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Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie an der Technischen Universität Berlin Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie ZiG

Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie · 3 Inhaltsverzeichnis ... Die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich Health Care er- ... zum Teil etablierten

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Zentrum für innovative

Gesundheitstechnologie

an der Technischen Universität Berlin

Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie

ZiG

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Kontaktdaten

Technische Universität Berlin

Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie (ZiG)

TEL 11-4

Ernst-Reuter-Platz 7

10587 Berlin

Tel. 030/ 314 21970

Fax 030/ 314 21578

E-Mail: [email protected]

www.zig-berlin.de

Geschäftsführung

Dr. Monika Hey Dr. Monika Huber

Tel. 030/ 314 21618 Tel. 030/ 314 24876

E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Sprecher

Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke Prof. Dr. Marc Kraft

Tel. 030/ 314 25466 Tel. 030/ 314 23388

E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected]

Beirat

Prof. Dr. Ing. Dr. h.c. mult. Günter Spur, N.N.

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Inhaltsverzeichnis Leitbild 4

Gesundheitstechnologien in Deutschland (Abb.) 5

Wirkungsfelder der Gesundheitstechnologie (Abb.) 6

Übersicht: Zentrum innovative Gesundheitstechnologie (ZiG) 7

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Innovative medizinische Technologien“ 10

ZiG Arbeitsschwerpunkt „E- Health“ 27

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Digital Process Control in Health Care (Digitales Krankenhaus)“ – ergänzende Beiträge 42

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Werkstoffe im Zellkontakt“ 53

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Gesundheitswirtschaft“ 57

Zum Selbstverständnis der Gesundheitstechnologie: Günter Spur 71

Anhang: Adressenliste TU-interner Kooperationspartner 79

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Leitbild

Das Zentrum für Innovative Gesundheitstechnologie (ZiG) verbindet Wissenschaftlerin-

nen und Wissenschaftler mit dem Ziel, durch gemeinsame interdisziplinär ausgerichtete

Arbeit Innovationen im Bereich der Gesundheitstechnologie und -wirtschaft zu schaffen.

Das ZiG ist an der TU Berlin angesiedelt. Das ZiG bündelt TU-interne Kompetenzen,

trägt zur internen und externen Vernetzung bei, erarbeitet neue wissenschaftliche Er-

gebnisse und widmet sich dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Forschungsaktivitä-

ten des ZiG sind interdisziplinär und überuniversitär ausgerichtet. Im Zentrum des For-

schungsinteresses steht der Nutzen für die Betroffenen. Medizintechnische Fortschritte

bei Diagnostik und Therapie, bei Prävention, Gesundheitsförderung und Nachsorge so-

wie bei der Bewältigung von chronischen Krankheiten oder von Behinderung sollen dazu

einen Beitrag leisten.

Das ZiG ist eine offene und lernende Institution. Es sucht den Austausch mit externen

Partnern und ist offen für Inspiration und Veränderung. Es arbeitet nach streng wissen-

schaftlichen Kriterien und sucht gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Anwendern und

Herstellern.

Das ZiG arbeitet hinsichtlich seiner Inhalte und seiner Organisation transparent. Es ver-

öffentlicht seine Ergebnisse und lädt zu konstruktiver Kritik ein.

Das ZiG ist eine Berliner Einrichtung und seiner Heimatstadt insoweit verbunden. Durch

seine Aktivitäten will es sowohl in der Region Berlin-Brandenburg als auch weit über die

Stadt hinaus wirken.

GESUNDHEITSTECHNOLOGIEN IN DEUTSCHLANDDie TU Berlin engagiert sich als Partner für gesellschaftliche

Wohlfahrt und Arbeits- und Ausbildungsplätze• Wachstumsmarkt Gesundheitswesen*: Sektor mit ca. 275 Mrd. Euro Gesamtausgaben. Nahezu 4,2 Millionen Beschäftigte sind in gesundheitsrelevanten Berufen tätig. Die Ausgaben für Medizinprodukte betrugen 2002 insgesamt 19 Mrd. Euro. Der Weltmarkt für Medizintechnologien betrug 2002 rund 170 Mrd. Euro. Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte Markt der Welt im Bereich der Medizinprodukte.***

• Marktführer**: Deutsche Medizintechnik ist führend in Europa, der Marktanteil in Westeuropa liegt bei 31%.

• Wachstumsmotor**: Der Gesamtumsatz der medizintechnischen Industrie stieg im Jahre 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 6,4 % auf 11,99 Milliarden Euro.

• Exportchampion**: Hiervon entfielen 5,41 Milliarden Euro(+ 2,1 %) auf den Inlandsumsatz und 6,58 Milliarden Euro (+ 10,3 %) auf den Auslandsumsatz.

• Arbeitsplätze für Deutschland**: Die Zahl der Beschäftigten ist im Jahr 2002 erneut gestiegen (+2,7 %) und lag bei rund 84.500, die Zahl der Betriebe blieb mit 1.189 (-0,3%) annähernd konstant.(*SVRKAiG (1997); **Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V., *** BVmed - Nr. 36/04)

5.123

4.343

4.833

4.352

4.963

5.090

5.303

5.962

5.414

6.577

5.789

6.994

1998 1999 2000 2001 2002 2003**AuslandsumsatzInlandsumsatz

Quelle: Statistisches Bundesamt; SPECTARIS e.V.* fachliche Betriebsteile zur Herstellung mediz inischer Geräte und orthopädischer Vorrichtungen ** Prognose; Ab 2003 erw eiterter Berichtskreis, daher nur bedingte Vergleichbarkeit zum Vorjahr

9.466 Mio. €9.185 Mio. €

10.053 Mio. €11.265 Mio. €

11.991 Mio. €12.783 Mio. €

WIRKUNGSFELDER DER GESUNDHEITSTECHNOLOGIE

Gerätetechnik Informationstechnik

Kliniken &Pflege undVerwaltung

Ärzte- undPflegeberater

Bürger, Patientenund

Hilfsbedürftige

Vernetzung &Anwendung

Wissens- &Informations-management

Medizinische &technische

QualifikationProzesstechnik

NiedergelasseneÄrzte und

Versorgungszentren

Rehabilitations-einrichtungen

Betriebsarzt-zentren

Markt für Intelligente industrielleMedizinprodukte

MechatronikPhysiologische MeßtechnikRobotertechnik, NavigationProthetik, ImplantateMikrosystemtechnikNanotechnologieMensch-Maschine-SystemeAutomationstechnikInformationstechnikBiotechnologieMinimal invasive Technologien

