24
PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 345 Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 Dirk Piester 1 , Peter Hetzel 2 und Andreas Bauch 3 Zusammenfassung Seit mehr als dreißig Jahren werden in der Ver- antwortung der Physikalisch-Technischen Bun- desanstalt (PTB) mit dem Langwellensender DCF77 rund um die Uhr Normalfrequenz und Zeitsignale sowie kodierte Zeitinformation gemäß der gesetzlichen Zeit für Deutschland ausgesen- det. Die Sendeeinrichtungen werden heute von der T-Systems Media Broadcast betrieben, einer Tochter der Deutschen Telekom AG, in der Nach- folge der Deutschen Bundespost. DCF77 mit sei- nem millionenfach genutzten Zeitkode ist ein wichtiger Bestandteil der steuerfinanzierten Infra- struktur unseres Landes geworden. Wir stellen zunächst die Grundlagen der ge- setzlichen Zeit und des internationalen Zeitsys- tems vor. Nach einem historischen Abriss über die Entwicklung des DCF77 werden die aktuel- len Eigenschaften des Senders beschrieben. Wir diskutieren Ausbreitung und Empfang von DCF77 und auch kursorisch die Entwicklung der Funkuhr sowie die dem DCF77 ähnlichen Zeitdienste auf Langwelle in anderen Ländern der Erde. Abschließend geht es um die mögliche Nut- zung des DCF77 zur Bevölkerungswarnung vor Katastrophen mittels Funk-Alarmuhren. Summary Since more than thirty years, the Physika- lisch-Technische Bundesanstalt (PTB) dissemi- nates standard frequency and time signals around the clock by means of the LF-transmitter DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes- post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom AG. Since 1973 coded time information accor- ding to German legal time has been broadcast, and this particular service has become very po- pular in Germany and in Europe. DCF77 has developed to become an important part of the state-funded infrastructure of Germany. We describe how legal time in Germany is defined and how the underlying Coordinated Universal Time is realised. Having given a cur- sory survey of the history of the development of the DCF77 service, we present in some detail the current properties of the service. Further subjects are the propagation of long waves, DCF77 reception, and, very briefly, the develop- ment of radio-controlled clocks. Finally we give some information on other time services using long wave world-wide, and the potential use of DCF77 for alarming the public regarding catastrophic events through newly developed radio controlled clocks including an alarming function. 1 Einleitung „Zeitmessung“ ist heute aus dem privaten All- tag ebenso wenig weg zu denken wie aus vielen Bereichen von Wissenschaft und Technik. Der Begriff wird für die Messung der Dauer von Zeitintervallen (Stichwort: Stoppuhr), für die Registrierung der Häufigkeit von Ereignissen während eines Zeitintervalls (Stichwort: Fre- quenz) und für die Datierung von Ereignissen in einer Zeitskala (Stichwort: Uhrzeit) verwen- det. Die letzte Aufgabe ist wohl die im täglichen Leben bedeutendste. Kaum ein (erwachsener) Bürger in unserem europäischen Kulturraum wird nicht wenigstens einmal täglich auf eine Uhr sehen. Die Datierung von Ereignissen und die Koordinierung der vielfältigen Geschehnis- se in einer modernen Gesellschaft werden als so wichtig erkannt, dass in vielen Staaten durch Gesetz geregelt ist, wie die gültige Uhrzeit an- zugeben ist, so auch in Deutschland. Grenz- überschreitender Verkehr und Kommunikation verlangen, dass die so festgelegten Uhrzeiten der Länder aufeinander abgestimmt sind. Die Grundlage hierfür legte 1884 die Washingtoner Standardzeit-Konferenz, auf der die Lage des Nullmeridians und das System der 24 Zeitzo- nen zu je 15geographischer Länge festgelegt wurden. Die Datierung von Ereignissen folgt weitgehend lange eingeführten Konventionen. 24 Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden bil- 1 Dr.-Ing. Dirk Piester, Mitarbeiter der PTB- Arbeitsgruppe „Zeitübertragung“ E-Mail: [email protected] 2 Dr.-Ing. Peter Hetzel, bis 2002 Leiter des PTB-Fachlaborato- riums „Zeit- und Fre- quenzübertragung 3 Dr. Andreas Bauch, Leiter der PTB- Arbeitsgruppe „Zeitübertragung“ E-Mail: [email protected]

Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

  • Upload
    hathuan

  • View
    216

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 345

Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77

Dirk Piester1, Peter Hetzel2 und Andreas Bauch3

Zusammenfassung

Seit mehr als dreißig Jahren werden in der Ver-antwortung der Physikalisch-Technischen Bun-desanstalt (PTB) mit dem LangwellensenderDCF77 rund um die Uhr Normalfrequenz undZeitsignale sowie kodierte Zeitinformation gemäßder gesetzlichen Zeit für Deutschland ausgesen-det. Die Sendeeinrichtungen werden heute vonder T-Systems Media Broadcast betrieben, einerTochter der Deutschen Telekom AG, in der Nach-folge der Deutschen Bundespost. DCF77 mit sei-nem millionenfach genutzten Zeitkode ist einwichtiger Bestandteil der steuerfinanzierten Infra-struktur unseres Landes geworden.

Wir stellen zunächst die Grundlagen der ge-setzlichen Zeit und des internationalen Zeitsys-tems vor. Nach einem historischen Abriss überdie Entwicklung des DCF77 werden die aktuel-len Eigenschaften des Senders beschrieben. Wirdiskutieren Ausbreitung und Empfang vonDCF77 und auch kursorisch die Entwicklungder Funkuhr sowie die dem DCF77 ähnlichenZeitdienste auf Langwelle in anderen Ländern derErde. Abschließend geht es um die mögliche Nut-zung des DCF77 zur Bevölkerungswarnung vorKatastrophen mittels Funk-Alarmuhren.

Summary

Since more than thirty years, the Physika-lisch-Technische Bundesanstalt (PTB) dissemi-nates standard frequency and time signalsaround the clock by means of the LF-transmitterDCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems MediaBroadcast, a subsidiary of the Deutsche TelekomAG. Since 1973 coded time information accor-ding to German legal time has been broadcast,and this particular service has become very po-pular in Germany and in Europe. DCF77 hasdeveloped to become an important part of thestate-funded infrastructure of Germany.

We describe how legal time in Germany isdefined and how the underlying Coordinated

Universal Time is realised. Having given a cur-sory survey of the history of the developmentof the DCF77 service, we present in some detailthe current properties of the service. Furthersubjects are the propagation of long waves,DCF77 reception, and, very briefly, the develop-ment of radio-controlled clocks. Finally we givesome information on other time services usinglong wave world-wide, and the potential useof DCF77 for alarming the public regardingcatastrophic events through newly developedradio controlled clocks including an alarmingfunction.

1 Einleitung

„Zeitmessung“ ist heute aus dem privaten All-tag ebenso wenig weg zu denken wie aus vielenBereichen von Wissenschaft und Technik. DerBegriff wird für die Messung der Dauer vonZeitintervallen (Stichwort: Stoppuhr), für dieRegistrierung der Häufigkeit von Ereignissenwährend eines Zeitintervalls (Stichwort: Fre-quenz) und für die Datierung von Ereignissenin einer Zeitskala (Stichwort: Uhrzeit) verwen-det. Die letzte Aufgabe ist wohl die im täglichenLeben bedeutendste. Kaum ein (erwachsener)Bürger in unserem europäischen Kulturraumwird nicht wenigstens einmal täglich auf eineUhr sehen. Die Datierung von Ereignissen unddie Koordinierung der vielfältigen Geschehnis-se in einer modernen Gesellschaft werden als sowichtig erkannt, dass in vielen Staaten durchGesetz geregelt ist, wie die gültige Uhrzeit an-zugeben ist, so auch in Deutschland. Grenz-überschreitender Verkehr und Kommunikationverlangen, dass die so festgelegten Uhrzeitender Länder aufeinander abgestimmt sind. DieGrundlage hierfür legte 1884 die WashingtonerStandardzeit-Konferenz, auf der die Lage desNullmeridians und das System der 24 Zeitzo-nen zu je 15∞ geographischer Länge festgelegtwurden. Die Datierung von Ereignissen folgtweitgehend lange eingeführten Konventionen.24 Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden bil-

1 Dr.-Ing. Dirk Piester,Mitarbeiter der PTB-Arbeitsgruppe„Zeitübertragung“E-Mail:[email protected]

2 Dr.-Ing. Peter Hetzel,bis 2002 Leiter desPTB-Fachlaborato-riums „Zeit- und Fre-quenzübertragung

3 Dr. Andreas Bauch,Leiter der PTB-Arbeitsgruppe„Zeitübertragung“E-Mail:[email protected]

Page 2: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

346 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

den einen Tag. Der Beginn des Tages ist auf 0:00Uhr festgelegt. Für die Zählung der Tage wird inDeutschland und vielen Ländern der Erde derGregorianische Kalender verwendet.

Seit dem 1. April 1893 gilt in Deutschland(bzw. damals im Deutschen Reich) die mittlereSonnenzeit am fünfzehnten Längengrad Ost alseinheitliche Zeit, wie das in Anhang 1 abgebil-dete Reichsgesetzblatt besagt. Mit dem Zeitge-setz aus dem Jahr 1978 (Anhang 2) wurde dieseRegelung in das „Atomzeitalter“ überführt unddie Physikalisch-Technische Bundesanstalt(PTB) mit der Darstellung und Verbreitung dergesetzlichen Zeit beauftragt.

Nützliche Festlegungen zu Zeit, Kalender,Wochennummerierung und Schreibweise vonTagesdatum und Uhrzeit findet man in derNorm ISO 8601 sowie der entsprechenden deut-schen bzw. europäischen Norm DIN EN 28601.Hier sollen nur drei Details angeführt werden,die immer wieder Grund zu Fragen geben. Diegenannte Norm legt u. a. fest:∑ Montag ist der erste Tag der Kalenderwoche;∑ Die erste Kalenderwoche eines Jahres ist die-

jenige, in die mindestens vier Tage des neu-en Jahres fallen, gleichbedeutend, dass indieser Woche Eins der erste Donnerstag desJahres liegt;

∑ Schaltjahre sind diejenigen Jahre, deren Jah-reszahl ohne Rest durch vier teilbar ist. Istdie Jahreszahl jedoch durch 100, nicht aberdurch 400 ohne Rest teilbar, so ist das Jahrkein Schaltjahr sondern ein Gemeinjahr, derFebruar dieses Jahres hat dann 28 Tage. DasJahr 2000 war also ein Schaltjahr, das Jahr2100 wird keines sein.

Die gesamte Thematik, insbesondere auch derhistorische Wechsel von der astronomischen zuratomphysikalischen Zeitbestimmung, wird inverschiedenen Publikationen in größerer Tiefebehandelt [1–4]. Wir verweisen Interessenten anKalender und Chronologie auf [5], an der sozio-logischen Bedeutung der Zeitmessung auf [6].

Schon zu Beginn des letzten Jahrhundertserkannte man in Funkwellen ein geeignetesMittel zur Zeitübertragung. Die ersten Versuchezur drahtlosen Zeitübermittlung unternahmen1903 das United States Naval Observatory, Wa-shington, und 1904 das Geodätische InstitutPotsdam. Bereits von 1910 bis 1916 sendete dieKüstenfunkstelle Norddeich als erster deutscherZeitdienst regelmäßig Zeitzeichen auf der Basisvon Zeitbestimmungen des Marineobservatori-ums Wilhelmshaven. Ab 1917 strahlte dann dieGroßsendestelle Nauen zweimal täglich einZeitzeichen auf Langwelle 3 900 m aus. Nachdiesen Anfängen der drahtlosen Zeitübertra-gung entstand im Laufe der Jahre ein erdum-spannendes Netz von Zeitzeichenstationen. ZurZeitverbreitung mit terrestrischen Sendern kam

in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Zeit-übertragung über Satelliten hinzu und eröffnetevöllig neue Möglichkeiten für interkontinentalePräzisionszeitvergleiche, Ortsbestimmung undglobale Navigation. Aktuelle Bestandsaufnah-men des gesamten Gebietes der Zeitübertra-gung findet man beispielsweise in [7, 8].

Dieser Aufsatz handelt von der Verbreitungder gesetzlichen Zeit mit dem Zeitzeichen- undNormalfrequenzsender DCF77 durch die PTB.Diese Aufgabe wird heute von der Arbeitsgrup-pe Zeitübertragung im Fachbereich Zeit undFrequenz der PTB wahrgenommen (Internet:http://www.ptb.de/Zeit). Unter der angegebenenInternetadresse gibt es u. a. Hinweise auf dieanderen Zeitdienste der PTB, nämlich über dasöffentliche Telefonnetz und das Internet, diehier nicht behandelt werden.

Der Aufsatz ist wie folgt gegliedert:Zunächst werden im Kapitel 2 die Grundlagender gesetzlichen Zeit und des internationalenZeitsystems dargestellt. Nach einem histori-schen Abriss über die Entwicklung des DCF77in Kapitel 3 werden die aktuellen Eigenschaftendes Senders beschrieben (Kapitel 4 bis 6). Aufeinige grundlegende Fragen der Ausbreitungund des Empfanges von DCF77-Signalen wirdin den Kapiteln 6 und 7 eingegangen, bevor inknapper Form die Entwicklung der Funkuhr (Ka-pitel 8) nachgezeichnet wird und die dem DCF77ähnlichen Zeitdienste auf Langwelle in anderenLändern der Erde vorgestellt werden (Kapitel 9).Zusammenfassend werden die Vorzüge des Emp-fangs von Langwellensignalen diskutiert. Dabeiwird auch kurz auf eine erweiterte Nutzung desDCF77 zum Zweck der Bevölkerungswarnungvor Katastrophen eingegangen.

Nach mehr als 30 Jahren der Aussendungvon kodierter Zeitinformation durch amplitu-denmodulierte Zeitsignale, dazu seit etwa20 Jahren auch durch pseudozufällige Umtas-tung der Trägerphase, ist DCF77 ein etablierterDienst, und zahlreiche Veröffentlichungen sindim Laufe der Jahre entstanden. In dieser Arbeitwird versucht, ausgehend von früheren Arbei-ten unseres Co-Autors Dr.-Ing. Peter Hetzel [9,10], eine weitgehend vollständige Darstellungdes heutigen Standes zu geben. Nicht jeder Ent-wicklungsschritt wird mit dem zum damaligenZeitpunkt aktuellen Literaturzitat belegt. Wei-terführende Literatur wird nur dann angege-ben, wenn sie über das hier angegebene Materi-al hinaus wesentliche Informationen enthält.

Neben den erwähnten Arbeiten [9, 10] bie-ten die drei von W. Hilberg anlässlich der„Funkuhrentagungen“, die an der TechnischenUniversität Darmstadt und der PTB zwischen1983 und 1993 stattfanden, herausgegebenen Ta-gungsbände [11] eine reiche Auswahl an Origi-nalarbeiten und Literaturzitaten.

Page 3: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 347

2 Realisierung und Verbreitung dergesetzlichen Zeit für Deutschland

2.1 Gesetzliche Grundlagen

Das Zeitgesetz von 1978 (siehe Anhang 2) be-auftragt die PTB, die für das öffentliche Lebenin Deutschland maßgebende Uhrzeit darzustel-len und zu verbreiten. Als gesetzliche Zeit wur-den die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) oder, imFalle ihrer Einführung, die MitteleuropäischeSommerzeit (MESZ) festgelegt, wie sie von derPTB realisiert werden. Sie werden aus der Koor-dinierten Weltzeit UTC (Universal CoordinatedTime, siehe nächster Abschnitt) unter Hinzufü-gen von einer bzw. zwei Stunden abgeleitet:

MEZ(D) = UTC(PTB) + 1h,MESZ(D) = UTC(PTB) + 2h.

