreinen Zeitraum von fünf Jahren.

Um in den Genuß der Gruppenfreistellung zu kommen, muß ein Konsortium die Bedingungen undAuflagen der Artikel 5 bis 9 der Verordnung erfüllen, mit denen die Einhaltung von Artikel 85Absatz 3 EG-Vertrag gewährleistet werden soll. Vor allen Dingen sollen die Konsortien nur dort tätigwerden können, wo sie einem echten Wettbewerb ausgesetzt bleiben, damit auch dieVerladeunternehmen in angemessener Weise von solchen Vereinbarungen profitieren. Umautomatisch in den Genuß der Gruppenfreistellung zu gelangen, muß der Anteil eines Konsortiumsam direkten Handel in dem von ihm bedienten Hafenbereich weniger als 30 % betragen, sofern esinnerhalb einer Konferenz tätig ist, und andernfalls weniger als 35 %. Aber selbst wenn derHandelsanteil eines Konsortiums oberhalb der vorgenannten Höchstgrenzen liegt, ohne jedoch dieSchwelle von 50 % zu überschreiten, kann es in Anwendung des vereinfachtenWiderspruchsverfahrens des Artikels 7 dennoch in den Genuß der Gruppenfreistellung gelangen,wenn die übrigen in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind und die Kommissioninnerhalb von sechs Monaten nach Anmeldung keine Einwendungen gegen eine Freistellung erhobenhat. Beträgt der Anteil eines Konsortiums am direkten Verkehrsaufkommen mehr als 50 % und sind

46 Verordnung (EG) Nr. 870/95 der Kommission vom 20. April 1995 zur Anwendungvon Artikel 85 Absatz 3 des

Vertrags auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten

Verhaltensweisen zwischen Seeschiffahrtsunternehmen (Konsortien) aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 479/92

des Rates (ABl. L 89 vom 21.4.1995, S. 7). Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 68-70.

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auch die übrigen Voraussetzungen der Verordnung nicht erfüllt, ist die geplante Vereinbarung bei derKommission in Form eines Antrags auf eine Einzelfreistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag anzumelden.

85. Seit Inkrafttreten der Verordnung hat die Kommission ca. 30 Anmeldungen oderVoranmeldungen erhalten. In sieben Fällen47, davon 5 im Jahre 1996, hat sie das automatischeWirksamwerden der Gruppenfreistellungsverordnung bestätigt, da der Anteil am Verkehrsaufkommenunter 30 bzw. 35 % lag und auch die übrigen Voraussetzungen und Auflagen für eine Freistellungerfüllt waren. In einem anderen 48 hat sie den Parteien mitgeteilt, daß die angemeldete Vereinbarungkein Konsortium im Sinne der Verordnung darstellte, sondern eine einfache Vereinbarung über deneinseitigen Erwerb von Laderaum (slot charter agreement). Zu bestimmten Anmeldungen hat sich dieKommission noch nicht abschließend äußern können, da sie nicht vollständig vorgelegt wordenwaren.

86. Darüber hinaus wurden im Jahr 1996 fünf weitere Vereinbarungen genehmigt. Vier bereits vorInkrafttreten der Verordnung bestehende Konsortien wurden im Rahmen des vereinfachtenWiderspruchsverfahrens gemäß Artikel 7 genehmigt49 und können daher bis zum 21. April 2000, demDatum, zu dem die Verordnung ausläuft, weitergeführt werden. Die Kommission hat im übrigenfeststellen können, daß sämtliche Konsortien eine Rationalisierung der Tätigkeiten ihrer Mitgliederermöglicht haben, daß aber auch gleichzeitig Qualität und Frequenz der den Verladern angebotenenLiniendienste sowie in einigen Fällen auch die Anzahl der Zielhäfen ganz erheblich zugenommenhaben. Überdies hat sie festgestellt, daß diese Konsortien dennoch auf den von ihnen angebotenenLinien weiterhin einem wirklichen Wettbewerb ausgesetzt waren, so daß die Verlader angemessen anden Vorteilen dieser Vereinbarungen profitieren konnten.

87. Die fünfte Vereinbarung, die zwischen Finncarriers Oy Ab und Poseidon Schiffahrt AG zurEinrichtung der baltischen Schiffahrtskonferenz, kam in den Genuß einer Einzelfreistellung, da essich nicht um eine Konsortialvereinbarung im Sinne der Verordnung handelte. Gemäß derVereinbarung gewährleisten die beiden Parteien gemeinsame regelmäßige Fährdienste für den Roh-,Container- und Eisenbahn/Fähre-(Railship) Verkehr zwischen Häfen und Orten in Finnland einerseitsund (i) Häfen und Orten in Deutschland (und anderen Orten auf dem Kontinent über deutsche Häfen)sowie (ii) Häfen und Orten in Skandinavien (Schweden, Dänemark und Norwegen) andererseits undaußerdem im geringen Umfang Verkehrsdienstleistungen von und nach Rußland und Finnland indiese Länder.

Eine solche Vereinbarung über eine weitgehende Zusammenlegung von Diensten ist keineVereinbarung über ein Konsortium im Sinne der Verordnung 870/95, da es nicht ausschließlich den 47 Consortia G&c, Medway, Medipag, Medecs, Medsap, Maersk/P&O, später Euro/Asia( Maersk/Sealand) für den

Fernosthandel.

48 Vereinbarung über den Erwerb von Laderaum durch Lloyd Triestino auf Contship-Schiffen, die gemeinsam mit

einem anderen Reeder einen bestimmten Liniendienst durchführen.

49 Konsortium St Lawrence Coordinated Service (Canada Maritime Limited und Orient Overseas Container Line

(UK)); Konsortium East African Container Service (EACS) (Charente Steam-Ship Co Ltd, DSR-Senator Lines,

Ellerman Lines Ltd, P&O Containers Ltd, WEC Lines, Mediterranean Shipping Company); Konsortium Joint

Mediterranean Canada Service (Canada Maritime Limited und DSR-Senator Lines); Vereinbarung Joint Pool

Agreement (Andrew Weir Shipping Ltd und Euro Africa Shipping Line Co Ltd).

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Warentransport vor allem in Containern erfaßt. Es handelt sich um ein Konsortium, das sichgrößtenteils auf den nicht über Container abgewickelten Frachtverkehr bezieht und daher nicht in denGenuß der Gruppenfreistellung kommen, sondern nur einzeln genehmigt werden kann.

Um allen Interessenten Gelegenheit zur Äußerung zu geben, hat die Kommission den wesentlichenInhalt des Antrags veröffentlicht50. Da keine Bemerkungen bei ihr eingingen, hat die Kommissionbinnen der vorgesehenen Frist von 90 Tagen festgestellt, daß die Voraussetzungen von Artikel 85Absatz 3 erfüllt waren, und daher keine Einwände gegen die Vereinbarung erhoben. Die dortaufgeführten Seeverkehrstätigkeiten sind somit für einen Zeitraum von sechs Jahren freigestellt,die - im übrigen geringfügigen - Landverkehrstätigkeiten der Beteiligten für drei Jahre.

2. Festsetzung von Binnentarifen durch Linienkonferenzen

88. Die Kommission mißt der Frage der Festsetzung von Binnentarifen durch Linienkonferenzengrößte Bedeutung bei, wie schon ihre beiden Verbotsentscheidungen aus dem Jahr 1994 gegen dieTAA (Trans Atlantic Agreement)51 und die FEFC (Far Eastern Freight Conference)52 sowie derBericht vom 8. Juni 199453, in dem die allgemeine Haltung der Kommission zu dieser Praxisbeschrieben wird, zeigen.

Anläßlich der Ratsdebatte zu diesem Bericht im November 1994 hat Kommissionsmitglied Van Miertzugesagt, einen Bericht über die Durchsetzung dieser Leitlinien vorzulegen und sich dabei auf dieArbeit eines Beraterausschusses zu stützen. Dieser "Multimodale Gruppe" genannte Ausschuß hat imFebruar 1996 einen Zwischenbericht vorgelegt, der anschließend dem Rat zugeleitet wurde54.

89. In ihrem Zwischenbericht hält die Multimodale Gruppe fest, daß ihr noch kein einzigesüberzeugendes Argument vorgelegt wurde, wonach die kollektive Festsetzung von Binnentarifen fürdas Angebot von multimodalen Verkehrsleistungen und die Zusammenarbeit von Reedern imLandverkehr unerläßlich sei. Außerdem gäbe es bisher keinen Grund, dieser Praxis derLinienkonferenzen eine Einzel- oder Gruppenfreistellung zu erteilen.

In den Augen der Gruppe hat die kollektive Festsetzung von Binnentarifen durch die Konferenzenweder Anreize für die Verbesserung ihrer Landtransportdienstleistungen noch für Investitionen in denLandverkehrsabschnitt geboten.

Die Gruppe hat auch nicht das von den Reedern vorgebrachte Argument akzeptiert, wonach diegemeinsame Festsetzung von Binnentarifen zur Erleichterung der erforderlichen Investitionen fürmehr Zusammenarbeit auf dem Landabschnitt unerläßlich sei und daher unbedingt genehmigt werdenmüsse. Die Gruppe hat bekräftigt, daß die für eine vermehrte Zusammenarbeit auf dem Landabschnitt

50 ABl. C 44 vom 16.2.1996, S. 3.

51 Entscheidung vom 19. Oktober 1994 (ABl. L 376 vom 31.12.1994, S. 1).

52 Entscheidung vom 21. Dezember 1994 (ABl. L 378 vom 31.12.1994, S. 17).

53 SEK (94) 933. Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 71.

54 Zwischenbericht der Multimodalen Gruppe, veröffentlicht vom Amt für amtliche Veröffentlichungen der

Europäischen Gemeinschaften, 1996, 56 S., ISBN 92-827-6964X.

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und die Reduzierung der Kosten erforderlichen Investitionen auch dann im Interesse der Reedereienlägen, wenn den Konferenzen keine Genehmigung zu einer solchen Preisfestsetzung erteilt würde.

Im Schlußteil des Berichts fordert die Gruppe die Seeverkehrsgesellschaften auf, konkrete Vorschlägeüber die Zusammenarbeit auf dem Landabschnitt vorzulegen und zu erläutern, welche Vorteile dieVerladeunternehmer von einer solchen Zusammenarbeit zu erwarten hätten, und inwieweit diekollektive Preisfestsetzung für das Erreichen dieser Vorteile unerläßlich sei. Die Gruppe wird dieseVorschläge prüfen und Kommissionsmitglied Van Miert einen Abschlußbericht vorlegen, der für denSommer 1997 zu erwarten ist.

90. Der Zwischenbericht bestätigt nachdrücklich die Politik der Kommission, die sich um ein neues,effizienteres Sysem für den Landtransport von Containern bemüht, das zwischen den Interessen derVerladeunternehmen und der Reeder ein ausgewogeneres Verhältnis schafft und mit dengemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln vereinbar ist. Auch wenn der Bericht für die Kommission beider Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht bindend ist, bildet er doch eine wichtige Grundlage fürdie Beurteilung der einschlägigen Praktiken der Schiffahrtsindustrie.

91. Am 26. November 1996 hat die Kommission erneut beschlossen, den mit der Anmeldung derTACA-Vereinbarung durch die beteiligten Unternehmen im Hinblick auf die Festsetzung der Tarifefür den Landverkehrsabschnitt auf dem europäischen Kontinent bewirkten Schutz vor Geldbußenaufzuheben. Die TACA ist eine Vereinbarung zwischen Linienreedereien über den Seeverkehrzwischen Nordeuropa und den Vereinigten Staaten.

Die Kommission ist in ihrer Entscheidung zu der vorläufigen Schlußfolgerung gelangt, daß dieTACA-Bestimmungen über die gemeinsame Festsetzung der Binnentarife einen schweren undoffensichtlichen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags darstellen und in ihrergegenwärtigen Form unter keinen Umständen für eine Einzelfreistellung in Frage kommen.

3. Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern

3.1. Tarifkonsultationen im Luftfrachtverkehr

92. Am 24. Juli 1996 hat die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1523/9655 erlassen, mit derTarifkonsultationen im Bereich des Frachtverkehrs vom Anwendungsbereich der VerordnungNr. 1617/9356 ausgenommen werden.

55 Verordnung (EG) Nr. 1523/96 der Kommission vom 24. Juli 1996 zur Änderung der Verordnung (EWG)

Nr. 1617/93 (ABl. L 190 vom 31.7.1996, S. 11).

56 Verordnung (EWG) Nr. 1617/93 der Kommission vom 25. Juni 1993 zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3

EWG-Vertrag auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen

betreffend die gemeinsame Planung und Koordinierung von Flugplänen, den gemeinsamen Betrieb von

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Mit der Verordnung Nr. 1617/93 werden Vereinbarungen von Unternehmen u.a. überTarifkonsultationen im Personen- und Frachtlinienverkehr vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1ausgenommen. Diese Verordnung wurde erlassen, um einerseits den Unternehmen die erforderlicheZeit zur Anpassung an die Liberalisierung zu verschaffen und andererseits Interlining-Vereinbarungenzu erleichtern.

Seit der Annahme der Verordnung Nr. 3976/87 des Rates verfügten die Luftverkehrsgesellschaftenzur Anpassung an den zunehmenden Wettbewerb über 8 Jahre. Die Marktbedingungen haben sichseither vor allem wegen der schrittweisen Liberalisierung des Luftverkehrs erheblich geändert. DieKommission ist daher zu der Auffassung gelangt, daß die Gesellschaften genügend Zeit hatten, sichan das neue Umfeld anzupassen, so daß dieser Umstand nicht mehr als Rechtfertigung für eineFreistellung angesehen werden kann.

93. Was die Interlining-Vereinbarungen betrifft, so ist die Nutzung zwischen 1991 und 1994 um60 % zurückgegangen. Es hat sich überdies erwiesen, daß die Tarifkonsultationen zur Annahme vonTarifempfehlungen führen, die übertrieben hoch über dem Marktpreis liegen und daher denPreisanstieg insgesamt begünstigen. Die von den Gesellschaften vorgelegten Informationen habengezeigt, daß die tatsächlichen Preise im Interlining-Verkehr von den empfohlenen Tarifen teilweiseganz beträchtlich abweichen.

Die Kommission ist daher zu dem Ergebnis gelangt, daß Tarifkonsultationen für das Interlining imFrachtverkehr nicht mehr unerläßlich sind und die Freistellung daher aufgehoben werden sollte. DieseAufhebung wird jedoch erst am 1. Juli 1997 wirksam werden. Den Unternehmen bleibt aber auchdanach die Möglichkeit, eine Einzelfreistellung zu beantragen, falls sie die Voraussetzungen vonArtikel 85 Absatz 3 als erfüllt ansehen.

3.2. Preisabsprachen

94. Preisabsprachen zwischen Unternehmen stellen generell eine der schwersten Formen desWettbewerbsverstoßes dar und können nur in Ausnahmefällen vom Kartellverbot ausgenommenwerden. Die Darstellung dieser Tarife als "Preisempfehlungen" ändert nichts an ihremwettbewerbswidrigen Charakter.

95. Diesen Grundsatz hat die Kommission in einer Entscheidung gegen den niederländischenSpediteursverband Fenex vom 5. Juni angewandt. Der Verband hatte Tarifempfehlungen fürSpeditionstätigkeiten in Seehäfen und an Binnengrenzen ausgearbeitet und an seine Mitgliederweitergegeben. Bei diesen einheitlich festgesetzten Tarifen wurden die unterschiedlichenKostenstrukturen der einzelnen Unternehmen nicht berücksichtigt.

96. Im Laufe des Verfahrens hatte Fenex geltend gemacht, daß die fraglichen Tarife nur eineEmpfehlung darstellten, die die Freiheit der Spediteure zur Festsetzung ihrer Tarife nicht einschränke.Eine solche Empfehlung könne daher nicht als Beschluß einer Unternehmensvereinigung im Sinnevon Artikel 85 EGV angesehen werden. Die Kommission stellte demgegenüber fest, daß die

Flugdiensten, Tarifkonsultationen im Personen- und Frachtlinienverkehr sowie die Zuweisung von Zeitnischen auf

Flughäfen (ABl. L 155 vom 26.6.1993, S. 18). Diese Verordnung der Kommission wurde erlassen in Anwendung

der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3

EWG-Vertrag auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im

Luftverkehr (ABl. L 374 vom 31.12.1987, S. 9).

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Ausarbeitung und die Weitergabe empfohlener Tarife seitens Fenex den Willen der Vereinigunggetreu widerspiegelten, das Verhalten ihrer Mitglieder auf dem betreffenden Markt zu koordinieren.Ausarbeitung und Verbreitung von Tarifempfehlungen waren eine von Fenex langjährig geübtePraxis. Überdies hatten mehrere Mitglieder des Verbandes ein offensichtliches gemeinsames Interessean einer Koordinierung ihres Tarifverhaltens für die fraglichen Dienstleistungen. Zudem wurden dieTarifempfehlungen von Rundschreiben begleitet, aus denen der feste Wille des Verbandes zurDurchsetzung seiner Empfehlungen eindeutig hervorging. Schließlich war Fenex zur Ausarbeitungund Verbreitung von Tarifempfehlungen eindeutig befugt. Im Einklang mit der ständigenRechtsprechung des Gerichtshofs hat die Kommission festgestellt, daß die Praxis derTarifempfehlungen von Fenex einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgte, da sie Anreize für dieUnternehmen bot, sich unabhängig von ihren Gestehungskosten an diesen Tarifen auszurichten.

Nichts einzuwenden hatte die Kommission allerdings gegen das von Fenex seither verbreiteteKostenkalkulationsschema, das es jedem Unternehmen erlaubt, seine Verkaufspreise entsprechendden Gestehungskosten selbst zu berechnen. Ein solches Schema stellt ein zulässiges Hilfsmittel dar,das Berufsverbände ihren Mitgliedern weitergeben dürfen und das vor allem kleineren Unternehmenhelfen kann.

97. In einer anderen Entscheidung vom 30. Oktober hat die Kommission Geldbußen in Höhe von645.000 ECU gegenüber P&O, Stena-Sealink, Brittany Ferries, Sea France und North Sea Ferries,fünf Betreiber von Fährdiensten zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Kontinent, wegenBeteiligung an einem Preiskartell im Jahr 1992 verhängt. Die betroffenen Unternehmen hatten sichüber Betrag und Einführungsdatum eines Währungsaufschlags für die Frachtbeförderung geeinigt,nachdem das Pfund Sterling im September 1992 abgewertet worden war. Obwohl diese Praxis nurvon kurzer Dauer war, hielt die Kommission symbolische Geldbußen wegen der Offensichtlichkeitdes Verstoßes für ungeeignet.

4. Zusammenarbeit zwischen Luftfahrtgesellschaften

4.1. Europäische Allianzen

98. In ihrem XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995) hat die Kommission bereits ihrepositive Haltung zur Zusammenarbeit zwischen Luftfahrtgesellschaften zum Ausdruck gebracht,soweit nicht die Möglichkeiten für einen wirksamen Wettbewerb durch Neuzugänger auf denwichtigsten Strecken ausgeschlossen werden57. Aus diesem Grund hat die Kommission am 16. Januarunter bestimmten Voraussetzungen die Kooperationsvereinbarungen zwischen Lufthansa und SAS für10 Jahre genehmigt, mit denen die beiden Gesellschaften ein flugbetrieblich und wirtschaftlichintegriertes Luftverkehrssystem errichten wollen. Die Vereinbarung wird den Wettbewerbinsbesondere auf den Strecken zwischen Deutschland und Skandinavien beträchtlich einschränken,ermöglicht den beiden Gesellschaften allerdings auch eine Reduzierung ihrer Kosten und eineAusweitung ihrer Dienstleistungen zum Nutzen der Verbraucher. Die Kommission hielt jedochbestimmte Auflagen für erforderlich, um auch anderen Luftverkehrsgesellschaften die Bedienung derFlugstrecken zwischen Deutschland und Skandinavien zu ermöglichen. Zu diesen Auflagen zähltbeispielsweise die Abgabe von Zeitnischen auf stark ausgelasteten Flughäfen.

4.2. Vereinbarungen im Transatlantikverkehr

99. Verschiedene europäische Luftfahrtgesellschaften sind in den vergangenen MonatenKooperationsvereinbarungen mit amerikanischen Gesellschaften eingegangen: British Airways mit 57 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 76-78.

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American Airlines; Lufthansa mit United Airlines; SAS mit United Airlines,Swissair/Sabena/Austrian Airlines mit Delta. KLM hatte zuvor eine Vereinbarung mit Northwestgeschlossen. Es handelt sich um sogenannte Code-sharing-Vereinbarungen für die Strecken zwischenEuropa und den Vereinigten Staaten, die jedoch in Wirklichkeit eine enge Zusammenarbeit in denBereichen Kapazitätsbewirtschaftung, Vertriebspolitik, Tarife, Flugpläne, Einnahmeteilung,Vielfliegerprogramme usw. umfassen. Gegenstand sind zwar in erster Linie die Strecken zwischender Gemeinschaft und den USA, aber sie haben auch Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichenFlugverkehr. In der Regel bezwecken die Parteien, nach außen hin auf bestimmten Strecken als eineEinheit aufzutreten, gleichzeitig aber ihre rechtliche Autonomie zu wahren58.

Obwohl sich die Kommission 1996 nicht abschließend zur Anwendbarkeit von Artikel 85 und 86geäußert hat, kann davon ausgegangen werden, daß diese Vereinbarungen den Wettbewerb auf denStrecken zwischen den Vereinigten Staaten und Europa sowie auf bestimmteninnergemeinschaftlichen Flugstrecken erheblich einschränken dürften. Zu berücksichtigen sind auchrechtliche Hindernisse (insbesondere Zugangsrechte der Parteien der Vereinbarungen zu Strecken imtransatlantischen und innergemeinschaftlichen Verkehr im Verhältnis zu den Zugangsrechten andererUnternehmen) und praktische Hindernisse wie die Schwierigkeit, in bestimmten FlughäfenZeitnischen zu erhalten, oder das Problem der Zusammenlegung der Vielfliegerprogramme. Daherwäre zu prüfen, ob diese Vereinbarungen mit Artikel 85 und 86 EGV vereinbar sind und unterwelchen Voraussetzungen sie gegebenenfalls genehmigt werden könnten.

100.Die Kommission hat Verfahren eingeleitet und stützt sich dabei auf drei verschiedeneRechtsakte.

Für die Dienste zwischen EG-Flughäfen stützt sich die Kommission auf die Verordnung Nr. 3975/87des Rates, in der die Anwendung von Artikel 85 und 86 auf den Luftverkehr geregelt ist59. Da derGerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache "Nouvelles Frontières" die Auffassung derKommission bestätigt hat, daß Artikel 85 ff. auf den Luftverkehr anwendbar seien60, mußtenspezifische Vorschriften erlassen werden, soweit die Verordnung Nr. 17 von 1962 für diesenWirtschaftszweig nicht gilt. Aus diesem Grund wurden die Verordnungen Nr. 3975/87 und 3976/87erlassen, wonach die Kommission Gruppen von Zusammenarbeitsvereinbarungen zwischenLuftfahrtgesellschaften freistellen kann61. Diese Verordnungen sind jedoch nur auf die 58 ABl. C 289 vom 2.10.1996, S. 4.

59 Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 über die Einzelheiten der Anwendung der

Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen (ABl. L 374 vom 31.12.1987, S. 1), geändert durch die

Verordnung (EWG) Nr. 1284/91 des Rates vom 14. Mai 1991 (ABl. L 122 vom 17.5.1991, S. 2) und die

Verordnung (EWG) Nr. 2410/92 des Rates vom 23. Juli 1992 (ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 18).

60 Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 1986 in den Rechtssachen 209 bis 213/84 Ministère Public gegen Asjes,

Slg. 1986, S. 1425.

61 Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des

Vertrages auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im

Luftverkehr (ABl. L 374 vom 31.12.1987, S. 9), geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2344/90 des Rates vom

24. Juli 1990 (ABl. L 217 vom 11.8.1990, S. 15) und Verordnung (EWG) Nr. 2411/92 des Rates vom 23. Juli 1992

(ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 19).

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innergemeinschaftlichen Flugstrecken anwendbar62. Auf den Flugverkehr zwischen der Gemeinschaftund Drittländern finden Sie daher keine Anwendung.

Somit muß sich die Kommission für den Dienstleistungsverkehr zwischen der Gemeinschaft undDrittländern auf die Übergangsregelung des Artikels 89 EGV stützen. In der Rechtssache "Nouvellesfrontières" hat der Gerichtshof bestätigt, daß sich die Kommission bei der Prüfung dieserDienstleistungen auf ihre Vereinbarkeit mit Artikel 85 ff. auf Artikel 89 stützen darf.

Für Dienstleistungen, die nicht direkt mit dem Luftverkehr in Zusammenhang stehen (z.B.computergesteuerte Reservierungssysteme), stützt sich die Kommission auf die Verordnung Nr. 17vom 6. Februar 1962.

Parallel zu dem von der Kommission eingeleiteten Verfahren haben auch die britischen Behördengemäß Artikel 88 EGV ein Verfahren zur Prüfung der Vereinbarung zwischen BA und AA auf dieVereinbarkeit mit den Artikeln 85 und 86 eingeleitet. Die deutschen Behörden prüfen dieVereinbarung zwischen Lufthansa, SAS und United Airlines. Beide Verfahren erstrecken sich jedochlediglich auf die Dienstleistungen zwischen der Gemeinschaft und den USA, da die VerordnungenNr. 3975/87 (für die innergemeinschaftlichen Dienstleistungen) und Nr. 17/62 (für die nicht direktmit dem Luftverkehr im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen) der Einleitung oder Fortführungeines Verfahrens auf EG-rechtlicher Grundlage durch die Mitgliedstaaten entgegenstehen, wenn dieKommission tätig geworden ist.

101.In den Rechtssachen "Nouvelles Frontières" und "Ahmed Saeed"63 sind die Schwierigkeiten derderzeitigen Regelung zur Anwendung der Wettbewerbsvorschriften auf Vereinbarungen überVerbindungen mit Drittländern deutlich zutage getreten.

Diese Schwierigkeiten machen deutlich, wie notwendig es ist, den Geltungsbereich der VerordnungenNr. 3975/87 und 3976/87 auf Verbindungen mit Drittländern auszudehnen. Eine solche Ausweitungdes Geltungsbereichs würde die Kommission in die Lage versetzen, Artikel 85 und 86 direkt aufwettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen über solche Verbindungen anzuwenden, und nicht mehrnur mittelbar durch Rückgriff auf das Verfahren gemäß Artikel 89. Die Kommission wird dem Rat1997 zwei Verordnungsvorschläge vorlegen. Mit dem einen soll die Verordnung Nr. 3975/87 aufDrittländer ausgeweitet werden; der andere Vorschlag betrifft den Erlaß einer ad hoc-Verordnung, diein weiten Teilen der Verordnung Nr. 3976/87 ähneln und die Befugnis der Kommission zuGruppenfreistellungen auf Drittländer ausweiten würde. Dieser Vorschlag würde überdies dieRechtssicherheit für die Luftfahrtgesellschaften erhöhen.

102.Die Erweiterung des Geltungsbereichs der Verordnung Nr. 3975/87 ist aber noch vor einemanderen Hintergrund zu sehen. Am 17. Juni 1996 erteilte der Rat der Kommission das Mandat, mitden Vereinigten Staaten ein Abkommen über einen gemeinsamen Luftraum zwischen derEuropäischen Union und den USA auszuhandeln. Dieses Abkommen, bei dem Wettbewerbsaspekteeine wichtige Rolle spielen würden, dürfte - falls es zustandekommt - den Luftfahrtgesellschaften

62 Ursprünglich erstreckten sie sich lediglich auf internationale Flüge zwischen Flughäfen der Gemeinschaft; seit dem

25. August 1992 sind sie jedoch durch die Verordnungen Nr. 2410/92 und 2411/92 des Rates vom 23. Juli 1992 bei

der Verabschiedung des dritten Vorschriftenpakets zur Liberalisierung des Luftverkehrs auch auf Flüge im Inneren

eines Mitgliedstaates (Kabotageverkehr) ausgeweitet worden.

63 Urteil des Gerichtshofs vom 11. April in der Rechtssache 66/86 Ahmed Saeed, Slg. 1989, S. 803.

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beider Parteien die freie Ausübung ihrer Tätigkeiten in der Union und den Vereinigten Staaten aufwirtschaftlicher Grundlage und unter Gewährleistung gleicher Wettbewerbschancen ermöglichen64.

F - Energiewirtschaft

103.Auch in der Energiewirtschaft hat die Kommission mehrere Fälle prüfen müssen (Vereinbarungüber die Veräußerung von Strom unabhängiger Erzeuger an den Netzbetreiber und Gaslieferverträgefür Stromerzeuger in Italien und Portugal).

Im Stromsektor hat die Kommission in der Phase der Liberalisierung65 langfristige Verträge über denVerkauf von Elektrizität durch unabhängige Erzeuger an den nationalen Netzbetreiber genehmigt, dadie Erzeuger de facto über wenig andere Absatzmöglichkeiten verfügten und die Höhe derInvestitionen einen stabilen Absatz erforderlich machte. Die Kommission wird jedoch künftigalternative Absatzmöglichkeiten für die unabhängigen Erzeuger in den betroffenen Ländern nach derUmsetzung der Liberalisierungsrichtlinie berücksichtigen müssen.

Überdies hat die Kommission einen langfristigen Gasliefervertrag für ein Großkraftwerk genehmigt,da auf diese Weise die aufkommende Gasindustrie in diesem Mitgliedstaat über eine stabile und fürihre Weiterentwicklung ausreichend wichtige Absatzmöglichkeit verfügt. Die Kommission hatdemnach berücksichtigt, daß es sich um einen jungen Markt handelt und eine ausreichend großeAbsatzgrundlage erforderlich ist, um den Ausbau eines Netzes zu ermöglichen. Damit greift dieKommission aber keineswegs ihrer Haltung zu anderen langfristigen Lieferverträgen vor, die zu einerAbschottung des Marktes führen könnten.

