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WWW.WELTHUNGERHILFE.DE 3. QUARTAL 2010 | 39. JAHRGANG DIE ZEITUNG DER WELTHUNGERHILFE PAKISTAN Die Flutkatastrophe wird Pakistan noch viele Jahre belasten. SEITE 4–5 ECUADOR Private und öffentliche Gelder schützen einen Nationalpark vor der Erdölausbeutung. SEITE 13 DOSSIER Professor Michael Krawinkel erläutert, warum eine ausgewogene Kinderernährung eine zentrale Aufgabe der Entwicklungspolitik ist. SEITE 11 WELTERNÄHRUNG WELTHUNGERHILFE AKTUELL ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de er Kampf gegen die Unterer- nährung von Kindern in Ent- wicklungsländern ist ein zentraler Faktor für die Reduzierung des weltweiten Hungerproblems. Neue Erkenntnisse zeigen, dass es da- bei vor allem auf eine gesunde Er- nährung innerhalb eines entschei- denden Zeitfensters von gerade ein- mal 1000 Tagen ankommt. Dieses umfasst die Phase von der Empfäng- nis bis zum zweiten Geburtstag eines Kleinkindes. Warum sind ausge- rechnet diese ersten 1000 Tage für den wei- teren Lebensweg so entscheidend? Kinder, die bereits in dieser intensiven Wachstumsphase an Mangelernährung lei- den, besuchen weniger lange und er- folgreich die Schule, verdienen als Er- wachsene weniger und haben insge- samt eine geringere Lebenserwartung. Physische und kognitive Schäden, die durch Unterernährung innerhalb die- ses Zeitraumes ausgelöst werden, können späterhin meist nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zudem bekommen Frauen, die als Kind unter Mangelernährung gelitten haben, später selbst oft Kinder mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht. Der Teu- felskreis der Unterernährung setzt sich so über Generationen fort. Das Problem der frühkindlichen Unterer- nährung ist dabei nicht gleichmäßig über den Globus verteilt, sondern konzentriert sich auf wenige Länder und Regionen. Über 90 Prozent der Kinder, die für ihr Alter eine zu gerin- ge Körpergröße aufweisen (ein Anzei- chen für chronische Unterernährung), sind in Afrika und Asien beheimatet. In Indien allein leben 42 Prozent al- ler unterernährten Kinder weltweit. Doch gibt es auch positive Beispie- le bei der Bekämpfung von frühkind- licher Unterernährung: In Thailand EINE CHANCE GEGEN DEN HUNGER: Nur eine ausreichende Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen ermöglicht eine gesunde Entwicklung – ein ganzes Leben lang. Die Welthungerhilfe und das US-Forschungsinstitut IFPRI stellen gemeinsam den Welthunger-Index 2010 vor Die Ernährung von Kindern innerhalb der ersten 1000 Tage ist entscheidend für die weitere Entwicklung und den künftigen Lebensweg. Dies ist die zentrale Botschaft des Welthunger-Indexes 2010, den die Welthungerhilfe gemein- sam mit dem Internationalen Forschungsinstitut für Agrar- und Ernährungspolitik (IFPRI) am 11. Oktober in Berlin vor- stellte. Von Bärbel Dieckmann Kinder brauchen gutes Essen Arbeit der Welthungerhilfe. In vielen Projekten steht die Ernährungssituati- on von Kindern und Frauen im Fokus, wie zum Beispiel in Mali. Hier sollen durch ein Vierjahresprogramm bis 2011 etwa 125 000 Menschen erreicht werden. Die ersten Erfolge sind in den Dörfern bereits sichtbar. Es gibt weni- ger unterernährte Kinder, die Frauen stillen ihre Kinder länger und sowohl die Gesundheit der Mütter als auch die der Kinder hat sich verbessert. Doch trotz dieser positiven Bei- spiele sind weltweit noch immer Mil- lionen von Kindern auf der ganzen Welt tagtäglich Unterernährung und Hunger ausgesetzt. Diese Situation muss sich ändern. Daran arbeitet die Welthungerhilfe in ihren Projekten jeden Tag (siehe auch Seite 2 und Dossier auf Seite 9 bis 12). Bärbel Dieckmann ist Präsidentin der Welthungerhilfe. Transparente Zivilgesellschaft BONN | Die Welthungerhilfe als eine der größten nationalen Hilfsorganisationen betei- ligt sich an der Initiative Transparente Zivil- gesellschaft. Ziel dieser Initiative ist es, ein möglichst breites Aktionsbündnis innerhalb der Zivilgesellschaft herzustellen, das sich auf die wesentlichen Parameter für effektive Transparenz einigt. Die Unterzeichner ver- pflichten sich, zehn präzise benannte, rele- vante Informationen über ihre Organisation der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Welthungerhilfe kommt dieser Forderung auf folgender Internetseite nach: www.welthungerhilfe.de/transparente-zivilgesell- schaft.html pas Godesberger Gespräch: Das Maß des Glücks BONN | Immer mehr materieller Wohlstand macht die Menschen kaum glücklicher. Zudem lässt sich Wachstum oft nur auf Kosten ande- rer Gesellschaften und der Umwelt erzielen. Diese beiden zentralen Botschaften vermittel- te der Volkswirt und Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel bei dem diesjährigen Godesberger Gespräch Ende September in Bonn. Unter der Moderation von Mirjam Gehr- ke (Deutsche Welle) machte er sich zusammen mit Karma Ura, Präsident des »Center for Bhu- tan Studies«, Bhutan, auf die Suche nach Al- ternativen zum Wachstumsdenken. Karma Ura stellte das Konzept des »Bruttonationalglücks« vor, das bereits in den siebziger Jahren von der bhutanesischen Regierung entwickelt und in der Verfassung verankert wurde. pas Bundespräsident als Schirmherr BERLIN | Auch der neue Bundespräsident Christian Wulff hat die Schirmherrschaft über die Welthungerhilfe übernommen und setzt damit die Tradition seiner Amtsvorgänger fort. Bärbel Dieckmann, Präsidentin, und Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, danken dem Bundespräsidenten herzlich für die Übernahme der Schirmherrschaft: »Wir freuen uns, mit dem neuen Bundespräsidenten Christian Wulff einen idealen Unterstützer da- für gefunden zu haben, unsere Arbeit in un- serer Gesellschaft noch bekannter und aner- kannter zu machen und noch mehr Menschen für die Überwindung von Hunger und Armut zu mobilisieren. Deshalb freuen wir uns sehr auf die Zusammenarbeit.« pas beispielsweise konnte in den 1980er- Jahren die Fehlernährung bei Kindern um die Hälfte von 50 auf 25 Prozent gesenkt werden. Der gezielte Einsatz von Ernährungsprogrammen durch die Regierung, die Einrichtung eines weitreichenden Netzes von freiwilli- gen Helfern sowie der verbesserte Zu- gang zu Gesundheitsvorsorge, Ab- wasserentsorgung und sanitären Ein- richtungen waren zentrale Säulen dieses Erfolgs. Die Bekämpfung von Hunger und Armut ist das zentrale Anliegen in der D Weitere Informationen: www.welthungerhilfe.de/ whi2010.html © Welthungerhilfe Mehr zum Thema Der Welthunger-Index wird seit 2006 gemeinsam mit dem Washing- toner Forschungsinstitut IFPRI und der irischen Nichtregierungsorga- nisation Concern Worldwide herausgegeben. Sie erhalten den Bericht unter Telefon: (0228) 22 88-134 oder als Download unter www.welthunger-index.de. © privat

Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

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Alles über die Welthungerhilfe, Reportagen, Auslandsberichte, Hintergründe und Interviews. Titelthema dieser Ausgabe: Titelthema: Wer verliert nach der Fußball-WM?

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Page 1: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

WWW.WELTHUNGERHILFE.DE 3. QUARTAL 2010 | 39. JAHRGANG D I E ZE I TUNG DER WELTHUNGERH ILFE

PAKISTANDie Flutkatastrophe wird Pakistan noch viele Jahre belasten.

SEITE 4–5

ECUADORPrivate und öffentliche Gelder schützen einen Nationalpark vor der Erdölausbeutung.

SEITE 13

DOSSIERProfessor Michael Krawinkel erläutert, warum eine ausgewogene Kinderernährung eine zentrale Aufgabe der Entwicklungspolitik ist.

SEITE 11

WELTERNÄHRUNG

WELTHUNGERHILFE AKTUELL

ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de

er Kampf gegen die Unterer-nährung von Kindern in Ent-wicklungsländern ist ein

zentraler Faktor für die Reduzierung des weltweiten Hungerproblems. Neue Erkenntnisse zeigen, dass es da-bei vor allem auf eine gesunde Er-nährung innerhalb eines entschei-denden Zeitfensters von gerade ein-mal 1000 Tagen ankommt. Dieses umfasst die Phase von der Empfäng-nis bis zum zweiten Geburtstag eines Kleinkindes.

Warum sind ausge-rechnet diese ersten 1000 Tage für den wei-teren Lebensweg so entscheidend?

Kinder, die bereits in dieser intensiven Wachstumsphase an Mangelernährung lei-den, besuchen weniger lange und er-folgreich die Schule, verdienen als Er-wachsene weniger und haben insge-samt eine geringere Lebenserwartung. Physische und kognitive Schäden, die durch Unterernährung innerhalb die-ses Zeitraumes ausgelöst werden, können späterhin meist nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zudem bekommen Frauen, die als Kind unter Mangelernährung gelitten haben, später selbst oft Kinder mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht. Der Teu-felskreis der Unterernährung setzt

sich so über Generationen fort. Das Problem der frühkindlichen Unterer-nährung ist dabei nicht gleichmäßig über den Globus verteilt, sondern konzentriert sich auf wenige Länder und Regionen. Über 90 Prozent der Kinder, die für ihr Alter eine zu gerin-ge Körpergröße aufweisen (ein Anzei-chen für chronische Unterernährung), sind in Afrika und Asien beheimatet. In Indien allein leben 42 Prozent al-ler unterernährten Kinder weltweit.

Doch gibt es auch positive Beispie-le bei der Bekämpfung von frühkind-licher Unterernährung: In Thailand

EINE CHANCE GEGEN DEN HUNGER: Nur eine ausreichende Ernährung in den ersten 1000 Lebenstagen ermöglicht eine gesunde Entwicklung – ein ganzes Leben lang.

Die Welthungerhilfe und das US-Forschungsinstitut IFPRI stellen gemeinsam den Welthunger-Index 2010 vor

Die Ernährung von Kindern innerhalb der ersten 1000 Tage ist entscheidend für die weitere Entwicklung und den künftigen Lebensweg. Dies ist die zentrale Botschaft des Welthunger-Indexes 2010, den die Welthungerhilfe gemein-sam mit dem Internationalen Forschungsinstitut für Agrar- und Ernährungspolitik (IFPRI) am 11. Oktober in Berlin vor-stellte.

Von Bärbel Dieckmann

Kinder brauchen gutes EssenArbeit der Welthungerhilfe. In vielen Projekten steht die Ernährungssituati-on von Kindern und Frauen im Fokus, wie zum Beispiel in Mali. Hier sollen durch ein Vierjahresprogramm bis 2011 etwa 125 000 Menschen erreicht werden. Die ersten Erfolge sind in den Dörfern bereits sichtbar. Es gibt weni-ger unterernährte Kinder, die Frauen stillen ihre Kinder länger und sowohl die Gesundheit der Mütter als auch die der Kinder hat sich verbessert.

Doch trotz dieser positiven Bei-spiele sind weltweit noch immer Mil-lionen von Kindern auf der ganzen

Welt tagtäglich Unterernährung und Hunger ausgesetzt. Diese Situation muss sich ändern. Daran arbeitet die Welthungerhilfe in ihren Projekten jeden Tag (siehe auch Seite 2 und Dossier auf Seite 9 bis 12).

Bärbel Dieckmann ist Präsidentin der Welthungerhilfe.

Transparente Zivil gesellschaftBONN | Die Welthungerhilfe als eine der größten nationalen Hilfsorganisationen betei-ligt sich an der Initiative Transparente Zivil-gesellschaft. Ziel dieser Initiative ist es, ein möglichst breites Aktionsbündnis innerhalb der Zivilgesellschaft herzustellen, das sich auf die wesentlichen Parameter für effektive Transparenz einigt. Die Unterzeichner ver-pfl ichten sich, zehn präzise benannte, rele-vante Informationen über ihre Organisation der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Welthungerhilfe kommt dieser Forderung auf folgender Internetseite nach: www.welthungerhilfe.de/transparente-zivilgesell-schaft.html pas

Godesberger Gespräch: Das Maß des GlücksBONN | Immer mehr materieller Wohlstand macht die Menschen kaum glücklicher. Zudem lässt sich Wachstum oft nur auf Kosten ande-rer Gesellschaften und der Umwelt erzielen. Diese beiden zentralen Botschaften vermittel-te der Volkswirt und Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel bei dem diesjährigen Godesberger Gespräch Ende September in Bonn. Unter der Moderation von Mirjam Gehr-ke (Deutsche Welle) machte er sich zusammen mit Karma Ura, Präsident des »Center for Bhu-tan Studies«, Bhutan, auf die Suche nach Al-ternativen zum Wachstumsdenken. Karma Ura stellte das Konzept des »Bruttonationalglücks« vor, das bereits in den siebziger Jahren von der bhutanesischen Regierung entwickelt und in der Verfassung verankert wurde. pas

Bundespräsident als Schirmherr BERLIN | Auch der neue Bundespräsident Christian Wulff hat die Schirmherrschaft über die Welthungerhilfe übernommen und setzt damit die Tradition seiner Amtsvorgänger fort. Bärbel Dieckmann, Präsidentin, und Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, danken dem Bundespräsidenten herzlich für die Übernahme der Schirmherrschaft: »Wir freuen uns, mit dem neuen Bundespräsidenten Christian Wulff einen idealen Unterstützer da-für gefunden zu haben, unsere Arbeit in un-serer Gesellschaft noch bekannter und aner-kannter zu machen und noch mehr Menschen für die Überwindung von Hunger und Armut zu mobilisieren. Deshalb freuen wir uns sehr auf die Zusammenarbeit.« pas

beispielsweise konnte in den 1980er-Jahren die Fehlernährung bei Kindern um die Hälfte von 50 auf 25 Prozent gesenkt werden. Der gezielte Einsatz von Ernährungsprogrammen durch die Regierung, die Einrichtung eines weitreichenden Netzes von freiwilli-gen Helfern sowie der verbesserte Zu-gang zu Gesundheitsvorsorge, Ab-wasserentsorgung und sanitären Ein-richtungen waren zentrale Säulen dieses Erfolgs.

Die Bekämpfung von Hunger und Armut ist das zentrale Anliegen in der

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Weitere Informationen:

www.welthungerhilfe.de/whi2010.html

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Mehr zum ThemaDer Welthunger-Index wird seit 2006 gemeinsam mit dem Washing-toner Forschungsinstitut IFPRI und der irischen Nichtregierungsorga-nisation Concern Worldwide herausgegeben. Sie erhalten den Bericht unter Telefon: (0228) 22 88-134 oder als Download unter www.welthunger-index.de.

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Page 2: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

2 W E LT E R N Ä H R U N G 3. Quartal 2010N AC H R I C H T E N

Infos aus KrisengebietenWELTWEIT | Mit der Internetseite »Channel 16« lie-fert ein internationales Netzwerk von unabhängi-gen Bloggern Informationen aus Krisengebieten, die in den Medien sonst kaum auftauchen. Aktuell fi n-den sich zum Beispiel viele Informationen über die Flutkatastrophe in Pakistan. Alle Nachrichten der Seite lassen sich mit einem einfachen Klick über Twitter oder Facebook verbreiten. Bisher ist das Pro-jekt nur in englischer, französischer und spanischer Sprache verfügbar. »Channel 16« ist nach einem in-ternationalen Notrufkanal benannt. Das Projekt wird durch die Unterstützung von internationalen Nichtregierungsorganisationen ermöglicht. Wer sich selbst in einem Krisengebiet aufhält, kann eigene Berichte direkt auf die Webseite hochladen. Mehr Infos: www.ch16.org cas

Probleme besser verstehenBERLIN | Die Zukunft unserer Welt wird von zahl-reichen Herausforderungen bestimmt: Rohstoffe und Energie werden knapp, Umweltprobleme nehmen zu, und der Hunger wächst. Keiner dieser Prozesse vollzieht sich isoliert. Sie hängen alle miteinander zusammen. Um die Komplexität verstehen zu ler-nen, hat das Entwicklungsministerium BMZ den Wettbewerb vernetzte-er.de ausgeschrieben, an dem sich Schulen im Schuljahr 2010/11 beteiligen kön-nen. Mehr Infos: www.vernetzte-er.de cas

1 Titel Welthunger-Index 2010

2 Nachrichten

3 Reportage Wasserkraftwerke am Horn von Afrika geben den Menschen Hoffnung

4 Partner & Projekte Die Folgen der Flutkatast-rophe werden Pakistan noch Jahre hemmen

5 Fotoreportage Als die Flut kam

6 Partner & Projekte In Ruanda macht die Welthungerhilfe ehemalige Sümpfe urbar

7 Kontrovers Zur Selbstbestimmung der Völker führen viele Wege

8 Partner & Projekte In Tadschikistan inves-tiert die Welthungerhilfe in Lehmöfen

9 Dossier Frühkindliche Mangelernährung

13 Ecuador Schutz des Regenwaldes contra Interessen der Erdölindustrie

14 Medien & Informationen

16 Unterhaltung

INHALT

Hunger bleibt katastrophal

KURZ NOTIERT

Rechte weltweit einfordernBONN | In einer neuen Ausgabe ist das Handbuch »How to File Complaints in Human Rights Viola-tions« erschienen, das von der Deutschen UNESCO-Kommission und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen herausgegeben wird. Es infor-miert über die Menschenrechtsverfahren der Verein-ten Nationen und anderer Organisationen. Dazu bie-tet es Formblätter für Beschwerden und Hinweise für die Menschenrechtsarbeit. Die Publikation in englischer Sprache klärt auf, wie Nichtregierungs-organisationen, Einzelpersonen und Opfer bei Men-schenrechtsverletzungen verfahren können. Mehr Infos: www.unesco.de/c_humanrights/ cas

WELTHUNGER-INDEX | Mit den Mil-lenniumsentwicklungszielen (MDGs) hatte sich die internationale Staaten-gemeinschaft im Jahr 2000 das Ziel gesetzt, unter anderem den Anteil der hungernden Menschen in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Auf dem Weltarmutsgipfel in New York vom 20. bis 22. September die-ses Jahres wurde nach dem Verstrei-chen von zwei Dritteln dieser Frist eine Zwischenbilanz gezogen. Dabei wurde deutlich, dass dieses Ziel trotz bereits erreichter Fortschritte noch immer in weiter Ferne liegt. Zusätz-lich wurden bereits errungene Erfol-ge stellenweise durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise wieder zunichtegemacht.