Die Bundesregierung ist nach dem Zeitgesetz er-mächtigt, durch Rechtsverordnung zwischen dem1. März und dem 31. Oktober eines Jahres dieSommerzeit einzuführen. Die Termine für Beginnund Ende der MESZ werden von der Bundesre-gierung entsprechend der jeweils gültigen Richtli-nie des Europäischen Parlaments und des Ratesder Europäischen Union festgelegt und im Bun-desgesetzblatt bekannt gemacht. Auf Grund derletzten Sommerzeitverordnung vom 12. Juli 2001(Anhang 3) gilt zukünftig – bis auf Widerruf –Sommerzeit vom letzten Sonntag des März biszum letzten Sonntag des Oktobers eines Jahres.

2.2 Koordinierte Weltzeit

Die Sektion Zeit des Internationalen Büros fürMaß und Gewicht BIPM (Bureau Internationaldes Poids et Mesures) ist mit der Berechnungund Verbreitung einer weltweit gültigen Zeitre-ferenz beauftragt. Bis 1988 wurde diese Aufgabevom Internationalen Büro für die Zeit BIH (Bu-reau International de l’Heure) wahrgenommen.Im Prinzip würde eine hinreichend genaue, sta-bile und zuverlässige Uhr genügen, die Zeit an-zugeben. Da eine solche Uhr jedoch nirgendwozur Verfügung steht, berechnet das BIPM eineZeitreferenz auf der Basis von etwa 250 Uhren,darunter etwa zehn sog. primären Uhren (s. u.),aus ca. 50 weltweit verteilten Zeitinstituten.Zunächst ermittelt das BIPM die Gang-Instabili-täten dieser Uhren und weist ihnen statistischeGewichte zu, mit denen sie bei der Berechnungder gemittelten Zeitskala berücksichtigt wer-den. Eine stabile Uhr erhält ein hohes statisti-sches Gewicht und umgekehrt. Das so gewon-nene Mittel wird EAL (Echelle Atomique Libre,freie Atomzeitskala) genannt. In einem zweitenSchritt wird die Internationale Atomzeit TAI(Temps Atomique International) mittels einerFrequenzkorrektur aus EAL gewonnen. DasSkalenmaß von TAI wird dabei so nachgeregelt,dass es so gut wie möglich mit der SI-Sekundeübereinstimmt, wie sie auf Meereshöhe reali-

siert würde. „SI-Sekunde“ bezeichnet die Basis-einheit der Zeit im Internationalen Einheiten-system SI (System International) [12]. Die Fre-quenzkorrektur wird gegenwärtig aus dem Ver-gleich von EAL mit den primären Uhren derZeitinstitute in Frankreich, Italien, Japan, USA,und Deutschland abgeleitet. TAI hatte verschie-dene Vorläufer [4], aber man hat den fiktivenAnfangspunkt von TAI so festgelegt, dass der1. Januar 1958, 0 Uhr TAI, mit dem entsprechen-den Zeitpunkt in der mittleren Sonnenzeit amNullmeridian, UT1 (Universal Time) genannt,übereinstimmte. UT1 war die Grundlage derweltweiten Zeitbestimmung, solange diese aufastronomischen Beobachtungen beruhte (siehez. B. Reichsgesetzblatt von 1893, Anhang 1).

Aus TAI wird UTC abgeleitet, die Basis unse-res heutigen Weltzeitsystems mit 24 Zeitzonen.UTC geht auf Vorschläge des CCIR (Comité Con-sultatif International des Radiocommunications)der ITU (International Telecommunication Union)zurück, nach denen die Aussendung von Zeitzei-chen „koordiniert“, d. h. bezogen auf eine gemein-same Zeitskala erfolgen sollte, die mit UT1 nähe-rungsweise in Übereinstimmung gehalten wird[7, 13]. UTC und TAI haben mit der SI-Sekundedas gleiche Skalenmaß, und die Differenz UTCminus UT1 wird durch Schaltsekunden in UTCauf unter 0,9 Sekunden begrenzt. Für UTC-TAIfolgt die in Bild 1 gezeigte Treppenkurve, die dermonotonen Änderung von UT1-TAI folgt. DieEinführung der Schaltsekunden geschieht zumJahreswechsel oder auch in der Mitte des Jahresals letzte Sekunde des 31. Dezembers bzw. des30. Junis in UTC, d. h. in Deutschland am 1. Janu-ar vor 01:00 MEZ bzw. am 1. Juli vor 02:00 MESZ.Die Entscheidung hierüber trifft der InternationaleDienst für Erdrotation und Referenzsysteme (In-ternational Earth Rotation and Reference SystemsService IERS (Internet: http://hpiers.obspm.fr oderhttp://www.iers.org) in Abhängigkeit von denkontinuierlich registrierten Parametern der Erd-rotation (Lage der Drehachse, Periode). Die unre-

Bild 1:

Vergleich von (astrono-mischer) Weltzeit UT1und Koordinierter Welt-zeit UTC mit der Inter-nationalen Atomzeit TAI.

Page 4: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

348 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

gelmäßige Einführung von Schaltsekunden (Bild 1)spiegelt die ungleichmäßige Drehgeschwindig-keit der Erde wider. Gegenwärtig dreht sich dieErde deutlich schneller als im Mittel der letztenJahrzehnte.

Nach der Einführung des UTC-Zeitsystemsmit Schaltsekunden am 01.01.1972 wurden dieDCF77 Sekundenmarken 1 bis 15 zur Aussen-dung des von der ITU empfohlenen DUT1-Kodes verwendet, mit dem Betrag und Vorzei-chen der auf 0,1 Sekunde gerundete DifferenzUT1-UTC mitgeteilt wurde. Mangels Interessewurde dies am 10.05.1977 nach einer Umfrage-aktion bei DCF77-Nutzern wieder eingestellt.

Den Empfehlungen verschiedener Gremienfolgend wurde UTC praktisch in allen Länderndie Grundlage für die in der jeweiligen Zeitzoneverwendete „bürgerliche“, „amtliche“ oder „ge-setzliche“ Zeit. Ähnlich wie TAI wird UTCallerdings nur in Form von errechneten Stand-differenzen mit Bezug auf die in den einzelnenZeitinstituten (i) realisierten Zeitskalen UTC(i)publiziert. Daraus erklärt sich die Forderung,dass die Skalen UTC(i) möglichst gut mit UTC –und damit auch untereinander – übereinstim-men sollen. Ende 2004 gab es weltweit 25 Zeit-skalen mit einer Abweichung UTC-UTC(i) vonweniger als 100 ns, darunter die der PTB. Bild 2zeigt die Differenz zwischen UTC und UTC(PTB)während einer Zeitspanne von zwei Jahren biseinschließlich September 2004. Hier, wie in an-deren Abbildungen, wird das Modifizierte Julia-nische Datum MJD, eine fortlaufende Tageszäh-lung, verwendet. Der Tag MJD 53279 entsprichtdem Tag 2004-10-01.

2.3 Die Atomuhren der PTBDie PTB betreibt eine Gruppe von Atomuhren,um die Atomzeitskala UTC(PTB) mit großerStabilität und Zuverlässigkeit zu realisieren. Zuder Gruppe gehören einige kommerziell gefer-tigte Caesiumatomuhren, Wasserstoffmaser unddie sog. primären Uhren CS1, CS2 und CSF1,die in den letzen Jahrzehnten in der PTB entwi-ckelt wurden [12]. Die besten kommerziellenCaesiumatomuhren realisieren gegenwärtig dieSI-Sekunde mit einer relativen Unsicherheit vonwenigen 10–13 und einer relativen Frequenzinsta-bilität von wenigen 10–14 bei einer Mittelungszeitvon einem Tag [14]. Sie werden in den BereichenNavigation, Geodäsie, Raumfahrt, Telekommuni-kation und in den Zeitinstituten (wie der PTB)eingesetzt. Mit den in der PTB entwickelten pri-mären Cs-Uhren werden deutlich geringere Unsi-cherheiten erreicht. Der Begriff „primäre Uhr“wird verwendet, weil jederzeit eine Abschätzungdarüber vorliegt, mit welcher Wahrscheinlich-keit die realisierte Sekunde in welchem Ausmaßvon der SI-Sekunde abweicht. Bild 3 zeigt diebeiden primären Atomuhren CS1 und CS2 derPTB, deren relative Unsicherheit nur 0,7 · 10–14

bzw. 1,2 · 10–14 [12, 14] beträgt (1–s Wert, d. h.67% Wahrscheinlichkeit). Eine konstante rela-tive Abweichung von 1·10–14 entspricht einemGangfehler von etwa einer Milliardstel Sekundepro Tag. Die Zeitskala UTC(PTB) wird gegen-wärtig von CS2 abgeleitet. Eine Frequenzkor-rektur von typisch relativ 1 · 10–14 sorgt dafür,dass die Differenz UTC-UTC(PTB) so kleinbleibt, wie es in Bild 2 zu sehen ist.

3 DCF77: Von den Anfängen bis zumzweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts

3.1 Verantwortlichkeiten, vertragliche Rege-lungen

Mitte der fünfziger Jahre setzten sich Vertreterdes Deutschen Hydrographischen Instituts(DHI), des Fernmeldetechnischen Zentralamtes(FTZ) und der PTB, zusammen, um „zur Erfül-lung amtlicher Aufgaben“ gemeinsam eine Zeit-signal- und Normalfrequenzausendung einzu-richten. Die Institute gehörten zum Geschäfts-bereich verschiedener Bundesministerien: fürVerkehr, Post und Wirtschaft. Diese Zusammen-arbeit spiegelt die Situation wider, in der dieZeit noch basierend auf astronomischen Beob-achtungen realisiert wurde, in Deutschlandvom DHI, die Zeiteinheit aber schon von metro-logischen Instituten, wie der PTB, mit überlege-ner Genauigkeit realisiert wurde. Die DeutscheBundespost bot für diesen Zweck den Sendermit der Bezeichnung DCF77 an. Die PTB stelltehochgenaue Quarzuhren zur Verfügung undentwickelte eine Steuereinrichtung, das DHI lie-ferte Zeitzeichen auf astronomischer Basis. Mit

Bild 2:

Vergleich der Koordinierten Weltzeit UTC mit der in der PTB realisierten Atomzeit-skala UTC(PTB) über zwei Jahre bis einschließlich September 2004. MJD be-zeichnet das Modifizierte Julianische Datum, eine fortlaufende Tageszählung.MJD 53279 entspricht dem Tag 2004-10-01.

Page 5: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 349

den ersten Sendeversuchen wurde 1956 begon-nen. Am 10. Oktober 1958 erhielt die PTB vomBundespostministerium die Genehmigung, biszum Jahresende 1958 regelmäßige Versuchssen-dungen durchzuführen. Als offizieller Beginnder Zeitsignal- und Normalfrequenzaussendun-gen über den Sender DCF77 wurde in diesemGenehmigungsschreiben der 1. Januar 1959 fest-gelegt. Die Senderleistung für diesen neuenDienst betrug anfangs 12,5 kW.

Noch bis Ende 1969 wurden mit dem SenderDCF77 außer Zeitzeichen und Normalfrequenzintermittierend Sportnachrichten vom Deut-schen Sportverlag (DSV) gesendet. Die Zeitsig-nal- und Normalfrequenzaussendungen erfolg-ten in einem werktäglichen Vormittags- undNachtprogramm von jeweils etwa drei StundenDauer. Da von verschiedenen Organisationenund Nutzern dieses neuen Dienstes eine längereSendedauer gewünscht wurde, stellte die PTBAnfang 1967 den Antrag auf Erweiterung derSendezeit auf 24 Stunden. Dem DSV wurdedaraufhin die neue Frequenz 46,25 kHz zuge-wiesen. Am 01.12.1969 wurde die Sendezeit fürdie Zeitzeichenaussendungen über DCF77 aufzunächst 16 Stunden erweitert, und die Zustän-digkeit für DCF77 ging voll auf die PTB über.Ab diesem Datum wurden der PTB auch Ge-bühren für den Betrieb des Senders DCF77 inRechnung gestellt, da die Deutsche Bundespostnicht mehr bereit war, den Sender für die nunerweiterte Sendezeit kostenlos zur Verfügung zustellen. Die Aufnahme des 24-h-Dauerbetriebsmit einer Senderleistung von 50 kW erfolgteschließlich am 01.09.1970. Die hiermit verbunde-nen Änderungen des Sendeprogramms sind inKapitel 3.3 dargestellt.

Bis zur Privatisierung der Deutschen Bun-despost Telekom (DBP/Telekom) erfolgte die

Aussendung über DCF77 auf der Grundlage ei-ner formlosen Übereinkunft zwischen den vor-gesetzten Ministerien der PTB und der DBP/Te-lekom. Der PTB wurden für die Bereitstellungvon DCF77 die jeweils gültigen Gebühren ent-sprechend der Gebührenverordnungen für„Funknachrichten an einen oder mehrere Emp-fänger“ in Rechnung gestellt. Nach der Privati-sierung der DBP/Telekom musste eine vertrag-liche Regelung zwischen der PTB und der Deut-schen Telekom AG (DTAG) geschaffen werden.Dies erfolgte im April 1996. Der Vertrag enthältVereinbarungen über den von der DTAG zu er-bringenden Leistungsumfang, die von der PTBdafür zu zahlenden Entgelte und regelt Fragendes Betriebes der Sendeeinrichtungen. Die Lauf-zeit des Vertrages betrug zunächst zehn Jahre,bis zum Ende des Jahres 2006. Inzwischen wur-den einige Bestimmungen des Vertrages neu ge-fasst und die Laufzeit bis zum Ende des Jahres2013 verlängert. Vertragspartner der PTB istnun die T-Systems Media Broadcast, eine Toch-ter der DTAG.

3.2 Standort und Senderbezeichnung

Standort des Senders DCF77 ist die Sendefunk-stelle Mainflingen (Koordinaten: 50∞01’ Nord,09∞00’ Ost) etwa 25 km südöstlich von Frankfurtam Main. Das auf dem Gelände der Sende-funkstelle verlegte Erdungsnetz sowie der hoheGrundwasserspiegel, der durch die Lage desGeländes in der Mainebene gegeben ist, habeneine hohe Bodenleitfähigkeit und somit günsti-ge Abstrahlungsbedingungen zur Folge.