G - Der Wettbewerb und der Sport

104.Im Anschluß an das Bosman-Urteil66 hat die Kommission mehrfach ihre Entschlossenheitbekundet, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln jene Grundsätze durchzusetzen, die sich ausdem Urteil ergeben. Aus diesem Grunde erging am 19. Januar 1996 ein offizielles Mahnschreiben andie FIFA und die UEFA, in dem auf die Möglichkeit eines Verfahrens gemäß Artikel 85 Absatz 1EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen wegen der Regeln dieser beiden Verbändehingewiesen wurde, die vom Gerichtshof als mit Artikel 48 EG-Vertrag unvereinbar erklärt wordenwaren.

In diesem Mahnschreiben wurden die beiden Verbände davon unterrichtet, daß das bei derKommission am 28. Juli 1995 angemeldete internationale Transfersystem aufgrund des Bosman-Urteils nicht für eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EGV und Artikel 53 Absatz 3 EWR-Abkommen in Frage kam. Den beiden Verbänden wurde gleichfalls mitgeteilt, daß auch dieBegrenzung der Zahl ausländischer Spieler in nationalen oder internationalen Vereinswettbewerben(die sogenannte '3+2'-Regel), falls sie bei der Kommission angemeldet werden sollte, für eineFreistellung ebenfalls nicht in Frage käme.

64 Siehe auch Kapitel V-B.

65 siehe unten Kapitel II.C.

66 Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C 415/93, Union royale belge des sociétés

des football association gegen Bosman, Slg. 1995, S. I-4921.

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105.Die FIFA und die UEFA haben der Kommission mitgeteilt, daß das internationaleTransfersystem auf Spieler, die nach Vertragsablauf innerhalb des EWR zu einem Verein ins Auslandwechseln, keine Anwendung mehr finden würde. Überdies bestätigte die UEFA, daß ihrExekutivkomitee die Staatsangehörigkeitsklauseln ('3+2'-Regel) förmlich mit sofortiger Wirkung fürsämtliche Vereinswettbewerbe der UEFA innerhalb des EWR aufgehoben habe.

106.Auch nach der Abschaffung des internationalen Transfersystem der FIFA und der UEFA imInneren der Gemeinschaft und des Europäischen Wirtschaftsraums ist die Rechtslage in bestimmtenFällen noch zu klären. Die FIFA und die UEFA hatten ihr internationales Transfersystem bei derKommission angemeldet, bevor der Gerichtshof es für mit Artikel 48 unvereinbar erklärte. DieAnmeldung betrifft Beschlüsse (Regeln) der FIFA und der UEFA, mit denen ein internationalesTransfersystem eingerichtet wird, das die Zahlung von Ablösesummen in Form von Transfer-,Förder- oder Ausbildungsentschädigungen für Berufsfußballer oder ins Profilager gewechselteFußballspieler unabhängig von ihrer Nationalität vorsieht, wenn diese nach Ablauf ihres Vertragsinnerhalb der Gemeinschaft oder des EWR zu einem ausländischen Verein wechseln. Dasangemeldete Regelwerk enthält auch die von der FIFA verbindlich vorgeschriebene Verpflichtung dernationalen Fußballverbände, ein gleichartiges System auch auf innerstaatlicher Ebene einzurichten.

107.Die Kommission hätte sich daher auch zur Vereinbarkeit jener Fälle mit Artikel 85 zu äußern, dievom Gerichtshof nicht als Verstoß gegen Artikel 48 EGV angesehen wurden, d.h. zum einen dieZahlung von Ablösesummen für Spieler aus Drittländern, die nach Ablauf ihrer Verträge mit einem inder Gemeinschaft oder im EWR ansässigen Verein zu einem anderen Verein im EWR wechseln, undzum anderen die von FIFA auferlegte Pflicht der nationalen Verbände der Gemeinschaft und desEWR, nationale Transfersysteme einzurichten. Die Anmeldung wurde jedoch von der UEFA und derFIFA zurückgezogen; Alternativvorschläge sind bei der Kommission noch nicht formell eingereichtworden.

H - Finanzdienstleistungssektor

108.Am 24. Juni 1996 hat die Kommission eine Vereinbarung über die umfassende und im Prinzipausschließliche weltweite Zusammenarbeit zwischen der Banque Nationale de Paris und derDresdner Bank für zehn Jahre genehmigt. Die Vereinbarung betrifft in erster Linie das internationaleBankgeschäft, sieht aber auch in Frankreich und in Deutschland den Vertrieb der Leistungen desPartners über das jeweilige Inlandsnetz der beiden Banken vor. Hinsichtlich dieserInlandszusammenarbeit hat die Kommission eine Änderung jener Klausel durchgesetzt, wonach jededer beiden Banken über das uneingeschränkte Vetorecht gegen Kooperationsvereinbarungen desPartners mit einem inländischen Wettbewerber verfügt hätte.

109.Im vergangenen Jahr hatte die Kommission eine Mitteilung über die Anwendung dergemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf grenzüberschreitende Überweisungssystemeangenommen67. Sie wird daran erinnern, daß diese Mitteilung sowohl den außerpreislichen als auchden Preiswettbewerb betrifft.

Was den außerpreislischen Wettbewerb angeht, so werfen Regeln über die Mitgliedschaft ingrenzüberschreitenden Überweisungssystemen vor allem dann wettbewerbsrechtliche Bedenken auf,wenn ein solches System eine wesentliche Einrichtung darstellt. 1996 haben die Dienststellen derKommission das Clearing- und Abrechnungssystem der 'ECU Banking Association' fürÜberweisungen in Ecu anhand dieser Mitteilung geprüft. Da das System den in dieser Mitteilungaufgeführten Anforderungen entsprach, wurde der Fall mit einem Verwaltungsschreibenabgeschlossen. Auch zwei andere Systeme für spezifisch grenzüberschreitende Überweisungen,

67 ABl. C 251 vom 27.9.1995, S. 3. Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 45-48.

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nämlich IBOS und Eurogiro, wurden per Verwaltungsschreiben genehmigt, obwohl sie restriktiveKlauseln über die Mitgliedschaft enthielten, da diese Systeme keine wesentliche Einrichtung imSinne der Mitteilung darstellten.

Überdies hat die Kommission in diesen beiden Fällen und in einer dritten Sache, der Anmeldungeines Systems durch den dänischen Bankenverband (Danish Bankers Association), auch geprüft, obder Preiswettbewerb beeinträchtigt wurde. Dabei wurde insbesondere untersucht, ob die an diesenÜberweisungssystemen beteiligten Banken sich auf eine Überweisungsgebühr geeinigt hatten und obeine solche Gebühr freistellbar war. Im Falle von IBOS gab es eine solche Gebühr nicht. Im FallEurogiro war ursprünglich eine Gebühr vorgesehen (multilateral interchange-fee, MIF), die von derBank des Auftraggebers bei dringenden Überweisungen an die Bank des Empfängers zu entrichtenwar; die Banken haben jedoch aus eigenem Antrieb auf diese Überweisungsgebühr verzichtet. Dasdänische System schließlich enthielt ebenfalls eine solche multilaterale Gebühr (die von derEmpfängerbank an die Korrespondenzbank zu entrichten war), aber diese Gebühr stellte keineerhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 dar.

I - Statistische Übersicht

110.Im Berichtsjahr sind bei der Kommission 471 neue Fälle eingetragen worden, davon 209Anmeldungen, 168 Beschwerden und 94 von Amts wegen eröffnete Verfahren. Obwohl die Zahl derneuen Fälle gegenüber 1995 zurückging, wird der Jahresdurchschnitt der letzten neun Jahre immernoch um mehr als 10 % übertroffen. Die Zahl der Anmeldungen ging im Berichtsjahr stark zurück,wohingegen die Zahl der Beschwerden und der von Amts wegen eingeleiteten Verfahren erheblichzunahm.

Schaubild 1 : Neue Fälle

111.Im Berichtsjahr hat die Kommission insgesamt 386 Verfahren abgeschlossen, davon 365 durchbefürwortende bzw. ablehende Verwaltungsschreiben, Zurückweisung einer Beschwerde und

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Einstellung des Verfahrens68 und 21 durch förmliche Entscheidungen. Die Zahl der eingestelltenVerfahren ist gegenüber 1995 leicht zurückgegangen.

Schaubild 2 : Abgeschlossene Fälle

68 Verfahren eingestellt, weil die Vereinbarungen nicht mehr in Kraft oder von zu geringer Auswirkung waren, um

weitere Untersuchungen zu rechtfertigen, weil Beschwerden zurückgezogen wurden oder weil die Untersuchungen

keine wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen erbracht hatten.

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112.Im Berichtsjahr ist der Bestand der zum Jahresende noch nicht entschiedenen Fälle im Verhältniszum Vorjahr um 7 % gestiegen.

Schaubild 3 : Entwicklung des Verfahrensbestandes

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II - Staatliche Monopole und Monopolrechte

A - Allgemeines

113.Die Liberalisierung der herkömmlichen Monopolsektoren ist ein grundlegender Schritt bei derVervollständigung des Binnenmarkts zum Nutzen der Europäischen Verbraucher. Die Kommissionist sich dabei bewußt, daß die besonderen Merkmale dieser Sektoren häufig legitimen Erwägungendes sozialen Zusammenhalts entspringen. Deshalb achtet sie darauf, daß bei der Liberalisierung dieZiele der Daseinsvorsorge gewahrt bleiben, wobei aber die dafür eingesetzten Mittel Wettbewerb undHandel nicht stärker einschränken dürfen als unbedingt erforderlich.

Wie in der Mitteilung vom 11. September 1996 über die Leistungen der Daseinsvorsorge in Europadargelegt69 ist die Vorgehensweise der Kommission in diesem Bereich pragmatisch, progressiv undauf die besonderen Merkmale jedes Sektors abgestimmt. Sie ist darum bemüht, bei den Modalitätenund Zeitplänen der Liberalisierung einen umfassenden Konsens mit den übrigenGemeinschaftsinstitutionen, den Mitgliedstaaten und den beteiligten Gruppen herzustellen. DieserKonsens führt häufig zu einem Gleichklang bei den maßgeblichen Grundgedanken für dieLiberalisierungsmaßnahmen der Kommission und die von Rat und Parlament erlassenenHarmonisierungsrichtlinien. Die Kommission wird sich jedoch sämtlicher ihr zur Verfügungstehenden Instrumente und dabei insbesondere der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages bedienen,um zu gewährleisten, daß diese häufig in Form von Richtlinien ausgedrückten Liberalisierungszielenicht durch wettbewerbswidrige Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten oder der Wirtschaft verfälschtwerden70.

114.Die Kommission ist davon überzeugt, daß die Vereinbarkeit zwischen den Zielen derLiberalisierung und der Daseinsvorsorge auch mit den bestehenden Wettbewerbsregeln gewährleistetwerden kann. Deshalb hat sie sich gegen die Vorschläge für eine Änderung von Artikel 90 EGV imRahmen der Regierungskonferenz ausgesprochen. Für eine Änderung sieht sie keinen tatsächlichenBedarf aus Gründen der Daseinsvorsorge. Vielmehr würden dadurch bestimmte Gruppen inSchlüsselsektoren der europäischen Wirtschaft jeglicher Gemeinschaftskontrolle entzogen undunausgewogene Wettbewerbsbedingungen zwischen den Wirtschaftsbeteiligten der verschiedenenMitgliedstaaten und zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen mit möglicherweisenachteiligen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie oder den Preisund die Qualität der Verbraucherdienstleistungen entstehen.

Die Gemeinschaft hat sich auf vielfältige Weise für die Entwicklung der Vorsorgeleistungeneingesetzt. Wie von der Kommission in ihrer Mitteilung vom 11. September dargelegt, leisten eineVielzahl gemeinschaftlicher, im Rahmen der bestehenden Zuständigkeiten ergriffenen Initiativenbereits einen nützlichen Beitrag, um gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Ziele derDaseinsvorsorge zu verwirklichen. Dies ist der Fall bei sektorbezogenen Initiativen, um dasMindestniveau der Grundversorgung für sämtliche Bürger der Europäischen Union zu definieren;derartige Definitionen sind nur sinnvoll, wenn sie den Gegebenheiten jedes einzelnen Sektors ineinem bestimmten Zeitpunkt Rechnung tragen, und ihre angemessene Ausdrucksform ist nicht der

69 Bekanntmachung der Kommission vom 11. September 1996 über die Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa

(ABl. C 281 vom 26.9.1996, S. 3).

70 Dieses Kapitel beschreibt im wesentlichen das gemeinschaftliche Vorgehen gegenüber staatlichen Maßnahmen, die

den Wettbewerb beeinträchtigen. Die Verhaltensweisen der Unternehmen werden in anderen Kapiteln dieses

Berichts beschrieben.

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EG-Vertrag, sondern die Richtlinie. Dies trifft auch auf die zahlreichen Maßnahmen im Bereich desUmweltschutzes, der Verbraucherpolitik oder der transeuropäischen Netze zu. Die Kommission hatsich zur Aufgabe gemacht, diese Initiativen fortzuentwickeln, weshalb sie es auch begrüßen würde,wenn in Artikel 3 des EG-Vertrages ein Absatz "u" ("ein Beitrag zur Förderung derVorsorgeleistungen") eingefügt würde. Auf diese Weise könnten die gemeinschaftlichen Initiativenim Bereich der Daseinsvorsorge fortschreitend weiterentwickelt werden, ohne den Grundsatz derKompetenzenteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu erschüttern und ohnedas bestehende Gleichgewicht zwischen den gemeinschaftlichen Zielen der wirtschaftlichenIntegration und den nationalen Zielen der Daseinsvorsorge zu ändern.

B - Telekommunikation

115.In den Richtlinien gemäß Artikel 90 EGV sind die Grundsätze der Liberalisierung im Bereich derTelekommunikation festgelegt. Die auf dem Grundsatz des offenen Netzzugangs (ONP) nach Artikel100A erlassenen Richtlinien bereiten diese Richtlinien vor bzw. vervollständigen sie, indem sie denZugang der Neuzugänger zu Mietleitungen, Lizenzen und zur Zusammenschaltung regeln und ihrenBeitrag zur Grundversorgung festlegen.

1. Richtlinie zur Liberalisierung des Mobilfunks

116.Die Kommission hat am 16. Januar eine Richtlinie erlassen, die im Einklang mit denDarlegungen im Grünbuch über die mobile und personenbezogene Kommunikation den europäischenMarkt der mobilen Kommunikation und Personal Communication71 für den Wettbewerb öffnet. DieRichtlinie wurde im Anschluß an die Konsultierung der Beteiligten auf der Grundlage einesVorentwurfs vom August 1995 erlassen. Die auf Artikel 90 des EG-Vertrags beruhende Richtlinieverlangt von den Mitgliedstaaten, die in diesem Bereich fortbestehenden ausschließlichen oderbesonderen Rechte aufzuheben und Zulassungsverfahren im Einklang mit dem Gemeinschaftsrechteinzuführen. Außerdem bestimmt sie die Aufhebung der aufsichtsrechtlichen Beschränkungen bei derNutzung eigener oder fremder Infrastrukturen (wie z.B. die Einrichtungen von Strom- undEisenbahngesellschaften) für die Errichtung der Mobilfunknetze, und sieht die grenzüberschreitendedirekte Zusammenschaltung zwischen Mobilfunknetzen und Festnetzen in ihrem Artikel 4 vor.Mitgliedstaaten wie Portugal, Griechenland, Spanien und Irland mit weniger ausgebauten Netzenkonnten eine zusätzliche Umsetzungsfrist für die Aufhebung dieser Beschränkungen beantragen.Lediglich Irland und Portugal haben auf diese Möglichkeit zurückgegriffen72.

Die Öffnung des Mobilfunkmarktes für den Wettbewerb erhält eine besondere Bedeutung imHinblick auf die vollständige Liberalisierung des Telekommunikationssektors zum 1. Januar 1998, dasie die Möglichkeiten einer Gebührenerhöhung für Ortsgespräche in den Festnetzen einschränkt.Auch werden die neuen Anbieter über Mobilfunktechniken wie z.B. DECT oder DCS 1800 ihreKunden bedienen können, ohne durch die Ortsschleife der Monopolgesellschaften gehen oder eigenekostspielige Ortsschleifen in einem Festnetz des Sprachtelefondienstes errichten zu müssen. Dievorhandenen Festnetzbetreiber werden wahrscheinlich versucht sein, ihr Errichtungsmonopol voll zurGeltung zu bringen, bevor die Auswirkungen des vollständigen Wettbewerbs spürbar werden. Dabei

71 Richtlinie 96/2/EG der Kommission zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG betreffend die mobile

Kommunikation und Personal Communication (ABl. L 20 vom 26.1.1996, S. 59), XXV. Bericht über die

Wettbewerbspolitik 1995, Ziff. 104.

72 Am 27. November hat die Kommission Irland eine zusätzliche Umsetzungsfrist eingeräumt (siehe nachstehend

Ziffer 4).

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wird der schnelle Rückgang der Mobilfunkgebühren bewirken, daß auch die Festnetztarife fürOrtsgespräche eine bestimmte Höchstgrenze nicht übersteigen.

2. Richtlinie über den vollständigen Wettbewerb

117.Die Kommission hat am 13. März eine Richtlinie über die Einführung des Wettbewerbs auf demgesamten europäischen Markt der Telekommunikationsdienste und -infrastrukturen erlassen73.

Diese auf Artikel 90 des EG-Vertrages beruhende Richtlinie, deren Erlaß eine umfassendeKonsultierung vorausging, hat die Öffnung für den Wettbewerb der letzten noch vom Monopolgeprägten Segmente des gemeinschaftlichen Telekommunikationsmarktes zum 1. Januar 1998 beieiner Verbesserung der Grundversorgung zum Ziel. Die ausschließlichen Rechte bei derBereitstellung des Sprachtelefondienstes und der öffentlichen Telekommunikationsnetze müssen biszu diesem Datum aufgehoben sein. Außerdem schreibt die Richtlinie vor, daß bis zum 1. Juli 1996die Nutzung der alternativen Infrastrukturen (wie z.B. die Telekommunikationsnetze derEisenbahngesellschaften und der Strom- und Wasserversorgungsunternehmen) für die Erbringungsämtlicher Dienste mit Ausnahme des öffentlichen Sprachtelefondienstes, für den der 1. Januar 1998als Termin gesetzt wurde, liberalisiert sein muß. Artikel 2 der Richtlinie räumt jedoch dieMöglichkeit ein, Mitgliedstaaten mit weniger entwickelten oder sehr kleinen Netzen zusätzlicheUmsetzungsfristen zu gewähren. Irland, Spanien, Portugal, Griechenland und Luxemburg habenZusatzfristen beantragt74.

Die Richtlinie legt außerdem die Grundsätze fest, denen die nationalen aufsichtsrechtlichenBestimmungen insbesondere hinsichtlich Zusammenschaltung, Erteilung von Lizenzen undFinanzierung der Grundversorgung ab 1998 entsprechen müssen. Die Regulierungsinstrumentemüssen transparent und nichtdiskriminierend sein und dürfen den Wettbewerb so wenig wie möglicheinschränken; außerdem müssen sie die Verwirklichung wichtiger Ziele der Daseinsvorsorge möglichmachen.

118.Die Kommission hat am 13. März neben der Richtlinie über den vollständigen Wettbewerb aucheine Bekanntmachung über den Begriff des Universaldienstes und seine Fortentwicklung in demneuen vollständig liberalisierten Telekommunikationsumfeld erlassen75.

In dieser Bekanntmachung wird der Universaldienst als die Verpflichtung definiert, zum einen denZugang zum öffentlichen Fernsprechnetz zu gewährleisten und zum anderen sämtlichen Benutzernauf zumutbaren Antrag einen Telefondienst zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. DieKommission ist sich bewußt, daß trotz der im Bereich der Grundversorgung festzustellendenFortschritte berechtigte Bedenken fortbestehen vor allem im Hinblick auf die Erschwinglichkeit derGebühren, die Grundversorgung in den am stärksten benachteiligten und geringsten bevölkertenGebieten und die Notwendigkeit, Qualitätsnormen festzulegen. Diese Bedenken könnten die 73 Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388/EWG hinsichtlich

der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten (ABl. L 74 vom 22.3.1996, S.

13).

74 Am 27. November hat die Kommission Irland eine zusätzliche Frist eingeräumt (siehe Ziffer 4).

75 Mitteilung der Kommission zum Universaldienst in der Telekommunikation im Hinblick auf ein vollständig

liberalisiertes Umfeld (KOM(96) 73 endg).

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Errichtung spezifischer Mechanismen rechtfertigen. Die Richtlinie sieht deshalb vor, daß dieMitgliedstaaten der Kommission die zur Gewährleistung der Grundversorgung beabsichtigtenMaßnahmen melden.

119.Die Kommission hat am 27. November die Kriterien veröffentlicht, anhand deren sie dienationalen Mechanismen zur Finanzierung der Grundversorgung beurteilen wird76. EinigeMitgliedstaaten könnten derartige Mechanismen nicht für erforderlich halten, sei es, weil diePflichtleistungen keine Nettokosten verursachen, sei es, weil die Nettokosten den betreffendenBetreibern keine unbillige Last aufbürden. Sollten die Pflichtleistungen jedoch Nettokostenverursachen, kann der Mitgliedstaat wählen, sie entweder direkt zu finanzieren oder einen besonderenFinanzierungsmechanismus vorzusehen. In letzterem Fall dürfen nur die Nettokosten gedeckt werden,die bei den in den Gemeinschaftsvorschriften definierten Pflichtleistungen entstehen. Hinsichtlich derEinrichtungen, die sich an der Finanzierung dieser Kosten beteiligen müssen, sind die Mitgliedstaatenverpflichtet, die Einbeziehung neuer Marktzugänger oder Mobilfunkbetreiber in die Finanzierung zurechtfertigen. In diesen Finanzierungsmechanismen muß eine angemessene Gewichtung derFinanzierungsanteile zwischen den einzelnen Betreibern nach Maßgabe ihrer Tätigkeit auf dementsprechenden Markt und deren Substituierbarkeit mit der Telefongrundversorgung vorgenommenwerden. Die Kommission wird darüber wachen, daß diese Mechanismen auf objektive,nichtdiskriminierende, transparente und proportionelle Weise funktionieren.

3. Entscheidung über den Mobilfunk in Spanien

120.Am 18. Dezember hat die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 90 EGV an Spanienwegen der von Airtel Movil für die Erteilung der zweiten Lizenz für GSM-Dienste gefordertenAbschlagszahlung gerichtet. Der zweite Betreiber, der seinen Dienst im Oktober 1995 aufgenommenhat, war im Rahmen eines Versteigerungsverfahrens ausgewählt worden, das ihn zur Zahlung einesBetrages von 85 Mrd. ESP zwang, während der öffentliche Betreiber Telefónica seine GSM-Diensteanbieten durfte, ohne für die Zulassung zahlen zu müssen. Der Betrag von 85 Mrd. ESP macht einDrittel der Investitionen aus, die erforderlich sind, um das gesamte spanische Landgebiet zu erfassen.Die Kommission befand in der Entscheidung, daß Telefónica dadurch einen Wettbewerbsvorteilerhielt, der seine beherrschende Stellung gegenüber dem zweiten GSM-Betreiber zu stärken vermag.Eingedenk dieses Kostenvorteils könnte Telefonica entweder die Ausbreitung seines Netzeshinauszögern und damit die Produktion, die Absatzmärkte oder die technische Entwicklung bei demGSM-Dienst einschränken, oder es könnte die Gebühren senken und seine beherrschende Stellung aufdem GSM-Markt ausbauen, da Airtel nicht auf die gleiche Weise würde vorgehen können. DieKommission hat in dieser Entscheidung festgestellt, daß diese Vorgehensweise den Wettbewerb imWiderspruch zu den Artikeln 90 und 86 EGV verfälscht, und deshalb die spanische Regierungaufgefordert, entweder den Betrag von 85 Mrd. ESP an Airtel zurückzuzahlen oder einengleichwertigen Ausgleich zu schaffen. Diese Entscheidung der Kommission schließt an gleichartigeFälle in Österreich, Belgien, Irland und Italien an77.

4. Einräumung einer zusätzlichen Umsetzungsfrist bei bestimmten Gesichtspunkten derTelekomliberalisierung in Irland

121.Die Kommission hat mit ihrer Entscheidung vom 27. November über einen Antrag Irlandsbefunden, für die Liberalisierung der Telekommunikationsdienste eine zusätzliche Umsetzungsfrist zubeanspruchen78. Irland hat bei diesem Antrag die Ausnahmebestimmungen der Richtlinien über 76 KOM(96) 608 endg.

77 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Ziff. 109 und 110.

78 ABl. L 41 vom 12.2.1997, S. 8.

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Mobilfunk und vollständigen Wettbewerb für Länder mit weniger ausgebauten Netzen geltendgemacht. Im Anschluß an eine umfassende Konsultierung hat die Kommission beschlossen, denAnträgen teilweise stattzugeben. Die alternativen Infrastrukturen müssen in dem Zeitraum vom1. Juli 1997 bis zum Jahr 2000 vollständig liberalisiert sein. Während die direkte internationaleZusammenschaltung für die Anbieter mobiler GSM-Dienste ab dem 1. Januar 1999 liberalisiert wird,wird die vollständige Liberalisierung des Sprachtelefondienstes ab dem 1. Januar 2000 erfolgt sein.

Bei ihrer Entscheidung hat die Kommission die Auffassungen der interessierten Dritten erwogen, diesich fast einmütig gegen die Einräumung der beantragten Zusatzfristen aussprachen. Sie hat aber vorallem dem Argument Irlands Rechnung getragen, wonach der erfolgte Ausbau des Fernmeldenetzesumfangreiche Kapitalinvestitionen erfordert habe, die eine erhebliche Verschuldungsquote vonTelecom Eireann bedingt haben.

122.Die Anträge Portugals, Griechenlands, Luxemburgs und Spaniens auf Verlängerung derUmsetzungsfrist werden von der Kommission gegenwärtig geprüft.

C - Energie

1. Richtlinie über gemeinschaftliche Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt

123.Am 19. Dezember hat der Rat die Richtlinie über gemeinsame Regeln für denElektrizitätsbinnenmarkt erlassen79. Die Richtlinie sieht die fortschreitende Öffnung desStrommarktes für den Wettbewerb über einen Zeitraum von sechs Jahren vor. Die erste Öffnung, diespätestens Anfang des Jahres 1999 erfolgen muß, bedingt, daß in jedem Mitgliedstaat ein Anteil desMarktes entsprechend dem Gemeinschaftsverbrauch der Kunden geöffnet wird, die im Jahr1997 mehrals 40 GWH pro Jahr und Standort abnehmen. Dieser Schwellenwert wird fortschreitend abgebaut,bis er nach sechs Jahren lediglich 9 GWH pro Jahr beträgt. Es wird davon ausgegangen, daßanfänglich 23% und im sechsten Jahr bis zu 33% des Marktes dem Wettbewerb geöffnet werden. DieKommission wird eine weitere Öffnung vorschlagen, die im neunten Jahr wirksam werden soll.

Hinsichtlich des Verfahrens der Marktöffnung sieht die Richtlinie die Option des einzigenAbnehmers als Alternative für einen ausgehandelten Netzzugang von Dritten vor. Das System deseinzigen Käufers erlaubt es den Stromabnehmern, die Unterschiede zwischen den Preisen ihresStromlieferanten und den Preisen auszunutzen, zu denen sie von einem anderen Anbieter innerhalboder außerhalb ihres Landes Strom beziehen, dabei aber gleichzeitig Kunden des Monopolanbietersbleiben können. In Stromsystemen, für die ein Mitgliedstaat die Option des einzigen Käufers wählt,können unabhängige Erzeuger und Selbsterzeuger den Vorteil des Drittzugangs für dieEigenversorgung und die Versorgung ihrer Tochtergesellschaften innerhalb des Systems nutzen unddabei auch in Betracht kommende Kunden außerhalb des Systems mit Strom beliefern. Außerdem istvorgesehen, daß jeder zugelassene Erzeuger oder Stromanbieter unter bestimmten Bedingungen seineeigenen Einrichtungen, Tochtergesellschaften oder in Betracht kommende Kunden überDirektleitungen versorgt.

Die Gruppen von Stromabnehmern, denen die Möglichkeit der Auswahl eines Anbieters mit derRichtlinie eingeräumt wird ("in Betracht kommende Kunden") werden von den Mitgliedstaatenfestgelegt. Die Richtlinie sieht vor, daß Kunden, die mehr als 100 GWH pro Jahr abnehmen, darineinbezogen werden müssen. Außerdem bestimmt sie, daß Stromversorger Strom von anderenAnbietern beziehen und ihren eigenen Kunden, die selbst in Betracht kommen, liefern können. Umdie in der Richtlinie vorgesehenen Schwellen für die Marktöffnung zu erreichen, werden 79 Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame

Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20).

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wahrscheinlich einige Mitgliedstaaten die Gruppe der in Betracht kommenden Großabnehmererweitern.

Die Richtlinie enthält eine Bestimmung, wonach ein Kunde daran gehindert werden kann, Strom auseinem anderen Mitgliedstaat zu beziehen, wenn er in diesem nicht in Betracht kommen würde. DieKommission kann jedoch auf Antrag des Mitgliedstaats, in welchem dieser Kunde ansässig ist, einesolche Weigerung untersagen. Diese Bestimmung wird neun Jahre gültig bleiben und ihreAnwendung von der Kommission nach Ablauf der Hälfte dieses Zeitraums überprüft.

Die Bestimmungen über die Sicherung der Grundversorgung wurden in einem einzigen Artikel desRichtlinienentwurfs zusammengefaßt. Dieser erlaubt es den Mitgliedstaaten, die Pflichtleistungen derStromversorgungsunternehmen zu definieren. Hierzu zählen auch Fragen wie Liefersicherheit,Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Lieferungen sowie der Umweltschutz. Außerdem dürfen dieMitgliedstaaten von den Bestimmungen der Richtlinie nur abweichen, wenn die Erfüllung derVorsorgeverpflichtungen andernfalls behindert werden würde.

Die Kommission hält die anfängliche Marktöffnung gemäß der Richtlinie für einen positiven Schritt,der die Voraussetzungen für eine dynamische Vollendung vollständigen Wettbewerbs auf demgemeinschaftlichen Binnenmarkt für Elektrizität schaffen soll. Auf jeden Fall ist sie gewillt, auch aufdie ihr übertragenen Rechte zur Anwendung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrageszurückzugreifen, um dieses Ziel zu erreichen und sicherzustellen, daß der Wettbewerb in diesemBereich nicht durch gegen den EG-Vertrag verstoßendes Verhalten von Unternehmen beschränktwird. In den Erwägungsgründen der Richtlinie wird deutlich gemacht, daß die Anwendung derWettbewerbsregeln des EG-Vertrages nicht beeinträchtigt werden darf.

2. Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Regeln für den Binnenmarkt für Gas

124. Nach der Abgabe eines gemeinsamen Standpunkts zur Stromrichtlinie wandte sich der Ratdem Richtlinienvorschlag über gemeinsame Regeln für den Gasbinnenmarkt zu. Im Anschluß anKonsultationen mit den Mitgliedstaaten und interessierten Dritten wurde vom irischen Ratsvorsitz einKompromißwortlaut vorgeschlagen.

Die Gespräche auf der Energieratstagung vom 3. Dezember 1996 waren einigen Kernfragengewidmet. Sie führten zu einmütigen Schlußfolgerungen. Es wurde vereinbart, daß UnternehmenPflichtleistungen auferlegt werden dürfen, soweit diese den Wettbewerb nicht unangemessenbehindern. Den Grundsätzen der Entbündelung und der Transparenz bei der Buchführung wurdezugestimmt, dabei jedoch auf Fragen wie geschäftliche Vertraulichkeit und unnötigerVerwaltungsaufwand hingewiesen. Der Zugang zum System sollte gemäß dem Vorschlag desRatsvorsitzes entweder über ein System des regulierten oder des ausgehandelten Zugangs von Drittengeregelt werden. Es sind noch weitere Arbeiten zu Fragen betreffend die Öffnung des Marktes unddie langfristigen Lieferverträge (die Verträge "Abnehmen oder Bezahlen") erforderlich. Der Ratbekundete seine Absicht, einen gemeinsamen Standpunkt im Mai 1997 einzunehmen.

D - Postdienste

1. Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Regeln für die Entwicklung derPostdienste

125.Eine Grundsatzübereinkunft zu den Kernfragen des Richtlinienentwurfs nach den Artikeln 57, 66und 100a EGV über gemeinsame Regeln für die Entwicklung der Postdienste wurde auf derRatstagung vom 18. Dezember erzielt. Gemäß dieser Übereinkunft können in dem für dieAufrechterhaltung der Grundversorgung erforderlichen Maße Postsendungen eines Gewichts von bis

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zu 350 g und/oder eines Preises, der fünfmal niedriger ist als der Grundtarif für Inlandspost, imgrenzüberschreitenden Dienst und/oder der Direktpost im vorbehaltenen Bereich verbleiben. DerUmfang des vorbehaltenen Bereiches wird vor dem Jahr 2000 für die Zeit ab dem Jahr 2003 auf derGrundlage der von der Kommission vor 1999 vorzulegenden neuen Vorschläge einer Überprüfungunterzogen. In diesen neuen Vorschlägen wird die wirtschaftliche, soziale und technischeEntwicklung im Hinblick auf eine weitergehende Liberalisierung des Postdienstes zu berücksichtigensein. Sollten an dem Wortlaut der Richtlinie keine späteren Änderungen vorgenommen werden, wirddiese zum 31. Dezember 2004 ablaufen.

Die Gespräche über andere Aspekte des Entwurfs werden fortgeführt. Die Vorschläge werden auchvom Europäischen Parlament gemäß den üblichen Gesetzgebungsverfahren erörtert werden.

2. Entwurf einer Bekanntmachung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf denPostsektor

126.Um die Transparenz und die Rechtssicherheit für die Beteiligten zu erhöhen, beabsichtigt dieKommission die Veröffentlichung einer Bekanntmachung über ihre Auslegung bei der Anwendungder verschiedenen Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages auf den Postsektor. In dieserBekanntmachung wird der Entwicklung der Gespräche über den Richtlinienentwurf und denStellungnahmen Rechnung getragen, die seit der Veröffentlichung des Vorentwurfes einerBekanntmachung im Jahr 1995 eingegangen sind80.

E - Verkehr

127.Im Verkehrssektor wacht die Kommission mit besonderer Aufmerksamkeit darüber, daß dieNutzwirkungen der Liberalisierung nicht durch monopolistische bzw. diskriminierende Praktiken beiden Infrastrukturen und den grundlegenden Diensten gefährdet werden. Sehr häufig sind diesePraktiken ein Ergebnis staatlicher Maßnahmen und müssen gemäß Artikel 90 EGV untersuchtwerden.

1. Flughäfen

128.Eine Richtlinie über die Bodenabfertigungsdienste in den Flughäfen der Europäischen Unionwurde vom Rat am 15. Oktober erlassen81. Die Richtlinie sieht die Öffnung der Diensteeinschließlich der Selbstabfertigung der Luftfahrtgesellschaften für den Wettbewerb vor. Im Bereichder Vorfelddienste (Gepäck, Vorfeldabfertigung, Betankung, Fracht- und Postabfertigung) können dieMitgliedstaaten die Anzahl der Dienstleister auf höchstens zwei begrenzen, wovon wenigstens einerunabhängig vom Flughafen und der beherrschenden Luftfahrtgesellschaft sein muß. Auch müssenDienstleister, die Abfertigungsdienste für Dritte erbringen, eine transparente Buchführunggewährleisten, und darf der Flughafen diese Dienste nicht mit Einnahmen aufgrund seinerMonopolstellung finanzieren.

Die einzelnen Teile der Richtlinie werden fortschreitend gemäß der Art der Tätigkeit und der Größedes Flughafens in Kraft treten. Die Kommission kann bei Vorliegen ernsthafter Kapazitäts- oder

80 ABl. C 322 vom 2.12.1995, S. 3. Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Ziffer 118. Die

Stellungnahmen wurden in einer Veröffentlichung vom 17. Oktober (KOM(96) 480) zusammengefaßt.

81 Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste

auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 36).

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Platzprobleme in einem Flughafen nach Überprüfung Ausnahmen von diesen Bestimmungen zulassen.

129.Gleichzeitig wendet die Kommission die Wettbewerbsregeln sowohl auf das Verhalten vonUnternehmen als auch die staatlichen Maßnahmen im Flughafenbereich wie z.B. Landegebühren oderAbfertigungsdienste an. Im Bereich der Bodenabfertigungsdienste hat die Kommission ein Verfahrennach den Artikeln 90 und 86 gegen Griechenland wegen der ausschließlichen Rechte eröffnet, die derGesellschaft Olympic Airways für die Erbringung von Dienstleistungen an Dritte eingeräumt werden.Im Rahmen dieses Verfahrens hat sich die griechische Regierung bereit erklärt, eine gegenüber derRatsrichtlinie vorgezogene Öffnung von einem Jahr bei den Diensten in Flughafengebäudenvorzunehmen, Normen für Qualitätskontrollen, kostenorientierte Tarife und eine getrennteBuchführung für Abfertigungsdienste einzuführen sowie die Infrastrukturen zu verbessern.

130.Im Bereich der Landegebühren sah sich die Kommission veranlaßt, einVertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 EGV gegenüber Belgien zu eröffnen, das seineMaßnahmen zur Einstellung einer Rabattregelung am Flughafen Brüssel immer noch nicht gemeldethatte. Die Unvereinbarkeit dieses Systems mit den Artikeln 90 und 86 EGV wurde von derKommission in einer im Jahr 1995 erlassenen Entscheidung nach Artikel 90 EGV festgestellt82.

2. Seehäfen

131.Auf eine Beschwerde der dänischen Seereederei Mercandia hin hat die Kommission die dänischeRegierung aufgefordert zu gewährleisten, daß der Fährverkehr zwischen Dänemark und Schwedennicht durch staatliche Maßnahmen unbegründet eingeschränkt wird. Dabei handelt es sich um dieWeigerung der staatlichen Behörden, Reedereien den Zugang zum Hafen Helsingør zu gestatten, diezu Wettbewerbern der ScandLines A/S werden könnten, einem gemeinsam von dem öffentlichendänischen Verkehrsunternehmen DSB und dem schwedischen Unternehmen SweFerry kontrolliertenUnternehmen, das ausschließliche Rechte für den Fährverkehr mit Kraftfahrzeugen zwischen diesemHafen und dem schwedischen Hälsingborg hält.

Die Kommission machte dabei geltend, daß die Weigerung, den Zugang zu einer wesentlichenInfrastruktur zu gestatten, eine staatliche Maßnahme darstellte, die eine beherrschende Stellung desöffentlichen Betreibers im Sinne der Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 EGV schützte undstärkte. Diese Schlußfolgerung der Kommission stand in ihren Grundzügen mit der Empfehlung imEinklang, die der dänische Wettbewerbsrat im Jahr 1993 der dänischen Regierung abgegeben hatte.Im Anschluß an Kontakte mit der Kommission hat die dänische Regierung eingewilligt, einer neuenFährgesellschaft den Zugang zum Hafen Helsingør einzuräumen, die im Rahmen einer Ausschreibungden Zuschlag erhalten hatte.

F - Sonstige staatliche Handelsmonopole

132.Die Kommission hat weiter darauf hingewirkt, die Einhaltung der Vorschriften von Artikel 37EG-Vertrag zu gewährleisten. Dabei wurde die Umformung der nationalen Handelsmonopole in denneuen Mitgliedstaaten mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt.

1. Österreichische, schwedische und finnische Alkoholmonopole

82 XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Ziff. 120.

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133.Mit der Aufhebung zum 1. Januar 1996 der ausschließlichen Rechte bei der Einfuhr und demGroßhandelsabsatz alkoholischer Getränke aus anderen Mitgliedstaaten wurde die Umformung desösterreichischen Alkoholmonopols abgeschlossen83.

134.Nachdem die ausschließlichen Rechte bei der Einfuhr, der Ausfuhr, dem Großhandelsvertriebund der Produktion in Schweden und Finnland bereits im Jahr 1995 aufgehoben worden waren, hatsich die Kommission vor allem dem Einzelhandelsverkauf zugewandt. Die Kommission ist nicht derAuffassung, daß die ausschließlichen Rechte im Einzelhandelsverkauf in diesen beiden Länderngegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, in anbetracht der verfolgten Ziele und solange nichtzwischen inländischen Erzeugnissen und den aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Produktenunterschieden wird84.

Zwischen beiden Ländern wurde vereinbart, in einem ständigen Austausch die Einhaltung diesesgrundlegenden Zieles zu überwachen. Regelmäßige Berichte über die Funktionsweise desEinzelhandelsverkaufs werden von der schwedischen Wettbewerbsbehörde und von dem finnischenAmt für die Produktüberwachung herausgegeben. Die Kommission verfolgt auch mit Hilfe dieserBerichte die Tätigkeit der Einzelhandelsmonopole sehr genau und schließt dabei die Möglichkeitnicht aus, auf der Grundlage von Beschwerden förmliche Verfahren in den Fällen einzuleiten, wodem Grundsatz der Nichtdiskriminierung nicht auf wirksame Weise Geltung verschafft wird.

2. Das österreichische Tabakwarenmonopol

135.Österreich ist gemäß Artikel 71 der Beitrittsakte verpflichtet, sein Tabakwarenmonopolschrittweise so umzuformen, daß bis spätestens 31. Dezember 1997 jegliche Diskriminierung in denVersorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossenwird.

Diese fortschreitende Öffnung vollzieht sich nach Auffassung der Kommission nicht aufzufriedenstellende Weise. Österreich hat zwar seit Anfang 1996 die ausschließlichen Rechte bei derEinfuhr und dem Großhandelsabsatz von Gemeinschaftswaren aufgehoben, jedoch in neuenRechtsvorschriften unangemessene Voraussetzungen gegenüber neuen Marktzugängern eingeführt,die eine Diskriminierung zugunsten des alten Tabakmonopols bedingen85. Die Kommission hatdeshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegenüber Österreich eingeleitet.

83 Artikel 106 Absätze 1 und 2 des Gesetzes 703/1994 vom 31.8.1994.

84 XXV.Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Ziff. 126.

85 Gesetz Nr. 830 vom 21.12.1995 (BGBl. 279).

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III - Fusionskontrolle

A - Einleitung

1. Im Berichtsjahr haben die von der Fusionskontrollverordnung1 erfaßtenZusammenschlußvorhaben gegenüber dem Jahr 1995 erheblich zugenommen. Darin zeigt sich dieanhaltende Entwicklung zu einer weitergehenden Integration der europäischen Unternehmen undMärkte. Dabei werden eine Reihe von Zusammenschlußvorhaben mit grenzüberschreitendenAuswirkungen weiterhin nicht von der Verordnung erfaßt, da die vorgeschriebenen Schwellenwertevon den beteiligten Unternehmen nicht überschritten werden.

2. Bei der Kommission sind im Berichtsjahr 131 Anmeldungen gegenüber 114 im Vorjahreingegangen; sie erließ 125 endgültige Entscheidungen gegenüber 105 im Jahr 1995. Die Zahl derVerfahren war im Jahr 1996 um rund 15 % höher als im Vorjahr. Es wurden insgesamt sechsUntersuchungen der zweiten Verfahrensstufe gegenüber sieben im Jahr zuvor abgeschlossen. Dabeiwurden drei Vorhaben (Gencor/Lonrho, Kesko/Tuko und Saint Gobain/Wacker Chemie/NOM)untersagt verglichen mit zwei Fällen im Jahr 1995; zwei Fusionen (Kimberly-Clark/Scott und Ciba-Geigy/Sandoz) wurden nach einer eingehenden Untersuchung mit Auflagen genehmigt (drei im Jahr1995), in einem Fall (Telefonica/Sogecable/Cablevision) wurde das Vorhaben von den Beteiligtenaufgegeben. Außerdem wurden gemäß Artikel 8 der Fusionskontrollverordnung zwei getroffeneKommissionsentscheidungen (Shell/Montecatini und RTL/Veronica/Endemol) abgeändert, nachdemumfangreiche strukturelle Änderungen an beiden Vorhaben vorgenommen worden waren. DieKommission verwies drei Fälle an die zuständigen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten,während sie eine Entscheidung in einem von einem Mitgliedstaat an sie verwiesenen Fall erließ. Inbezug auf Zusammenschlüsse in der Kohle- und Stahlindustrie wurden von der Kommission siebenEntscheidungen nach Artikel 66 EGKS getroffen.

3. In den sechs Jahren seit Inkrafttreten der Fusionskontrollverordnung hat die Kommission 508endgültige Entscheidungennn erlassen. Die Aufschlüsselung dieser Fälle nach Sektoren ergibt, daßeine hohe Anzahl von Anmeldungen eine besonders dynamische wirtschaftliche Entwicklung in denentsprechenden Sektoren wie insbesondere Telekommunikation, Finanzdienstleistungen,Pharmazeutik, Versicherungen und Medien widerspiegelte.

B - Überprüfung der Verordnung

4. Sechs Jahre Erfahrungen mit der Fusionskontrollverordnung haben gezeigt, daß bei allerWirksamkeit dieses Instruments eine erhebliche Anzahl von Zusammenschlußvorhaben mit spürbarengrenzüberschreitenden Auswirkungen unterhalb der Schwellenwerte der Verordnung bleiben unddeshalb nicht angemeldet werden. Um diesen Sachverhalt zu ändern und andere erkannte Problemewie insbesondere Mehrfachanmeldungen in mehreren Mitgliedstaaten und die Frage der kooperativenund konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen anzugehen, hat die Kommission nach einerumfassenden Konsultierung im Januar 1996 ein Grünbuch veröffentlicht, das in einen Vorschlag füreine Überprüfung der Fusionskontrollverordnung einmündete.

Zu den wichtigsten Änderungsvorschlägen der Kommission zählen: (1) die Senkung derAufgreifschwellen auf 3 Mrd. anstelle von 5 Mrd. Weltumsatz und 200 Mio. anstelle von 250 Mio.gemeinschaftsweiter Umsatz; (2) die Senkung der Umsatzschwellen auf 2 Mrd. bzw. 100 Mio. ECUbei Zusammenschlußvorhaben, die in zumindest drei Mitgliedstaaten gleichzeitig angemeldet werden

1 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von

Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1).

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müssen, um eine einzige Anlaufstelle für die Unternehmen zu schaffen; (3) die Anwendung derVerfahrensvorschriften der Fusionskontrollverordnung auf sämtlicheVollfunktionsgemeinschaftsunternehmen, d.h. sowohl konzentrative als auch kooperative GU (auf dieArtikel 85 EGV anwendbar ist); (4) eine Vereinfachung der Voraussetzungen für eine Verweisungvon Fällen sowohl von der Kommission an die Mitgliedstaaten (Artikel 9) als auch von einemMitgliedstaat an die Kommission (Artikel 22); (5) die Einführung einer Bestimmung, mit derausdrücklich die Möglichkeit von Zusagen in der ersten Verfahrensphase eingeräumt wird und (6)mehrere kleinere Änderungen wie z.B. eine geänderte Umsatzdefinition für Banken undFinanzinstitute.

Nach der Vorlage der Kommissionsvorschläge an den Rat, das Europäische Parlament und denWirtschafts- und Sozialausschuß im September 19962 wurden die Gespräche in der Arbeitsgruppe desRates über die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen fortgeführt. Am13. November 1996 fand im Rat für Industriefragen ein Meinungsaustausch über denKommissionsvorschlag statt. Dabei fand sich keine qualifizierte Mehrheit für die Senkung derUmsatzschwellen, es wurde jedoch das Erfordernis betont, eine Lösung in der Frage vonZusammenschlußvorhaben zu finden, die gegenwärtig in zumindest drei Mitgliedstaaten anmeldbarsind. Es wurde für eine Reihe von Kriterien Einigkeit erzielt, die bei der Festlegung der Zuständigkeitder Kommission in diesem Bereich anzuwenden sein sollen. Die Kommission hat diese Kriterienerwogen, ihren gegenwärtigen Vorschlag jedoch aufrecht erhalten. Der Wirtschafts- undSozialausschuß hat seinen Bericht über das Grünbuch am 17. Mai 1996 und über denÄnderungsvorschlag am 31. Oktober 1996 vorgelegt. Das Europäische Parlament hat seinen Berichtüber das Grünbuch und die Überarbeitung am 12. November 1996 unterbreitet. Sowohl der Berichtdes Europäischen Parlaments als auch des Wirtschafts- und Sozialausschusses befürworten denKommissionsvorschlag.

C - Neue Entwicklungen

1. Sachlich relevanter Markt

5. Bei der Produktmarktdefinition haben sich insbesondere in den Bereichen Arzneimittel undEinzelhandel neue Entwicklungen vollzogen. Im Sektor Pharmazeutik war es der erste Fall in derzweiten Verfahrensstufe, der Zusammenschluß der beiden Großunternehmen Ciba-Geigy und Sandoz,der Anlaß für eine verfeinerte Marktanalyse gab und von der Kommission nach einer Zusage imBereich der Tiergesundheit genehmigt wurde. Im Bereich des Einzelhandels stellte sich das Themader Marktdefinition bei dem genehmigten Erwerb des österreichischen EinzelhandelsunternehmensBilla durch die deutsche Rewe sowie in dem ersten Fall in der zweiten Untersuchungsphase diesesSektors, der die finnischen Unternehmen Kesko und Tuko betraf und mit einer Untersagungbeschieden wurde.

6. Nach der Praxis der Kommission können Arzneimittel nach der "AnatomischenTherapieeinteilung" (ATC) unterteilt werden, die auch von der Weltgesundheitsorganisationverwendet wird. Insbesondere die dritte ATC-Ebene erlaubt eine Zusammenstellung der Arzneimittelgemäß der therapeutischen Anzeige, d.h. dem Verwendungszweck und ist somit ein nützlichesHilfsmittel für eine Grobeinteilung der relevanten Märkte. In dem Fall Ciba-Geigy/Sandoz ist dieKommission zum ersten Mal der Frage gründlich nachgegangen, ob eine Marktdefinition auf dieserGrundlage, die in vielen Fällen angemessen sein mag, nicht über eine Abgrenzung gemäß der drittenATC-Ebene hinausgehen müßte. Eine solche Einteilung könnte in einigen Fällen zu eng und inanderen wiederum zu weit gefaßt sein. Die Substituierbarkeit der Arzneimittel hängt letztlich von der 2 Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 vom

21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. C 350 vom 21.11.1996, S. 8).

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Indikation ab, für die sie zugelassen sind oder verschrieben werden bzw. von ihrer Ersetzbarkeit ausder Sicht der Abnehmer von rezeptfreien Erzeugnissen. Bei verschreibungspflichtigen Arzneimittelnwürde die Substituierbarkeit deshalb von der Auffassung der verschreibenden Ärtze abhängen, dieihre Entscheidung gewöhnlich auf wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit undÄhnlichkeit der Arzneimittel stützen. Deshalb berücksichtigte die Kommission in diesem Fall, ob diein einer ATC-Klasse der dritten Ebene zusammengefaßten Arzneimittel tatsächlich denselbenVerwendungszweck haben, und ob Arzneimittel in anderen ATC-Klassen den gleichenVerwendungszweck und Wirkungsgrad haben.

7. In den Fällen Rewe/Billa und Kesko/Tuko hat die Kommission im Einklang mit vorangehendenFällen festgestellt, daß es einen Gesamtmarkt für den Lebensmitteleinzelhandel gibt, der sämtlicheEinzelhandelsgeschäfte mit einem hinreichenden Angebot an Lebensmitteln und Verbrauchsgüterndes täglichen Bedarfs, jedoch keine Spezialgeschäfte umfaßt. Im Lebensmitteleinzelhandel gibt esverschiedene Arten von Vertriebssystemen, die sich nach der Breite und Tiefe des Sortiments und derGröße der Läden unterscheiden. Zwischen diesen Arten von Vertriebssystemen bestehenWettbewerbsbeziehungen.

8. Auf dem Beschaffungsmarkt im Lebensmitteleinzelhandel, d.h. den Verbrauchsgütern destäglichen Bedarfs, auf dem die Einzelhändler auf der Nachfrageseite und die Hersteller auf derAngebotsseite stehen, war die Kommission in dem Fall Rewe/Billa zu der Auffassung gelangt, daß eserforderlich sein könnte, zwischen der Nachfrage nach verschiedenen Gruppen von Erzeugnissen zuunterscheiden, die in teilweise unterschiedlichen Vertriebskanälen abgesetzt werden. In dem FallKesko/Tuko bestätigte die Kommission diesen Ansatz und ging von der Erwägung aus, daß von derNachfrageseite her jede einzelne Produktgruppe einen getrennten sachlich relevanten Markt darstellt.In diesem Fall wurde außerdem betont, daß die Hersteller anderer Erzeugnisse als Lebensmittel auchandere Vertriebswege zur Verfügung hatten.

2. Räumlich relevanter Markt

9. Bei der Beurteilung der Zusammenschlußvorhaben Rewe/Billa und Kesko/Tuko mußte sich dieKommission auch der Definition der räumlich relevanten Märkte im Einzelhandel mit Lebensmittelnund Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs widmen. Aus Sicht der Käufer sind die räumlichrelevanten Märkte die örtlichen Märkte, in denen die Einzelhandelsunternehmen ihre Verkaufsstättenhaben. Ein örtlicher Markt wurde von der Kommission entsprechend einem Erfassungsbereichinnerhalb eines Radius von rund 20 Autofahrminuten definiert. Eine auf diese örtlichen Märktebegrenzte Betrachtung ist jedoch unangemessen, wenn eine große Anzahl der von demZusammenschluß betroffenen Märkte so eng miteinander verknüpft sind, daß sie sich überschneidenund damit ein größeres Gebiet, oder sogar das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaates umfassen.Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Wettbewerbsbeziehungen zwischen den großenEinzelhandelsketten nicht auf den örtlichen Wettbewerb beschränkt sind, sondern sich in einemweiteren räumlichen Gebiet entfalten. Dies kann man z.B. daran ersehen, daß die Entscheidungen dergroßen Einzelhandelsketten über die anzubietende Produktpalette zentral getroffen werden.

3. Ermittlung der Marktbeherrschung

3.1. Alleinige Marktbeherrschung

10. Die Kommission ist in der Sache Kimberly-Clark/Scott der Frage der alleinigenMarktbeherrschung im Konsumgütersektor nachgegangen und zu der Schlußfolgerung gelangt, daßdieser Zusammenschluß zu einer beherrschenden Stellung der neuen Einheit auf den britischen undirischen Märkten für Toilettenpapier, Küchenpapier und Taschen-/ Gesichtstüchern führen würde. Zudem Untersuchungsergebnis einer marktbeherrschenden Stellung von Kimberly-Clark/Scott nach demZusammenschluß führten die hohen Marktanteile bei den Verkäufen von Tissuegeweben auf dem

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britischen und irischen Markt, die Produktionskapazitäten und die Wettbewerbsstärke der MarkenKleenex und Andrex, die im Vereinigten Königreich und in Irland an erster und zweiter Stelle stehen.Die Kontrolle der Parteien über die beiden führenden Marken, die zur Grundausstattung desEinzelhandelsangebots gehören, ihre Stellung als führende Anbieter auch bei Eigenmarkenproduktenund ihre gesamte Marktstärke bedingen zusammengenommen eine marktbeherrschende Stellung. DieKommission war insbesondere der Auffassung, daß nach dem Zusammenschluß derMarkenwettbewerb als dynamische Kraft auf den britischen und irischen Tissuegewebemärkten nichtmehr stark genug sein würde. Eine Politik des gebundenen Absatzes, mit der die Markenerzeugnisseund die Eigenmarken einerseits und die beiden führenden Markenerzeugnisse andererseitsmiteinander verknüpft wurden, würde höchstwahrscheinlich zu einem wettbewerbswidrigenVerhalten aufgrund der entstehenden marktbeherrschenden Stellung führen. Diese Bedenken wurdenschließlich von den Parteien ausgeräumt, die ein umfassendes Veräußerungspaket einschließlichProduktionskapazitäten und Marken angeboten haben.

3.2. Duopolistische Marktbeherrschung

11. Die Kommission hat dem vorgesehenen Zusammenschluß der Platinbergbauinteressen vonGencor und Lonrho mit der Begründung abgelehnt, daß dadurch eine duopolistischeMarktbeherrschung auf dem Weltmarkt für Platin und Rhodium entstehen würde. Es wird davonausgegangen, daß der überwiegende Teil der weltweiten Platin- und Rhodiumvorräte von nur vierAnbietern kontrolliert werden: der angloamerikanischen Platinum Corporation (Amplats), ImpalaPlatinum, Lonrho Platinum Devision (LPD) und dem nordsibirischen Unternehmen in Norilsk. ImJahr 1995 entfielen beinahe 90 % des Gesamtabsatzes von Platin und Rhodium auf diese vierAnbieter. Die Platin- und Rhodiummärkte weisen viele der Merkmale eines oligopolistischenMarktes auf:- Die Nachfrageseite ist durch mäßiges Wachstum, eine bezogen auf die Preise inelastischeNachfrage und eine unbedeutende Gegenmacht der Abnehmer gekennzeichnet. Die Käufer wärendeshalb einem Mißbrauch in besonderem Maße ausgesetzt.- Die Angebotsseite ist hingegen in hohem Maße konzentriert mit einer ausgeprägten Transparenzbei einem homogenen Produkt, einer ausgereiften Produktionstechnik, hohen Marktzutrittsschranken(einschließlich hoher Vorkosten) und Herstellern mit finanziellen Verbindungen und Kontakten zuvielen Märkten.

Die wichtigsten Elemente des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren waren das Wachstum vonLPD und die zum Teil auf Devisenmangel zurückgehende Steigerung der russischen Verkäufe. DasZusammenschlußvorhaben würde das Wegfallen von LPD als Wettbewerber bedingen; außerdemwird erwartet, daß die russischen Vorräte in naher Zukunft erschöpft sein werden. DieUntersuchungen der Kommission haben gezeigt, daß Amplats und Impala/LPD nach der Fusionkeinen Anreiz mehr für Wettbewerb haben würden.

3.3. Nachfragemacht

12. Die Nachfragemacht ist bei der Bewertung von Zusammenschlußvorhaben aus zweiGesichtspunkten von Bedeutung: Sie kann die Anbietermacht beschränken und damit als Gegenkraftwirken und sie kann auch zur Käufermacht gegenüber Anbietern führen, wenn auf der Angebotsseitedes Marktes eine beherrschende Stellung entsteht. Deshalb kann es erforderlich sein,Zusammenschlußvorhaben auch darauf hin zu untersuchen, ob sie zu einer marktbeherrschendenStellung auf der Nachfrageseite führen. In dem Fall Rewe/Billa hat die Kommission dargelegt, daßdie Nachfragemacht eines Einzelhandelsunternehmens davon abhängt, in welchem Maße einHersteller seine Erzeugnisse über den Einzelhandel absetzen muß. Bei der Fusionskontrolle ist jedochnicht die mögliche Abhängigkeit einzelner Anbieter die Kernfrage. Ausschlaggebend ist vielmehr, inwelchem Maße die Anbieter im Durchschnitt die Möglichkeit haben, ihre Lieferungen an einenEinzelhändler durch Lieferungen an andere Abnehmer zu ersetzen. Die Kommission hat in den Fällen

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Rewe/Billa und Kesko/Tuko hierzu drei umfassende Aussagen gemacht. Die Nachfragemacht hängtim wesentlichen von dem Anteil des Einzelhändlers an seinem Markt ab. Dabei ist zu bedenken, daßdie in Marktanteilen im Lebensmitteleinzelhandel ausgedrückte Macht unterschiedlicheAuswirkungen für bestimmte Produktgruppen haben kann, je nachdem, ob andere Vertriebskanälevorhanden sind. Schließlich kann sich aus der Marktstellung bestimmter für den Einzelhändlerunerläßlicher Marken eine Gegenmacht bilden.

D - Medien

13. In den vergangenen Jahren hat die Anzahl der von der Kommission in Anwendung derFusionskontrollverordnung behandelten Fälle im Mediensektor spürbar zugenommen.