Situation ist dramatisch

Die neuesten Schätzungen der UN-Er-nährungs- und Landwirtschaftsorga-nisation (FAO) gehen zwar davon aus, dass die Anzahl der Hungernden im Jahr 2010 auf 925 Millionen gesun-ken ist, nachdem sie ein Jahr zuvor die Milliardengrenze überschritten hatte. Doch trotz des positiven Trends bleibt die Zahl der Hungernden er-schreckend und inakzeptabel hoch, denn noch immer hat mehr als jeder siebte Mensch jeden Tag nicht ausrei-chend zu essen.

Der überwiegende Großteil der Menschen, die ihren täglichen Kalo-rienbedarf nicht decken können, lebt in Entwicklungsländern. Die größte

Anzahl hungernder Menschen ist da-bei mit 578 Millionen in der Region Asien und Pazifi k beheimatet, gefolgt von Afrika südlich der Sahara mit 239 Millionen Hungernden. Über 70 Prozent der Menschen, die von umgerechnet weniger als einem US-Dollar täglich leben und damit extre-mer Armut ausgesetzt sind, stammt aus ländlichen Gebieten. Zwei Drittel aller unterernährten Menschen welt-weit sind in gerade einmal sieben Ländern beheimatet – Bangladesch, China, der Demokratischen Republik Kongo, Äthiopien, Indien, Indonesi-en und Pakistan.

Der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung bleibt mit 30 Prozent im Jahr 2010 weiterhin in Afrika südlich der Sahara am höchsten. Wie die Karte des aktuellen Welthunger-Inde-xes (WHI) auf einen Blick erkennen lässt, befi nden sich alle Länder, in denen gravierender Hunger herrscht, in Afrika südlich der Sahara. Zu die-sen Ländern gehören die Demokrati-sche Republik Kongo, Burundi, Erit-rea und der Tschad, wobei die Demo-kratische Republik Kongo den mit Abstand schlechtesten Wert aufweist. Langwierige Bürgerkriege und Kon-fl ikte haben dort zu wirtschaftlichem Zusammenbruch, Vertreibung und ei-ner chronischen Ernährungsunsicher-heit geführt. Eine geringe Lebensmit-telproduktion sowie die desolate Inf-rastruktur erschweren zudem den Zugang der Bevölkerung zu Nah-rungsmitteln.

Außerhalb Afrikas ist Haiti das Land mit den schlechtesten WHI-Wer-ten, und das, obwohl das dramatische Erdbeben Anfang des Jahres 2010, bei dem mehr als 250 000 Menschen ihr Leben verloren und über eine Million obdachlos wurden, nicht mit in die Berechnungen des Welthunger-Inde-xes 2010 eingefl ossen ist. Doch be-reits vor dieser verheerenden Natur-katastrophe war das Land schon Fak-toren wie politischer Instabilität, schlechter Regierungsführung und unzureichender sozialer Sicherung ausgesetzt, die sowohl Hunger als auch Armut verstärken.

Erfolge in Malaysia

Es gibt jedoch auch Länder, die ihren Welthunger-Index-Wert innerhalb der letzten 20 Jahre bedeutend redu-zieren konnten. Eines jener Länder ist Malaysia, wo diese Verbesserung einerseits zwar auf das rasante wirt-schaftliche Wachstum, aber anderer-seits vor allem auf gezielte Maßnah-men der Regierung und anderer Or-ganisationen speziell für Frauen und Kinder zurückzuführen ist. Ernäh-rung und Gesundheit waren schon immer Prioritäten der Regierung, und in der jüngsten Vergangenheit hat das Land zudem umfassende na-tionale Ernährungsprogramme um-gesetzt.

Eine Bevölkerungsgruppe ist in-nerhalb der Hungernden besonders gefährdet – die der Kleinkinder, die

in der intensiven Wachstumsphase bis zum Alter von zwei Jahren einen besonders hohen Bedarf an Nähr-stoffen haben und speziellen Schutz benötigen. Innerhalb eines entschei-denden Zeitraums von gerade ein-mal 1000 Tagen ist es von besonde-rer Bedeutung, dass Kinder gesund und ausgewogen ernährt werden und einen ausreichenden Zugang zu gesundheitlicher Vorsorge haben so-wie unter hygienischen Bedingun-gen mit sanitären Einrichtungen le-ben. Laut neuesten Untersuchungen des Fachmagazins Lancet sind im letzten Jahr zwar dank medizini-scher Hilfe und besserer Ausbildung von Mädchen und Frauen weltweit 4,2 Millionen weniger Kinder unter fünf Jahren gestorben als 1990. Dennoch wurden 2009 in dieser Al-tersgruppe noch immer 8,1 Millio-nen Todesopfer verzeichnet – mehr als 22 000 Kinder jeden Tag.

Noch ist es nicht zu spät, um die Millenniumsentwicklungsziele inner-halb der vorgegebenen Frist zu errei-chen. Doch müssen hierzu die inter-nationale Staatengemeinschaft und alle übrigen Akteure ihre Anstren-gungen vervielfachen und bereits ge-gebene Versprechen und Zusagen endlich wirksam umsetzen.

Weitere Informationen zu dem Thema fi nden Sie auf Seite 1 und im Dossier (Seite 9 bis 12).

Nina Wünsche ist Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Bonn.

Deutschland hilft mehrBERLIN | Die Bundesregierung hat ihr Engagement im Bereich der humanitären Hilfe in den Jahren 2006 bis 2009 deutlich gestärkt. Das berichtete sie Anfang August dem Bundestag. Das Volumen der fi nanziellen Leistungen sei gestiegen. Doch »trotz aller Erfolge« stellt die Bundesregierung auch fest, dass die aus öffentlichen Mitteln gewährte huma-nitäre Hilfe aus Deutschland im internationalen Vergleich noch gering sei. Mehr Infos: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/027/1702725.pdf cas

Laut FAO ist die Zahl der Hungernden zwar gesunken. Mit 925 Millionen ist sie aber weiterhin erschreckend hoch

≥ 30,0 (gravierend)20,0 bis 29,9 (sehr ernst)10,0 bis 19,9 (ernst)5,0 bis 9,9 (mäßig)≤ 4,9 (wenig)Keine AngabenIndustrieland

Eritrea

Burundi

Tschad

Demokratische Republik Kongo

Anmerkung: Die Daten über den Anteil der Unterernährten für den WHI 2010 stammen aus den Jahren 2004–2006, die Daten zu untergewichtigen Kindern aus dem letzten Jahr im Zeitraum 2003–2008, für das Daten verfügbar waren, und die Daten zur Kindersterblichkeit aus dem Jahr 2008. Quelle: Welthunger-Index 2010

WELTHUNGER-INDEX 2010 NACH SCHWEREGRAD

Page 3: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

W E LT E R N Ä H R U N G 33. Quartal 2010 R E P O R TAG E

BESSER VERSORGT: Viele Äthiopier wissen noch, was Hunger ist. Dass die Einkommen langsam steigen, ist einer Reihe wichtiger Eigeniniti-ativen zu verdanken.

Kraft schöpfen aus dem Blauen Nil

Eine Agrarbörse sorgt für faire Preise

In der einst von Hunger geprägten Region am Horn von Afrika geht es voran: Wasserkraftwerke sind die neue Hoffnung Äthiopiens – und der wachsende Tourismus signalisiert, dass sich das Land langsam der Welt öffnet. Die Regierung möchte, dass die Bevölkerung direkt vom Fremdenverkehr profi tiert.

Energieerzeugung, Tourismus und Neuerungen in der Landwirtschaft geben dem Hungerland starke Impulse

aschinen für den Straßenbau sind hier noch in weiter Ferne: In Lalibela, der al-ten Königsstadt, sieht man Männer wie

Frauen beim Steineklopfen, nur ein paar Minuten entfernt von den mystischen Felsenkirchen, die als Weltkulturerbe Touristen aus aller Welt anziehen. »Die Äthiopier sind in ihrem Land noch selbst die Denkfabriken, sie initiieren Projekte wie dieses aus eigener Kraft«, betont Sven Nicolas. Der Berliner Ethnologe lebt und arbeitet seit mehreren Jahren im Land: »Das sind sinnvolle Maßnahmen zur Arbeits-beschaffung für wenig qualifi zierte Äthiopier; schlammige Verkehrswege, einst Brutstätten für Ma-laria, werden so im ganzen Land trockengelegt.« Der Straßenbau ist ein Zeichen für den kollektiven Fort-schritt des Landes, genauso wie die Eisenarmaturen in vielen Dörfern, die auf den Bau neuer Brunnen hinweisen.

Noch sieht man entlang der Straßen viele Men-schen, die 20-Liter-Kanister von weit entfernten Wasserstellen nach Hause schleppen, genauso wie Karawanen strohbeladener Esel, an denen Lastwa-gen vorbeibrausen. Biblische und moderne Zeiten kreuzen sich in dem Land, in dem vielerorts ein tie-fer orthodoxer Glaube noch das Leben bestimmt.

Der Energieexport wird möglich

Als neue Ressource profi tiert Äthiopien von seiner Wasserkraft und liegt dank dieser Energiequelle in Afrika mittlerweile mit ganz vorn. Zu verdanken ist dies den reichen Zufl üssen des Blauen Nils. Am 60 Kilometer langen Stausee Tegesse erspart jetzt ein riesiges Kraftwerk dem Land Stromsperren und ermöglicht sogar den Export großer Energiemengen. Dennoch gibt es in Äthiopien weiter Regionen wie im Nordosten, wo die Menschen jeden Tag mit der Wassernot zu kämpfen haben.

Doch im drittbevölkerungsreichsten Land Afri-kas hat man aus den Hungerkatastrophen der 70er- und 80er-Jahre gelernt. In den betroffenen Gegen-den und in großen Städten wurden Getreidelager angelegt. Seit über sechs Jahren hat sich so eine präventive Politik durchgesetzt. Der Staat kauft für diese Reserven Getreide zuerst lokal auf. Falls diese nicht ausreichen, werden Vorräte über das Ausland besorgt; zusätzliche Arsenale unterhalten Hilfsorga-nisationen in Kooperation mit der Regierung.

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Doch Äthiopien ist auch ein Land mit einer un-schätzbaren Hochkultur. In den alten Königsstädten Lalibela und Gondar fl ießt über den Tourismus viel Geld in die lokalen Kassen. Die Regierung ist sehr daran interessiert, dass die Bevölkerung direkt vom Fremdenverkehr profi tiert. Internationale Konzerne sind hier bisher wenig aktiv. Vom touristischen Auf-schwung zeugen in Lalibela bereits viele neu gebau-te Hütten: Allein die Kirchen erwirtschaften mit ih-ren Eintrittsgeldern hier stattliche Verdienste – und fi nanzieren viele Großfamilien.

Gabriela Greess ist freie Journalistin in München.

Von Gabriela Greess

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Denn weite Gebiete des bergigen Landes, das über 82 Millionen Menschen zu ernähren hat, sind für die Landwirtschaft nicht nutzbar. »Seit zwei Jah-ren haben wir eine infl ationäre Entwicklung beim Getreidepreis«, betont Sven Nicolas. Ursache dafür sind regional isolierte Märkte, die von skrupellosen Zwischenhändlern dominiert werden. Die verkaufen das Grundnahrungsmittel mit einer künstlich auf-geblähten Teuerungsrate: und das in einem immer noch bitterarmen Land, in dem Getreide ein Grund-nahrungsmittel ist.

Die Weltbank will mit ihrem Agrarbörsenprojekt (www.ecx.com.et) die Basis für einen fairen Markt schaffen. In einer der Kornkammern des Landes, 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Addis Abeba, sieht man auf einem zentralen Platz die Vorboten: eine elektronische Infotafel, die Bauern über die lan-desweiten Preise informiert.

WELTERNÄHRUNG: Welche Produkte stehen im Fo-kus der Agrarbörse? ACHIM FOCK: Es geht um Erzeugnisse der Kleinbau-ern, der Kaffee ist dabei besonders wichtig; später sol-len die bedeutendsten Getreidesorten miteinbezogen werden. Zweimal pro Woche sind Termine angesetzt, um über einen elektronischen Warenaustauschmarkt Transparenz zu schaffen und so eine faire Preisgestal-tung zu erreichen. Die Bauern aller Regionen können demnächst per SMS die relevanten Preise zugeschickt bekommen. Damit ist für sie die Basis gegeben, um die großen Zwischenhändler auszubremsen.

Von wem stammt die Initiative für die Agrarbörse?Die Idee und das gesamte Know-how haben die Äthiopier selbst entwickelt. Von der Weltbank wird dieses Projekt teilweise fi nanziert; so fi nanzieren

wir zum Beispiel elektronische Infotafeln, aber auch die gesamte Softwarestruktur, um die Vernetzung mit Banken besser zu organisieren.

In anderen Ländern scheiterten solche Projekte ...Hier sind wir dennoch sehr optimistisch. Der poli-tische Wille ist enorm groß, diese Agrarbörse zu un-terstützen und ihr zum Erfolg zu verhelfen. Unter den Verantwortlichen sind auch viele Äthiopier, die in den USA studiert haben und mit diesem binati-onalen Hintergrund die Arbeit ungeheuer erleich-tern. Zudem setzt man größtes Vertrauen in das System zur elektronischen Marktinformation.

Äthiopien gibt zudem viel Grund zur Hoffnung, weil hier die Agrarwirtschaft auf Diversifi zierung baut. Kaffee machte früher etwa 80 Prozent des Ex-ports aus, heute nur noch die Hälfte – zugunsten

von jetzt stärkerem Ölsamenhandel und Blumenfar-men. Was fehlt, ist eine weitere Entwicklung der Pri-vatwirtschaft. Aber in den letzten zwei Jahren gab es große Investitionen in die Landwirtschaft. Und das agrarwissenschaftliche Forschungs- und Bera-tungswesen ist eines der besten Afrikas.

Ist der Tourismus ein guter Weg, um das Land aus seiner Armut zu reißen?Ja, unbedingt. So fl ießt nicht nur mehr Geld ins Land, sondern es fi ndet auch ein gewaltiger Wissens-transfer statt. Der führt zu einem besseren Aus-tausch mit hoch entwickelten Ländern. Damit pro-fi tiert auch die Bevölkerung vom Tourismus, wenn dieser auf Nachhaltigkeit setzt.

Das Interview führte Gabriela Greess.

Achim Fock ist bei der Weltbank in Addis Abeba Sachverständiger für Landwirtschaft und nachhal-tige ländliche Entwicklung. Seit 2009 profi tieren die Bauern Äthiopiens vom Pionierprojekt einer Agrarbörse, die auf moderne Kommunikations-mittel setzt. So sollen die großen Zwischenhändler ausgeschaltet werden, damit der Ertrag für die Bauern größer wird.

INTERVIEW

www.welthunger-index.de

Mit rund 77 Millionen Einwohnern und ste-tig wachsender Bevölkerung ist Äthiopien eins der bevölkerungsreichsten Länder Afri-kas – aber auch eins der ärmsten. Im Human Development Index des UNDP rangiert Äthi-opien auf Platz 171 von 182 Ländern. Die Lebenserwartung liegt bei knapp 55 Jahren, nur jeder Dritte über 15 Jahren kann lesen und schreiben. Fast 85 Prozent der Men-schen leben auf dem Land, wo sie unter schlechter Infrastruktur und Trinkwasser-mangel leiden. Vor allem die immer wieder-kehrenden Dürreperioden verursachen im Hochland Äthiopiens Hungersnöte. Dabei hat Äthiopien – das als einziges Land Afrikas nie kolonisiert wurde – landschaft-lich und kulturell viel zu bieten. Die größten Flüsse Äthiopiens, darunter der Blaue Nil, entspringen im Hochgebirge; auch Wüsten und Sumpfgebiete gehören zum Land-schaftsbild. Neben beeindruckenden Fun-den aus der Frühgeschichte der Menschheit birgt Äthiopien Schätze der christlichen und muslimischen Kultur: Die Felsenkir-chen in Lalibela und die arabische Stadt Harar veranschaulichen die Geschichte der heutigen Bevölkerung, die zum Großteil aus Christen und zu einem Drittel aus Muslimen besteht.

Unschätzbare Hochkultur

LÄNDERINFORMATION

WELTHUNGER-INDEX Rang 80/122 Ländern

Bucht von Bengalen Yangon

Irrawaddy-Delta

INDIEN

THAILAND

LAOS

CHINA

BANGLADESCH

Südchin. Meer

GHANA ÄTHIOPIEN

SOMALIA

DSCHIBUTI

ERITREA

SUDAN

KENIA

JEMENMALI

TOGOELFENBEIN-KÜSTE

PortoNovo

BURKINAFASO

NIGER

NIGERIABENIN

AtlantischerOzean

Indischer Ozean

Nordatlantischer Ozean

GUINEA

Sierra Leone

LIBERIA

Südatlantischer Ozean

Nordatlantischer Ozean

Indischer Ozean

Addis Abeba

Lalibela

gravierend 40

29,8 (sehr ernst)

Weitere Informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/hilfsprojekt-aethiopien-trinkwasser-sanitaeranlagen.html

0 wenig Hunger

Page 4: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

3. Quartal 20104 W E LT E R N Ä H R U N G PA R T N E R & P R O J E K T E

Von den Wassermassen überrascht

WELTERNÄHRUNG: Wie ist die Lage?Mike Bratzke: Ich komme gerade aus einem der sehr stark zerstörten Dörfer im Distrikt Muzaffargarh. Wir hatten große Mühe, dorthin zu gelangen, und mussten ein gutes Stück durch Schlamm waten. Dort haben wir mit den Dorfältesten gesprochen und sie gefragt, was die Menschen jetzt am nötigs-ten brauchen.

