Yin und Yang - Symbole der Transformation

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Yin und Yang –neu entdeckt

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Symbol der Transformation Yin und Yang neu entdecktvon Werner Krebber

Als Motiv von Ohrhngern, als Tattoo auf Mdchenarmen, als Aufkleber an importierten Kerzen oder als Abziehbild auf PKWs. In sehr unterschiedlichen Zusammenhngen begegnet uns heute das Symbol von Yin und Yang. Ist es inzwischen lediglich zu einem modischen Accessoire verkommen? Stehen einer fast inflationren Verbreitung dieses Symbols Unverstndnis und Missdeutungen gegenber? Oder wissen wir wirklich noch um die eigentliche Bedeutung dieses traditionsreichen Symbols chinesischer Kultur? Einige berraschende Antworten, die von der ursprnglich so dichten spirituellen Kraft von Yin und Yang zeugen.

In Fleisch und Blut ist es uns bergegangen, das Symbol Yin und Yang in unseren Alltag zu integrieren und wie spielerisch zu benutzen. Das scheint jedenfalls auf den ersten Blick so. Doch schnell stoen wir an die Grenzen des eigentlichen Verstndnisses dieses alten Symbols aus der chinesischen Tradition. Blicken wir zurck. Am Anfang war der Flutmythos In der Urzeit, als Himmel und Erde noch nicht existierten, gab es nur Erscheinungen, keine krperlichen Gestalten. Es war ein unermesslicher Abgrund, tief und dunkel, weit und unfassbar, unbeweglich und still,

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dster und verschwommen. Niemand wei, wo er sich auftat. Daraus entstanden zusammen, in Vereinigung miteinander, zwei Gottheiten, um den Himmel zu planen und die Erde zu gestalten. Eine ffnung! Niemand wei, in welche Tiefe sie reichte. Eine Flut! Niemand wei, wo sie zum Stehen kam. Darauf trennten sie sich und bildeten von nun an Schatten und Licht, Yin und Yang. Indem sie sich in die Acht Extreme gliederten, erzeugten sich gegenseitig das Harte und das Weiche, und die Zehntausend Wesen erhielten ihre krperlichen Gestalten. Aus der Textsammlung Huainanzi aus dem 2.Jahrhundert v.u.Z. stammt dieser Mythos, der altes chinesisches Denken aufscheinen lsst. Der Sinologe, Philosoph und Religionswissenschaftler Frank Fiedeler fhrt sie an, um Yin und Yang als ein Gtterpaar vorzustellen, aus dessen ursprnglicher Vereinigung die Welt entsteht. Und dies vor allem, um diesen Vorrang der Erscheinungen vor den Gegenstnden zum Ausdruck zu bringen. Ist doch das Bild vom Auf- und Absteigen in ganz verschiedenen Arten und Weisen Thema bei Yin und Yang.

Im Zusammenhang der chinesische Philosophie waren Yin und Yang zunchst Synonyme fr sehr konkrete Dinge des Alltags. So bedeutete Yin anfnglich wolkig, trb und wurde zum Synonym fr "die unbeleuchtete Seite eines Hgels", Yang stand fr beleuchtet, hell und beschrieb damit "die beleuchtete Seite eines Hgels". Im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung gewandelt: mit Yin wurde der Schatten bezeichnet, Yang wurde gleichgesetzt mit dem Licht der Sonne. Daraus ergab sich spter dann, dass die Sonne selbst mit Yang bezeichnet wurde, die Erde und der Mond mit Yin. Von der Darstellung her hat Yin einen kleinen Punkt innerhalb des Elementes Yang, Yang einen kleinen Punkt innerhalb des Yin. So wird auch der kontinuierliche Wandel, die Transformation, von immer wieder anders bewegten Lebenszyklen

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dargestellt. Und die stndig fortschreitende Abstrahierung und Verallgemeinerung der beiden Begriffe fhrte darber hinaus zu vielen weiteren Entsprechungen.