Bis in die jüngste Zeit betrafen die Zusammenschlußvorhaben im wesentlichenGemeinschaftsunternehmen innerhalb eines nationalen Medienmarktes. Die kritischen Fälle bezogensich überwiegend auf das Zusammengehen national tätiger Unternehmen, das Wettbewerbsproblemeauf einem bestimmten nationalen Markt oder in einer bestimmten europäischen Region aufwarf.Seither hat sich eine Entwicklung zu grenzüberschreitenden Verbindungen im Fernsehbereich miteiner europaweiten Perspektive angebahnt. Diese Allianzen ergänzen sich weitgehend in bezug aufdie nationalen Märkte, in denen die Parteien tätig sind. Sie können jedoch zu einer wesentlichenÄnderung der Fernsehlandschaft in der EU führen. Der Fall Bertelsmann/CLT ist ein Beispiel fürdiese Art Zusammenschluß. Mit diesem Vorhaben sollen die UFA, die Holdinggesellschaft für dieFernseh-, Film- und Radiotätigkeiten von Bertelsmann, und die CLT-Gruppe in einemGemeinschaftsunternehmen zusammengelegt werden, wodurch ein führender europäischer Anbieterim Bereich des allgemein zugänglichen Fernsehens entstehen würde. Die Kommission hat diesemVorhaben zugestimmt, da eine Überschneidung lediglich in den Fernsehtätigkeiten der Parteien inDeutschland besteht, wo CLT/UFA einem starken Wettbewerb der mit der Kirch-Gruppeverbundenen kommerziellen Fernsehsender ausgesetzt sein werden.

14. In den vergangenen Jahren3 sind Untersagungsentscheidungen in drei Medienfällen ergangen.Eine dieser Entscheidungen betraf das niederländische Gemeinschaftsunternehmen Holland MediaGroep (HMG) zwischen RTL, Veronica und Endemol. HMG wurde im September 1995 wegen dervertikalen Integration zwischen dem führenden niederländischen Fernsehproduzenten und demführenden niederländischen kommerziellen Fernsehsender sowie wegen der horizontalen Integrationder drei Vollspartensender untersagt, die zu einer beherrschenden Stellung auf demFernsehwerbemarkt geführt haben würde. Im Jahr 1996 konnte dem Vorhaben jedoch in einergrundsätzlich geänderten Form zugestimmt werden. Mit dem vollständigen Rückzug desFernsehproduzenten Endemol aus HMG und der vorgeschlagenen Umwandlung von RTL5 von einemVollsparten- in einen Einspartensender sind die Wettbewerbsbedenken sowohl in bezug auf denFernsehproduktions- als auch den Fernsehwerbemarkt weggefallen.

15. Im Juli 1995 haben Telefónica und Sogecable (Canal Plus Spanien) vereinbart, ihre Tätigkeitenbei der Erbringung von Dienstleistungen an Betreiber von audiovisuellen Fernsehkabeldiensten indem Gemeinschaftsunternehmen Cablevision zusammenzulegen. Dieses Gemeinschaftsunternehmenwürde unmittelbare Auswirkungen auch auf den Sprachtelefondienst und denDatenkommunikationsmarkt haben. Die beteiligten Unternehmen waren davon ausgegangen, daß ihrVorhaben eine rein spanische Dimension hätte, weshalb es nicht bei der Kommission anzumeldenwäre. Am 1. März 1996 hat die spanische Regierung Cablevision als Vorhaben nationalen Umfangszugelassen. Nach vollzogenem Zusammenschluß ist Cablevision seit mehreren Monaten auf demMarkt tätig gewesen. Die Kommission war jedoch der Auffassung, daß dieses Vorhaben gemäß derFusionskontrollverordnung hätte angemeldet werden müssen, da es sich bei den Unternehmen, deren

3 Siehe auch XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 132-134.

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Umsatz zugrundezulegen ist, einerseits um Telefónica und andererseits um Canal Plus Spanienhandelte, zu dessen Umsatz die Umsätze von Canal Plus Frankreich und der Prisa-Gruppe (die nachAuffassung der Kommission Canal Plus Spanien mit einem Anteil von jeweils 25 % gemeinsamkontrollieren) hinzugezählt werden müßten.

Am 29. März 1996 versandte die Kommission Beschwerdepunkte gemäß Artikel 18 derFusionskontrollverordnung an Telefónica und Canal Plus Spanien. Damit sollte den beteiligtenUnternehmen Gelegenheit gegeben werden, vor dem möglichen Erlaß von Entscheidungen nachArtikel 8 (einschließlich der vorangehenden einstweiligen Maßnahmen) bzw. Artikel 14 dergenannten Verordnung auf die Einwendungen der Kommission zu erwidern, da dieses Vorhabendurchgeführt wurde, ohne von Cablevision angemeldet worden zu sein.

Die Parteien legten schließlich am 31. Mai eine Anmeldung vor. Daraufhin beschloß dieKommission, das Vorhaben wegen ernsthafter Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit demGemeinsamen Markt eingehend zu untersuchen. Die Bedenken bestanden darin, daß mit demZusammenschluß einerseits Abschottungswirkungen durch die Verhinderung des Marktzugangs neuerWettbewerber bei Dienstleistungen an Betreiber von audiovisuellen Kabelfernsehdiensten verbundensein könnten und daß es andererseits das Wirksamwerden der anstehenden Liberalisierung desSprachtelefonmarktes in Spanien hinauszögern könnte. Am 4. November 1996 stellte der BeratendeAusschuß für Unternehmenszusammenschlüsse in seiner Stellungnahme zu diesem Fall fest, daß essich um ein Vorhaben von gemeinschaftsweiter Bedeutung handelt, das für unvereinbar mit demGemeinsamen Markt erklärt werden sollte, da es beherrschende Stellungen von Telefónica und CanalPlus Spanien in den Märkten der Kabelinfrastrukturen und -dienste, des Abonnentenfernsehens unddes Sprachtelefondienstes begründen oder verstärken würde. Drei Tage später kündigten Telefónicaund Canal Plus Spanien die Auflösung von Cablevision an, das unter die vollständige Kontrolle vonSogecable gestellt würde, sowie die Aufhebung der strategischen Allianz zwischen den beidenGesellschaften.

16. Dieses Vorhaben war auch Anlaß für ein Gerichtsverfahren. Im Juli 1996 hat der Präsidentdes Gerichtes erster Instanz den Antrag von Sogecable auf einstweilige Maßnahmen wegenUnzulässigkeit zurückgewiesen4. Sogecable wollte eine Anordnung des Gerichtes erwirken, um dieKommission daran zu hindern, eine endgültige Entscheidung zur Vereinbarkeit desZusammenschlußvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zu treffen oder den UnternehmenGeldbußen aufzuerlegen, bevor das Gericht über die Gültigkeit der vorangehenden Entscheidung derKommission würde befinden können, wonach Cablevision ein Zusammenschluß vongemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne der Fusionskontrollverordnung war.

Der Präsident des erstinstanzlichen Gerichtes befand, daß die Kommission nicht durch einstweiligeMaßnahmen daran gehindert werden dürfe, ihre Befugnisse der Untersuchung und Untersagung, seies unmittelbar nach Beginn eines Verwaltungsverfahrens oder vor dem Ergehen der vorläufigen oderendgültigen Entscheidung, welche die Parteien vermeiden möchten, wahrzunehmen. Würde diesemAntrag stattgegeben, so würde das Gericht nicht seiner Aufgabe der Überwachung der Kommissionnachkommen, sondern diese bei der Ausübung ihrer Verwaltungsaufgaben ersetzen. Der Erlaßeinstweiliger Maßnahmen bei einem laufenden Verwaltungsverfahren der Kommission wäre nur unteraußergewöhnlichen Umständen möglich, deren Vorliegen von den Parteien nachzuweisen wäre.

E - Verweisung gemäß den Artikeln 9 und 22

4 Anordnung des Präsidenten der Gerichtes erster Instanz vom 12. Juli 1996 in der Rechtssache T-52/96R Sogecable

SA/Kommission (noch nicht veröffentlicht).

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17. Nach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung kann die Kommission ein angemeldetesZusammenschlußvorhaben auf Antrag an die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaatesverweisen, wenn das Vorhaben droht, eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken.

18. So hat die Kommission beschlossen, das öffentliche Übernahmeangebot von Gehe für LloydsChemists zur weiteren Untersuchung an die britischen Wettbewerbsbehörden zu verweisen. SowohlGehe als auch Lloyds sind führende Unternehmen im britischen Groß- und Einzelhandel mitPharmazeutika. Als Gehe sein Übernahmeangebot abgab, bestand bereits ein Angebot von UniChem,einem anderen führenden pharmazeutischen Groß- und Einzelhandelsunternehmen im VereinigtenKönigreich, zur Übernahme von Lloyds, das nicht von der Fusionskontrollverordnung erfaßt wurdeund von den britischen Wettbewerbsbehörden an die Monopolies and Mergers Commissionverwiesen worden war. Die Verweisung des Vorhabens Gehe/Lloyds an die britischen Behörden hattesomit den Vorteil, daß beide Angebote von ein und derselben Überwachungsbehörde in einemabgestimmten Zeitrahmen untersucht werden können.

19. Außerdem beschloß die Kommission, die Fälle RWE/Thyssengas und Bayernwerk/Isarwerke andas Bundeskartellamt zur Anwendung der deutschen Wettbewerbsvorschriften zu verweisen. RWEEnergie AG beabsichtigt den Erwerb eines Anteils von 50 % an der Thyssen Gas GmbH von derVIAG-Tochtergesellschaft Bayernwerk AG. Im Gegenzug soll die Bayernwerk AG den Anteil vonRWE an der Isarwerke GmbH erwerben. Beide Zusammenschlußvorhaben werden von derFusionskontrollverordnung verfaßt und wurden deshalb der Kommission gemeldet. Die Elektrizitäts-und Gasmärkte in Deutschland zeichnen sich durch das Fortbestehen von Gebietsmonopolen aus.Thyssengas ist ein Anbieter von Ferngas, dessen Versorgungsgebiet den westlichen Teil vonNordrhein-Westfalen umfaßt. RWE ist eines der führenden deutschen Elektrizitätsunternehmen mitAnteilen an einer Anzahl örtlicher Stromversorger in Städten, die sich im Versorgungsgebiet vonThyssengas befinden und von diesem mit Gas versorgt werden. Das Versorgungsgebiet derBayernwerk AG umfaßt den größten Teil von Bayern. Die Holdinggesellschaft Isarwerke ist derMehrheitsaktionär der Isar-Amperwerke AG, einem regionalen Energieversorger. Wegen derdrohenden Stärkung einer beherrschenden Marktstellung in regionalen Gas- und Strommärktenbeantragte das Bundeskartellamt die Verweisung dieser beiden Fälle. In beiden Fällen beschränktensich die Wettbewerbserwägungen auf regionale Märkte in Deutschland. Die Kommission hielt esdeshalb für angezeigt, beide Fälle zur weiteren Untersuchung an das Bundeskartellamt zu verweisen.

20. Die Übernahme von Tuko durch Kesko, zwei im Bereich des Einzelhandels von Verbrauchsgüterndes täglichen Bedarfs in Finnland tätigen Unternehmen, wurde von der Kommission auf Antrag desfinnischen Amtes für freien Wettbewerb untersucht; ohne diesen Antrag wäre die Kommission fürdiesen Fall nicht zuständig gewesen, da die in der Fusionskontrollverordnung festgelegtenUmsatzschwellen von den Beteiligten nicht überschritten wurden. In einer solchen Lage kann jedochein Mitgliedstaat nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung beantragen, daß der Fall von derKommission untersucht wird. Die eingehende Untersuchung dieses Vorhabens hat ergeben, daß derZusammenschluß eine beherrschende Stellung begründen würde, mit der wirksamer Wettbewerb aufden finnischen Einzelhandels- und Abholmärkten für Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs spürbarbehindert würde. Außerdem würde ein Zusammenschluß den innergemeinschaftlichen Handel wegenseines Einflusses auf die Einfuhr von Verbrauchsgütern des täglichen Bedarfs nach Finnland und derErrichtung von Schranken gegen den Marktzugang potentieller Wettbewerber aus anderenMitgliedstaaten beeinträchtigen. Das Vorhaben wurde deshalb von der Kommission untersagt.

F - Berechtigte Interessen der Mitgliedstaaten und Anwendung vonArtikel 223 des EG-Vertrages

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21. Artikel 21 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung betreffend berechtigte Interessen derMitgliedstaaten wurde in der Sache Sun Alliance/Royal Insurance angewandt, bei der neben derWettbewerbsbewertung des Zusammenschlußvorhabens durch die Kommission von den britischenBehörden der Wechsel bei der Kontrolle gemäß den Vorschriften des Versicherungsrechts untersuchtwurde. Damit nahmen sie ihr Recht gemäß Artikel 21 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung inAnspruch, um berechtigte Interessen des Vereinigten Königreiches im Bereich der Aufsichtsregelnwahrzunehmen.

22. In den Fällen GEC/Thomson-CSF (II) und British Aerospace/Lagardère, war die Kommission derAuffassung, daß Artikel 223 Absatz 1b) EGV angewandt werden könne. Gemäß dieser Bestimmunghat ein Mitgliedstaat das Recht, seine wesentlichen Sicherheitsinteressen bei der Erzeugung vonWaffen, Munition und Kriegsmaterial und dem Handel damit zu schützen, soweit dasZusammenschlußvorhaben die Wettbewerbsbedingungen für Produkte nicht beeinträchtigt, die nichtausdrücklich für militärische Zwecke bestimmt sind. In beiden Fällen folgte die Kommission ihrervorangehenden Praxis und untersuchte die von den Zusammenschlußvorhaben betroffenennichtmilitärischen Tätigkeiten5.

G - Statistischer Überblick

Schaubild 1: Anzahl der seit 1990 in jedem Jahr erlassenen endgültigen Entscheidungen

5 XXIV. Bericht über die Wettbewerbspolitik, Ziff. 336.

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Schaubild 2: Aufschlüsselung nach Art des Vorhabens (sämtliche zwischen 1990-1996)

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IV - Staatliche Beihilfen

A - Allgemeine Politik

23. Wegen der immer größeren Anzahl und Vielschichtigkeit der zu prüfenden Beihilfefälle und derimmer aktiveren Beteiligung interessierter Dritten hat sich die Kommission eingehend mit der Fragebefaßt, wie sie eine wirksamere Beihilfekontrolle gewährleisten und die Transparenz undRechtssicherheit ihrer Verfahren verbessern kann. Bei diesen Überlegungen hat sie sich auf ihreeigenen Erfahrungen - auch in anderen Bereichen der Wettbewerbspolitik -, auf die jüngsteRechtsprechung des Gerichtshofs und auf Studien gestützt, die ihr von Vertretern der Mitgliedstaatenund der Industrie vorgelegt wurden. Auf der Tagung des Rats für Industriefragen vom 14. Novemberwurde auf der Grundlage eines Papiers des irischen Vorsitzes und eines Diskussionspapiers derKommission betreffend die Anwendung von Artikel 94 EG-Vertrag eine Debatte über staatlicheBeihilfen geführt. Der Rat gelangte einhellig zu dem Ergebnis, daß die Kontrolle staatlicher Beihilfenstetige Bemühungen um die Verbesserung der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Kohärenz derEntscheidungen der Kommission erfordert, und forderte sie auf, ihm zu Artikel 94 Vorschläge imSinne des Diskussionspapiers vorzulegen.

24. Die Kommission hat im Berichtsjahr weiterhin auf eine strikte Beihilfedisziplin geachtet, wobeisie jedoch dafür sorgte, daß ein Gleichgewicht zwischen der Einhaltung der Regeln und Grundsätzeauf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen einerseits und der Berücksichtigung des Beitrags bestimmterBeihilfen zu anderen gemeinschaftspolitischen Zielen andererseits gewahrt blieb. Ihre Tätigkeitkonzentrierte sich dabei vor allem auf die drei folgenden Schwerpunkte:

1. Fortsetzung einer strengen Kontrolle von Beihilfen in bestimmten Sektoren

25. Einige Sektoren, wie die Kunstfaserindustrie, der Kfz-Sektor, der Schiffbau, die Eisen- undStahlindustrie sowie der Kohlenbergbau, für die die Kommission besondere verfahrens- undmateriellrechtliche Vorschriften festgelegt hat, wurden wegen der Auswirkungen von Beihilfen aufdie betreffenden Märkte weiterhin besonders streng kontrolliert. Angesichts des traditionellenProblems der strukturellen Überkapazitäten und des sehr lebhaften innergemeinschaftlichen Handelsin diesen Sektoren können Beihilfen, die nicht streng kontrolliert und begrenzt werden, statt eineinzelnes Problem zu lösen, zu einer Verlagerung der Schwierigkeiten von einem Unternehmen aufdas andere, von einer Region auf die andere oder von einem Land auf das andere führen. Daher hatdie Kommission:

a) in einer Mitteilung über die Beihilfenüberwachung und die Senkung der Arbeitskosten6 daraufhingewiesen, daß sie Beschäftigungsbeihilfen, die sich an bestimmte Sektoren richten,grundsätzlich ablehnt;

b) in ihrer neuen Mitteilung über "de minimis"-Beihilfen bestimmte Sektoren weiterhin von dieserRegel ausgeschlossen7;

c) eine Reihe von Vorschriften, die ausgelaufen waren, verlängert, um die besondere Kontrolle inden betreffenden Bereichen fortzusetzen und mögliche Rechtslücken zu vermeiden. So wurden ein

6 ABl. C 1 vom 3.1.1997, S.10.

7 ABl. C 68 vom 6.3.1996, S. 9. Dabei handelt es sich um die unter den EGKS-Vertrag fallenden Sektoren, den

Schiffbau, den Verkehr, die Landwirtschaft und die Fischerei. Die übrigen Sektoren kommen folglich für die

Anwendung der "de minimis"-Regel in Betracht.

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neuer Beihilfekodex für die Kunstfaserindustrie8, eine neue Verordnung des Rates über Beihilfenfür den Schiffbau9 und ein neuer Stahlbeihilfenkodex angenommen10.

Darüber hinaus ließ die Kommission bei der Behandlung einzelner Fälle weiterhin besondereVorsicht walten. So stufte sie Beihilfen, die zu einer Erhöhung der Produktionskapazitäten desUnternehmens Volkswagen Sachsen führten, aufgrund struktureller Überkapazitäten in diesem Sektorals mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ein. Beihilfen, die mit einem Abbau vonProduktionskapazitäten einhergingen, wie in den Fällen Santana Motor SA (Suzuki-Fahrzeuge,Spanien), Mercedes Benz Ludwigsfelde, (Brandenburg), Ford Motor (Birmingham/West Midlands),La Seda de Barcelona und Allied Signal Polymers GmbH (Thüringen), wurden hingegen von ihrgenehmigt.

2. Präzisierung der Vorschriften

26. Um die Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Entscheidungen sowie eine Gleichbehandlungaller Mitgliedstaaten zu gewährleisten, setzte die Kommission die Veröffentlichung undAktualisierung der Rahmenbestimmungen fort, in denen sie auf der Grundlage der Artikel 92 und 93EG-Vertrag die Beurteilungskriterien für Beihilfen aufstellt. So legte sie 1996 folgende Mitteilungenund Gemeinschaftsrahmen vor:

a) eine Mitteilung über "de minimis"-Beihilfen11, mit der der Anwendungsbereich dieser Regelerweitert und ihre Anwendungsmodalitäten vereinfacht werden;

b) einen neuen Gemeinschaftsrahmen12 für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmenim Sinne der neuen Gemeinschaftsdefinition13, dem zufolge für immaterielle Investitionen inForm von Technologietransfers künftig Beihilfen gewährt werden können;

c) einen Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an Unternehmen in benachteiligtenStadtvierteln14, in dem eine befürwortende Haltung gegenüber bestimmten Beihilfen zumAusdruck kommt, mit denen Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch dieUnterstützung kleiner Unternehmen in benachteiligten Stadtvierteln gefördert werden;

d) eine Mitteilung über Beihilfeelemente in Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand15, in dereine Reihe von Grundsätzen niedergelegt wird, anhand derer rasch festgestellt werden kann, obder Verkauf eines Grundstücks der öffentlichen Hand an ein Unternehmen Beihilfeelementeenthält.

8 ABl. C 94 vom 30.3.1996, S. 11.

9 ABl. L 251 vom 3.10.1996, S. 5.

10 ABl. L 338 vom 28.12.1996, S. 42.

11 ABl. C 68 vom 6.3.1996, S. 9.

12 ABl. C 213 vom 23.7.1996, S. 4.

13 Empfehlung der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen

(ABl. L 107 vom 30.4.1996, S.4).

14 SEK (96) 1706/2.

15 SEK (96) 2090/2.

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3. Einsatz von Mitteln, die den bestehenden Vorschriften praktische Wirksamkeitverleihen

27. Die wachsende Anzahl teilweise oder gänzlich ablehnender abschließender Entscheidungen, indenen die Rückzahlung unrechtmäßig gezahlter und unvereinbarer Beihilfen angeordnet wird, zeugtvon der Entschlossenheit der Kommission, für die Einhaltung der für staatliche Beihilfen geltendenRegeln und Grundsätze zu sorgen. So zeigen die Statistiken für 1996 eine merklich höhere Anzahlablehnender (oder teilweise ablehnender) abschließender Entscheidungen sowohl imAnwendungsbereich des EG-Vertrags (zwölf Fälle gegenüber sechs im Vorjahr) als auch des EGKS-Vertrags (zwölf Fälle gegenüber drei im Vorjahr). Darüber hinaus ist 1996 auch die Anzahl derEntscheidungen, in denen die Rückzahlung vertragswidrig gezahlter Beihilfen angeordnet wurde,erheblich gestiegen16. Im übrigen hat die Kommission die Ansicht vertreten, daß nationale Rechts-oder Verwaltungsvorschriften die Durchführung ihrer Entscheidungen nicht verhindern dürfen. So hatsie eine ablehnende abschließende Entscheidung wegen eines italienischen Gesetzes erlassen, mitdem das Gesetz über die Sonderverwaltung von Unternehmen in Schwierigkeiten auf Unternehmenausgedehnt wurde, deren Zahlungsunfähigkeit darauf zurückzuführen war, daß sie unrechtmäßigerhaltene Beihilfen zurückzahlen mußten.

28. Darüber hinaus setzte die Kommission ihre Arbeiten an weiteren Dokumenten fort, diemöglicherweise 1997 angenommen werden und so verschiedene Themen betreffen wie eineKodifizierung der Regionalbeihilfevorschriften, eine Überarbeitung des Gemeinschaftsrahmens fürdie Kfz-Industrie, einen Gemeinschaftsrahmen auf dem Gebiet der kurzfristigenExportkreditversicherung, einen sektorenübergreifenden Gemeinschaftsrahmen für Regionalbeihilfenzugunsten großer Investitionsvorhaben sowie Studien über Beihilfen in der Textilindustrie und überSystemrisiken im Bankwesen. Im Mai fand eine multilaterale Sitzung mit den Sachverständigen derMitgliedstaaten und der EFTA-Überwachungsbehörde statt, in der die Kodifizierung derRegionalbeihilfevorschriften und die Notwendigkeit der Beibehaltung eines Gemeinschaftsrahmensfür die Textil- und Bekleidungsindustrie erörtert wurden.

29. Die Kommission unternahm weitere Anstrengungen, um den Zugang zu Informationen zuerleichtern: So gibt es jetzt im Internet einen On-line-Zugang zu der Veröffentlichung"Wettbewerbsrecht in den Europäischen Gemeinschaften - Band II A: Wettbewerbsregeln fürstaatliche Beihilfen" (englische Fassung), die regelmäßig aktualisiert wird. Die Kommission stellteferner einen Leitfaden für die Anwender dieser Vorschriften fertig, der Anfang 1997 als Band II B:"Erläuterung der Wettbewerbsregeln für staatliche Beihilfen" erscheinen soll. Schließlichveröffentlichte sie eine Sammlung der in den Jahren 1964-1995 erlassenen ablehnendenabschließenden Entscheidungen.

30. Im Juli nahm die Kommission eine Mitteilung über die Methode zur Festsetzung der Bezugs- undAbzinsungssätze17 an, die zur Berechnung des Subventionsäquivalents der verschiedenenBeihilfeformen verwendet werden. Sie beruhen künftig auf der durchschnittlichen Rendite derstaatlichen Schuldverschreibungen am Sekundärmarkt nach Harmonisierung durch das EuropäischeWährungsinstitut (EWI), zuzüglich eines spezifischen Zuschlags für jeden Mitgliedstaat. Mit diesemVerfahren werden die Nachteile der früheren Methode beseitigt, d.h. die Verschiedenheit derDefinitionen und die aufwendige monatliche Erhebung der Sätze. Darüber hinaus wurde eine

16 Siehe insbesondere die Fälle Alti Forni Servola, Breda Fucine, Neue Maxhütte Stahlwerke, Mercedes Benz

Ludwigsfelde, Volkswagen Sachsen, Siemens Nixdorf, Mediterraneo Tecnica Textil SA (früher HYTASA),

Cellulose du Rhône et de l'Aquitaine.

17 ABl. C 232 vom 10.8.1996, S. 10.

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Untersuchung eingeleitet, um die derzeitige Höhe der Zuschläge auf die EWI-Sätze zu ermitteln undzu prüfen, ob andere mittelfristige Renditen einbezogen werden können.

B - Der Begriff der staatlichen Beihilfe

31. Um als eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EGV und damit für mit demGemeinsamen Markt unvereinbar angesehen zu werden, muß eine Maßnahme folgende vierVoraussetzungen erfüllen: Sie muß dem begünstigten Unternehmen einen Vorteil verschaffen, siemuß vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden, sie muß im Einzelfall gewährt werden,d.h. sie darf nur "bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produktionszweige" begünstigen und siemuß schließlich den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Diese vier Voraussetzungenmüssen insgesamt erfüllt sein, d.h. die Anwendung von Artikel 92 ist ausgeschlossen, wenn bereitseine Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Die 1996 erlassenen Entscheidungen haben dazu beigetragen, daß einige Unsicherheiten bezüglichder Begriffsbestimmung der Beihilfe ausgeräumt werden können, die bei den an der BeihilfekontrolleBeteiligten noch bestehen. Die Eingrenzung des Beihilfebegriffs ist von größter Bedeutung. Esobliegt zwar ausschließlich der Kommission, über die Anwendung der Ausnahmen von dergrundsätzlichen Unvereinbarkeit zu entscheiden, aber die Einstufung einer Maßnahme als staatlicheBeihilfe betrifft direkt oder indirekt eine große Zahl von Beteiligten: zunächst die nationalenGerichte, die für Klagen zuständig sind, mit denen festgestellt wird, ob eine staatliche Beihilfevorliegt und ob sie gegebenenfalls vertragswidrig gewährt wurde - hier sei darauf hingewiesen, daßdie Kommission 1995 eine Bekanntmachung18 veröffentlicht hat, in der sie den nationalen Gerichtennahelegt, von ihren Befugnissen auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen Gebrauch zu machen (sieheBekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten derMitgliedstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfen) -, sodann die Mitgliedstaaten, die dieKommission von Vorhaben unterrichten müssen, mit denen Beihilfen eingeführt oder umgestaltetwerden, und schließlich die Unternehmen, die überprüfen müssen, ob die ihnen zugute kommendeMaßnahme eine Beihilfe darstellt, und wenn dies der Fall ist, ob die formalen und inhaltlichenVoraussetzungen eingehalten werden. Ein Wirtschaftsakteur kann sich nämlich nicht im nachhineinauf sein berechtigtes Vertrauen berufen, wenn er die Rechtmäßigkeit einer ihm gewährten Beihilfenicht überprüft hat und damit seiner normalen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist.

1. Der einem Unternehmen gewährte Vorteil

32. Nach ständiger Praxis und Rechtsprechung19 muß der Begriff der Beihilfe im weitesten Sinne desWortes verstanden werden. Unabhängig von ihrer Form muß eine Maßnahme immer dann alsstaatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags angesehen werden, wenn sie dem betreffendenUnternehmen einen wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteil verschafft, den es im normalen Verlaufseiner Tätigkeit nicht erhalten hätte, und die Belastungen vermindert, die es normalerweise zu tragenhat20. Allerdings stellt ein einfacher Ausgleich der mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungenverbundenen Mehrkosten, wie der Fall Finanzierung des portugiesischen Fernsehens gezeigt hat,keine staatliche Beihilfe dar. Ebenso hat die Kommission ihren Standpunkt bekräftigt, daß dieöffentliche Finanzierung von Infrastrukturen - hier Verkehr, Energie- und Wasserversorgung -zugunsten bestimmter Industriestandorte in Österreich keine Beihilfeelemente enthält, sofern diese 18 ABl. C 312 vom 23.11.1995, S. 8.

19 Siehe insbesondere Rechtssachen C-61/79 Amministrazione delle Finanze dello Stato/Denkavit Italiana, Slg.

1980, S. 1205, und C-173/73 Italien/Kommission, Slg. 1974, S. 709.

20 Siehe hierzu insbesondere Rechtssache C-387/92 Banco Exterior de Espana, Slg. 1994, S. I-877, Randnummer 12 f.

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Infrastrukturen von allen in den Industriegebieten ansässigen Unternehmen unterschiedslos genutztwerden können.

Darüber hinaus wurde die Tatsache, daß eine in einem dänischen Gesetz über die Besteuerung vonAbwässern vorgesehene Steuererhöhung für bestimmte Produktionszweige geringer ausfiel als fürandere, als Steuersenkung angesehen, die einer staatlichen Beihilfe gleichkommen kann, wenngleichder Steuersatz global für alle Unternehmen angehoben wurde.

33. Im November nahm die Kommission eine Mitteilung über Beihilfeelemente inGrundstücksgeschäften der öffentlichen Hand an21. Darin unterscheidet sie zwischen Verkäufen mitund ohne (hinreichend publizierte bedingungsfreie) Ausschreibung. Im ersten Fall, d.h. wenn derZuschlag dem meistbietenden oder einzigen Bieter erteilt wird, geht die Kommission davon aus, daßder Verkauf nicht mit Beihilfen verbunden ist, da er zwangsläufig zum Marktpreis erfolgt. Im zweitenFall fordert die Kommission die Hinzuziehung eines unabhängigen Sachverständigen, der denMindestwert des Grundstücks schätzt. Erfolgt der Verkauf dann zu dem geschätzten oder einemhöheren Preis, so wird davon ausgegangen, daß er keine Beihilfeelemente enthält.

34. Bei Privatisierungen läßt sich die Kommission weiterhin von dem Grundsatz leiten, daß keineBeihilfe vorliegt, wenn die Anteile in einem offenen und bedingungsfreien Ausschreibungsverfahrenan den Meistbietenden veräußert werden. Wird kein solches Verfahren durchgeführt, muß der Fallnotifiziert werden, damit die Kommission feststellen kann, ob Beihilfen vorliegen, und sichgegebenenfalls zu deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt äußern kann. DiePrivatisierungen von Belgacom und British Energy, bei denen die betreffenden Mitgliedstaaten denneuen Eigentümern sämtliche Passiva und Aktiva gleichzeitig übertragen haben, enthielten nachAnsicht der Kommission keine Beihilfen.

Aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes in Artikel 222 EG-Vertrag (Eigentumsordnung in denMitgliedstaaten - sowohl öffentliches als auch privates Eigentum) kann eine Privatisierung weder alsRechtfertigung für die Gewährung einer Beihilfe herangezogen werden noch eine Voraussetzung fürihre Vereinbarkeit darstellen. Wenn sich staatliche Unternehmen in Schwierigkeiten befinden, kanndurch eine Privatisierung jedoch die Wiederherstellung der langfristigen Lebensfähigkeit desUnternehmens wahrscheinlicher werden. So befand die Kommission im Fall Head Tyrolia Mares(HTM) zwar, daß die Privatisierung des Unternehmens, dem das staatliche MutterunternehmenKapital in Höhe von 118 Millionen ECU zugeführt hatte, um es anschließend für 0,7 Millionen ECUzu verkaufen, eine staatliche Beihilfe enthielt, konnte diese aber vor allem aufgrund der Bedingungen,die im Hinblick auf die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von HTM gestellt wurden,genehmigen.

35. Der Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers wird häufig herangezogen, umfestzustellen, ob Mittel, die die öffentliche Hand staatlichen oder privaten Unternehmen zugünstigeren Bedingungen bereitstellt, als diese am Markt vorfinden würden, Beihilfen enthalten22. InAnwendung dieses Grundsatzes gelangte die Kommission zu dem Schluß, daß die wiederholtenDarlehen, die Kapitalzuführungen und der Schuldenerlaß zugunsten des Unternehmens Breda FucineMeridionali einem in Privatbesitz befindlichen Unternehmen nicht gewährt worden wären und daherstaatliche Beihilfen darstellten. Sie beschloß, diese Beihilfen zu verbieten, da sie einzig und allein dasÜberleben des Unternehmens sicherstellen sollten und durch keine Gegenleistung gerechtfertigtwaren.

21 SEK (96) 2090/2.

22 Siehe insbesondere Rechtssachen C-305/89 Italien/Kommission, Slg. 1991 S. I-1603 und C-234/84

Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2263.

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In anderen Fällen hingegen wurden staatliche Maßnahmen nicht als Beihilfen eingestuft. So befanddie Kommission, daß der Verkauf von British Coal Enterprise (BCE), einer Tochter des staatlichenUnternehmens British Coal Corporation (BCC), an den Privatsektor zu einem Preis, der unter demNennwert der Schulden von BCE gegenüber BCC lag, nicht mit staatlichen Beihilfen verbunden war.BCE verfügte nämlich über keinerlei Eigenmittel und widmete sich auch bestimmten sozialen, d.h.beschäftigungsfördernden Aktivitäten. Daher konnte BCC nicht erwarten, daß die Tochtergesellschaftdie geschuldeten Beträge innerhalb einer angemessenen und absehbaren Frist zurückzahlen würde. Dader Verkauf im Rahmen eines transparenten und nichtdiskriminierenden Ausschreibungsverfahrenerfolgte, in dem das höchste Angebot berücksichtigt worden war, gelangte die Kommission zu demSchluß, daß BCC sich wie ein privater Kapitalgeber verhalten hat, der vor allem eineGewinnmaximierung anstrebt. Im Fall Servola SpA wurde die Auffassung vertreten, daß der Erwerbeiner Minderheitsbeteiligung von 35% an dem privaten Stahlunternehmen durch zwei staatlicheHoldinggesellschaften (Friulia SpA und GEPI) keine Beihilfeelemente enthielt. Angesichts dergesunden finanziellen und wirtschaftlichen Lage sowie der Zukunftsaussichten des Unternehmens23

und unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage, auf der der Staat die Minderheitsbeteiligungan Servola erwarb, wäre auch ein Privatunternehmer unter normalen Marktbedingungen bereitgewesen, die Investitionen vorzunehmen.

2. Herkunft der Mittel

36. Die finanziellen oder wirtschaftlichen Vorteile, die einem Unternehmen zugute kommen, müssenvom Staat - im weitesten Sinne - oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden24. Quersubventionenzwischen einem auf einem nicht wettbewerbsorientierten Markt tätigen staatlichen Unternehmen undseinem Tochterunternehmen, das auf einem wettbewerbsoffenen Markt operiert, können ausstaatlichen Mitteln gewährte Beihilfen darstellen. In den Fällen Société Française de MessagerieInternationale (SFMI)/Chronopost und Sécuripost eröffnete die Kommission daher infolge mehrererBeschwerden das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag gegenüber der französischenRegierung, um näher untersuchen zu können, ob die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Personal,die Übertragung von Kunden und die Durchführung von Werbetätigkeiten durch das staatlicheMutterunternehmen (die französische Post) staatliche Beihilfen darstellen. Der Gerichtshof war inseinem Urteil Syndicat français de l'Express international (SFEI) / La Poste zu der Auffassunggelangt, daß eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegen kann, wenn einstaatliches Unternehmen seine in einem wettbewerbsoffenen Sektor tätige privatrechtlicheTochtergesellschaft ohne angemessene Gegenleistung logistisch und kommerziell unterstützt25.

3. Spezifizität von Maßnahmen

37. Voraussetzung für die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe ist, daß sie nurbestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt26. Folglich fallen allgemeine wirtschafts- 23 Infolge der Investitionen zur Verbesserung seiner Produktivität erwartet das Unternehmen Servola SpA eine

Erhöhung seines Umsatzes, seiner durchschnittlichen Bruttogewinnspanne und seines Betriebsgewinns.

24 Siehe insbesondere Rechtssachen C 67, 68 und 70/85 Van der Kooy/Kommission, Slg. 1988, S. 219 und C 78/76

Steinike und Weinlig/Deutschland, Slg. 1977, S. 595.

25 Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-39/94 SFEI/La Poste, noch nicht veröffentlicht.

26 Siehe insbesondere Rechtssachen 203/82 Kommission/Italien, Slg. 1983, S. 2525; 173/73 Italien/Kommission, Slg.

1974, S. 719 und C-189/91 Petra Kirsammer, Slg. 1992, S. 6185.

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, steuer- und sozialpolitische Maßnahmen auch dann, wenn sie den Unternehmen des betreffendenLandes einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, nicht unter die Wettbewerbsregeln für staatlicheBeihilfen, sondern gelten als allgemeine Maßnahmen, die den Vertragsbestimmungen über dieAngleichung der Rechtsvorschriften unterliegen können. Es ist schwierig, im voraus allgemeingültigeKriterien aufzustellen, um diese beiden Begriffe gegeneinander abgrenzen zu können. Daher versuchtdie Kommission, diese Abgrenzung auf der Grundlage der ihr vorgelegten Einzelfälle zu verbessern.Im Fall Maribel bis et ter vertrat sie die Auffassung, daß die in dem betreffenden belgischen Gesetzvorgesehenen Maßnahmen zur zusätzlichen Ermäßigung der Sozialabgaben staatliche Beihilfendarstellten, da sie auf Unternehmen beschränkt waren, die überwiegend in Sektoren operieren, diedem internationalen Wettbewerb besonders stark ausgesetzt sind. Der Gerichtshof unterstützte denStandpunkt der Kommission durch sein Urteil in der Rechtssache Kimberley Clark Sopalin27, demzufolge eine Maßnahme nur dann als allgemein eingestuft werden kann, wenn der Staat nicht über einErmessen verfügt, das es ihm ermöglicht, sie in bezug auf die Wahl des Begünstigten, die Höhe undModalitäten unterschiedlich anzuwenden. Die Tatsache, daß die grundsätzlich allen Unternehmen,Sektoren und Regionen offenstehende Maßnahme durch die Möglichkeit des Staates eingeschränktwar, die Gewährung zu verweigern - auch wenn dies auf der Grundlage objektiver Kriterien geschah,die in Rechts- und Verwaltungsvorschriften erschöpfend aufgeführt waren -, reichte aus, um sie alsBeihilfe einzuordnen.

Darüber hinaus stellte die Kommission den Unterschied zwischen Beihilfen und allgemeinenMaßnahmen auch in ihrer Mitteilung über Beihilfenüberwachung und Senkung der Arbeitskosten28

klar, in der sie darauf hinweist, daß nationale Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten nicht unterArtikel 92 Absatz 1 fallen, wenn sie sich an alle Unternehmen richten und auf bestimmte Gruppenvon Beschäftigten (z.B. Niedriglohnempfänger) abzielen oder Tätigkeiten betreffen, die nichtGegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sind (vor allem Dienstleistungen imNahbereich).

4. Wettbewerbsverzerrungen und Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels

38. Die letzte Voraussetzung für die Einstufung einer Maßnahme als Beihilfe besteht darin, daß siedie Wettbewerbsbedingungen und den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen muß.Wettbewerbsverzerrungen werden fast automatisch als gegeben angesehen, wenn eine Beihilfebestimmte Unternehmen zum Nachteil ihrer Wettbewerber begünstigt. So gelangte die Kommissionim Fall Sozialtourismus in Belgien zu dem Schluß, daß Zuschüsse für Einrichtungen, dieFreizeitaktivitäten organisieren, um benachteiligten Personen den Zugang zu touristischen Anlagen zuermöglichen, Wettbewerbsverzerrungen im Hotelgewerbe nach sich ziehen können. Die betreffendenZentren üben nämlich neben den sozialen Tätigkeiten der Förderung von Massentourismus undArbeiterferien auch Aktivitäten des klassischen Hotelgewerbes aus, die im unmittelbaren Wettbewerbzum Hotelwesen derselben Kategorie stehen. Im Fall Institut Français du Pétrole (IFP) erwies sichhingegen, daß eine dem IFP zufließende steuerähnliche Abgabe auf bestimmte Mineralölerzeugnisseweder eine staatliche Beihilfe zugunsten dieses Instituts (da es sich um eine öffentliche Einrichtungohne Erwerbszweck handelt), noch eine Beihilfe zugunsten der Unternehmen darstellt, die von denForschungsergebnissen profitieren, da keine Diskriminierung im Zugang zu diesen Ergebnissenbesteht. Die Fakten im vorliegenden Fall widerlegten die Annahme, eine steuerähnliche Abgabe seidiskriminierend, da sie zwangsläufig vor allem inländischen Unternehmen zugute komme.

27 Urteil des Gerichtshofs vom 26. September 1996 in der Rechtssache C 241/94 Französische Republik/Kommission,

noch nicht veröffentlicht.

28 ABl. C 1 vom 3.1.1997, S.10.

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Was die Auswirkungen von Beihilfen auf den innergemeinschaftlichen Handel betrifft, so gelangtedie Kommission in den Fällen Freizone Korsika und Regelung zur Wiederbelebung benachteiligterStadtviertel unter anderem zu der Auffassung, daß der innergemeinschaftliche Handel durch dieMaßnahmen nicht beeinträchtigt wird, da sich die vorgesehenen Steuerbefreiungen auf kleine, reinlokal tätige Unternehmen beschränken oder unter der "de minimis"-Schwelle liegen.

39. In bezug auf ihre allgemeine Praxis bestätigte die Kommission 1996 in ihrer neuen Mitteilungüber "de minimis"-Beihilfen29, daß geringfügige Beihilfebeträge keine spürbaren Auswirkungen aufden Handel zwischen Mitgliedstaaten haben. Alle Beihilfen - mit Ausnahme von Ausfuhrbeihilfen -,die einen Betrag von 100 000 ECU je Unternehmen in einem Zeitraum von drei Jahren nichtüberschreiten, fallen nach Ansicht der Kommission nicht unter die Gemeinschaftskontrolle undbrauchen ihr folglich nicht notifiziert zu werden.

C - Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt:Entwicklungen und Tendenzen

1. Sektorale Beihilfen

1.1. Beihilfen in Sektoren, die besonderen Vorschriften unterliegen

1.1.1. Schiffbau

40. Am 27. September 199630 beschloß der Rat, die siebente Richtlinie über Beihilfen für denSchiffbau31 vorläufig bis höchstens 31. Dezember 1997 zu verlängern, da das OECD-Übereinkommenüber normale Wettbewerbsbedingungen in der gewerblichen Schiffbau- und Schiffsreparaturindustriewegen Verzögerungen bei der Ratifizierung durch die USA nicht in Kraft treten konnte. Ist dasÜbereinkommen bis 1. Juni 1997 noch nicht in Kraft getreten, wird die Kommission geeigneteVorschläge vorlegen, damit der Rat bis 31. Dezember 1997 über die künftige Politik auf diesemGebiet beschließen kann.

Vor diesem Hintergrund beschloß die Kommission, die gemeinsame Höchstgrenze fürProduktionsbeihilfen (9 % für große Schiffe und 4,5% für Schiffsumbauten und Schiffe im Wert vonweniger als 10 Millionen ECU) beizubehalten.

41. Der wichtigste im Berichtsjahr von der Kommission geprüfte Einzelfall betrifft dieZweckentfremdung von Beihilfen, die den ehemaligen DDR-Werften MTW und Volkswerft zugedachtwaren, jedoch dann ihrer Muttergesellschaft Bremer Vulkan AG zuflossen. Die Kommission eröffneteim Februar das Verfahren und untersucht nun eingehend das "Spillover"-Verfahren und dieMöglichkeit, die Beihilfen ihrer ursprünglichen (genehmigten) Verwendung zuzuführen.

42. Außerdem prüfte die Kommission die Finanzierung des Schiffbaus in Dänemark im Zeitraum1987-1993 und genehmigte neben den Beihilferegelungen, die die Mitgliedstaaten im Einklang mitArtikel 4 Absatz 1 der siebenten Richtlinie für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember

29 ABl. C 68 vom 6.3.1996, S. 9.

30 Verordnung (EG) Nr. 1904/96 des Rates (ABl. L 251 vom 3.10.1996, S. 5).

31 Richtlinie 90/684/EWG des Rates, zuletzt geändert durch die Richtlinie 94/73/EG.

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eingeführt haben, auch Umstrukturierungsbeihilfen in Frankreich und Italien. Aufgrund von Artikel 4Absatz 7 der Richtlinie - der als Entwicklungshilfe gewährte Beihilfen betrifft - wurden 18 Fällegenehmigt, davon drei in Deutschland, sechs in Spanien und neun in den Niederlanden. Ferner wurdedas Verfahren nach Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag eröffnet, nachdem die spanische Regierung einenAntrag aufgrund von Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie gestellt hatte, der auf eine Ausnahme von derdreijährigen Frist abzielt, die normalerweise zwischen der Unterzeichnung des Vertrags und derAuslieferung des Schiffes zulässig ist. Schließlich wurde eine teilweise ablehnende Entscheidungerlassen, der zufolge ein französisches Gesetz über Steuerermäßigungen für Investitionen in denÜberseedepartements nicht auf den Schiffbau angewandt werden darf.

1.1.2. Stahlindustrie

43. Im Berichtsjahr wandte die Kommission weiterhin strikt den fünften Stahlbeihilfenkodex an32. Sieerließ 19 teilweise oder gänzlich ablehnende Entscheidungen wie in den Fällen Alti Forni e Ferrieredi Servola, Breda Fucine Meridionali und Forges de Clabecq. Was die Einzelanwendungsfälle desGesetzes "Bresciani" in Italien anbelangt, so wurden die betreffenden Beihilfen in 33 Fällen von derKommission genehmigt und in zehn Fällen untersagt. Waren die Beihilfen entgegen denVerfahrensregeln bereits ausgezahlt worden waren, ordnete sie ihre Rückzahlung an.33

Die Kommission setzte die Überwachung von acht Beihilfefällen fort, die aufgrund von Artikel 95EGKS-Vertrag genehmigt worden waren34 und legte dem Rat halbjährliche Berichte darüber vor.

Der fünfte Stahlbeihilfenkodex trat Ende 1996 außer Kraft. Im Dezember nahm die Kommissioneinen neuen Kodex an, um die Zeit bis zum Ablauf des EGKS-Vertrags im Juli 2002 zu überbrücken.Damit werden die Vorschriften für Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen und fürUmweltschutzbeihilfen mit dem überarbeiteten Gemeinschaftsrahmen für staatliche Forschungs- undEntwicklungsbeihilfen und dem 1994 festgelegten Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfenin Einklang gebracht. Hier führte die Kommission erhebliche Beschränkungen ein, gestattet jedochandererseits künftig Beihilfen für teilweise Schließungen. Ferner hat sie die Verfahrensregeln desStahlbeihilfenkodexes an die neuen Entwicklungen im EG-Sektor angepaßt.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des EGKS-Vertrags wurde ein Fall geprüft35, der die Herstellungvon Metallrohren betraf.

1.1.3. Kohlenbergbau

44. In der Entscheidung 3632/93/EGKS36 vom 28. Dezember 1993 sind dieGemeinschaftsvorschriften für staatliche Beihilfen zugunsten des Kohlenbergbaus für die Jahre 1994-

32 Entscheidung 3855/91/EGKS der Kommission vom 27.11.1991.

33 Siehe Entscheidung 96/484/EGKS der Kommission vom 13.3.1996, Neue Maxhütte Stahlwerke GmbH , ABl. L

198 vom 8.8.1996, S. 40.

34 Ilva in Italien, CSI und Sidenor in Spanien, Irish Steel in Irland, Siderurgia Nacional in Portugal, EKO Stahl und

SEW Freital in Deutschland und Voest Alpine Erzberg in Österreich.

35 Eröffnung des Verfahrens im französischen Fall ECOPIPE, anschließend Abschluß des Verfahrens mit einer

befürwortenden Entscheidung, C 16/96 (noch nicht veröffentlicht).

36 ABl. L 329 vom 30.12.1993, S. 12.

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2002 festgelegt. Im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 dieser Entscheidung schaffte Deutschland am1. Januar 1996 den "Kohlepfennig" ab. Damit ist Spanien nun der einzige Mitgliedstaat, der dieGemeinschaftsvorschriften noch nicht vollständig einhält.

45. Am 20. März 1996 erteilte die Kommission dem Vereinigten Königreich die Genehmigung, fürdas Jahr 1996 Zuwendungen von insgesamt 455,5 Millionen ECU (378 Millionen UKL) zugewähren, um übernommene Verbindlichkeiten zu decken.

46. Am 30. April 1996 gestattete die Kommission Deutschland, für das Jahr 1996 nach dem fünftenKohleverstromungsgesetz vom 12. Dezember 1995 Zuwendungen von insgesamt 5 498,7 Mio. ECU(10 454,6 Mio. DM) zu gewähren, und zwar als Ausgleich für die Elektrizitätserzeuger zur Erhaltungder Untertagebelegschaft ("Bergmannsprämie"), für Lieferungen von Kohle und Koks an dieStahlindustrie der Gemeinschaft und für die Deckung außergewöhnlicher Belastungen einer Reihevon Kohleunternehmen im Zusammenhang mit übernommenen Verbindlichkeiten undUmstrukturierungsmaßnahmen. Darüber hinaus genehmigte sie zusätzliche Beihilfen von 1 508,5Millionen ECU (2 826,9 Millionen DM) für die Lieferung von Kohle und Koks an die Stahlindustrieder Gemeinschaft und für die Finanzierung außergewöhnlicher Umstrukturierungskosten einer Reihevon Kohleunternehmen. Bei der Prüfung der Beihilfen gelangte die Kommission allerdings zu demErgebnis, daß die Kostenentlastung von etwa 3,6% im Zeitraum 1992 bis 1995 unangemessen warund ein erneuter Hinweis darauf ist, daß im Hinblick auf den Kapazitätsabbau ein konsequentesVorgehen erforderlich ist.

47. Am 30. April 1996 erteilte die Kommission Frankreich die Genehmigung, für 1996 Beihilfen voninsgesamt 681,9 Millionen ECU (4 415 Millionen FF) für den Ausgleich von Betriebsverlusten, füraus der Modernisierung, Rationalisierung und Umstrukturierung der Kohleindustrie herrührendeVerbindlichkeiten sowie für Forschung und Entwicklung zu gewähren.

48. Darüber hinaus erteilte die Kommission am 30. April 1996 Spanien die Genehmigung,Zuwendungen von 884,6 Millionen ECU (141 377 Mio. PTA) für 1996 und 867 Millionen ECU(141 316 Mio. PTA) für 1995 zu gewähren. Finanziert werden sollen mit den BeihilfenBetriebsverluste der Kohleunternehmen, außerordentliche Sozialbeihilfen an Arbeiter, die ihreArbeitsplätze durch die Umstrukturierung verloren haben, technische Kosten im Zusammenhang mitder Schließung von Bergwerksanlagen, Forschungs- und Entwicklungsprojekte undUmweltschutzaufwendungen. Ferner wurde Spanien gestattet, für 1994 zusätzliche Finanzhilfen von65,2 Millionen ECU (10 362 Mio. PTA) für Betriebsverluste der Kohleunternehmen zu zahlen. Beider Genehmigung der Beihilfen für 1996 nahm die Kommission die Zusage Spaniens zur Kenntnis,seine Beihilferegelung bis spätestens 31. Dezember 1996 mit Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung Nr.3632/93/EGKS in Einklang zu bringen.

49. Am 29. Mai 1996 gestattete die Kommission Portugal, Zuwendungen von insgesamt 1,8Millionen ECU (345,95 Mio. ESC) für 1995 und 1996 zu gewähren, um die Abfindungen fürArbeiter zu finanzieren, die ihren Arbeitsplatz durch die Schließung des letzten portugiesischenBergwerks verloren haben.

1.1.4. Kfz-Industrie

50. Hier erließ die Kommission im Berichtsjahr 20 Entscheidungen und legte mehrere allgemeineBeiträge in Form von Mitteilungen oder Studien vor, die darauf abzielten, den Gemeinschaftsrahmenfür staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie an die Hauptentwicklungen der Industrie anzupassen. Sonahm sie im Juni eine Mitteilung über die Kfz-Industrie an, die Überlegungen zur Auslastung derProduktionskapazitäten in der Union enthält. Im November forderte der Rat die Kommission in seinerEntschließung zu dieser Mitteilung auf, sich stärker um die Transparenz der Beihilfevorschriften zubemühen und sich davon zu vergewissern, daß die genehmigten Beihilfen keine

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Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben. Schließlich untersuchte die Kommission mit Hilfeunabhängiger Berater die Anwendungsbedingungen und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrahmensfür staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie. Die Kommission wird bis Ende 1997 über die künftigenModalitäten der Beihilfekontrolle in diesem Sektor beschließen.

51. Bei den Entscheidungen über Regionalbeihilfen, die die Mehrzahl der Fälle im Kfz-Sektorbildeten, wurde weiterhin der Grundsatz befolgt, daß der genehmigte Beihilfebetrag im Fall einerSchaffung von Produktionskapazitäten in einem angemessenen Verhältnis zu den Standortnachteilenstehen muß, wie z.B. der Fall Volkswagen Sachsen gezeigt hat. Einige Notifizierungen umfaßtenneben einer Regionalförderung auch andere Beihilfearten (für Innovation, Umweltschutz, Ausbildungusw.) wie bei dem Unternehmen MCC-Swatch, wo die Kommission neben dem Beitrag zurregionalen Entwicklung den besonders innovativen Charakter des Vorhabens und die Tatsachewürdigte, daß die geplanten Umweltschutzinvestitionen weit über die gesetzlichen Verpflichtungenauf diesem Gebiet hinausgehen.

52. Die Entscheidung Suzuki Manzanares hat zur Präzisierung der Definition des Kfz-Sektorsbeigetragen. Nach dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie umfaßt derKfz-Sektor auch die Herstellung von Motoren, während alle Ersatz- und Zubehörteile fürKraftfahrzeuge und Motoren ausgeschlossen sind. Angesichts der möglichen Preisentwicklungen beiKfz-Teilen, des geringen Beitrags von Manzanares zum vollen Einstandspreis der Motoren und derTatsache, daß vor Ort kein Zusammenbau von Komponenten erfolgt, konnte die Kommission dasbetreffende Werk als Produktionsstätte für Kfz-Teile ansehen, die nicht unter den obengenanntenGemeinschaftsrahmen fällt. Daher wurden die Beihilfen an Suzuki Manzanares lediglich anhand derfür Regionalbeihilfen üblichen Kriterien geprüft.

53. Der europäische Kraftfahrzeugsektor ist weiterhin von strukturellen Überkapazitätengekennzeichnet. Um die dadurch erhöhte Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen, prüftdie Kommission erforderlichenfalls die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Kapazitäten desSektors in den Mitgliedstaaten der Union. In der Praxis wird ein Zuschlag von 3 % derförderwürdigen Regionalinvestition genehmigt, wenn der Beihilfeempfänger keine zusätzlichenProduktionskapazitäten in einem gesättigten Marktsegment errichtet. Im Fall MCC-Swatch wurde einZuschlag bewilligt, weil mit dem Auto SMART aufgrund seiner besonderen Eigenschaften ein neuesMarktsegment geschaffen wird. Die hinzugezogenen Sachverständigen waren im übrigen derAuffassung, daß die Auswirkungen von SMART auf die bestehenden Marktsegmente begrenzt seinwerden. In Fällen wie Mercedes Benz Spanien und Opel Portugal hat sich die Frage eines Zuschlagsnicht gestellt, da die in der Kosten-Nutzen-Analyse festgestellten Standortnachteile die von denMitgliedstaaten vorgeschlagenen Beihilfeintensitäten überstiegen.

54. Im Bereich der Umstrukturierungsbeihilfen beschloß die Kommission, das Verfahren nach Artikel93 Absatz 2 EG-Vertrag einzustellen, das sie wegen Beihilfen an Mercedes-Benz für dieUmstrukturierung eines Lkw-Werks in Ludwigsfelde (Brandenburg) eröffnet hatte. Die Kommissiongelangte zu dem Schluß, daß ein Teil der Beihilfen, der 51,8% der Umstrukturierungskostenentsprach und damit im angemessenen Verhältnis zum Abbau von Produktionskapazitäten stand, alsvereinbar mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie und denLeitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen angesehen werden konnte. Diese Beihilfenwurden folglich genehmigt. Dagegen traf sie eine ablehnende Entscheidung wegen desjenigen Teilsder Beihilfen, der der Differenz zwischen dem tatsächlichen Marktwert des Unternehmens und demPreis für seinen Verkauf von der Treuhandanstalt an Mercedes-Benz entsprach. Die Kommissionverlangte die Rückforderung dieses Teils der Beihilfen zuzüglich Zinsen, die ab dem Datum desVerkaufs (1. Januar 1994) berechnet werden. Im Fall Santana Motor SA beschloß die Kommission,das im Januar 1995 eröffnete Verfahren wegen von den spanischen Behörden geplanter und teilweisebereits ausgezahlter Beihilfen einzustellen, nachdem sie den im April ausgearbeitetenUmstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens geprüft hatte. Da

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der Kapazitätsabbau und die Beihilfeintensität in einem angemessenen Verhältnis zueinander standen,genehmigte die Kommission die Maßnahme, die neben zwei Darlehen Sozialbeihilfen für entlasseneArbeitnehmer umfaßt.

55. Auf internationaler Ebene haben die mit den mittel- und osteuropäischen Ländern geschlossenenoder kurz vor der Unterzeichnung stehenden Übereinkommen der Kommission ermöglicht, dieaußerhalb der Union angewandten Vergabekriterien für Beihilfen zu untersuchen. So prüft siezusammen mit den polnischen Behörden die Fälle Daewoo und General Motors.

56. Manche Beihilfeentscheidungen der Kommission sehen ausdrücklich eine Überwachung dergeförderten Vorhaben vor. Dabei handelt es sich im wesentlichen um eine Überprüfung derInvestitionsbeträge, der Anzahl der geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze und Kontrollen -gegebenenfalls vor Ort - der Begrenzung der geschaffenen Produktionskapazitäten. Die Fälle NedCar,Seat Barcelona und Fiat Mezzogiorno sind Beispiele für eine aktive Überwachung durch dieKommission.

1.1.5. Kunstfaserindustrie

57. Seit 1977 unterliegen Beihilfen an diese Industrie einer zusätzlichen Kontrolle nach demGemeinschaftsrahmen für die Kunstfaserindustrie. Nachdem ein unabhängiger Berater 1995 Studienvorgelegt hatte und die Mitgliedstaaten und die EFTA-Überwachungsbehörde sich geäußert hatten,unterrichtete die Kommission die Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 25. Januar von ihrem Beschluß,neue Maßnahmen für die Kontrolle staatlicher Beihilfen in dieser Industrie einzuführen37. Der neueKodex trat am 1. April in Kraft, und alle Mitgliedstaaten erklärten sich mit den darin auf derGrundlage von Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag festgelegten Notifizierungspflichten einverstanden.Der Kodex hat eine Geltungsdauer von drei Jahren.

Nach dem vorhergehenden Gemeinschaftsrahmen wurden regionale Investitionsbeihilfen nur danngenehmigt, wenn sie mit einem erheblichen Kapazitätsabbau einhergingen. Nach dem neuen Kodexist nun die Marktlage ein Schlüsselelement für die Beurteilung von Regionalbeihilfevorhaben. DieBeihilfen können genehmigt werden, wenn bei dem betreffenden Erzeugnis eine strukturelleAngebotsknappheit besteht, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß sie zu keiner erheblichenKapazitätserhöhung führen. Allerdings dürfen nach dem neuen Kodex Beihilfen nur begrenzt gewährtwerden. Größere Unternehmen (also keine KMU) können Investitionsbeihilfen nur bis zu 50% dergültigen Höchstgrenze erhalten. KMU können je nach Lage des betreffenden Marktes, Auswirkungenauf Kapazitäten und innovativem Charakter ihrer Erzeugnisse Beihilfen von bis zu 75% oder 100%dieser Grenze erhalten.

58. Im Berichtsjahr wurde die Kommission mit ungewöhnlich wenigen Beihilfefällen in derKunstfaserindustrie befaßt. Am wichtigsten war hier die im April getroffene und mit Auflagenversehene abschließende Entscheidung über nichtnotifizierte Umstrukturierungsbeihilfen derspanischen Behörden zugunsten des Kunstfaserherstellers La Seda de Barcelona (LSB). Die Beihilfewurde - mit der Auflage, daß ein Jahresbericht vorgelegt wird - genehmigt, da damit ein Abbau derProduktionskapazitäten von LSB um insgesamt 25% netto verbunden ist. Der Abbau wurde als"erheblich" im Sinne des Kodexes angesehen, da das Unternehmen langfristig lebensfähig sein dürfteund in einem von beträchtlichem industriellem Niedergang betroffenen Gebiet ansässig ist.