Was haben sie gesagt?Am meisten werden Planen benötigt. Sie haben uns erzählt, dass ungefähr vor zwölf Tagen die Armee hier war, seitdem aber niemand mehr. Wir haben hier in der Region eine lokale Organisation gefun-den, die sehr zuverlässig ist und bewiesen hat, dass

sie sich im Katastrophengebiet gut auskennt. Das ist für uns wichtig, vor allem, wenn es darum geht, Verteilungslisten anzulegen.

Was sind die größten Herausforderungen?Die Dörfer sind schlecht zu erreichen und kaum zen-tral organisiert. Das erschwert uns die Sache. Es be-deutet nämlich, dass man von Dorf zu Dorf gehen muss, um herauszufi nden, wer wie stark betroffen ist. Die Regierung vermittelt uns hingegen immer wieder das Gefühl, dass sie mit der Armee alles ab-gedeckt hat. Das kann aber nicht sein, denn diese Re-gion kann man nicht so ohne Weiteres abdecken.

Das Interview führte Gunnar Rechenburg.

Mike Bratzke ist als Projektleiter in Pakistan für die Verteilungen der Welthungerhilfe im Punjab zu-ständig. Die logistische Herausforderung, 20 000 Familien mit Nahrungsmitteln zu versorgen, ist immens. Die Lebensmittel werden, soweit möglich, in der Region eingekauft.

Die Katastrophe wird die Pakistaner noch viele Jahre belasten – es droht eine massive Verarmung der Flutopfer

Pakistan wurde im Sommer von der verheerendsten Flut der vergangenen 80 Jahre heimgesucht. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser, und den Vereinten Nationen (UN) zufolge sind 20 Millionen Menschen von den Auswirkungen betroffen. Die Regierung in Islamabad kooperiert, und auf der Ebene der Bundesstaaten soll der Eindruck vermittelt werden, man habe die Sache im Griff. Daran allerdings zweifeln die Hilfsorganisationen und die UN.

ohammad Ayass’ Welt ist zusammenge-brochen. Von seinem Haus stehen nur noch Trümmer, von seinem Dorf Jhande-

wali nichts mehr. Außer der Moschee. Mohammad Ayass sitzt auf einem Damm, das Wasser reicht bis zum Horizont. »Diejenigen, deren Häuser nur be-schädigt sind, wollen bleiben«, sagt er. Alle anderen sind weg. Von 600 Familien sind jetzt keine zehn mehr dort, wo einst Jhandewali war.

Das Dorf liegt im Bundesstaat Punjab, mitten in Pakistan. Die Region ist geprägt von den Flüssen In-dus und Chenab, die hier wie in einem Trichter zu-sammenfl ießen. Das wurde den Menschen in der Re-gion zum Verhängnis: Die Fluten überraschten sie von allen Seiten. Jhandewali ist eine Insel in einem Meer der Zerstörung.

»Es hat mehrere Tage vor der eigentlichen Flut sehr stark geregnet«, sagt Mohammad Ayass, »trotz-dem haben wir nicht mit so etwas gerechnet.« Am

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Abend des 12. August brach sich das Wasser dann Bahn. »Wir haben die Kinder gerettet, das Vieh und unser Leben. Sonst ist uns nichts geblieben.« Die meisten Bewohner seien auf den Damm gefl üchtet und auf das Dach der Moschee. »Dort haben wir fast zwei Wochen gesessen. Bislang hat uns noch keine Hilfe direkt erreicht.« Zweimal seien Hubschrauber der Armee über Jhandewali hinweggefl ogen, um Hilfsgüter abzuwerfen.

Tausende Dörfer sind abgeschnitten

Die Familien versuchen, sich notdürftig selbst zu helfen. Immer wieder machen sich die Männer auf in Richtung Hauptstraße, in der Hoffnung, dort et-was Brauchbares zu bekommen. Brauchbar ist mitt-lerweile fast alles, Nahrung, Zelte, Kleidung und me-dizinische Versorgung ohnehin. Nach einiger Zeit konnten die Männer mit Motorrädern die knietief überfl utete Straße in ihr Dorf befahren. Jhandewa-li ist abgeschnitten von allem. Und Jhandewali ist nur eines von Tausenden von Dörfern in Punjab, die derart betroffen sind.

Gut zwei Autostunden von Jhandewali entfernt liegt der Ort Muzaffargarh. Dort, im Zentrum der Kleinstadt, hat der District Coordination Offi cer Asif Khan sein Büro. Sein Distrikt gehört zu den am schlimmsten betroffenen im gesamten Land – auch für das Dorf Jhandewali ist er zuständig.

Rund 3,5 Millionen Einwohner habe sein Dist-rikt, »davon sind 1 553 464 Menschen betroffen«, trägt er vor. 48 Menschen seien gestorben, 2516 Ki-lometer Straße beschädigt, 1 642 817,5 Hektar land-wirtschaftliche Fläche zerstört. »Insgesamt ist ein Schaden von 3139 Millionen Pakistanischen Rupi-en entstanden«, referiert Khan. Das entspricht rund 31,4 Millionen Euro. Die Armee und die Regierung seien aktiv und erfolgreich. Was der District Coor-dination Offi cer sagen will ist: Pakistan hat die La-ge im Griff.

Jürgen Mika ist Mitglied des Nothilfeteams der Welthungerhilfe. Er hat unmittelbar nach der Flut-welle erste Strukturen im Katastrophengebiet auf-gebaut. Mika hat die Zahlen aus Muzaffargarh vor sich auf dem Schreibtisch liegen. »Unwahrschein-lich, dass so kurz nach einer Katastrophe schon so konkrete Zahlen vorliegen«, sagt er. Auch die Ver-einten Nationen kommen zu anderen Ergebnissen: Nach deren Einschätzung und nach Beobachtungen der Welthungerhilfe im Distrikt Muzaffargarh schneidet die Regierungshilfe bei Weitem nicht so gut ab. Es mangelt an fast allem.

Die Ernte fällt dieses Jahr aus

Seit Anfang September ist Mike Bratzke in Pakistan, er organisiert vor allem die Verteilungen für die Welthungerhilfe. Gerade kommt er aus einem der Dörfer gut zwei Stunden nördlich von Muzaffargarh. »Dort ist der Indus in einer Flutwelle in die Dörfer geströmt.« Bratzke hat sich dort mit den Dorfältes-ten getroffen und besprochen, wie es weitergehen kann. Schon drei Wochen nach der Flut war zu se-hen, wie die Menschen mit den Aufräumarbeiten be-

Von der Indus-Ebene geprägt

Die Islamische Republik Pakistan liegt strate-gisch bedeutsam zwischen Vorder- und Zent-ralasien. Die Gebirgszüge von Hindu kusch, Karakorum und Himalaja treffen im Norden des Landes zusammen. Der größte Fluss Pa-kistans, der Indus, entspringt im Hindukusch und windet sich südwärts durch das ganz Land, das zu mehr als einem Drittel von der Flussebene bedeckt wird. Die pakistanische Bevölkerung, rund 167 Millionen, setzt sich aus unterschiedlichen Volks- und Glaubens-gruppen zusammen, was zu innenpolitischen Spannungen führt. Geringe Bildung, hohe Ar-beitslosigkeit und eine Armutsrate von fast 30 Prozent sind weitere Probleme. Hinzu kommt eine große Zahl an Flüchtlingen aus Afghanis-tan. Die bereits mangelhafte Infrastruktur wurde durch das Erdbeben im Jahr 2005 weitgehend zerstört und behindert auch jetzt Rettung und Versorgung von Flutopfern. Die politische Situation stabilisiert sich zwar all-mählich unter der aktuellen zivilen Regie-rung, dennoch hat sich die Sicherheitslage vor allem durch Terroranschläge der Taliban, Grenzstreitigkeiten mit Afghanistan und den Konfl ikt mit Indien weiter verschlechtert.

Tote: 1838Verletzte: 2785Beschädigte Häuser: 1 849 474Betroffene Dörfer: 15 847Betroffene Bevölkerung: 20 553 176

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»Waten durch den Schlamm«

Von Gunnar Rechenburg

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WELTHUNGER-INDEX Rang 52/122 Ländern19,1 (ernst)

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www.welthunger-index.de

Maximale Flut-ausweitung

Schwer betroffen

Moderat betroffen

ginnen, wenn die Pegel sinken. Aber: Die Welthun-gerhilfe geht davon aus, dass bis November erst 80 Prozent aller überschwemmten Flächen wieder trockenliegen.

Im Oktober ist eigentlich Haupterntezeit. Auf ei-ner Fläche von der Hälfte Deutschlands bleibt jetzt die Ernte aus, die Felder sind verschlammt. »Viel-leicht«, sagt Mika, »haben wir ja Glück, und es han-delt sich um fruchtbaren Schwemmboden.« Eine va-ge Hoffnung, denn nicht nur die Ernte ist zerstört, sondern auch das Saatgut für die kommende Saison. Die Bewältigung der Katastrophe wird noch Jahre dauern. Schon jetzt ziehen die Preise für Lebensmit-tel an. Und die Leidtragenden werden in erster Linie die Menschen sein, die sich dann nichts mehr zu es-sen leisten können. Das muss verhindert werden.

Gunnar Rechenburg arbeitet als freier Journalist in Bonn.

AUF DER FLUCHT: Das Wasser kam so schnell, dass viele kaum ihr Hab und Gut retten konnten.

Page 5: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

asser, so weit das Auge reicht. Am 12. August, kurz vor Mit-ternacht, kamen die Wasser-massen nach ihrem langen Weg durch den pakistanischen Nor-

den auch in der Provinz Punjab an. Sajjad Hussain blieb nicht einmal eine halbe Stunde Zeit zu fl iehen. »Wir konnten nichts mitnehmen«, sagt der Tierarzt. Die Menschen in den tiefer liegenden Dörfern der Punjab-Region waren den Wassermassen schutzlos ausgeliefert: Indus und Chenab fl ießen dort wie in einem Trichter zusammen. Die Flüsse traten über die Ufer und zerstörten riesige Ackerfl ächen und Tau-sende Dörfer.

Die Welthungerhilfe hat in der 1,3-Millionen-Stadt Multan im Süden der Provinz Punjab ein Bü-ro eröffnet. »Von hier aus organisieren wir die Lo-gistik«, berichtet Nothilfekoordinator Jürgen Mika. In Muzaffargarh, einer Kleinstadt direkt im Flutge-biet, ist bereits ein Lager angemietet. Lokale Partner helfen bei der Verteilung in den Dörfern.

3. Quartal 2010 W E LT E R N Ä H R U N G 5F O T O R E P O R TAG E

Als die Flut kamTierarzt Hussain ist einer von rund 20 Millionen

Betroffenen landesweit. Er kampierte mit seiner Fa-milie in einem Flüchtlingslager auf dem Gelände ei-ner Moschee. Die rund 50 Zelte vor dem Gotteshaus hatte ein Geschäftsmann aus der Region gespendet. »Unser Dorf zählte 600 Menschen. Die sind jetzt hier oder an der Straße«, sagt Hussain. Die Obdachlosen leben am Straßenrand, die meisten haben nicht mehr als ein Bettgestell. »Manchmal fährt ein Lkw vorbei, aus dem Lebensmittel abgeworfen werden«, sagt Sajjad Hussain.

Der 14-jährige Younas hatte Glück. Er fi ng eine Tüte Brot aus einem vorbeifahrenden Transporter. Younas und seine Familie leben im Innenhof eines höher gelegenen Gehöftes gegenüber der Moschee. »Am Abend werden wir das Brot mit der ganzen Fa-milie teilen«, sagt er.

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Weitere Informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/pakistan-fl ut.html

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Fotos: Jens Grossmann, Text: Gunnar Rechenburg

1 Die Wucht der Wassermassen zerstörte zahlreiche Häuser. Viele Menschen sind jetzt obdachlos. Das Wasser kam so schnell, dass sie oft nur noch die Kleidung am Leib besitzen – alles andere Hab und Gut ist verloren. 2 Fischfang in den Fluten: Die Menschen in Pakis-tan versuchen, das Beste aus der Not zu machen, denn die Versorgung mit Nahrungsmitteln läuft erst schleppend an. 3 Der 14-jährige Younas hat ein Stück Brot von einem Hilfstransport ergattert. Er lebt jetzt mit sei-ner Familie im Innenhof eines Gehöfts.4 Auch der Tierarzt Sajjad Hussain und seine Fami-lie sind auf Hilfsgüter angewiesen. Sie gehören zu den rund 20 Millionen Betroffenen landesweit.

Page 6: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

3. Quartal 20106 W E lt E r n ä H r u n g PA r t n E r & P r o J E K t E

Sümpfe zu ReisfeldernMehr Erträge zu erwirtschaften, ist in Ruanda die eine Herausforderung, traumatisierte Menschen zusammenzuführen, die andere

Das Base-Kiryango-Tal, rund zwei Fahr-stunden von Ruandas Hauptstadt Kigali entfernt, war bis vor Kurzem landwirt-schaftlich kaum nutzbar. Bis die Welt-hungerhilfe es zu einem Millenniumsdorf gemacht hat – eine Art Mustergemeinde für den Kontinent. Aus eigener Kraft und mit Unterstützung der Welthungerhilfe haben es die Bewohner geschafft, ihre Situation entscheidend zu verbessern.

Von Petra Pluwatsch

nochentrockene Luft, ein hoher, weißer Him-mel. Es riecht nach Staub und Hitze und dem Holz ferner Feuer. Hier, zwischen sanf-

ten, lichtgrünen Hügeln – einigen wenigen, die Ru-anda den Namen »Land der 1000 Hügel« gegeben haben – betreut die Welthungerhilfe ein ehrgeiziges Projekt in Afrikas drittkleinstem Staat: Aus einem landwirtschaftlich kaum nutzbaren, 350 Hektar um-fassenden Sumpfgebiet wurde dank eines ausgeklü-

K

gelten Bewässerungssystems ein fruchtbares Tal, in dem Reis, Maniok und Süßkartoffeln wachsen. Die steilen Hügel sind kunstvoll terrassiert, neue Schul-gebäude gebaut, der ehemalige Sumpf in eine Viel-zahl von Reisfeldern unterteilt. Ein Feld kann im Jahr 14 Tonnen Reis abwerfen.

Seit 2005 ist das Base-Kiryango-Tal eines der Millenniumsdörfer, in denen die Welthungerhilfe in-nerhalb von fünf Jahren exemplarisch die Millen-niumsziele der UN zu verwirklichen sucht. Dazu ge-hören die weltweite Beseitigung von »extremem Hunger und Armut« bis 2015, die Gewährleistung einer »Grundschulbildung für alle Kinder« und die Sicherung der »ökonomischen Nachhaltigkeit«.

Kein einfaches Unterfangen in einem Land wie Ruanda, sagt Fred Göricke. Der 62-jährige Agrar-ökonom hat rund 40 Jahre Afrikaerfahrung. Seit sechs Jahren ist er in Ruanda stationiert – Ende des Jahres soll seine Dienstzeit dort zu Ende gehen, und das bedauert er schon heute.

Dabei könnte der Ruf Ruandas kaum schlechter sein. Selbst Entwicklungshilfeorganisationen haben bisweilen Probleme, frei werdende Stellen neu zu besetzen – und das, obwohl Ruandas Präsident Paul Kagame durchaus hinter den Zielen der ausländi-schen Helfer steht. »Schickt eure Kinder zur Schu-le«, fordert er auf riesigen Werbetafeln in Kigali. Ge-rade wurde die Schulpfl icht von sechs auf neun Jah-re angehoben. »Keine häusliche Gewalt«, »Kampf der Prostitution« ist weiter zu lesen. Und: »Geht wäh-len!« Letzteres zumindest haben die Bürger von Ru-anda beherzigt. Die Wahlbeteiligung an der Präsi-dentenwahl am 9. August betrug nach offi ziellen Angaben 95 Prozent, 93 Prozent stimmten für eine weitere Amtszeit Kagames.

Die Folgen des Bürgerkriegs prägen

Auch an ihrer Vergangenheit haben die zehn Milli-onen Einwohner Ruandas schwer zu tragen: Der Völ-kermord der Hutu an den Tutsi im Jahr 1994 for-

derte schätzungsweise eine Million Opfer. »Wir alle sind traumatisiert«, sagt André Ndejuru,

62. 1994 kämpfte er in Kagames Rebellenar-mee »Ruandische Patriotische Front« gegen den Wahnsinn in seinem Land; heute gehört er zum Beraterstab der Welthungerhilfe. Ei-

ne tiefe Narbe kerbt seinen rechten Unter-arm, Freundschaften schließt der studierte So-ziologe nur unter Vorbehalt. Er habe gelernt, »dass jemand, mit dem ich abends ein Bier trinke, am nächsten Tag tot sein kann«, sagt er. An diesem Nachmittag hockt Ndejuru in

der halb fertigen Reismühle des Örtchens Ga-funzo auf einem Schemel und übersetzt, was Gö-

ricke mit den Dorfbewohnern zu besprechen hat.

In Ruanda wird Englisch, Französisch und Kin-yarwanda gesprochen. Hier in der kahlen, an zwei Seiten offenen Halle verstehen die meisten nur die Landessprache Kinyarwanda. Dicht an dicht sitzen etwa 40 Vertreter der beiden Kooperativen des Base-Kiryango-Tals auf schmalen Stühlen längs der Wände. Göricke erklärt ihnen, dass die nächste Ern-te in Gefahr ist, wenn das kaputte Schleusentor nicht umgehend repariert wird. Die Coriki- und die etwas größere Coribaru-Kooperative, die das Land bewirt-schaften, haben zusammen mehr als 3000 Mitglie-der. Jedes Mitglied bestellt ein 0,1 Hektar großes Stück Land und ist mitverantwortlich dafür, dass das Gemeinschaftsprojekt funktioniert. Dass das nicht immer einfach ist, hat Göricke schon oft erfahren. »Die Menschen hier sind Individualisten«, sagt er. »Der Kern ist die Familie. Die Gemeinschaft stört eher, und die Menschen müssen lernen, dass sie zu-sammenarbeiten müssen, um etwas zu erreichen.« Es gibt zudem kaum gewachsene Dorfstrukturen in Ru-anda: Die Mehrzahl der Landbevölkerung lebt in Streusiedlungen ohne Kontakt zueinander.

