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Zentrale Prüfungen 2008 LRSD Norbert Stirba äußert sich in einem Gespräch mit dem Newsletter Düsseldorf, 25. September 2008 Während der erste Durchgang beim Zentralabitur 2007 von sämtlichen Beteiligten als eher gelungen und insgesamt zufrie- denstellend betrachtet wurde, avancierte in diesem Jahr das Thema „Zentralabitur in Mathematik“ teil- weise zum Medienspektakel. Anhand der inzwischen vorliegenden, differenzierteren Auswertung der Er- gebnisse relativiert sich jedoch der ein oder andere („lieb“-) gewonnene Eindruck. Allein dem enormen Presseecho zufolge gibt es bei den Äußerungen zum letzten Zentralabitur dies- mal eine deutlich größere Bandbreite. Einen wesentlichen Unterschied beim Abitur 2008 im Vergleich zum Abitur 2007 sehe ich darin, dass sich bei diesem zweiten Durchgang vor allem beson- ders leistungsstarke Schüler vehement darüber be- schwert haben, dass sie mit der zur Verfügung ge- stellten Zeit nicht ausgekommen sind. Dabei ging es im Wesentlichen um die Aufgabe zum Oktaeder. Der ja inzwischen als sogenannter „Oktaeder des Grauens“ durch die Medien geistert! Genau. Falls die Schüler, wie es in der Regel in den Leistungskursen geschehen ist, mit zwei Analy- sis-Aufgaben konfrontiert waren, blieb vielen zum Schluss nicht mehr genügend Zeit und Ruhe für die Analytische Geometrie übrig. Hier traten dann die Schwierigkeiten vor allem dadurch auf, dass in die- ser Aufgabe der Fokus mehr auf geometrische An- schauung gelegt war, während sich die betroffenen Schüler im vorbereitenden Unterricht wohl eher mit den analytischen Rechenverfahren beschäftigt hatten. Was waren die unmittelbaren Reaktionen? Es gab natürlich viele Anfragen, wie mit den vor- liegenden Schwierigkeiten umzugehen sei. Der Ko- ordinator für das Zentralabitur hat daraufhin ver- schiedene konkrete Ratschläge erteilt, die – teilweise unvollständig oder verändert – bald im ganzen Lande verschickt wurden, was allerdings stellenweise eher unproduktiv wirkte und die Situation nicht nennens- wert entschärfen half. Könnte in diesem Fall eine zentrale Infor- mationsplattform für mehr Transparenz sorgen? Das wäre ein wünschenswertes Instrumentarium für die Zukunft. Da müssen wir schauen, wie schnell sich so etwas realisieren lässt. Deutlich möchte ich aber dem Eindruck widersprechen, der unter ande- rem durch das entsprechende Presseecho suggeriert wird, dass nämlich generell sämtliche Lehrerinnen und Lehrer, die für ihre Kurse die Oktaeder-Aufgabe auswählten, diesen damit einen schlechten Dienst er- wiesen hätten. Es gibt vielmehr Schulen und ganze Schulformen, wo diese Aufgabe durchaus sehr zu- friedenstellend bearbeitet wurde. In anderen Schulen bzw. Schulformen ist es dagegen weniger gut gelau- fen. Die Ergebnisse streuen sehr stark. Müssten aufgrund dieser Fakten die Ursachen für die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht vielleicht et- was differenzierter dargestellt werden? Auf jeden Fall sollten wir festhalten, dass diese Aufgabe fehlerfrei und den Richtlinien gemäß for- muliert ist. Anhand der sehr unterschiedlichen Er- gebnisse drängt sich deshalb der Schluss auf, dass die betreffenden Schülerinnen und Schüler nicht gleichermaßen gut vorbereitet waren. Haben Sie über Möglichkeiten nachgedacht, be- treffende Schulen bzw. Lehrerinnen und Lehrer im Einzelfall noch besser zu „briefen“? Auf jeden Fall sollten wir uns so schnell wie mög- Newsletter 45 Vorabdruck Mathe-Treff der Bezirksregierung Düsseldorf Seite 1

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Zentrale Prüfungen 2008LRSD Norbert Stirba äußert sich in einem Gespräch mit dem Newsletter

Düsseldorf, 25. September 2008 Während der erste Durchgang beim Zentralabitur 2007 von sämtlichen Beteiligten als eher gelungen und insgesamt zufrie-denstellend betrachtet wurde, avancierte in diesem Jahr das Thema „Zentralabitur in Mathematik“ teil-weise zum Medienspektakel. Anhand der inzwischen vorliegenden, differenzierteren Auswertung der Er-gebnisse relativiert sich jedoch der ein oder andere („lieb“-) gewonnene Eindruck.

Allein dem enormen Presseecho zufolge gibt es bei den Äußerungen zum letzten Zentralabitur dies-mal eine deutlich größere Bandbreite.