1.1.6. Textil- und Bekleidungsindustrie

37 ABl. C 94 vom 30.3.1996, S. 11

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59. In der im Mai erfolgten multilateralen Sitzung mit den Mitgliedstaaten legte die Kommission dasErgebnis der von ihr in Auftrag gegebenen Studie über die Notwendigkeit der Beibehaltung einesbesonderen Gemeinschaftsrahmens für diesen Sektor vor. Danach sollte der sektoraleGemeinschaftsrahmen abgeschafft und dieser Sektor genauso wie andere Industriezweige behandeltwerden, gegebenenfalls nach den Grundsätzen eines horizontalen Gemeinschaftsrahmens. Da dieüberwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten (11 von 15) die Abschaffung befürwortet hat, muß - unterBerücksichtigung des Standpunkts des Gerichtshofs38 - eine Lösung gefunden werden, die sowohl denAnforderungen an die Rechtssicherheit als auch der notwendigen Fortsetzung einer besonderenKontrolle in diesem Sektor gerecht wird. Schließlich beschloß die Kommission, das Ergebnis dernächsten, Anfang 1997 stattfindenden multilateralen Sitzung abzuwarten, auf der über die Einführungeines sektorenübergreifenden Gemeinschaftsrahmens beschlossen werden soll.

1.1.7. Verkehr

60. Im Jahr 1996 ist die Anzahl der Beihilfen im Verkehrssektor, zu denen sich die Kommissiongeäußert hat, gegenüber dem Vorjahr - in dem sie um über 40% gestiegen war - relativ stabilgeblieben (bis 1. November 1996 erließ die Kommission Entscheidungen in 48 Fällen). Dies ist zumTeil auf die wachsende Öffnung des Verkehrsmarktes und den infolge der Verwirklichung desVerkehrsbinnenmarktes verstärkten Wettbewerb in diesem Sektor zurückzuführen. Vor diesemHintergrund kommt der Kontrolle staatlicher Beihilfen besondere Bedeutung zu, wenn es darum geht,weiterhin gerechte Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, ob privat oder staatlich, zugewährleisten.

61. In der Luftfahrt wurden die staatlichen Beihilfen von der Kommission weiterhin strengkontrolliert. Die meisten nationalen Fluggesellschaften wurden mit neuem Kapital versorgt undUmstrukturierungen unterzogen. Vorrangig kontrollierte die Kommission daher die Verwirklichungder entsprechenden Pläne und prüfte, ob alle Bedingungen, die sie bei der Genehmigung vonUmstrukturierungsbeihilfen für diese Unternehmen gestellt hatte, tatsächlich eingehalten wurden:

- Am 31. Januar 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen das Vorhaben derstaatseigenen spanischen Holding Teneo zu erheben, der staatlichen Fluggesellschaft IberiaKapital in Höhe von 87 Milliarden PTA zuzuführen. Die Kommission sah diese Kapitalzuführungals eine normale geschäftliche Transaktion an, die dem Grundsatz des marktwirtschaftlichhandelnden Kapitalgebers entspricht. Diesem Grundsatz zufolge bestand die Kommission bei derFestlegung der Höhe der Kapitalzufuhr auf einer Mindestrendite von 30%. Diese hohe Renditeschließt einen Zuschlag für das besondere Risiko ein, das mit einer Kapitaleinlage in Iberiaverbunden ist (falls z.B. der Umstrukturierungsplan nicht vollständig verwirklicht wird). Daszugeführte Kapital darf nur für Entlassungsabfindungen und für den Abbau der Überschuldungverwendet werden. Auf keinen Fall darf dadurch der Kostensenkungsplan von Iberiabeeinträchtigt oder die allgemeine Tarif- und Flottenrationalisierungspolitik entscheidend geändertwerden.

- Am 30. April 1996 eröffnete die Kommission erneut das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag wegen Umstrukturierungsbeihilfen zugunsten von Olympic Airways, die in Tranchenausgezahlt werden sollen. Griechenland muß die Zahlung der zweiten Tranche aussetzen, bis dasVerfahren abgeschlossen ist. Die Beihilfen waren im Oktober 1994 mit bestimmten Auflagengenehmigt worden. Olympic Airways hat die Ziele des Umstrukturierungsplans zwar weitgehend

38 Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C-135/93 Königreich Spanien/Kommission,

Slg. 1995, S. I-1673.

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verwirklicht, doch die Kommission befürchtet, daß Griechenland eine Reihe der Auflagen nichterfüllt. Insbesondere scheint der griechische Staat Olympic zusätzliche Beihilfen gewährt zu habenund in einem Maß in die Unternehmensführung eingegriffen zu haben, das ihm als Anteilseignernicht zusteht.

- Am 24. Juli 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen die Zahlung der dritten undletzten Tranche (5 Milliarden FRF) der staatlichen Beihilfen von insgesamt 20 Milliarden FRF anAir France zu erheben. Nach Ansicht der Kommission waren die bis dahin erzieltenUmstrukturierungs- und Unternehmensergebnisse zufriedenstellend ausgefallen. Trotz zusätzlicherUmstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf eine weitere Betriebskostensenkung blieb für dieKommission noch einiges im ungewissen, da der Umstrukturierungszeitraum zum Zeitpunkt ihrerEntscheidung noch nicht beendet war und einige der neuen Umstrukturierungsmaßnahmen (der"Pakt für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum") noch nicht endgültig verabschiedet wordenwaren. Um den Ablauf der Umstrukturierung des Unternehmens überwachen zu können, beschloßsie, von den 5 Milliarden FRF der dritten Tranche einen Betrag von 1 Milliarde FRF zu sperren.Die französische Regierung wird bis spätestens 1. März 1997 einen Bericht über die von AirFrance tatsächlich erzielten Ergebnisse und die Durchführung der neuenUmstrukturierungsmaßnahmen vorlegen. Diese Angaben wird die Kommission bis 31. März 1997überprüfen. Erhebt sie keine Einwände, wird die 1 Milliarde FRF freigegeben, um dasEigenkapital von Air France aufzustocken.

- Am 27. März 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen die Zahlung der drittenBeihilfetranche an die TAP zu erheben. Die Kommission gelangte zu dem Schluß, daß dieFluggesellschaft ihren Umstrukturierungsplan während des geprüften Zeitraums zufriedenstellendumgesetzt hatte, und daß alle in der Entscheidung enthaltenen Bedingungen von Portugaleingehalten worden waren. Die Kommission forderte jedoch, daß die TAP ihre Bemühungen umeine größere Effizienz noch verstärkt, um das Produktivitätsniveau ihrer Wettbewerber zuerreichen.

62. Im Bereich des Seeverkehrs legte die Kommission die Mitteilung "Auf dem Weg zu einerneuen Seeverkehrsstrategie" vor, in der die Seeverkehrspolitik der Gemeinschaft überprüft wurde. Siekam zu dem Schluß, daß das Konzept zur Erhöhung der Sicherheit, zur Verwirklichung offenerinternationaler Märkte und eines fairen Wettbewerbs zur Verringerung von Wettbewerbsverzerrungenbeitragen wird, und die Bemühungen in der Bildungs- und Beschäftigungspolitik sowie in derForschung und Entwicklung die Wettbewerbsfähigkeit der Schiffbauindustrie der EG verstärkenwerden. Sie müssen aber durch flankierende Maßnahmen ergänzt werden, wenn der Schiffahrtsektorder Gemeinschaft erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden soll. Die Kommission müßte daherunter anderem Anfang 1997 eine überarbeitete Fassung der Leitlinien für staatliche Beihilfen anSchiffahrtsgesellschaften vorlegen.

63. Im Berichtsjahr genehmigte die Kommission verschiedene Beihilferegelungen, die auf einegrößere Wettbewerbsfähigkeit der Seeverkehrsunternehmen in der Gemeinschaft gegenüber denFlotten von Drittländern abzielen:

- Am 21. Februar 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen eine vom VereinigtenKönigreich angemeldete Beihilferegelung über eine besondere steuerliche Maßnahme für Reederzu erheben, mit der die Frist für die Reinvestition überschüssiger Rückstellungen in Ersatzschiffeverlängert wurde.

- Am 2. Oktober und am 6. November 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen zweideutsche Beihilferegelungen zu erheben, mit denen zuvor genehmigte Maßnahmen verlängert bzw.geändert wurden: eine Sonderabschreibungsregelung für Schiffe - einschließlich gebrauchterSchiffe -, die bis Ende 1999 gelten wird, und Zuwendungen für Schiffahrtsgesellschaften für das

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Jahr 1995, um den Reedern einen Anreiz zu bieten, ihre Schiffe weiter unter deutscher Flagge zubetreiben, und um die Ausbildung zu fördern.

- Am 20. März 1996 genehmigte die Kommission mehrere von der niederländischen Regierunggeplante Maßnahmen. Diese betreffen zum einen die Senkung der Betriebskosten imZusammenhang mit der Beschäftigung von Seeleuten auf niederländischen Schiffen und zumanderen die Verminderung der Steuerlasten der in den Niederlanden ansässigen und von dort ausoperierenden Schiffahrtsunternehmen, indem ihnen die Wahl zwischen zwei Besteuerungsartenfreigestellt wird, nämlich zwischen einer Gewinnbesteuerung zum normalen Satz und einerBesteuerung auf der Grundlage der Tonnagen.

- Am 22. April 1996 genehmigte die Kommission die von der französischen Regierung geplantensteuerlichen Maßnahmen zugunsten des Gemeinschaftseigentums an Schiffen und zur Förderungder Eintragung von Schiffen unter französischer Flagge. Diese Regelung sieht eineSteuervergünstigung für den Erwerb von Anteilen an Schiffen vor und gilt für Investitionen, dievor dem 31. Dezember 2000 getätigt werden.

- Am 17. Juli 1996 schloß die Kommission das 1995 wegen Umstrukturierungsbeihilfen zugunstendes französischen Unternehmens CGM eingeleitete Verfahren mit einer befürwortendenEntscheidung ab, stellte jedoch bestimmte Bedingungen, die während der Privatisierung erfülltwerden müssen, um ein aggressives Marktverhalten und die Unterstützung verlustbringenderTätigkeiten zu verhindern. Die Kommission vertrat die Auffassung, daß die Beihilfe wirksam zuden Bemühungen um die massive Umstrukturierung und um die Wiederherstellung derLebensfähigkeit des Unternehmens beiträgt.

64. Im Bereich der Hafendienste haben die Kommissionsdienststellen weiterhin Beschwerdengeprüft, denen zufolge für einige Häfen staatliche Zuwendungen gewährt wurden. Darüber hinausbeschloß die Kommission am 12. Juni 1996, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertragauszudehnen, das sie im Juli 1993 wegen Maßnahmen eröffnet hatte, die die italienischen Behördenim Rahmen der Umstrukturierung des Hafensektors nachträglich getroffen hatten.

65. Was den Straßengüterverkehr betrifft, so hat die Kommission 1996 angesichts des immerstärkeren Wettbewerbs zwischen den Unternehmen der Mitgliedstaaten insbesondere bei derBeendigung der laufenden Prüfungsverfahren eine unnachgiebige Haltung gegenüber staatlichenBeihilfen eingenommen:

- Nachdem die Kommission die Umstrukturierungsbeihilfen für den Straßengüterverkehr in Italieneingehend geprüft hatte und auf widersprüchliche Angaben gestoßen war, beschloß sie am 30.April 1996 Italien aufzufordern, ihr sämtliche Unterlagen, Informationen und Daten vorzulegen,die für die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt erforderlichsind, und die Zahlung jeglicher neuen Beihilfe bis zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93Absatz 2 EG-Vertrag auszusetzen. Infolge dieser Aufforderung zogen die italienischen Behördendie Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag zuwiderlaufenden Maßnahmen zurück, so daß am 20.November 1996 eine abschließende Entscheidung getroffen werden konnte.

- Ebenfalls an Italien richtete die Kommission am 22. Oktober 1996 eine ablehnende abschließendeEntscheidung wegen einer Regelung über Steuervergünstigungen fürStraßentransportunternehmer, die von den italienischen Behörden auf die Steuerjahre 1993 und1994 angewandt wurde. Diese von der Kommission als Betriebsbeihilfen eingestuftenZuwendungen müssen zurückgefordert werden. Die Entscheidung wurde analog zu der 1993 inbezug auf das Steuerjahr 1992 getroffenen Entscheidung erlassen, die seit 1995 Gegenstand einesVerfahrens vor dem Gerichtshof ist, weil Italien der Kommissionsentscheidung nichtnachgekommen ist.

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- Am 29. Mai 1996 eröffnete die Kommission wegen einer von der spanischen Regierung geplantenBeihilferegelung zugunsten des Erwerbs von Nutzfahrzeugen das Verfahren nach Artikel 93Absatz 2 EG-Vertrag, da sie Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem GemeinsamenMarkt hegte.Am 7. Februar 1996 genehmigte sie dagegen die Verlängerung einer Reihe von Maßnahmen zurUmstrukturierung des Straßengüterverkehrs in Spanien durch eine Verbesserung derWettbewerbsfähigkeit und einen Abbau der bestehenden Überkapazitäten. DieAnwendungsmodalitäten sind dieselben wie bei der 1992 von der Kommission genehmigtenRegelung.

66. Hinsichtlich des Eisenbahnverkehrs nahm die Kommission im Juli 1996 das Weißbuch"Eine Strategie zur Revitalisierung der Eisenbahn in der Gemeinschaft" an, das sich vor allem auf dieFinanzierung der Eisenbahnen bezieht und die wesentlichen Grundsätze enthält, die die Kommissionkünftig bei der Prüfung von Beihilfen in diesem Sektor befolgen will. Die Kommission willschrittweise zu einer Regelung übergehen, bei der staatliche Zuwendungen an Eisenbahnunternehmennur in Form der Finanzierung von Infrastrukturen oder eines Ausgleichs für diegemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen oder aber im Rahmen eines globalenUmstrukturierungsplans gewährt werden dürfen, der auf die Wiederherstellung der wirtschaftlichenExistenzfähigkeit des Unternehmens abzielt.In der Zwischenzeit hat sie Beihilfefälle weiterhin nach Maßgabe der derzeit geltendenGemeinschaftsvorschriften geprüft:

- Am 30. März 1996 beschloß die Kommission, keine Einwände gegen ein von den britischenBehörden notifiziertes Beihilfevorhaben zu erheben, das die Finanzierung, Wartung undVerwaltung von CTRL, der Eisenbahninfrastruktur für die Hochgeschwindigkeitsverbindungzwischen London und dem Ärmelkanaltunnel, vorsieht. Nach Ansicht der Kommission handelt essich bei der staatlichen Finanzierung nicht um eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 EG-Vertrag.

- Am 18. Dezember 1996 genehmigte die Kommission die Maßnahmen zugunsten derInvestitionen, die für den Bau der TGV-Infrastrukturen auf belgischem Gebiet erforderlich sind.Mit Hilfe dieser Maßnahmen sollen zum einen der Bau des belgischen Streckenabschnitts derVerbindung Paris-Brüssel-Köln-Amsterdam-London - eines der vierzehn im Rahmen derEntwicklung der transeuropäischen Netze als vorrangig anerkannten Projekte - und zum anderender Erwerb von speziellem Eisenbahnmaterial finanziert werden.

67. In der Binnenschiffahrt werden die in der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom27. April 1989 vorgesehenen Maßnahmen der Strukturbereinigung, die auf den Abbau derbestehenden Überkapazitäten durch das Abwracken von Schiffen abzielen, infolge der Verordnung(EG) Nr. 2254/96 des Rates vom 19. November 1996, die eine umfassende ergänzendeAbwrackaktion vorsieht, eine neue Tragweite annehmen. Im Rahmen dieser Aktion, die im Zeitraum1996-1998 durchgeführt wird, sollen Überkapazitäten von etwa 15% abgebaut werden. Die Aktionwird 1996 von der Gemeinschaft, den betroffenen Mitgliedstaaten und dem Wirtschaftszweiggemeinsam finanziert. Für 1997 und 1998 ist keine Beteiligung der Gemeinschaft geplant. Diese neueGemeinschaftsaktion zur Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt stellt eine unerläßlicheUnterstützung für die schrittweise Liberalisierung des Binnenschiffmarktes dar, zu der der Rat am 19.November 1996 die Richtlinie 96/75/EG erlassen hat.

68. Im Berichtsjahr genehmigte die Kommission verschiedene Beihilfemaßnahmen, die in denbetreffenden Mitgliedstaaten den Kapazitätsabbau, die Umstrukturierung des Binnenschiffsektorsoder die Steigerung seiner Bedeutung innerhalb des Verkehrsmarkts erleichtern sollten.

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69. Im Sektor des kombinierten Verkehrs schließlich erteilte die Kommission am 27. März 1996der österreichischen Regierung die Genehmigung, zinsgünstige Darlehen fürInfrastrukturinvestitionen im kombinierten Verkehr zu bewilligen, um den Umstieg vomStraßengüterverkehr auf die Schiene oder auf Binnenwasserwege zu fördern.

1.1.8. Landwirtschaft

70. Nach Veröffentlichung eines neuen Gemeinschaftsrahmens für Forschung und Entwicklung39,der alle Sektoren, einschließlich der Landwirtschaft betrifft, nahm die Kommission eine Änderungdazu an, mit der ihre Politik gegenüber FuE-Beihilfen in der Landwirtschaft präzisiert und neudefiniert wird. Nach Inkrafttreten der Änderung wird der Gemeinschaftsrahmen unter bestimmtenVoraussetzungen in der Landwirtschaft eine staatliche Finanzierung von bis zu 100% der Kostengestatten. Vorhaben, die die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, sind gemäß den übrigenVorschriften des Gemeinschaftsrahmens zu prüfen.

71. Um prüfen zu können, ob ihre Politik für Werbebeihilfen in der Landwirtschaft beachtet wird,verlangt die Kommission nunmehr, daß die Mitgliedstaaten Muster der Logos, Warenzeichen undWerbeslogans übermitteln, die verwendet werden sollen. Die Erfahrung hatte gezeigt, daß dieZusagen der Mitgliedstaaten allein die Einhaltung der verbindlichen Gemeinschaftsvorschriften aufdiesem Gebiet nicht immer sicherstellen.

72. Die Kommission erwägt eine Änderung ihres derzeitigen Vorgehens bei landwirtschaftlichenRettungsbeihilfen. Eine Schlüsselfrage in der diesbezüglichen Debatte ist, ob landwirtschaftlicheBetriebe anders behandelt werden sollten als andere Unternehmen und welche besondere Behandlungdann gegebenenfalls gerechtfertigt wäre. Um die Meinung der Mitgliedstaaten zu erfahren, beraumtedie Kommission eine Sitzung mit ihnen an. Unabhängig vom Ergebnis der derzeitigen Diskussionenwird die Kommission bei landwirtschaftlichen Rettungsbeihilfen wie bisher verfahren, solange siekeine neue politische Linie festgelegt und die Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat.

73. Wie in der Vergangenheit wird die Kommission weiterhin staatliche Beihilfen imZusammenhang mit Stützungsmaßnahmen ablehnen, die die Mechanismen des Gemeinschaftsmarktsstören können und als Betriebsbeihilfen keine nachhaltige Wirkung auf die Entwicklung desbetreffenden Sektors haben.

1.1.9. Fischerei

74. Im Berichtsjahr verzeichnete die Kommission im Fischereisektor 50 neue Fälle notifizierterBeihilfen und 12 Fälle nicht oder verspätet notifizierter Beihilfen.

Die Kommission beschloß in 61 Fällen - von denen drei seit 1994 und 26 seit 1995 geprüft wordenwaren - keine Einwände gegen die Gewährung der Beihilfen zu erheben. Wegen einer italienischenund einer spanischen Beihilfe eröffnete sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag. Imselben Zeitraum beendete sie ein wegen einer 1995 notifizierten dänischen Beihilfemaßnahmeeröffnetes Verfahren mit einer befürwortenden Entscheidung und ein wegen einer im selben Jahrangemeldeten deutschen Beihilfemaßnahme eröffnetes Verfahren mit einer ablehnendenEntscheidung.

1.2. Beihilfen in einzelnen Sektoren ohne besondere Vorschriften

1.2.1. Finanzsektor

39 ABl. C 45 vom 17.2.1996, S. 5.

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75. Der von der Kommission im XXV. Wettbewerbsbericht dargelegte Standpunkt40, wonach dieverfahrens-und materiellrechtlichen Vorschriften für staatliche Beihilfen auch auf den Banksektor -unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten - angewandt werden müssen, wurde von einerSachverständigengruppe, die sich aus früheren Leitern der Zentralbanken zusammensetzte, bestätigt.Die Kommission ist sich allerdings der hohen Sensibilität dieses Sektors bewußt, der die besondereAufmerksamkeit der nationalen Behörden erfordert, damit verhindert wird, daß sich ernstlicheSchwierigkeiten eines großen Kreditinstituts aufgrund der finanziellen Beziehungen zwischen denFinanzinstituten allmählich ausbreiten oder eine Systemkrise auslösen.

76. Mit der am 26. Juli 1995 im Fall Crédit Lyonnais getroffenen Entscheidung41 wurde einbedeutender Präzedenzfall geschaffen, da die Entscheidung bestätigte, daß die Beihilfevorschriftenohne Einschränkung auf Banken anwendbar sind. Darüber hinaus wurde damit der Grundsatzeingeführt, daß die Gegenleistungen, die als Ausgleich für die nachteiligen Auswirkungen derBeihilfe auf die Wettbewerber zu erbringen sind, besonders umfangreich sein müssen, wenn von derradikaleren Lösung einer Gesamtvollstreckung abgesehen wird. Eine solche Lösung ist zwar im Falleines Industrieunternehmens möglich, jedoch bei großen Banken schwieriger, wenn nicht garunzweckmäßig, da sie unverhältnismäßig gravierende Auswirkungen auf die anderen Finanzinstituteund das Zahlungssystem haben könnte, wenngleich die OECD-Länder über Aufsichtsorganeverfügen, die solche Krisen verhindern sollen.

Diese Sache wurde 1996 noch mehrmals aufgegriffen. Zunächst war die Entscheidung derKommission von 1995 Gegenstand zweier Klagen beim Gericht erster Instanz, von denen eine vomCrédit Lyonnais erhoben und später zurückgezogen und die andere von der Société Générale erhobenwurde. Das Gericht hat sich noch nicht geäußert. Im September beschloß die Kommission, eine neueSofortbeihilfe von 3,9 Milliarden FF für die staatliche Bank zu genehmigen und gegenüber jederkünftigen Umstrukturierungsbeihilfe das Verfahren zu eröffnen. Die genehmigten Maßnahmen zielenim wesentlichen darauf ab, nachteilige Auswirkungen zu verhindern, die angesichts der Ankündigungder negativen Ergebnisse des Crédit Lyonnais so erheblich sind, daß sie dem französischenBanksektor schaden könnten. Es handelt sich um reine Sicherungsmaßnahmen, die es ermöglichensollen, den Status quo so lange aufrechtzuerhalten, bis die Kommission eine förmliche Entscheidungüber die neuen Umstrukturierungsmaßnahmen der Bank erläßt. Daher greift die Genehmigung derSofortbeihilfen der abschließenden Entscheidung der Kommission über die neuenUmstrukturierungsbeihilfen nicht vor.

77. Schließlich ist zu erwähnen, daß die Kommissionsdienststellen im Berichtsjahr eine spürbareErhöhung der Anzahl staatlicher Beihilfen im Finanzsektor verzeichnet haben. Die Kommissiongenehmigte die staatlichen Beihilfen zugunsten der Finanzinstitute Comptoir des Entrepreneurs(spezialisiert auf die Finanzierung von Immobilien) und GAN (Versicherungen), nachdem sie sie fürmit dem Gemeinsamen Markt vereinbar befunden hatte. Hingegen eröffnete sie wegen Beihilfen anandere Institute wie Société Marseillaise de Crédit, Crédit Foncier de France, SDBO, CréditLyonnais und Banco di Napoli das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag.

1.2.2. Audiovisueller Sektor

78. Die Kommission erhielt im audiovisuellen Bereich mehrere Beschwerden. Auch wurdengegen sie Untätigkeitsklagen angestrengt. Im Fall Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksund Fernsehens in Portugal erließ die Kommission eine befürwortende Entscheidung, nachdem sieden audiovisuellen Sektor in Portugal analysiert hatte. Sie befand, daß das System der Finanzierungder öffentlich-rechtlichen portugiesischen Sender keine staatlichen Beihilfen enthielt, da 40 Siehe Ziff. 197 des Berichts.

41 Siehe XXV. Bericht über die Wettbewerbspolitik (1995), Ziff. 197.

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Gegenleistungen in Form folgender nicht wettbewerbsorientierter Tätigkeiten verlangt werden:Abdeckung des gesamten portugiesischen Hoheitsgebiets, Sendebetrieb in den autonomen RegionenMadeira und Azoren, Unterhaltung eines Ton- und Filmarchivs, Zusammenarbeit mit den Ländernder Amtssprache Portugiesisch, Abtretung von Senderechten für religiöse Sendungen, Unterhaltungeines internationalen Kanals, Finanzierung eines staatlichen Theaters und Entsendung vonDelegierten und Korrespondenten an Orte, an denen die Privatsender nicht vertreten sind. Da eineanalytische Buchhaltung eingeführt worden war, konnte die Kommission sich davon vergewissern,daß die staatliche Finanzierung der betreffenden Sender nicht über die Kosten dergemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen hinausgeht.

1.2.3. Postsektor

79. Die Liberalisierung der Postdienste, die Wettbewerbern den Zugang zu den Netzen dernationalen Postbetreiber für andere Dienste als Briefpost eröffnen soll, schreitet nur langsam voran. Ingewissem Maß allerdings steht alternativen Betreibern der Markt für Expreßpost, Paketpost undDirektwerbung bereits offen. Die Kommission prüft derzeit mehrere Beschwerden, die diePostbetreiber in Belgien, Frankreich und Deutschland betreffen. Die Beschwerdeführer habenangegeben, daß die nationalen Postbetreiber ihre Wettbewerbstätigkeiten mit Einnahmen aus demBriefpostmonopol quersubventionieren. In einigen der Fälle wurden zwar erhebliche Fortschritteerzielt, und es wurden zwei Verfahren eröffnet42, doch eine abschließende Entscheidung erging nochin keinem Fall.

2. Horizontale Beihilfen

2.1. Forschung und Entwicklung

80. Die Einführung des Ende 1995 angenommenen und 1996 veröffentlichten neuenGemeinschaftsrahmens für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen43 führte zu einerverringerten Anzahl von Notifizierungen über die Neubewilligung bestehender Regelungen und zurGenehmigung zahlreicher notifizierter Regelungen, die mit dem Gemeinschaftsrahmen vereinbarwaren. Auf der Grundlage dieses Gemeinschaftsrahmens äußerte die Kommission in den vier FällenOlivetti SpA, SGS Thomson, Philips und Océ erhebliche Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeitund des Anreizeffekts der Beihilfen, da sie zu der Auffassung gelangte, daß die betreffendenVorhaben normale Unternehmensvorgänge darstellen, die nicht über die üblichen FuE-Tätigkeitenhinausgehen. Sie eröffnete daher in diesen Fällen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag. Die übrigen von der Kommission geprüften FuE-Fälle warfen keine besonderenSchwierigkeiten auf.

2.2. Beschäftigung

81. Im ersten vollen Jahr der Anwendung der Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen schlug dieKommission insbesondere Schweden zweckdienliche Maßnahmen vor, um die Vereinbarkeit zweierschwedischer Regelungen über Einstellungs- bzw. Beschäftigungsbeihilfen mit den Leitliniensicherzustellen. Diese Fälle veranschaulichen die Politik, die die Kommission auf diesem Gebiet zuverfolgen gedenkt. Insbesondere trifft sie eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen, damit das Ziel derNettoschaffung dauerhafter Arbeitsplätze tatsächlich verwirklicht werden kann. Die erste Regelungmuß daher künftig gezielter auf die am meisten benachteiligten Gruppen von Arbeitslosen abstellenund gewährleisten, daß die Ersetzung von Arbeitsplätzen nur dann gefördert werden darf, wenn dieseStellen durch freiwilliges Ausscheiden freigeworden sind, während bei der zweiten Regelung 42 Fall NN 187/85 (ABl. C 206 vom 17.7.1996) und Fall NN 48/96 (ABl. C 311 vom 22.10.1996).

43 ABl. C 45 vom 17.2.1996, S. 5.

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Beihilfen nur noch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze vergeben werden dürfen. In beiden Fällenwurden die schwedischen Behörden aufgefordert, den ursprünglich zu weiten Anwendungsbereichstärker einzugrenzen und unter anderem für die Sicherheit der neu geschaffenen Arbeitsplätze zusorgen, indem den Beschäftigten entweder unbefristete Verträge und Ausbildungsmöglichkeitenangeboten werden oder der Erhalt der Arbeitsplätze während eines Mindestzeitraums garantiert wird.Außerdem erteilte die Kommission Dänemark gemäß den Leitlinien für Beschäftigungsbeihilfen dieGenehmigung, eine Beihilferegelung für die Einstellung von Arbeitslosen einzuführen.

