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ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Das Forum für Umwelt und Recht Das Thema Meeresumweltschutz Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im Überblick Friederike Mechel/Moritz Reese Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Detlef Czybulka Wege zu einer nachhaltigen Fischerei Gerd Hubold Schiffssicherheit nach der »Prestige« Peter Ehlers Windenergienutzung in der AWZ Hans-Joachim Koch/Tobias Wiesenthal Erhaltung lebender Meeresressourcen im Lichte des Nach- haltigkeitsgrundsatzes: Völker- und gemeinschaftsrechtliche Voraussetzungen Nina Wolff Rechtsprechung EuGH Freier Zugang zu Informationen – Informationen über die Umwelt BVerwG Abgrenzung Verwertung/Beseitigung bei Abfallverbringung und »Ökologieeinwand« BVerwG Bolzplatzlärm kein Sportlärm OVG Münster Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen Verkehrslärm Gesetzgebung Neueste Entwicklungen im Europäischen Umweltrecht Josef Falke Neueste Entwicklungen im Bundesumweltrecht Malte Kohls / Moritz Reese / Peter Schütte Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht, Buchneuerscheinungen, Zeitschriftenschau, Termine NOMOS Verlagsgesellschaft Baden-Baden Immissionsschutz Gewässerschutz Kreislaufwirtschaft Naturschutz Bodenschutz Energiewirtschaft Gentechnik Chemikaliensicherheit Klimaschutz 5/ 2003 Jahrgang 14 · Seiten 321 – 384 · E 10882

Zeitschrift für Umweltrecht Immissionsschutz Das Thema ...Forschungsstelle Umweltrecht, Universität Hamburg (Geschäftsführung Prof. Dr. Hans-Joachim Koch) Forschungsstelle für

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  • ZURZeitschrift für Umweltrecht

    Das Forum für Umwelt und Recht

    Das ThemaMeeresumweltschutzMeeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im ÜberblickFriederike Mechel/Moritz Reese

    Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen WirtschaftszoneDetlef Czybulka

    Wege zu einer nachhaltigen FischereiGerd Hubold

    Schiffssicherheit nach der »Prestige«Peter Ehlers

    Windenergienutzung in der AWZHans-Joachim Koch/Tobias Wiesenthal

    Erhaltung lebender Meeresressourcen im Lichte des Nach-haltigkeitsgrundsatzes: Völker- und gemeinschaftsrechtlicheVoraussetzungenNina Wolff

    RechtsprechungEuGHFreier Zugang zu Informationen – Informationen über die Umwelt

    BVerwGAbgrenzung Verwertung/Beseitigung bei Abfallverbringung und»Ökologieeinwand«

    BVerwGBolzplatzlärm kein Sportlärm

    OVG MünsterAnspruch auf behördliches Einschreiten gegen Verkehrslärm

    GesetzgebungNeueste Entwicklungen im Europäischen UmweltrechtJosef Falke

    Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls / Moritz Reese / Peter Schütte

    Rechtsprechung in Leitsätzen, Tagungsbericht,Buchneuerscheinungen, Zeitschriftenschau, Termine

    NOMOS VerlagsgesellschaftBaden-Baden

    Immissionsschutz

    Gewässerschutz

    Kreislaufwirtschaft

    Naturschutz

    Bodenschutz

    Energiewirtschaft

    Gentechnik

    Chemikaliensicherheit

    Klimaschutz

    5/2003Jahrgang 14 · Seiten 321 – 384 · E 10882

  • Nomos

    Strom aus erneuerbaren Energienim Europarecht

    Strom aus erneuerbaren Energien im EuroparechtDie Richtlinie 2001/77/EG des EuropäischenParlaments und des Rates zur Förderung derStromerzeugung aus erneuerbaren Energie-quellen im ElektrizitätsbinnenmarktVon Volker Oschmann1. Auflage 2002, 372 S., brosch., 58,– €,ISBN 3-7890-8046-2(Forum Energierecht, Bd. 4)

    Erneuerbare Energien wie Sonne,Wind und Wasser kön-nen den Klimawandel abmildern und die Abhängigkeitvon Erdöl- und Gasimporten verringern. Die EuropäischeGemeinschaft hat vor diesem Hintergrund die Richtliniezur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbarenEnergien verabschiedet. Mit ihr soll der Anteil erneuer-barer Energien an der Stromversorgung auf über 22 %im Jahr 2010 erhöht werden.Die Dissertation bereitet Hintergründe der Richtlinieund ihre Entstehungsgeschichte auf. Erstmals wird da-bei die Energiepolitik und das Energierecht der EU ausdem Blickwinkel der erneuerbaren Energien analysiert.Die hochaktuelle Untersuchung arbeitet die wesent-lichen primärrechtlichen Maßstäbe für die Richtlinieheraus und prüft sie anhand dieser Vorgaben.Die Arbeit geht zudem der Frage nach, wie die Richtlinieumgesetzt und inwieweit das Erneuerbare-Energien-Gesetz angepasst werden muss.Die Untersuchung richtet sich an die universitäre undaußeruniversitäre Wissenschaft sowie an die Praxis, diesich mit dem Recht erneuerbarer Energieträger befasst.Der Autor ist Referent für erneuerbare Energien imBundesumweltministerium und hat die Richtlinie inihrer Entstehung intensiv begleitet.

    EEG Erneuerbare-Energien-GesetzHandkommentarVon Edmund Brandt, Jan Reshöft und Sascha Steiner1. Auflage 2001, 336 S., geb., 71,– €,ISBN 3-7890-7457-8

    Der Kommentar liefert präzise Informationen zuden zahlreichen Fragen, die sich bei der Anwen-dung des EEG stellen. Darüber hinaus ermöglichter einen Einstieg in die zentralen rechtlichen Rege-lungsbereiche, die bei der Förderung erneuerbarerEnergien betroffen sind.

    TippFax0 72 21/21 04-43 · www.nomos.de · [email protected]

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    OschmannStrom aus erneuerbarenEnergien im Europarecht1. Auflage 2002, 372 S.,brosch., 58,– €,ISBN 3-7890-8046-2

    Brandt/Reshöft/SteinerEEG Erneuerbare-Energien-GesetzHandkommentar1. Auflage 2001,336 S., geb., 71,– €,ISBN 3-7890-7457-8

  • ZUR 5/2003 I

    SchriftleitungRA Dr. Harald GinzkyRA Dr. Niels GriemProf. Dr. Hans-Joachim Koch

    Redaktion:Dr. Katja BöttgerProf. Dr. Christian CalliessPriv. Doz. Dr. Andreas FisahnCarola GlinskiDr. Ekkehard HofmannJan KarstensProf. Dr. Wolfgang KöckDr. Malte KohlsDr. Silke R. LaskowskiChristian MaaßDr. Moritz ReeseDr. Sabine SchlackeRA Dr. Peter SchütteProf. Dr. Bernhard Wegener

    RedaktionsbeiratRA Prof. Dr. Martin Beckmann, MünsterProf. Dr. Monika Böhm, Phillipps-Universität-MarburgProf. Dr. Michael Bothe, Johann Wolfgang Goethe Universität,Frankfurt am MainProf. Dr. Martin Führ, Fachhochschule DarmstadtRA Dr. Reiner Geulen, BerlinDr. Werner Görtz, Umweltamt DüsseldorfProf. Dr. Günter Heine, Universität BernDr. Günther-Michael Knopp,Bayer. Staatsministerium, MünchenProf. Dr. Ludwig Krämer, Europäische KommissionDr. Hans-Heinrich Lindemann,Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und ReaktorsicherheitProf. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Universität BielefeldDr. Stefan Paetow, Bundesverwaltungsgericht, BerlinRA Ursula Philipp-Gerlach, Frankfurt am MainHelmut Röscheisen, Deutscher-Naturschutz-Ring, BonnProf. Dr. Alexander Roßnagel, Universität-Gesamthochschule KasselDr. Karsten Sach, Bundesumweltministerium Dr. Alexander Schink, Landkreistag NRW, DüsseldorfPeter Vonnahme,Bayer. VGH, MünchenBeate Weber, Oberbürgermeisterin von Heidelberg

    Inhal t

    Zeitschrift fürUmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

    14. Jahrgang, S. 321 -384

    ZUR 5/2003

    DAS THEMAMeeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im Überblick

    Friederike Mechel/Moritz Reese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .321

    Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone

    Detlef Czybulka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .329

    Wege zu einer nachhaltigen Fischerei

    Gerd Hubold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .338

    Schiffssicherheit nach der »Prestige«

    Peter Ehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .342

    Windenergienutzung in der AWZ

    Hans-Joachim Koch/Tobias Wiesenthal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .350

    Erhaltung lebender Meeresressourcen im Lichte des Nachhaltigkeitsgrundsatzes:

    Völker- und gemeinschaftsrechtliche Voraussetzungen

    Nina Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .356

    RECHTSPRECHUNG� EuGHFreier Zugang zu Informationen – Informationen über die Umwelt

    Urteil vom 12. Juni 2003 – C-316/01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .363

    � BVerwGAbgrenzung Verwertung/Beseitigung bei Abfallverbringung und »Ökologieeinwand«

    Urteil vom 13. März 2003 – 7 C 1.02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .364

    � BVerwGBolzplatzlärm kein Sportlärm

    Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88.02 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .367

    � OVG MünsterAnspruch auf behördliches Einschreiten gegen Verkehrslärm

    Urteil vom 21. Januar 2003 – 8 A 4230/01 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .368

    Rechtsprechung in Leitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .371

    TAGUNGSBERICHT

    Bericht über den Rostocker Umweltrechtstag 2003»Die Umweltverträglichkeitsprüfung: Neuregelungen, Entwicklungstendenzen«Jana Kenzler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .379

    RUBRIKENBuchneuerscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .380Zeitschriftenschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .383Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI

    GESETZGEBUNGNeueste Entwicklungen im Europäischen UmweltrechtJosef Falke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .374

    Neueste Entwicklungen im BundesumweltrechtMalte Kohls/Moritz Reese/Peter Schütte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .377

    Mantel_ZUR_5_2003 26.08.2003 13:41 Uhr Seite I

  • 321

    Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V.in Kooperation mit:Forschungsstelle Umweltrecht, Universität Hamburg (Geschäftsführung Prof. Dr. Hans-Joachim Koch)Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht, Universität Bremen (Prof. Dr. Gerd Winter)Institut für Umweltrecht, Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff)Institut für Umweltrecht GbR, Bremen (Dr. Hubertus Baumeister und Dr. Niels Griem)

    Zeitschrift für UmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

    Die gemeinsame Ministerkonferenz der Meeresschutzkonventionen für die Ost-see und den Nord-Ost Atlantik im Frühsommer dieses Jahres hat der Öffent-lichkeit erneut vor Augen geführt, dass der Meeresumweltschutz für Nord- undOstsee eine zentrale Herausforderung gerade auch der europäischen Umwelt-politik bleibt. Der Beitrag gibt einen einführenden Überblick über die heutige Be-lastungssituation, die aktuellen Schutzregime und Akteure sowie über Politikenund Maßnahmen in den zentralen Problemfeldern.

    A. Zum Zustand von Nord- und Ostsee

    Die Meeresumwelt von Nord- und Ostsee ist durch die Industrie-länder Nordeuropas seit Langem einem erheblichen Belastungsdruckausgesetzt. Trotz der beachtlichen Entlastungen, die vor allem durchlandseitige Maßnahmen des Immissionsschutzes und verbesserteAbwasserreinigung erreicht werden konnten, ist der Druck bis heutebeträchtlich geblieben. In den aktuellen Zustandsberichten der re-gionalen Schutzorganisationen und wissenschaftlichen Forschungs-einrichtungen1 wird eindrucksvoll dargelegt, wie Fischerei, Nähr-stoff- und Schadstoffeinträge, Schifffahrt und Tourismus sowiebauliche Eingriffe die marinen Ökosysteme auf vielfältige Weiseschädigen und beeinträchtigen. Die Berichte weisen zugleich daraufhin, dass die mittelbaren und langfristigen Wirkungen und Wech-selwirkungen noch wenig erforscht sind.