Einen wesentlichen Unterschied beim Abitur 2008 im Vergleich zum Abitur 2007 sehe ich darin, dass sich bei diesem zweiten Durchgang vor allem beson-ders leistungsstarke Schüler vehement darüber be-schwert haben, dass sie mit der zur Verfügung ge-stellten Zeit nicht ausgekommen sind. Dabei ging es im Wesentlichen um die Aufgabe zum Oktaeder.

Der ja inzwischen als sogenannter „Oktaeder des Grauens“ durch die Medien geistert!

Genau. Falls die Schüler, wie es in der Regel in den Leistungskursen geschehen ist, mit zwei Analy-sis-Aufgaben konfrontiert waren, blieb vielen zum Schluss nicht mehr genügend Zeit und Ruhe für die Analytische Geometrie übrig. Hier traten dann die Schwierigkeiten vor allem dadurch auf, dass in die-ser Aufgabe der Fokus mehr auf geometrische An-schauung gelegt war, während sich die betroffenen Schüler im vorbereitenden Unterricht wohl eher mit den analytischen Rechenverfahren beschäftigt hatten.

Was waren die unmittelbaren Reaktionen?

Es gab natürlich viele Anfragen, wie mit den vor-liegenden Schwierigkeiten umzugehen sei. Der Ko-ordinator für das Zentralabitur hat daraufhin ver-schiedene konkrete Ratschläge erteilt, die – teilweise unvollständig oder verändert – bald im ganzen Lande verschickt wurden, was allerdings stellenweise eher unproduktiv wirkte und die Situation nicht nennens-wert entschärfen half.

Könnte in diesem Fall eine zentrale Infor-mationsplattform für mehr Transparenz sorgen?

Das wäre ein wünschenswertes Instrumentarium für die Zukunft. Da müssen wir schauen, wie schnell sich so etwas realisieren lässt. Deutlich möchte ich aber dem Eindruck widersprechen, der unter ande-rem durch das entsprechende Presseecho suggeriert wird, dass nämlich generell sämtliche Lehrerinnen und Lehrer, die für ihre Kurse die Oktaeder-Aufgabe auswählten, diesen damit einen schlechten Dienst er-wiesen hätten. Es gibt vielmehr Schulen und ganze Schulformen, wo diese Aufgabe durchaus sehr zu-friedenstellend bearbeitet wurde. In anderen Schulen bzw. Schulformen ist es dagegen weniger gut gelau-fen. Die Ergebnisse streuen sehr stark.

Müssten aufgrund dieser Fakten die Ursachen für die aufgetretenen Schwierigkeiten nicht vielleicht et-was differenzierter dargestellt werden?

Auf jeden Fall sollten wir festhalten, dass diese Aufgabe fehlerfrei und den Richtlinien gemäß for-muliert ist. Anhand der sehr unterschiedlichen Er-gebnisse drängt sich deshalb der Schluss auf, dass die betreffenden Schülerinnen und Schüler nicht gleichermaßen gut vorbereitet waren.

Haben Sie über Möglichkeiten nachgedacht, be-treffende Schulen bzw. Lehrerinnen und Lehrer im Einzelfall noch besser zu „briefen“?

Auf jeden Fall sollten wir uns so schnell wie mög-

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lich an die Schulen wenden, die im letzten Zentralab-itur unterhalb ihrer eigenen, schulinternen Norm bleiben mussten. Dort geht es darum, sich im restli-chen Schuljahr nochmals verstärkt mit den Aufga-benformaten auseinanderzusetzen, die bisher im Zen-tralabitur favorisiert wurden und auch in der nächs-ten Zukunft eine entscheidende Rolle spielen wer-den. Dabei muss vielleicht erneut daran erinnert wer-den, dass wir in der Mathematik komfortablerweise im Zentralabitur eine Vorauswahl durch den Fachleh-rer vornehmen dürfen. Daraus resultiert eine bessere Chance, bei entsprechender Vorbereitung des Kurses aus dem vorliegenden Angebot ein wirklich gut pas-sendes Paket schnüren zu können.

Welche Pakete wurden denn im Allgemeinen zu-sammengestellt?

In den Leistungskursen zum Beispiel verteilt sich die Auswahl für die Analysis relativ gleichmäßig, was die Gleichwertigkeit der drei vorliegenden Auf-gaben aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer unter-streicht. Im Bereich der Analytischen Geometrie sieht das völlig anders aus. Etwa 80 Prozent haben die Oktaeder-Aufgabe gewählt, 15 Prozent entfallen auf die Übergangsmatrizen und nur ca. 5 Prozent konnten sich für die Abbildungsmatrizen entschei-den. Anhand dieser Daten wird deutlich, wo im Un-terricht die bevorzugten Schwerpunkte innerhalb der Analytischen Geometrie lagen.

Was außerdem im diesem Jahr auffällt, ist die deutlich höhere Zahl von Abweichungsprüfungen an einigen Schulen.