»Unser soziales Leben fängt erst allmählich an«, sagt auch Josephine Kayifesi, 39 und Mutter zwei-er halb erwachsener Kindern. Sie trägt ein bunt be-drucktes grünes Kleid, das schulterlange Haar ist mühevoll geglättet. »Früher konnten wir niemanden einladen, weil wir selber nicht genug hatten. Wir hatten nichts zum Teilen, und das ist heute anders.« Sie und Ehemann Dominique Mugwiza, 47, gehö-ren zu denen, die vom Aufschwung im Tal profi tiert haben. Beide Eheleute haben sich am Cash-for-Work-Programm der Welthungerhilfe beteiligt und am Bau der Kanäle, Deiche und Terrassen im Base-Kiryango-Tal mitgearbeitet.

Ein einfacher Arbeiter verdient pro Tag 800 Ruan-da-Francs, etwa einen Euro für sechs Stunden Arbeit. Landesweit sind rund 18 000 Menschen in das Pro-gramm eingebunden. Viele Frauen tragen inzwischen zum Familieneinkommen bei. Stolz führt Josephine Kayifesi den Gast in den Gemeinschaftsraum der Fa-milie. Eine Holzbank, ein Tisch, vier Schemel. Auf dem Boden türmt sich ein Berg Reis. Die Wände be-stehen aus rotbraunem Lehm, der Boden ist zemen-tiert, das einzige Fenster vergittert. Früher habe das Geld nur für eine Mahlzeit am Tag gereicht, »und manchmal haben wir auch gar nichts gegessen«. Diese Zeiten seien zum Glück vorbei.

Petra Pluwatsch ist Chefreporterin des Kölner Stadt­Anzeigers.

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Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ruanda-basekiryagotal-millenniumsdorf.html

MillenniuMSZiele | Seit 2005 wurde im Base-Kiryango-Tal im Süden Ruandas vieles erreicht. Der Film zeigt die Lösungen der Welthunger-hilfe gegen Armut; deutsch und englisch, 14 Mi-nuten.

DVD – kostenlos zu bestellen unter [email protected] oder telefon 0228/22 88-134.

eine erfolgsgeschichte

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RUANDA

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KONGO (DEM.) UGANDA

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AtlantischerOzean

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Südatlantischer Ozean

Nordatlantischer Ozean

Indischer Ozean

Kigali

WelthungeR-inDeX Rang 64/122 ländern23,1 (sehr ernst)

0 wenig hunger

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leben nach dem trauma

Mit knapp neun Millionen Einwohnern, auf ei-ner Fläche vergleichbar mit Brandenburg, ist Ruanda das am dichtesten besiedelte Land Afrikas. Das schnelle Bevölkerungswachstum belastet die Ressourcen. Mehr als die Hälfte der ruandischen Bevölkerung lebt in absoluter Armut. Viele leiden zudem unter den Folgen des Bürgerkriegs zwischen den Hutu und Tutsi und des 1994 daraus resultierenden Ge-nozids. Trotz der schwierigen Geschichte hat die ruandische Regierung Fortschritte in der Demokratisierung gemacht. Bei der Gleich-stellung der Geschlechter ist Ruanda ein Vor-bild: Mit 56 Prozent hat das ruandische Par-lament den weltweit größten Frauenanteil.

gravierend 40

ZuFRieDen: Die Menschen im Base­Kiryango­Tal blicken optimis tisch in die Zukunft.

Page 7: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

3. Quartal 2010 W E lt E r n ä H r u n g 7K o n t r ov E r s

Der Fall Kosovo beleuchtet das Selbstbestimmungsrecht der VölkerDie Gründung eines Staates ist nicht der einzige Weg zur Selbstbestimmung – Lösungen gegen eine Kaskade von Abspaltungen sind gefordert

er Internationale Gerichtshof in Den Haag hat verkündet: Die Unabhängigkeitserklä-rung des Kosovo verstößt nicht gegen das

Völkerrecht. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei damit der Streit mit Serbien beendet. Aber ist das wirklich so? Abgesehen davon, dass die UN-Voll-versammlung das Gericht mit einem Gutachten und nicht mit einer Entscheidung beauftragt hat – was könnte dieses Gutachten in künftigen Streitfällen bedeuten, und was ist eigentlich das »Selbstbestim-mungsrecht der Völker«, auf das der Gerichtshof sich in seinem Spruch beruft? Der Begriff scheint einfach zu verstehen zu sein. Jedes Volk hat das Recht, seine Staatlichkeit so zu organisieren, wie es das wünscht, auch einen eigenen Staat zu gründen. Aber was ist ein Volk? Jede Gruppe von Menschen, die dieselbe Sprache sprechen? Dann hätten allein in Nigeria (je nach Zählung) 250 bis 400 verschie-dene »Völker« das Recht auf die eigene Staatlichkeit. Andererseits sind die Deutschen, die Deutschspra-chigen, in fünf verschiedenen Staaten organisiert. Was wäre die Konsequenz?

Reinold E. Thiel ist freier Journalist und Autor. Von 1971 bis 1989 arbeitete er für Organisationen der Entwicklungs zusammenarbeit in Afrika und Nahost. Von 1992 bis 2003 war er Chefredakteur der Zeitschrift »Entwicklung und Zusammen­arbeit«. In der »Welternährung« kommentiert er regelmäßig kontroverse Themen.

Meinung

Das Völkerrecht wird nicht von Wissenschaftlern auf den völkerrechtlichen Lehrstühlen geschrieben, auch nicht von Menschenrechtsgruppen, sondern von Politikern, die internationale Konventionen und Verträge beschließen. Deshalb sichert das Völker-recht in erster Linie die Rechte der Staaten und nicht die Rechte der Völker. Die UN-Charta, geschaffen von den Politikern der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg, verdeutlicht das gleich zu An-fang in Artikel 2: Geschützt werden soll »die terri-toriale Unversehrtheit oder die politische Unabhän-gigkeit« der Staaten. Das war ein Abwehrreflex ge-gen die deutschen und italienischen Annexionen von Nachbarstaaten zwischen 1937 und 1945. Auch in den weiteren Artikeln der UN-Charta ist nur von Streitigkeiten zwischen den Staaten die Rede. Die »Selbstbestimmung der Völker« wird zwar in Arti-kel 1 der UN-Charta auch erwähnt, aber in eher bei-läufiger Form; Instrumente zu ihrem Schutz nennt die Charta nicht.

Andererseits war die Forderung, »dass keine Re-gierung oder Gruppe von Regierungen berechtigt sein soll, über das Gebiet eines Volkes und dessen politische Zugehörigkeit zu entscheiden«, schon sehr früh erhoben worden: von US-Präsident Thomas Woodrow Wilson in seinen berühmten »14 Punkten« von 1918. Aber dieser Text, der so etwas wie die Ma-gna Charta Libertatum des Völkerrechts hätte wer-den sollen, blieb das Credo eines politischen Idea-listen, ohne praktische politische Auswirkung. Die Verwirklichung der Vorstellungen Wilsons hätte das sofortige Ende aller Kolonialreiche bedeutet, und welcher Politiker hätte dem 1918 (oder auch 1945) zugestimmt? Theodore Roosevelt, 25 Jahre später, hatte Ähnliches im Sinn, aber Josef Stalin und Winston Churchill, durch gleichläufige Interessen verbündet, sorgten dafür, dass dies nicht Völker-recht wurde.

Nur langsam hat sich in den Jahrzehnten danach die Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Völker weiterentwickelt, vor allem im Zusammenhang mit

der Dekolonisierung. 1960 konstatierte die General-versammlung der Vereinten Nationen: »Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung.« Jedoch blieb das Recht der Staaten auf territoriale Unver-sehrtheit dem immer entgegengestellt, es wurde nie widerrufen, und dieses Recht war es, das sich in den meisten Fällen durchsetzte. Die Loslösung Katangas vom damaligen Kongo-Léopoldville, die Biafras von Nigeria wurden verhindert. Bangladesch war lange Zeit der einzige Fall einer erfolgreichen Abspaltung – bis zur Auflösung der UdSSR und Jugoslawiens.

Selbstbestimmung kann aber auch noch etwas anderes bedeuten: das Recht auf die eigene Kultur, auf die eigene Sprache, auf einen bestimmten Grad von Autonomie innerhalb eines größeren Staatsverbandes. Dieses Recht ist es, das die Dänen in Deutschland und die Deutschen in Belgien ge-nießen, das den Kurden in der Türkei und im Iran ver-weigert wird. Die Diskrimi-nierung von Minderheiten zu verhindern, ist ein Ziel, das sich die internationale Staatengemeinschaft und regionale Organisationen wie die OSZE mit größerer Entschiedenheit gesetzt haben als die staatliche Sou-veränität, und hier gibt es in der Tat Konventionen und Verträge, deren Einhaltung von zuwiderhan-delnden Staaten eingefordert werden kann.

Im Kosovo aber geht es um die Gründung eines neuen Staates, mit einer langen Vorgeschichte. Die Albaner hatten, wie auch die anderen Balkanvölker, seit Jahrhunderten gegen die ottomanische Herr-schaft aufbegehrt. Als dann nach dem Ersten Bal-kankrieg 1913 neue Grenzen gezogen wurden, konnte Serbien erreichen, dass der Kosovo ihm zu-geschlagen wurde. Dabei blieb es auch nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg (nur unter deut-scher Besatzung kam es 1943/44 kurz zu einem An-schluss an Albanien). Im Jugoslawien Marschall Jo-

sip Broz Titos wurde allen Teilvölkern ein eigener Gliedstaat zugestanden, von Slowenien bis Make-donien – nur den Albanern nicht, Kosovo wurde ei-ne Provinz Serbiens. Der Grund war die Befürch-tung, der Kosovo würde sich Albanien anschließen wollen, und natürlich traf das auch zu. Den Wunsch gibt es noch heute, der Bau einer beide Länder ver-bindenden Autobahn wurde bereits begonnen.

Nun könnte man zu dem Schluss kommen, mit dem Spruch des Haager Gerichts sei alles gut – aber durch ihn wird ein Präzedenzfall geschaffen, der Russland ebenso in Sorge versetzt wie China oder Georgien. Und auch Spanien fürchtet die Selbststän-

digkeitsgelüste des Basken-landes und Kataloniens, und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordir-land diejenigen Schottlands. Selbst die Einwohner der In-sel Jersey könnten plötzlich entdecken, dass sie sich nicht nur nominell, sondern auch völkerrechtlich vom Verei-

nigten Königreich trennen wollen, um dann in völ-liger Freiheit allen deutschen Steuerflüchtlingen ei-ne Geschäftsadresse in einer ihrer Kanzleien anzu-bieten. Nicht undenkbar – in England wurde 1949 »Passport to Pimlico« gedreht, ein Film, in dem die Einwohner eines Londoner Stadtteils ihre Unabhän-gigkeit erklären, um Transitzoll von den Reisenden der durchfahrenden U-Bahn zu erheben.

Was kann helfen gegen eine drohende Kaskade von Abspaltungen, wenn das Selbstbestimmungs-recht Schule macht? Die Lösung für Kosovo, Serbi-en und Albanien jedenfalls kann nur sein, dass al-le gemeinsam in die EU aufgenommen werden, nicht sofort, aber in absehbarer Zukunft. Und damit auch anderswo in der Welt kleine Völker sicher sein kön-nen, dass sie nicht von den großen in einer Union unterdrückt werden, sollte Europa dafür das gute Vorbild abgeben.

[[ »europa sollte das Vorbild für das Zusam-menleben großer und kleiner Völker sein.«

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Wie Viel unabhängigKeit Soll eS Sein? Jugendliche vor einem Freiheitsslogan in der ethnisch gespaltenen Stadt Mitrovica, Kosovo.

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Page 8: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

8 W e lt e r n ä H r u n g PA r t n e r & P r o J e K t e 3. Quartal 2010

uf den ersten Blick wirkt das Dorf Vashan pittoresk: Ein Bächlein fl ießt entlang der Dorfpiste. Gassen zweigen zu den traditi-

onellen Lehmhütten ab. Die Sonne strahlt auf fast 2000 Metern Höhe mit enormer Kraft. Wer durch das Dorf läuft, merkt sogleich, wie erschöpfend die Kombination von Höhenluft, Hitze und trockenem Staub wirkt.

»Zum Feuerholz geht es zwei Stunden talauf-wärts«, erzählt die Bewohnerin Silva Bichalicha (Name geändert) und weist auf die teilweise schnee-bedeckten hohen Berge. »Für den Weg zurück müs-sen wir uns einen Esel leihen, der das schwere Holz schleppt.« Silva Bichalicha ist »um die 40 Jahre alt«, wie Umrinisso Karimova von der Welthunger-hilfe übersetzt. Das Leben hat Frau Bichalicha an-scheinend zugesetzt: Ihr Gesicht zeigt tiefe Falten, ihr linkes Auge ist vom Staub entzündet und nur halb geöffnet.

Wir sitzen draußen auf einem Holzpodest im In-nenhof des Familienhauses. Zwei große Wohnräu-me zweigen ab, in denen nachts die gesamte Fami-lie schläft. Zurzeit sind das neun Personen, darun-ter Silva Bichalichas älteste Tochter mit ihren drei Kindern. In keinem der Wohnräume stehen Möbel. Kleidung hängt an Nägeln, in Plastiksäcken ver-packt. Die Bewohner schlafen nebeneinander auf dünnen Matten, die in Deutschland allenfalls als Aufl age für Liegestühle verwendet würden.

Alte Öfen: gefährlich und ineffi zient

Doch das größte Problem der Familie steht draußen auf dem Innenhof: der Ofen, auf dem die Familie kocht. Selbst im Winter, wenn das Thermometer oft auf minus 30 Grad fällt, wird draußen gekocht: Denn die Rußspuren über dem traditionellen Lehmofen ra-gen bis zu drei Meter hoch. Das liegt daran, dass durch Spalten und Löcher neben den Kochtöpfen Feuer hoch nach oben lodert – die meiste Energie wird dabei sinnlos verschwendet. Unten weist der Ofen eine riesige Spalte auf, durch die das Feuer-holz nachgelegt wird. Vor der Spalte hängt als Ab-deckung eine brennbare Plastikplane. »Das ist sehr gefährlich, aber so versuchen die Menschen, wert-

volles Feuerholz zu sparen«, weiß Umrinisso Kari-mova. Selbst wenn drinnen genügend Platz wäre, könnte der traditionelle Ofen nicht einfach dorthin verlegt werden: »Ruß und Rauch würden die Wohn-räume vergiften, weil eine Rauch-ableitung fehlt.«

Von den 7,5 Millionen Tad-schiken leben 75 Prozent auf dem Land. Dabei kön-nen nur fünf Pro-zent des Bodens landwirtschaftlich genutzt werden. Der größte Teil der Landesfl äche entfällt auf gewaltige Gebirgszü-ge wie das Pamirmassiv. Die teils sehr isoliert le-bende Landbevölkerung ist auf Impulse von außen

Alte, löcherige Öfen verschlingen unnötig viel Brennstoff, und die Menschen frieren trotzdem. Dabei ist die Modernisierung so einfach

AVon Achim Nuhr

Im Zerafshan-Tal in Tadschikistan müs-sen die Menschen immer weiter laufen, um Feuerholz zu fi nden. Gleichzeitig ver-brauchen ihre traditionellen Öfen sehr viel Holz. Mit Unterstützung der Welt-hungerhilfe werden nun effi zientere Kochherde eingeführt, um die schrump-fenden Baumbestände zu schonen.

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aus ferTigTeileN gebauT: Der neue Ofen ist dicht, effi zient und sicher. Umrinisso Karimova von der Welthungerhilfe (rechts) wirbt weiter für dieses Modell.

angewiesen, um ineffi ziente Infrastrukturen zu er-setzen. Die alten Öfen stammen aus einer Zeit, als Feuerholz noch ausreichend und nah zur Verfü-gung stand.

Die Welthungerhilfe schickte zuerst Interviewer zu den Bewohnern des Zerafshan-Tals. Es stellte sich heraus, dass jeder einzelne Haushalt jährlich meh-rere Tonnen Feuerholz verbraucht, manche sogar bis

www.welthunger-index.de

WelThuNger-iNdeX rang 42/122 ländern15,8 (ernst)

0 wenig hunger gravierend 40

ses ist die Stromversorgung unzuverlässig und schwach, in den Seitentälern gibt es oft überhaupt keinen Strom. Die Menschen müssen aber kochen und oft auch noch ihr eigenes Brot backen, weil es keine andere Versorgung gibt. Deshalb würde auch der einfache Appell, doch bitte die Bäume stehen zu lassen, allein nicht helfen.

die verbesserten Öfen verbrauchen allerdings weiter-hin feuerholz.Das stimmt, aber der Verbrauch wird dramatisch abnehmen: Allein am Zerafshan-Tal werden bis Mitte 2011 etwa 17 500 Menschen an unserem Pro-gramm »Energieeffi zienz im Haushalt« teilnehmen. Nach unseren Berechnungen benötigen diese Men-schen nach der Umstellung auf bessere Öfen höchs-tens noch halb so viel Feuerholz oder auch Kuh-dung, der so dringend für die natürliche Nährstoff-anreicherung des Bodens benötigt wird – und das ist eine sehr vorsichtige Schätzung.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die regionen an ein stromnetz anzuschließen?Da hätten die Mittel höchstens für ein kleines Para-deprojekt gereicht. Wir gehen stattdessen in die Breite und erreichen, dass allein im Zerafshan-Tal mehr als 1000 effi zientere Öfen entstehen, bei Kos-ten von etwa zwei Euro pro Stück. Außerdem rech-nen wir mit Folgeeffekten.

Welche effekte könnten das sein?Beim Ofenbau helfen sich die Menschen und kom-men ins Gespräch: Warum soll jede einzelne Fami-lie etwa zweimal pro Woche einen großen Brotofen in Gang setzen, um dann nur ein paar Brote zu ba-cken? Wir regen Familien an, den Ofen gemeinsam zu nutzen. Mittlerweile bieten wir auch einfache Platten zur Isolierung von Wänden an: Wer sie selbst einbaut, friert im nächsten Winter nicht mehr.

Das Interview führte Achim Nuhr.