Woher kommt das Rufzeichen DCF77?Nach den Regeln der ITU, speziell Artikel 19der Radio Regulations, „Identification of Stations“[15], müssen alle Sender, deren Reichweitenüber die jeweiligen Landesgrenzen hinausge-

Bild 3:

Ansicht der primärenUhren CS1 und CS2der PTB

Page 6: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

350 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

hen, mit einem Rufzeichen entsprechend der je-dem Land zugewiesenen Rufzeichenreihe ge-kennzeichnet und in der Internationalen Fre-quenzliste eingetragen sein. Die der Bundesre-publik Deutschland zugewiesene Rufzeichen-reihe beginnt mit DAA und endet mit DRZ. Fürden Sender DCF77 wurde das Rufzeichen wiefolgt festgelegt: Entsprechend der zugewiese-nen Rufzeichenreihe steht D für Deutschland.Der Buchstabe C wurde zur Kennzeichnungvon Langwellensendern gewählt. Als dritterBuchstabe wurde für die auf dem Gelände derSendefunkstelle Mainflingen stehenden Lang-wellensender der Buchstabe F (wegen der Nähezu Frankfurt) bestimmt. Da die SendefunkstelleMainflingen mehrere Frequenzen im Langwel-lenbereich benutzt, werden zur Unterscheidungder verschiedenen Sender dieser Station an diedrei Buchstaben DCF noch zwei Ziffern ange-hängt. Beim DCF77 wurden diese Ziffern ent-sprechend der verwendeten Trägerfrequenz ge-wählt, bei den anderen Anfang 2004 auf derSendefunkstelle betriebenen Sendern DCF49(auf 129,1 kHz) und DCF42 (auf 123,7 kHz) trifftdies nicht zu.

DCF77 ist in der Internationalen Frequenz-liste der ITU als fixed service eingetragen, mitden Angaben: Trägerfrequenz 77,5 kHz, Band-breite 2,4 kHz, Rufzeichen DCF77, den Koordi-naten der Sendefunkstelle wie oben angegeben,erstmalige Nutzung 15.08.1953, als in der Ver-antwortung Deutschlands stehend. In Kapitel 9gehen wir in Zusammenhang mit ähnlichenFunkdiensten in anderen Ländern auf Regelun-gen und Schutzbestimmungen der ITU ein.

Vom Sender DCF77 wurde bisher dreimalstündlich, jeweils zweimal hintereinander, inden Minuten 19, 39, 59 (während der Sekunden20 bis 32) das Rufzeichen DCF77 in Morsezei-chen ausgesendet. Je ein Buchstabe oder eineZiffer wurde zwischen zwei Sekundenmarkenausgestrahlt, wobei die Morsezeichen in Form von250-Hz-Rechteck-Trägerabsenkungen von 100 %auf etwa 85 % gegeben werden. Obwohl die Ruf-zeichenerzeugung ohne Unterbrechung der Zeit-markenfolge erfolgte, bewirkte ihre Aussendungeine Verschlechterung des Signal-zu-Rausch-Ab-stands der entsprechenden Sekundenmarken. Daaber auf Grund der speziellen Signalform derDCF77-Signale eine eindeutige Zuordnung dieserSignale zum Sender DCF77 möglich ist, wird inÜbereinstimmung mit den Bestimmungen der Ra-dio Regulations in Zukunft auf die Aussendungdes Rufzeichens verzichtet.

3.3 Entwicklung des Sendeprogramms

Das bis 1970 verwendete Sendeprogramm warrecht kompliziert. Es wurden zwei Arten vonZeitmarken ausgesendet: sogenannte „Zeit-messmarken“ zur Bestimmung von Zeitinter-

vallen, für die die PTB verantwortlich war undZeitsignale auf astronomischer Basis in der Ver-antwortung des DHI. Daneben sah das Pro-grammschema die Aussendung mehrerer Nor-malfrequenzen vor, der Trägerfrequenz 77,5 kHzsowie der aufmodulierten Frequenzen 200 Hzund 440 Hz (Kammerton a).

Ende der sechziger Jahre, nach der Neudefi-nition der Sekunde auf atomphysikalischer Ba-sis und dem Übergang von der astronomischenZeit auf die Atomzeit, wurden die Zeitmessmar-ken der PTB als „stepped atomic time“ inSchritten von 0,2 s mit UT1 koordiniert. Diesewaren quasi die Vorläufer der Schaltsekunden.Die Zeitzeichen des DHI waren zwar weiterhinals Zeitzeichen auf astronomischer Basis defi-niert, wurden aber in der Praxis ebenfallsbereits von Atomuhren abgeleitet, so dass zwi-schen den Zeitmarken des DHI und den Zeit-messmarken der PTB praktisch keine Unterschie-de mehr bestanden. Als Konsequenz dieser Ent-wicklung wurde am 01.04.1970 die Zeitzeichen-aussendung des DHI beendet und das Sendepro-gramm vereinfacht. Ab diesem Zeitpunkt wurdennur noch die Trägerfrequenz 77,5 kHz als Normal-frequenz sowie amplitudenmodulierte Sekunden-marken abgestrahlt – bis 1972 nach der seinerzeiti-gen „Amtlichen Atomzeitskala“ der PTB und seit1972 entsprechend dem neuen UTC-Zeitsystemmit Schaltsekunden, das dann 1978 im Zeitge-setz als Basis für die Gesetzliche Zeit festgelegtwurde (s. o.). Die Dauer der Sekundenmarkenwurde von 50 ms auf 100 ms verlängert. Wegender Anwender, die DCF77 als Normalfrequenz-sender nutzten, wurde von nun an der Trägerfür die Dauer der Sekundenmarken nicht mehrauf Null getastet sondern nur auf eine Restamp-litude von 25 % abgesenkt. Die Minutenmar-kenkennzeichnung wurde wie ursprünglicheingeführt beibehalten: Durch Weglassen der59. Sekundenmarke wird angekündigt, dass dienächstfolgende Marke die Minutenmarke ist.

Mit der kontinuierlichen Aussendung vonNormalfrequenz und Zeitmarken ab 01.09.1970war die Möglichkeit vorhanden, automatischnachgeregelte Normalfrequenzoszillatoren zubetreiben und Uhren im Gleichlauf zu halten.Funkgeführte Uhren mussten aber wegen derVieldeutigkeit der Minutenmarken noch vonHand eingestellt werden. Was zur Einführungsich selbst stellender Funkuhren noch fehlte,war die Aussendung vollständiger Zeitinforma-tion in kodierter Form. Dies erfolgte erstmalsam 05.06.1973, womit der entscheidende Schrittzur Entwicklung des Sendeprogramms auf denheutigen Stand getan wurde. Abgesehen von derErgänzung der zwei Zeitzonenbits und zweierAnkündigungsbits wird der damals eingeführteZeitkode bis heute unverändert verwendet. Erwird in Kapitel 4.2 separat dargestellt.

Page 7: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 351

100%

80

60

40

20

00 200 400 600 800 1000 1200 1400

tsA

o

a

b

a

bo

Seit Juni 1983 wird dem Träger von DCF77zusätzlich zur Amplitudenmodulation (AM)noch eine pseudozufällige Phasenumtastungaufmoduliert, die in Kapitel 4.3 gesondert be-schrieben wird. Empfangsseitig lässt sich diebekannte Pseudozufallsfolge als Suchsignal re-produzieren und mit dem empfangenen pseu-dozufälligen Phasenrauschen des Trägerskreuzkorrelieren, wie in Abschnitt 7.3.3 erläu-tert wird. Die Ankunftszeitpunkte der DCF77-Rauschsignale können dadurch störsicherer be-stimmt werden, als dies unter üblichen Emp-fangsbedingungen mit den AM-Zeitmarkenmöglich ist, auch die Genauigkeit der Zeitüber-tragung mit DCF77 für ausgewählte Anwen-dungen wurde damit erhöht. Der Einsatz vonEmpfängern der Signale des Navigationssys-tems GPS (Global Positioning System) erlaubtaufgrund der verwendeten Signalstruktur vomPrinzip her eine um mindestens eine Größen-ordnung geringere Unsicherheit der Zeitüber-tragung als sie mit DCF77-Empfängern zu errei-chen ist. Daher wurde von der Phasenmodula-tion weniger Gebrauch gemacht, als dies beiihrer Einführung erwartet wurde. Allerdingsgibt es wichtige Anwendungen mit hohen Ge-nauigkeits- und Störsicherheitsanforderungen,in denen diese Modulationsart im DCF77-Signalgenutzt wird.

4 Das DCF77 Sendeprogramm heute

4.1 Trägerfrequenz

Die Trägerfrequenz von DCF77 beträgt, wiebereits erwähnt, 77,5 kHz. Sie wird von Atom-uhren der PTB abgeleitet und weicht am Sende-ort im Mittel über einen Tag weniger als relativ2 · 10–12, im Mittel über 100 Tage um weniger alsrelativ 2 · 10–13 von dem durch die primärenAtomuhren der PTB vorgegebenen Sollwert ab.

Die Phasenzeit des Trägers – anders ausge-drückt: der dem Sekundenbeginn nachUTC(PTB) folgende, in der PTB empfangeneNulldurchgang der 77,5 kHz Trägerschwingungmit der Periodendauer 12,9 ms – wird innerhalbeiner Phasenzeitabweichung von (5,5 ± 0,3) msin Übereinstimmung mit UTC(PTB) gehalten.Der Zahlenwert wurde im Verlauf eines Uhren-transports zwischen Braunschweig und Main-flingen festgelegt. Hierzu wird in Braunschweigmit zwei speziellen DCF77-Empfängern diePhasenlage des empfangenen Signals mit denSekundenimpulsen nach UTC(PTB) sowie einervon UTC(PTB) abgeleiteten 77,5 kHz Impulsfol-ge verglichen (Kapitel 5.2). Die beobachtetenPhasen- bzw. Frequenzschwankungen sinddurch die Ausbreitung bedingt größer als ur-sprünglich mit den Atomuhren am Sendeortrealisiert (siehe Kapitel 6.2).

4.2 Amplitudenmodulation (AM) undZeitkode

Die Amplitude der Trägerschwingung wird mitSekundenmarken moduliert: Zu Beginn jederSekunde, mit Ausnahme der letzten Sekunde je-der Minute als Kennung für den folgenden Mi-nutenbeginn, wird die Amplitude für die Dauervon 0,1 s oder 0,2 s phasensynchron mit der Trä-gerschwingung auf etwa 25 % abgesenkt. DieRestamplitude ermöglicht die Gewinnung einerkontinuierlichen Trägerschwingung und soll dieNutzung des DCF77-Trägers als Normalfre-quenzsignal erleichtern. Bild 4 zeigt die abfal-lende Flanke der von DCF77 abgestrahlten Ein-hüllenden der Trägerschwingung zu Beginn ei-ner Sekundenmarke. Die Kurven a und a’ zei-gen den realisierten Zustand: Durch eine Aus-tastlücke von 250 ms im Steuersignal a wird einesteilere Flanke des abgestrahlten Signals a’ er-reicht, als wenn das Steuersignal unmittelbarauf 25 % abgesenkt würde (Steuersignal b’, Ver-lauf der Einhüllenden b). Die Austastung be-wirkt ein schnelleres Ausschwingen des Anten-nenkreises, so dass sich die gleiche Flankensteil-heit ergibt wie bei einem Steuersignal ganzohne Restamplitude. Diese Modulationstechnikist vorteilhaft, um aus der abfallenden Flankejeweils auf den „genauen“ Sekundenbeginn zuschließen. Es wird erwogen, zwecks Verbesse-rung des Signal-zu-Rauschabstands der AM-Se-kundenmarken die Restamplitude auf bis zu15 % abzusenken.

Die fallende Flanke des Steuersignals (a’ inBild 4) wird gelegentlich durch Vergleich mit ei-ner aus Braunschweig zum Sendeort transpor-tierten Atomuhr, die UTC(PTB) mit einer Unsi-cherheit von < 0,01 ms mit sich führt, verglichen.

Bild 4:

Abfallende Flanke der von DCF77 abgestrahlten Trägereinhüllenden zu Beginneiner Sekundenmarke; A/A0: relative Amplitude, a’: Steuersignal mit Austast-lücke, b’: Steuersignal ohne Austastlücke, a :abgestrahlte Flanke zu a’, b: abge-strahlte Flanke zu b’,tS: Laufzeit durch Sender und Antenne, t0: definierter Se-kundenbeginn, tA: Ausschwingzeit

Die angegebenen Unsi-cherheiten entsprechenhier und im ganzen Auf-satz der erweitertenUnsicherheit (k = 2),entsprechend einem95 %-Vertrauensintervall.

Page 8: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

352 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

Am Sendeort selbst wird das gesendete Signal miteiner breitbandigen Antenne empfangen, die re-gistrierte Flanke mit dem Steuersignal verglichenund die Laufzeit durch die Sendeeinrichtungen tS(s. Bild 4) ausgeregelt. Die Unsicherheit, mit dervor Ort der als Sekundenbeginn definierte Beginnder fallenden Flanke aus dem Nahfeld bestimmtwerden kann, liegt bei ca. ± 25 ms (etwa vier Peri-oden der Trägerschwingung). Ein Beispiel fürdie in Braunschweig registrierte Ankunftszeitder AM ist in Bild 11a gezeigt.

Die unterschiedliche Dauer der Sekunden-marken dient zur binären Kodierung von Uhr-zeit und Datum: Sekundenmarken mit einerDauer von 0,1 s entsprechen der binären Nullund solche mit einer Dauer von 0,2 s der binä-ren Eins. Einmal während jeder Minute werdendie Nummern von Minute, Stunde, Tag, Wo-chentag, Monat und Jahr BCD-kodiert übertra-gen (BCD: Binary Coded Decimal, jede Stelle ei-ner Zahl wird separat kodiert). Vom Kalender-jahr werden nur die Einer- und Zehnerstelleübertragen, das Jahr 2004 also als 04. Der ausge-sendete Kode enthält jeweils die Informationfür die folgende Minute. Die zeitliche Abfolgeder Aussendung der einzelnen Inhalte erläutertdas in Bild 5 dargestellte Kodierschema. DiePTB ging bei dessen Festlegung davon aus, dassder Kode mit der zuvor verwendeten Form derAussendung kompatibel und mit den damalsvorhandenen elektronischen Mitteln leicht de-

kodierbar sein sollte. Vor seiner Einführungwurde das Kodierverfahren mit verschiedenenBehörden, wissenschaftlichen Instituten undFirmen diskutiert. Verschiedene Kodierungsvor-schläge, welche Information ausgesendet undwelche Kodierungsart (binär oder BCD) ver-wendet werden sollen, wurden zur Diskussiongestellt. So wurde z. B. der Wunsch der Uhren-industrie berücksichtigt, neben Uhrzeit und Da-tum auch die Nummer des Wochentages auszu-senden. Auch heute sieht sich die PTB in derPflicht, Änderungen am Kodierschema nur mitgrößter Vorsicht vorzunehmen und die Interes-sen der Nutzer und Funkuhrenhersteller zuachten.

Es folgen Details zu den übertragenen Infor-mationen.

Nach dem Ende der Ausstrahlung desDUT1-Kodes wurden viele Jahre lang mit denSekundenmarken Nr. 1 bis 14 Betriebsinformati-onen über die DCF77-Steuereinrichtung über-tragen. Verlängerte Sekundenmarken in diesemBereich bedeuteten zwar im Allgemeinen eineStörung in den Steuer- oder Sendeeinrichtun-gen, nicht jedoch dass die ausgestrahlte Zeitin-formation fehlerhaft war. Nur außerordentlichselten wurden derartige Störungsmeldungenübertragen, so dass einige Entwickler vonDCF77-Dekodierungssoftware fahrlässig davonausgingen, dass in diesen Bits niemals Informa-tion übertragen würde. Seit Mitte 2003 sind dieBits 1 bis 14 für andere Zwecke freigegeben (sie-he Kapitel 10). Das Bit 15 wird nun als „Rufbit“verwendet, um Unregelmäßigkeiten in denSteuereinrichtungen zu signalisieren und diefür DCF77 verantwortlichen Mitarbeiter derPTB in Braunschweig zu alarmieren.

