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politik 30 DFZ 6 · 2014 Behandlungsfehler Zahnärzte kommen in der Statistik schlecht weg Rund 14.600 vermutete Behandlungsfehler haben die medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) im vergangenen Jahr begutachtet. Etwa 17 Prozent mehr Patienten als noch 2012 beklagten sich der neuen MDK-Statistik zufolge über fehlerhafte ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen. Die Zahl der bestätigten Fehler allerdings ist demnach leicht rückläufig. Gut ein Zehntel aller ver- muteten Behandlungsfehler betraf den Bereich der Zahnmedizin, einschließlich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Wurzelbehandlungen, Karies und Zahnoperationen – schiefge- hen kann so einiges beim Zahnarzt. Ob jedoch ein Fehler vor- liegt oder ob es sich um eine unerwünschte, aber schicksalhaſt eingetretene Auswirkung einer Behandlung handelt, ist oſt nicht leicht zu entscheiden. Rückschlüsse auf die Qualität insgesamt oder auf besonders fehlerträchtige Facharztgruppen lasse die Statistik ohnehin nicht zu, betonte Prof. Dr. Astrid Zobel, Lei- tende Ärztin Sozialmedizin des MDK Bayern bei der Vorstel- lung der MDK-Statistik in Berlin. In Relation zur Gesamtzahl der Behandlungen bringe der MDK die absoluten Zahlen näm- lich nicht. Harsche Kritik daran kam aus der Zahnärzteschaſt. Vielzahl zahnärztlicher Behandlungen unbeachtet Angesichts der Vielzahl zahnärztlicher Behandlungen liegt die Zahl der vermuteten und noch viel mehr die Zahl der vom MDK bestätigten Fehler im unteren Promillebereich. Es legten 1454 Patienten 2013 ihren Fall den MDK-Gutachtern vor. Diese bescheinigten in knapp einem Drittel der Fälle, dass der Zahn- arzt oder Kieferchirurg tatsächlich einen Fehler mit schädlichen Auswirkungen gemacht hat. In 121 Fällen wurde Zahnkaries fehlerhaſt behandelt, 107-mal unterliefen Fehler bei der Behand- lung von Krankheiten des Zahnmarks und der Zahnwurzel. Der Rest der insgesamt 467 bestätigten Fehler verteilte sich auf den chirurgischen Bereich der Zahnmedizin. Mit diesen Zah- len landete die Zahnmedizin in der MDK-Statistik gleich hinter der Orthopädie und Chirurgie auf Platz drei der Statistik – und damit im öffentlichen Bewusstsein in den Top zehn des gern bemühten „Ärztepfuschs“. Indiz für qualitativ hochwertige Zahnmedizin „Jeder Fehler, der geschieht, ist ein Fehler zu viel, das muss man vorweg sagen“, kommentierte die Vorsitzende des Freien Ver- bandes Deutscher Zahnärzte, Kerstin Blaschke, die MDK-Sta- tistik. „Allerdings müssen die Zahlen insgesamt relativiert wer- den.“ Gerade im Bereich der Zahnmedizin sind im Jahr mehr Behandlungen notwendig als in vielen anderen Fachgebieten. Daher stehen die bestätigten Fälle aus den einzelnen Fachge- bieten in keinem Verhältnis zueinander. Vielmehr bestätigt das Ergebnis, dass Zahnärzte qualitativ hochwertige Arbeit leisten. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) zählte im vergangenen Jahr 110 Millionen Behandlungsfälle insge- samt. Wenn es dann zu 1454 Beschwerden komme, entspre- che das 0,001 Prozent aller Behandlungsfälle. Würden nur die bestätigten Fälle zugrunde gelegt, machten diese gerade einmal 0,0004 Prozent aller Fälle aus. „Die Zahlen des MDK sind ein gutes Indiz für qualitativ hochwertige zahnmedizinische Ver- sorgung in Deutschland“, erläuterte die KZBV. Sicherheitskultur im Gesundheitswesen voranbringen Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) verwies darauf, dass die Zahnmediziner derzeit das Fehlermeldesystem „Jeder Zahn zählt“ erproben. „Aus den Erfahrungen Einzelner können alle Kollegen lernen“, erläuterte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. Auf diesen Lerneffekt zielte auch der stellvertretende Geschäſtsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzen- Anzeige

Zahnärzte kommen in der Statistik schlecht weg

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Behandlungsfehler

Zahnärzte kommen in der Statistik schlecht wegRund 14.600 vermutete Behandlungsfehler haben die medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) im vergangenen Jahr begutachtet. Etwa 17 Prozent mehr Patienten als noch 2012 beklagten sich der neuen MDK-Statistik zufolge über fehlerhafte ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen. Die Zahl der bestätigten Fehler allerdings ist demnach leicht rückläufig. Gut ein Zehntel aller ver-muteten Behandlungsfehler betraf den Bereich der Zahnmedizin, einschließlich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Wurzelbehandlungen, Karies und Zahnoperationen – schiefge-hen kann so einiges beim Zahnarzt. Ob jedoch ein Fehler vor-liegt oder ob es sich um eine unerwünschte, aber schicksalha� eingetretene Auswirkung einer Behandlung handelt, ist o� nicht leicht zu entscheiden. Rückschlüsse auf die Qualität insgesamt oder auf besonders fehlerträchtige Facharztgruppen lasse die Statistik ohnehin nicht zu, betonte Prof. Dr. Astrid Zobel, Lei-tende Ärztin Sozialmedizin des MDK Bayern bei der Vorstel-lung der MDK-Statistik in Berlin. In Relation zur Gesamtzahl der Behandlungen bringe der MDK die absoluten Zahlen näm-lich nicht. Harsche Kritik daran kam aus der Zahnärztescha�.