    I. Fischerei – Fischbestände

    Ein konstantes Bestandsniveau zu erhalten ist – jedenfalls bezüglichder fangtauglichen Arten – nicht nur ein altruistisches Erhaltungs-ziel, sondern zugleich Existenzbedingung der europäischen Fische-reiwirtschaft. Die exzessive Fischerei hat jedoch inzwischen beivielen der intensiv befischten Arten zu (auch weltweit) sehr bedroh-lichen Bestandsrückgängen geführt. Nach Schätzungen des Interna-tionalen Rates für Meeresforschung (ICES) ist in den zurückliegen-den 25 Jahren die Anzahl der Rundfische in europäischen Gewässernum ca. 90% zurückgegangen.2 Die wirtschaftlich relevanten Fisch-bestände von Nord- und Ostsee bewegen sich bereits überwiegendaußerhalb »biologisch sicherer Grenzen«,3 was bedeutet, dass die be-standserhaltende Reproduktion dieser Populationen nicht mehr si-chergestellt ist. Von der Überfischung besonders stark betroffen istgegenwärtig der Kabeljaubestand. Die dramatischen Bestands-rückgänge hatten den Internationalen Rat für Meeresforschung(ICES) im vergangenen Jahr sogar dazu veranlasst, eine vollständige

    ZUR 5/2003

    Herausgeber: Verein für Umweltrecht e.V.in Kooperation mit:Forschungsstelle Umweltrecht, Universität Hamburg (Geschäftsführung Prof. Dr. Hans-Joachim Koch)Forschungsstelle für Europäisches Umweltrecht, Universität Bremen (Prof. Dr. Gerd Winter)Institut für Umweltrecht, Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld (Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff)Institut für Umweltrecht GbR, Bremen (Dr. Hubertus Baumeister und Dr. Niels Griem)

    Zeitschrift für UmweltrechtDas Forum für Umwelt und Recht

    Friederike Mechel / Moritz Reese

    Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im Überblick

    1 Vgl. für eine allgemeine Bestandsaufnahme: ICES, Environmental Status of theEuropean Seas, 2003; für die Nordsee siehe insb.: Progress-Report der FünftenInternationalen Nordseeschutzkonferenz, März 2002; OSPAR Commission,Quality Status Report 2000 – Region II Greater North Sea; ferner Lozan u.a.(Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer, 2003; für die Ostsee insb.:Helcom, The Baltic Marine Environment 1999-2002 – BSEP No. 87, 2003;ferner Lozan u.a. (Hrsg.): Warnsignale aus der Ostsee, 1996.

    2 Siehe die zusammenfassende Darstellung im Grünbuch der EU-Kommissionüber die Zukunft der Gemeinsamen Fischereipolitik, KOM (2001) 135, S. 7.

    3 ICES (Fn. 1), S. 38; Helcom (Fn. 1), S. 36.4 Pressemitteilung der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Nr. 366 vom

    28.10.02 (abrufbar unter www.bfa-fisch.de); die aktuellen Forderungen desICES für die Kabeljaufischerei: http://www.ices.dk.

    5 Lozan, Nicht nachhaltige Nutzung der Nordsee durch die Fischerei, in ders. u.a.(Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer, 2003, S. 132 ff. (134 f.);ICES (Fn. 1), S. 41 f.

    6 Detailliertere Darstellungen der Eutrophierungsfolgen in der Meeresumweltz.B. bei Sommer, Biologische Meereskunde, Berlin u.a. 1998, S. 409 ff.; Ceder-wall/Elmgren, Biolocial Effects of Eutrophication in the Baltic Sea, Particularlythe Coastal Zone, Ambio 1990, S. 109 ff.

    Schließung der Kabeljaufischerei für mehrere Gebiete in Nord- undOstsee zu fordern. Diese Empfehlung hat der Rat jüngst erneutbekräftigt und auf das gesamte Jahr 2004 ausgedehnt.4 Unter der ex-zessiven Fischerei leiden jedoch nicht allein die kommerziellen Ziel-bestände, sondern auch etliche mittelbar betroffene Arten undLebensräume aufgrund hoher Beifänge und der mitunter zerstöreri-schen Wirkung von bodengängigem Fangmaterial (Schleppnetze/Baumkurren).5

    II. Nährstoffeinträge – Eutrophierung

    Die durch übermäßige Nährstoffeinträge – insbesondere von Phos-phat und Stickstoff – verursachte Eutrophierung zählt nach wie vorzu den gravierendsten Bedrohungen der Meeresökosysteme. Durchden Nährstoffüberschuss kommt es zu einer unnatürlichen Vermeh-rung der im Wasser treibenden Algen, des sog. Phytoplanktons. Dieaugenfälligsten Effekte dieses vermehrten Algenwachstums sind eineVertrübung des Wassers sowie verstärkte, teilweise auch giftigeAlgenblüten. Weitere negative ökologische Folgen ergeben sich dar-aus, dass die kurzlebigen Algen nach dem Absterben auf den Meeres-grund sinken und dort in sauerstoffzehrenden Prozessen zersetztwerden. Dadurch entstehender Sauerstoffmangel und hohe Schwe-felwasserstoffkonzentrationen führen zu einem großflächigen Ab-sterben von bodennahen Tieren, Pflanzen und anderen Organismenund schließlich zu weitreichenden Veränderungen in den betroffe-nen aquatischen Lebensgemeinschaften.6

    5200313. Jahrgang • Seiten 320 - 384

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 321

  • ZUR 5/2003322

    Die Eutrophierung ist trotz beträchtlicher Vermeidungserfolge beiden Phosophoreinträgen vor allem wegen der weiterhin hohenStickstoffeinträge ein großes Problem geblieben. Die Ende der 1980erJahre von Nord- und Ostseeanrainern gleichermaßen vereinbartenReduktionen der Phosphat- und Stickstoffeinträge um jeweils 50 %7

    bis zum Jahre 1995 konnten nur hinsichtlich der Phosphateinträgeweitestgehend erfüllt werden8 und zwar im Wesentlichen durch diesehr kostenaufwändige Modernisierung industrieller und kommu-naler Abwasserbehandlungsanlagen und den Verzicht auf Phospha-te in Waschmitteln. Währenddessen ist das Reduktionsziel für Stick-stoff bis heute weit verfehlt worden und zwar ganz wesentlichaufgrund der hohen Stickstoffeinträge aus der landwirtschaftlichenDüngung. Letztere bilden daher eine ganz zentrale Herausforderungder Meeresumweltschutzpolitik.

    III. Schadstoffeinträge – chemische Gewässergüte

    Die Meere sind Schadstoffsenken; nahezu alle vom Menschen emit-tierten Schadstoffe finden sich letztlich auch in der Meeresumweltwieder. Besondere Probleme erzeugen diese Stoffe dann, wenn sieentweder aufgrund hoher Einträge oder aufgrund ihrer Persistenzund Akkumulation zum Umweltrisiko werden oder gar unmittelbartoxisch wirken. Solche Risiken gehen heute insbesondere von denSchwermetallen, einigen Organischen Verbindungen (so v.a. vonpersistenten organischen Stoffen – POPs) sowie von Öleinträgen aus.

    Die Zeit der massiven Schwermetalleinträge ist zwar vorüber, diemeisten Nord- und Ostseeanrainerstaaten haben die Einträge vielerSubstanzen seit Mitte der 1980er Jahre ganz erheblich reduzierenkönnen.9 Entsprechend sind die Konzentrationen im Wasser spürbarzurückgegangen, in den Sedimenten und der Biota finden sich hin-gegen mitunter noch hohe Konzentrationen, insbesondere in denBelastungsschwerpunkten der Deutschen Bucht und den Mün-dungsbereichen der großen Flüsse.10 Cadmium bleibt für die Meeres-umwelt weiterhin ein besonderes Problem. Im Nordseebereich errei-chen die Konzentrationen vielfach ökotoxikologisch bedenklicheWerte.11 In einigen Gebieten der Ostsee sind v.a. die in Heringennachgewiesenen Konzentrationen ansteigend.12

    Die von den organischen Schadstoffen ausgehenden Risiken sinderst für wenige Stoffe oder Stoffgruppen erforscht. Immerhin sind in-zwischen eine Reihe dieser Stoffe – wie insbesondere PCB, PAK, Lin-dan, Dioxine, Nonylphenol und Tributylzinn als besonders proble-matisch identifiziert, reguliert und die Einträge deutlich gemindertworden.13 Trotzdem liegen die Konzentrationen persistenter organi-scher Schadstoffe in der Meeresumwelt mancherorts noch immer imBereich toxikologischer Wirkgrenzen oder gar darüber.14 Dies giltauch für Stoffe, deren Verwendung bereits seit Jahren eingeschränktoder sogar verboten ist (PCB, DDT, Lindan).

    Öle und deren Bestandteile können die Meeresumwelt mit ihrenOrganismen in vielfältiger Weise schädigen. Neben äußeren Verö-lungen stehen dabei verschiedenste toxische Wirkungen von mine-ralölbürtigen Stoffen und deren Oxidationsprodukten.15 Hauptquel-len der Ölverschmutzungen sind die Flüsse, Küstenabwässer,Bohrplattformen sowie Einleitungen aus der Schifffahrt zusammenmit den Seeunfällen.16

    IV. Schifffahrt: normalbetriebs- und unfallbedingte Schadstoffeinträge

    Illegale Ableitungen von Schwerölrückständen sowie von Tank-waschwasser sind die Hauptquelle konzentrierter Ölkontaminatio-nen auf der Wasseroberfläche von Nord- und Ostsee.17 Von solchenkonzentrierten Ölverschmutzungen sind am auffälligsten die an derMeeresoberfläche lebenden Seevögel betroffen. Sie erleiden Verkle-bungen am Gefieder und tödliche Vergiftungen durch ölhaltigesWasser bzw. ölbehaftete Nahrung. Seitdem das Waschen von Öltanks

    im Jahre 1999 vollständig verboten und die Beseitigung ölhaltigerRückstände aus der Brennstoffaufbereitung stark beschränkt wordenist, zeichnet sich ein starker Rückgang dieser Einleitungen ab. Aller-dings lässt sich an den gemessenen Belastungen entlang der Haupt-schifffahrtsrouten erkennen, dass erhebliche Ölmengen nach wievor – illegal – in die See beseitigt werden.18

    Beträchtlich sind zudem die atmosphärischen Emissionen des See-verkehrs, die vor allem dem Einsatz schwerer, hoch schwefelhaltigersog. Bunker- und Schweröle geschuldet sind.19 Die SO

    2-Emissionen

    der Seeschifffahrt erreichen bereits 45%20 sämtlicher in der EU anLand verursachten Emissionen und werden 2010 voraussichtlich andie 75% erreichen.21 Die NO

    x-Emissionen der Seeschifffahrt werden

    bis 2010 voraussichtlich in einer Größenordnung von 68% allerlandseitigen NO

    x-Emissionen liegen.22

    Die gravierenden Folgen von Öltankerunfällen sind durch dieHavarie der Prestige wiederum augenfällig geworden. In den 10 Jahrenzuvor waren bereits drei Havarien (Braer: 1993, Sea Empress:1996, Er-ika: 1999) mit Öleinträgen von ca. 170.000 t verbunden.23 Die im-mer wieder auftretenden Unfälle führen zu schwerwiegenden loka-len Schädigungen der Meeresumwelt. So hatte die Havarie desHolzfrachters Pallas durch die Freisetzung 245 m3 schweren Heizölsden Tod von schätzungsweise 16.000 Individuen aus 35 Vogelartenzur Folge, darunter zwischen 11 und 18 % der gesamten in der Nord-see vorkommenden Bestände an Eider- und Trauerenten.24 Am Bei-spiel der Prestige ist außerdem wieder einmal deutlich geworden, wienicht nur die Meeresumwelt, sondern auch die gesamten betroffenenKüstenregionen existenziell geschädigt werden.

    Ein weiteres meeresökologisches Risiko stellt die Einschleppunggebietsfremder Arten durch das Ballastwasser von Seeschiffen dar.25

    V. Bauliche Eingriffe – Störung und Zerstörung von Habitaten

    Entgegen dem ersten Eindruck, der sich beim Blick auf das Meer ver-mitteln mag, handelt es sich bei Nord- und Ostsee keineswegs umbaulich unberührte Naturflächen. Vielmehr sind diese Meere seitLangem und in immer noch rasch zunehmendem Maße von bauli-

    Das Thema

    7 INK, Second International Conference on the Protection of the North Sea, Lon-don, 24-25.11.1987, Ministererklärung, para. 10, 11, PARCOM Recommenda-tion 88/2 of 17.6.1988 on the reduction of inputs of nutrients to the Paris Con-vention area, Nr. 10; HELCOM, Declaration on the Protection of the MarineEnvironment of the Baltic Sea Area, Helsinki, 15.2.1988, S. 3.

    8 INK, Ministererklärung der Fünften Internationalen Konferenz zum Schutz derNordsee, Bergen, 20.-21.3.2002, S. 30, Rn. 60; OSPAR-Kommission, QualityStatus Report 2000, London 2000, S. 99.

    9 Helsinki Commission (Fn. 1), S. 25 ff.; die meisten Nordseeanrainerstaatenhaben die Einträge von Cr, Cu, Ni und Zn um 50 % und die Einträge von Cd,Hg und Pb um 70 % reduzieren können.