In der Vergangenheit ließ sich am Zustanddieses früher Antennenbit genannten Bits R(Nr. 15) erkennen, ob die Aussendung über dieBetriebsantenne (Zustand Null) oder die Reser-veantenne (Zustand Eins) erfolgt. Der Zweckdes Antennenbits war es, auf Phasenzeitsprün-ge (bis zu ± 4 ms) des DCF77-Trägers hinzuwei-sen, die beim Wechsel zwischen den mehr alseinen Kilometer voneinander entfernten Sende-antennen auftraten und zu einer Störung nach-gesteuerter Normalfrequenzgeneratoren führenkonnten. Die Aussendung derartiger Informa-tion wird nicht mehr als notwendig angesehen,seit die Reserveantenne und die Betriebsanten-ne benachbart auf dem gleichen Feld der Sende-funkstelle stehen (siehe Kapitel 5.1), die beimUmschalten auftretenden Phasenänderungendaher kaum größer sind als die normalenSchwankungen der empfangenen Trägerphaseund so auch nicht mehr sehr störend sind.

Die Zonenzeitbits Z1 und Z2 (Sekundenmar-ken Nr. 17 und 18) zeigen an, auf welches Zeit-system sich die ab der Sekundenmarke 20 über-

Bild 5:

Schema der Kodierung der mit DCF77 übertragenen Zeitinformation; M: Minuten-marke (0,1 s), R: Rufbit, A1: Ankündigungsbit eines bevorstehenden Wechsels vonMEZ auf MESZ oder umgekehrt, Z1 (Z2): Zonenzeitbits, A2: Ankündigung einerSchaltsekunde, S: Startbit der kodierten Zeitinformation (0,2 s), P1, P2, P3: Prüf-bits. Details sind im Text erklärt.

Page 9: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 353

tragene Zeitinformation bezieht. Bei der Aus-sendung von MEZ hat Z1 den Zustand Nullund Z2 den Zustand Eins. Bei der Aussendungvon MESZ ist es umgekehrt.

Das Ankündigungsbit A1 (Nr. 16) weist aufeinen bevorstehenden Wechsel des Zeitsystemshin. Vor dem Übergang von MEZ nach MESZoder zurück wird A1 jeweils eine Stunde langim Zustand Eins ausgesendet: vor dem Über-gang von MEZ nach MESZ (MESZ nach MEZ)von 01:00:16 Uhr MEZ (02:00:16 Uhr MESZ) bis01:59:16 Uhr MEZ (02:59:16 Uhr MESZ).

Mit dem Ankündigungsbit A2 (Nr. 19) wirdauf das bevorstehende Einfügen einer Schalt-sekunde aufmerksam gemacht. A2 wird ebenfallseine Stunde lang vor dem Einfügen einer Schalt-sekunde im Zustand Eins ausgestrahlt. Vor demEinfügen einer Schaltsekunde am 1. Januar(1. Juli) wird A2 daher sechzig Mal von 00:00:19Uhr MEZ (01:00:19 Uhr MESZ) bis 00:59:19 UhrMEZ (01:59:19 Uhr MESZ) im Zustand Eins aus-gesendet.

Die Ankündigungsbits A1 und A2 dienendazu, Prozessoren in Funkuhren, die von derGesetzmäßigkeit der Zeitzählung zum Zweckder Fehlererkennung Gebrauch machen, überdie zu erwartende Unregelmäßigkeit in derZeitzählung zu informieren. Ohne die Auswer-tung von A1 oder A2 könnte die Unregelmäßig-keit als fehlerhafter Empfang interpretiert wer-den, mit der Folge, dass die geänderte Zeitzäh-lung nicht zeitnah zur Anzeige gebracht wird.

Die Kodierung des Wochentages erfolgt ge-mäß der Norm ISO 8601 bzw. DIN EN 28601,wonach der Montag der Tag Eins der Woche ist.Die drei Prüfbits P1, P2 und P3 ergänzen jeweilsdie vorhergehenden Informationswörter (7 Bitsfür die Minute, 6 Bits für die Stunde und 22 Bitsfür das Datum einschließlich der Nummer desWochentages) auf eine gerade Zahl von Einsen.

Bild 6 zeigt Beispiele des in Braunschweigempfangenen Signals, oben die Übertragungvon Monat und Jahr, unten ein Minutenwechsel,aufgezeichnet im Juli 2003. Hier sind für die Ko-dierung des Monats Juli (07) die BCD-Bits derEiner-Stelle 1, 2 und 4 mit binären Einsen, dasBCD-Bit 8 sowie die der Zehner-Stelle mit binä-ren Nullen belegt.

Das Einfügen einer Schaltsekunde geschiehtbei den AM-Sekundenmarken in folgender Wei-se. Die der Marke 01:00:00 Uhr MEZ bzw.02:00:00 Uhr MESZ vorhergehende 59. Sekun-denmarke wird anders als sonst mit einer Dauervon 0,1 s ausgesendet. Danach wird die einge-fügte 60. Sekundenmarke ohne Trägerabsen-kung ausgestrahlt. Die Wahrscheinlichkeit dafür,Schaltsekunden auslassen zu müssen, ist sehrgering [4] (siehe auch Bild 1), die technischenEinrichtungen am Sender lassen es jedoch zu.

4.3 Phasenmodulation

Zur Modulation mit einem Phasen-„Rauschen“(PM) wird die Trägerphase entsprechend einesPRN-Kodes (Pseudo-Random Noise Kode) miteinem Phasenhub Dj von ± 13∞ um ihren Mittel-wert jm umgetastet [16]. Als PRN-Kode wirdeine binäre Zufallsfolge p(t) maximaler Zyklus-länge mit N Zeichen (N = 29 = 512) verwendet,so dass die Phasenzustände jm + Dj und jm – Djgleich häufig (je 256 mal) auftreten. Dadurchbleibt der Mittelwert der Trägerphase unverän-dert, und die Verwendung der Trägerfrequenzals Normalfrequenz wird durch das Phasenrau-schen nicht nennenswert beeinträchtigt. Bild 7zeigt den Verlauf der Amplituden und der

Bild 6:

Beispiele für Registrie-rungen der DCF77-Trä-gereinhüllenden;oben: Sekundenmarken45 bis 54, entsprechendKalendermonat 7 (Juli),Kalenderjahr 03 (2003);unten: Sekundenmarken54 bis 03 (Minutenwech-sel)

Bild 7:

Amplituden- und Phasenverlauf des DCF77-Signals während einer Sekunde;A/A0: relative Amplitude (AM), jm mittlerer Phasenwert, Dj Phasenhub der PM

Page 10: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

354 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

Phase der DCF77-Trägerschwingung währendeiner Sekunde. Der Träger, die AM-Sekunden-marken und die Phasenumtastung sind zuein-ander phasensynchron. Die Erzeugung von p(t)erfolgt mit dem in Bild 8 gezeigten Schiebere-gister, dessen Ausgänge 5 und 9 über ein Exklu-siv-Oder-Gatter auf den Schieberegistereingangrückgekoppelt sind. Jeweils 0,2 s nach Sekun-denbeginn wird das Schieberegister aus demZustand Null neu gestartet und nach Ablaufeines vollständigen Zyklus, etwa 7 ms vor dernächsten Sekundenmarke, wieder angehalten.Die Taktfrequenz fT des Schieberegisters beträgt645,83 Hz und ist eine Subharmonische(77 500/120) der Trägerfrequenz 77,5 kHz.omit beträgt die Dauer TT eines Zeichens 1,55 msund die Dauer eines vollständigen Rausch-zyklus 793 ms.

Im PRN-modulierten Signal dienen zehn in-vertierte Pseudozufallsfolgen in den Sekunden0 bis 9 als Minutenkennung. Andere Informatio-nen werden in den Bits 1 bis 14 nicht übertra-gen. Generell erfolgt die Übertragung von Bi-närdaten mit der PRN durch Invertieren derPseudozufallsfolge p(t) (siehe Bild 8). Mit jedemRauschzyklus wird ein Bit übertragen, wobeinicht invertierte Pseudozufallsfolgen p(t) der bi-nären Null und invertierte Pseudozufallsfolgenp(t) der binären Eins entsprechen. Wenn eineSchaltsekunde eingeführt wird, erscheinen beider PRN die 10 invertierten Rauschfolgen p(t)zur Minutenmarkenidentifizierung um 1 s spä-ter. Ab der 15. Sekundenmarke ist die durch PMund AM übertragene Binärinformation iden-tisch, so wie sie zuvor dargestellt wurde.

Bild 8:

Erzeugung der Pseudozufallsfolge p(t) mit einem neunstufigen rückgekoppeltenSchieberegister SR. FF: Flip-Flop für Anlauf des SR aus dem Zustand Null, DA:Exklusiv-Oder-Verknüpfung der kodierten Zeitinformation mit p(t) zur Umsetzungder binären Zustände „0“ und „1“ in entsprechende Phasenzustände des Modulati-onssignals p(t) bzw. p(t) für die Phasenumtastung.

Bild 9:

Blockschaltbild der Steuer- und Sendeeinrichtungendes Senders DCF77; EU: Elektronischer Umschalter,EIRP: Equivalent Isotropic Radiated Power

5 Betriebstechnik: Steuer- und Sendeein-richtungen des DCF77

5.1 Einrichtungen am Sendeort

Das Steuersignal wird nicht – wie oft angenom-men – von Braunschweig aus über Leitungenzur Sendefunkstelle Mainflingen übertragen,sondern mit einer von der PTB konzipiertenSteuereinrichtung am Sendeort erzeugt. DieSteuereinrichtung ist in einem eigens für diePTB bereitgestellten Raum der Sendefunkstelleuntergebracht und wird von Braunschweig ausüberwacht. Aus Gründen der Betriebssicherheitwird das Steuersignal in drei voneinander un-abhängigen Steuerkanälen erzeugt. Das Träger-signal (77,5 kHz) und die aufmodulierten Se-kundenmarken werden derzeit in allen drei Ka-nälen von je einer Caesium-Atomuhr abgeleitet,eine Rubidium-Atomuhr steht zusätzlich zurVerfügung. Jeder Steuerkanal verfügt über eineeigene batteriegestützte Stromversorgung. Bild 9zeigt das Blockschaltbild der DCF77-Steuerein-richtung.

Zur Vermeidung von falschen Aussendun-gen werden die erzeugten Steuersignale in zweielektronischen Umschaltern miteinander vergli-chen. Ergibt sich bei diesem Vergleich, dass dieSignale des den Sender steuernden Kanals imWiderspruch zu denen der beiden Reservekanä-le stehen, wird automatisch auf einen der bei-den Reservekanäle umgeschaltet. Nach Ausfall

Cs-Atomuhr

Steuer-kanal

1

Cs-Atomuhr

Steuer-kanal

2

Cs-Atomuhr

Steuer-kanal

3

ElektronischeUmschalter

Übergabe PTB - T-Systems

50kW-Halbleiter-Betriebssender

50kW-Röhren-Ersatzsender

BetriebsantenneEIRP = 30kW

ErsatzantenneEIRP = 30kW

EU EU

Page 11: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 355

eines Kanals liefert jeder elektronische Umschal-ter nur noch so lange ein Ausgangssignal, wieder steuernde Kanal und der verbleibende Re-servekanal in Übereinstimmung sind. Bei Wi-dersprüchen zwischen allen drei Kanälen wirddas Steuersignal automatisch unterbrochen. Au-ßerdem schalten die beiden elektronischen Um-schalter ihre Ausgangssignale gegenseitig ab,wenn zwischen diesen Widersprüche auftreten.

Nach der Übergabe des mit den Einrichtun-gen der PTB erzeugten DCF77-Steuersignals andie T-Systems beginnt deren Zuständigkeit fürdie weitere Aussendung über die von ihr betrie-bene Sende- und Antennenanlage. Seit Januar1998 steht als Betriebssender ein moderner, luft-gekühlter 50-kW-Halbleitersender zur Verfügung.Sein Endverstärker ist mit 48 Verstärkermodu-len gleicher Bauart von etwas mehr als 1 kW-Ausgangsleistung bestückt und die einzelnenAusgangsspannungen der 48 Verstärkermodulewerden addiert. Der bisher verwendete 50-kW-Röhrensender steht auch weiterhin als Ersatz-sender bereit. Er ist mit einer Ersatzantenne ver-bunden, auf die im Störfall oder falls Wartungs-arbeiten an Betriebssender oder -antenne not-wendig werden, umgeschaltet werden kann.

Beide Sendeantennen sind vertikale Rund-strahlungsantennen mit Dachkapazität. Die Er-satzantenne ist 200 m hoch. Die Betriebsantennehat nur eine Höhe von 150 m, verfügt zum Aus-gleich aber über eine größere Dachkapazität.Vor einigen Jahren gemessene Strahlungscha-rakteristiken der Sendeantennen haben ergeben,dass die Abweichungen von der Charakteristikeines idealen Rundstrahlers in keiner Richtunggrößer sind als 2 dB. Beide Sendeantennen strah-len etwa die gleiche Leistung ab und befinden sichbenachbart auf dem gleichen Antennenfeld derSendefunkstelle. Es wird geschätzt, dass die ab-gestrahlte Leistung EIRP (Equivalent IsotropicRadiated Power) bei etwa 30 bis 35 kW liegt.

5.2 Einrichtungen in Braunschweig

Die empfangene Trägerphasenzeit und die Stän-de der Sekundenmarken (AM und PM) werdenmit den durch die primären Uhren der PTB vor-gegebenen Sollwerten verglichen. In Bild 10sind als Beispiele die kontinuierliche Aufzeich-nung von Signalamplitude und Trägerphase anje einem Tag im Sommer und Winter 2003 dar-gestellt. Die ausgeprägten Schwankungen derPhase des empfangenen DCF77 Signals in denNachtstunden werden im folgenden Kapitel dis-kutiert. An dem ausgewählten Wintertag gab esfast gar keinen Zeitabschnitt mit einem ruhigenPhasenverlauf. Im Sommer dagegen sind dieTag-Nacht Unterschiede sehr deutlich. Als wei-tere Beispiele sind die Zeitdifferenzen zwischender lokalen Referenzzeitskala UTC(PTB) undder Ankunftszeit TA(DCF77) der AM-Sekunden-

Bild 10:

In der PTB Braunschweig registrierter Verlauf von Amplitude und Phase desempfangenen DCF77-Signals an den Tagen 2003-09-21 (oben) und 2003-12-31(unten); Amplitude: durch lineare Gleichrichtung mit einer Zeitkonstanten vonca. 600 s bestimmte Amplitude der Trägereinhüllenden, lineare Skala, unkalibriert,Nullpunkt jeweils am oberen Bildrand, Phase: Die volle Darstellungsweite ent-spricht 10 ms, d. h. 0,1 ms pro kleinem Teilstrich, Sollwert bei 55 Teilstrichen

marken (Bild 11a) und der empfangenen Pha-senzeit TP(DCF77) des Trägers (Bild 11b) darge-stellt. Die weitgehend konstanten Laufzeitantei-le aus der Übertragungsstrecke (Laufzeit derBodenwelle 0,91 ms über die Strecke 273 kmvom Sendeort nach Braunschweig) sowie imEmpfänger (Laufzeit ca. 1 ms wegen des

Page 12: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

356 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

schmalbandigen Filters) sind mit dem Laufzeit-Konstanten KA und KP berücksichtigt. Da KAund KP durch die erwähnten Vergleiche mit ei-ner transportablen Atomuhr ermittelt wurden,werden die entsprechend den Bildern 11a und11b in der PTB kontinuierlich durchgeführtenZeitdifferenzmessungen dazu genutzt, denStand der vom Sender abgestrahlten Sekunden-marken sowie die Phasenzeit des ausgesendetenTrägers zu kontrollieren und ggf. nachzuregeln.Falls sich Abweichungen ergeben, die signifi-kant größer als die typischen Schwankungensind, werden über eine Fernwirkanlage von

Braunschweig aus die notwendigen Korrektu-ren vorgenommen. Hierzu ist es möglich, in je-dem der Steuerkanäle die Phase des erzeugtenDCF77-Trägers und der phasenkohärent aufmo-dulierten Zeitinformation in Schritten von ± 0,1ms zu schieben. Mit Hilfe der Fernwirkanlagekönnen des weiteren Betriebsdaten von derSteuereinrichtung abgefragt werden, und es istmöglich, verschiedene Fehlerquellen zu identifi-zieren und so Störungsursachen in den Steuer-einrichtungen aufzuspüren.