Die erste Erwhnung finden Yin und Yang brigens im Zusammenhang mit dem I-Ging, dem sogenannten Buch der Wandlungen. Die Herkunft dieses chinesischen Quellenwerkes chinesischer Wahrsagekunst und Weisheit kann nur ungenau datiert werden, seine Geschichte drfte jedoch wohl 5.000 Jahre zurckreichen. In seiner ltesten Form besteht es aus 64 Hexagrammen, die sich aus acht Trigrammen entwickeln. Unterschieden wird bei diesen acht Trigrammen zwischen altem und jungem Yin und Yang, wobei die jeweiligen Erscheinungsformen nicht etwa statischer Natur sind, sondern jeweils den Prozess von Zunehmen oder Abnehmen darstellen knnen. Die vier jungen und vier alten Trigramme von Yin und Yang stehen fr Himmel und See, Donner und Feuer, Erde und Berg, Wasser und Wind. Gemeint sind damit beispielsweise Strke oder Kreativitt (Himmel), Empfnglichkeit oder Ergebenheit, Innehalten oder Ruhe etc. Yin und Yang gehen stndigineinander ber und lassen neue Kombinationen entstehen. Es ist wichtig

zu verstehen, dass Yin und Yang nicht gut beziehungsweise schlecht reprsentieren. Yin und Yang knnen sowohl gut als auch schlecht sein, je nachdem, welche Funktion die jeweilige Eigenschaft in einer bestimmten Situation hat, betont der Asienkenner Thomas Cleary. Und er fgt hinzu: Yin und Yang sind universelle Komplemente, die in allen Menschen und allen Ereignissen vorhanden sind. Die rztin Adeline Yen Mah bekrftigt: Die beiden ergnzen sich, sind voneinander abhngig und verwandeln sich zu guter Letzt ineinander. Jedes ist das universelle Gegenstck des andern. Mglicherweise rhrt diese Vorstellung ursprnglich von der Erfahrung her, dass Tag und Nacht einander

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ablsen, genau wie Winter und Sommer. Vom Prinzip: Mnnlich / Weiblich Sehr verbreitet ist es in populren Magazinen der Yellow Press, Yin und Yang zu reduzieren auf das Prinzip von Mnnlich und Weiblich. Zwar ist auf den ersten Blick eine solche Einordnung einleuchtend und scheinbar augenfllig; jedoch macht sie so isoliert die Sicht auf die Bedeutung nicht richtiger, wenn man an den eigentlichen Kern gelangen will. Zwar ist einerseits festzuhalten:

Yin bezeichnet Ereignisse oder Strukturen, die sich nach innen richten, die Kraft aufnehmen und sammeln; Yang bezeichnet Prinzipien, die nach Auen und nach oben gehen und dazu neigen, sich zu erschpfen.

Doch daraus ergeben sich andererseits sehr viel mehr Ergnzungen und Entsprechungen, wie aus der nachfolgenden Tabelle sichtbar wird, die wiederum nur einen kleinen Teil der Mglichkeiten aufzeigt. YIN Das Weibliche Die Erde Die Nacht Das Passive Das Absinken Das Wasser Die Kontraktion Die Substanz YANG Das Mnnliche Der Himmel Der Tag Das Aktive Das Aufsteigen Das Feuer Die Expansion Die Dynamik

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Die Klte Der Bauch Die Beine Das Blut

Die Wrme Der Rcken Die Arme Die Energie.

Ausfhrlich hat sich der Schweizer Komponist Nils Gnther mit diesen und weiteren Aspekten auseinandergesetzt. Der zentrale Gegenstand seiner Kompositionen und theoretischen Auseinandersetzungen ist nicht nur die chinesische Naturphilosophie, sondern vor allem die vielschichtige Theorie der Wandlungsphasen, die er in den fnf Elementen findet. Und er fhrt damit einen Schritt weiter hin zu einer kosmologischen Sicht von Yin und Yang. Kosmologische Perspektiven Gnther sieht das Wandlungsphasen-Modell von Tzu Yen (350-270 v. u.Z.) zunchst als eines, das auf Politik und Wissenschaft angewandt wurde, sich spter jedoch in Verbindung mit der Yin-Yang-Vorstellung zu einem bergreifenden Denkmodell entwickelte. So wie bei Yin und Yang ist auch bei den fnf Elementen, den Wandlungsphasen, von Gewicht, dass sie stndig in Bewegung sind und nie starr verharren. Haben sie auf den ersten Blick sehr viel mit der Sicht der vier Elemente Erde, Feuer, Luft und Wasser bei den Griechen zu tun, zeigt sich bei genauerer Sicht die grere Dynamik des chinesischen Modells, das in Medizin und Daoismus ebenso angewendet wird wie bei Feng-Shui und Astrologie. Und so geht es nachfolgend um die Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser.