    10 OSPAR Kommission (Fn. 1).11 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 93 in Bezug auf Cd-Konzentrationen im Wasser

    einiger Flussmündungen.12 http://www.helcom.fi/pollution/hazardous/cadmium.html13 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 67 ff.; Helsinki Commission (Fn. 1), S. 31.14 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 52 ff.; BMU, Bericht des BMU zum Schutz der

    Meeresumwelt, insbesondere der Nord- und Ostsee, Stand März 2000, S. 48 f.15 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 75 ff.; Helsinki Commission (Fn. 1), S. 34 f.16 Fn. 16 Fn. 15.17 Reineking/Fleet, in: Lozan u.a. (Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Watten-

    meer (Fn. 1), S. 235 ff.; Helsinki Kommission (Fn. 1), S. 34.18 OSPAR Kommission, (Fn. 1) S. 104; in Luftüberwachungen des Ostseerau-

    mes werden jährlich etwa 400 illegale Ölableitungen entdeckt, HELCOM(Fn. 1), S: 34.

    19 Brenk, in: Lozan u.a. (Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer (Fn. 1),S. 107 ff. (108).

    20 ENTEC, Quantifizierung der Emissionen von Schiffen in EU-Gewässern auf derGrundlage der Schiffsbewegungen im Jahr 2000, 2002, abrufbar unter www.eu-ropa.eu.int/comm/environment/air/background.htm-transport.

    21 KOM(2002) 595 endg. v. 20.11.2002, Bd. I, S. 24.22 KOM(2002) 595 endg. (Fn. 21), S. 8.23 van Bernem, Einfluss von Ölen auf marine Organismen und Lebensräumen, in:

    Lozan u.a.: Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer (Fn. 1) S. 229 ff..24 Reineking/Fleet, Einfluss von Öl auf Seevögel und Meeressäuger, in: Lozan u.a.

    (Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer (Fn. 1) S. 235 ff.25 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 104; Helsinki Kommission (Fn. 1), S. 39.

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    chen Eingriffen insb. durch Küstenbau, Bergbau, Baggergutverklap-pung, Pipelines, Kabeltrassen und nunmehr auch durch Offshore-Windenergieanlagen geprägt.26 In Ermangelung gesamtplanerischerLenkungsinstrumente sind diese Eingriffe in nahezu willkürlicherräumlicher Verteilung und ohne Rücksicht auf besondere Schutz-würdigkeiten erfolgt mit z.T. gravierenden sichtbaren Auswirkungenauf die Meeresumwelt. Maßnahmen des Küstenschutzes haben invielen Küstenregionen die Morphologie, Strömungs- und Tidenver-hältnisse und damit auch die natürlichen Habitate vieler Meerestie-re und -vögel maßgeblich verändert.27 Paradigmatisch ist insoweitder Rückgang der sog. Salzwiesen im Wattenmeer.28

    Die Problematik der baulichen Eingriffe und ihrer vielfältigen er-kennbaren oder möglichen Auswirkungen auf die Meeresumweltfindet gegenwärtig einen Kristallisationspunkt bei den Ausbau-plänen der Bundesregierung für die Nutzung der Offshore-Wind-energie (s. dazu den Beitrag von Koch/Wiesenthal in diesem Heft).

    VI. Kumulative Wirkungen und Wechselwirkungen – ökosystemareGesamtbetrachtung

    Eine wirklichkeitsnahe Ermittlung der Belastungslage setzt voraus,dass über die geschilderten unmittelbaren Effekte der einzelnen Be-lastungsfaktoren hinausgehend auch die kumulativen Wirkungender jeweils örtlich zusammentreffenden Belastungen und vor allemauch die Wechsel- und Fernwirkungen in den marinen Ökosystemenmit betrachtet werden. Letzteres ist Ziel und Gegenstand des vonWissenschaft und Politik29 gleichermaßen proklamierten »ökosyste-maren Ansatzes« des Meeresumweltschutzes.30 Als politische Maxi-me beschreibt dieser Ansatz freilich ein Ideal – nämlich ein den viel-fachen Zusammenhängen der marinen Ökosysteme angepasstesSchutzkonzept – für das die wissenschaftlichen Grundlagen nochweitgehend fehlen. Der ökosystemare Ansatz bedeutet also zunächstin erster Linie noch einen Auftrag an die Meeresforschung, die öko-systemaren Zusammenhänge und deren Wechselwirkungen mit an-thropogenen Einflüssen weiter aufzuklären. Ungeachtet der insoweitnoch sehr lückenhaften Erkenntnislage bleibt aber aufgrund der dar-gestellten unmittelbaren Belastungen auch ohne ökosystemare Be-trachtung vielfältiger evidenter Handlungsbedarf.

    B. Die zentralen Akteure und Regime des Meeresumwelt-schutzes

    Der vorstehende Überblick über die Belastungssituation der Meeremacht deutlich, dass Meeresumweltschutz unterschiedlichste Verur-sacherkreise, Sektoren und Politiken betrifft und aufgrund der glo-balen Verursachungszusammenhänge und der staatenübergreifen-den Ausdehnung der Meere in nahezu allen betroffenen Sektorenzugleich in besonderem Maße eine internationale Angelegenheit ist.Dem multilateralen Kooperationsbedarf entspricht heute ein seitdem zweiten Weltkrieg gewachsenes31 ausgeprägtes Geflecht ausvölkerrechtlichen Übereinkommen, internationalen Kooperationenund Institutionen. Neben den weltweit geltenden Übereinkommen(unten I.) wie insbesondere dem UN-Seerechtsübereinkommen von1982 (SRÜ)32 stehen dabei die speziellen regionalen Kooperationendes OSPAR-Übereinkommens33 für den Nordost-Atlantik-Raum unddes Helsinki-Übereinkommens34 (HELÜ) für den Ostseeraum (II.).Ferner trägt die Europäische Gemeinschaft, die ihrerseits Mitglieddes OSPAR- und des Helsinki-Übereinkommens geworden ist, mitihren weitreichenden Kompetenzen zugleich eine herausragendeVerantwortung für den Schutz von Nord- und Ostsee (III.). Schließ-lich verbleiben auch den Nationalstaaten durchaus relevante Hand-lungsspielräume, nicht nur bei der Instrumentenwahl, sondern par-tiell auch zur Verstärkung von Schutzzielen (IV.).

    I. Globaler Meeresumweltschutz

    Den Kern des globalvölkerrechtlichen Meeresumweltschutzes bildetdas SRÜ. Das Übereinkommen regelt die Zuständigkeiten und Be-fugnisse der Staaten auf See und bestimmt daran anknüpfend – im12. Abschnitt – auch allgemeine Pflichten zum Meeresumweltschutz.Diese Pflichten sind Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts35 undhaben bereits vor Inkrafttreten des SRÜ den Inhalt der regionalenMeeresschutzabkommen z. T. ganz maßgeblich geprägt.36 Die Staa-ten sind danach einerseits dazu verpflichtet, die Meeresumwelt zuschützen und zu bewahren (Art. 192 SRÜ). Andererseits wird ihnendas souveräne Recht gewährt, ihre natürlichen Ressourcen imEinklang mit bestimmten Umweltschutzerfordernissen zu nutzen(Art. 193 SRÜ). Teil XII des SRÜ statuiert darüber hinaus u.a. Ver-pflichtungen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung derVerschmutzung der Meeresumwelt (Art. 194), zur weltweiten undregionalen Zusammenarbeit bei der Erarbeitung von Meeresschutz-recht (Art. 197 bis 201) sowie zur ständigen Überwachung und öko-logischen Beurteilung der Meeresumwelt (Art. 204 bis 206).

    Da die Schifffahrt als traditionelle Meeresnutzung im Völkerrechteinen hohen Stellenwert genießt, andererseits aber auch schon seitLangem als wesentliche Quelle von Umweltverschmutzungen er-kannt ist, sind die völkerrechtlichen Vorgaben zur Verschmutzungdurch die Schifffahrt besonders umfangreich und detailliert. Nebenden Rechts- und Durchsetzungsbefugnissen des Küstenstaates ausArtikel 211 und 220 SRÜ verpflichtet das Übereinkommen dieStaaten auch dazu, die internationalen Regeln zur Verhinderung derVerschmutzung gegenüber den ihre Flagge führenden Schiffendurchzusetzen (Art. 217). Zudem gewährt es dem Hafenstaat Durch-setzungsbefugnisse zur Bekämpfung völkerrechtswidriger Einleitun-gen aus Schiffen auf hoher See. Aus meeresökologischer Sicht be-sonders interessant ist die Möglichkeit des Küstenstaates nach Artikel211 Abs. 6 lit a) und c) SRÜ, bei der International Maritime Organi-sation (IMO) besondere gebietsbezogene Schutzmaßnahmen zurVerhütung der Verschmutzung durch Schiffe bzw. die Ausweisungvon sog. »Besonders empfindlichen Meeresgebieten« (ParticularlySensitive Sea Areas) zu beantragen.

    Unter der Ägide der IMO steht auch das »Internationale Überein-kommen von 1973/78 zur Verhütung der Meeresverschmutzungdurch Schiffe« (MARPOL).37 MARPOL regelt die Einleitung vonSchadstoffen in die Meere für alle Seefahrzeuge einschließlichschwimmender Plattformen. Durch seine institutionelle Veranke-rung in der IMO ist MARPOL nach wie vor ein zentrales Forum und

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    26 Wirtz/Tol/Hooss, Mythos »Offene See«: Nutzungskonflikte im Meeresraum, in:Lozan u.a. (Hrsg.),Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer (Fn. 1), S. 157 ff.

    27 OSPAR Kommission (Fn. 1), S. 27 ff. 28 Vgl. dazu Reise, Grüner Wechsel im Wattenmeer, Weniger Seegraswiesen und das

    Aufkommen der Grünalgenmatten; Stock, Salzwiesenschutz im Wattenmeer, bei-de in: Lozan (Hrsg.), Warnsignale aus Nordsee und Wattenmeer (Fn. 1).

    29 Auch dem Biodiversitätsabkommen liegt eine ökosystemare Schutzkonzeptionzugrunde; Convention on Biological Diversity v. 22.5.1992, international inKraft getreten am 29.12.1993; 31 ILM 1992, 818; BGBl. 1993 II, 1742.

    30 Vgl. die Erklärung von Bergen der Fünften INK, I. S. 7; Erklärung des Gemein-samen Ministertreffens der Helsinki- und der OSPAR-Kommissionen, Bremen2003, Nrn. 6-9.

    31 Zur Geschichte Heintschel von Heinegg, The Developement of environmentalstandards for the North-East Atlantic including the North Sea, in: Ehlers/Mann-Borgnese/Wolfrum (Hrsg.), Marine Issues, 2002, S. 871 ff.; Beyerlin, Umwelt-völkerrecht, 2000, Rn. 220 ff.

    32 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1982, 21 ILM 1982,1261, in Kraft getreten am 16.11.1994; BGBl. 1994 II S. 1798.

    33 Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks v.22.9.1992, 32 ILM 1993, 1069; BGBl. 1994 II, S. 1360; international in Kraft ge-treten am 25.3.1998.

    34 Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes v.9.4.1992, BGBl. 1994 II, S. 1397.; international in Kraft getreten am 17.1.2000.

    35 Birnie/Boyle, International Law and the Environment, 2. Auflage 2002, S. 351 f.36 Beyerlin (Fn. 31), Rn. 224.37 Übereinkommen v. 2.11.1973, 12 ILM (1973), 1319; BGBl. 1982 II, 4; in der

    Fassung des Londoner Protokolls v. 17.2.1978, 17 ILM (1978), 246.

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    Motor für den Bereich des schiffsbezogenen Meeresumweltschutzes(zu einzelnen Regelungen noch unten C. IV.).

    Das 1996 überarbeitete »Übereinkommen über die Verhütung derMeeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und an-deren Stoffen« vom 29.12.197238 liegt nunmehr für beitrittswilligeStaaten zur Zeichnung offen. Während das Londoner Übereinkom-men von 1972 Einbringungsverbote für bestimmte Abfallstoffe (sog.schwarze Liste) vorsieht, ist im neuen Übereinkommen ein generellesDumping-Verbot verankert, mit Ausnahmen für bestimmte Abfall-kategorien (u.a. Baggergut, Klärschlamm, Fischereiabfälle, Schiffe undauf See errichtete Bauwerke). Außerdem verbietet das Übereinkom-men generell und weltweit die Abfallverbrennung auf See, die in derBundesrepublik bereits 1989 eingestellt worden ist.

    II. Regionale Verträge und Kooperationen zum Schutz von Nord- und Ostsee

    Das OSPAR-Abkommen von 1992 zum »Schutz der Meeresumweltdes Nordostatlantiks«, das – in Nachfolge des Paris-Abkommens zur»Verhütung der Verschmutzung vom Lande« aus von 1974 und desOslo-Abkommens zum »Schutz des Nordostatlantiks« von 1972 – am25.3.1998 international in Kraft getreten ist, hat zum Ziel, die Mee-resumwelt des Nordostatlantiks vor Risiken durch anthropogeneVerschmutzungen im Hinblick auf sämtliche Verschmutzungsquel-len zu schützen.39 Dabei sollen insgesamt das Vorsorgeprinzip unddas Verursacherprinzip angewandt werden, insbesondere dadurch,dass die (potentiellen) Emittenten schädlicher Stoffe auf die Ver-wendung der best verfügbaren Emissionsminderungstechniken ver-pflichtet werden (s. unten C. V.). Die Vertragsstaaten sind verpflich-tet, für mögliche Verschmutzungsquellen eine Genehmigungspflichteinzuführen und im Rahmen der Genehmigung die Umsetzung derbindenden Beschlüsse der Kommission sicherzustellen.