Nicht zuletzt wird in Braunschweig auch dieÜbereinstimmung zwischen dem empfangenenZeitkode und einem in unabhängigen Gerätenerzeugten nominell identischen Zeitkode vergli-chen und dokumentiert. Dabei ist es ganz nor-mal, dass einzelne empfangene Zeitzeichen ge-stört sind und daher als „nicht korrekt“ ( z. B.0 statt 1) erkannt werden. Eine Fehleralarmie-rung erfolgt dann, wenn in mehreren aufeinan-derfolgenden Minuten identische logische Feh-ler erkannt würden. Dies ist bislang niemals derFall gewesen. Eine Fehleralarmierung erfolgtauch, wenn das empfangene Signal dauerhaftzu klein ist, oder die Phase der empfangenenTrägerschwingung vom Sollwert um mehr alseinen festgelegten Betrag abweicht. Über diezeitliche Verfügbarkeit und die Eigenschaftender empfangenen Signale wird in den folgendenKapiteln berichtet.

6 Frequenzspektrum und Ausbreitungdes DCF77-Signals

6.1 Gemessene Frequenzspektren

Die Bilder 12 und 13 zeigen die am Sendeort ge-messene spektrale Verteilung folgender Signale:a) des mit einem Phasenhub von Dj = ± 13∞ um-getasteten Signals und b) des unmoduliertenTrägersignals. Die Aufzeichnungen von Steuer-signal und abgestrahltem Signal mit größererBandbreite (Bild 13) zeigen, dass das abgestrahl-te Signal auf Grund der Bandbreite des Anten-nenkreises bei Frequenzen im Abstand von eini-gen hundert Hertz vom Träger bereits erheblichbedämpft wird und dass die Übertragungsfunk-tion nicht völlig symmetrisch ist. Die Einhüllen-de des Frequenzspektrums des Steuersignalsfolgt aus der aufmodulierten Pseudozufallsfol-ge, wie in [16] gezeigt wurde. Obwohl die Ne-benzipfel von den Sendeeinrichtungen nichtmehr ganz symmetrisch und nur teilweise über-tragen werden, wird nach unserer Kenntnis dieFunktion von PRN-Empfängern dadurch nichtnennenswert beeinträchtigt. Im weitgehendsymmetrisch übertragenen Hauptzipfel istohnehin mehr als 90 % der PRN-Informationenthalten.

Bild 11:

In Braunschweig registrierte Zeitdifferenzen UTC(PTB) – T(DCF77) + K, eine Mes-sung pro Stunde;

a): Zeitdifferenz zwischen UTC(PTB) und der Ankunftszeit TA(DCF77) der empfan-genen Sekundenmarken, KA: Laufzeitkonstante; Detektion von TA(PTB) aus derabfallenden Flanke (Triggerpunkt 60 %) der mit einer Bandbreite von 440 Hz emp-fangenen AM-Sekundenmarken; Glättung von TA(PTB) mit einem Schrittregler, in-dem nach jeweils 4 Sekunden eine lokal erzeugte 1 PPS-Folge den empfangenenSignalen in Schritten von 1 ms nachgeführt wird.

b) Differenz zwischen UTC(PTB) und der Phasenzeit TP(DCF77) des empfange-nen Trägers. TP wird hierbei bestimmt durch Phasenzeitvergleich des empfange-nen Trägers mit einer von UTC(PTB) abgeleiteten 77,5 kHz Impulsfolge; KP: Lauf-zeitkonstante.

Page 13: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 357

6.2 Ausbreitung des DCF77 Signals

Das von der Sendeantenne abgestrahlte DCF77-Signal erreicht den Empfangsort auf zwei We-gen: Zum einen breitet es sich als Bodenwelleentlang der Erdoberfläche aus, und zum ande-ren gelangt es als Raumwelle nach Reflexion ander ionosphärischen D-Schicht zum Empfangs-ort. Zur Beschreibung der Raumwellenausbrei-tung sind zwei Modelle entwickelt worden: dasReflexions- und das Wellenleitermodell [17]. Beidem Reflexionsmodell („wave hop“ method)geht man von einer Spiegelung der Langwellean der Unterkante der D-Schicht aus, derenHöhe am Tag mit 70 km und in der Nacht mit90 km angenommen wird. Nach dem Wellenlei-termodell („waveguide mode“ method) erfolgtdagegen die Raumwellenausbreitung - analogzur Wellenfortpflanzung von Mikrowellen zwi-schen zwei Grenzflächen - längs eines Wellen-leiters. Dabei werden die Erdoberfläche und dieD-Schicht als zwei parallele, leitende Flächenbetrachtet, zwischen denen sich eine Reihe vonWellentypen (Moden) ausbreiten.

Für die Frequenz 77,5 kHz sowie für Entfer-nungen d < 2000 km hat sich das Reflexionsmo-dell als das zweckmäßigere erwiesen. Bild 14veranschaulicht die Ausbreitung von Boden-und Raumwelle nach dem Reflexionsmodell,und Bild 15 verdeutlicht, welche Laufzeitunter-schiede die verschieden langen Ausbreitungs-wege nach diesem Modell zur Folge haben. Beigeradliniger Ausbreitung und einer Reflexion(one hop) ergibt sich die maximale Reichweiteder DCF77-Raumwelle, wenn sie den Sendeorttangential (y = 0 ) zur Erdoberfläche verlässtund am Empfangsort auch wieder tangentialeinfällt. Unter diesen Annahmen beträgt dieReichweite am Tag etwa 1900 km und etwa2100 km in der Nacht. Zu weiter entferntenEmpfangsorten gelangt das DCF77-Signal nurnach mehrfachen Reflexionen (z. B. zwei Refle-xionen an der D-Schicht, eine Reflexion an derErdoberfläche), die aber mit einer starken Ab-nahme der Feldstärke verbunden sind.

Über unendlich gut leitendem Boden lässtsich die Feldstärke der Bodenwelle EBW desFernfeldes (d. h. d >> 0) in Abhängigkeit vonder Entfernung d vom Sender und der abge-strahlten Leistung P über die Beziehung

E PBW mV/m kW d/km/( ) ( / ) /( )= 300 (1)

berechnen [18]. Die nach dieser Formel ermittel-ten Feldstärkewerte müssen mit einem Dämp-fungsfaktor multipliziert werden, der die endli-che Bodenleitfähigkeit berücksichtigt. Es lässtsich für verschiedene Werte der Bodenleitfähig-keit die Abnahme der Bodenwellen-Feldstärkemit dem zunehmendem Abstand d ableiten, diefür die Frequenz 75 kHz in Bild 16 dargestellt

Bild 12:

Mit einer Bandbreite von10 Hz am Sendeort ge-messene spektrale Amp-litudenverteilung des inder Phase mit einemHub von Dj = 13∞ umge-tasteten und von der Be-triebsantenne abge-strahlten Signals (a), unddes unmodulierten, vonder Betriebsantenne ab-gestrahlten Trägers (b).

Bild 14:

Schematische Darstel-lung der Ausbreitung vonBodenwelle (BW) undRaumwelle (RW) zwi-schen Sender S undEmpfänger E; h: Höheder ionosphärischenD-Schicht, y: Elevations-winkel, i: Einfallswinkelauf die D-Schicht

Bild 13:

Mit der Bandbreite100 Hz aufgezeichneteSpektren;oben: Steuersignal,unten: am Sendeortempfangenes Signal,weitere Erläuterungensiehe Bild 12

Bild 15:

Laufzeitunterschiede tzwischen Boden- undRaumwelle für zwei ver-schiedene Höhen h derionosphärischen D-Schicht als Funktion derEntfernung d vom Sen-der [19]

Page 14: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

358 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

ist. Für die DCF77-Frequenz gelten praktischdie gleichen Beziehungen.

Wesentlich schwieriger als die Abschätzungder Feldstärke der Bodenwelle ist die Ermitt-lung eines Erwartungswertes für die Feldstärkeder Raumwelle. Unter der Annahme unendlichgut leitenden Bodens am Sendeort wird in Ab-hängigkeit vom Elevationswinkel Y eine Raum-welle mit der Feldstärke ERW zur Ionosphäre ab-gestrahlt,

ERW = E BW · cosY. (2)Welcher Bruchteil R (Reflexionskoeffizient) vondieser zur Ionosphäre abgestrahlten Welle zumEmpfangsort reflektiert wird, hängt von mehre-ren Einflüssen ab:- von der Tages- und Jahreszeit,- von der Sonnenaktivität sowie- vom Einfallswinkel i der Raumwelle auf

die D-Schicht (siehe Bild 14).Eine einfache Beziehung für die Abhängigkeitvon R von diesen Einflüssen lässt sich nicht an-geben. In [19] sind Diagramme und Rechenbei-spiele angegeben, aus denen sich die zu erwar-tenden Werte für die Raumwellen-Feldstärke er-mitteln lassen. Hieraus und aus (1) und (2) wur-den die für das DCF77-Signal zu erwartendenFeldstärkewerte ermittelt und die Ergebnisse inBild 17 dargestellt. Sie basieren auf der Annah-me einer abgestrahlten Leistung von 30 kW.Die Raumwellenfeldstärke ist in Abhängigkeitvon den Tages- und Jahreszeiten angegeben. Siegilt im Falle eines Sonnenfleckenminimums. Beieinem Sonnenfleckenmaximum kann die Raum-wellenfeldstärke bei Entfernungen bis etwa800 km vom Sender größer sein, und zwarbesonders tagsüber im Winter um etwa 5 bis10 dB und nachts um etwa 3 dB. Der PTB liegenMessergebnisse über tatsächlich in verschiedenenEntfernungen gemessene Feldstärkewerte vor, diemit den abgeschätzten Werten übereinstimmen.

Zusammengefasst ergeben sich für die Bo-den- und Raumwelle folgende Eigenschaften:1. Die sehr stabile Bodenwelle hat eine große

Reichweite. Bis zu Entfernungen von eini-gen hundert Kilometern ist ihre Empfangs-feldstärke deutlich größer als die der Raum-welle. Unter 500 km Entfernung vom Senderkann man mit Feldstärken der Bodenwelleüber 1 mV/m rechnen.

2. Im Entfernungsbereich zwischen etwa600 km bis 1100 km können Boden- undRaumwelle gelegentlich gleich groß sein,was bei Gegenphase zur gegenseitigen Aus-löschung (Fading) führen kann. Andererseitsist bei gleicher Phase aber auch ein vorüber-gehender starker Feldstärkeanstieg möglich.Beide Phänomene werden auch schon inBraunschweig (d = 273 km) beobachtet, sieheBild 10, und werden in Kapitel 7.3 weiterdiskutiert. In diesem Zusammenhang ist eswichtig zu wissen, dass diese „Schwebung“zwischen Boden- und Raumwelle langsamabläuft (eine Viertelstunde und länger) undsomit für eine Funkuhr genügend Zeit zurAufnahme der DCF77-Zeitinformation zurVerfügung steht.

3. In Entfernungen über 1100 km tritt der Bo-denwellenanteil immer mehr zurück, und esüberwiegt dann die Raumwelle, deren Aus-breitung in großen Entfernungen besonders

Bild 16:

Abhängigkeit der Feldstärke E der Bodenwelle vom Abstand d vom Sender und derBodenleitfähigkeit s (Kurven 1–5), kombiniert aus den Bildern 1–11 in [18] und wiedort angegeben bezeichnet.Unter der Annahme einer abgestrahlten Leistung von 1 kW beträgt die Feldstärke30 mV/m bei d = 10 km, entsprechend E(dB(mV/m)) = 20 · log10{3 · 104} = 89,5;1: s = 10–4 S/m (sehr trockener Boden), 2: s = 3 · 10–4 S/m (trockener Boden),3: s = 10–3 S/m (mitteltrockener Boden), 4: s = 3 · 10–3 S/m (Land),5: s = 5 S/m (Seewasser mittleren Salzgehalts). Umgerechnet auf die von DCF77 ab-gestrahlte Leistung von etwa 30 kW würden die Kurven um ca. 15 dB höher liegen.

Bild 17:

Feldstärken der DCF77 Boden- und Raumwelle als Funktion der Entfernung d vomSendeort, berechnet nach [18, 19] unter der Annahme einer abgestrahlten Leistungvon 30 kW. Für die Bodenleitfähigkeit wurden 3 · 10–3 S/m angenommen,es wirdzwischen Ausbreitung im Sommer (offene Symbole) und Winter (volle Symbole)unterschieden.

Page 15: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 359

am Tage recht konstant ist. Zwischen 1100 kmund 2000 km Entfernung sind Feldstärkender Raumwelle zwischen einigen hundertund etwa 100 mV/m zu erwarten.

7 Empfang des DCF77 Signals

7.1 Rechtliche Aspekte

Entsprechend der im Amtsblatt 20/95 des Bun-desministeriums für Post und Telekommunika-tion veröffentlichten Verfügung 207/1995 sindNormalfrequenzempfänger und Funkuhren(Empfangsfunkanlagen für den Empfang vonNormalfrequenz- und Zeitzeichensendungen)von der Zulassungspflicht befreit. Vorausset-zung für das Inverkehrbringen von Normalfre-quenzempfängern und Funkuhren ist aber, dasssie die Vorschriften des Gesetzes über die elek-tromagnetische Verträglichkeit (EMVG) einhal-ten und entsprechend gekennzeichnet werden.Die Anforderungen des EMVG gelten als erfüllt,wenn die Empfänger den harmonisierten euro-päischen Normen entsprechen, den EMV-Fach-grundnormen EN 61000-6-1 (Störfestigkeit) undEN 61000-6-3 (Störaussendung) für Wohn-, Ge-schäfts- und Gewerbebereich.