Daniel Bronkal ist Regionalkoordinator Zentralasien der Welthungerhilfe.

»es gibt keine andere Versorgung«

WelTerNÄhruNg: in Tadschikistan sind strom und gas nach umfragen der Welthungerhilfe die beliebtesten energiequellen zum Kochen. Warum investiert die Welt-hungerhilfe trotzdem in lehmöfen?daNiel broNKal: Weil das realistisch, umwelt-freundlich und effi zient ist. Selbst entlang der gro-ßen Straße durch das Haupttal des Zerafshan-Flus-

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zu zwanzig Tonnen. Außerdem wird Tierdung als Brennstoff verwendet. Was zunächst umweltfreund-licher klingt, hat aber auch seine Tücken: Das Ze-rafshan-Tal ist eine semiaride Zone, in der Regen nur selten und dann meist sehr heftig fällt. Dung, der auf Feldern und Wiesen verbleibt, konserviert das Regenwasser und wirkt außerdem als Dünger. Darum bleibt Dung besser dort, wo er ist – statt im Ofen verfeuert zu werden. Deshalb werben Umrinis-so Karimova und ihre Mitarbeiter für einen anderen Ofentyp, der viel weniger Energie verbraucht.

Karimova führt weiter zum Haus von Negina Sachnosa (Name geändert): Dort steht ein massiv gemauerter Lehmofen – mit einem kreisrunden Loch oben, durch das das Feuer austritt. Unten sichert ein massiver Eisendeckel das Einfüllloch, hinten ist ein Rauchabzug angebracht. »Den Ofen haben wir selbst gebaut«, erzählt Negina Sachnosa stolz, »mit Fertig-teilen von der Welthungerhilfe«.

Als sie den Deckel des Ofens abnimmt, ist innen ein Eisengerippe zu erkennen: der von der Welthun-gerhilfe gelieferte Ofenrahmen, um den die Familie von Frau Sachnosa den Lehm gespachtelt und so die exakten Formen erzielt hat. »Für den Ofenrahmen nehmen wir eine kleine Schutzgebühr«, erläutert Umrinisso Karimova. »Wesentlich wichtiger ist uns aber der Eigenanteil der Familien, ihren Ofen selbst zu bauen.« Sobald ein Ofen steht, erhalten die Be-sitzer für einen geringen Preis passgenaue Eisentöp-fe – so können Flammen nicht mehr ungenutzt aus dem Ofen nach oben schlagen. Die meisten Dörfer in Tadschikistan sind so arm wie Vashan. Umrinis-so Karimova: »Wenn die Menschen nicht in die Hauptstadt Duschanbe abwandern sollen, müssen sie hier wenigstens gut kochen können.«

Achim Nuhr arbeitet als freier Journalist für die ARD.

der lohn harter arbeitBeharrlich arbeiten die Menschen in Tadschikistan nach Bürger-krieg und wirtschaftlichem Zerfall für eine bessere Zukunft. Die DVD »Tadschikistan« (dt. und engl., circa 18 Minuten) erhalten Sie kostenlos durch eine E-Mail an [email protected].

Page 9: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

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rogramme zur Verbesserung der Ernährungs-situation von Kindern haben bislang vor al-lem die Altersgruppe bis zu fünf Jahren im

Blick. Aktuelle Studien zeigen jedoch deutlich: Das kritische Zeitfenster ist wesentlich enger. Es beginnt bei der Empfängnis eines Kindes und erstreckt sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. In diesem Zeitraum besteht nicht nur der größte Bedarf an ausreichender und den Bedürfnissen angepasster, hochwertiger Kost. Diese Phase ist auch entschei-dend, wenn es darum geht, irreversible Folgen einer Mangelernährung abzuwenden.

Die Studien belegen weiter: Kinder, die in den ers-ten 1000 Tagen ihres Lebens über einen längeren Zeitraum unzureichend ernährt wurden, tragen blei-bende Schäden davon. Ihre körperliche und geistige Entwicklung ist häufig eingeschränkt, ihr Immun-system ist schwach entwickelt und durch zahlreiche Erkrankungen die Lebenserwartung verringert. Meist bleiben diese Kinder langfristig im Wachstum zurück und sind oft nur eingeschränkt leistungsfähig. Frau-en, die als Kind selbst unter Mangelernährung litten, bringen später zumeist auch untergewichtige Kinder zur Welt – ein Teufelskreis. Allein durch Jodmangel der Mutter während der Schwangerschaft kommen jedes Jahr bis zu 20 Millionen Babys mit geistigen Behinderungen zur Welt.

Das zieht nicht nur enormes individuelles menschliches Leid nach sich, sondern auch massi-ve gesamtgesellschaftliche Einbußen. Die Gesund-heits- und Bildungssysteme werden belastet, weil die Kinder häufiger krank und in der geistigen Ent-wicklung verzögert sind. Diese Benachteiligung zieht sich bis ins Erwachsenenalter und hat nicht nur negative Folgen für ein selbstständiges und er-fülltes Leben, sondern auch für die Volkswirtschaf-

Weltweit leiden 32 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren unter chronischer Mangelernährung. Das ist eine erschreckende Zahl. Vor allem während der ersten beiden Lebensjahre eines Kindes ist Unter-ernährung lebensbedrohlich. Sie kann die physische, motorische und geistige Entwicklung ein Leben lang stark beeinträchtigen. Blind-heit, Wachstumsstörungen und organische Fehlentwicklungen sind die erschreckenden Folgen.

Warum im frühen Kindesalter eine ausreichende und ausgewogene Ernährung entscheidend ist

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Nur 1000 Tage Zeitten. In Ländern mit hohen Raten an unterernährten Kindern fällt das Wachstum teilweise um bis zu elf Prozent geringer aus. Das bedeutet, dass sich Inves-titionen in die frühkindlicher Ernährung doppelt auszahlen: Neben dem Nutzen für den Einzelnen leisten sie einen langfristigen Beitrag zur Armuts-bekämpfung.

Dabei wären direkte Maßnahmen einfach umzu-setzen, wie etwa die Unterstützung der Nährstoff-versorgung werdender Mütter durch Nahrungser-gänzung. Auch sollten Mütter angehalten werden, ihre Kinder bis zum sechsten Lebensmonat aus-schließlich zu stillen. Anschließend müssen Kinder ihrem Alter entsprechend mit gesunder und ener-giereicher Folgenahrung gefüttert werden. Dafür müssen die Mütter sensibilisiert werden und vor al-lem Schulungen erhalten, denn sie selbst müssen das Essen herstellen. Bereits einfache Verhaltens-maßregeln wie das Abkochen von Wasser haben große Auswirkungen. So können nämlich Erkran-kungen, wie zum Beispiel Durchfall, vermieden wer-den, die gerade für Säuglinge und Kleinkinder schnell lebensbedrohlich werden.

Frauen müssen unterstützt werden

Doch diese Maßnahmen müssen von Programmen begleitet werden, die an den indirekten Ursachen frühkindlicher Mangelernährung ansetzen. Insbe-sondere Schwangere und Kleinkinder brauchen ei-ne abwechslungsreiche Nahrung und sauberes Trinkwasser. Auch die Gesundheitsfürsorge und die soziale Stellung von Frauen müssen verbessert wer-den, damit diese in der Lage sind, angemessen für sich und ihre Kinder zu sorgen.

Bei dem Projekt »Kopenhagener Konsens von 2008«, das auf der Basis von ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen Prioritäten für die wichtigsten He-rausforderungen der Menschheit benennt, führen

Weltweit leiden rund eine Milliarde Menschen Hunger. Weitere zwei Milliarden Men-schen sind vom sogenannten »versteckten Hunger« betroffen. Sie haben zwar Zugang zu einer ausreichenden Menge an Kalorien, aber sie nehmen nicht genügend lebenswich-tige Proteine, Vitamine und Mineralstoffe auf. Diese Form der Mangelernährung wird bislang viel zu wenig wahrge-nommen. Doch auch sie hat gravierende Folgen, vor allem für die gesunde Entwicklung von Kleinkindern, die in den ersten 1000 Lebenstagen ganz besonders durch unzureichende Ernährung gefährdet sind. D

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Von Constanze von Oppeln und Ute Latzke Maßnahmen zur Verbesserung der frühkindlichen Mangelernährung die Rangliste an. Denn es ist we-sentlich kostengünstiger, Kinder vor Mangelernäh-rung zu schützen als ein krankes Kind zu behan-deln: Es wird geschätzt, dass bereits die konsequen-te Umsetzung der Stillempfehlung zwischen zwölf und 20 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren verhindern könnte. Und zwei Vitamin-A-Kapseln, die pro Stück nur zwei Cent kosten, wür-den ausreichen, um ein Kind ein Jahr lang vor Man-gelerkrankungen zu schützen.

Thema braucht mehr Aufmerksamkeit

Schnelle Erfolge sind möglich, wie die Beispiele ver-schiedener Länder zeigen. Letztlich ist jedoch ent-scheidend, welche politische Priorität dem Anliegen eingeräumt und wie es verankert wird. Angemesse-ne Ernährung muss als Querschnittsaufgabe in ver-schiedenen Ministerien angesiedelt werden – etwa Landwirtschaft, Soziales, Gleichstellung, Gesundheit und Finanzen. Dabei haben auch internationale Po-litikstrategien den Aspekt der Mangelernährung in Ernährungssicherungsprogrammen zu lange ver-nachlässigt. Die internationale Gemeinschaft hat diesen Fehler erkannt und will das Thema stärker in internationalen und nationalen Politikstrategien verankern. Durch einfache Maßnahmen könnten je-des Jahr Millionen von Todesfällen verhindert wer-den. Es fehlte bislang vor allem am politischen Wil-len – das muss sich ändern.

Constanze von Oppeln und Ute Latzke sind Mitarbeiterinnen der Welthungerhilfe in Bonn.

Weitere informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ whi2010.html

schNelle NoThilfe: Durch Wiegen und Messen stellen Helfer fest, ob Kinder unterernährt sind. Sind sie stark betroffen, müssen sie sofort ins Krankenhaus.

Page 10: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

D O S S I E R 3. Quartal 201010 W E LT E R N Ä H R U N G

Die Welthungerhilfe ist seit 1969 in Mali tätig und unterstützt momentan 100 Dör-fer, die besonders von Nahrungsunsicher-heit betroffen sind. Bis 2011 sollen etwa 125 000 Menschen von der Arbeit profi -tieren. Dabei stehen vor allem Kinder un-ter fünf Jahren, Schwangere und stillende Frauen im Fokus.

m schlimmsten ist der Hunger in Nioro du Sahel immer in der Regenzeit, wenn alles wächst und gedeiht. Sorghum und Hirse ste-

hen an den Halmen, schießen übermannshoch in den Himmel. Erdnüsse und Augenbohnen schieben satt-grüne Ranken über den roten Boden. Doch die Schüs-seln bleiben leer hier im äußersten Westen Malis, an der Grenze zum Wüstenstaat Mauretanien. Jetzt, in der zweiten Jahreshälfte, haben die Bauern ihre Vor-räte aufgebraucht, und die neue Ernte ist noch lan-ge nicht reif. »Wir produzieren so wenig«, sagen die Bauern, »das reicht nicht für das ganze Jahr.«

Am meisten leiden darunter die kleinen Kinder, die nicht nur zu wenig, sondern oft auch falsche Nahrung bekommen. In den Dörfern rund um das Kreisstädtchen Nioro hat deshalb etwa die Hälfte der Eineinhalb- bis Dreijährigen Wachstumsstörungen. Und schon von den Kindern, die weniger als ein Jahr alt sind, weist etwa jedes vierte entsprechende Symptome auf. Symptome, die die Mütter nicht ein-mal erkennen: »Wir haben nicht gewusst, wie ein unterernährtes Kind aussieht«, sagen sie.

Aufklärungsarbeit ist erfolgreich

Regenzeit und Dürre lassen sich zwar nicht ver-schieben, aber zumindest Größe und Qualität der Ernten kann man beeinfl ussen. Und wie man ein unterernährtes Kind erkennt, und was für sein Wachstum notwendig ist, lässt sich lernen. Seit zwei Jahren klärt die Welthungerhilfe die Menschen in rund 100 Dörfern in den Kreisen Nioro du Sahel und Diéma auf, lokale Freiwillige lassen sich schulen und verbreiten das Wissen weiter. Vor allem die Er-nährungssituation von Kindern unter fünf Jahren, von schwangeren und stillenden Frauen soll in dem auf vier Jahre angelegten »Best Practices«-Projekt deutlich verbessert, die Fälle von chronischer Un-terernährung halbiert werden. Doch die dazu nöti-ge Aufklärungsarbeit stieß lange auf Vorbehalte in den Gemeinden. Heute sind auch die Helfer in der Lage, zu erkennen, wenn ein Kleinkind falsch er-nährt wird. Und sie wissen sogar, woran das liegt: an den Ziegen.

Schon seit Generationen ziehen die Frauen in Ni-oro ihre Kinder mit Ziegenmilch auf. Ihre wertvolle Muttermilch hielten sie für giftig, schütteten sie weg. »Ich sage zu den Müttern: Schau die Tiere an, die Ziegen, die Kühe, die Pferde«, erklärt der von der Welthungerhilfe ausgebildete Freiwillige. »Sie geben ihre Milch ihren Kindern. Sie ist nicht giftig.« Zur Ziegenmilch gaben die Mütter ihren Säuglingen Wasser zu trinken. Eine der Frauen erzählt: »Jetzt geben wir ihnen nur Muttermilch in den ersten sechs Monaten. Wir haben gelernt, dass sie besser ist als Wasser.« Wenn die Muttermilch nach einem halben Jahr nicht mehr ausreicht, bereiten die Frau-en nun eine auf das Kleinkind abgestimmte Zusatz-kost aus lokalen Erzeugnissen zu. »Wir haben nicht gewusst, dass man so etwas machen muss«, sagt sie. »Wenn wir gegessen haben, haben wir unserem Kind einfach etwas davon gegeben.« Ihre Nachbarin be-stätigt den positiven Effekt, den das Stillen auf die Kinder hat. »Ich sehe einen Unterschied bei meiner zweiten Tochter«, sagt sie. »Sie hat in den ersten sechs Monaten nur Muttermilch bekommen und Kindernahrung danach. Seit ihrer Geburt ist sie nie krank geworden. Das ist anders als bei meinem ers-ten Kind.« Auf den Dörfern setzt sich erst langsam die Erkenntnis durch, dass mangelhafte Ernährung die Ursache für viele Krankheiten ist.

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ERNÄHRUNG: Die Frauen lernen, ausgewogen für sich und ihre Kinder zu kochen.

Oft mangelt es auch an WissenFrauen in Mali lernen jetzt dank der Welthungerhilfe, dass eine falsche Ernährung der Grund sein kann, warum ihre Kinder erkranken

WISSENSWERTES

Ausmaß Chronische Mangelernährung – tritt durch zu geringe Größe im Vergleich zum Alter in Erscheinung (Stunting): betrifft etwa 178 Millionen Kinder, das heißt weltweit 32 Pro-zent aller Kinder unter fünf Jahren.

Akute Mangelernährung – tritt durch zu geringes Gewicht im Vergleich zum Alter in Erscheinung (Wasting): betrifft etwa 55 Millionen Kinder, das heißt weltweit zehn Pro-zent aller Kinder unter fünf Jahren.

Untergewicht – das heißt eine Kombination aus zu geringer Größe und zu geringem Gewicht im Vergleich zum Alter: betrifft etwa 112 Millionen Kinder, also weltweit 20 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren.

»Versteckter Hunger« – das heißt ein Mangel an lebenswichtigen Mikronährstoffen und Vitaminen: betrifft viele Millionen von Kindern weltweit.

Folgen 14,5 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren gehen auf chronische Mangelernährung zurück.

14,6 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren sind auf akute Mangeler-nährung zurückzuführen.

Elf Prozent aller Kinder weltweit kommen aufgrund von unzureichender Nährstoffauf-nahme während der Schwangerschaft bereits zu klein zur Welt und haben ein erhöh-tes Sterberisiko.

6,5 Prozent aller Todesfälle von Kindern unter fünf Jahren werden durch Vitamin-A-Mangel verursacht.

Unterschätzte frühkindliche Mangelernährung

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© Quelle: R. Black u. a.: Maternal and Child Undernutrition: Global and Regional Exposures and Health Consequences, The Lancet, 371: 243–60.

Von Florian Kaiser

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Weitere Informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/mali-hilfsprojekt-bildung.html

WELTHUNGER-INDEX Rang 52/122 Ländern19,1 (ernst)

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www.welthunger-index.de

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Damit kranken Säuglingen und Kleinkindern bes-ser geholfen werden kann, hat die Welthungerhilfe die Einrichtung von gemeinschaftlichen Ernährungs-fonds angeregt. Die Familien hinterlegen eine be-stimmte Summe bei einer Bank vor Ort, das Projekt schießt zu, und ein Gemeindeausschuss verwaltet das Geld. »Wenn ein Kind krank ist und der Gesundheits-beauftragte es ins Krankenhaus nach Nioro über-weist, nehmen wir Geld aus der Kasse für den Trans-port des Kindes«, berichtet eine Mutter. Anfang die-ses Jahres gab es in 48 der rund 100 am Projekt beteiligten Dörfer solche Gesundheitsfonds, insge-samt 1 583 075 CFA-Franc (etwa 2430 Euro) wurden hinterlegt. Die Beschäftigten in den öffentlichen Ge-sundheitszentren bestätigen, dass immer mehr Men-schen sie aufsuchen.