    Zentrale Funktion für die Umsetzung und Fortschreibung desÜbereinkommens kommt der OSPAR-Kommission zu, die aus Vor-sitz, zwei Komitees und neun Unterarbeitsgruppen besteht. DieKommission hat für eine völkerrechtliche Institution vergleichsweiseweitreichende Kompetenzen. Insbesondere kann sie Beschlüsse zurUmsetzung des Übereinkommens treffen, welche für alle diejenigenVertragsparteien verbindlich werden, die nicht in einer bestimmtenFrist diese Wirkung förmlich abgelehnt haben. Die Kommissionüberwacht außerdem den Vollzug der Konvention. Effektive Sankti-onsmaßnahmen für den Fall des Nichtvollzugs stehen ihr indessennoch nicht zur Verfügung. Die OSPAR-Kommission hat inzwischenvier zentrale Strategien, zu den Feldern Eutrophierung, gefährlicheStoffe, radioaktive Substanzen sowie Schutz und Erhaltung der bio-logischen Vielfalt entwickelt, beschlossen und einen Aktionsplan1998-2003 dazu erstellt.

    Das HELÜ ist das Pendant zu dem OSPAR-Übereinkommen fürden Bereich der Ostsee.40 Durch das HELÜ fanden sich die Ostsee-An-rainerstaaten erstmals 1974 zu einer Zusammenarbeit für den Schutzder Ostsee bereit. Das Abkommen erfasst – wie OSPAR – alle Ver-schmutzungstatbestände. Auch sonst ist das 1992 revidierte Übe-reinkommen sehr ähnlich beschaffen wie das OSPAR-Übereinkom-men. Es bringt Vorsorgeprinzip und Verursacherprinzip sowie denGrundsatz zur Anwendung, dass Einleitungen, die Verschmutzun-gen der Ostsee bewirken können, durch Anwendung der best ver-fügbaren Vermeidungstechnologie zu beschränken sind. In den An-hängen sind Maßnahmen zur Verminderung der wesentlichenSchadstoffeinträge festgelegt worden (Anhang III zur Verschmutzungvom Lande aus/Anhang IV für die Einleitung von Schiffsabwäs-sern/Anlage VI für Meeresbergbau/Anlage VII für die Beseitigungstarker Verschmutzungen). Seit 1992 ist auch der Arten- und Habi-tatschutz als eigenständige Aufgabe in das Handlungsprogramm desÜbereinkommens aufgenommen worden.

    Auf der gemeinsamen Ministerkonferenz im Juni dieses Jahres ha-ben die Kommissionen von OSPAR und HELÜ erstmals zusammengetagt. Diese Konferenz hat vielversprechende neue Perspektiven derKooperation, verstärkten Kohärenz und des »Zusammenwachsens«der beiden Konventionen eröffnet.

    Die Internationale Nordseeschutzkonferenz (INK) wird seit 1984 inunregelmäßigen Abständen von den für den Schutz der Nordsee je-weils zuständigen Ministern der Nordseeanrainerstaaten und Vertre-tern der EU als ständigen Beobachtern durchgeführt. Die INK ist zwarkein völkerrechtlich verfasstes Gremium, insbesondere hat sie keineeigenen Zuständigkeiten oder Rechtssetzungskompetenzen. Alsmächtigstes politisches Forum für den Nordseeschutz ist die INK je-doch zentraler Wegbereiter für Zielsetzungen, Maßnahmeprogrammeund entsprechende Beschlüsse der OSPAR-Kommission. Als zentralevon der INK beschlossene Zielsetzungen sind hervorzuheben die Min-derung der Nährstoffeinträge sowie aller toxischen und zur Bioakku-mulation neigenden Stoffe um 50% im Zeitraum von 1985 bis 1995;die Minderung der Einträge von Dioxinen, Quecksilber, Cadmiumund Blei um 70%; die Einstellung der Verwendung von PCBs und ge-fährlichen Ersatzstoffen bis 1999 sowie das sog. Generationenziel imHinblick auf die Reduzierung des Eintrages gefährlicher Stoffe. Dieaktuellen Ziele, Strategien und Maßnahmeforderungen der INK sindzusammengefasst in der sog. Bergen-Deklaration, die die Minister aufder letzten INK im März 2002 verabschiedet haben.

    Die regelmäßig auf Ministerebene tagenden trilateralen Regie-rungskonferenzen zum Schutz des Wattenmeeres erörtern fachüber-greifend die Umweltprobleme des Wattenmeeres, u.a. auf der Basisvon Zustandsberichten, in all ihren Aspekten und beschließen – inÜbereinstimmung mit den Beschlüssen von OSPAR sowie der INK –politische Maßnahmen zur Verbesserung des Zustandes des Watten-meeres. Wie die Nordseeschutzkonferenz besitzt auch die trilateraleRegierungskonferenz kein selbständiges völkerrechtliches Mandat.Obwohl die Minister also keine unmittelbar verbindlichen Beschlüssefassen können, konnten durch die Konferenzen durchaus erheblicheVerbesserungen für den Meeresumweltschutz im Wattenmeerraumerzielt werden. Große Bedeutung kommt dabei auch der weitgehendinstitutionalisierten Zusammenarbeit von Verwaltung und Wissen-schaft der Wattenmeeranrainer zu, in deren Rahmen u.a. gemeinsa-me Grundsätze und Schutzziele (Qualitätsziele) vereinbart werdenkonnten.41

    Als für den Meeresumweltschutz gleichsam sehr bedeutenderegionale Kooperationen sind schließlich die internationalen Kom-missionen zum Schutz der in die Nord- und Ostsee mündendenFlüsse zu nennen.42 Diese konnten zum Teil beachtliche Erfolge beider Verbesserung der Ökosysteme der Flüsse erzielen und damit auchzur Entlastung von Nord- bzw. Ostsee beitragen.

    III. Die Europäische Union

    Die Europäische Gemeinschaft ist, wie bereits angedeutet, der mäch-tigste und bedeutendste Akteur des Nord- und Ostseeschutzes. Dennsie umfasst mit ihren Mitgliedstaaten die überwiegende Zahl der fürdie Belastungen faktisch verantwortlichen Nationen und verfügtüber weitreichende Regelungskompetenzen in den zentralen Verur-

    Das Thema

    38 London-Übereinkommen:Text in: UNTS 932, 3.39 Dazu instruktiv Lagoni, Das OSPAR-Übereinkommen von 1992 und der Schutz

    der Nordsee: Einwirkungen auf das deutsche Umweltrecht, in: Koch/Lagoni(Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, 1996, S. 79 ff.

    40 Vgl. Ehlers, Das revidierte Helsinki-Übereinkommen in: Koch/Lagoni (Fn. 39).41 Ausführliche Darstellung bei Schütte, Der Schutz des Wattenmeeres, 2000,

    S. 76 ff.42 Informationen über die Arbeit der Flusskommissionen sowie deren rechtliche

    Grundlagen können im Internet abgerufen werden, so bspw. für die Interna-tionalen Kommissionen zum Schutz von Rhein bzw. Elbe vor Verunreinigun-gen unter: http://www.iksr.org/ (Rhein); http://www.ikse.de/ikse/deutsch/in-dex_d.htm (Elbe).

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    sachungsbereichen, so vor allem für die Bereiche der Fischerei, derfür die Eutrophierung hauptursächlichen Landwirtschaft und der fürdie Schadstoffbelastung entscheidenden Chemikalienpolitik sowiefür den Gewässerschutz. Mit den Regelungsbefugnissen auf diesenPolitikfeldern hält die EG einen »Zentralschlüssel« zum Nord- undOstseeschutz in der Hand. Gleichwohl hat sie den Schutz ihrer»Haus-Meere« bisher noch kaum als einen zentralen Steuerungsa-spekt und als eigenes Politikfeld adressiert, weder in ihrer Rechtsset-zung noch in ihren Entscheidungsgremien und Einrichtungen.43 Le-diglich in der Mitwirkung bei OSPAR und HELCOM tritt derMeeresumweltschutz auf Gemeinschaftsebene – gewissermaßen vonaußen her – als ein eigenständiges Politikfeld in Erscheinung. Auchinsoweit agiert die EG aber nicht auf der Grundlage und als Promo-tor eines integrierten Schutzkonzepts, sondern vielmehr als Verwal-terin der vielfältigen vom Meeresschutz betroffenen Interessen. Dassdie Gemeinschaft mit einer solchermaßen inkrementalen Behand-lung des Meeresumweltschutzes den vernetzten Verursachungszu-sammenhängen und ihrer besonderen Verantwortung nicht gerechtwird, ist durchaus erkannt worden. Die EU-Kommission hat daherim sechsten Umweltaktionsprogramm den Auftrag erhalten, eine ge-zielte Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumweltzu entwickeln.44

    Das im Oktober 2002 vorgelegte Konzept für eine »Strategie zumSchutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt«45 darf jedenfalls inso-weit als Fortschritt gelten, als der Meeresumweltschutz darin erst-mals als eigenes Politikfeld und als ein integraler Bestandteil der ge-meinschaftlichen Umweltschutzaufgaben behandelt wird. Indessenwerden zentrale Belastungsfaktoren wie die Landwirtschaft nur un-zureichend behandelt. Zudem spiegelt sich der Umfang des Poli-tikfeldes und die angestrebte Verankerung in den sektoralen Politi-ken nicht annähernd in der Organisation der Kommission und derVerteilung ihrer personellen Ressourcen wider.

    IV. Die nationale Ebene

    Den einzelnen Staaten obliegt es, die bindenden Beschlüsse undEmpfehlungen von OSPAR und HELCOM in die Tat umzusetzen.Nicht selten sind dabei allerdings Regelungsfelder betroffen, die wieinsbesondere die Landwirtschaft, Fischereiwirtschaft und Chemika-lienpolitik ganz wesentlich von – für die Mitgliedstaaten verbindli-chen – EU-rechtlichen und politischen Vorgaben geprägt sind.Während die internationalen Regime von OSPAR und HELCOM re-gelmäßig als Mindestschutzvorgaben zu begreifen sind und insoweitden Mitgliedstaaten weitere Maßnahmen freigestellt sind, werdenentsprechende Regelungen der EG nicht selten auf der Grundlagevon Art. 94, 95 EG als Vorschriften zur vollständigen Rechtsanglei-chung und Verwirklichung des Binnenmarktes erlassen mit der Fol-ge, dass die Mitgliedstaaten nur unter den engen Voraussetzungendes Art. 95 Abs. 4 und 5 EG zu weitergehenden Schutzmaßnahmenberechtigt sind. Dennoch haben die Mitgliedstaaten zahlreiche Mög-lichkeiten – insb. im investiven Bereich – Fortschritte für den Mee-resumweltschutz zu bewirken. Umso ernüchternder ist der Umstand,dass in der Bundesrepublik weder auf Bundes- noch auf Länderebeneoffizielle strategische Konzepte zum Meeresumweltschutz existieren.

    C. Meeresumweltschutz in den zentralen Problemfeldern

    I. Fischerei

    Die fischereiwirtschaftliche Ausbeutung der Meere ist seit jeher einprekäres Feld zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen. Im Mittel-punkt der grundliegenden völkerrechtlichen Regelungen steht dem-entsprechend die Verteilung und Abgrenzung der Nutzungsbefug-

    nisse. Die Aufteilung der fischereilichen Nutzungsrechte ergibt sichfür Nord- und Ostsee abschließend daraus, dass die ausschließlichenWirtschaftszonen der Küstenstaaten nach dem SRÜ auch das aus-schließliche Recht zur Nutzung der lebenden marinen Ressourcenbeinhalten. An das ausschließliche Nutzungsrecht des Küstenstaatesin seiner AWZ knüpft das SRÜ aber auch die allgemeine Pflicht, einedauerhafte Bewirtschaftung der Fischbestände insb. durch Fang-mengenquoten zu gewährleisten (Art. 61 Abs. 1). Diese Pflicht auf-greifend hat die Welternährungsorganisation (Food and AgricultureOrganisation – FAO) im August 1995 detaillierte Empfehlungen zueinem dauerhaften, umweltverträglichen Fischereimanagement indem sog. »Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Fischerei«46 an-genommen.