Holz

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Holz steht fr Frhling, Osten, windiges Klima, die Farbe Grn (Blau), die Zahlen 3 und 8, die Organe Galle und Leber, das Schreien/ Rufen. Das beste Bild fr diese Wandlungsphase ist die aufwrtsstrebende Energie.

Feuer Feuer steht fr Sommer, Sden, Hitze, die Farbe Rot und die Zahlen 2 und 7 aber auch Lachen und auseinanderstrebende wie ausdehende Energie. Herz und Dnndarm sind als Organe dem Feuer zugeordnet.

Erde Die Erde ist zwar einerseits der Ruhepunkt andererseits aber auch die Schwere und Trgheit. Zur Erde gehren die Farbe Gelb, die Zahlen 5 und 10, das Singen und die Feuchtigkeit. Die der Erde zugeordneten Organe sind die Milz und der Magen. Energetisch ist eine wesentliche Eigenschaft der Erde brigens ist die Transformation, der bergang, da die Erde Yin und Yang vereint.

Metall Mit Metall wird die Trockenheit beschrieben, die Farbe Wei sowie die Zahlen 4 und 9. Als Himmelsrichtung ist es der Westen, der dem Metall zugeordnet wird. Seine Organe sind Lunge und Dickdarm, seine Jahreszeit der Herbst. Die energetische Bewegung des Metalls ist eine absteigende.

Wasser

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Wasser steht ebenso fr den Winter wie fr den Norden. Es ist Synonym fr Klte, Schwarz, Sthnen und Yin, fr die Zahlen 1 und 6. Ihm zugeordnete Organe sind die Niere und die Blase. Eine charakteristische Eigenschaft, die dem Wasser zugeschrieben wird, ist das zusammenziehen und speichern.

Von Physis und Psyche

Zusammenfassend ist schon hier zu sagen, dass Yin und Yang das Wechselspiel des Qi beschreiben, das Wechselspiel der strmenden und alles durchdringenden Lebenskraft. Vor allem die fnf Elemente sind es, die einen mit dem tglichen Leben enger verbundenen Bezugsrahmen bieten. Sie sind es, die die Welt in ihrem Erscheinungsbild hervorbringen, gestalten, aufrechterhalten und wieder auflsen.

Auf diesem Hintergrund schreibt der Schweizer Akupunktur-Arzt Toni Fischer: Alle Dinge werden als voneinander abhngige und untrennbare Teile des kosmischen Ganzen gesehen, als verschiedene Manifestationen der gleichen letzten Wirklichkeit. Die letzte Realitt, die den von uns beobachteten Dingen und Ereignissen zugrunde liegt, ist das Dao, der Weg oder der Prozess des Universums, die Ordnung der Natur. Das Dao ist der kosmische Prozess, an dem alle Dinge beteiligt sind. Indem der Weise dies erkennt und sein Handeln danach richtet, wird er eins mit dem Dao und lebt in Harmonie mit der Natur. Gleichzeitig macht Fischer auf ein Problem aufmerksam: Im normalen Leben sehen wir diese Einheit aller Dinge nicht, sondern teilen die Welt in getrennte Objekte und Ereignisse. Diese Unterteilung ist ntzlich und notwendig, um mit unserer alltglichen Umgebung umgehen zu knnen,

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aber sie ist keine Grundeigenschaft der Wirklichkeit. Sie ist eine Illusion unseres unterscheidenden und kategorisierenden Intellekts. Das hchste Ziel des Daoisten ist, der Einheit und gegenseitigen Beziehung aller Dinge gewahr zu werden, den Begriff des isolierten individuellen Ich zu berwinden und sich mit der letzten Realitt zu identifizieren. Dieses Gewahrwerden ist nicht nur ein intellektueller Vorgang. Zhuangzi sagt: Wenn es mglich wre, darber zu sprechen, htte es jeder seinem Bruder erzhlt. Die Erkenntnis der letzten Wirklichkeit ist eine tiefe mystische Erfahrung, die den ganzen Menschen erfasst und letztlich religiser Natur ist. Ist einerseits bereits auf die unterschiedlichen Dimensionen eingegangen worden, bei denen es im physischen Bereich geht, gilt es doch auch im Konkreten zu differenzieren: So merkt der Arbeitskreis fr chinesische Medizin an der Heidelberger Ruprechts-Universitt gegen vereinfachende Darstellungen zu Recht kritisch an: Zwei Dinge, fr die wie einen Yin-Yang-Vergleich anstellen wollen, mssen in einem sinnvollen Zusammenhang stehen. Es hat also z.B. keinen Sinn zwei Punkte aus der Tabelle zu picken und zu sagen: Mann ist Yang, whrend Wasser Yin ist. Nichts ist gnzlich Yang oder gnzlich Yin; erst durch den Zusammenhang wird dies festgelegt, in einer anderen Beziehung kann es wieder umgekehrt sein. Es ist also falsch, in der Tabelle eine Spalte einfach senkrecht abzulesen und zu sagen: Oben, Warm und Mann sind Yang. Jedes Betrachtungsobjekt kann wiederum differenzierter betrachtet werden und offenbart dann selbst wieder Yin- und Yang- Anteile. Beispielsweise ist an einem Mann (Yang) die untere Krperhlfte dem Yin zugeordnet.