Auch Mütter müssen versorgt werden

Doch die Frage der gesunden und ausreichenden Er-nährung betrifft nicht nur die Kinder, sondern auch die Mütter. Vor Projektbeginn war jede fünfte Mut-ter untergewichtig, noch einmal so viele von Unter-gewicht bedroht. Die Gesundheit der schwangeren und stillenden Frauen aber hat Auswirkungen auf ihre Neugeborenen. Die Aufklärung über Essge-wohnheiten und gesunde Ernährung kann aber nur dann etwas bewirken, wenn es auch genug Nah-rungsmittel gibt. Deshalb werden im Projektgebiet Schulungen mit den Familienvorständen abgehal-ten. Hier lernen die Dorfbewohner, wie sie das Saat-gut verbessern und gemeinsam die Erosion des we-nigen fruchtbaren Bodens aufhalten, wie sie die Ern-te vergrößern, diversifi zieren und lagern können. Denn nur so lässt sich die Hungerzeit vor der Ernte vermeiden. Anfangs waren die Bauern den neuen Methoden gegenüber sehr skeptisch. »Im ersten Jahr haben wir von dem neuen Saatgut nur wenig gesät. Dann haben wir gesehen, dass es viel besser funkti-oniert«, sagt einer der Bauern. »Dieses Jahr wollen alle nur noch das neue Saatgut. Das ergibt ungefähr 500 Kilo für jedes Kilo Samen. Beim alten Saatgut waren es 300 Kilo.« Brunnen- und Gartenbauprojek-te tragen ebenfalls zu höheren Ernten bei.

Bei allem Nutzen, den die Dorfbewohner inzwi-schen in dem Projekt sehen, war es doch nicht frei von Anlaufschwierigkeiten. Die Welthungerhilfe versucht inzwischen, das Projekt so anzupassen, dass nachhaltige Fortschritte geschaffen werden können. So werden die freiwilligen Ernährungsbe-rater, die gerade in der Hungerzeit vor der Ernte am meisten Kontroll- und Aufklärungsarbeit leisten müssen, genau dann auch am dringendsten auf ih-ren Feldern gebraucht. Eine Aufwandsentschädi-gung soll es ihnen nun ermöglichen, Feldarbeiter zu ihrer Unterstützung einzustellen. Auch ist fraglich, ob die Maßnahmen langfristig wirken können, wenn die fi nanzielle Hilfe von außen ausläuft.

Doch bei allen Schwierigkeiten deuten die Aus-sagen der freiwilligen Helfer und anderer Gemein-demitglieder darauf hin, dass das Programm mit sei-ner umfassenden gesundheitlichen und ernährungs-bezogenen Aufklärung, mit besserem Zugang zur medizinischen Versorgung und der Beseitigung der Nahrungsmittelknappheit den richtigen Ansatz ver-folgt. Auch die Bauern aus den Nachbargemeinden um Nioro du Sahel und Diéma interessieren sich nun für das Projekt. Dass sich bei ihren Nachbarn etwas getan hat, merken sie schon daran, dass diese zum Wasserholen nicht mehr den weiten Weg bis zu ih-nen machen müssen.

Florian Kaiser arbeitet als freier Journalist in Nürnberg.

Page 11: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

3. Quartal 2010 D O S S I E R W E LT E R N Ä H R U N G 11

Es kommt nicht nur darauf an, Menschen satt zu machen, sondern sie müssen sich darüber hinaus vielseitig und gesund ernähren können

Gesunde Ernährung als politisches Ziel

INTERVIEW

Michael Krawinkel ist ausgebildeter Kinder-arzt und arbeitet seit 1999 an der Justus-Liebig-Universität in Gießen auf der Pro-fessur für Ernährung des Menschen mit Schwerpunkt Ernährung in Entwicklungs-ländern. Er beschäftigt sich mit Fragen der Ernährungssicherheit, insbesondere der Nutzung der Biodiversität für Ernährung sowie mit dem Gesundheitsnutzen von Gemüse, mit Kinderernährung und klini-scher Ernährungsmedizin.

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Weitere Informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/hunger_spezial.html

WELTERNÄHRUNG: Die Bekämpfung von frühkindli-cher Mangelernährung hat in den letzten Jahren auf politischer Ebene an Bedeutung gewonnen. Warum geht es hier immer noch nicht schneller voran? Michael Krawinkel: In manchen Ländern sehen wir gute Fortschritte bei der Bekämpfung der Unterer-nährung von Säuglingen und Kleinkindern. In vie-len anderen Ländern wird immer noch zu wenig da-rauf hingewirkt, dass Säuglinge sechs Monate voll gestillt und dann mit bedarfsgerechter und hygie-nisch zubereiteter Beikost gefüttert werden. Hier ist die Politik gefragt, die Vermarktung von künstlichen Säuglingsnahrungen einzuschränken und das Stil-len durch Stillgruppen und -beratung zu fördern. Das ist auch eine Ausbildungsaufgabe, die bisher in der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, Pfl ege-personal und Hebammen vernachlässigt wird.

Das maßgebliche Koordinierungsgremium der Verein-ten Nationen zur Bekämpfung von Mangelernährung – der Ständige Ernährungsausschuss der Vereinten Nationen (SCN) – wird zurzeit reformiert. Welche Rol-le sollte dieses Gremium in Zukunft spielen?Der SCN kann eine bedeutende Rolle in der Bekämp-fung des Hungers auf der Welt spielen – sowohl als Koordinationsgremium zwischen den internationa-len und nationalen Hilfs- und Entwicklungsorgani-sationen als auch zur Zusammenführung von Re-gierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie denjenigen, die sich um Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Hungerbekämpfung kümmern. Wichtig erscheint mir, den SCN aus der Konkurrenz der anderen UN-Organisationen herauszulösen und ihn direkt dem Generalsekretär zu unterstellen. Nur er kann den Skandal des andauernden Welthungers vor die Vollversammlung und den Sicherheitsrat bringen und damit den notwendigen politischen Nachdruck erzeugen.

Einigen Ländern, wie etwa Brasilien, ist es gelungen, die Mangelernährungsraten von Kleinkindern erfolg-reich zu reduzieren. Welches waren die Erfolgsfak-toren; was können wir von diesen Ländern lernen?In Brasilien haben sich mehrere aufeinanderfol-gende Regierungen dem politischen Ziel der Hun-ger- und Armutsbekämpfung verschrieben. Umge-setzt wurde das durch direkte fi nanzielle Unter-

stützung für einkommensarme Haushalte, die Förderung der Selbstversorgung auf Haushaltsebe-ne sowie den Ausbau von Gesundheits- und Sozi-aldiensten. Unsere Entwicklungspolitik kann hier einiges lernen: Es kommt nicht so sehr auf die Ein-zelmaßnahme, sondern auf den politischen Rah-men, die Initiative, die Beharrlichkeit und Konse-quenz an. Der »Brasilianische Weg« ist kein leich-ter gewesen, sondern ist auch international sehr kritisch beäugt worden.

Wie wichtig ist die Berücksichtigung kultureller oder klimatischer Umstände bei der Bekämpfung frühkind-licher Mangelernährung? Unter- und Mangelernährung hat immer mehrere Ursachen. Armut, Unwissenheit, Boden- und Erb-recht, aber auch wirtschaftliche, geografi sche, kul-turelle und soziale Voraussetzungen bestimmen, ob an einem Ort der Erde Hunger oder Wohlstand herrscht. Diese Voraussetzungen fallen nicht vom Himmel, sondern sind Ergebnis historischer Prozes-se, sie sind von Menschen gemacht.

Was kann dagegen getan werden?Zur erfolgreichen Bekämpfung von Hunger und Un-terernährung gehört die Berücksichtigung der vor-herrschenden Umstände in jeder Hinsicht. Daher ist mir wichtig, sich die Probleme mit den Betroffenen genau anzusehen, bevor man Konzepte und Strate-gien entwirft. Die Zeitschrift »Lancet« hat in den letzten Jahren in Artikeln beschrieben, wie sich die »Gabe von Vitamin A« oder die Anreicherung von Speisesalz mit Jod auswirken. Die Umstände wur-den leider jedoch oft vernachlässigt. Das heißt, wir haben heute eine ganze Reihe von wirksamen Inst-rumenten zur Bekämpfung der sichtbaren und un-sichtbaren Unterernährung in der Hand, aber es kommt darauf an, im Einzelfall richtig zu entschei-den, welches Mittel wo und wann am besten einge-setzt werden kann.

Es gibt Entwicklungsländer, in denen die einen hun-gern und die anderen unter Fettleibigkeit leiden – manchmal sogar innerhalb einer Familie. Wie kann das sein?Die Frage knüpft direkt an die vorige an, dabei gibt es mehrere Aspekte zu bedenken:

a) Durch Unterernährung wird der menschliche Or-ganismus darauf »programmiert«, aufgenommene Nährstoffe und Nahrungsenergie optimal auszunut-zen; ein besseres Nahrungsangebot führt dazu, dass Fettdepots angelegt werden. Dem kann nur durch körperliche Aktivität vorgebeugt werden, denn dann bilden sich Muskeln. b) Der Konsum zuckerhaltiger Getränke und Limo-naden steigt weltweit stetig an. Diese Getränke sind aber hinterhältig, denn wir nehmen durch sie Ener-gie auf, aber wir werden nicht satt. Das bedeutet: Wir nehmen zwar immer mehr Kalorien auf, aber wir haben immer weniger Geld für eine vielfältige gesunde Ernährung, sodass wir möglichst billig satt machende Nahrungsmittel kaufen. Die machen dann satt und dick, aber Vitamine fehlen. c) Auch der Verzehr von Ölen und Fetten nimmt weltweit zu. Diejenigen, die es sich leisten können, essen Fleisch, Fleischprodukte, Fisch und Milchpro-dukte; das wird zur Prestigefrage. Wir müssen uns dringend hin zu einer gesunden Ernährung orien-tieren, denn die Probleme der Entwicklungsländer mit Zuckerkrankheit, Herzinfarkt, Krebs und Schlag-anfall werden bei Weitem unterschätzt. Sie sind so häufi g wie bei uns, aber eine Therapie ist für viele unerschwinglich.

Muss es noch mehr Forschung zum Thema Hunger und Unterernährung geben? Forschung gegen Hunger muss sich heute als Sys-temforschung etablieren. Dazu gehören landwirt-schaftliche, wirtschaftliche und juristische, ernäh-rungsphysiologische und gesundheitliche Bedingun-gen und Konzepte. Dabei sollten wir nach dem Motto vorgehen: Welche Ressourcen stehen der Be-völkerung einer Hungerregion zur Verfügung, und wie kann ich helfen, diese Ressourcen optimal zu nutzen, um Hunger zu überwinden und dauerhaft zu vermeiden?

Das Interview führte Constanze von Oppeln.

CHANCEN NUTZEN: Nach dem Abstillen müssen die Kinder altersgerechte Nahrung erhalten, sonst droht Untergewicht, das man durch Messen des Oberarmumfangs feststellen kann.

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verabreichen. Für die unzureichenden Infrastruk-turen der Länder mit hohen Unterernährungsraten bedeutete dies eine große Belastung. Das schränk-te die Anzahl der Kinder, die behandelt werden konnten, drastisch ein.

Hungerländer werden zu Produzenten

1996 entwickelte Nutriset die therapeutische Fertig-nahrung Plumpy’nut®. Dabei handelt es sich um ei-ne mit Milch, Pfl anzenfett, Zucker, Vitaminen und Mineralien angereicherte Erdnussbutterpaste, die über denselben Nährwert wie die therapeutische Milch F-100 verfügt. Im Vergleich dazu muss sie nicht erst zubereitet werden, sondern kann direkt aus der Packung verzehrt werden, auch von Kin-dern. Therapeutische Fertignahrung wie Plumpy’nut® hat dazu beigetragen, dass sich die Anzahl der be-handelten Kinder verzehnfacht hat und die Kran-kenhäuser entlastet werden, sodass sie sich heute auf die schwersten Fälle konzentrieren können.

Das Produkt Plumpy’nut® war von vornherein darauf aus gerichtet, dass die Länder, die es am meis-ten brauchen, selbst produzieren. Deshalb starteten wir mehrere kleine Initiativen, um es direkt in Mau-retanien, Burkina Faso, im Senegal und einigen an-deren Ländern herzustellen. Als die Nachfrage 2005 schließlich erheblich zu steigen begann, entschie-den wir uns für die Gründung des Netzwerks

Plumpy’nut® in the fi eld, das später in Plumpy-Field umbenannt wurde. Die Idee war, ein

Verfahren für den Technologietransfer zu schaffen, das die Aspekte Produktion,

Installation und Wartung von Ausrüstung, den Einsatz von Qualitätsmanagementsystemen, Kontakte für den Verkauf an hu-

manitäre Organisationen sowie fi -nanzielle Hilfen einschließt.

Das anfänglich aus dem Niger, der Demokratischen Republik Kongo und Malawi bestehende Netzwerk umfasst heute elf Teil-

nehmer, darunter einige besonders schwer von Unterernährung be-troffene Länder wie Äthiopien, Ma-dagaskar und Indien.2009 stellten unsere Partner 4000

Tonnen her, beinahe ein Drittel der ge-samten Plumpy’nut®-Produktion welt-

weit. Für 2010 erwarten wir über 8000 Ton-nen. Das Netzwerk hat nicht nur seine Pro-

duktionskapazität erhöht, sondern genießt auch einen guten Ruf, was die Qualität betrifft: Alle Netzwerkpartner haben die Qualitätskontrollen von Großabnehmern

wie UNICEF oder Ärzte ohne Grenzen erfolgreich bestanden.

Der Einfl uss des Netzwerks ist ausgesprochen positiv. Durch die

hohe Verfügbarkeit des Produkts und geringere Transportkosten haben unsere Partner dazu beige-tragen, Ernährungsprogramme in Schwerpunkt-ländern mit hohen Mangelernährungsraten zu erweitern. Zudem werden durch die Förderung nachhaltiger und verantwortungsvoller Unterneh-mensprojekte Arbeitsplätze und Marktchancen für Rohmateriallieferanten geschaffen.

Nutriset hat neben Plumpy’nut® auch sofort verzehrbare Nahrungsergänzungsmittel zur Be-kämpfung moderat akuter Unterernährung, für die Vorbeugung von Nährstoffmangel und die Verhin-derung von Unterernährung entwickelt: Supplemen-tary Plumpy®, Plumpy’doz®, Plumpy’soy® und Nu-tributter®. Im Bestreben, weitere Lücken in der For-schung zur Verhinderung von Mangelernährung zu schließen, beteiligt sich Nutriset an dem Projekt iLiNS (International Lipid-based Nutrient Supple-ments Project). Die Forschungsinitiative führt ange-sehene akademische Institutionen zusammen. Das Ziel ist es, die ergänzende Fertignahrung Nutribut-ter® zu testen und weiterzuentwickeln, um sie best-möglich auf die Zielgruppen – Kinder im Alter von sechs bis 24 Monaten, Schwangere und Stillende – abzustimmen.

Es gilt, Netzwerke zu schaffen

Nutriset verfügt über die Kapazitäten, neue Produk-te zu entwickeln und herzustellen, während diese von humanitären Organisationen zusammen mit Forschungsinstitutionen praktisch getestet werden. Sobald sich die Produkte in der Praxis bewährt ha-ben und regelmäßige Bestellungen dafür eingehen, können Mitglieder des PlumpyField-Netzwerks mit der selbstständigen Produktion beginnen. Die be-troffenen Staaten akzeptieren solche Produktneu-heiten vor allem dann, wenn sie im Land selbst her-gestellt werden. Plumpy’doz® wird bereits von der Firma JB/Tanjaka Food in Madagaskar produziert und Supplementary Plumpy® von Hilina Enriched Food Processing Center aus Äthiopien. Zudem wer-den andere PlumpyField-Mitgliedstaaten ihr Portfo-lio bald erweitern.

Das PlumpyField-Netzwerk setzt sich neben der Erforschung neuer Methoden zur Behandlung von Unterernährung ebenso für die Ermittlung innova-tiver Lieferstrategien ein. Im Niger vertreibt das Mitglied STA speziell konzipierte Nahrungsergän-zungsmittel direkt auf dem privaten Markt. Das Produkt ist in Preis, Produktbezeichnung, Verpa-ckung und Vertriebsweg so zugeschnitten, dass es für die Bedürftigen einfach zugänglich ist. Ver-gleichbare Projekte laufen in Tansania, Madagas-kar, Burkina Faso, Äthiopien und Ghana oder sind dort geplant.

Das PlumpyField-Netzwerk ist nach unserer Auf-fassung ein interessantes Beispiel für den Beitrag, den die Privatwirtschaft durch sinnvolle Kooperationen im Kampf gegen Unterernährung leisten kann.

elchen Beitrag kann ein Unternehmen leisten, um Unterernährung zu bekämp-fen? Die Firma Nutriset entwickelt inno-

vative Ernährungslösungen zur Behandlung und Vor-beugung von Unterernährung. Um den Zugang zu diesen Produkten zu verbessern, unterstützt sie loka-le Produktionsinitiativen und innovative Lieferstra-tegien. Indem wir bessere Instrumente zur Behand-lung von Mangelernährung bereitstellen und gleich-zeitig die betroffenen Länder und ihre wirtschaftliche Entwicklung fördern, versuchen wir einen wesentli-chen und nachhaltigen Beitrag zur Ernährungsauto-nomie zu leisten und dadurch die Kluft zwischen Not-hilfe und Entwicklung zu überbrücken.

Auf leichten Zugang kommt es an

Früher wurden schwer unterernährte Kinder nur mit der sogenannten therapeutischen Milch F-100 behandelt, die mit Wasser angerührt werden muss-te. Nach der Zubereitung ist sie nicht lange halt-bar, zudem ist sauberes Wasser in vielen Entwick-lungsländern ein großes Problem. Deshalb wurden die Kinder über mehrere Wochen ins Krankenhaus eingewiesen und rund um die Uhr medizinisch be-treut. Denn nur das Klinikpersonal konnte die the-rapeutische Milch ordnungsgemäß zubereiten und

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Das Unternehmen Nutriset stellt therapeutische Lebensmittel für stark unterernährte Kinder in Koopera tion mit den Abnehmerländern her

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Adeline Lescanne ist stellvertretende Geschäftsführerin bei Nutriset. Nach ihrem Abschluss an einer Schule für landwirtschaftliche Entwicklung in Frank-reich hat sie ihren Master in Entwicklungs-soziologie an der Wageningen University in den Niederlanden absolviert. Adeline Lescanne arbeitete in Entwicklungshilfe-projekten in Afrika, bevor sie 2005 zu Nutriset kam, um ein internationales Netzwerk zur Herstellung thera peutischer Fertignahrung aufzubauen.