    Die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischressourcen (s. dazu aus-führlich die Beiträge von Hubold und Wolff in diesem Heft) vonNord- und Ostsee steht ganz überwiegend in der Verantwortung derEG, die aufgrund ihrer ausschließlichen Kompetenz im Bereich derFischereipolitik47 im Rahmen ihrer Gemeinsamen Fischereipolitik(GFP) die maßgeblichen Rahmenbedingungen für die Fischereiwirt-schaft in Nord- und Ostsee bestimmt. Die aktuellen oben geschil-derten Bestandsentwicklungen bezeugen, dass die Gemeinschaft die-ser Verantwortung weitgehend nicht gerecht geworden ist. Diegemeinsame »Marktordnung für Fischereierzeugnisse«48, die denFischern Mindestpreise für ihre Anlandungen garantiert, hatte – wieim Bereich der Landwirtschaft – erhebliche Überproduktionen unddie Vernichtung beträchtlicher Ressourcen zur Konsequenz. Mit derim Dezember letzten Jahres beschlossenen GFP-Reform sind zwar dieSubventionen verringert und Erschleichungswege verschlossen wor-den; nach wie vor sollen aber Mindesterlöse auch für gar nicht ab-setzbaren Fisch gezahlt werden, und trotz weiterer Maßnahmen zurBegrenzung der Fangkapazitäten bleibt es jedenfalls bis einschließ-lich 2004 auch dabei, dass der Bau und die Modernisierung vonTrailern mit EU-Mitteln gefördert werden.49 Die neue Grundverord-nung50 zur GFP erweitert zwar die Bewirtschaftungsmaßnahmenund Schutzziele für die Festlegung der Fangmengenquoten (gemäßden wissenschaftlichen Empfehlungen des ICES) deutlich.51 Dessenungeachtet hat der Rat – gewissermaßen im selben Atemzug – Fang-quoten beschlossen, die abermals weit über den Empfehlungen desICES und der Kommission liegen.52 Offensichtlich ist der Rat nichtdazu bereit und in der Lage, den Erfordernissen einer langfristigenBestandserhaltung Rechnung zu tragen. Die kurzfristigen Fangver-bote, die sodann die Kommission auf der Grundlage ihrer zeitlicheng begrenzten »Notkompetenzen« erlassen hat,53 werden diesenMangel an nachhaltiger Ausrichtung nicht kompensieren können.

    Neben der Fangmengenbegrenzung kommt den Anforderungenzu umweltschonenden Fischereitechniken, zur Vermeidung von

    Mechel/Reese , Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im Überbl ick

    43 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stellungnahme zum Konzept derEuropäischen Kommission für ein Strategie zum Meeresumweltschutz, Februar2003.

    44 Beschl. Nr. 1600/2002 v. 22.7.2002, ABl. EG Nr. L 242 v. 10.9.2002, S. 1, Art. 6Abs. 2 lit. g).

    45 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und andas Europäische Parlament, KOM(2002) 539 endg. v. 2.10.2002.

    46 http://www.fao.org/fi/agreem/codecond/german.asp.47 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.7.1976, Slg. 1976, S. 1279 ff.; Urt. v. 5.5.1981, Slg. 1981,

    S. 1045 ff.48 Verordnung (EG) Nr. 2406/96 v. 26.11.1996, ABl. EG Nr. L 334, v. 23.12.1996

    S. 1.49 Kritisch Weingärtner, TAZ vom 23.12.2002, www.taz.de/pt/2002/12/23/

    a0092.nf/text, sowie die Stellungnahme von Greenpeace unterhttp://www.greenpeace.org/multimedia/ download/1/227764/0/ GFP_posi-tion.pdf.

    50 Verordnung (EG) Nr. 2371/2002, ABl. EG Nr. L 358 vom 31.12.2002, S. 59 ff.51 Vgl. den 3. und 4. Erwägungsgrund i.V.m. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr.

    2371/2002, Fn. 50.52 Verordnung (EG) Nr. 2341/2002 v. 20.12.2002, ABl. EG Nr. L 356 v.

    31.12.2002, S. 12.53 Verordnung (EG) Nr. 677/2003 v. 14.4.2003, ABl. EU Nr. L 97 v. 15.4.2003, S. 31.

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    Beifängen und zu Schongebieten und Schonzeiten erhebliche Be-deutung zu. Bei respektablen Verbesserungen im Regelwerk bleibtdieser Bereich aufgrund schwacher Einhaltungskontrollen allerdingsvon erheblichen Vollzugsmängeln geprägt.54

    II. Eutrophierung

    Die OSPAR-Kommission, die INK-Minister und die EU-Kommissionhaben sich zum Ziel gesetzt, bis 2010 eine eutrophierungsfreieMeeresumwelt zu erreichen.55 Zentrale Hürde sind dabei – wie schonoben geschildert – die Stickstoffeinträge aus der landwirtschaftlichenDüngung.

    Auch hinsichtlich der Eutrophierung erweist sich eine zu schwacheEU Politik einmal mehr als das wesentliche Hindernis für einen wirk-samen Meeresumweltschutz. Zwar hat sich die EU im Einklang mitden völkerrechtlichen Vorgaben dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2010eine eutrophierungsfreie Meeresumwelt zu erreichen. Nachdem dieNährstoffeinträge aus der Abwasserbehandlung und aus der Luft be-reits merklich verringert werden konnten, setzt dies nunmehr einebedeutende Reduzierung der Nährstoffeinträge aus diffusen landwirt-schaftlichen Quellen voraus. Durch ihre verfehlte Subventionspolitikfördert die GAP jedoch seit jeher die landwirtschaftliche Intensivpro-duktion und erschwert es dadurch den Mitgliedstaaten, agrarbezoge-ne Maßnahmen, die auf eine Verminderung der Produktion gerichtetsind, zu ergreifen und durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund er-klären sich auch die eklatanten Vollzugsdefizite56 der Nitrat-Richtli-nie,57 die gerade auf die Reduzierung der Nährstoffeinträge aus derlandwirtschaftlichen Düngung abzielt. Eine Agrarreform des Umfan-ges, der für einen wirksamen Schutz der Meeresumwelt vor den Fol-gen der Eutrophierung erforderlich gewesen wäre, konnte jedoch aufder jüngsten Sitzung des Agrarministerrates abermals nicht verab-schiedet werden.58 Vor allem ist die vereinbarte Modulationsrate vonlediglich 5 % unzureichend, um wirksame Rahmenbedingungen füreine nachhaltige Landwirtschaft zu schaffen. Prekäre Folgen hat diesinsbesondere für die Meeresumwelt der Ostsee, da viele ihrer Anrai-nerstaaten in Zukunft der EU beitreten werden und damit der räum-liche Geltungsbereich der GAP beträchtlich erweitert wird.59

    Weitere Reduzierungen der Nährstoffeinträge aus anderen Quel-len können auch in den Bereichen der Abwasserbehandlung undder Seeschifffahrt erreicht werden. Die bereits erzielten Erfolge beider Verminderung der Einträge aus Abwasserbehandlungsanlagensind maßgeblich auf die Umsetzung der Abwasserbehandlungs-Richtlinie der EU zurückzuführen. Dennoch bestehen diesbezüglichnoch immer Defizite.60 Insbesondere die Anwendung der Richtliniein den Beitrittsstaaten, denen z. T. sehr lange Umsetzungsfristeneingeräumt wurden, lässt eine weitere bedeutende Verminderungerwarten. Zur Reduzierung der NOx-Emissionen des Seeverkehrs hatdie Kommission jüngst mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, dar-unter die Verschärfung einschlägiger IMO Standards sowie die Er-hebung einer NOx-Gebühr als finanzielles Anreizinstrument.61

    Auch die künftig geltenden strengeren Abgasstandards des Straßen-verkehrs62 stellen weitere Reduzierungen der atmosphärischenNOx-Einträge in Aussicht.

    III. Schadstoffkontamination

    Das bereits erwähnte (B. II.), von der INK initiierte und von OSPARund HELCOM übernommene »Generationenziel« hat zum Inhalt, dieEinleitungen, Emissionen und Verluste gefährlicher Stoffe in die Mee-resumwelt kontinuierlich zu reduzieren und schließlich bis zum Jahre2020 vollständig zu unterbinden. Dadurch sollen Konzentrationendieser Substanzen in der Meeresumwelt erreicht werden, die bei natür-lich vorkommenden Stoffen den Hintergrundwerten entsprechen undbei anthropogenen synthetischen Substanzen nahe Null liegen.63 Um

    dieses Ziel zu verwirklichen, sollen wiederum die besten verfügbarenTechnologien bzw. besten Umweltpraktiken verwendet werden. Fernersoll das Substitutionsprinzip dahingehend zur Anwendung gebrachtwerden, dass die schädlichen Substanzen möglichst durch unschäd-liche ersetzt werden.64 Falls beste Techniken nicht ausreichen, um dieStoffeinträge zu beenden und Ersatzstoffe nicht zur Verfügung stehen,werden aber auch (weitere) Stoffverbote verhängt werden müssen. DerGenerationenverpflichtung unterliegen diejenigen Stoffe, die von derOSPAR- und der Helsinki-Kommission als Stoffe für prioritäre Maß-nahmen identifiziert und auf die entsprechenden Prioritätenlisten ge-setzt wurden.65 Weitere sog. Kandidatensubstanzen66 werden in Zu-kunft Eingang in die Prioritätenlisten finden, wenn sie aufgrundfortlaufender meeresschutzbezogener Bewertungsverfahren als beson-ders gefährlich eingestuft werden.

    Die EU trägt mit ihrer Gewässerschutzpolitik und ihrer Chemika-lienpolitik eine zentrale Verantwortung für die Umsetzung des Ge-nerationenziels sowie allgemein für die Entlastung der Meere vonSchadstoffeinträgen. Die zentrale Wasserrahmenrichtlinie67 be-stimmt denn auch in ihrem Art. 16, dass die Kommission Maßnah-mevorschläge unterbreiten soll, die nach Annahme durch dasEuropäische Parlament und den Rat ergriffen werden sollen, um Ein-leitungen, Emissionen und Verluste der als prioritär gefährlich be-werteten Stoffen innerhalb von 20 Jahren zu beenden. Die Frist zurBeendigung der Einleitung reicht damit freilich – je nach dem, wanndie Maßnahmevorschläge erfolgen und angenommen werden –mehr oder weniger weit über das Jahr 2020 hinaus. Außerdem bleibtdie EU auch insoweit hinter den Vorgaben von OSPAR und HEL-COM zurück, als die von Rat und Europäischem Parlament be-schlossene Liste der prioritären Stoffe68 nicht vollständig die Prio-ritätenlisten von OSPAR und HELCOM abdeckt.69

    Im Übrigen bietet aber das der Wasserrahmenrichtlinie zugrunde-liegende Konzept der integrierten Bewirtschaftung von Flussein-

    Das Thema

    54 Hubold, Fishery and Sustainability, in: Ehlers u.a. (Fn. 31), S. 187 ff., S. 190;Yankow, Reflagging of Fishing Vessels, in: Ehlers u.a. (Fn. 31), S. 195 ff.

    55 OSPAR, Strategy to Combat Eutrophication, Ref. Nr. 1998-18, Punkt 4.1 lit. d);deutschsprachige Fassung: http://www.bmu.de/sachthemen/gewaesser/gewa-esserstadt/pdf/ospar_strategy3_ eut.pdf; INK, Fünfte Internationale Konferenzzum Schutz der Nordsee – Ministererklärung, Bergen, 20.-21.3.2002, Nr. 62Abs. i); . KOM(2002) 539, S. 22, Ziel 5. .

    56 Zu den Mitgliedstaaten, die wegen unzureichender Umsetzung der Richtlinievom EuGH verurteilt wurden, gehört auch die Bundesrepublik Deutschland:EuGH, U. v. 14.3.2002, Slg. 2002, I-5959. Nach Angaben der Kommission hatsich die Umsetzungsbereitschaft der Mitgliedstaaten innerhalb der zurücklie-genden zwei Jahre verbessert. KOM(2002) 407 endg. v. 17.7.2002.

    57 Richtlinie 91/676/EWG v. 12.12.1991, ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1991, S. 1.58 Protokoll der Sitzung des Ministerrates Landwirtschaft- und Fischerei v. Juni

    2003: http://www.consilium.eu.int/pressData/en/agricult/76151.pdf; Presseer-klärung der Kommission IP/03/898 v. 26.6.2003.

    59 HELCOM, Ministerial Declaration, Bremen, 25.6.2003, Überschrift III, Nr. 5.60 Vgl. den Bericht der Kommission zum Stand der Umsetzung der Richtlinie am

    31.12.1998; abrufbar unter: http://www.europa.eu.int/comm/environment/water/water-urbanwaste/report2/2001_1669_de.pdf.

    61 KOM(2002) 595 endg. (Fn. 21); S. 6, 11.62 Richtlinie 98/69/EG v. 13.10.1998, ABl. EG Nr. L 271 v. 21.10.1998, S. 47; Richt-

    linie 1999/96/EG v. 13.12.1999, ABl. EG Nr. L 44 v. 16.02.2000, S. 155.63 Diese Schutzmaxime wurde anlässlich der Vierten INK im Jahre 1995 (INK, Mi-

    nisterial Declaration of the Fourth International Conference on the Protectionof the North Sea, Esbjerg 8.-9.6.1995, Nr. 17) vereinbart und von der OSPAR-und der Helsinki-Kommission aufgegriffen.