2.3. Umweltschutz

82. Wie geplant, prüfte die Kommission vor Ende 1996 das Funktionieren desGemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen44 in den vergangenen drei Jahren. Dabeiwurde festgestellt, daß es sich bei einem hohen Anteil der Entscheidungen der Kommission aufdiesem Gebiet um befürwortende Entscheidungen handelt, was davon zeugt, daß die Vorschriften desGemeinschaftsrahmens von den Mitgliedstaaten, die die Vorhaben ausarbeiten und notifizieren,weitgehend eingehalten werden. Nur in zwei Fällen, nämlich Cellulose du Rhône et de l'Aquitaineund Hoffman La Roche veranlaßten erhebliche Bedenken die Kommission, das Verfahren nachArtikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag zu eröffnen. Inhaltlich hat diese Prüfung es ermöglicht, zubestätigen, daß Beihilfen für Anlageinvestitionen im Hinblick auf die Herstellung umweltgerechterErzeugnisse nicht in den Genuß der Vorschriften des Gemeinschaftsrahmens kommen, daProduktionsbeihilfen beträchtliche Verzerrungen zum Nachteil der Wettbewerber desBeihilfeempfängers, die ihrerseits keine Beihilfen erhalten, verursachen können. Darüber hinaus hatdie konkrete Anwendung des Gemeinschaftsrahmens den Grundsatz gefestigt, daß nur die zurVerwirklichung von Umweltzielen erforderlichen Mehrkosten einer Investition gefördert werdenkönnen und daß es den Mitgliedstaaten obliegt, nachzuweisen, daß eine Investition bei weitem überdie geltenden Umweltschutznormen hinausgeht, wenn das Unternehmen von den für solche Fällevorgesehenen Intensitätszuschlägen profitieren möchte (wobei die genaue Höhe des Zuschlags vonden positiven externen Effekten der Investition abhängt). Schließlich wurde im Fall GAV bestätigt,daß Abfallwirtschaft und Umweltsteuern vom grundsätzlichen Verbot der Betriebsbeihilfenausgenommen sind.

Aufgrund der Ergebnisse, zu denen die allgemeine Bewertung der Anwendung desGemeinschaftsrahmens geführt hat, hält die Kommission es für angebracht, den Ablauf seinerGeltungsdauer (Ende 1999) abzuwarten, bevor gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden.

2.4. Kleine und mittlere Unternehmen

83. Im April nahm die Kommission eine Neufassung ihres Gemeinschaftsrahmens für staatlicheBeihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) an45. Sie bekräftigt darin ihre positiveEinstellung gegenüber bestimmten staatlichen Beihilfen für KMU, da letztere einen Faktor sozialerStabilität und wirtschaftlicher Dynamik darstellen, sich jedoch im Vergleich zu großen Unternehmeneiner Reihe von Nachteilen gegenübersehen, die ihre Entwicklung aufhalten können. Der neueGemeinschaftsrahmen beinhaltet außerdem einige Änderungen, die vor allem unter dem Einfluß desWeißbuchs "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung" stehen: So wurde zum einen dieDefinition der KMU an die neue Gemeinschaftsdefinition angepaßt, die in der Empfehlung der

44 ABl. C 72 vom 10.3.1994, S. 3.

45 ABl. C 213 vom 23.7.1996, S. 4.

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Kommission46 hinsichtlich der Stellung der KMU in der Gemeinschaftspolitik festgelegt wurde, undzum anderen die befürwortende Haltung der Kommission auf Beihilfen für immaterielle Investitionenin Form von Technologietransfers ausgedehnt. Hier ist darauf hinzuweisen, daß derzeit viele KMUein großes Interesse an immateriellen Investitionen haben. Ferner wurde die "de minimis"-Regel47 ausdem Gemeinschaftsrahmen ausgegliedert und ist nun Gegenstand einer gesonderten Mitteilung, diesich auf alle Unternehmen bezieht. Die KMU bleiben jedoch weiterhin die Hauptbegünstigten der "deminimis"-Regel.

2.5. Rettung und Umstrukturierung

84. Die Kommission wandte im Berichtsjahr weiterhin die am 27. Juli 1994 angenommenengemeinschaftlichen Leitlinien für die Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen inSchwierigkeiten an.48

Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen werden zwar oft in ähnlichen Situationen gewährt,nämlich wenn ein Unternehmen in ernstliche Schwierigkeiten geraten ist, weisen jedochgrundlegende Unterschiede auf. Rettungsbeihilfen sollen Unternehmen, deren finanzielle Lage sichwesentlich verschlechtert hat, vorübergehend am Leben erhalten, während nach langfristigenLösungen für ihre Schwierigkeiten gesucht wird. Nach den Leitlinien können Rettungsbeihilfen nurwährend eines befristeten Zeitraums gewährt werden, der sechs Monate normalerweise nichtüberschreiten darf. Da Rettungsbeihilfen oft notwendig sind, um einem gefährdeten Unternehmen solange über akute Probleme hinwegzuhelfen, bis ein geeigneter Umstrukturierungsplan ausgearbeitetist, nimmt die Kommission hier in der Regel eine befürwortende Haltung ein und genehmigt dieBeihilfen, sofern sie den Kriterien der Leitlinien entsprechen.

Umstrukturierungsbeihilfen unterliegen dagegen ganz bestimmten Bedingungen. Solche Beihilfenmüssen mit einem Umstrukturierungsplan einhergehen, der geeignet ist, die langfristigeLebensfähigkeit des gefährdeten Unternehmens innerhalb einer angemessenen Fristwiederherzustellen. Darüber hinaus sollte es sich bei der Gewährung solcher Beihilfen normalerweiseum einen einmaligen Vorgang handeln, nach dem keine weiteren Beihilfen erforderlich sind.

85. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß sich die Kommission derzeit mit derFrage befaßt, welche Folgen es haben kann, wenn die Mitgliedstaaten die Beihilfevorschriften überUnternehmen in Schwierigkeiten nicht einhalten. In einigen Fällen wurde festgestellt, daßunrechtmäßig gewährte unvereinbare Beihilfen entgegen den Entscheidungen der Kommission nichtoder nicht vollständig von den Begünstigten zurückgefordert wurden, über die, sobald sie inernstliche finanzielle Schwierigkeiten gerieten, ein Liquidationsverfahren eröffnet wurde.

2.6. Benachteiligte Stadtviertel

86. Im Oktober brachte die Kommission im Anschluß an die Notifizierung der französischenRegelung zur Wiederbelebung benachteiligter Stadtviertel ihre grundsätzlich positive Einstellunggegenüber Beihilfen in benachteiligten Stadtvierteln zum Ausdruck, indem sie einen speziellenGemeinschaftsrahmen zu dieser Thematik annahm. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß diederzeitigen Gemeinschaftsrahmen - d.h. die Vorschriften für Beihilfen an KMU, für

46 Empfehlung der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen,

ABl. L 107 vom 30.4.1996, S. 4.

47 ABl. C 68 vom 6.3.1996, S. 9.

48 ABl. C 368 vom 23.12.1994, S. 12.

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Beschäftigungsbeihilfen und für Regionalbeihilfen - es nicht ermöglichten, die besonderegeographische und sozio-ökonomische Lage solcher Stadtviertel hinreichend einzubeziehen.Aufgrund der strukturellen Nachteile und der mit der Ansiedlung in solchen Vierteln verbundenenMehrkosten können sich jedoch staatliche Finanzierungsmaßnahmen hier manchmal als erforderlicherweisen.

Der neue Gemeinschaftsrahmen stützt sich auf soziale und wirtschaftliche Erwägungen, da diebetreffenden Beihilfen zur Milderung oder Lösung verschiedener Probleme (Beschäftigung,Entwicklung usw.) beitragen sollen, von denen bestimmte Stadtviertel betroffen sind. Er stehtfolglich vor allem im Zusammenhang mit den Prioritäten des Weißbuchs "Wachstum,Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung" und der Gemeinschaftsinitiative URBAN.

Nach diesem Gemeinschaftsrahmen nimmt die Kommission unter bestimmten Voraussetzungen einebefürwortende Haltung gegenüber staatlichen Beihilfen ein, die zur Entwicklung benachteiligterStadtviertel beitragen. Um die größtmögliche praktische Wirksamkeit der Maßnahmen zugewährleisten und gleichzeitig das Gleichgewicht im Wettbewerb und das gemeinsame Interesse zuwahren, wurden bestimmte Kriterien hinsichtlich der Fördergebiete, der Begünstigten sowie derBeihilfeform und -intensität festgelegt. So darf z.B. in diesen Gebieten nicht mehr als 1% derLandesbevölkerung ansässig sein, die Beihilfen dürfen nur an kleine Unternehmen (mit weniger als50 Beschäftigten) vergeben werden, mindestens 20% der neu geschaffenen Arbeitsplätze müssenPersonen vorbehalten sein, die in dem betreffenden Stadtviertel wohnen, und die Beihilfe darfhöchstens 26% netto der Investition oder 10 000 ECU je neu geschaffenen Arbeitsplatz betragen.

Im übrigen unterliegen die staatlichen Maßnahmen in einer großen Zahl von Einzelanwendungsfällennach Ansicht der Kommission nicht den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln, da sie den Handelzwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Die Kommission hat daher eine Liste derTätigkeiten erstellt, die wegen ihres traditionell lokalen (und nicht landesübergreifenden) Charaktersnicht unter diese Vorschriften fallen.

3. Regionalbeihilfen

87. Neben der regelmäßigen Überprüfung der Regionalbeihilferegelungen hat die Kommissiondie Prüfung der Fördergebietskarten und der entsprechenden Beihilfesätze fortgesetzt. Sie genehmigteneue Karten für Luxemburg, die Niederlande und Deutschland, während die Arbeiten in bezug aufDänemark und Italien noch im Gange sind. Im Bemühen um die Stärkung des wirtschaftlichen undsozialen Zusammenhalts werden insbesondere zwei Faktoren geprüft: die Fördergebietsbevölkerungund die Intensität der Beihilfen. Was die Fördergebietsbevölkerung betrifft, so strebt die Kommissionderen Verringerung an, um eine größere Beihilfekonzentration und damit einen maximalenwirtschaftlichen Nutzen zu erreichen, die Auswirkungen auf den Wettbewerb einzudämmen und diebegrenzten Haushaltsmittel wirksamer einzusetzen. Bei den Beihilfeintensitäten wacht dieKommission darüber, daß die Beihilfesätze der einzelnen Gebiete weiterhin nach Maßgabe ihrervolkswirtschaftlichen Lage gestaffelt werden. Was die beigetretenen Mitgliedstaaten anbelangt, so hatdie Kommission sowohl deren neue Beihilferegelungen als auch die Änderungen untersucht, die imEinklang mit den Beitrittsabkommen an den bestehenden Regelungen vorgenommen wurden, um siebis 1997 mit den Gemeinschaftsvorschriften in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhangwurden die Regelungen über Transportbeihilfen in Finnland und Schweden vor dem Hintergrund derKommissionsmitteilung vom 20. Dezember 199449 geprüft, in der besondere Regeln für Gebiete mitgeringer Bevölkerungsdichte festgelegt sind.

49 Änderung der Methode zur Anwendung von Artikel 92, Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag auf Regionalbeihilfen,

(ABl. C 364 vom 20.12.1994, S. 9, Ziff. 6).

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Außerdem untersuchte die Kommission, ob die Strukturfonds-Interventionen, die nach denProgrammplanungsdokumenten im Zeitraum 1997-1999 für die Ziel-2-Gebiete vorgesehen sind, mitdem EG-Vertrag vereinbar sind. Neben diesem Einzelaspekt setzte sie auch die auf der Grundlage vonArtikel 92 und 93 EG-Vertrag eingeleitete allgemeine Beurteilung der Vereinbarkeit derStrukturfonds-Maßnahmen mit den Wettbewerbsregeln fort.

Am 15. Mai 1996 wurden in einer multilateralen Sitzung die künftigen Leitlinien fürRegionalbeihilfen erörtert. Dieser Entwurf entspricht dem Kodifizierungsbedarf, der sich angesichtsder Vielzahl der auf diesem Gebiet bestehenden Texte abzeichnete, enthält aber auch neueVorschriften, von denen einige aus der Kommissionspraxis der letzten Jahre abgeleitet wurden, unddürfte zu einer größeren Übereinstimmung zwischen der Wettbewerbspolitik im Bereich derstaatlichen Beihilfen einerseits und den Strukturfondsmaßnahmen andererseits beitragen.

3.1. Ein Sonderfall: die Nachfolgerin der Treuhandanstalt

88. Die Kommission bekräftigte erneut ihre Absicht, die frühere "Treuhand-Regelung" nicht zuverlängern. Ab dem 1. Januar 1996 gelten die allgemeinen Notifizierungsvorschriften. DieKommission räumt ein, daß in den neuen Bundesländern weiterhin Anpassungsprobleme bestehen.Dies ist vor allem auf die Konsolidierung einer großen Anzahl von Unternehmen zurückzuführen, dieTeil massiver Privatisierungen waren. Die Kommission gedenkt nicht, diesen Prozeß zu verzögern.Staatliche Beihilfen zählen zu den Instrumenten, die die Anpassung erleichtern. Die Vielzahl undteilweise Dringlichkeit der Fälle werfen allerdings weiterhin Probleme auf. Die Kommission istdennoch zu der Auffassung gelangt, daß die Anzahl der Fälle inzwischen so niedrig ist, daß nuneingehendere rechtliche und wirtschaftliche Einzelanalysen durchgeführt werden können, und zwaranhand der bestehenden Rechtsinstrumente. Der Anzahl und Dringlichkeit der Fälle wurde mit Hilfeorganisatorischer Änderungen begegnet. Vor allem hat die Kommission eine Task Force für dieseFälle eingerichtet und Verfahrensregeln für eine beschleunigte Bearbeitung festgelegt.

Neben den üblichen Entwicklungsproblemen, mit denen auch die anderen Mitgliedstaatenkonfrontiert sind, ist der Anpassungsprozeß in den neuen Bundesländern von drei beihilfepolitischenBesonderheiten geprägt:- die Verwaltung der Privatisierungsverträge durch die BvS (“Bundesanstalt für vereinigungsbedingteSonderaufgaben”). Dieses System ist notwendig, weil sich die Verpflichtungen der BvS und derInvestoren in den meisten Fällen bis auf einige Zeit nach der Privatisierung erstrecken. Jedes Jahrmüssen etwa 3.000 Verträge angepaßt werden. Die meisten Anpassungen fallen nicht unter Artikel 92und 93 EG-Vertrag, einige kommen jedoch Beihilfen gleich und müssen daher notifiziert werden. Umdas Verfahren bei geringfügigen Beihilfen zugunsten von KMU zu erleichtern, wurde allerdings eineAusnahmeregelung vorgeschlagen, deren Genehmigung noch aussteht. Die BvS will die Verwaltungvon Verträgen nach und nach einstellen. Ende 1998 dürfte sie ihre Tätigkeiten ganz beenden50. DieBundesregierung informiert die Kommission gemäß Artikel 5 EG-Vertrag systematisch von allenVertragsänderungen, so daß letztere überprüfen kann, ob Beihilfen vorliegen;- die Durchführung der restlichen Privatisierungen durch die BvS oder die BMGB(BeteiligungsManagement-Gesellschaft Berlin GmbH), eine weitere Nachfolgerin derTreuhandanstalt. Die BvS und die BMGB unternehmen besondere Anstrengungen, um die 40verbleibenden Unternehmen zu privatisieren. Aus offensichtlichen Gründen können die letztenPrivatisierungen Schwierigkeiten im Hinblick auf die gemeinschaftliche Beihilfepolitik aufwerfen.Da das Interesse von Investoren an den seit langem zum Verkauf stehenden Unternehmen häufig nurnoch durch Beihilfemaßnahmen geweckt werden kann, unterliegen praktisch alle noch ausstehendenPrivatisierungen der Notifizierungspflicht. Die Kommission prüft die meisten dieser Fälle nachMaßgabe ihrer Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung vonUnternehmen in Schwierigkeiten. Gelangt sie zu der Überzeugung, daß der jeweilige 50 Monatlich wird die Verwaltung von etwa 600 Verträgen (von insgesamt 38 000) beendet.

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Umstrukturierungsplan die Lebensfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen wird, ohne denWettbewerb zu verfälschen, genehmigt sie die Beihilfen in der Regel, solange sie nicht unter einenbestimmten sektoralen Gemeinschaftsrahmen fallen. In letzterem Fall wendet sie die sektoralenVorschriften an. In einigen Entscheidungen genehmigte sie Beihilfebeträge, die im Verhältnis zurGröße der betreffenden Unternehmen sehr hoch erscheinen. Dies ist darauf zurückzuführen, daß dieUnternehmen lange Zeit mit Hilfe von Darlehen am Leben erhalten wurden und die genehmigtenBeträge dem Verzicht auf diese Forderungen entsprechen. Wirtschaftlich gesehen gibt es kaum eineVerbindung zwischen der Tätigkeit der neuen, privatisierten Unternehmen und den altenUnternehmen, die in den Genuß der Beihilfe gekommen sind;

- die Rettung und Umstrukturierung bestimmter Unternehmen (Auffanglösungen) in Fällen, in denendie Privatisierungen gescheitert sind oder eine einfache Berichtigungsmaßnahme im Rahmen desbetreffenden Vertrags nicht ausgereicht hat, um die Lebensfähigkeit des Unternehmenswiederherzustellen. Wenn ein Unternehmen in ernstliche Schwierigkeiten gerät, kommt esgelegentlich vor, daß entweder das ganze Unternehmen oder ein Teil seiner Aktiva wieder in denBestand der BvS übernommen wird. Dann müssen neue Käufer für das Unternehmen oder, häufiger,die Unternehmensteile gefunden werden. Gegebenenfalls können die Übernahmen mitBeihilfemaßnahmen verbunden sein. In manchen Fällen gibt sich der Käufer mit einer klassischenInvestitionsbeihilfe im Rahmen einer Regionalbeihilferegelung zufrieden, in anderen sind stärkereUmstrukturierungsbemühungen erforderlich. Solche Fälle werden nach den Leitlinien für staatlicheBeihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten geprüft. In dieseKategorie fällt z.B. das Unternehmen SKET.

4. Direkte Auslandsinvestitionen

89. Während die Kommission Ausfuhrbeihilfen, d.h. Beihilfen, die mit der Menge derausgeführten Erzeugnisse in Zusammenhang stehen, als dem Gemeinsamen Markt zuwiderlaufendansieht, da sie keines der Gemeinschaftsziele fördern und darüber hinaus ungerechtfertigteWettbewerbsverzerrungen zur Folge haben, tritt eine bestimmte Art von Beihilfen, nämlichMaßnahmen zugunsten sogenannter "direkter Auslandsinvestitionen" immer häufiger auf, weshalbsich die Kommission hier für ein generelles Konzept entscheiden mußte. Die Kommission geht beider Festlegung ihres Standpunkts auf diesem Gebiet pragmatisch und induktiv vor, da eineausreichende Anzahl von Einzelfällen erforderlich ist, um den Abstand und die Erfahrung zugewinnen, die für die Aufstellung allgemeingültiger Grundsätze nötig sind.

Direkte Auslandsinvestitionen spiegeln das Bemühen der Unternehmen wider, neue Absatzmärkte zuerschließen, indem sie - statt zu exportieren - auf ausländischen Märkten investieren und verkaufen.Die Investition erfolgt in der Regel in Form der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens odereiner Tochtergesellschaft im Ausland, des Erwerbs von Aktien oder der Übernahme eines lokalenUnternehmens. Zuwendungen für solche Vorhaben stellen jedenfalls staatliche Beihilfen dar, könnenjedoch in einigen Fällen neben ihren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmender Gemeinschaft und auf den Ausbau der Zusammenarbeit mit Drittländern andereGemeinschaftsziele wie beispielsweise die Entwicklung von KMU fördern. Andererseits ist nichtauszuschließen, daß diese Beihilfen dem Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltsschaden können, da sie die Ansiedlung von Tochtergesellschaften oder Produktionsstätten inDrittländern zum Nachteil von Investitionen innerhalb der Union begünstigen.

In drei im Juni erlassenen abschließenden Entscheidungen über Beihilfen für direkteAuslandsinvestitionen beschloß die Kommission, auf KMU unabhängig vom Standort derInvestitionen die einschlägigen Vorschriften anzuwenden, während Beihilfen für große Unternehmenvon Fall zu Fall geprüft werden.

D - Verfahren

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90. Die Kommission erließ im Berichtsjahr mehrere Entscheidungen, in denen sie denbetreffenden Mitgliedstaaten aufgab, entgegen den Verfahrensregeln gewährte und als mit demGemeinsamen Markt unvereinbar eingestufte Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern. DieseEntscheidungen zeigen, wie heikel unrechtmäßig gewährte Beihilfen für die Begünstigten sind, wiewachsam die Unternehmen sein müssen, wenn sie Beihilfen annehmen. Die im Vertrag vorgesehenevorherige Prüfung zielt darauf ab, die Einführung von mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbarenBeihilfen zu vermeiden und die Wettbewerber vor den Folgen zu schützen.

91. Der Gerichtshof ergriff erneut die Gelegenheit, daran zu erinnern, welche Rolle dennationalen Gerichten zukommt, wenn es darum geht, die Rechte der Wettbewerber derBeihilfeempfänger zu schützen. Er wies auch darauf hin, daß die Feststellung der Unrechtmäßigkeiteiner Beihilfe, außer unter besonderen Umständen, ihre Rückzahlung gemäß den einzelstaatlichenVerfahren nach sich zieht. Im übrigen sind die nationalen Gerichte nicht verpflichtet, dieEntscheidung der Kommission über die Vereinbarkeit einer Maßnahme abzuwarten, bevor siezweckdienliche Maßnahmen ergreifen.

92. Im November 1995 war eine Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen derKommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfenveröffentlicht worden. Darin werden die Gerichte aufgefordert, von ihren Befugnissen Gebrauch zumachen, und die Unternehmen ermutigt, die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Rechtsmittel zunutzen. Im Berichtsjahr wurde die Kommission nur zweimal auf der Grundlage dieser Mitteilungkonsultiert.

Die Kommission beabsichtigt, 1997 ausführliche Informationen darüber zu sammeln, wie staatlicheBeihilfefälle bisher vor den nationalen Gerichten behandelt wurden. Untersucht werden sollen sowohldie "Stillhalteklausel" des Artikels 93 Absatz 3 als auch die Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhangmit abschließenden Entscheidungen. Dabei soll vor allem ermittelt werden, auf welche Art vonSchwierigkeiten Dritte vor den nationalen Gerichten stoßen.

E - Statistiken

93. Im Berichtsjahr verzeichnete die Kommission 553 Notifizierungen neuer Beihilfen oder vonÄnderungen an bestehenden Beihilfen und 91 Fälle nicht notifizierter Beihilfen51. In 373 Fällenbeschloß sie, keine Einwände zu erheben, während sie in 43 Fällen das Verfahren nach Artikel 93Absatz 2 EG-Vertrag oder nach Artikel 6 Absatz 4 der Entscheidung 3855/91/EGKS eröffnete. Dieseeingehende Prüfung führte unter anderem zu 14 befürwortenden, 23 ablehnenden und 3 mit Auflagenversehenen abschließenden Entscheidungen. Darüber hinaus schlug die Kommission wegen 4bestehender Beihilfen zweckdienliche Maßnahmen nach Artikel 93 Absatz 1 EG-Vertrag vor.

Schaubild 1 : Neue Fälle im Jahr 1996

51 Die Beihilfen in den Sektoren Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr und Kohlenbergbau sind in diesen Zahlen nicht

enthalten.

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Schaubild 2 : Entscheidungen der Kommission

Tabelle 1 : Entscheidungen je Mitgliedstaat

Österreich 48

Belgien 14

Dänemark 12

Deutschland 143

Griechenland 3

Spanien 62

Finnland 14

Frankreich 48

Irland 2

Italien 64

Luxemburg 3

Niederlande 37

Portugal 10

Schweden 7

Großbritannien 7

EUROPÄISCHE UNION 474

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V - Internationale Zusammenarbeit

A - Mittel- und osteuropäische Länder

1. Stellungnahme zu den Beitrittsgesuchen

1. Wie vom Europäischen Rat auf seiner Tagung vom 15. und 16. Dezember 1995 in Madridgefordert, hat die Kommission mit der Ausarbeitung von Stellungnahmen zu den Beitrittsgesuchender assoziierten Länder (Polen, Tschechische Republik, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Bulgarien,Rumänien, Litauen, Lettland und Estland) begonnen. Die von diesen Ländern getroffenenMaßnahmen zur Einführung einer wirksamen Wettbewerbspolitik werden dabei eingehend geprüft.

2. Durchführungsvorschriften

2. In bezug auf die Tschechische Republik, die Slowakei und Ungarn sind dieDurchführungsvorschriften für das Kartellrecht von den zuständigen Assoziationsräten am31. Januar 1996, 27. Februar 1996 und 16. Juli 1996 offiziell gebilligt worden.

Im Bereich staatlicher Beihilfen wurde mit der Tschechischen Republik, Ungarn und Estland auffachlicher Ebene Einvernehmen über die vorgeschlagenen Vorschriften erzielt, die nun dem Rat zurBestätigung übermittelt worden sind.

Diese Vorschriften sehen insbesondere vor, daß jeder assoziierte Staat:

- eine innerstaatliche Rahmenregelung für die Gewährung staatlicher Beihilfen erläßt;

- eine Kontrollbehörde errichtet, die für die Einhaltung dieser Regelung zuständig ist und vor allemüber Befugnisse zur Erfassung von Informationen verfügt.

3. Technische Hilfe

3. Die technische Hilfe der Kommission, die in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten gewährt wird,war stärker als in den Vorjahren darauf ausgerichtet, die Entwicklung einer staatlichen Beihilfepolitikdurch Beratungs- und Schulungsmaßnahmen zu unterstützen, die entweder vor Ort oder im Rahmenvon Praktika bei der Kommission oder in den Mitgliedstaaten angeboten wurden.

Das gemeinsame vierwöchige Ausbildungspraktikum, das jährlich in Brüssel und in denMitgliedstaaten für rund 40 junge Beamte aus den assoziierten Staaten durchgeführt wird, befaßtesich dieses Jahr erstmals zu gleichen Teilen mit dem Themenbereich Absprachen, Mißbrauchmarktbeherrschender Stellungen und Konzentration sowie der staatlichen Beihilfepolitik.

Darüber hinaus ist in den assoziierten Ländern damit begonnen worden, eine Bestandsaufnahme derin unterschiedlicher Form gewährten staatlichen Beihilfen zu erstellen.

Des weiteren sind Gespräche über vermutete Beihilfen aufgenommen worden,die als unvereinbar mitden Europa-Abkommen (wie Exportbeihilfen) angesehen werden bzw. angesehen werden könnten(bestimmte Beihilfen in reglementierten Sektoren).

Alle Aspekte der Zusammenarbeit zwischen der EU und den assoziierten Ländern inWettbewerbsfragen sind anläßlich der zweiten Jahreskonferenz der Leiter und Generaldirektoren der

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Wettbewerbsbehörden erörtert worden, die im Anschluß an die Visegrad-Konferenz von 19951 diesesJahr auf Einladung der tschechischen Behörden in Brünn stattfand. Erstmals waren hoheVerantwortliche der zuständigen Kontrollbehörden für staatliche Beihilfen zu den Arbeiteneingeladen worden.

B - Vereinigte Staaten

1. Durchführung des Kooperationsabkommens

4. Nachdem der Rat das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierungder Vereinigten Staaten genehmigt hat, sind die Beziehungen zu den amerikanischenWettbewerbsbehörden erheblich intensiviert worden.

So hat in einer Vielzahl von Fällen (nach Maßgabe interner Vertraulichkeitsregeln) einInformationsaustausch stattgefunden. Die Behörden haben Konsultationen zur Analyse der Fälle undden geplanten Abhilfemaßnahmen durchgeführt und sich - wenn von beiden Seiten ein Verfahreneröffnet wurde - um eine Koordinierung dieser Verfahren bemüht. In einigen Fällen konnten dieWettbewerbsbehörden mit Zustimmung der betreffenden Unternehmen die im Rahmen ihrerUntersuchungen gesammelten Informationen austauschen, was eine noch wirksamereZusammenarbeit ermöglicht hat.

Außerdem haben die Kommission und die amerikanischen Wettbewerbsbehörden vor allem anläßlichder bilateralen Zusammenkunft auf hoher Ebene, die am 16. Oktober in Washington stattfand, einenregelmäßigen Meinungsaustausch über verschiedene Aspekte der Wettbewerbspolitik der beidenParteien sowie über sonstige Fragen von gemeinsamem Interesse vorgenommen.

Am 8. Oktober nahm die Kommission einen Bericht an den Rat und an das Europäische Parlamentüber die Anwendung des Abkommens während der Zeit zwischen dem 10. April 1995 und dem30. Juni 1996 an. Solche Berichte sollen nunmehr jährlich veröffentlicht werden.

2. Entwicklungsperspektiven

5. In enger Abstimmung mit den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten hat die Kommission dieAussichten für eine weitere Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit untersucht.

Dabei wurden zwei Möglichkeiten sondiert:

- verstärkter Informationsaustausch mit den Wettbewerbsbehörden bestimmter Drittländer (in ersterLinie den Vereinigten Staaten, mit denen bereits eine enge Zusammenarbeit besteht). Auf dieseWeise könnte die Wettbewerbspolitik effizienter durchgeführt werden, wobei selbstverständlichdie Rechte der Beteiligten und insbesondere der Schutz vertraulicher Informationen in vollemUmfang gewährleistet sein müssen;

- Ausweitung des sogenannten entgegenkommenden Verhaltens. Hierzu hat der Rat am25. Oktober Verhandlungsdirektiven verabschiedet, um die bereits geltenden Bestimmungen desAbkommens mit den Vereinigten Staaten auszudehnen. Die auf dieser Grundlage aufgenommenenVerhandlungen dürften zu einem Abkommen führen, das im einzelnen festlegt, unter welchen

1 XXV. Wettbewerbsbericht, Ziff. 221.

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Umständen und nach welchen Modalitäten eine Wettbewerbsbehörde normalerweise dieAnwendung ihrer Wettbewerbsregeln (sofern ihr das innerstaatliche Recht einen solchenErmessensspielraum zugesteht) aufschiebt oder aussetzt, damit die PartnerbehördeWettbewerbsverzerrungen, die die Interessen beider Parteien berühren, nach ihren eigenen Regelnbeseitigen kann.

6. Außerdem hat der Rat der Kommission am 17. Juni 1996 Direktiven für die Aushandlung einesAbkommens mit den Vereinigten Staaten über einen gemeinsamen Luftraum erteilt, damit dieLuftfahrtgesellschaften beider Parteien ihre Tätigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft und in denVereinigten Staaten nach kommerziellen Grundsätzen, die ihnen lautere und gleicheWettbewerbsbedingungen gewährleisten, frei ausüben können. Im Rahmen der Verhandlungen sollneben rechtlichen Aspekten auch die Anwendung der Wettbewerbsregeln erörtert werden. DieseVerhandlungen könnten insbesondere zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit den amerikanischenBehörden führen, die an der Kontrolle von Allianzen zwischen Luftverkehrsunternehmen beteiligtsind.