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Die Verwirrungen aufheben Welche Bedeutung Yin und Yang fr die Transformation des Menschen haben, wei auch die Tiefenpsychologin und Sinologin Sukie Colegrave. Sie konstatiert, dass wir Menschen erst nach der Harmonisierung des Yin- und Yang-Prinzips in unserer Psyche ohne Verwirrung handeln knnen wegen der Korrespondenz des Individuums mit dem Universum. Ist doch der Mensch als organischer Bestandteil des Kosmos zu betrachten, so dass sein Denken und Handeln niemals abgetrennt von dem Universum sein kann und immer Spuren in dieser Welt hinterlsst, ebenso wie das Universum sich in der Psyche jedes einzelnen widerspiegelt. Solange wir in Unkenntnis ber die Prinzipien des Wandels verharren, werden wir diesem Prozess hilflos ausgeliefert sein. Das Ringen um Erkenntnis ist gleichzeitig das Ringen um Freiheit. Fr die Sinologin ist das Verstndnis von Yin und Yang der erste Schritt in Richtung darauf, ganzheitlicher an der Schpfung teilzuhaben, die Beziehung von Yin und Yang zu verstehen. Yin und Yang werden ihrer Meinung nach durch die Poesie des I Ging in einen greren Zusammenhang gebracht, dessen zusammenfassender Begriff Chi (Kraft) ist. Und sie schlgt auf diese Weise eine Brcke von der Chinesischen Philosophie des Chang Tsai (1020 1077 v.u.Z.) zu Vorstellungen der modernen Physik, wie wir sie bei Fritjof Capra (*1939) finden, wenn es in seinem Tao der Physik heit: Alle Teilchen knnen in andere Teilchen umgewandelt werden; sie knnen aus Energie entstehen und zu Energie zerfallen. In dieser Welt haben klassische Begriffe wie Elementarteilchen, materielle Substanz oder isoliertes Objekt ihre Bedeutung verloren. Das ganze Universum erscheint als dynamisches Gewebe von untrennbaren Energiestrukturen.

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So haben Yin und Yang aus einer langen Tradition, die annhernd 5.000 Jahre zurckreicht, ihren Sitz im Leben des Dritten Jahrtausends gefunden. Als Symbole der Transformation sind sie in besonderer Weise Zeichen einer Einheit, die immer wieder neu gefunden werden kann.

LiteraturColegrave, Sukie: Yin und Yang. Die Krfte des Weiblichen und des Mnnlichen. Bern/Mnchen 1983; Cleary, Thomas (Hg.): I Ging. Das Buch der Wandlungen. Zrich 1995; Fiedeler, Frank: Yin und Yang. Das kosmische Grundmuster in der Kultur Chinas. Kreuzlingen/Mnchen 2003; Fischer, Toni: Das chinesische Entsprechungsdenken und seine Analogie in der Synchronizittslehre von C.G. Jung und in der Quantenphysik. In: Chinesische Medizin 14(1992), Mnchen, S. 13-14; http://www.nils-guenther.de Krebber, Werner: Das groe Abenteuer Labyrinth. Der Weg nach innen ist der Weg nach auen. In: Connection special Nr. 71, S. 50-53; Krebber, Werner: Der Weg zum Selbst. Vom Weg in die Zukunft auf den Spuren der Mystik. In: Connection special Nr. 68, S. 26-29; http://medimihi.de Yan Mah, Adeline: Der Ursprung der zehntausend Dinge. Die spirituelle Welt Chinas. Mnchen 2003; Yin und Yang. Stichwort in: Meyers Groes Taschenlexikon, Mannheim 2003