    64 OSPAR, Strategy with Regard to Hazardous Substances, Ref. Nr. 1998-16, Nrn.1 und 4 sowie Nr. 2.1; HELCOM Recommendation 19/5 v. 26.3.1998, Begrün-dungserwägungen Nrn. 4 und 12 sowie Nr. 1 der Anlage.

    65 Anhang 3 der HELKOM-Empfehlung 19/5 qualifiziert insgesamt 45 Stoffe bzw.Stoffgruppen als Substanzen für sofortige prioritäre Maßnahmen; Anhang IIder OSPAR Strategy with Regard to Hazardous Substances enthält insgesamt 15Stoffe bzw. Stoffgruppen für sofortige prioritäre Maßnahmen.

    66 Anhang 2 der HELKOM-Empfehlung 19/5; Anhang III der OSPAR Strategy withRegard to Hazardous Substances.

    67 Richtlinie 2000/60/EG v. 23.10.2000, ABl. EG Nr. L 327 v. 22.12.2000, S. 1.68 Entscheidung Nr. 2455/2001/EG ABl. EG Nr. L 331 v. 15.12.2001, S. 1.69 S. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Stellungnahme zum Konzept der

    Europäischen Kommission für eine gemeinsame Meeresschutzstrategie, Februar2003, S. 5 f.

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 326

  • 327ZUR 5/2003

    zugsgebieten prinzipiell ein fortschrittliches Bewirtschaftungsinstru-ment mit der Möglichkeit zur weiträumigen Berücksichtigung allergewässerrelevanten Schadstoffquellen – insbesondere auch im Hin-blick auf die Schutzbelange der Meeresumwelt. Die Anforderungen,die aufgrund der Richtlinie an den »guten chemischen Zustand« derOberflächengewässer gestellt werden, gelten auch für Küstenge-wässer. Der Begriff umfasst die Oberflächengewässer, die sich eineSeemeile seewärts der Basislinie befinden, von der aus die Breite derHoheitsgewässer gemessen wird. Über diesen unmittelbaren Gel-tungsbereich hinaus entfaltet die Richtlinie aber auch Schutz-wirkungen für die Meeresumwelt jenseits der 1-Seemeilen-Linie. Dasintegrierte Flussgebietsmanagement könnte damit zukünftig durch-aus eine wesentliche Säule des gemeinschaftlichen Meeresumwelt-schutzes bilden.70

    Auch im Rahmen der Chemikalienpolitik kommt es darauf an,vom Menschen erzeugte Stoffe mit (potenziell) schädlichen Wirkun-gen auf die Meeresumwelt möglichst zu verbieten oder zumindest aufunbedenkliche Anwendungen zu beschränken. Insoweit bietet sichmit der geplanten Reform des EU-Chemikalienrechts und dem dazuvon der EU-Kommission entworfenen REACH-System71 zur Kon-trolle von Industriechemikalien eine Chance, auch die Meeres-umweltverträglichkeit unmittelbar zum verbindlichen Maßstab derChemikalienzulassung zu erheben. Eine Prüfung unter dem Ge-sichtspunkt der Meeresumweltverträglichkeit erscheint allerdingsüber den Anwendungsbereich des REACH-Systems hinaus auch fürden Bereich der Biozide, Pestizide und Pharmastoffe erforderlich.

    IV. Schifffahrt

    Gegenüber den Belastungen und Unfallrisiken aus der Schifffahrtkommt es in erster Linie darauf an, die Sicherheit des Schiffsverkehrsvor allem von Öltankern zu erhöhen, die Vorschriften über Einlei-tungen und Emissionen zu verschärfen und vor allem deren Einhal-tung besser zu überwachen (siehe dazu im Einzelnen den Beitrag vonEhlers in diesem Heft). Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffs-sicherheit betreffen insbesondere– bauliche und technische Ausrüstungsanforderungen an die See-

    schiffe wie insb. Doppelhüllenkonstruktion bei Tankschiffen,– Anforderungen an den Schiffsbetrieb und die Ausbildung der Ka-

    pitäne und Seeleute,– die Verbesserung der Navigation durch weiträumige Trennung

    von Seewegen, moderne Verkehrsüberwachungs- und Leitsysteme,verbindliche Lotsen- und Schlepperdienste für sensible Bereichesowie Notliegeplätze,

    – Unfallhilfe und Schadensbekämpfung insbesondere durch verbes-serte länderübergreifende Koordination,

    – Einhaltungskontrollen und Überwachung des Schiffsverkehrs so-wie Sanktionen für Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen,

    – Haftung und Entschädigung.Erhöhte Sicherheitsauflagen sowie verschärfte Kontrollen begeg-

    nen regelmäßig der Schwierigkeit, dass derlei Einschränkungen derfreien Seeschifffahrt nach dem einschlägigen Völkerrecht, insbeson-dere dem Flaggenstaatsprinzip des rahmensetzenden SRÜ, ohne Zu-stimmung der internationalen Vertragsgemeinschaften nur einge-schränkt zulässig sind und die Bereitschaft zu durchgreifendenMaßnahmen nicht bei allen Staaten vorhanden ist.72 Um beispiels-weise die technisch überfällige doppelwandige Bauweise von Tank-schiffen lückenlos durchzusetzen, bedarf es entsprechender interna-tionaler Vereinbarungen, die im Rahmen von MARPOL zwar auchgefasst worden sind, allerdings nur mit sehr großzügigen Über-gangsfristen und Ausnahmebestimmungen. Eine räumlich be-schränkte Möglichkeit für weitergehende Beschränkungen und Ver-bote für Einhüllentanker bietet die Ausweisung sog. ParticularlySensitive Sea Areas (PSSA), die zwar ebenfalls der internationalen Zu-

    stimmung durch die IMO bedarf, allerdings dort auf weniger Wider-stände stoßen dürfte als globale Beschränkungen. Die Handlungs-spielräume einzelner Staaten wie auch der EU beschränken sich dem-gegenüber darauf, für ihre Häfen Anlaufverbote für Seeschiffe zubestimmen, die den Stand der Sicherheitstechnik nicht erfüllen.

    Maßnahmen zur Reduktion der »betriebsbedingten« Einleitungenbeinhalten nach den einschlägigen Vorschriften des MARPOL-Über-einkommens insbesondere– Einleitungsverbote für Öl (Anlage 1 des MARPOL-Überein-

    kommens),– Einleitungsverbote und Beschränkungen für sonstige umweltge-

    fährdende Stoffe (Anlage 2 und 3 des MARPOL-Übereinkommens),– Einleitungsverbote für Schiffsabwässer (Anlage 4 des MARPOL-

    Übereinkommens)– Anforderungen an die Entsorgung zur Verhütung von Ver-

    schutzungen durch Schiffsmüll (Anlage 5 des Übereinkommens)– die verbindliche Bereitstellung von Auffang- und Entsorgungsein-

    richtungen in den Häfen.Die EU hat zur Umsetzung dieser MARPOL-Anforderungen mit der

    Richtlinie 2000/59/EG73 u.a. vorgeschrieben, dass in allen Häfen derMitgliedstaaten Auffangeinrichtungen für Schiffsabfälle bereitzustel-len und von den Schiffen, die die Gemeinschaftshäfen anlaufen,auch zwingend in Anspruch zu nehmen sind. Nach der Richtlinieüber Hafenstaatkontrollen sind bei stichprobenartigen InspektionenÖl- und sonstige Tagebücher zu überprüfen und ggf. weitere Prüfun-gen vorzunehmen, wenn diese Bücher nicht lückenlos die legale Ent-sorgung dokumentieren. Damit will die EU der größten Schwach-stelle des MARPOL-Regimes begegnen, die im mangelnden Vollzug,d.h. illegalen Einleitungen und fehlenden Kontrollen, liegt. DieseSchwachstelle hat schließlich auch der Kommissionsvorschlag füreine »Richtlinie über die Meeresverschmutzung durch Schiffe unddie Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sank-tionen, für Verschmutzungsdelikte«74 im Visier, mit der die Mit-gliedstaaten insbesondere zur einheitlichen Einführung präventivwirksamer Sanktionen veranlasst werden sollen.

    V. Bauliche Eingriffe

    Gegenüber den verschiedenartigen baulichen Eingriffen in die Mee-resumwelt soll nach den Grundprinzipien von OSPAR und HELCOMeine Verminderung nachteiliger Auswirkungen nach dem Stand derbest verfügbaren Techniken angestrebt werden. Grundvoraussetzungeiner solchen Vermeidungsstrategie ist, dass die zu erwartenden undzu vermeidenden Auswirkungen möglichst weitgehend bekannt sind.Für die Ermittlung der Umweltauswirkungen bietet die Umweltver-träglichkeitsprüfung (UVP) gemäß der Richtlinie 85/337/EWG in derFassung der Änderungsrichtlinie 97/11/EG eine respektable, wenn-gleich verbesserungsfähige Basis. Zwar ist die UVP-Richtlinie mitihrem ausschließlich vorhabenbezogenem Geltungsbereich prinzipi-ell auch auf See und auch in der AWZ anzuwenden bzw. umzuset-zen.75 Allerdings schreibt sie nicht für alle meeresschutzrelevantenVorhaben zwingend eine UVP vor. Beispielsweise werden unterseei-sche Kabel in den Anhängen der UVP-Richtlinie nicht erwähnt. FürOffshore-Windkraftanlagen sieht die UVP-Richtlinie ebenfalls keinezwingende UVP vor. Dieser Umstand wird für Deutschland allerdingsdadurch gemildert, dass das deutsche UVPG die Windkraftparks zu-mindest ab einer Zahl von 6 Anlagen einer UVP-Vorprüfung und ab

    Mechel/Reese , Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee im Überbl ick

    70 So die Kommission in ihrem Entwurf für eine Meeresschutzstrategie (Fn. 45),Tz. 36 sowie 8.1 – Maßnahme 5.

    71 Siehe dazu das Weißbuch der Kommission, KOM(2001) 88 endg. v. 27.2.2001.72 Ehlers in diesem Heft; s.a. Werbke, Schiffskontrollen auf See, in: Koch/Lagoni

    (Fn. 39), S. 181 ff.73 Richtlinie v. 27.11.2000, ABl. EG Nr. L 332 v. 28.12.2000, S. 81.74 KOM(2003) 92 endg. v. 05.03.2003.75 Jarass, Naturschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, 2002, S. 49.

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 327

  • ZUR 5/2003328

    20 Anlagen der vollen UVP-Pflicht unterwirft. Keine UVP-Verpflich-tung gilt nach der UVP-Richtlinie ferner für den marinen Sand- undKiesbau sowie für Aufschüttungen (z.B. aus Baggergut). Hier überläs-st es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, nach Art. 4 Abs. 2 i.V.m. An-hang II Schwellenwerte und Kriterien wie beispielsweise Senkung-stiefen und Flächenbedarf zu bestimmen (s. für D die VO über dieUmweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben).

    Um den in der UVP ermittelten Risiken und Schutzerfordernissenangemessen Rechnung tragen zu können, bedarf es eines effektiven,maßgeblich auch an die Bedingungen des Meeresumweltschutzes ge-knüpften Zulassungsvorbehalts. Ein dahingehendes meeresspezifi-sches Anlagenzulassungsrecht fehlt jedoch noch weitgehend.

    Das Anlagenzulassungsrecht der EG erfasst mit der IVU-Richtli-nie76 allein die bedeutenden landseitigen Industrieanlagen aber kei-ne der relevanten Offshore-Tätigkeiten. Von daher fehlt ein gemein-schaftsrechtliches Gebot, Bohrinseln, Abgrabungen, Deichungen,Windkraftanlagen und ähnliche Vorhaben einem Genehmigungs-vorbehalt zu unterwerfen. Einen vorhabenbezogenen Meeresum-weltschutz verlangt das Umweltrecht der Gemeinschaft allein imRahmen der Natura-2000-Reservate, soweit darin gemäß FFH- undVogelschutzrichtlinie Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele un-zulässig sind (dazu noch unten D).