C - WTO

1. Handel und Wettbewerb

7. Gestützt auf den Bericht einer Sachverständigengruppe, der unter dem Titel "Wettbewerbspolitikin der neuen Handelsordnung: Stärkung der internationalen Zusammenarbeit und der internationalenWettbewerbsregeln"2 veröffentlicht wurde, hat die Kommission in einer Mitteilung an den Rat vom18. Juni3 vorgeschlagen, daß die Welthandelsorganisation eine Arbeitsgruppe einsetzt, dieSondierungen zur Entwicklung eines internationalen Rahmens von Wettbewerbsregeln durchführensollte.

Diese Initiative, die vom Rat gebilligt wurde und von mehreren anderen Staaten unterstützt wird, hatdazu geführt, daß auf der Konferenz in Singapur am 11. Dezember 1996 beschlossen wurde, eineArbeitsgruppe zu bilden, welche die Beziehungen zwischen Handel und Wettbewerbspolitik,einschließlich wettbewerbswidriger Praktiken untersucht, um alle Bereiche zu ermitteln, die imRahmen der WTO geprüft werden sollten. Die Diskussionen könnten bereits Anfang 1997aufgenommen werden, aber - wie von der Kommission vorgeschlagen - handelt es sich lediglich umSondierungen und nicht um Verhandlungen. Effektiv werden Verhandlungen nach Ablauf deszweijährigen Mandats der Arbeitsgruppe nur dann in Betracht gezogen, wenn hierüber innerhalb derWTO ein Konsens besteht.

Die WTO-Beratungen sind kein Hindernis für die Fortsetzung der Zusammenarbeit innerhalb derOECD und auf bilateraler Ebene, aber es ist wichtig, daß die Diskussionen im Rahmen der WTOaufgenommen werden, um die Entwicklungsländer dazu zu veranlassen, geeigneteWettbewerbsregeln vorzusehen. Die Beratungen werden auch in enger Abstimmung mit der OECDdurchgeführt. Die Arbeitsgruppe wird die umfangreichen Arbeiten berücksichtigen, die in dengenannten Gremien bereits abgeschlossen wurden, im Gange oder geplant sind.

8. Nach Auffassung der Kommission könnten sich die Beratungen auf folgende Themen stützen:

2 Sogenannter Van Miert-Bericht.

3 KOM(96)284 endg.

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- Verpflichtung aller WTO-Mitglieder zur Schaffung wirksamer innerstaatlicherWettbewerbsstrukturen;

- Festlegung gemeinsamer Wettbewerbsgrundsätze auf internationaler Ebene (besonderswettbewerbswidrige Praktiken);

- Schaffung eines Instruments für die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden;- Anpassung des Streitbeilegungsverfahrens der WTO an den Wettbewerbsbereich.

2. Staatliche Beihilfen

9. Nach Einführung des gemeinsamen Notifizierungs- und Berichterstattungsverfahrens im Jahr 1995konnte im vergangenen Jahr festgestellt werden, daß staatliche Beihilfen und Subventionen verstärktangemeldet werden. Immer mehr Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission diese Informationenauf elektronischem Wege.

3. Zugang zum japanischen Film- und Photopapiermarkt

10. Am 13. Juni 1996 beantragten die USA bei der WTO, daß Konsultationen über den Zugangzum japanischen Film- und Photopapiermarkt aufgenommen werden.

Das Verfahren bezieht sich auch auf wettbewerbsbeschränkende Praktiken. Den japanischenBehörden wird insbesondere vorgeworfen, daß sie auf diesem Markt verschiedenewettbewerbswidrige Praktiken tolerieren, ja sogar unterstützen. Davon betroffen sind Fuji (vertikaleFestsetzung des Wiederverkaufspreises, mißbräuchliche Preisnachlässe,Alleinvertriebsvereinbarungen und horizontale Preisabsprachen) sowie verschiedene Berufsverbände(Einwirkung auf Händler, von Werbemaßnahmen abzusehen).

Die Gemeinschaft hat beantragt, daß sie an den Konsultationen beteiligt wird.

D - OECD

1. Ausschuß für Wettbewerbsrecht und Wettbewerbspolitik

11. Die Arbeiten der OECD, an denen die Kommission aktiv teilgenommen hat, betrafeninsbesondere grundsätzliche Fragen wie Anwendung der Wettbewerbsregeln auf "grundlegendeInfrastrukturen", KMU, freie Berufe, marktbeherrschende Unternehmen sowie sektorbezogeneAspekte wie Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Telekommunikations- undElektrizitätssektor, auf Fernseh- und Rundfunkübertragungen, den Kfz-Vertrieb. Außerdem fandunter Mitwirkung führender Vertreter der Richter - und Staatsanwaltschaft ein Rundtischgesprächüber die Anwendung der Wettbewerbsregeln durch die Gerichte statt. Darüber hinaus hat dieKommission an einer umfassenden OECD-Erhebung zur Rolle der verschiedenenWettbewerbsbehörden als "Anwalt des Wettbewerbsrechts" teilgenommen. In bezug auf dieGemeinschaft hat diese Erhebung insbesondere aufgezeigt, daß die GD IV innerhalb der Kommissionaktiv auf die Berücksichtigung der "Dimension Wettbewerb" bei der Ausarbeitung andererGemeinschaftspolitiken hinwirkt.

12. Gegen Jahresende hat die OECD außerdem Anstrengungen zur Intensivierung derinternationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kartellen aufgenommen. Angestrebt wirdinsbesondere ein erweiterter Informationsaustausch zwischen den Wettbewerbsbehörden, was sichmit den von der Gemeinschaft unternommenen Bemühungen deckt.

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2. Staatliche Beihilfen

13. Im Bereich staatlicher Beihilfen beteiligte sich die Kommission an der OECD-Arbeitsgruppefür öffentliche Fördermaßnahmen und leistete einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Abschlußdes OECD-Berichts "Public Support to Industry".

E - Sonstige Entwicklungen auf dem Gebiet internationaler Beziehungen

1. Mittelmeerländer

14. Das neue Abkommen über die Zollunion mit der Türkei ist Anfang 1996 in Kraft getreten.Dieses Abkommen enthält detaillierte und zwingende wettbewerbsrechtliche Bestimmungen undbildet die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den türkischenWettbewerbsbehörden.

15. Mit Ägypten, Jordanien, dem Libanon, der Palästinensischen Autonomiebehörde undAlgerien sind Verhandlungen über Assoziationsabkommen im Gange. Diese Abkommen dürften wiedie bereits geschlossenen Mittelmeerabkommen - das Abkommen mit Marokko wurde am26. Februar geschlossen und das Interimsabkommen mit Israel ist am 1. Januar in Kraft getreten - Bestimmungen über eine Angleichung der Wettbewerbsregeln enthalten. Die Maßnahmen imRahmen der technischen Hilfe zugunsten dieser Länder werden somit ausgeweitet.

2. Japan

16. Die alljährliche bilaterale Sitzung zwischen der GD IV und der japanischenWettbewerbsbehörde JFTC (Japanese Fair Trade Commission) fand am 29. Oktober in Brüssel statt.Die beiden Parteien nahmen einen Informationsaustausch über die wichtigsten gesetzgeberischenEntwicklungen und die Fortschritte bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln vor. Außerdemwurden alle weiteren, die bilateralen Beziehungen betreffenden Fragen angesprochen.

3. Lateinamerika

17. Die Beziehungen mit den Wettbewerbsbehörden der lateinamerikanischen Länder wurden imLaufe des Jahres 1996 intensiviert. Diese Entwicklung ist darauf zurückzuführen, daß dieWettbewerbspolitik in dieser Weltregion an Bedeutung gewinnt (alle großen Länder Lateinamerikashaben Wettbewerbsregeln erlassen und Behörden geschaffen, die für deren Durchsetzungverantwortlich sind) und außerdem die regionale Zusammenarbeit (im Rahmen von Mercosur)zunimmt. Effektiv sind mit mehreren Ländern der Region und mit Mercosur Verhandlungen überwichtige Abkommen bereits abgeschlossen worden bzw. im Gange: Engere Beziehungen erfordernauch eine verstärkte Zusammenarbeit in Wettbewerbsfragen. Hierzu sind vor allem mit Brasilien,Argentinien, Mexiko und Peru (und den Ländern des Andenpaktes) neue Kontakte geknüpft worden.

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VI - Informationspolitik

18. Die Kommission hat die Öffentlichkeit auch 1996 über ihre Wettbewerbspolitik unterrichtet.

Zum einen hat sie zahlreiche Pressemitteilungen zu Fragen der Wettbewerbspolitik veröffentlicht.

Zum anderen hat die GD IV in Zusammenarbeit mit dem Amt für amtliche Veröffentlichungen derEuropäischen Gemeinschaft mehrere Nachschlagewerke über das Wettbewerbsrecht herausgegeben.Die EC Competition Policy Newsletter, die dreimal jährlich (bei einer gegenwärtigen Auflage von30.000 Exemplaren) erscheint, ist eine weitere wichtige Informationsquelle.

Überdies bietet die GD IV seit Juli 1996 der Öffentlichlichkeit auch über "Europa", den Wirtsrechnerder Europäischen Union im World Wide Web (Adresse: http://europa.eu.int), Informationen über dieeuropäische Wettbewerbspolitik an. Dieser Rechner bietet Zugang zu Informationen über dieTätigkeiten sämtlicher Organe der Europäischen Union. Die Aufmacherseite der GD IV ist unter derRubrik über die Europäische Kommission zugänglich und bietet Zugriff auf Informationen über diegroßen Bereiche der Wettbewerbspolitik: Kartelle, Fusionskontrolle, Liberalisierung der Märkte,staatliche Beihilfen und internationale Aspekte. Untergliedert sind diese Bereiche in folgendeRubriken: Pressemitteilungen (der letzten zwei Wochen), in den letzten vier Wochen veröffentlichteRechtsakte im Amtsblatt, vollständiger Wortlaut der geltenden Vorschriften sowie Listen mit denFundstellen der Einzelentscheidungen und der Urteile des Gerichtshofs und des Gerichts ersterInstanz. Getrennt aufgelistet werden: Reden und veröffentlichte Artikel des für dieWettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds, des Generaldirektors und der Mitarbeiter derGeneraldirektion GD IV, die letzten Ausgaben der EC Competition Policy Newsletter, die jährlichenBerichte über die Wettbewerbspolitik sowie eine aktualisierte Liste der derzeit erhältlichenVeröffentlichungen der Gemeinschaft über die Wettbewerbspolitik. Neben weiteren interessantenInformationen werden auch Netzverbindungen zu den Rechnern anderer einzelstaatlicher undinternationaler Wettbewerbsbehörden usw. angeboten.Der Informationsdienst der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) schließlich hat sich bemüht, diezahlreichen Informationsanfragen durch Versendung einschlägiger Unterlagen oder Erteilungnützlicher Ratschläge zu beantworten. Die meisten Informationsanfragen werden mitStandardschreiben beantwortet, in denen auf die obengenannten Veröffentlichungen sowie auf dieGD IV-Seiten auf dem Europa-Rechner verwiesen wird.

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Aussichten für 1997

19. Auf Aufforderung des Europäischen Parlaments und in ihrem Bemühen um die Transparenzihrer Politik hat die Kommission beschlossen, in ihren Jahresbericht ein Kapitel über ihrArbeitsprogramm und die für das Folgejahr geplanten Initiativen aufzunehmen.

20. Im Jahr 1997 wird es wesentliches Ziel der Wettbewerbspolitik sein, zum Nutzen dereuropäischen Verbraucher und Bürger einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt zugewährleisten und zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beizutragen. Dieses Zielliegt allen Vorschlägen und Maßnahmen zugrunde, die für 1997 geplant sind: ein solidermarktkonformer Ansatz, die Verringerung der Kosten der Reglementierung und eine sorgfältigeBeobachtung jüngst liberalisierter Wirtschaftszweige.

1. Prioritäten in der Gesetzgebungspolitik

21. Wichtige horizontale Maßnahmen sind in sieben Bereichen geplant.

22. Die Kommission wird ihre 1996 begonnenen Bemühungen um eine Anpassung derWettbewerbspolitik der Gemeinschaft an die schnelle Entwicklung des Marktes fortführen undintensivieren. Die zunehmende Integration der Märkte sowohl innerhalb der EU als auch weltweitmuß sich im wettbewerbspolitischen Ansatz der Kommission widerspiegeln. Mit der Annahme undVeröffentlichung des Grünbuchs über vertikale Beschränkungen in der EG-Wettbewerbspolitik wurdeeine umfassende Debatte über die Revision der einschlägigen Kommissionspolitik eingeleitet.

23. Einen wichtigen Raum wird auch die Wettbewerbspolitik in den liberalisierten Märkteneinnehmen. Hier geht es vor allem um die Beobachtung der Auswirkungen der in den jüngsten Jahrenerlassenen Liberalisierungsrichtlinien im Telekommunikationswesen und insbesondere der Richtlinievon 1996 zur Einführung des vollständigen Wettbewerbs. Die Kommission wird gewährleisten, daßdiese Richtlinien vollständig und wirksam von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 86 und 90umgesetzt werden, damit die Öffnung des Sprachtelefondienstes für den Wettbewerb zum1. Januar 1998 ohne Verzögerung vonstatten geht.

24. Drittens wird die Kommission weiter an der Modernisierung der Verfahrensvorschriftenarbeiten und sich darum bemühen, ihre Wettbewerbspolitik einfacher und transparenter zu gestalten.Sie wird beispielsweise prüfen, inwieweit das Verfahren für mündliche Anhörungen vereinfachtwerden kann, und Maßnahmen zur Verbesserung der bestehenden Durchführungsvorschriften für denLuftverkehr insbesondere im Hinblick auf Beförderungsdienste zwischen der EU und Drittländernvorbereiten. Auch die Arbeiten über neue Leitlinien zur Definition der unterWettbewerbsgesichtspunkten relevanten Märkte sollen weitergeführt werden. Da sich die Haltung derKommission zu wettbewerbsbeschränkenden Nebenabreden zu Zusammenschlüssen seit Erlaß dereinschlägigen Bekanntmachung 1990 weiterentwickelt hat, soll ihre umfassende Überarbeitungvorbereitet werden.

25. Da die strukturellen Schwierigkeiten in Europa insbesondere auf dem Gebiet derBeschäftigung anhalten, ist die Fortführung einer strengen Politik zur Begrenzung der Beihilfen aufdie Vorhaben, die für die EU von wirklichem Interesse sind, von vitaler Bedeutung. Zusätzlich zu dendaraus sich ergebenden Einzelfallprüfungen wird sich die Kommission 1997 besonders um einewirksamere und transparentere Kontrolle sowie eine größere Rechtssicherheit bemühen. Dem Ratsollen gemäß Artikel 94 zum einen Vorschläge unterbreitet werden, die die Kommission in die Lageversetzen sollen, ganze Beihilfekategorien vom Anmeldeverfahren auszunehmen, sowie zum anderen

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Vorschläge für Verfahrensvorschriften. Geplant ist überdies, der Kommission eine Kodifizierung derBestimmungen für Regionalbeihilfen und einen multisektoralen Rahmen für Regionalbeihilfen fürgrößere Investitionsvorhaben zur Annahme vorzulegen. Da die Schiffsbau-Verordnung und derGemeinschaftsrahmen für die Kfz-Industrie 1997 auslaufen, werden auch hier neue Texte erforderlichsein. Schließlich ist eine Mitteilung über kurzfristige Exportkreditversicherungen geplant.

26. Fünftens ist die dezentralisierte Anwendung der Wettbewerbsvorschriften zu fördern.. Derendgültige Wortlaut einer Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission undden Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten wird voraussichtlich Anfang 1997 angenommenwerden. Es ist vorrangiges Anliegen der Kommission, diese Bekanntmachung auch in die Praxisumzusetzen.

27. Sechstens wird die Kommission in der internationalen Zusammenarbeit ihre Bemühungenvor allem auf folgenden drei Feldern fortsetzen:

- Vorbereitung der Erweiterung der EU und Weiterführung der Förderung wettbewerbspolitischerInstrumente und Maßnahmen in den MOEL durch technische Hilfe. Besonderes Augenmerk solldabei 1997 auf die Einführung und Durchsetzung von mit dem EG-Recht vereinbaren Vorschriftenfür staatliche Beihilfen gelegt werden, die auch den besonderen Umständen einer Volkswirtschaft imÜbergangsstadium Rechnung tragen;

- Zusammenarbeit in der Kartellpolitik mit unseren wichtigsten Handelspartnern und Abschluß derVerhandlungen mit den USA über eine neue Kooperationssvereinbarung, die die vorhandenenBestimmungen über "entgegenkommendes Verhalten" stärken sollen. Auch mit Kanada soll 1997eine solche Vereinbarung geschlossen werden;

- Unterstützung einer wirksamen Wettbewerbspolitik in sämtlichen Teilen der Welt durchVerhandlungen in der Arbeitsgruppe, die von der WHO-Ministerkonferenz in Singapur im Dezember1996 eingesetzt wurde, und im Rahmen der OECD.

28. Schließlich wird die Kommission im Hinblick auf ihr Ziel, die Kosten derwettbewerbspolitischen Reglementierung für die europäischen Unternehmen auf ein Minimum zusenken und trotzdem eine wirksame Kontrolle zu gewährleisten, ihre Ressourcen auf Fällekonzentrieren, die für die EU von besonderem rechtlichen, wirtschaftlichen oder politischen Interessesind. Dazu plant sie die Überarbeitung ihrer de minimis-Bekanntmachung, deren Geltungsbereichdurch eine stärkere Konzentration auf die wirtschaftlichen Folgen von Vereinbarungen erweitertwerden soll. Je nach den Bemerkungen der Mitgliedstaaten und anderer Interessenten wieWirtschafts-, Berufs- und Verbraucherverbände zum Entwurf der Kommission könnte die endgültigeAnnahme der Neufassung noch 1997 erfolgen.

2. Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts

29. Im Gegensatz zu den meisten übrigen Tätigkeitsfeldern der Gemeinschaft besteht dieHauptarbeit der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs in der Prüfung von Einzelfällen. Auch1997 wird die Kommission ihre volle Kraft auf die effiziente Bearbeitung von Anmeldungen,Beschwerden und von Amts wegen eingeleiteten Verfahren betreffend Artikel 85 f, Artikel 90,Zusammenschlüsse und staatliche Beihilfen richten.

30. Im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 85 und 86 ist es vorrangiges Ziel derKommission, Kartelle aufzuspüren, zu verbieten und gegebenenfalls mit Geldbußen zu belegen. Die

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Zuweisung der für die Prüfung bekannt gewordener Fälle innerhalb knapper Fristen und dieAufspürung weiterer Kartelle erforderlichen Ressourcen ist eine große Herausforderung. Anfang 1997wurden 14 Kartelle aktiv untersucht, von denen die meisten die gesamte Gemeinschaft oder einengroßen Teil umfassen.

Die Politik der Kommission, privatrechtliche Beschränkungen des Parallelhandels zwischenMitgliedstaaten zu ahnden und die beteiligten Unternehmen mit hohen Geldbußen zu belegen, hat zurEntwicklung des Binnenmarkts einem wesentlichen Beitrag geleistet und wird auch künftig bei seinerVollendung eine wichtige Rolle spielen. Die Kommission wird auch weiterhin aktiv gegenEinschränkungen des Parallelhandels vorgehen.

Je mehr der Binnenmarkt zusammenwächst, um so häufiger werden die bei der Kommissioneingehenden Beschwerden über Versuche marktbeherrschender Unternehmen, noch nicht etablierteUnternehmen am Marktzutritt oder an der Ausweitung ihres Marktanteils zu hindern. Wegen derLiberalisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft im Telekommunikations-, Verkehrs- undEnergiewesen ist mit einem Anhalten dieses Trends zu rechnen. Oftmals geht es in solchenVerfahren, in denen sich die Kommission vielfach auf Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 stützt,um komplexe Fragen wie den Zugang zu Netzen und Infrastrukturen marktbeherrschender Betreiber,die zuvor über eine Monopolstellung verfügten, sowie um langfristige ausschließlicheLiefervereinbarungen und strategische Allianzen.

31. Der Trend zu Fusionen und Übernahmen im Zuge der Globalisierung, Umstrukturierung undRationalisierung der Wirtschaft zeigt in seiner ganzen Dynamik und Komplexität wenig Anzeicheneines Nachlassens, so daß 1997 mit einem weiteren massiven Anstieg von Fällen zu rechnen ist, vondenen einige in einer zweiten Phase eingehend zu prüfen sein werden. Alle diese Fälle sind innerhalbder in der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen verbindlichen Frist zu behandeln und mit einerförmlichen Entscheidung abzuschließen. Es kann damit gerechnet werden, daß 1997verfahrenstechnische Anpassungen zum Abschluß kommen, so daß förmliche Entscheidungen gemäßArtikel 66 EGKSV demnächst in demselben Verfahren erlassen werden wie Entscheidungen gemäßder Fusionskontrollverordnung.

32. Der seit 1993 verzeichnete Anstieg neuer Beihilfefälle und Entscheidungen hat sich 1996nicht fortgesetzt. Die zunehmende Komplexität der Beihilfefälle hat allerdings dazu geführt, daß dieZahl der Negativentscheidungen um 150 % gestiegen ist. Damit bestätigt sich die Notwendigkeit vonVorschlägen gemäß Artikel 94, die die Kommission in die Lage versetzen sollen, ihre Ressourcen aufdie komplizierteren Fälle zu konzentrieren und Routinefälle von der Anmeldepflicht auszunehmen.

Die Komplexität der Fälle hängt vielfach sowohl mit Problemen der Vereinbarkeit mit demGemeinschaftsrecht als auch mit den betroffenen Wirtschaftszweigen zusammen, zu denenbeispielsweise das Bankwesen, von Strukturkrisen betroffene Industrien (Schiffbau), aber auchschrittweise liberalisierte Sektoren zählen, in denen es zu Quersubventionen von liberalisiertenTätigkeitsfeldern durch andere Tätigkeitszweige kommt, in denen ausschließliche Rechteweiterbestehen.

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Anhang - Behandelte Fälle

1. Artikel 85 und 86

Fall Veröffentlichung Ziffer

Systemform GmbH ABl L 47 vom 18.2.1997, S. 11 52

Interbrew Competition Policy Newsletter, Sommer 1996, S. 24f. 53

Adalat ABl. L 201 vom 9.8.1996, S. 1 58

Pelika Ray 61

Novo Nordisk Competition Policy Newsletter, Sommer 1996, S. 25f. 62

Visa International IP/96/585 63

IRI/Nielsen IP/96/1117 64

Atlas ABl. L 239 vom 19.9.1996, S. 23 67

Global One ABl. L 239 vom 19.9.1996, S. 57 67

Unisource ABl. C 44 vom 12.2.1997, S. 4 68

Uniworld ABl. C 44 vom 12.2.1997, S. 15 68

Deutsche Telekom IP/96/1089 71

SIM Lock IP/96/791 75

Iridium ABl. L 16 vom 18.1.1997, S. 87 78

St Lawrence Coordinated Service IP/96/400 86

East African Container Service IP/96/400 86

Joint Mediterranean Canada Service IP/96/400 86

Joint Pool Agreement IP/96/400 86

Baltische Schiffahrtskonferenz IP/96/400 87

TACA IP/96/1096 91

Fenex ABl. L 181 vom 20.7.1996, S. 28 95

Ferry Operators ABl. L 26 vom 29.1.1997, S. 23 97

Lufthansa/SAS ABl. L 54 vom 5.3.1996, S. 28 98

British Airways/American Airways 99-100

FIFA-UEFA IP/96/62 104

BNP/Dresdner Bank ABl. L 188 vom 27.7.1996, S. 37 108

ECU Bankenverband 109

IBOS 109

Eurogiro 109

Dänischer Bankenverband 109

2. Artikel 90

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Fall Veröffentlichung Ziffer

GSM Espagne IP/96/1175 120

Olympic Airways 129

Flughafen Brüssel 130

Hafen von Elsinore IP/96/205 ; IP/96/456 131

3. Fusionskontrolle

Fall Veröffentlichung Ziffer

Gencor/Lonrho ABl. L 11 vom 14.1.1997, S. 30 137-146

Kesko/Tuko 137-142-143-144-147-155

Saint Gobain/Wacker Chemie/NOM 137

Kimberley-Clark/Scott ABl. L 183 vom 23.7.1996, S. 1 137-145

Ciba-Geigy/Sandoz 137-140-141

Shell/Montecatini ABl. L 294 vom 19.11.1996, S. 10 137

RTL/Veronica/Endemol ABl. L 294 vom 19.11.1996, S. 14 137-149

Rewe/Billa 140-142-143-144-147

Bertelsmann/CLT 148

Telefonica/Sogecable 150

Gehe/Lloyds Chemists 153

RWE/Thyssengas 154

Bayernwerke/Isarwerke 154

Sun Alliance/Royal Insurance 156

GEC/Thomson-CSF (II) 157

British Aerospace/Lagardère 157

4. Staatliche Beihilfen

Fall Veröffentlichung Ziffer

Volkswagen Sachsen ABl. L 308 vom 29.11.1996, S. 46 160-186

Santana Motor SA ABl. L 6 vom 10.1.1997, S. 34 160-189

Mercedes Benz Ludwigsfelde ABl. L 5 vom 9.1.1997, S. 30 160-189

Ford Motor 160

La Seda de Barcelona ABl. L 298 vom 22.11.1996, S. 14 160-193

Allied Signal Polymers GmbH ABl. C 113 vom 18.4.1996, S. 8 160

Italienisches Gesetz über Unternehmen inSchwierigkeiten

ABl. L 180 vom 19.7.1996, S. 31 162

Finanzierung des portugiesischen Rundfunks 167

Gewerbe- und Industriegebiete in Österreich ABl. C 300 vom 10.10.1996, S. 4 167

Dänisches Abwasserbesteuerungsgesetz 167

Belgacom 169

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British Energy 169

Head Tyrolia Mares 169

Bredo Fucine Meridionali ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 46 170

British Coal Enterprise 170

Servola SpA ABl. C 273 vom 19.9.1996, S. 4 170

Société Française de MessagerieInternationale/Chronopost

ABl. C 206 vom 17.7.1996, S. 3 171

Sécuripost ABl. C 311 vom 22.10.1996, S. 12 171

Maribel zwei und drei 172

Sozialtourismus in Belgien 173

Institut Français du Pétrole ABl. L 272 vom 25.10.1996, S. 53 173

Freizone Korsika 173

Förderung städtischer Problemzonen ABl. C 215 vom 25.7.1996, S. 7 173

MTW und Volkswerft/Bremer Vulkan AG 176

Alti Forni e Ferriere di Servola ABl. L 216 vom 27.8.1996, S. 11 178

Forges de Clabecq 178

ECOPIPE ABl. C 199 vom 9.7.1996, S. 5 178

Kohleindustrie im Vereinigten Königreich(Entscheidung 95/514.EGKSV)

ABl. L 216 vom 27.8.1996, S. 6 180

Kohleindustrie in Deutschland (Entscheidung96/560/EGKSV)

ABl. L 244 vom 25.9.1996, S. 15 181

Kohleindustrie in Frankreich (Entscheidung96/458/EGKSV)

ABl. L 191 vom 1.8.1996, S. 45 182

Kohleindustrie in Spanien (Entscheidung96/575/EGKSV und Entscheidung 96/591/EGKSV)

ABl. L 253 vom 5.10.1996, S.15 und ABl. L 259vom 12.10.1996, S. 14

183

Kohleindustrie in Portugal (Entscheidung96/576/EGKSV)

ABl. L 253 vom 5.10.1996, S. 20 184

MCC-Swatch ABl. C 391 vom 28.12.1996, S. 11 186-188

Suzuki Manzanares ABl. C 150 vom 24.5.1996, S. 3 187

Mercedes Benz Spanien ABl. C 276 vom 21.9.1996, S. 3 188

Opel Portugal ABl. C 343 vom 15.11.1996, S. 2 188

Daewoo 190

General Motors 190

Iberia ABl. L 104 vom 27.4.1996, S. 25 196

Olympic Airways ABl. C 176 vom 19.6.1996, S. 5 196

Air France ABl. C 374 vom 11.12.1996, S. 9 196

TAP 196

Sonderbesteuerung von Reedereien im VereinigtenKönigreich

198

Deutsche Schiffbaubeihilferegelung 198

Niederländische Schiffbaubeihilferegelung 198

Französische Steuervergünstigungen fürSeefahrtgenossenschaften

198

CGM 198

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Restrukturierung der italienischen Häfen 199

Restrukturierung des Straßenverkehrs in Italien 200

Italienische Steuervergünstigungen für Spediteure 200

Beihilfen zum Kauf von Gewerbe-Kfz., Spanien 200

Restrukturierung des Straßenverkehrs in Spanien 200

CTRL ABl. C 168 vom 12.6.1996, S. 9 201

HGV 201

Kombinierter Verkehr in Österreich ABl. C 123 vom 26.4.1996, S. 9 204

Comptoir de Entrepreneurs ABl. C 70 vom 8.3.1996, S. 7 212

GAN ABl. C 334 vom 8.11.1996, S. 9 212

Société Marseillaise de Crédit 212

Crédit Foncier de France ABl. C 275 vom 20.9.1996, S. 2 212

SDBO ABl. C 346 vom 16.11.1996, S. 5 212

Crédit Lyonnais ABl. C 390 vom 24.12.1996, S. 7 211-212

Banco di Napoli ABl. C 328 vom 1.11.1996, S. 23 212

Olivetti SpA ABl. C 306 vom 15.10.1996, S. 9 215

SGS Thomson ABl. C 358 vom 27.11.1996, S. 3 215

Philips ABl. C 393 vom 31.12.1996, S. 6 215

Océ ABl. C 58 vom 25.2.1997, S. 4 215

Schwedische Beschäftigungsbeihilferegelungen ABl. C 225 vom 2.8.1996, S. 5 und ABl. C 188vom 28.6.1996, S. 2

216

Beschäftigungsmaßnahmen in Dänemark ABl. C 300 vom 10.10.1996, S. 5 216

Cellulose du Rhône et de l'Aquitaine ABl. L 144 vom 18.6.1996, S. 39 217

Hoffman La Roche ABl. C 168 vom 12.6.1996, S. 2 217

GAV ABl. C 144 vom 16.5.1996, S. 9 217