Vielzahl zahnärztlicher Behandlungen unbeachtetAngesichts der Vielzahl zahnärztlicher Behandlungen liegt die Zahl der vermuteten und noch viel mehr die Zahl der vom MDK bestätigten Fehler im unteren Promillebereich. Es legten 1454 Patienten 2013 ihren Fall den MDK-Gutachtern vor. Diese bescheinigten in knapp einem Drittel der Fälle, dass der Zahn-arzt oder Kieferchirurg tatsächlich einen Fehler mit schädlichen Auswirkungen gemacht hat. In 121 Fällen wurde Zahnkaries fehlerha� behandelt, 107-mal unterliefen Fehler bei der Behand-lung von Krankheiten des Zahnmarks und der Zahnwurzel. Der Rest der insgesamt 467 bestätigten Fehler verteilte sich auf den chirurgischen Bereich der Zahnmedizin. Mit diesen Zah-len landete die Zahnmedizin in der MDK-Statistik gleich hinter der Orthopädie und Chirurgie auf Platz drei der Statistik – und damit im ö�entlichen Bewusstsein in den Top zehn des gern bemühten „Ärztepfuschs“.

Indiz für qualitativ hochwertige Zahnmedizin„Jeder Fehler, der geschieht, ist ein Fehler zu viel, das muss man vorweg sagen“, kommentierte die Vorsitzende des Freien Ver-bandes Deutscher Zahnärzte, Kerstin Blaschke, die MDK-Sta-tistik. „Allerdings müssen die Zahlen insgesamt relativiert wer-den.“ Gerade im Bereich der Zahnmedizin sind im Jahr mehr Behandlungen notwendig als in vielen anderen Fachgebieten. Daher stehen die bestätigten Fälle aus den einzelnen Fachge-bieten in keinem Verhältnis zueinander. Vielmehr bestätigt das Ergebnis, dass Zahnärzte qualitativ hochwertige Arbeit leisten. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) zählte im vergangenen Jahr 110 Millionen Behandlungsfälle insge-samt. Wenn es dann zu 1454 Beschwerden komme, entspre-che das 0,001 Prozent aller Behandlungsfälle. Würden nur die bestätigten Fälle zugrunde gelegt, machten diese gerade einmal 0,0004 Prozent aller Fälle aus. „Die Zahlen des MDK sind ein gutes Indiz für qualitativ hochwertige zahnmedizinische Ver-sorgung in Deutschland“, erläuterte die KZBV.

Sicherheitskultur im Gesundheitswesen voranbringenDie Bundeszahnärztekammer (BZÄK) verwies darauf, dass die Zahnmediziner derzeit das Fehlermeldesystem „Jeder Zahn zählt“ erproben. „Aus den Erfahrungen Einzelner können alle Kollegen lernen“, erläuterte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel.

Auf diesen Lerneffekt zielte auch der stellvertretende Geschä�sführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzen-

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verbandes, Dr. Stefan Gronemeyer, bei der Vorstellung der Sta-tistik: „Mit der regelmäßigen Berichterstattung wollen wir dazu beitragen, eine neue Sicherheitskultur im Gesundheitswesen vor-anzubringen, um Fehler wirksam zu vermeiden.“ Es gehe nicht darum, einzelne ärztliche Sparten an den Pranger zu stellen. Das mediale Interesse und die folgende Berichterstattung zeig-te jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Vielfach wurde nur die steigende Gesamtzahl der Vorwürfe gesehen, nicht aber die rückläu�ge Zahl der bestätigten Fälle.

Sabine Schmitt

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Berufspolitische Termini

BehandlungsfehlerPatienten haben einen Anspruch auf eine ärztliche, zahnärztli-che oder pflegerische Behandlung, die dem jeweiligen aktuel-len Stand der Wissenschaft entspricht. Wenn ein Arzt gegen die Verpflichtungen, die sich hieraus ergeben verstößt, dann ist dies ein Behandlungsfehler. Ein Arzt oder Zahnarzt muss die Behand-lung angemessen, sorgfältig, richtig und zeitgerecht durchfüh-ren. Fehler in der Behandlung von Patienten können zu jeder Zeit der Behandlung auftreten: Diagnosefehler, unterlassene Befund-erhebung, Therapiefehler, Aufklärungsfehler oder Organisations-fehler. Fehler kann ein Arzt durch Tun oder auch durch Unterlas-sen begehen. Gesetzlich Krankenversicherte können durch das Patientenrechtegesetz Hilfe durch ihre Krankenkasse bei der Ver-folgung von Schadenersatzansprüchen bekommen. Schadener-satzpflichtig ist ein Arzt, der nachweislich einen Fehler begangen hat, grundsätzlich jedoch nur, wenn durch den Fehler tatsächlich ein Schaden eingetreten ist. sas