    In Deutschland gelten unterschiedliche Regeln einerseits landwärtsund andererseits seewärts der 12-Meilen-Zone. Im Küstenmeer findetdas gleiche Genehmigungsrecht Anwendung wie für Anlagen anLand. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz i.V.m. Nr. 1.6 der 4. BImSchV bedürfen folglich Windfarmen mit drei bis fünf Anlageneiner vereinfachten und mit sechs oder mehr Anlagen einer vollum-fänglichen Genehmigung nach dem BImSchG. Im Rahmen dieser Ge-nehmigung sind ferner die relevanten Vorschriften des Bauordnungs-rechts und sonstige einschlägige Bestimmungen des Bundes- undLandesrechts, insbesondere auch die naturschutzrechtliche Eingriffs-regelung, zu beachten. Für Anlagen zum Aufsuchen, Gewinnen undAufbereiten von Bodenschätzen sowie für Unterwasserkabel, Transit-Rohrleitungen und Forschungshandlungen (die so genannten Anla-gen des Bergwesens) gilt wie im Küstenmeer auch auf dem gesamten– mit der AWZ identischen – Festlandsockel der Bundesrepublik dasBundesberggesetz mit seiner spezifischen bergrechtlichen Betriebs-planpflicht.77 Für Anlagen, die nicht dem Bergwesen zugehören undder Energieerzeugung aus Wind, Wasser oder Strömung oder anderenwirtschaftlichen Zwecken dienen (relevant sind de facto heute nur dieWindkraftanlagen), gilt in der AWZ ausschließlich die Seeanlagenver-ordnung mit dem bereits oben zum Beispiel der Windkraftanlagen be-schriebenen gebundenen Genehmigungstatbestand.

    Dieses sehr heterogene Zulassungsrecht erfasst und unterstelltzwar nahezu lückenlos alle relevanten Nutzungen einer staatlichenpräventiven Kontrolle. Im Übrigen bestehen jedoch erheblicheDefizite, die auch eine effiziente Durchsetzung der Meeresschutzbe-lange erschweren. Insbesondere erweist sich das Fehlen eines beson-deren, einheitlichen Genehmigungsrechts für marine Anlagen alsgroßes Defizit.78 Im Hinblick auf das spezifische Problemfeld Meeres-umweltschutz, die besonderen Konfliktfelder im Küstenmeer, denzunehmenden Nutzungsdruck durch Windkraftanlagen und eineeffiziente Zentrierung der Zulassungsverfahren erscheint dieses zer-splitterte, unspezifische Genehmigungsrecht für die Regulierung vonVorhaben im Küstenmeer in hohem Maße inadäquat. Zu Recht wirddaher die Schaffung eines spezifischen Genehmigungstatbestandsund Anforderungsprofils gefordert,79 die der Sachnähe entsprechendin einem eigenen Abschnitt des WHG entwickelt werden könnten.Aufgrund der weitreichenden Zusammenhänge und Wechselwir-kungen und der komplexen Integrationsaufgabe müssen im Prinzipähnliche Bewirtschaftungsgrundsätze Platz greifen wie gegenüberder Gewässerbenutzung auf dem Festland. Die Integration der un-terschiedlichen Nutzungsansprüche kann freilich auch auf der Basis

    eines vorhabenbezogenen Bewirtschaftungsermessens nicht adäquatgeleistet werden, wenn keine übergreifende Bewirtschaftungspla-nung existiert. Damit ist schließlich ein ganz zentrales allgemeinesSteuerungsdefizit des Meeresumweltschutzes angesprochen, das Feh-len einer marinen Gesamtplanung.

    D. Bereichsübergreifende Maßnahmen, insbesondere Schutz-gebiete und Meeresraumplanung

    Da die tatsächliche Belastung der Meeresumwelt regelmäßig nichtdurch einzelne, sondern durch die Summe der örtlich zusammentref-fenden Belastungsfaktoren bestimmt wird und zudem maßgeblichvon den spezifischen lokalen Empfindlichkeiten abhängt, muss einwirksames Schutzkonzept auch gebietsbezogene Schutzmaßnahmeneinschließen, die dem jeweiligen örtlichen Schutzbedarf gegenübersämtlichen anthropogenen Beeinträchtigungen und Nutzungsan-sprüchen Rechnung tragen. Die Gemeinsame Ministerkonferenz vonOSPAR und HELCOM hat insoweit den Gebietsschutz als zentrales In-strument hervorgehoben und bekräftigt, die Entwicklung eines um-fangreichen kohärenten Schutzgebietsnetzes rasch voranzutreiben.Um aber auch außerhalb der Reservate die Belastungen durch die zahl-reichen Nutzungsansprüche möglichst verträglich zu halten, bedarf eszusätzlich zum Schutzgebietsnetz zwingend einer marinen Raumpla-nung, die die konfligierenden Belange von Meeresnutzung und Meer-esschutz abwägend und effizient räumlich koordiniert, insbesonderedurch die möglichst weitgehende Bündelung potenziell störender Nut-zungen auf eher unsensiblen Meeresflächen.

    Was zunächst den Stand des Reservatenschutzes betrifft, so belegenBeispiele wie vor allem das Wattenmeer, dass durch Gebietsschutzbe-stimmungen große Erfolge und Akzeptanzgewinne für den Mee-resumweltschutz auch im Konsens mit betroffenen Nutzergruppenerreicht werden können. Allerdings steht die Umsetzung des eu-ropäischen Gebietsschutzkonzepts Natura 2000 gemäß FFH- undVogelschutzrichtlinie vor allem in der AWZ immer noch aus. Die Ge-bietsmeldungen der zuständigen Bundesländer für ihre Küstenmeeresind zwar bereits erfolgt, werden jedoch zum Teil als stark ergän-zungsbedürftig beurteilt.80 Für die AWZ hat die zuständige Bundesre-gierung noch gar keine Schutzgebiete gemeldet. Nachdem das Bun-desamt für Naturschutz der Bundesregierung Vorschläge zurGebietsauswahl unterbreitet hat, soll nun bis Ende dieses Jahres nachKabinettsabstimmung und Beteiligung der betroffenen Kreise dieMeldung erfolgen.81 Vorerst bleibt aber das kohärente Schutzgebiets-netz (auch) für die Nord- und Ostsee noch Vision. Das Gleiche gilt fürdie marine Raumplanung, obwohl sie von den Fachkreisen schonlange nahezu einstimmig gefordert wird.82 Das sog. integrierteKüstenmanagement, mit dem die betroffenen Regionen auf freiwilli-ger Basis Koordinierungsforen für die Bewirtschaftung der Küstenzo-nen eröffnet haben, kann für eine verbindliche rechtliche Raumord-nung keinen Ersatz schaffen. Das zeigt u.a. die Diskussion um dengeplanten Ausbau der Offshore-Windenergie. Ohne planerische Ord-nung droht eine nahezu willkürliche Streuung der Anlagenparks überdie gesamte deutsche AWZ.

    Das Thema

    76 Richtlinie 96/61/EG v. 24.9.1996 über die integrierte Vermeidung und Ver-minderung von Umweltverschmutzungen, ABl. EG Nr. L 257 v. 10.10.1996 S. 26.

    77 Vgl. Kühne, Regulierung der Rohstoffgewinnungstätigkeit im Seegebiet, in:Koch/Lagoni (Fn. 39).

    78 Zimmermann, DÖV 2003, S. 133 ff. (140).79 Fn. 78.80 Vgl das Hintergrundpapier des NABU vom November 2002 –

    http://www.nabu.de/naturschutz/nabu-meeresschutzgebietskonzept.pdf.81 Siehe BMU Pressemeldung Nr. 109/03 – Deutschland weist erste Meeresschutz-

    Gebiete aus.82 S. z.B. Ergbuth, Wahrung möglicher Belange der Bundesraumordnung in der

    Ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland, Rechts-gutachten im Auftrag des BMVBW, November 2002 (unveröffentlicht).

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 328

  • 329ZUR 5/2003

    E. Bilanz und Ausblick

    Trotz mancher deutlich spürbarer Entlastungen, die bis heute vorallem durch die starke Verminderung der direkten Stoffeinleitungenaus Industrie- und Kläranlagen erreicht werden konnten, ist der Bela-stungsdruck aus Fischerei, Schifffahrt, Schadstoff- und Nährstoffein-trägen sowie baulichen Nutzungen nach wie vor immens. Weitere es-sentielle Entlastungen lassen sich dabei meist nicht mehr allein mittechnischen Verbesserungen erreichen, sondern erfordern durchgrei-fende strukturelle Veränderungen, integrierte Handlungskonzepteund intensive internationale Zusammenarbeit. Die regionalen Ko-operationen durch OSPAR und HELCOM erweisen sich dabei alswichtige Protagonisten und Vorreiter des Meeresumweltschutzes. DieUmsetzung anspruchsvoller Schutzziele, -strategien und -maßnah-men liegt freilich ganz überwiegend in der Verantwortung der EU.Von den strukturellen Veränderungen, die vor allem in der Gemein-samen Fischereipolitik und Agrarpolitik – nicht allein aus Gründendes Umweltschutzes – dringend erforderlich wären, sind die Gemein-schaft und ihre Mitgliedstaaten allerdings noch um Einiges entfernt.

    allgemeinen Verpflichtung des Art. 192 SRÜ zur Berücksichtigung die-ser Belange ist die Ausweisung und Einrichtung sog. Marine ProtectedAreas5 oder mariner Schutzgebiete.

    Nach Art. 55 SRÜ unterliegt die AWZ einer (in Teil V des SRÜ festge-legten und durch weitere Vorschriften ergänzten) »besonderen Rechts-ordnung«. Das bedeutet auch, dass der Küstenstaat, der sich für die förm-liche Erklärung einer AWZ entscheidet, das gesamte Rechtsregime derAWZ anerkennt und umzusetzen hat. Die Bundesrepublik Deutschlandhat mit der Proklamation vom 25. November 19946 ihren Anspruch aufdie AWZ umgesetzt. Die partielle Umsetzung nur des Nutzungsregimesohne das Schutzregime, v.a. des Teils XII des SRÜ, wäre völkerrechts-widrig (und im Übrigen auch europarechtswidrig und verfassungs-widrig)7. Kurz gesagt: Wer die AWZ nutzt, muss sie auch schützen.

    II. Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas) in der AWZ

    1. Völkerrechtliche Definition

    MPAs können – aus völkerrechtlicher Sicht – kurz definiert werden8

    als geographisch festgelegte marine Gebiete (in drei Dimensionen),

    Czybulka, Meeresschutzgebiete in der Aussch l ieß l i chen Wirtschaftszone (AWZ)

    1 Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspfle-ge und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG) vom 25.März 2002 (BGBl. I S. 1193).

    2 Vom 10. Dezember 1982 (BGBl. 1994 II S. 1799).3 Vgl. Art. 76 SRÜ, von einer näheren Differenzierung wird aus Platzgründen ab-

    gesehen.4 Vgl. D. Czybulka, Naturschutzrecht im Küstenmeer und in der Ausschließlichen

    Wirtschaftszone, NuR 1999, 562 ff.; D. Czybulka/ P. Kersandt, Rechtsvorschrif-ten, rechtliche Instrumentarien und zuständige Körperschaften mit Relevanzfür marine Schutzgebiete („Marine Protected Areas«/MPAs) in der Ausschließ-lichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf Hoher See des OSPAR-Konventionsge-bietes, BfN-Skripten 27, Bonn-Bad Godesberg 2000, im Internet unterhttp://www.bfn.de/09/awz.pdf.

    5 Zur Definition des MPA siehe gleich unten II. 1.6 BGBl. II S. 3769.7 Czybulka (Fn. 4), 562, 564 f. unter 4 a) und 4 b).8 Czybulka/ Kersandt (Fn. 4), S. 29; dies., Rechtliche Rahmenbedingungen, in:

    Lozán/ Rachor/ Reise/ Sündermann/ von Westernhagen (Hrsg.), Warnsignale ausNordsee & Wattenmeer, Hamburg 2003, S. 374 ff., 380.

    Friederike Mechel, LL.M.,

    Wissenschaftliche Referentin Forschungsstelle Umweltrecht am Fachbereich

    Rechtswissenschaft, Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1, Flügel

    West, 20146 Hamburg; Associate bei der International Max-Planck Research

    School for Maritime Affairs, Hamburg.

    Tätigkeitsschwerpunkte: EU und Nationales Umweltrecht, Meeresumwelt-

    schutzrecht

    Dr. Moritz Reese,

    Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sachverständigenrat für Umweltfragen,

    Reichpietschufer 60, 10785 Berlin.

    Aktuelle Veröffentlichungen: Die Urteile des EuGH zur Abgrenzung von ener-

    getischer Verwertung und thermischer Behandlung zur Beseitigung, ZUR

    2003, S. 217 ff.; gemeinsam mit H.J. Koch: Fehlt dem Dosenpfand die

    Ermächtigungsgrundlage?, NVwZ 2002, S. 1420 ff.; Die Gewerbeab-

    fallverordnung, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Dokumentation der

    Sondertagung vom 27.6.2003 (im Erscheinen).