7.2 Zeitliche Verfügbarkeit der Aussendung

DCF77 sendet im 24-h-Dauerbetrieb. Mit der T-Systems wurde eine zeitliche Verfügbarkeit derDCF77-Aussendung von jährlich 99,7 % ver-traglich vereinbart. Da ein Ersatzsender undeine Reserveantenne verfügbar sind, gibt es re-gelmäßige Abschaltungen für Wartungsarbeitenschon seit 1977 nicht mehr. Mit kurzen Unter-brechungen bis zu wenigen Minuten muss da-gegen gerechnet werden, wenn bei unerwartetenStörungen oder fälligen Wartungsarbeiten auf denErsatzsender und die Reserveantenne umge-schaltet werden muss. Seit Sommer 1997 mussdie DCF77-Aussendung selbst bei Gewittern amSendeort nicht mehr für längere Zeit unterbro-chen werden. Die Antennenzuführungen wur-den in den Antennenhäusern mit Kugelfunken-strecken und UV-Sensoren ausgerüstet. Kommtes nach einem Blitzeinschlag an einer Kugelfun-kenstrecke zu einem Durchbruch mit Entste-hung eines Lichtbogens, wird dieser vom UV-Sensor erkannt und einer Überwachungselek-tronik gemeldet. Da wegen der hohen Span-nung des vom Sender gelieferten Signals derLichtbogen nicht wieder von allein erlöschen wür-de, unterbricht die Überwachungselektronik auto-matisch für kurze Zeit das Senderausgangssignal,womit der normale Zustand wieder hergestelltwird. Bei Gewittern am Sendeort muss daher mitkurzzeitigen Unterbrechungen der DCF77-Aus-sendung gerechnet werden, so dass der Emp-fang einiger aufeinanderfolgender Sekunden-marken gestört sein kann.

In den Jahren 2002 und 2003 wurden Abschal-tungen mit einer Dauer von länger als zwei Minu-ten gemäß der in Bild 18 dargestellten Vertei-lung beobachtet. Die zeitliche Verfügbarkeit imJahr 2003 war ungewöhnlich hoch: 99,98 %.Nicht gezählt sind allerdings die Abschaltungenvon weniger als zwei Minuten Dauer. Die häu-figste Ursache für die länger andauernden Un-terbrechungen waren die elektrische Verstim-mung des Antennenresonanzkreises durch Aus-lenkung der Antenne in starkem Sturm und beiEisregen. Bei zu großer Fehlanpassung wird dieAussendung unterbrochen. Die Sendefunkstelleist seit Juli 1999 außerhalb der regulären Ar-beitszeit nicht mehr besetzt. Der Sender wirddann von Frankfurt aus fernüberwacht. Auchim Fachlabor Zeit- und Frequenzübertragungder PTB ist außerhalb der regulären Dienstzeitniemand anwesend. Bei größeren Störungen anden Steuer- und Sendeeinrichtungen, z. B. wenndie automatischen Überwachungseinrichtungendas Steuersignal oder den Sender abschalten,kann es außerhalb der Dienstzeit daher längereZeit dauern, bevor Mitarbeiter der T-Systemsoder der PTB erreicht werden und Maßnahmenzur Störungsbeseitigung einleiten können. Funk-uhren, bei denen es auf hohe Sicherheit ankommt,sollten also nach wie vor mit einer Gangreserveüber mehrere Stunden in Form eines hochwerti-gen Quarzoszillators ausgestattet werden.

7.3 Eigenschaften der empfangenen Signale

Beim Empfang von DCF77 in größeren Entfer-nungen vom Sender ist zu beachten, dass sichdas Gesamtsignal aus Boden- und Raumwellen-anteil zusammensetzt. Wie das Zeigerdiagrammin Bild 19 veranschaulicht, hängt es dabei vomVerhältnis der Amplituden von Boden- undRaumwelle und dem Phasenwinkel zwischenden beiden Feldkomponenten ab, welche Pha-senwinkelverschiebung das resultierende Ge-samtsignal, bezogen auf die Phase der Boden-welle, erfährt und welche Gesamtamplitudesich einstellt. Werden am Empfangsort Amplitu-

Bild 18:

Häufigkeitsverteilung derUnterbrechungen vonDCF77-Aussendung be-stimmter Dauer in denJahren 2002 und 2003.

Page 16: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

360 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

den- und Phasenschwankungen des Trägers so-wie (periodisch)-zeitliche Verschiebungen derZeitsignale beobachtet, wie sie z. B. in Bild 10gezeigt sind, so haben diese ihre Ursache indem schwankenden Einfluß der Raumwelle alsFolge von Änderungen des Reflexionskoeffizi-enten sowie in Laufzeitänderungen der Raum-welle, wenn sich in der Dämmerung die Höheder D-Schicht von 70 auf 90 km bzw. umgekehrtändert. Welche Unsicherheiten beim Empfangder DCF77-Normalfrequenz und -Zeitsignaleerreichbar sind, hängt daher wesentlich von derEntfernung des Empfangsortes vom Sender so-wie von der Tages- und Jahreszeit ab.

gab eine relative Frequenzabweichung zwischender DCF77 Trägerfrequenz und UTC(PTB) von< 1 · 10–14. Die relative Standardabweichung derTagesmittelwerte beträgt 1,5 · 10–12 für das Messin-terval 12 UTC – 12 UTC. Bestimmt man die Insta-bilität der registrierten Trägerfrequenz als Funk-tion der Uhrzeit der Messung, so ergibt sich diein Bild 20 dargestellte Abhängigkeit. Als Funkti-on der Tageszeit der Messung und der ausge-wählten Mittelungszeit ergaben sich die gezeig-ten Schwankungen s der Einzelmessungen, be-zogen auf den durch UTC(PTB) vorgegebenenSollwert. Bei kurzen Mittelungszeiten könnendanach am Tage geringere Unsicherheiten er-reicht werden als in der Nacht. Andererseitsmitteln sich die durch Raumwelleneinfluss ver-ursachten Frequenzschwankungen weitgehendheraus, wenn mit genügend langen Mittelungs-zeiten gemessen wird. Die Situation ist im Som-mer typischerweise günstiger als im Winter.

Die für Braunschweig ermittelten Frequenz-schwankungen können als Anhaltswerte für alleEmpfangsorte dienen, an denen die Bodenwellenoch eine überwiegend größere Amplitude alsdie Raumwelle hat. Im Entfernungsbereich, indem Boden- und Raumwelle gleich groß wer-den können, sind dagegen Frequenzvergleichedurch mögliches „Phasengleiten“ („cycle slip-ping“) erschwert. In sehr großen Entfernungen,wenn die Raumwelle die Oberhand gewinnt,liegen wieder konstante Verhältnisse vor. Hiersollten Frequenzvergleiche möglichst nur amTage oder nur in der Nacht, d. h. bei stabilerRaumwellenausbreitung, vorgenommen wer-den, damit die Laufzeitänderungen durch dasWandern der D-Schicht in der Dämmerungnicht als Änderungen der Referenzfrequenz in-terpretiert werden.

Von der Industrie werden DCF77-Normal-frequenzempfänger zum automatischen Nach-regeln von Quarz- und Atomfrequenznormalenangeboten. In solchen Frequenzreglern wird dasAusgangssignal des nachzuregelnden Normalsauf die DCF77-Trägerfrequenz oder eine Sub-harmonische davon umgesetzt, und die Phasen-zeiten des empfangenen DCF77-Signals und desumgesetzten Signals werden miteinander ver-glichen. Aus der zeitlichen Änderung der Pha-sendifferenz zwischen beiden Signalen wird einRegelsignal zur automatischen Nachregelungdes Frequenznormals hergeleitet. Kombiniertman derartige Frequenzregler mit Frequenznor-malen hoher Eigenstabilität, wie thermostati-sierten Quarzoszillatoren oder Atomfrequenz-normalen, können so große Regelzeitkonstantengewählt werden, dass die ausbreitungsbeding-ten Phasenzeitschwankungen weitgehend aus-gemittelt werden. Wie Messungen in verschie-denen Kalibrierlaboratorien bestätigt haben, las-sen sie sich auf diese Weise im langzeitigen Mit-

Bild 19:

Zeigerdiagramm zur Verdeutlichung der vektoriellenÜberlagerung von Boden- und Raumwelle am Emp-fangsort; ABW, ARW, AS: Amplituden der Boden- undRaumwelle und des resultierenden Summensignals,j: Resultierende Phasenwinkelverschiebung desSummensignals gegenüber der Bodenwelle. Im Kreis-diagramm rotieren alle Vektoren mit der Winkelge-schwindigkeit 2pf0, wobei f0 die Trägerfrequenz istund j bei stationären Verhältnissen konstant bleibt.

7.3.1 Empfang der Normalfrequenz

Wird der Träger von DCF77 zur Überwachungoder automatischen Nachsteuerung von Nor-malfrequenzgeneratoren genutzt, werden diedazu erforderlichen Frequenz- bzw. Phasenzeit-vergleiche zwischen dem lokalen Oszillatorsig-nal und dem empfangenen DCF77-Trägersignaldurch die ausbreitungsbedingten sowie diedurch den PRN-Kode verursachten Phasenzeit-schwankungen beeinträchtigt. Welche Phasen-zeit- bzw. Frequenzschwankungen in Braun-schweig, 273 km vom Sendeort entfernt, auftre-ten, wurde in der PTB wiederholt untersucht,ein aktuelles Beispiel datiert vom Herbst 2003.Die Registrierung der Phasenzeit zwischen dem1. September und dem 21. Oktober (50 Tage) er-

Page 17: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 361

tel mit Unsicherheiten von 1 · 10–11 und auchnoch darunter an die PTB-Atomfrequenznorma-le anschließen, ohne dabei die ihnen eigeneKurzzeitstabilität zu verlieren. Rubidium-Atomfrequenznormale in temperaturstabilisier-ten Messräumen werden zweckmäßigerweisemit Zeitkonstanten zwischen mindestens einemund mehreren Tagen geregelt.

7.3.2 Empfang der amplitudenmoduliertenZeitsignale

Der Zeitzeichenempfang wird häufig durch Stö-rungen verschiedener Ursachen erschwert. Alsbesonders störend haben sich z. B. die 5. Ober-welle der Zeilenfrequenz (625 Hz oberhalb derDCF77-Trägerfrequenz) von Fernsehgerätenoder Pulsstörungen von Schaltnetzteilen undelektrischen Maschinen erwiesen. Auch atmos-phärische Störungen, die z. B. durch Entladun-gen bei Gewittern hervorgerufen werden, kön-nen zu einer starken Beeinträchtigung des Zeit-signal-Empfangs führen. Um den Einfluss derverschiedenen Störungen auf die Zeitsignale ge-ring zu halten, werden in vielen Funkuhrensehr schmalbandige Empfangsschaltungen ein-gesetzt. Dadurch gelingt es zwar, die Störanteileim Nutzsignal weitgehend zu reduzieren,andererseits bewirkt aber die Einschränkungdes Übertragungsfrequenzbereiches eine Abfla-chung und Verrundung der Signalflanken. AmSendeort durchgeführte Messungen des Fre-quenzspektrums (siehe Bilder 12 und 13) sowieeine Abschätzung der ÜbertragungsbandbreiteDf aus der Ausschwingzeit tA der in Bild 4 dar-gestellten abfallenden Flanke der Trägereinhül-lenden nach der Beziehung Df = 1/tA haben erge-ben, dass Df in der Größenordnung von 850 Hzliegt. Je mehr von diesem Frequenzbereich emp-fangsseitig abgeschnitten wird, umso mehrnimmt die statistische Unsicherheit zu, die Ab-

weichungen der aufgenommenen DCF77-Signa-le von UTC(PTB) zu bestimmen. Der konstanteLaufzeitanteil (Übertragungsstrecke und Emp-fänger intern) kann, falls erforderlich, mit einemüberlegenen Übertragungsverfahren kalibriertund berücksichtigt werden. Um störsicherenEmpfang zu garantieren, arbeiten viele der aufdem Markt befindlichen Funkuhren mit Band-breiten um 10 Hz und begnügen sich mit Unsi-cherheiten von etwa 0,1 s.

Um geringere Unsicherheiten zu erreichen,muss mit steileren Flanken, d. h. größerer Band-breite, aber auch zugleich größerer Störanfällig-keit gearbeitet werden. Geeignete Demodulati-ons- und Mittelungsverfahren, um Störungenzu begegnen sind z. B. die Synchrondemodula-tion, die Quadraturabtastung [20], Schrittrege-lung mit Einheitsschritten [21] (verwendet z. B.für die in Bild 11a dargestellten Messwerte)oder die trägersynchrone, digitale Zeitsignal-mittelung durch Abtasten der Amplitude derTrägerschwingung im Bereich der Flanke. BeiAnwendung dieser Techniken sind in der Praxisbei Entfernungen, in denen die Bodenwelledeutlich überwiegt, Unsicherheiten von 50 msbis 100 ms erreicht worden. Verschiedene Beiträ-ge in den Tagungsbänden der Funkuhrentagun-gen [11] befassen sich mit dieser Thematik.

7.3.3 Empfang des PRN SignalsHerkömmliche Empfangstechniken für AM-Zeitsignale erlauben nicht die Selektion vonNutz- und Störsignalen, die im gleichen spek-tralen Frequenzbereich auftreten. Dagegen kön-nen mit der Methode der KreuzkorrelationNutz- und Störsignale auch dann voneinandergetrennt werden, wenn diese im gleichen Fre-quenzbereich liegen. Bild 21 zeigt das Schemaeiner Kreuzkorrelations-Anordnung zur Zeit-übertragung. Wesentliche Elemente dieser An-

Bild 20:

Standardabweichung sder relativen Abwei-chung der in Braun-schweig empfangenDCF77-Trägerfequenzvom Sollwert als Funkti-on der Tageszeit und derMittelungszeit T(durchgezogen: T = 1 h,gepunktet: T = 2 h,strichpunktiert: T = 4 h),basierend auf 50 Tagenim Spätsommer 2003(2003-09-01 bis2003-10-21).

Page 18: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

362 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

ordnung sind die Laufzeitkette mit der Verzöge-rung t sowie der Multiplikator mit nachgeschal-tetem Integrator. Mathematisch lässt sich dieMessoperation, die von dieser Kreuzkorrelati-ons-Anordnung ausgeführt wird, durch

RT

x t z t y t dtxyT T

T

( ) lim ( )t t t= - + ◊ -Æ • -

+

( ) ( )[ ]Ú1

2 0 (3)

beschreiben, oder vereinfacht, durch

Rxy x t y t z t y t( ) ( ) ( ) ( ) ( )t t t t= - ◊ - + ◊ -0

. (4)

Dem vom Zeitsignalsender ausgestrahlten Zeit-signal x(t) überlagert sich auf der Übertra-

gungsstrecke ein Störsignal z(t). Gleichzeitig er-fährt es eine Verzögerung t0, bevor es empfangs-seitig auf einen Eingang des Multiplikators ge-langt. Dem zweiten Eingang des Multiplikatorswird über eine Laufzeitkette das Suchsignal y(t)zugeführt, das im Empfänger erzeugt wird unda priori gleiche Eigenschaften hat wie x(t), je-doch nicht durch die Sendeeinrichtungen (ge-ringe Bandbreite) beeinflusst wird. Bei der an-schließenden Produkt-Mittelwertbildung übereine hinreichend lange Integrationszeit ver-schwindet der 2. Summand in Gleichung (3),wenn y(t) und z(t) für alle Werte von t inkohä-rent und statistisch nicht verwandt sind. Somitliefert der Korrelator nur noch eine von x(t) undy(t) abhängige KreuzkorrelationsfunktionRxy(t), die frei von überlagerten Störungen ist.Ist die Zeitverschiebung t durch die Laufzeit-kette gleich der Verzögerung t0 auf der Übertra-

gungsstrecke, wird Rxy(t) maximal, und dasdurch die Laufzeitkette nachgezogene Suchsig-nal y(t) repräsentiert die vom Sender ankom-mende Zeitinformation ZI, die von Störungenweitgehend befreit ist. Der bei DCF77 für x(t)

verwendete PRN-Kode p(t) (siehe Abschnitt 4.3)liefert aufgrund seiner Signalstruktur eine drei-eckförmige Korrelationsfunktion mit einer Kor-relationsdauer von 2 Zeichen (chips). Die Syn-chronisation des im Empfänger erzeugtenKodes pE(t) auf den empfangenen Kode pS(t)kann z. B. über eine Verzögerungsregelschleife(DLL = delay – lock loop) erfolgen. Dazu wer-den im Kodegenerator pE(t + TT/2) und der ent-sprechend verzögerte Kode pE(t – TT/2) erzeugt.Nach Multiplikation der zeitlich versetztenKodes mit dem empfangen Kode und anschlie-ßender Filterung ergeben sich jeweils Signale,die ein Maß sind für die zeitliche Verschiebungzwischen dem empfangenen Kode und dem imEmpfänger erzeugten voreilenden bzw. verzö-gerten Kode. Die Differenz dieser Signale kannals Regelsignal für die Laufzeitkette benutztwerden, um den im Empfänger erzeugten Kodeauf den empfangenen Kode zu synchronisieren.