DiagnostikTherapieRehabilitationPräventionGesundheitsförderung

Medizinische

Forschungsfelder

Technische

Forschungsfelder

Gesundheitsmarkt

Gesundheitswirtschaft

Übersicht: Zentrum innovative Gesundheitstechnologie (ZiG)

Das am 13. Oktober 2004 gegründete und sich im Aufbau befindliche interdisziplinäre

Zentrum für innovative Gesundheitstechnologien (ZiG) an der TU Berlin vereint Ingenieu-

re, Mediziner und Gesundheitsökonomen der TU Berlin und anderer Institutionen in der

Gesundheitsstadt Berlin. Das ZiG bündelt die umfangreichen Kompetenzen im Bereich

Gesundheitstechnologien und Gesundheitswirtschaft und baut diese gezielt aus.

Forschungsgebiete

Die TU Berlin leistet Forschungsarbeiten, die für alle Phasen des Innovationsprozesses

von Gesundheitstechnologien bedeutsam sind und den im Folgenden genannten fünf

Arbeitsschwerpunkten zugeordnet werden.

Innovative medizinische Technologien

Diese Arbeitsgruppe betrachtet technische und technologische Gesichtspunkte der Ent-

wicklung von innovativen Medizinprodukten und medizinischen Hilfsmitteln. Besondere

Kompetenzen liegen in folgenden Bereichen:

• Minimal invasive Techniken

• Kreislaufprozesse für Medizinprodukte

• Navigation und Robotik

• Systemintegration und Mikrosystemtechnik

• Moderne Prothetik für Amputierte

Gesundheitswirtschaft

Ökonomische Analysen in Form von betriebs- und volkswirtschaftlichen Studien bilden

die Grundlage von Marktanalysen, Evaluationen und Geschäftsmodellen für innovative

Medizinprodukte und deren Nutzung. Das ZiG kann in folgenden Bereichen nachhaltige

Kompetenzen vorweisen:

• Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen

• Reformen und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens und seiner Teilgebiete

(Medizinprodukte)

• Finanzierung und Vergütung von Gesundheitsleistungen

• Evaluation von Gesundheitsleistungen

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o Lizenzierung und CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten

o Aufnahme von Hilfsmitteln in den GKV-Leistungskatalog

o Health Technology Assessment und gesundheitsökonomische Evaluation

• Rolle der Kunden im Innovationsprozess medizintechnischer Innovationen

o Kundenintegration in medizintechnischen Innovationsprozessen

o Adoptionsfaktoren medizinischer Innovationen bei Ärzten, Patienten und

Krankenkassen

E-Health

Die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich Health Care er-

öffnet für beide Wirtschaftsbereiche große Potentiale. Dabei steht die Verbesserung der

Verfügbarkeit und Aktualität von Wissen über neue Diagnostik-, Therapie- und Nachsor-

geverfahren im Vordergrund. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vermeidung von Informa-

tionsbrüchen und Redundanzen im Behandlungsprozess. Eine gemeinsame und verteil-

te elektronische Patientenakte soll dazu beitragen. Die ressourcenschonende Zusam-

menführung von medizinischen Angeboten ärztlicher Leistungserbringer mit der Behand-

lungsnachfrage bildet die dritte Zielsetzung der Arbeitsgruppe E-Health. Hier spielen

telemedizinische Dienstleistungen als IT-gestützte Verfahren bei der Diagnostik und

Therapie eine Rolle. Da der Aufbau einer geeigneten Infrastruktur inkl. der elektroni-

schen Ausweise für Patienten und Mitarbeiter des Gesundheitswesens die Basis konkre-

ter E-Health-Anwendungen ist, wird hier ein Fokus der Forschungsarbeit des ZiG gelegt.

• Verbesserung der Verfügbarkeit und Aktualität von Wissen im Gesundheitswesen

• Vermeidung von Informationsbrüchen und Redundanzen im Behandlungsprozess

• Telemedizin und Home Care

• IT Infrastruktur im Gesundheitswesen

Digital Process Navigation in Health Care (Digitales Krankenhaus)

Der zentrale Erfolgsfaktor der Entwicklung und Einführung innovativer Medizinprodukte

ist deren Integration in die bestehenden medizinischen und administrativen Prozesse im

Gesundheitswesen. Das gilt insbesondere für bildgebende bzw. digitale Verfahren, de-

ren Diagnosedaten in krankenhausinterne sowie in einrichtungs- und sektorenübergrei-

fende Behandlungsprozesse eingebracht werden müssen. Zusätzlich ist vor dem Hinter-

grund steigender Effizienzansprüche im Gesundheitswesen eine Integration in administ-

rative Prozesse notwendig. Die Arbeitsgruppe Digital Process Navigation in Health Care

vereint daher Kompetenzen und Forschungsaktivitäten in folgenden Bereichen:

• Patientenmanagement

• Betriebsmanagement

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• Finanzmanagement

• Computing

• Testing and Certification

Werkstoffe im Zellkontakt

Forschungsgebiete sind in folgenden Bereichen angesiedelt:

• Tissue Engineering

• Bio- und Biodegradierbare Materialien

• Biosensoren und –reaktoren

Potential der TU Berlin im Schwerpunkt

Kompetenzen

Die TU Berlin verfügt über zahlreiche Kompetenzen in der Medizintechnik und -

informatik, in der Gesundheitsökonomie sowie im Management des Gesundheitswesens.

Ergänzt werden diese Kompetenzen durch die sehr gute Vernetzung im Medizinstandort

Berlin.

Kooperationen und Netzwerke

Als langjährige und enge Forschungspartner sind die Berliner Kliniken und übrigen

Hochschulen, Fraunhofer Institute, Max-Planck-Institute sowie das DIW zu nennen.