    Das Völkerrecht ermöglicht die Berücksichtigung von (Natur-)Schutzanforde-rungen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) durch die Einrichtungso genannter Marine Protected Areas (MPAs). Das Europäische Gemeinschafts-recht, aber auch regionale völkerrechtliche Vereinbarungen können die Einrich-tung von Meeresschutzgebieten erzwingen. Das BNatschGNeuregG 20021 hatden erforderlichen Schritt zur Anpassung des marinen an den terrestrischenNaturschutz nicht vollzogen. Der Beitrag zeigt die maßgeblichen gemein-schaftsrechtlichen und nationalen Regelungen zu den Meeresschutzgebieten inder AWZ und den gegenwärtigen Stand bei der Einrichtung eines Schutzgebiets-systems im Rahmen von Natura 2000. Außerdem zeigt er beispielhaft einige nor-mative Defizite auf, die der Etablierung eines marinen Schutzgebietssystems inder (deutschen) AWZ noch entgegenstehen. Es fehlt überdies ein taugliches Pla-nungssystem, um mittelfristig unterschiedliche Nutzungs- und Schutzansprüchezu koordinieren. Das Völkerrecht, das Europarecht und die Verfassung lassen einemodifizierte Raumplanung im Meer zu.

    A. Einleitung

    I. Der besondere Rechtsstatus der AWZ

    Die Ausschließliche Wirtschaftszone, also die Zone seewärts des Kü-stenmeers bis zu einer Ausdehnung von maximal 200 Seemeilen (sm),gemessen von den sog. Basislinien (vgl. Art. 57 des Seerechtsüberein-kommens der Vereinten Nationen2, abgekürzt SRÜ oder engl. UNCLOSbzw. LOSC), ist kein Hoheitsgebiet des jeweiligen Küstenstaats. Insofernkann es anders als im Küstenmeer (engl. territorial sea) völkerrechtlichgesehen fraglich sein, ob und inwieweit der Küstenstaat mit Wirkungfür Dritte Schutzmaßnahmen anordnen und marine Schutzgebiete aus-weisen kann, die den Schutz der marinen Umwelt, speziell die Erhal-tung der marinen Biodiversität des Meeres, bezwecken. In der AWZ undauf dem dazugehörigen Meeresboden, dem Festlandsockel3, hat der Kü-stenstaat Rechte, Hoheitsbefugnisse und Pflichten. Wie an anderer Stel-le gezeigt, ermöglicht das Völkerrecht die Berücksichtigung von Natur-schutzbelangen in der AWZ4, ein zulässiges Instrument im Rahmen der

    Detlef Czybulka

    Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 329

  • ZUR 5/2003330

    deren Ökosysteme, natürliche Lebensräume, Arten und ökologischeProzesse– im Rahmen von Art. 192, 194 Abs. 5 SRÜ und Art. 6 und 8 CBD so-

    wie der jeweils einschlägigen Vorschriften des regionalen völker-vertraglichen Umweltrechts

    – auf Grund ihrer Vielfalt oder Seltenheit und Empfindlichkeit bzw.Gefährdung und Bedrohtheit

    – mittels der geeigneten und notwendigen Erhaltungsmaßnahmen– gegen die nachteiligen oder schädlichen Auswirkungen von Vor-

    gängen und Kategorien menschlicher Tätigkeit– im Hinblick auf die Verwirklichung bestimmter Erhaltungsziele ge-

    schützt, d.h. gekennzeichnet und ausgewiesen, geregelt und ver-waltet werden müssen.Der nationale Gesetzgeber hat in § 38 BNatSchG nicht diesen Be-

    griff, sondern den Begriff der »geschützten Meeresflächen« gewählt,der einen normativen und begrifflichen Bezug zu »geschützten Teilenvon Natur und Landschaft« im Sinne des § 22 Abs. 1 BNatSchG auf-weist und somit an die allgemeine – nationale – Schutzgebietssyste-matik9 anknüpft, vgl. § 33 Abs. 2 BNatSchG.

    2. Das Verhältnis von Völkerrecht und nationalem Recht in der AWZ: »Na-delöhr« oder Rahmen für Meeresschutzgebiete?

    Das Völkerrecht, vorab das SRÜ als »Grundgesetz der Meere«, liefertdemnach die maßgeblichen Regeln für die Ausübung der küstenstaatli-chen Hoheitsgewalt in der AWZ. Die nationalen Hoheitsbefugnissemüssen durch das »Nadelöhr« des SRÜ, wie Lagoni10 formuliert hat.Ich bin allerdings der Auffassung, dass es sich hierbei eher um einen(angemessenen) Rahmen handelt. Die jetzt vorliegende Regelungüber geschützte Meeresflächen in § 38 BNatschG ordnet bei derKnüpfung des Netzes Natura 2000 in der AWZ eine entsprechendeAnwendung der §§ 33, 34 BNatSchG, also der nationalen Vorschrif-ten zur Umsetzung der FFH11- und Vogelschutz-Richtlinie12, »im Rah-men der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Na-tionen« an. Eine ausdrückliche Bezugnahmen auf das regionaleUmweltvölkerrecht und damit auf Schutzgebiete, die im OSPAR13-oder HELCOM14-Prozess ausgewiesen werden können oder müssen,fehlt ebenso wie ein Hinweis auf das Übereinkommen über die bio-logische Vielfalt15 (engl. Convention on Biological Diversity, CBD).Ersteres ist ein schwerwiegendes Defizit der Regelung. Außerdem for-muliert die Vorschrift in Abs. 1 in ihren Nummern 1-5 weitere Maß-gaben, die offensichtlich darauf abzielen, keine allzu rigiden Schutz-vorschriften zuzulassen und so einen »Sicherheitsabstand« zumvölkerrechtlich Zulässigen einzuhalten. Anders ausgedrückt ermög-licht die nationale Regelung tendenziell weniger Schutz (und mehrNutzung) in der AWZ, als dies das Völkerrecht zuließe. Das ist poli-tisch gewollt, wie insbesondere auch die Konstruktion der gebunde-nen Genehmigung für Anlagen und der Eignungsgebiete für Wind-kraftanlagen in §§ 3, 3a SeeAnlV zeigt.

    Ich habe hier stets eine weitere Auffassung vertreten16, während ei-nige Autoren – wenn auch nicht durchgängig – engere Ansichtenhierüber haben17. Will man die unterschiedlichen Auffassungen dar-über analysieren, was der Küstenstaat völkerrechtlich gesehen in ei-nem MPA regeln darf, so findet man vor allem folgende Gründe:– Das Zusammenspiel zwischen SRÜ und CBD wird bislang wenig be-

    achtet; Der nationale Gesetzgeber erwähnt die CBD in diesem Zusammen-

    hang nicht einmal im Text. Insgesamt lässt sich aber schon im Zu-sammenspiel mit dem SRÜ (Art. 192, 194, Art. 194 Abs. 5) erkennen,dass der völkerrechtliche marine Umweltschutz heute (auch) eine öko-systemare Ausrichtung hat18. Es kann keinen Zweifel geben, dass spezielldie CBD sich auch auf marine Gebiete einschließlich der AWZ be-zieht19. Nach Art. 8 lit. a) CBD hat jede Vertragspartei »soweit möglichund angebracht, ein System von Schutzgebieten oder Gebieten, in de-

    nen besondere Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt er-forderlich sind, einzurichten«. Es ist ferner so, dass sich das sog. Jakar-ta Mandat der Vertragsparteien vorrangig auf die marine Biodiversität(und die der Küstenräume) bezieht20. In gewisser Weise wiederholt sichjetzt, bezogen auf die marinen Gebiete, die Diskussion, die vor Jahr-zehnten auf dem Lande geführt wurde. Der fachlich erforderliche Pa-radigmenwechsel vom eingeschränkten bzw. speziellen Artenschutz,wie er etwa in Form von Jagd-, Fischerei- und entsprechenden Schon-gesetzen auch in Bezug auf marine Bereiche seit langem betriebenwird, hin zum umfassenden Naturschutz (besser: Lebensraumschutz)stieß schon auf dem Land auf heftigen Widerstand der potenziellenNutzer (vgl. die unzureichende FFH-Umsetzung21).– Art. 211 Abs. 6 SRÜ wird zu restriktiv interpretiert (siehe zur Schiff-

    fahrt noch näher unten 3.);Das SRÜ ist auf seine Ausgestaltung auf regionaler Ebene angelegt22. Es

    ist deshalb weniger starr, als mitunter behauptet wird. Wichtig ist auchdie Berücksichtigung der Staatenpraxis bei der Einrichtung von MarineProtected Areas23 in der AWZ und – beginnend – in der Hohen See.– Art. 311 SRÜ – eine Schlussbestimmung – wird im Vergleich zu

    Art. 197, 237 SRÜ überbewertet;– Das so genannte absolute Veränderungsverbot nach nationalem

    (deutschen) Naturschutzrecht wird fehlinterpretiert (dazu unter B. IV. 1.).

    3. Wozu braucht man Meeresschutzgebiete?

    Der Zweck der Einrichtung von Meeresschutzgebieten, die freilichdreidimensional und funktionsbezogen gedacht werden müssen, ver-birgt sich in der oben (II. 1.) gegebenen Definition. Es geht ganz we-sentlich um die Lenkung, Eindämmung oder Verhinderung mensch-licher, zumeist wirtschaftsbetonter Aktivitäten, die dem ÖkosystemSchaden zufügen (können). Dahinter stehen regelmäßig auch schüt-zenswerte Lebensraumtypen und Arten als Schutzobjekte. Zur syste-matischen Erfassung und Differenzierung der fraglichen menschli-

    Das Thema

    9 Hierzu unten B. IV.10 R. Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der ausschließlichen Wirt-

    schaftszone aus völkerrechtlicher Sicht, NuR 2002, 121 ff. 11 Richtlinie 92/43/EWG vom 21. Mai 1992 des Rates zur Erhaltung der natürlichen

    Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. EG Nr. L 206 S. 7.12 Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wild-

    lebenden Vogelarten, ABl. EG Nr. L 103 S. 1.13 Übereinkommen vom 22. September 1992 über den Schutz der Meeresumwelt

    des Nordostatlantiks (BGBl. 1994 II S. 1360).14 Übereinkommen vom 9. April 1992 über den Schutz der Meeresumwelt des Ost-

    seegebiet (BGBl. 1994 II S. 1397).15 Vom 5. Juni 1992 (BGBl. II 1993 S. 1741).16 Czybulka (Fn. 4), 562, 563 f.; ders., Die Geltung der FFH-Richtlinie in der Aus-

    schließlichen Wirtschaftszone, NuR 2001, 19, 24.17 Vgl. Lagoni (Fn. 10), 121, 128 f.; vermittelnd H. D. Jarass, Naturschutz in der Aus-

    schließlichen Wirtschaftszone, Baden-Baden 2002, S. 39 ff.; S. Klinski, RechtlicheProbleme der Zulassung von Windkraftanlagen in der ausschließlichen Wirt-schaftszone, Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, Berlin 2001, S. 12.

    18 Die Verpflichtung der Staaten zum Schutz der Meeresumwelt bezieht den Öko-system- und Habitatschutz ein und bezieht sich nicht lediglich auf die Verhü-tung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung. Richtig betrachtet,liefert hierzu schon Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SRÜ den Ansatz, vgl. näher Czybulka/ Ker-sandt (Fn. 4), S. 6 ff.

    19 Czybulka/ Kersandt (Fn. 8), S. 374, 380.20 Vgl. M. Goote, The Jakarta Mandate on Marine and Coastal Biological Diversity,

    International Journal of Marine and Coastal Law 12 (1997), S. 377 ff.; R. Long/ A.Grehan, Marine Habitat Protection in Sea Areas under the Jurisdiction of a CoastalMember State of the European Union: The Case of Deep-Water Coral Conservati-on in Ireland, International Journal of Marine and Coastal Law 17 (2002), 235, 245 f.

    21 Zur rechtlichen Situation und Praxis der Gebietsmeldungen D. Czybulka, Ge-setzliche Rahmenbedingungen für Vorrangflächen des Naturschutzes und Ent-wicklungsbedarf aus juristischer Sicht, in: Ssymank (Bearb.), Vorrangflächen,Schutzgebietssysteme und naturschutzfachliche Bewertung großer Räume inDeutschland, Bonn-Bad Godesberg 2000, S. 169, 181 ff.

    22 Die Bedeutung der regionalen Meeresschutzabkommen hebt auch T. Stoll, Meer-esschutz im Küsten- und Offshore-Bereich im Hinblick auf nicht-stoffliche Ein-flüsse, NuR 1999, 666, 670 r. Sp. hervor.

    23 Nachweise zur Staatenpraxis bei Czybulka (Fn. 16), 19, 24 und bei G. Janssen, Dierechtlichen Möglichkeiten der Einrichtung von Meeresschutzgebieten in derOstsee, Baden-Baden 2002, S. 78 (ff.).

    ZUR_Aufsatz_5_2003 26.08.2003 13:36 Uhr Seite 330

  • 331ZUR 5/2003

    chen Aktivitäten muss ich auf frühere Beiträge verweisen24. Die erstenVorschläge zu Meeresschutzgebieten sind wohl im Zusammenhangmit der Fischerei erörtert worden (sog. no-take areas); inz