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Therapeutische Zusatznahrung wie Plumpy’nut® oder andere Fertigprodukte (RTUF – Ready to Use Food) kann zur Behandlung und Verhinde-rung von akuter Unterernährung bei Kindern in Notfällen oder Krisensituationen einen wertvol-len Beitrag leisten. Speziell in Ländern mit mangelhafter Infrastruktur im Gesundheitsbe-reich können solche Fertigprodukte eine wichti-ge Rolle zur therapeutischen Behandlung von Kindern zu Hause spielen. Dauerhafte und chronische Unterernährung bei Kindern kann aber mittel- und langfristig nur ver-hindert oder bekämpft werden, wenn das Thema Ernährung in landwirtschaftlichen Projekten von Anfang an miteinbezogen wird. Der Fokus muss

dabei auf der Qualität der Nahrungsmittel liegen, nicht nur auf der Quantität. Die Welthungerhilfe versucht in ihren Projekten daher, die Menschen zu unterstützen, aus lokal verfügbaren Nah-rungsmitteln qualitativ hochwertige Mahlzeiten selbst herzustellen. Dies gilt auch für die Zube-reitung von energiereicher Zusatznahrung für Kleinkinder, zum Beispiel aus Erdnüssen, loka-len Hülsenfrüchten, Gemüse und Speiseöl. Dies ist die beste Möglichkeit, den Menschen langfristig Möglichkeiten für eine gesunde Er-nährung in eigener Verantwortung zu belassen. In akuten Krisen dagegen ist der Einsatz von Fertigprodukten eine sinnvolle Methode, kurz-fristig Menschenleben zu retten.

Projektansatz der Welthungerhilfe

WIssenschAFtLIcher

FOrtschrItt: Durch spezielle therapeutische Fertignahrung können in Notfällen mehr Kinder vor der Unterernährung gerettet werden.

Page 13: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

3. Quartal 2010 H i n t e r g r u n d W e lt e r n ä H r u n g 13

im ecuadorianischen Regenwald wurden über Jahr-zehnte Konzessionen zur Erdölförderung vergeben, auch wenn über dem dünnen Humus des betroffe-nen Waldes andere Schutzbestimmungen galten. Auch für das ITT-Gebiet und die darunter lagernden Erdölvorkommen haben bereits Vorverhandlungen zur Ausbeutung stattgefunden.

Der Fonds bedeutet für Ecuador, eines der ärms-ten Länder Südamerikas, die große Chance auf ei-nen Paradigmenwechsel. Er kann eine neue Ära im Umgang mit seinen fossilen Bodenschätzen und na-türlichen Wäldern einläuten. Für die internationale Gemeinschaft könnte aus der ambitionierten und beispiellosen Initiative Ecuadors ein neues Modell erwachsen, wie Gebernationen und Entwicklungs-länder des Tropengürtels Natur- und Klimaschutz künftig vereinen. Und zwar auf Augenhöhe.

Peter Korneffel arbeitet als freier Journalist in Berlin und Lateinamerika.

as Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und die Regierung von Ecuador unterzeichneten am 3. August 2010

einen Vertrag über die Einrichtung eines neuartigen Umwelt- und Klimaschutzfonds. Der am UNDP-Sitz in New York aufgelegte »Yasuní Ishpingo Tambo-cocha Tiputini (ITT) Trust Fund« sammelt seitdem private und öffentliche Zuwendungen, mit denen ein 190 000 Hektar großes Regenwaldgebiet des ecuadorianischen Nationalparks Yasuní langfristig vor der Erdölausbeutung bewahrt werden soll. Gleichzeitig investiert dieser Kompensationsfonds in Umwelt- und Sozialprojekte sowie in erneuerba-re Energien in 40 nationalen Schutzgebieten Ecua-dors. »Diese historische Entscheidung wird die Emis-sion von 407 Millionen Tonnen CO2 vermeiden … und eine der Regionen von weltweit höchster Bio-diversität schützen«, prognostizierte das UN-Pro-gramm nach der Unterzeichnung. Erstmals wird un-terlassene Erdölausbeutung in einem internationa-len Fonds in Emissionsschutz und Geldwert aufgerechnet. Außergewöhnlich ist zudem, dass die Initiative von dem recht kleinen Entwicklungsland Ecuador ausging und nicht etwa von Regierungen oder Nichtregierungsorganisationen in den Indust-riestaaten.

Großer Artenreichtum in Gefahr

Das ITT-Gebiet ist eines der artenreichsten Regio-nen der Welt – das hat die Wissenschaft erwiesen. Es umfasst den weitgehend noch unberührten Teil des Nationalparks Yasuní im Osten Ecuadors, wo wichtige Quellflüsse des Amazonas wie der Rio Na-po verlaufen. In dem UNESCO-Biosphärenreservat Yasuní wurden beispielsweise auf einem einzigen Hektar Wald fast so viele Baumarten wie in ganz Nordamerika gezählt. Waldindianer der Tagaeri und Taromenane leben noch ohne Kontakt zur restlichen Zivilisation in den Regenwäldern von Yasuní. Al-lerdings wird ihr Lebensraum schon heute durch die sich ausbreitende Erdölförderung – auch im Natio-nalpark Yasuní – existenziell gefährdet.

Das staatliche Erdölunternehmen Petroecuador, das etwa die Hälfte des Erdöls im Land fördert, hat eingeräumt, dass es entlang der im Land verlaufen-den Pipelines bereits jetzt im Jahresdurchschnitt zu 75 Unfällen und Lecks kommt. Aus geplatzten, de-fekten und bei Sabotageakten zerstörten Rohren so-

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wie als täglicher Produktionsausschuss sind schon mehrere Millionen Barrel Erdöl und hochtoxische Bohrabwässer in das Erdreich und die Flusssysteme Ecuadors gesickert. Das sind, über vier Jahrzehnte gerechnet – Schadensdimensionen, wie wir sie der-zeit im Golf von Mexiko schmerzlich vor Augen ge-führt bekommen.

Seit der Ölkonzern Texaco 1967 erstmals Öl in Ecuador entdeckte, sind Mensch und Umwelt in Ecuadors Osten ständig bedroht und regelmäßig Ge-schädigte der Erdölindustrie. Ärzte haben bei den Bewohnern der Gemeinden nahe den Bohrlöchern einen starken Anstieg von Krebserkrankungen fest-gestellt. »Ecuador muss entscheiden, was es bereit ist, für das Erdöl zu opfern«, sagte Rodolfo Barniol, damals Petroecuador-Präsident, schon 2001.

Eine beispiellose Initiative

Der Weg bis hin zur Einrichtung des Fonds war lang und steinig. Noch in diesem Januar drohte die seit drei Jahren diskutierte »ITT-Yasuní-Initiative« an ei-nem plötzlichen Rückzieher der Regierung Ecuadors zu scheitern. Staatspräsident Rafael Correa sah in dem Fonds den Versuch der internationalen Gemein-schaft, sich in innere Angelegenheiten Ecuadors ein-zumischen, die »Souveränität des Landes« zu unter-graben. Correa drohte sogar mit einem Abbruch der Fondsverhandlungen und der umgehenden Vorbe-reitung der Erdölförderung im ITT-Gebiet.

Nach Anpassungen im Vertragswerk und einer Einigung mit der Regierung Correa beginnt der Treuhandfonds nun zu sammeln: laut Plan binnen 13 Jahren insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar (circa 2,6 Milliarden Euro). Das entspricht der Hälfte des nicht realisierten Erlöses aus der mög-lichen Förderung von 846 Millionen Barrel Erdöl im ITT-Gebiet.

Regenwaldschützer in Ecuador und Europa be-grüßen den Fonds ausdrücklich und appellieren an die Regierungen und Politiker, die bereits Einzah-lungen in Aussicht gestellt hatten, nun auch die ausgegebenen »Yasuní Guarantee Certificates« (YGC) zu kaufen. Diese Zertifikate sind zunächst Belege über Spenden, könnten aber dem UNDP zufolge in Zukunft auch in den Handel mit Verschmutzungs-rechten an der Leipziger Strombörse aufgenommen werden.

In erster Linie ist das Geberland Deutschland ge-fragt, nun durch den Erwerb der Zertifikate in den Fonds einzuzahlen. Die Bundesrepublik ist seit 2007 der größte Befürworter und Förderer dieser neuen Entwicklungs- und Klimaschutzidee. Erich Stather, 2009 der zuständige Staatssekretär im Bundesmi-nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), bezeichnete Deutschland als »Lead Nation« beim Voranbringen des Projektes. »Funktioniert das Konzept, verhindern wir in Ecua-dor eine Katastrophe«, sagte Stather der ZEIT. Dabei bezifferte er den Beitrag Deutschlands auf mögli-cherweise 50 Millionen Euro pro Jahr. Auch Spani-en, Frankreich, die Niederlande, Belgien, Norwegen,

Schweden und die Schweiz haben ihr Mitwirken, sprich Fondseinlagen, in Aussicht gestellt.

Euphorisch geben sich auch Bündnis 90/Die Grü-nen im Deutschen Bundestag. Die Einrichtung des Fonds sei der »Durchbruch für eine revolutionäre Idee aus Ecuador«, kommentierte Ute Koczy, die ent-wicklungspolitische Sprecherin der Partei. Seit Jah-ren hat Deutschland die Initiative parteiübergreifend unterstützt und fungiert bislang als gutes Beispiel im Kreis der potenziellen Geberländer.

Dennoch bleibt Skepsis angesagt. Denn in dem Gebiet um das Flusssystem ITT herum wird weiter-hin massiv Erdöl gefördert, auch im Nationalpark Yasuní und in Indianerreservaten. Zudem leben die Waldindianer der Tagaeri und Taromenane, die von dem Projekt an erster Stelle profitieren sollen, no-madisch und befinden sich laut Beobachtern in Ecu-ador derzeit gar nicht im Schutzgebiet.

Unübersehbar durchkreuzt der neue Weg Ecua-dors die alte Erdölvorrangpolitik und die von ihr zu-gelassenen ökologischen Katastrophen. In der bis-herigen politischen Praxis des Landes wurden die souveränen staatlichen Rechte an der Rohstoffaus-beutung stets den indianischen Rechten und ökolo-gischen Erfordernissen übergeordnet. Insbesondere

Besser Geschützt: Ein neuartiger Fonds, der sich aus privaten und öffentlichen Zuwendungen speist, soll den Yasuní-Nationalpark (im Bild: die Jatunchocha-Lagune) vor der Erdölausbeutung schützen.

schnelle hilfe gegen Unterernährung

ecuador lässt das Öl, wo es ist

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Ecuador hat mit der UNO einen Fonds eingerichtet, um den Regenwald zu schützen und entgangene Erdölprofite zu Geld zu machen

Es hat drei Jahre gedauert, das ambitio-nierte Konzept zum Schutz eines Regen-waldgebiets im ecuadorianischen Natio-nalpark Yasuní zur Unterschriftsreife zu bringen. Jetzt ist auch der Einsatz der Befürworter gefragt, zu denen Deutsch-land zählt.

Von Peter Korneffel

Weitere Informationen unter:

www.welthungerhilfe.de/ecuador- hilfsprojekt-mangrovenwaelder.html

neUe PersPektIven: Bis-lang hat die Regierung Ecuadors die Interessen der indigenen Völker der Erdölförderung unter-geordnet. Der ITT Trust Fund steht für eine Abkehr von dieser Politik und trägt dazu bei, dass der Artenreichtum des ecuadorianischen Natio-nalparks Yasuní (Bild unten) erhalten bleiben kann.

Page 14: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

14 W E LT E R N Ä H R U N G M E D I E N & I N F O R M AT I O N E N 3. Quartal 2010

BONN | Allerorten gibt es Sonderangebote: »Bezah-len Sie eines – und nehmen Sie zwei«. Die Welt-hungerhilfe dreht das Motto pünktlich zur »Woche der Welthungerhilfe« vom 10. bis 17. Oktober um: »BUY 1 PAY 2«. Bundesweit haben Schüler von wei-terführenden Schulen ein Aktionspaket mit Postern, Rezept und Muffi nförmchen erhalten. Jetzt krem-peln sie die Ärmel hoch, backen mit und verkaufen die Muffi ns im Schülercafé, im Pausenkiosk oder auf der Straße zugunsten der Welthungerhilfe. Für die Käufer heißt es dabei, nicht zu sparen, sondern im Gegenteil den doppelten Preis zu zahlen für den gu-ten Zweck. Denn der Erlös trägt dazu bei, den All-tag von Menschen in Entwicklungsländern zu er-leichtern, den Hunger zu reduzieren und für ein Stückchen mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Wie engagiert Schulen sind, zeigen ein paar Bei-spiele: Die Schülerinnen und Schüler des Guts-Muths-Gymnasiums in Quedlinburg werden ge-meinsam mit einer Lehrerin vier Wochen lang Muf-fi ns backen und in den Pausen verkaufen. Auch die Rainer-Werner-Fassbinder-Fachoberschule in Mün-chen war von der Idee begeistert und bietet Muffi ns

am Elternabend an. Am Gymnasium Odenthal wird der Tag der offenen Tür zum Anlass genommen, um sich an der Aktion »BUY 1 PAY 2« zu beteiligen.

Nicht nur Schulen sind mit von der Partie. Eini-ge Studenten der Universität Ilmenau werden sich in ihre Küchen stellen und Muffi ns backen, die sie dann zum Semesterbeginn verkaufen. Ein Partner der Aktion ist auch die zukünftige Mitgliedsorgani-sation Bund der Deutschen Landjugend. Die 18 Lan-desverbände verkaufen Muffi ns in ihren Versamm-lungen und bei Fachtagungen.

Die Aktion »BUY 1 PAY 2« geht auch nach dem 17. Oktober weiter. Interessierte können weiterhin kostenlos Aktionspakete bestellen. Darin enthalten sind Muffi nförmchen, Muffi nrezepte, Poster und Postkarten zur Bewerbung der Aktion.

Bestellungen bitte an Frank Jäger unter [email protected] oder Telefon: (0228) 22 88-258.

BERLIN | Hunger ist die größte Kata-strophe unserer Zeit. Deshalb wird die Welthungerhilfe auch in diesem Jahr im Rahmen der »Woche der Welthun-gerhilfe« auf die Situation der Hun-gernden weltweit aufmerksam ma-chen. Vom 10. bis 17. Oktober gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster Ver-anstaltungen und Aktionen.

Gleich zu Beginn hat Bundesprä-sident Christian Wulff das Wort er-griffen und als Schirmherr der Welt-hungerhilfe die »Woche« mit einer Fernsehansprache eröffnet. In seiner Rede am 10. Oktober in ARD und ZDF erinnerte er die Bürgerinnen und Bür-ger, dass wir alle in einem globalen Dorf leben und füreinander verant-wortlich sind.

Wie wichtig es ist, sich dies be-wusst zu machen, zeigt der aktuelle Welthunger-Index (WHI). Jedes Jahr geben Welthungerhilfe, Concern Worldwide und IFPRI einen Bericht über die Hungersituation weltweit heraus. Im WHI wird deutlich, dass

die Situation vor allem südlich der Sahara katastrophal ist. Doch auch hier gibt es ermutigende Entwicklun-gen, wie ein Projekt der Welthunger-hilfe in Mali zeigt. Bis 2011 sollen dort etwa 125 000 Menschen erreicht werden. Die ersten Erfolge sind be-reits sichtbar: Es gibt weniger unter-ernährte Kinder, die Frauen stillen ihre Kinder länger und sowohl die Gesundheit der Mütter als auch die der Kinder hat sich verbessert. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bär-bel Dieckmann, ist extra nach Mali gereist, um sich über den Fortgang des Projektes zu informieren. In der Pressekonferenz zur Präsentation des WHI am 11. Oktober berichtete Bärbel Dieckmann von ihren bewegenden Eindrücken in Mali.

Am Abend des gleichen Tages sprachen der Vizepräsident der Welt-hungerhilfe und ehemalige Bun-desumweltminister Klaus Töpfer sowie Experten aus Wirtschaft, Medien und Forschung bei der Podiumsdiskussion

»Versagt die weltweite Hungerbe-kämpfung? Die Welthungerhilfe hakt nach!«. Die Experten waren sich einig darüber, dass endlich alle Regierungen das Problem Hunger verstärkt ange-hen müssen.

Die »Woche« will nicht nur die po-litische Diskussion anregen. Eine wei-tere Leitidee ist die Mobilisierung der Menschen in Deutschland, damit sie sich für notleidende Menschen in an-deren Teilen der Welt einsetzen. Die Welthungerhilfe freut sich deshalb über die Vielzahl der Veranstaltungen (siehe Veranstaltungskalender und den Artikel links).

So hat sich die Berliner Aktions-gruppe Welthungerhilfe etwas Beson-deres vorgenommen: Genau am Welt-ernährungstag, dem 16. Oktober, lädt sie zu einer edlen Benefi zveranstal-tung in den Tower des Allianz-Ge-bäudes ein. Das Programm mit dem Duo Manfred Dierkes und Professor Sigi Busch sowie der Sängerin Viola Manigk verspricht eine Mischung von

internationaler Musik aus Europa, Afrika und Lateinamerika.

Sportlich geben sich die Frauen in Berlin. Anlässlich der 50-jährigen Un-abhängigkeit Malis veranstaltete die Botschaft von Mali am 10. Oktober 2010 einen Zehnkilometerlauf in Ber-lin. Die Botschafterin der Republik Mali, SE Fatoumata Siré Diakité, gab den Startschuss zum »1. Berlin Diplo-matic Ladies Run« und Bärbel Dieck-mann ehrte als Schirmherrin die Sie-gerinnen. Ein Teil der Startgebühr geht als Spende an die Welthungerhilfe.

Um das Thema Hunger breiter zu beleuchten, wird zudem ein neues Hunger-Portal auf der Welthungerhil-fe-Homepage zu fi nden sein. Es bein-haltet eine interaktive Grafi k in Form einer Weltkarte, die es ermöglicht, Geschichten von Menschen aus den Partnerländern nachzuvollziehen.

Das Hunger-Portal fi nden Sie unter www.welthungerhilfe.de/aktiv-gegen-hunger.

AKTION

KINO | MUTIG GEGEN HIV/AIDS

Backen für eine Welt ohne Hunger

BACKEN HILFT: In den kostenlosen Aktionspa-keten stecken Rezepte und Werbemittel für den Muffi nverkauf.