Das Frequenzspektrum der verwendetenPRN Modulation ist ein Linienspektrum mit ei-ner sin(x)/x -Einhüllenden. Der Frequenzab-stand fT/N der einzelnen Spektrallinien beträgt1,26 Hz (fT = 645,83 Hz, N = 512) und wird beider Aufzeichnung des Spektrums nicht aufge-löst (Bilder 12 und 13). Der Hauptzipfel desSpektrums erstreckt sich von 77,5 kHz – fT bis77,5 kHz + fT, d. h. die Bandbreite beim Emp-fang der PRN sollte mindestens 2fT = 1292 Hzbetragen. Messungen in der PTB Braunschweighaben ergeben, dass sich die Ankunftszeitpunk-te der PRN-Signale mit Hilfe der Kreuzkorrela-tion störsicherer und mit geringerer Unsicher-heit aufnehmen lassen, als es mit AM-Zeitsigna-len bei üblichen Empfangsbedingungen mög-lich ist. So ergaben sich am Tage bei geringemRaumwelleneinfluss Streuungen der aufgenom-menen Zeitpunkte der PRN-Signale von weni-ger als einer halben Periode des Trägers (< 6,5 ms).Dies bedeutet, dass es zeitweise möglich ist, ei-nen bestimmten Nulldurchgang des Trägers zuidentifizieren. In den Wintermonaten, bei star-kem Raumwelleneinfluss, sind dagegen Streu-ungen bis zu etwa 25 ms gemessen worden [16].

Vom Prinzip her lassen sich mit der Korrela-tionstechnik zwar Raum- und Bodenwelle tren-nen. Eine sichere Trennung beider Signalkom-ponenten ist aber nur möglich, wenn ihr Lauf-zeitunterschied (s. Bild 15) größer ist als die Zei-chendauer des PRN-Kodes (1,55 ms). Diese Be-dingung ist aber bei DCF77 nicht erfüllt, da diezur Verfügung stehende Bandbreite der Sende-antenne zu gering ist, um die Taktrate fT desPRN-Kodes genügend groß, d. h. die Zeichen-dauer genügend klein wählen zu können.

8 DCF77-Funkuhren

Die Idee, Zeitinformation über Radiowellen zuübertragen, ist fast so alt wie die Technik des

Bild 21:

Prinzip der Übertragung von Zeitinformation ZI mit Hilfe der Kreuzkorrelation. BeiVerwendung eines PN-Kodes für x(t) und y(t) hat die KreuzkorrelationsfunktionRxy(t) einen dreieckförmigen Verlauf mit einer Korrelationsdauer von zwei Zeichen.x(t) und y(t) sind a priori gleich, x(t) weicht wegen der Übertragungseigenschaftender Sendeeinrichtungen von y(t) ab.

Page 19: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 363

„Radios“ selbst. Michael A. Lombardi vom Na-tional Institute of Standards and Technology(NIST), USA, hat in einer an Anekdoten reichenZusammenstellung die Geschichte der Funkuhrin den USA nachgezeichnet [22]. Einige Detailsaus dieser Zusammenstellung werden im Fol-genden wiedergegeben:

Guglielmo Marconi experimentierte Endedes 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts mitRadiowellen und konnte 1899 die Kommunika-tion über den Ärmelkanal hinweg und 1901über den Atlantik realisieren. Auf die „Marconi-Wellen“ nimmt der Ingenieur und Herstelleroptischer Geräte Sir Howard Grubb Bezug, alser 1898 in einem Vortrag vor der Royal DublinSociety die Entwicklung tragbarer Funkuhrenvorhersagte:

„There is something very beautiful in this actionof the Marconi waves. In a city supplied with thisapparatus we should be conscious as we hear eachhour strike that above us and around us, swiftly andsilently, this electrical wave is passing, conscien-tiously doing its work, and setting each clock in eachestablishment absolutely right, without any physicalconnection whatsoever between the central distribu-ting clock, and those which it keeps correct by meansof this mysterious electrical wave.

We might go even still further, and although I donot put it forward as a proposition likely to be car-ried out in any way, except as an experiment, yet itundoubtedly would be perfectly possible to carry anapparatus in one’s pocket, and have our watches au-tomatically set by this electrical wave as we walkabout streets.” [23]

In Deutschland gehört Professor Dr.-Ing.Wolfgang Hilberg zu den Pionieren der Ent-wicklung der Funkuhren. Im Jahr 1967 – damalsIngenieur im Forschungsinstitut der FirmaAEG-Telefunken in Ulm – beschrieb er unterdem Titel „Drahtlos gesteuerte Uhren mit Nor-malzeit-Ziffernanzeige“ das Prinzip eines Zeit-verteilungssystems für Jedermann mit Hilfe ei-nes Senders und digital arbeitender Funkuhren[24]. Im Jahr 1971 zeigte er, dass die für die Zeit-übertragung benötigten Bandbreiten so geringsind, dass die Aussendung von Zeitinformationz. B. an den Rändern von UKW-Kanälen erfol-gen könnte [25]. Als mögliche Funkuhr für dieZeitübertragung mit Rundfunksendern stellteer den Versuchsaufbau eines handelsüblichenmodifizierten Rundfunkgerätes vor, dem eineeinfach zu realisierende Empfängerschaltungmit Nixie-Anzeigeröhren zur Zeitanzeige hin-zugefügt worden war. Obwohl technisch mög-lich, ist es zu einer direkten Zeitverbreitungdurch Rundfunk- oder Fernsehsender jedochnie gekommen – abgesehen von der Aussen-dung von Zeitzeichen zur vollen Stunde oderder Einblendung von Uhren vor den Nachrich-tensendungen.

Nach der Aufnahme des 24 Stunden Dau-erbetriebs von DCF77 im vierten Quartal 1970begannen auch in der PTB die Überlegungenzur Aussendung kodierter Zeitinformation.Neben den Arbeiten von Hilberg verfolgteman die Entwicklung der Zeitsender WWVund WWVB in den USA, die 1960 bzw. 1965damit begonnen hatten, kodierte Zeitinforma-tion auszusenden.

Zeitgleich mit dem Beginn der Aussendungdes Zeitkodes über DCF77 stellte die PTB Proto-typen von Funkuhren vor, die heute im Deut-schen Museum, München und Bonn, sowie inder PTB ausgestellt bzw. noch in Betrieb sind.Die Schaltung dieser ersten DCF77-Funkuhrenwurde 1974 veröffentlicht [26]. Sie stieß auf gro-ßes Interesse und zahlreiche Leser dieses Arti-kels bauten die Schaltung nach.

Wissenschaftliche Unterstützung bei derWeiterentwicklung der Funkuhr kam in den fol-genden Jahren außer von der PTB von denTechnischen Universitäten Darmstadt undStuttgart. Besonders an der Technischen Univer-sität Darmstadt, an der Prof. Hilberg 1972 einenLehrstuhl für digitale Schaltungen erhalten hat-te, wurden mit dem Ziel der Massenproduktionzu niedrigen Herstellungskosten neue Emp-fangsverfahren untersucht und kleine effizienteFunkuhren entwickelt. Anfang 1980 konnten dieDarmstädter Forscher einem Ausschuss derdeutschen Industrie im Institut für Uhren- undFeinwerktechnik der Universität Stuttgart einenvoll funktionsfähigen Funkuhrempfänger mitinnen liegender, kleiner Antenne und digitalemDisplay in der Größe heutiger Funkwecker vor-führen. Mitte der achtziger Jahre brachten dieFirmen KUNDO und Junghans ihre erstenFunkuhren, KUNDO SPACE TIMER und Jung-hans RC-1 auf den Markt. 1987 stellte die TU-Darmstadt den Prototyp einer Funkarmband-uhr mit eingebauter Antenne vor. Die Marktein-führung der ersten kommerziellen Funkarm-banduhr erfolgte 1990 durch Junghans, derenMEGA 1 in Lombardis Aufsatz [22] als „one ofthe most momentuous horological events ever“ be-zeichnet wurde. Die MEGA 1 ist heute bereitsAusstellungsstück in Uhrenmuseen, so imSchweizer Museum in La Chaux-de-Fonds undim Deutschen Uhrenmuseum in Furtwangen.Heute sind im privaten Bereich etwa die Hälf-te aller in Deutschland verkauften „elektri-schen Großuhren“ (Tisch-, Gestell-, Wanduhrenund Wecker) Funkuhren. Daneben sind mehrals eine halbe Million Industrie-Funkuhren imEinsatz, darunter solche, die von der pseudozu-fälligen Umtastung der Trägerphase Gebrauchmachen.

Page 20: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

364 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

9 Zeit- und Normalfrequenzdienste aufLangwelle

In den Radio Regulations der ITU sind die Fre-quenzbereiche 20,05 – 70 kHz und 72 – 84 kHzin Region 1 (Europa und Afrika) sogenanntenprimary fixed services zugewiesen [27]. In Artikel5.56 heißt es ergänzend, dass die Funkdienste,denen diese o. g. Frequenzbereiche zugewiesensind, Normalfrequenz und Zeitzeichen aussen-den können. Diese Dienste genießen Schutzrech-te gegenüber störenden Interferenzen durchAussendungen von secondary services. Dagegensind andere Frequenzbänder ausschließlich fürdie Aussendung von Normalfrequenz reserviertund besonders geschützt (z. B. um 2,5 MHz,5 MHz, 10 MHz), deren Möglichkeiten und An-wendungen in der ITU-Literatur [7] diskutiertwerden. Wir beschränken uns nachfolgend aufdie Darstellung der Dienste im Langwellenbe-reich. In der ITU-Empfehlung ITU-R TF768-5„Standard Frequencies and Time Signals“ sinddie verschiedenen Dienste im Anhang aufgelis-tet. Im Anhang der ITU-Empfehlung ITU-RTF583-6 findet man die verwendeten Kodier-schemata zur Übertragung der Zeitinformation.Während die Texte der Recommendations selbstnur kostenpflichtig bei der ITU zu erhalten sind(http://www.itu.int/ITU-R/Study-Groups/rsg7/index.asp, „Recommendations“), sind dieo. g. Anhänge von dieser Web-Seite als WORD-

Dokument zu laden („Related Information„TF583“ bzw. „TF768“). Diese Anhänge werdenim jährlichen Turnus aktualisiert. Basierend aufden mit Stand Oktober 2002 publizierten Infor-mationen sind in Tabelle 1 die Eigenschaften derZeitdienste auf Langwelle zusammengefasst.

Der vom Schweizer Sender HBG ausgesand-te Zeitkode ist mit dem DCF77-Kode nahezuidentisch, abgesehen von der Kennung der Mi-nute und den Sekundenmarken 1 – 15, die ja fürdie Übertragung von Zeitinformation keine Rol-le spielen. Des weiteren wird in den Sekunden-marken die Amplitude auf Null getastet – nichtauf 20 % wie beim DCF77, was die Verwendungfür die Normalfrequenzübermittlung beein-trächtigt. Alle anderen Dienste verwenden an-dere Zeitkodes. In der ersten Reihe der Tabelle 1sind die gegenwärtig publizierten Parameterdes neuen chinesischen Zeitdienstes BPC ent-halten, der vom National Time Service Centre,Shanxii, Volksrepublik China, aufgebaut wird[28]. Insgesamt sollen im Land drei Stationenfür die Aussendung von Zeitzeichen und Nor-malfrequenz entstehen. In den letzten Jahrenwurden erhebliche Aufwendungen in den Auf-bau der beiden japanischen Stationen sowie dieModernisierung des WWVB des NIST gesteckt[29]. Ferner wurden die Einrichtungen des HBGnach der Übertragung der Verantwortung andas schweizerische Bundesamt für Metrologie

Tabelle 1:

Langwellenstationen, die Normalfrequenz und kodierte Zeitinformation übertragen (Stand Oktober 2003 [13]). Der jeweils verwendete Zeit-kode ist unter der im Text Kapitel 9 angegeben ITU Internet-Adresse einzusehen, oder von den Betreibern zu erhalten.

Ruf- Land Standort Träger- Rel. Unsicher- Senderleistung Betriebsart Imternet_Adressezeichen frequenz heit der Träger (tatsächlich http://////////www.+

(kHz) frequenz abgestrahlte(1s, über Tag) Leistung (kW)

BPC China Pucheng 68,6 1 · 10–12 20 zeitweise, in 2003 sxso.ac.cn34∞ 56,9‘ Nord 08:00–12:00 Uhr109∞ 33,1‘ Ost und 22:00–23:00 Uhr

DCF77 Deutschland Mainflingen 77,5 1 · 10–12 30 kontinuierlich ptb.de30∞ 01‘ Nord09∞ 00‘ Ost

HBG Schweiz Prangins 75 1 · 10–12 20 kontinuierlich official-time.ch46∞ 24‘ Nord6∞ 15‘ Ost

JJY Japan Oktahadoyayama 40 1 · 10–12 12,5 kontinuierlich nict.go.jp37∞ 22‘ Nord140∞ 51‘ Ost

JJY Japan Haganeyama 60 1 · 10–12 15 kontinuierlich nict.go.jp33∞ 28‘ Nord130∞ 11‘ Ost

MSF UK Rugby 60 2 · 10–12 15 kontinuierlich npl.co.uk52∞ 22‘ Nord mit angekündigten Service-01∞ 11‘ Ost Abschaltungen

WWVB USA Colorado Springs 60 1 · 10–11 65 kontinuierlich boulder.nist.gov/40∞ 40‘ Nord timefreq105∞ 02‘ Ost

Page 21: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 365

und Akkreditierung (METAS) weitgehend mo-dernisiert. Es besteht allem Anschein nach invielen Ländern ein öffentliches Interesse an derVerfügbarkeit der genauen Zeit, und die Aus-sendung über Langwelle wird als adäquatesMedium hierfür angesehen.