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ZiG Arbeitsschwerpunkt „Innovative medizinische Technologien“

Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft

1. Minimal invasive Techniken

2. Kreislaufprozesse für Medizinprodukte (Reprocessing, Remanufacturing,

Refurbishing)

3. Navigation und Robotik

4. Systemintegration und Mikrosystemtechnik

5. Moderne Prothetik für Amputierte

6. Gebäudetechnik im Gesundheitswesen

1. Minimal invasive Techniken

Unter minimal invasiven Techniken werden in der Medizin diagnostische bzw. therapeu-

tische Maßnahmen verstanden, die den Patienten operativ besonders wenig belasten.

Sie stehen oft konventionellen, mit größeren Traumata verbundenen Techniken alterna-

tiv gegenüber. Die besonderen Vorteile dieser Methoden liegen in den verbesserten Be-

handlungsmöglichkeiten durch die erweiterten Indikationsstellungen (z.B. die schonende

Behandlung von Kindern oder Schwerkranken), in der schnelleren Genesung der Patien-

ten, der geringeren Schmerzbelastung und dem besseren optischen Ergebnis infolge

einer geringeren Narbenbildung. Die schnellere Wiederherstellung der Gesundheit hat

durch die einhergehende Reduktion der Pflegezeiten und Behandlungskosten sowie die

frühzeitige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess eine volkswirtschaftliche Rele-

vanz, welche unter dem Aspekt der notwendigen Kostendämpfung im Gesundheitswe-

sen einen besonderen Stellenwert besitzt.

Minimal invasive Techniken setzen sich unter Nutzung verschiedener technischer Ansät-

ze in unterschiedlichen medizinischen Fachgebieten zunehmend durch. Die wichtigsten

Anwendungen finden sich heute in der Chirurgie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Kar-

diologie, Radiologie und Urologie. Einige der minimal invasiven Behandlungsmethoden

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nutzen völlig neuartige diagnostische oder therapeutische Ansätze. Beispiele hierfür sind

spezielle Kathetertechniken in der Kardiologie oder endoskopische Techniken in der

Gastroenterologie. Andere Methoden entstanden durch die Modifikation oder Miniaturi-

sierung konventionellen Instrumentariums in Anpassung an neu entwickelte Zugangs-

techniken, wozu beispielsweise im Bauchraum angewandte chirurgische Techniken (La-

paroskopie, Pelviskopie) gehören. Trotz großer Unterschiede in der technischen Ausfüh-

rung ist den minimal invasiven Techniken in der Regel die Nutzung natürlicher bzw.

künstlich geschaffener Körperhöhlen oder die Anwendung in Gefäßen oder Hohlorganen

des Menschen gemeinsam. Dies stellt besondere Anforderungen an den konstruktiven

Aufbau des Instrumentariums und an die Bildgebung über optische oder radiologische

Techniken.

Obwohl minimal invasiven Techniken aufgrund der genannten Vorzüge in den letzten

beiden Jahrzehnten mit großem Erfolg weiterentwickelt wurden und sich in einigen Be-

reichen, wie der Behandlung der koronaren Herzkrankheit oder der Gallenblasenresekti-

on bereits als Standardtechnik in der täglichen Routine durchsetzen konnten, besteht

weiterhin ein erheblicher Bedarf an technischen Verbesserungen. Neben den genannten

zum Teil etablierten Anwendungen minimal invasiver Techniken sollten, auch im Rah-

men der Forschung des ZiG neue potentielle Einsatzgebiete erschlossen werden.

Einige Ansatzpunkte für entsprechende Forschungsschwerpunkte des ZIG an der

TU Berlin werden, gegliedert nach medizinischen Fachgebieten, nachfolgend zusam-

mengefasst. Es schließt sich die Benennung der vorhandenen Kompetenzen an der TU

Berlin als Listung bereits bearbeiteter Projekte aus den genannten Themenfeldern an.

1. 1. Kardiologische und radiologische interventionelle Techniken

Bei der interventionellen Behandlung der koronaren Herzkrankheit ist heute die mecha-

nische Aufweitung des verengten Gefäßabschnittes mit einem Ballonkatheter, oft kombi-

niert mit der Platzierung einer drahtgeflechtartigen Gefäßprothese, üblich. Von diesen

ca. 200000 jährlichen Eingriffen in Deutschland müssen jedoch rund 30% der Patienten

mit einem erneuten Verschluss des Gefäßes rechnen. Ziel der aktuellen Forschung ist

die Reduktion dieser so genannten Restenoserate. Viel versprechende Ansätze liegen in

der Beschichtung von Gefäßprothesen mit Medikamenten, welche direkt in das für den

erneuten Verschluss ursächliche, überschießende Wachstum des mechanisch gereizten

Gewebes eingreifen. Derartige Drug-Delivery-Systeme werden nach sehr erfolgreichen

klinischen Studien der Weltmarktführer aus den USA nun auch bei kleineren deutschen

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und europäischen Herstellern entwickelt bzw. befinden sich in der ersten klinischen Er-

probung.

Andere Ansätze konzentrieren sich auf die Limitierung des Fremdkörperreizes der Ge-

fäßprothese auf die ersten Wochen und Monate nach der interventionellen Therapie

durch Verwendung resorbierbarer Werkstoffe. Einige resorbierbare Kunststoffe eig-

nen sich auch als Medikamententräger auf metallischen Gefäßprothesen und erlauben

hier eine gezielte Einstellung der Freisetzungskinetik.

Durch die ständige Ausweitung der Indikationsstellung der Kathetertechniken auf weiter

peripher und in stark gewundenen Gefäßen liegende Verengungen steigen die Anforde-

rungen an die mechanischen Eigenschaften der Katheter, insbesondere an ihre Ma-

nipulierbarkeit und Fähigkeit zur Passage von Verengungen.

Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr.-Ing. Manfred H. Wagner FG Polymertechnik

(Polymere Stents mit Formgedächtnis, Entwicklung eines Kreislaufmodells zur Untersu-

chung beschichteter koronarer Stents, Entwicklung eines Drug Delivery-Systems auf

polymerer Basis zur gezielten Abgabe von Medikamenten im koronaren Bereich)

Prof. Dr. -Ing. Reinhold Orglmeister FG Elektronik und medizinische Signalverarbeitung

(Segmentierung, 3D-Rekonstruktion und Bewegungsschätzung des koronaren Gefäß-

baumes aus bewegten biplanen Angiogrammen; Segmentierung von Ultraschallbildern

des Herzens)

Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft FG Medizintechnik

(Entwicklung eines metallischen Koronarstents, medizinisch-technische Analyse und in-

vivo-Evaluation der Stentapplikation bei der PTCA, Entwicklung von Prüfgeräten für an-

wendungsorientierte Untersuchungen der Manipulationseigenschaften von Herzkathe-

tern, Entwicklung eines Dichtheitsprüfstandes für elektrophysiologische Katheter, Prüf-

vorrichtung zur Vermessung von Katheterballons, Prüfvorrichtung zur elektrischen Funk-

tionsprüfung an Elektrodenkathetern)

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1. 2. Gastroenterologische endoskopische Techniken

Die Spiegelung des Magen-Darm-Traktes wurde bisher über flexible, aus Glasfasern

aufgebaute Endoskope ausgeführt. Therapeutische Eingriffe sind über katheterähnliche

Instrumente möglich, welche durch Arbeitskanäle hindurch zur Endoskopspitze gescho-

ben werden. Neuentwicklungen in der flexiblen Endoskopie betreffen den Ersatz der

Glasfasertechnik durch die Bildgebung über an der Endoskopspitze montierte Kamera-

systeme. Dies macht neben einer verbesserten optischen Auflösung auch die Gestaltung

flexiblerer Endoskope möglich. Neue technische Anforderungen ergeben sich beispiels-

weise bei der Gestaltung einer fokussierbaren Optik, wofür mikrotechnische Lösun-

gen Anwendung finden.

Mit der neuen, so genannten Kapselendoskopie ist es möglich, unter Verwendung ei-

ner verschluckbaren Videokamera drahtlos Bilder aus bisher endoskopisch nicht er-

reichbaren Abschnitten des Dünndarms zu übertragen. Diese bisher rein bildgebende

Technik könnte durch Entwicklung mikrotechnischer Manipulatoren eine Erweiterung

des Anwendungsspektrums, beispielsweise zur Gewinnung von Gewebsproben, erfah-

ren.

Gastroenterologische Kathetertechniken erlauben heute relativ einfache Eingriffe, die

auch bis in den Gallen- und Bauchspeicherdrüsengang hinein ausgeführt werden kön-

nen. So ist es möglich, Kontrastmittelfüllungen der Gangsysteme zur radiologischen

Darstellung der Gefäßquerschnittsfläche vorzunehmen. Erweiterte diagnostische Aussa-

gen, auch über die Struktur und Beschaffenheit der Gefäßwandungen ermöglicht die

Entwicklung von intraduktal einsetzbaren Ultraschallsystemen.

Therapeutische endoskopische Eingriffe ermöglichen heute u.a. das Setzen von Gefäß-

prothesen, das Zertrümmern und Entfernen von Steinen sowie die Ausführung einfacher

elektrochirurgischer Schnitte. Durch eine technische Weiterentwicklung des Instrumenta-

riums können neue Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden. So ist es bisher nicht

möglich, Naht- oder Verschlusstechniken durch ein flexibles Endoskop hindurch an-

zuwenden.

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Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr. rer. nat. Heinz Lehr FG Mikrotechnik

(Prototypenentwicklung eines Ultraschallkathetersystem, Entwicklung eines aus mikro-

systemtechnischen Modulen aufgebauten Videoendoskops, Klauenpolmotor; Linsenan-

trieb; Flüssigkristalle; Miniaturgenerator; LIGA Technik)

Prof. Dr. -Ing. Reinhold Orglmeister Fak. IV, FG Elektronik und medizinische Signalverarbeitung

(Segmentierung und 3D-Rekonsrtruktion der Gefäßwände auf der Basis intravaskulärer

Ultraschallsignale; Getriggerter automatischer Rückzug für intravaskuläre Ultraschallka-

theter)

1. 3. Minimal invasive chirurgische Techniken

Im Vordergrund der Weiterentwicklung des Instrumentariums der minimal invasiven Chi-

rurgie steht dessen Anpassung an die besonderen Bedingungen des Operierens durch

Schleusensysteme hindurch. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Verbesserung der

räumlichen Orientierung im Operationsgebiet. Ansätze liegen hier beispielsweise in der

Entwicklung von Multifunktionsinstrumenten, die einen Instrumentenwechsel durch

die Schleuse hindurch seltener notwendig machen. Gegenüber der konventionellen, ma-

nuellen Chirurgie ist für den minimal invasiv arbeitenden Operateur der Verlust des

Tastempfindens nachteilig. Durch eine sensorisch-taktile Rückkopplung über das

Instrument könnte dieses technisch ersetzt werden. Bei der Resektion größerer Ge-

websabschnitte, beispielsweise Teilen des Darmes, ist zur Entfernung des Resektates

oft das Setzen größerer, den Patienten stärker belastenden Schnitte notwendig. Neue,

auch für die Entfernung bösartigen Tumorgewebes geeignete Bergetechniken, können

den Behandlungserfolg verbessern.

Die Anwendung minimal invasiver Techniken stellt hohe Anforderungen an den Ausbil-

dungsstand und die praktischen Erfahrungen des medizinischen Personals. Technisch

anspruchsvolle Trainingssysteme mit realistischer Nachbildung der mechanischen

Gewebeeigenschaften können das Erlernen der praktischen Fähigkeiten inklusive der

Reaktionen bei Komplikationen am Phantom mit objektiver Bewertung des Trainingszu-

standes ermöglichen.