FERNSEHEN | THEMENWOCHE ARD

Das größte Problem unserer TageDRAMA | Die zwölfjährige Chanda wächst im Township Elandsdoorn in der südafrikanischen Provinz auf. Ih-re Mutter ist krank. Ihre Welt verän-dert sich schlagartig, als ihre einjäh-rige Schwester Sara stirbt und kurz darauf ihr Stiefvater Jonah ver-schwindet. Chanda ahnt, dass alles mit der Krankheit ihrer Mutter und dem Tod ihrer Schwester zu tun ha-ben könnte, aber niemand spricht of-fen mit ihr.

Lügen sind ansteckend

»GELIEBTES LEBEN«Kanada, Deutschland, Südafrika, Regie: Oliver Schmitz, Kinostart: 25. November.

Engagiert gegen den Hunger

DOKU | Der Dokumentarfi lm »Hunger – Auf der Spur des größten Problems der Menschheit« erzählt, wie Men-schen, Gruppen und Organisationen darum ringen, eine der schlimmsten sozialen, politischen und ökonomi-schen Tragödien unserer Tage zu lösen: den Hunger in der Welt. Der Film wird in der ARD-Themenwoche »Essen ist Leben« gezeigt.

»HUNGER. AUF DER SPUR DES GRÖSSTEN PROBLEMS DER MENSCHHEIT«Deutschland, Regie: Markus Vetter, Erstausstrahlung, ARD, 25. Oktober, 22.45 Uhr.

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HILFE FÜR DIE BETROFFENEN: Viele Kinder leiden an Hunger und Mangelernährung. Sie brauchen dringend Unterstützung.

In der Woche der Welthungerhilfe machen vielfältige Aktionen auf das Thema und Hilfsmöglichkeiten aufmerksam

Page 15: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

M E D I E N & I N F O R M AT I O N E N W E LT E R N Ä H R U N G 153. Quartal 2010

MAINEUERSCHEINUNGEN | INFORMATIONSMATERIALIEN

Helfen kann ganz einfach sein

BUCHBESPRECHUNG | ERNÄHRUNGSGESCHICHTE PLASTISCH NAHEGEBRACHT

Essen verändert die Welt

HAITI | Hunger und Armut sind in Haiti allgegenwärtig – nach dem Erd-beben vom 12. Januar 2010 mehr als je zuvor. Bereits vor dem Beben wurde das Land regelmäßig von Naturkatas-trophen heimgesucht. Die instabile politische Lage, die schwierige wirt-schaftliche Situation und die Umwelt-zerstörung haben Haiti zu einem der stärksten Hungerländer weltweit wer-den lassen. Die Broschüre berichtet über die Arbeit der Welthungerhilfe.

TRINKWASSER | Weltweit haben mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zahlreiche Entwicklungsländer kön-nen nicht die notwendige Trinkwas-sermenge für ihre Bevölkerung bereit-stellen. Machen Sie darauf aufmerk-sam! Unser beliebtes Plakat »Wasser ist kostbar« war längere Zeit vergrif-fen. Ab sofort können Sie es wieder bestellen, ebenso die gleich gestaltete Postkarte.

FLUTKATASTROPHE | Ein Drittel Pa-kistans ist nach der verheerenden Flut zerstört. Die Welthungerhilfe hat jetzt eine digitale Broschüre für alle Schulstufen zum Thema Nothilfe und Wiederaufbau erstellt. Das Material hat nicht nur für Pakistan Gültigkeit, sondern ist auch leicht auf andere Katastrophenfälle übertragbar. Die Broschüre regt zum Wissenserwerb und Handeln an – als Download un-ter www.welthungerhilfe.de.

SACHBUCH | Das Wortspiel »Der Mensch ist, was er isst« wird in vielen Zusammenhängen benutzt. Was je-doch wirklich dahintersteht, begreift man nach der Lektüre dieses überaus anregenden Buches. Tom Standage be-ginnt seine Abhandlung mit einem Gang in die Frühgeschichte: Wie kam es eigentlich dazu, dass Sammler und Jäger mit dem Ackerbau begannen und damit eine der wichtigsten Verän-derungen in der Lebensweise der Men-schen begründeten? Welche Rand-bedingungen führten dazu, dass im Laufe der Zeit aus relativ gleichberech-tigten Bauern einige zu »Big Men« und

2010Veranstaltungskalender

OKTOBER

Wasser ist kostbar Ein neuer AnfangHandeln in der Not

10.–17.10. Woche der Welthungerhilfe

BUNDESWEIT | Menschen in Deutschland setzen sich für die notleidenden Men-schen weltweit ein. Mehr Informationen über das Thema Hunger und unsere Veran-staltungen fi nden Sie unter: www.welthungerhilfe.de/aktiv-gegen-hunger.

15.10. »BUY 1 PAY 2«

ASCHAFFENBURG, ILMENAU | »BUY 1 PAY 2«-Aktion am Friedrich-Dessauer-Gymna-sium in Aschaffenburg und an der Technischen Universität Ilmenau zum Semester-beginn.

16.10. Basar

OBERHAUSEN | Die Aktionsgruppe Oberhausen feiert ihr 30-jähriges Jubiläum so typisch, wie es für sie nur sein kann: mit einem Basar. Neben Spielzeug gibt es diesmal auch leckere Waffeln. Seit ihrem Bestehen führt die Aktionsgruppe regel-mäßig Basare durch und hat bereits mehr als 110 000 Euro für Projekte der Welt-hungerhilfe gesammelt.

23.10. Sport und Entwicklung

BONN | Tag der Vereinten Nationen: Auf dem Bonner Markt vor dem Alten Rathaus wird es ein buntes Programm mit Musik, Tanz und mehreren Informationsständen geben. Auch die Welthungerhilfe wird ihre Arbeit präsentieren, 11–18 Uhr.

25.10. »BUY 1 PAY 2«

FRITZLAR, MÜNSTER, HAMBURG, ITZEHOE, HAGEN | »BUY 1 PAY 2«-Aktion an der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Schule in Fritzlar, an der Marienschule Münster, am Gymnasium Lerchenfeld/Hamburg, am Regionalen Berufsbildungszentrum in Itzehoe und am Albrecht-Dürer-Gymnasium in Hagen.

25.–29.10. Themenwoche im TV

BUNDESWEIT | 2010 möchte die ARD mit der Themenwoche »Essen ist Leben« erreichen, dass Deutschland über Ernährung und Hunger nachdenkt, spricht und diskutiert. Am 25. Oktober wird um 22.45 in der ARD der Dokumentarfi lm »Hun-ger. Auf der Spur des größten Problems der Menschheit« gezeigt. Weitere Informa-tionen: www.ard.de.

5. und 10.11. »BUY 1 PAY 2«

BERLIN, MÖNCHENGLADBACH | »BUY 1 PAY 2«-Aktion beim Lette-Verein in Berlin und am Albertus-Magnus-Gymnasium in Viersen.

24.11. Promi-Quiz im ZDF mit Markus Lanz

MÜNCHEN | Moderator Markus Lanz präsen-tiert im ZDF das Quiz »Gut zu wissen«. Promi-nente Kandidaten beantworten Quizfragen und spenden den erspielten Betrag zuguns-ten der Welthungerhilfe. In der Sendung werden dem Publikum Projekte aus Haiti, Indien und Burkina Faso vorgestellt. Spendenhotline: (0180) 22 8 22 (pro Anruf 6 Cent aus dem deutschen Festnetz, maxi-mal 42 Cent/Minute aus dem deutschen Mobilfunknetz), Spendenfax: (0180) 24 0 34, Spendenstichwort: Welthungerhilfe/Gut zu wissen; ZDF, 20.15 Uhr.

19.12. Jazzmatinee

NEUKIRCHEN-VLUYN | Der Jazztrompeter Rod Mason wird sicher wieder viele Gäste in die Kulturhalle Vluyn locken. Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann wird das Konzert besuchen und sich vorher bei Bürgermeister Harald Lenßen ins Goldene Buch der Stadt eintragen.

FERNSEHEN | THEMENABEND

Ist Afrika wirklich unabhängig?

Alle Materialien können Sie kostenlos bestellen unter [email protected] oder Telefon: (0228) 22 88-134.

NOVEMBER

andere zu abhängigen Gefolgsleuten wurden? Der veränderte Umgang mit Nahrungsmitteln spielte immer eine Schlüsselrolle. Mit einer Fülle von Fakten und Geschichten erläutert der Autor unterschiedliche Fragestellun-gen. Es geht um Essen als Waffe in Kriegen, um den Zusammenhang von Essen, Energie und Industrialisierung und um die Frage nach der Ernährung der Welt. rr

Tom Standage, »Der Mensch ist, was er isst – Wie unser Essen die Welt veränderte«, Artemis & Winkler, Mannheim 2010, 19,90 Euro.

mal 42 Cent/Minute aus dem deutschen Mobilfunknetz), Spendenfax: (0180)

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DOKU | In diesem Jahr werden zahl-reiche afrikanische Staaten 60 Jahre lang unabhängig von ihren einstigen Kolonialmächten sein. Der ARTE-The-menabend hat sich auf dem Kontinent umgesehen, der nach wie vor – trotz enormer weltweit begehrter Rohstof-fe – zu den ärmsten Erdteilen der Welt zählt.

»AFRIKA – KÖNNEN SICH ALLE BEDIENEN?«Frankreich, Regie: Jean-Pierre Carlon und Benoît Bertrand Cadi, Dokumen-tation, Erstausstrahlung, ARTE, 19. Oktober, 22.10 Uhr. ©

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DEZEMBER

Page 16: Zeitung Welternährung - Ausgabe 3/2010

16 W E LT E R N Ä H R U N G

1. EU-Territorium in der Karibik: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

2. Plattes Land zwischen Kolumbien und Venezuela: _ _ _ _ _ _ 3. Gewässer, das sich durch eben jene Gegend wälzt: _ _ _ _ _ _ _ 4. Ehemals britische Kolonie in Zentralamerika: _ _ _ _ _ _ 5. Stadt in Nordchile: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 6. Kolumbiens Zugang zum Amazonas (Stadt): _ _ _ _ _ _ _ 7. Land, dessen Name eine Linie ist:

_ _ _ _ _ _ _ 8. Rastakapitale: _ _ _ _ _ _ _ _ 9. Südamerikanische Hauptstadt: _ _ _ _ 10. Stadt im Süden eben dieses Landes: _ _ _ 11. Amazonaskapitale: _ _ _ _ _ _ 12. Höhepunkt Südamerikas: _ _ _ _ _ _ _ _ _

13. Erschütternde Pazifi kküsten-erscheinung: _ _ _ _ _ _ _ _

14. Stadt im Andenhochland Ecuadors: _ _ _ _ _ _ _ _

15. Insel im chilenischen Patagonien: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

16. Gaben den Europäern Schokolade und Tomaten: _ _ _ _ _ _ _

17. Stadt in Nicaragua: _ _ _ _ _ _18. Stadt in der Nähe von Buenos Aires:

_ _ _ _ _ _ _19. Zentralamerikanische Hauptstadt:

_ _ _ _ _ _ _20. Karibikgolf in Kolumbien: _ _ _ _ _21. Peruanischer Ort, bekannt für gi gan-

tische Landzeichnungen: _ _ _ _ _22. EU-Territorium in Südamerika:

_ _ _ _ _ _ _

3. Quartal 2010

ntwicklungshelfer vom Deut-schen Entwicklungsdienst (DED) und von der Gesellschaft

für Technische Zusammenarbeit (GTZ) trennt vieles. Doch sie lachen gemein-sam bei Witzen wie diesem: »Wie un-terscheidet man einen DEDler von ei-nem GTZler? – Der Mann vom DED hat den linken Arm gebräunt, denn der fährt noch selbst.«

Anderer Fahrtwind

Wer dabei zuletzt lacht, ist noch gar nicht ausgemacht. Denn wer dem-nächst überhaupt noch fahren oder fahren lassen darf, entscheidet ein Minister, der einen Karren steuert, den er ursprünglich abwracken woll-te. Zumindest hatte die FDP vor der großen Regierungsfahrt ja vorge-schlagen, das Entwicklungshilfemi-nisterium abzuschaffen. Das hätten dann viele DEDler und GTZler nicht mehr lustig gefunden.

Mittlerweile weht bekanntlich ein anderer Fahrtwind durch das Ministe-

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Die neuen Pfadfi nderNEULICH IM ... MINISTERIUM

Von Peter Korneffel

Coupon bitte hier herausschneiden!

Aus den nachstehenden Silben sind 22 Begriffe zu bilden, die im Zusammenhang mit der Region Lateinamerika stehen. Bei richtiger Lösung ergeben die Anfangsbuchstaben von oben nach unten gelesen ein Phänomen, das vielen Menschen Sorgen macht.

A – AN – AZ – BA – BA – BAM – BE – BE – BEN – CA – CA – CA – CIA – CO – CON – CUA – DE – DOR – E – E – ERD – FA – GAS – GUA – GUA – GUA – GUA – I – KEN – KING – LE – LI – LI – LI – LING – LLA – LOUPE – MA – MA – MA – NA – NA – NA – NAZ – NO – NOS – O – RA – RI – RIO – RIO – RO – SA – STE – STON – TA – TE – TI – TO – TON – U – US – WEL – YA – ZE

Name, Vorname

Straße

PLZ, Ort

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DEUTSCHE WELTHUNGERHILFE E. V. | Redaktion »Welternährung« Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn | Telefon: (0228) 22 88-429 | Telefax: (0228) 22 88-333 | E-Mail: [email protected]

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»WELTERNÄHRUNG« IM ABONNEMENT

RÄTSEL & VERLOSUNG

Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 BonnRedaktion: Patricia Summa (Leitung), Marco Weber, Elke Weidenstraß (muehlhausmoers kommunikation)V.i.S.d.P.: Marion AberleTelefon: (0228) 22 88-454 Telefax: (0228) 22 88-510Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: [email protected]: querformat editorial design, Hamburg/Aline Hoffbauer, Ingrid NündelLayout: muehlhausmoers kommunikation, Köln/Tobias Heinrich, Sabine Schiemann, Britta SiebertDruck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch GladbachGedruckt auf chlorfrei gebleichtem RecyclingpapierBestellnummer: 460-9379

Die »Welternährung« erscheint vierteljährlich. Die Her-ausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bun-desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz unterstützt. Namensbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nach-druck erwünscht mit Quel-lenangaben und Belegex-emplar. Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe ist der 28. September 2010.

rium. Der Minister verbietet sich der-artige Witze künftig durch das Zu-sammenlegen der entwicklungspoli-tischen Fahrdienste. Damit dieser Schritt zielstrebig zu einer völlig neu-en Verkehrssituation führt, hat der Minister das einstige Berliner Domi-zil der »roten Heidi« mit gelben Freun-den und Vertrauten besetzt. Niebels Werkstatt erfährt eine liberale Rund-erneuerung.

Das macht ja nichts, solange der Minister den Überblick behält. Im Zweifelsfall dirigiert Dirk Niebel eben die Truppe. Ohnehin stellt die Bun-deswehr offenbar die besseren Ent-wicklungshelfer, glaubt man niebel-scher Personalpolitik. Und seine im Ministerium eingestellten Kameraden haben zweifelsohne mehr »Schlag-kraft« als die rote Leiterin des einsti-gen »Weltsozialamts«.

Niebel schickt nun die Privatwirt-schaft an die Front. Die Investitionen des deutschen Mittelstandes in Ent-wicklungsländern seien effektiver als das bisherige Weltsozialgesülze.

Hier liegt auch der Schlüssel da-zu, wie Niebel den Anteil der Ent-wicklungshilfe auf die international

zugesagten 0,7 Prozent des deut-schen Bruttoinlandsproduktes stei-gern will. Denn daran wird keines-wegs gerüttelt. Lassen sich »die ent-wicklungspolitische Arbeit und das Engagement der deutschen Wirt-schaft besser verzahnen«, wie Niebel anstrebt, sind die entwicklungspoli-tisch gestützten Investitionen in Länder des Südens schnell auf beein-druckendem Niveau.

Ziviler Arm des Ministers

Und was wird dabei aus den DEDlern und GTZlern? Die werden straff zu-sammengelegt und als ziviler Arm der BMZ-Strategen zu einer Art Pfadfi n-dertruppe zwischen den Fronten um-geschult: »Durch die Entsendung von Entwicklungsscouts als Verbindungs-referenten in die großen Wirtschafts-verbände«, so Niebel, wird der deut-sche Entwicklungshelfer von morgen ganz neue Dinge entwickeln. Das wä-re doch gelacht.

Peter Korneffel arbeitet als freier Journalist in Berlin und

Lateinamerika.

U N T E R H A LT U N G

Silbenrätsel Lateinamerika

IMPRESSUM

Während in den Industrieländern jeden Tag Nahrung im Müll landet, leidet weltweit jedes dritte Kind unter fünf Jahren unter chronischer Mangel ernährung. Dies kann die physische, motorische und geistige Entwicklung ein Leben lang negativ beeinfl ussen. Entscheidend sind die ersten 1000 Tage. Diskutieren Sie mit un-seren Experten darüber, was man gegen Unter-ernährung bei Kindern tun kann.

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Mangelernährung stoppen

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Das Lösungswort aus der Welternährung 2/10 lautete: Venezuela. Gewonnen haben: Hein-rich Möhle (Didderse), Gisela Paukner (Hom-berg) und Bettina Tovar-Luthin (Hameln).

Unter den richtigen Einsendungen wer-den drei CDs »Kuukaru – Suppi Huhn und die Kinderkönige mit Jimas Sanwidi« ver-lost. Der Musiker Jimas Sanwidi studierte Kinderlieder aus Burkina Faso in seiner Mut-tersprache Mooré ein. Suppi Huhn vertonte die Lieder und fügte deutsche Kompositio-nen hinzu. Senden Sie die Lösung bis zum 18. November 2010 an folgende Adresse (es

gilt das Datum des Post-stempels):Deutsche Welthungerhilfe e. V.Patricia SummaFriedrich-Ebert-Straße 1, 53173 BonnOder schicken Sie ein Fax: (0228) 22 88-188 oder eine E-Mail: patricia.summa@welt hungerhilfe.de.

Die richtige Lösung fi nden Sie ab 19. No-vember 2010 unter www.welthungerhilfe.de/welternaehrung. html oder in der nächsten Ausgabe der »Welternährung«.

Verlosung und Lösung

Deutsche Welthungerhilfe e. V.