10 Schlussbetrachtung

Mit dem von der PTB gesteuerten Langwellen-sender DCF77 auf 77,5 kHz steht seit vielen Jah-ren ein zuverlässiger Zeitsignal- und Normal-frequenzsender zur Verfügung, der in weitenTeilen Europas empfangen werden kann. MitHilfe der Trägerfrequenz von DCF77 werdenNormalfrequenzgeneratoren kalibriert oder au-tomatisch nachgeregelt. Zeitdienstsysteme beider Bahn, im Bereich der Telekommunikationund der Informationstechnologie, bei Rund-funk- und Fernsehanstalten werden z. B. ebensovon DCF77 funkgesteuert wie Tarifschaltuhrenbei Energieversorgungsunternehmen und Uh-ren in Ampelanlagen. Die nach absoluten Zah-len häufigsten Nutzer sind inzwischen Privat-personen: Mit noch immer zunehmendem Maßewerden Funkuhren (als Armbanduhren, We-cker, Stand- und Wanduhren) eingesetzt. Überdie richtige Zeit zu verfügen, ob auf die Sekun-de oder die Millisekunde genau, wird eben sehrgeschätzt. Der Erfolg der Funkuhr hat aberinsbesondere etwas mit den Eigenschaften derAussendung über Langwelle zu tun. GegenüberZeitübertragungsverfahren mit Satelliten habenLangwellensignale einen entscheidenden Vor-teil: Sie dringen in Gebäude ein und ihr Emp-fang wird durch Hindernisse wie Bäume oderHochhausbebauung nicht nennenswert beein-trächtigt. Man kann sie ohne Außenantenne mitin Funkuhren eingebauten kleinen Ferritanten-nen empfangen. Aufgrund dieser Eigenschaftder Langwelle können kompakte, mit Batterieoder Solarzellen betriebene Funkuhren ohneKabelanschluß an eine externe Antenne gebautund betrieben werden. Demgegenüber erfordertder Empfang von Signalen des Navigationssys-tems GPS und in Zukunft des europäischenPendants Galileo eine Außenantenne mitmöglichst freier Sicht zum Himmel. Kann dieseaufgebaut werden, so können unbestreitbarkleinere Unsicherheiten in der Zeitübertragungerreicht werden [30]. Die Zeitübertragung überSatelliten und die Zeitverbreitung auf Langwel-le werden sich daher nicht gegenseitig ersetzensondern ergänzen.

Ganz aktuell hat sich für die Aussendungvon DCF77 eine mögliche neue Anwendung er-geben. Auf Anregung der Zentralstelle für Zivil-schutz (ZfZ) beim Bundesverwaltungsamt, BadGodesberg, dem heutigen Bundesamt für Bevöl-kerungsschutz und Katastrophenhilfe, wurdeim dritten und vierten Quartal des Jahres 2003

untersucht, ob sich die Aussendung von „Zeit-zeichen“ mit DCF77 auch zur Übertragung vonWarninformation nutzen lässt. Hierzu wurdendie Sekundenmarken 1 bis 14 jeder Minute derDCF77 Aussendung verwendet, die, wie obenausgeführt, für die Zeitübertragung keine un-mittelbare Bedeutung mehr haben. In Zusam-menarbeit mit den vom ZfZ beauftragten Fir-men unter Federführung von HKW-Elektronik,Seebach, wurden die DCF77 Steuereinrichtun-gen so erweitert, dass mit einem Satellitentermi-nal in Mainflingen empfangene fiktive Warn-meldungen in das Sendeprogramm integriertwerden konnten.

Zwischen dem 13.10 und 10.12.2003 wurdeninsgesamt 39 scharfe Testalarme gesendet, diemit 1000 landesweit verteilten Empfängern re-gistriert werden sollten. Es kamen modifizierte,handelsübliche Funkuhren (Armbanduhren,Wecker, Wanduhren, PC-Funkuhren) die zusätz-lich zu ihrer Standardfunktion optisch undakustisch alarmieren konnten, zum Einsatz. DieTeilnehmer am Feldversuch hatten sich ver-pflichtet, die Alarme, auch Fehlalarme, über dasInternet zu melden.

In dem inzwischen vorliegenden Abschluss-bericht zeigte HKW, dass die Alarmierungszeitund die Empfangswahrscheinlichkeit des Funk-alarms in unserem Land gleichmäßig gut ist.Die Umgebung (Land, Ballungsraum, innen,außen) und Entfernung zum Sender hatten nurgeringen Einfluss. Dagegen zeigte sich, dass imDetail die Wahl der Aufstellung bei stationärenUhren, bzw. das Trageverhalten bei Armband-uhren erheblichen Einfluss haben. Die Zahl derFehlalarme war vernachlässigbar klein. DasBundesinnenministerium muss nun aufgrunddes Abschlussberichts entscheiden, ob DCF77langfristig ein Teil des Gesamtsystems zur War-nung der Bevölkerung wird.

Davon unabhängig bleibt DCF77 weiterhindas bedeutendste Medium zur Verbreitung dergesetzlichen Zeit in Deutschland durch die PTB.

Literatur

[1] G. Becker: Die Sekunde. PTB-Mitteilungen 85,(1975), S. 14–28.

[2] H. Enslin: Die Entwicklung der BürgerlichenZeit seit 1800. Alte Uhren und moderne Zeit-messung 1 (1988), S. 60–75 und Seewart 44,(1983), S. 264–280.

[3] T. Jones: Splitting the Second: The Story ofAtomic Time. Bristol, IOP Publishing 2000.

[4] R. A. Nelson, D. D. McCarthy, S. Malys,J. Levine, B. Guinot, H. F. Fliegel, R. L.Beard,und T. R. Bartholomew: The leap second: itshistory and possible future. Metrologia 38,(2001), S. 509–529.

Page 22: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

366 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

[5] H. Zemanek: Kalender und Chronologie.5., verbesserte Auflage, München, Wien:Oldenbourg Verlag, 1990, zz. vergriffen; auchF. K. Ginzel: Handbuch der mathematischenund technischen Chronologie. J. C.Hinrich’sche Buchhandlung Leipzig, 1914.

[6] R. Wendorff: Zeit und Kultur. 3. Auflage,Opladen, Westdeutscher Verlag, 1985;G. Dohrn-van Rossum: Die Geschichte derStunde. München, Wien, Carl Hanser Ver-lag 1992; N. Elias: Über die Zeit. SuhrkampTaschenbuch 756, erste Auflage, 1988.

[7] Handbook on the Selection and Use of Pre-cise Frequency and Time Systems. Internatio-nal Telecommunication Union, Geneva 1997.

[8] J. Levine: Introduction to time and frequencymetrology. Rev. Scientific Instr. 70, (1999), S. 2567–2596.

[9] P. Hetzel: Zeitinformation und Normalfre-quenz. telekom praxis 70, (1993), S. 25–36.

[10] P. Hetzel: Der Langwellensender DCF77 auf77,5 kHz: 40 Jahre Zeitsignale und Normal-frequenz, 25 Jahre kodierte Zeitinformati-on. PTB-Mitteilungen 109, (1999), S. 11–18.

[11] W. Hilberg, (Hrsg.):a) Funkuhren, Oldenbourg Verlag GmbH,München, 1983, ISBN 3-486-27341-8;b) Funkuhrtechnik, Oldenbourg VerlagGmbH, München, 1988, ISBN 3-486-20623-0;c) Funkuhren, Zeitsignale, Normalfrequen-zen, Verlag für Sprache und Technik, Groß-Bieberau, 1993, ISBN 3-928161-02-04.

[12] A. Bauch und T. Heindorff: Zeit – Die SI-Ba-siseinheit Sekunde. PTB-Mitteilungen 112,(2002), S. 291–298.

[13] ITU-R Recommendations: TF.374-5 „Pre-cise Frequency and Time-Signal Transmis-sions“, TF.460-6 „Standard-frequency andtime-signal emissions“, TF.486-2 „Use ofUTC frequency as reference in standardfrequency and time signal emissions“. ITU,Geneva, im Internet: http://www.itu.int/ITU-R/Study-Groups/rsg7/index.asp,dort: Recommendations TF series für dieaktuelle Version.

[14] A. Bauch: Caesium atomic clocks: function,performance and applications. Meas. Sci.Technol. 14, (2003), S. 1159–1173.

[15] Radio Regulations, Article 19: Identificati-on of stations. ITU RadiocommunicationBureau, Geneva 2001.

[16] P. Hetzel: Zeitübertragung auf Langwelledurch amplitudenmodulierte Zeitsignaleund pseudozufällige Umtastung der Trä-gerphase. Dissertation, Universität Stutt-gart, 1987 (unveröffentlicht).

[17] Handbook „The ionosphere and its effectson radiowave propagation“. ITU, Radio-communication Bureau, Geneva, 1998.

[18] ITU-R Recommendation 368-6 „GroundWave propagation curves for frequenciesbetween 10 kHz and 30 MHz“. Entnom-men dem Band Recommendations desCCIR, 1990, Volume V, aktuelle Version sie-he ITU Internet-Adresse in Kapitel 9.

[19] ITU-R Recommendation 684-3 „Predictionof field strength at frequencies below150 kHz. ITU, Geneva, 2002.

[20] Ref. 11b, S. 29-59 und S. 107–124.[21] G. Becker: Schrittregelung für die Mittelung

von Zeitsignalen. PTB-Mitteilungen 85,(1975), S. 448–457.

[22] M. A. Lombardi: Radio Controlled Clocks.Proc. of the 2003 National Conference ofStandards Laboratories NCSL, auf CD-ROM.

[23] H. Grubb, Sir: Proposal for the Utilizationof the ‚Marconi’ System of Wireless Tele-graphy for the Control of Public and OtherClocks. Scientific Proceedings of the RoyalDublin Society, vol. X, part I(7), (1899),S. 121, zitiert in [22].

[24] W. Hilberg: Drahtlos gesteuerte Uhren mitNormalzeit-Ziffernanzeige. Elektronik, 16.Jahrg., Heft 11 (Nov. 1967) S. 325–328 undHeft 12 (Dez. 1967), S. 377–380.

[25] W. Hilberg und K. Buck: Eine integriertedigitale Empfängerschaltung für ein draht-loses elektronisches Zeitverteilungssystem.Nachrichtentechnische Zeitschrift (NTZ),(1971), Heft 11, S. 572–577.

[26] P. Hetzel und L. Rohbeck: Digitale Anzeigeder vom Sender DCF77 verbreiteten Amt-lichen Zeit. Funkschau 46, (1974),S. 727–730.

[27] Ref. [15], Section IV.[28] Y. Wang: Recent progress on time and fre-

quency in NTSC. Proc. 2002ATF, publ.(2003), S. 30–33.

[29] M. A. Lombardi: NIST Time and FrequencyServices. NIST Spec. Publ. 432, 2002 Edition.

[30] A. Bauch, P. Hetzel und T. Polewka: Die Rollevon GPS bei der Realisierung der Internati-onalen Atomzeit. Kleinheubacher Berichte43, (2000), S. 278–288.

Page 23: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4 Themenschwerpunkt • 367

Anhang 1

Page 24: Zeit- und Normalfrequenzverbreitung mit DCF77 · DCF77, operated formerly by Deutsche Bundes-post and, in these days, by T-Systems Media Broadcast, a subsidiary of the Deutsche Telekom

368 • Themenschwerpunkt PTB-Mitteilungen 114 (2004), Heft 4

Anhang 2

Gesetz über die Zeitbestimmung(Zeitgesetz – ZeitG) vom 25. Juli 1978

Der Bundestag hat das folgende Gesetzbeschlossen:

§ 1 – Gesetzliche Zeit

(1) Im amtlichen und geschäftlichen Verkehrwerden Datum und Uhrzeit nach der gesetz-lichen Zeit verwendet.

(2) Die gesetzliche Zeit ist die mitteleuropäischeZeit. Diese ist bestimmt durch die koordi-nierte Weltzeit unter Hinzufügung einerStunde.

(3) Die koordinierte Weltzeit ist bestimmt durcheine Zeitskala mit folgenden Eigenschaften:1. Sie hat am 1. Januar 1972, 0 Uhr, dem

Zeitpunkt 31. Dezember 1971, 23 Uhr 59Minuten 59,96 Sekunden, der mittlerenSonnenzeit des Nullmeridians entspro-chen.

2. Das Skalenmaß ist die Basiseinheit Se-kunde nach § 3 Abs. 4 des Gesetzes überEinheiten im Meßwesen vom 2. Juli 1969(BGBl. I S. 709), zuletzt geändert durchArtikel 287 Nr. 48 des Gesetzes vom2. März 1974 (BGBl. I S. 469), in Meeres-höhe.

3. Die Zeitskala der koordinierten Weltzeitwird entweder durch Einfügen einer zu-sätzlichen Sekunde oder durch Auslas-sen einer Sekunde mit einer Abweichungvon höchstens einer Sekunde in Überein-stimmung mit der mittleren Sonnenzeitdes Nullmeridians gehalten.

(4) Für den Zeitraum ihrer Einführung ist diemitteleuropäische Sommerzeit die gesetzli-che Zeit. Die mitteleuropäische Sommerzeitist bestimmt durch die koordinierte Weltzeitunter Hinzufügung zweier Stunden.

§ 2 – Darstellung und Verbreitung dergesetzlichen Zeit

Die gesetzliche Zeit wird von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt dargestellt und ver-breitet.

§ 3 – Ermächtigung zur Einführung dermitteleuropäischen Sommerzeit

(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, zurbesseren Ausnutzung der Tageshelligkeitund zur Angleichung der Zeitzählung andiejenige benachbarter Staaten durch Rechts-verordnung für einen Zeitraum zwischen dem1. März und dem 31. Oktober(1) die mitteleu-ropäische Sommerzeit einzuführen.

(2) Die mitteleuropäische Sommerzeit solljeweils an einem Sonntag beginnen und en-den. Die Bundesregierung bestimmt in derRechtsverordnung nach Absatz 1 den Tagund die Uhrzeit, zu der die mitteleuropäi-sche Sommerzeit beginnt und endet, sowiedie Bezeichnung der am Ende der mitteleu-ropäischen Sommerzeit doppelt erscheinen-den Stunde.

Anhang 3

Verordnung über die Einführung der mittel-europäischen Sommerzeit ab dem Jahr 2002*)(Sommerzeitverordnung-SoZV)vom 12. Juli 2001

Auf Grund des § 3 des Zeitgesetzes vom25. Juli 1978 (BGBl. I s. 1110, 1262), der durchdas Gesetz vom 13. September 1994 (BGBl. IS. 2322) geändert worden ist, verordnet dieBundesregierung:

§ 1Ab dem Jahr 2002 wird die mitteleuropäischeSommerzeit (§ 1 Abs. 4 des Zeitgesetzes) aufunbestimmte Zeit eingeführt.

§ 2(1) Die mitteleuropäische Sommerzeit beginnt

jeweils am letzten Sonntag im März um2 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Im Zeitpunktdes Beginns der Sommerzeit wird die Stun-denzählung um eine Stunde von 2 Uhr auf3 Uhr vorgestellt.

(2) Die mitteleuropäische Sommerzeit endetjeweils am letzten Sonntag im Oktober um3 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. ImZeitpunkt des Endes der Sommerzeit wirddie Stundenzählung um eine Stunde von3 Uhr auf 2 Uhr zurückgestellt. Die Stundevon 2 Uhr bis 3 Uhr erscheint dabei zweimal.Die erste Stunde (von 2 Uhr bis 3 Uhr mittel-europäischer Sommerzeit) wird mit 2A unddie zweite Stunde (von 2 Uhr bis 3 Uhr mit-teleuropäischer ZeitI mit 2B bezeichnet).

§ 3Das Bundesministerium des Innern gibt imBundesanzeiger, beginnend mit dem Jahr 2002,für jeweills fünf aufeinander folgende JahreBeginn und Ende der Sommerzeit bekannt.

(1) gem. Gesetz zurÄnderung des Zeit-gesetzes vom13. September 1994(BGBl. I S. 2322)