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Prof. Dr. Ing. Eckart Uhlmann FG Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik

(Fertigung und Nachbearbeitung von Instrumenten und Komponenten für die minimal

invasive Chirurgie durch generative, spanende und abtragende Verfahren, Mikrobearbei-

tung, Mikrogetriebe)

Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft FG Medizintechnik

(Untersuchung und Weiterentwicklung der Schneiden- bzw. Spitzengeometrie von Obtu-

ratoren,

Entwicklung eines laparoskopischen Operationsinstrumentes mit kontinuierlicher Absau-

gung, eines Nähapparates und einer bipolaren Faßzange für die minimal invasive Chi-

rurgie)

Prof. Dr. med. habil. Wolfgang Friesdorf FG Arbeitswissenschaft und Produktergonomie

(Ergonomie in der Medizintechnik; Patientensicherheit durch kontext- und prozesskorre-

lierte Alarmierung kritischer Konstellationen; Analyse & Optimierung klinischer Arbeitsab-

läufe)

2. Kreislaufprozesse für Medizinprodukte (Reprocessing, Remanufacturing, Re-furbishing)

Die komplexen Anforderungen an die bei minimal invasiven Techniken eingesetzten Ge-

räte und Instrumente bedingen eine oft aufwendige Konstruktion bzw. den Einsatz

hochwertiger Werkstoffe und verursachen damit zum Teil erhebliche Sachkosten. Ande-

rerseits ist ein Teil des Instrumentariums durchaus für eine über die erste Nutzungspha-

se hinaus gehende Anwendung geeignet, selbst wenn der Hersteller es dafür zunächst

nicht vorgesehen hat. Das geänderte Medizinproduktegesetz erlaubt unter Verweis auf

die einschlägigen Richtlinien eine Aufbereitung, sofern ein validiertes Verfahren zur Ver-

fügung steht und keine hygienischen oder technisch-funktionellen Einschränkungen be-

stehen. Mit der Zentralisierung der aufwendigen und hoch spezialisierten Aufbereitung

von Intrumentarium minimal invasiver Techniken bei noch jungen Dienstleistungsunter-

nehmen ist ein wirtschaftlicher Gewinn für das beauftragende Krankenhaus in Form sin-

kender Kosten pro Anwendung erzielbar. So sind einerseits Aufbereitungsverfahren zur

Überwachung, Prüfung, Demontage, Reinigung, Desinfektion, Reparatur und Anpassung

medizinischer Geräte zu entwickeln und zu validieren. Andererseits sind Gestaltungs-

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richtlinien für zukünftige, einfacher aufbereitbare medizinische Technologien zu entwi-

ckeln, um die Wirtschaftlichkeit der Aufbereitung und Überführung in neue Nutzungspha-

sen zu verbessern. Neben Prüfverfahren bieten elektronische produktbegleitende Infor-

mationssysteme ein besonderes Potenzial zur Zustandüberwachung und Beurteilung

von Geräten während und nach den Nutzungsphasen. Neue Geschäftsmodelle zum

Nutzenverkauf medizinischer Technologien #. Die interdisziplinäre Forschung auf diesen

Gebieten erschließt Grundlagen, durch die die Nutzenproduktivität medizinischer Tech-

nologien erhöht, die Qualitätssicherung im Hygiene-kritischen Einsatz verbessert und der

Zugang zu neuen medizinischen Märkten durch neue Nutzungsphasen erschlossen wer-

den kann

Neben minimal-invasiven Technologien bieten auch medizinische Großgeräte Einspar-

potentiale, die durch kreislaufwirtschaftliche Prozesse erschlossen werden können. Dies

betrifft insbesondere bildgebende Systeme, wie Computertomographen, Magnetreso-

nanztomographen und Röntgengeräte. Durch geeignete Produkt- und Produktions-

gestaltung sowie durch Strategien und Prozesse zur Aufbereitung, Demontage und

Remontage können medizintechnische Großgeräte in neue Nutzungszyklen über-

führt, die Ressourcenproduktivität erhöht und neue Marktfelder für preisgünstige Geräte,

z.B. in Entwicklungsländern, erschlossen werden.

Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft FG Medizintechnik

(Entwicklung von Verfahren zur Validierung der Reinigung von Instrumenten der minimal

invasiven Chirurgie, Entwicklung einer Reinigungs- und Desinfektionsanlage für Ballon-

katheter und von Zubehörkomponenten für Anlagen zur Reinigung und Desinfektion von

Chirurgieinstrumenten)

Prof. Dr.-Ing. Günther Seliger FG Montagetechnik und Fabrikbetrieb

(Erarbeitung kreislaufwirtschaftlicher Produkt- und Produktionskonzepte zur Rückgewin-

nung von Ressourcen sowie zur Überführung von Produkten in neue Lebenszykluspha-

sen)

3. Navigation und Robotik

Vorteile von Robotersystemen liegen vor allem in der Möglichkeit, den Ablauf von Opera-

tionen vor dem Eingriff an einem dreidimensionalen Modell exakt zu planen und im Ope-

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rieren mit höchster Präzision. Einige minimal invasive chirurgische Eingriffe, beispiels-

weise in der Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie, erfordern eine Präzision, die rein manuell

nur noch schwer zu leisten ist. Weitere Vorteile können auch in ergonomisch besserer

Arbeitshaltung des bedienenden Operateurs und damit in der reduzierten Gefahr der

Ermüdung bestehen.

Navigationssysteme unterstützen den manuell arbeitenden Operateur, indem sie ihn

zum Operationsziel führen oder bei Annäherung an zu schützende Strukturen rechtzeitig

warnen. Medizinische Robotersysteme sind in der Lage, standardisierte Behandlungs-

elemente selbständig mit hoher Genauigkeit auszuführen. Entwicklungsbedarf besteht

beispielsweise bei der Synchronisation der Instrumentenbewegungen auf die Be-

wegungen des Operationszielgebietes, welche beispielsweise Operationen am schla-

genden Herzen deutlich erleichtern könnte. Weitergehende Forschungsthemen unter

Nutzung aktiver Manipulatoren betreffen in der Telechirurgie die Ausführung von Ope-

rationen über räumliche Distanzen hinweg. Um die Einsatzfähigkeit dieser Systeme zu

verbessern, ist Echtzeitsignalverarbeitung mit einer Verringerung der Verzögerungs-

zeiten unter 100 Millisekunden notwendig.

Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr.-Ing. Tim Lüth FG Navigation und Robotik

(image acquisiton, real time imaging; power controlled instruments; visualization and

surgical navigation tools; instrument guidance, medical robots; clinical assistance sys-

tems)

Prof. Dr. Ing. Eckart Uhlmann FG Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik

(Fertigung und Nachbearbeitung von Instrumenten und Komponenten für die Robotik,

Mikrobearbeitung, Mikrogetriebe)

4. Systemintegration und Mikrosystemtechnik

Der Einsatz von hoch komplexen und multifunktionalen Gerätesystemen auf Basis von

Minaturisirungs- und Mikrosystemtechnologien kann maßgeblich in vier verschiedenen

Bereichen der medizinischen Vorsorge und Versorgung erfolgen.

18

4. 1. Wirkstoffentwicklung

Für die Biologie- und Chemie-orientierte Wirkstoff-Forschung steht die Entwicklung von

personalisierten, d.h. auf den einzelnen Patienten abgestimmten und eingestellten Medi-

kamenten im Vordergrund. Dieser Ansatz basiert auf einer Einführung und Weiterent-

wicklung der Mikroreaktionstechnik, des Handlings von Mikromengen und der Verwal-

tung von individuellen Probendaten. Fragestellungen, wie:

• Entwicklung und Fertigung von Mikro-Reaktoren

• Lab on a Chip

• parallele und probenspezifische Screening-Prozeduren (insbesondere mit indivi-

duellen jedoch in der Gesamtprobenzahl extrem ansteigenden Losgrößen)

• Mikropipetten (elektronisch gesteuert)

• Elektrische Ankontaktierung von biologischem Gewebe (z.B. Nervenzellen)

• Zell-Manipulation

sind essentiell und bedürfen neuer komponenten- und systemtechnischer Lösungsan-

sätze.

4. 2. Diagnostik und Gesundheitsmonitoring

Ein zweiter wesentlicher Komplex umfasst die klinische Diagnostik und das Gesund-

heitsmonitoring mit den Schwerpunkten Früherkennung, präventive Diagnostik, Real-

Time-Analyse und individual-spezifische Prognose. Gefordert sind hier Eigenschaften

wie Schmerz– und Verletzungsfreiheit. In Kombination mit Entwicklungen der klassi-

schen Systemintegration und -vernetzung (wie z. B. der Mobilkommunikation und dem

»wearable computing«) werden hier zukünftig neue Gerätegenerationen als Grundlage

einer präventiven Individual-Diagnostik und –Überwachung entstehen. Sensorsysteme

zur Blutkontrolle oder ein komplett in der Kleidung integriertes EKG könnten charakteris-

tische Produkte aus diesem Bereich sein. Weitere Schwerpunkte dieses Anwendungsbe-

reiches sind:

• Überwachung vitaler Funktionen

• Medizinisches Sensorpflaster

• Schneller Nachweis von Antikörpern in menschlichem Serum mit Bio-Chips Ü-

berwachung des „Gehens“ mittels Sensorik und “Feedback“ zum Patienten

• Die schnelle Blutdruck- und Blutdatenmessung

• Drahtlose Augen-Innendruckmessung

• Injektionssysteme mit Mikrokapillaren (Mückenstich)

19

• Medizinische Kleidung mit integrierten Sensoren und Kommunikationssystemen

• Miniaturisierte Datenlogger (e-grains) zur Patientüberwachung

• Mobile Patientenakte

4.3. (Sensor-) Signalverarbeitung und –klassifikation

Auf der einen Seite erschließen ständig neue Sensortechnologien den Zugang zu immer

mehr Körperparametern und können eine Vielzahl von Biosignalen liefern. Diese Signale

sind allerdings häufig von anderen Nutz- oder Störsignalen mehr oder weniger stark ü-

berlagert. Außerdem ist die Datenflut oft vom Arzt kaum noch überschaubar oder mit

vertretbarem Aufwand auswertbar.

Auf der anderen Seite ergeben sich durch die immens gewachsene Rechenleistung von

Mikro- und Signalprozessoren sowie die Möglichkeiten programmierbarer Logik

ständig völlig neue Einsatzmöglichkeiten der Elektronik und der digitalen Signalverar-

beitung. Z.T. bekannte aber bisher zu rechenzeitintensive Algorithmen wie auch neue

Auswerteverfahren zur Störsignalunterdrückung, Trennung von Signalgemischen,

automatischen Signalauswertung und Klassifikation können eingesetzt werden und

Notfallmaßnahmen oder Therapien einleiten bzw. Entscheidungshilfen bereitstellen. Als

einige wenige Beispielsignale seinen Bewegung, Blutdruck, Hirndruck, EKG, IEGM,

EMG, EEG, MEG etc. genannt. Zudem ergeben sich verbesserte Möglichkeiten zur da-

tenkomprimierten Speicherung und Visualisierung.

4. 4. Therapie

Der dritte große Themenbereich der medizinisch orientierten Anwendungsfelder umfasst

die therapeutischen Maßnahmen und dabei insbesondere die Medikamentenzuführung,

Implantationen, Transplantationen und die Chirurgie. Unter diesen Oberbegriffen lassen

sich Entwicklungen einordnen wie z. B. Drug-Delivery, künstliche Organe, Werkzeug-

entwicklung für die minimal invasiven Techniken, computergestütze Operation mit mikro-

systemtechnischen und mikromechatronischen Komponenten sowie neue Ansätze zur

Versorgung von Patienten mit körpereigenen und körperfremden Transplantaten, die z.

B. die Ablage von Biomaterial und die Entwicklung von Bio-Storage-Technologien, Kryo-

Verfahren zur Lagerung von körpereigenem Gewebe beinhalten.

Zukünftige Entwicklungen konzentrieren sich u.a. auf:

• Medikamentendosierung mittels Siliziumkapillaren

20

• Implantierbare Medikamentendosiersysteme mit Mikroventilen

• Anästhesiemitteldosierung mittels Mikropumpen

• Drahtlose Steuerung der Medikamenteninjektion

• Implantate für künstliches Sehen, Hören, Riechen, etc.