Weiterhin drängt sich die Vermutung auf, dass dem Thema „Matrizenrechnung“ oft nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Sonst hätte man ja seine Auswahl in diese alternative Richtung über-prüfen können, nachdem man vielleicht festgestellt hatte, dass die kursspezifische Schwerpunktsetzung dem Anschauungsaspekt der Oktaeder-Aufgabe nicht optimal gerecht wurde. In diesem Zusammenhang besteht deshalb meiner Meinung nach weiterer Fort-bildungsbedarf, damit die Kolleginnen und Kollegen besser für das Zentralabitur gerüstet sind.

Haben Sie weitere Erkenntnisse aus den bis dato

vorgenommenen Erhebungen zum Zentralabitur 2008.

Interessant finde ich die Tatsache, dass die Schü-ler, welche sich mit der Oktaeder-Aufgabe beschäf-tigt haben, mit den erreichten Abitur-Ergebnissen im Schnitt nur um einen Punkt unterhalb ihrer schriftli-chen Vornote liegen. Mit dieser Situation befinden wir uns damit völlig im Rahmen langjähriger Erfah-rungen, wonach die Vornoten im Allgemeinen durch die Abiturergebnisse stets etwas nach unten korri-giert werden. Beim ersten Zentralabitur sind wir al-lerdings von dieser Tradition nach oben hin abge-wichen.

Die Lernstandserhebungen in der Jahrgangsstufe 8 werden ab diesem zurzeit laufenden Jahrgang nicht mehr in NRW vorbereitet, sondern stattdessen beim IQB in Berlin.

Vielleicht ist man deshalb mit ähnlichen Erwartun-gen ins Abitur 2008 gegangen und war umso mehr enttäuscht, als diese Hoffnungen nicht realisiert wur-den. Was außerdem im diesem Jahr auffällt, ist die deutlich höhere Zahl von Abweichungsprüfungen an einigen Schulen, was selbstverständlich, wenn es z.B. um ein Ausmaß von ca. 50 Prozent geht, so nicht akzeptabel sein kann.

Aufgrund des öffentlichen Druckes wurde von Sei-ten des Schulministeriums schließlich den betroffe-nen Schülerinnen und Schülern eine so genannte „Zweite Chance“ ermöglicht. Welche Ergebnisse hat dies gebracht?

Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass im Zusammenhang mit dieser „Zweiten Chance“ relativ schwierige organisatorische Probleme verbunden waren und vor allem ein enormer Zeitdruck. Hier wäre eine andere Lösung vielleicht vorteilhafter für alle Beteiligten gewesen, zumal wir inzwischen wis-sen, was das Ergebnis dieser Anstrengungen war. Wir haben festgestellt, dass sich bis auf einige Aus-nahmen nur solche Schülerinnen und Schüler an die-sem Zusatztermin beteiligten, die bereits relativ schlecht vorbenotet waren. Entsprechend fielen auch die Ergebnisse aus, die im Schnitt bei ca. 4 Punkten liegen und für die Beteileiligten kaum eine wesentli-

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che Verbesserung im Vergleich zum bis dahin er-reichten Ergebnis brachten.

Gibt es Neuigkeiten im Zusammenhang mit den zentralen Prüfungen in der Jahrgangsstufe 10?

Die derzeit aktuellen Jahrgänge 9 und 10 werden noch an der herkömmlichen Zentralen Abschlussprü-fung am Ende der 10 teilnehmen. Innerhalb der G8-Laufbahn, wird dieser Ansatz weitergepflegt. Aller-dings sprechen wir dann in der zukünftigen Oberstu-fe 10 des Gymnasiums von einer so genannten lan-desweiten, verbindlichen Vergleichsklausur am Ende des Schuljahres. Aufgrund des – meiner Meinung nach – stellenweise durchaus anhebungswürdigen Niveaus der bisherigen ZP10 gab es hier noch nie Einwände, welche die erzielten Noten in Frage stell-ten. Auf jeden Fall ist das Thema Trigonometrie bei

der letzten ZP10, die am Gymnasium für die derzeit aktuelle Jahrgangsstufe 9 noch stattfinden wird, nicht mehr ausgeklammert, was vor allem die Physiker sehr begrüßen dürften.

Bleibt noch die Frage nach den Lernstandserhe-bungen in der Jahrgangsstufe 8.

Diese werden, ab dem zurzeit laufenden Jahrgang, nicht mehr in NRW vorbereitet, sondern stattdessen beim IQB in Berlin, dem Bundesinstitut für Quali-tätsentwicklung im Bildungswesen. Daraus resultiert für uns in NRW sowohl eine gewisse Modifizierung der Aufgabenformate als auch eine Verschiebung der Schwerpunkte, damit insgesamt ein bundeseinheitli-ches Niveau erreicht werden kann.

Das Gespräch führte Rolf Mantyk

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