• Katheter mit Verschlusserkennung

• Mikromechatronisches Operationsbesteck

• Simulation der mechanischen Belastung von Implantaten

• Simulation der Festigkeit von Implantaten und Vorhersage ihrer Lebensdauer

4.5. Prophylaxe und Training

Der vierte Bereich umfasst die Vorsorge (z. B. die Freizeit- und Sportaktivitäten, das

Sammeln von Daten für prophylaktische Untersuchungen) und die Ertüchtigung von ins-

besondere alten Menschen beim Umgang mit modernen medizinischen Geräten und

Systemen. Hier kann in automatisch ablaufende Mechanismen (z. B. bei Notfall) und in

willkürlich ausgelöste Reaktionen unterschieden werden. In diesem Schwerpunkt ange-

siedelte Themen sind u.a.:

• Überwachungssysteme bei Sportaktivitäten

• Die Notrufuhr für alte Menschen

• Auffinden von Bewohnern in Altersheimen und von Patienten mittels elektroni-

scher Label

• Navigationssysteme für Orientierungslose

• Wiederholung von Informationen für vergessliche alte Menschen

• Trainingssysteme für Diabetiker und Herzkreislauf-Kranke

• Verhaltenssimulationen für Patienten

Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr.-Ing. Dr. E.h. Herbert Reichl FG Technologien der Mikroperipherik

(Assembly Technologies; Design and Simulation Methods for System Integration; Me-

chanical Reliability and Micro Materials; Sustainable Technologies; Thin Film and Power

Management)

Prof. Dr.-Ing. Reinhold Orglmeister FG: Elektronik und medizinische Signalverarbeitung

21

(Realitfähige Blinde Quellentrennung für die EEG-Analyse; kombinierte MEG- und EEG-

Auswertung; Automatische EKG-Auswertung; Stimmgüteklassifikation; Bildauswertung)

5. Moderne Prothetik für Amputierte

Körperersatzteile und orthopädische Hilfsmittel sollen nach Sozialgesetzbuch IX (Reha-

bilitation und Teilhabe behinderter Menschen) eine Behinderung bei der Befriedigung

von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens ausgleichen. Mit dieser Zielstellung wird

eine außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe gestellt. Idealerweise hilft eine Prothese

dem Versorgten, seine Behinderung zu vergessen. Dies betrifft bei einer krankheits- o-

der unfallsbedingten Amputation sowohl den funktionellen, als auch den ästhetischen

Ersatz der verlorenen Gliedmaßen. Neuentwicklungen der Arm- und Beinprothetik, die

komplexe sensorbasierte Regelungen beinhalten, entlasten den Versorgten, indem sie

autonom Überwachungsfunktionen ausführen und damit zur Steigerung der Lebensquali-

tät des Versorgten beitragen.

Moderne Handprothesen, wie die so genannte „Sensor-Hand“ (Fa. Otto Bock) entlasten

den Versorgten durch eine integrierte Greifkraftregelung. Der enthaltene Rutschsensor

misst die beim Greifen entstehende Kraft in Richtung und Größe. Allein die Tendenz

eines Gegenstandes zum Rutschen beim Übergang von der Haft- zur Gleitreibung löst

ein rechtzeitiges Nachgreifen der Prothese aus. Der Griff ist immer sicher und gerade so

fest, wie es für ein sicheres Halten notwendig ist. Der Patient wird von der Unsicherheit

befreit, versehentlich einen Gegenstand fallen zu lassen.

Betrachtet man das künstliche Knie eines Oberschenkelamputierten, so sollte dieses

einerseits eine maximale Standphasensicherheit besitzen, d. h. nicht unbeabsichtigt ein-

knicken, andererseits jedoch in der Schwungphase eines Gangzyklusses möglichst so

durchschwingen, dass es genau zum Zeitpunkt des beabsichtigten Fersenauftrittes die

vordere Endlage erreicht. Ein Nachteil bisher üblicher mechanischer Systeme ist jedoch,

dass der Amputierte durch „bewusstes Gehen“ die Funktionen der Prothese auslösen

muss. Der Versorgte kann selbst in kritischen Situationen, wie beim Stolpern, die Pro-

these „richtig“ belasten, damit z. B. die Standphasensicherung aktiviert wird. Weiterhin

kann die Schwungphasendämpfung der Prothese nur für eine Gehgeschwindigkeit opti-

mal eingestellt werden.

Um den Oberschenkelamputierten von diesen sicherheitsrelevanten Überwachungsfunk-

tionen zu entlasten und ein natürlicheres Gangbild zu ermöglichen, wurden mikropro-

zessorgesteuerte Kniegelenksysteme (z. B. „C-Leg“ der Fa. Otto Bock) entwickelt. Eine

Software koordiniert alle Mess- und Regelungsvorgänge. In Abhängigkeit von erfassten

Sensorikdaten wird die Dämpfung einer integrierten Hydraulik geregelt. Der Patient kann

22

sich in unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten unbeschwert bewegen. Die hydrauli-

sche Standphasendämpfung sichert das Knie beim Fersenauftritt bzw. in unbeabsichtig-

ten Situationen.

Beide Beispiele moderner Prothesensysteme zeigen den Bedarf an technischem Fort-

schritt auch in der Orthopädietechnik, welcher zur erheblichen Verbesserung der Ver-

sorgungs- und Lebensqualität Betroffener führen kann. Forschungsprojekte des ZiG

beinhalten neben der Entwicklung und Verifizierung von Sensorikkomponenten

bzw. Belastungsindikatoren für moderne Prothesensysteme, die Erfassung der Be-

anspruchungen von Prothesenkomponenten während ihrer Nutzung sowie die

Entwicklung eines Sicherheitselementes.

5.1. Mobilitätsuntersuchungen an prothetisch versorgten Oberschenkel- amputierten

Die Prüfung von Körperersatzteilen für Oberschenkelamputierte erfolgt im Rahmen ihrer

Zulassung als Medizinprodukt nach harmonisierten Normen (u.a. nach ISO 10328). Die

in diesen Normen festgelegten Prüfparameter müssen die Beanspruchungen des Hilfs-

mittels bei bestimmungsgemäßem Gebrauch innerhalb des typischen Nutzungszeitrau-

mes abbilden. Basis für die Festlegungen der o.g. Norm waren ältere Beanspruchungs-

messungen an Prothesen. Die damals untersuchten Prothesen unterscheiden sich

grundlegend von heute verfügbaren Systemen. Mit der Weiterentwicklung der protheti-

schen Versorgung geht auch eine Erhöhung der Patientenmobilität einher.

In einem Forschungsprojekt soll ein aktueller Zusammenhang zwischen der moder-

nen prothetischen Versorgung, der Patientenaktivität und der resultierenden Pro-

thesenbeanspruchung hergestellt werden. Zu diesem Zweck sind eine mobile Sensorik

(u. a. zur Erfassung der in der Prothesenkonstruktion wirkenden Kräfte und Momente)

sowie technische Lösungen zur Messdatenerfassung und –übertragung zu entwickeln

und zu verfizieren.

5.2. Sicherheitselement für knochenverankerte Exoprothesen

Die Fixierung von Gliedmaßenprothesen für Amputierte (Exoprothesen) am menschli-

chen Körper durch konventionelle Schafttechnologien weist aufgrund der unphysiologi-

schen Beanspruchung von Weichteilen und Haut inhärente Nachteile für den Patienten

auf. Innerhalb aktueller Forschungsprojekte wird die Entwicklung einer Methode zur di-

rekten, steifen Verankerung von Exoprothesen im Knochen geprüft. Diese perkutane

23

Verankerungstechnik wird bereits erfolgreich für bestimmte Indikationen, wie die Fixie-

rung von Epithesen in der Gesichtschirurgie, eingesetzt.

Mit der direkten Lasteinleitung von der Prothese in den Knochen sind Risiken einer

möglichen Überbeanspruchung des biologischen Gewebes gegeben, sofern unerwartete

Situationen wie z.B. Stürze des Patienten auftreten. Inhalt eines Forschungsprojektes

soll die Entwicklung eines Sicherheitselementes sein, welches Gefährdungen des

Patienten ausschließt. Ausgehend von einer grundlegenden Risikoanalyse ist ein Si-

cherheitskonzept zu erarbeiten. Dieses ordnet den erfassten Gefährdungen mögliche

Maßnahmen zur Risikoreduktion zu. Im Ergebnis entsteht eine gewichtete Listung der

Anforderungen an das Sicherheitselement, welche auch denkbare Funktionsintegratio-

nen wie beispielsweise die zusätzliche Erfüllung der Aufgaben eines Drehadapters oder

des Fixationselementes zwischen Implantat und Prothese berücksichtigt. Die Lösungs-

suche für die konstruktive Umsetzung erfolgt im Anschluß systematisch in Form einer

methodischen Vorgehensweise.

Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft FG Medizintechnik

(Entwicklung von Laborprüfverfahren zum Nachweis des therapeutischen Nutzens von

Hilfsmitteln, Servohydraulische Prüfstände für die Beanspruchungssimulation an Knie-

und Fußpassteilen, Prüfstände für Rollstühle, Ganganalyse)

Prof. Dr.-Ing. Dr. E.h. Herbert Reichl FG Technologien der Mikroperipherik

(Lebensdatenschreiber, mobile Sensoriksysteme)

6. Gebäudetechnik im Gesundheitswesen

Die Gebäudetechnik wird eine wesentliche Position im Gesundheitswesen einnehmen,

da bereits jetzt ca. 50% der Investitionskosten und mindestens 20% der Betriebskosten

auf die Gebäudetechnik in einem Krankenhaus entfallen. Auch der Schutz von Patienten

vor Infektionen während des Aufenthalts im Krankenhaus wird vor dem Hintergrund der

beabsichtigten Fallkostenpauschalierung erheblich an Bedeutung gewinnen. Zurzeit feh-

len im Bereich der Gebäudetechnik stringente Konzepte, die eine optimale Planung und

einen sicheren Betrieb von neuen oder sanierten Krankenhäusern erlauben. Berlin kann

durch Ihre Initiative auch im Bereich der Gebäudetechnik im Gesundheitswesen eine

führende Position in Deutschland und Europa einnehmen.

24

6.1. Vorarbeiten des Hermann-Rietschel-Instituts1

Das Hermann-Rietschel-Institut beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Aufgabenstellun-

gen aus dem Bereich der Anlagentechnik in Krankenhäusern. Wird bei einem Bau eines

Krankenhauses ein Operationsraum neu eingerichtet, muss die Zuluftdecke den Anfor-

derungen der DIN 4799 genügen. Viele andere Länder haben sich den strengen Anfor-

derungen der DIN-Norm angeschlossen und verlangen von Firmen, die ihre Produkte

einsetzen wollen, ein entsprechendes Prüfzeugnis. Mit dem in der Versuchshalle des

Hermann-Rietschel-Instituts aufgebauten Versuchsstand im Maßstab 1:1 können Prü-

fungen nach DIN 4799 durchgeführt werden. Im Bereich der Forschung wird an folgen-

den Themen gearbeitet:

Ablagerung von Keimen in turbulenten Strömungen,

Entwicklung von Verfahren zur numerischen Berechnung von Raumluftströmun-

gen,

Entwicklung von Methoden zur Visualisierung und Messungen von komplexen

Strömungsstrukturen,

Entwicklung eines neuen Abnahmeverfahrens für Gebäudetechnische Anlagen in

OP-Räumen,

Wirtschaftlichkeitsvergleich von RLT-Konzepten in OP-Abteilungen.

Die Initiative ist eine Stärkung der Berliner Kompetenz im Gesundheitswesen und der

Beitrag des Hermann-Rietschel-Instituts führt zu einer Intensivierung der Forschung und

Lehre im Bereich der Krankenhaustechnik. Die Arbeiten unterstützen die Ansiedlung von

Unternehmen, die sich mit innovativen Produkten für die Gebäudetechnik im Gesund-

heitswesen am Markt etablieren möchten.

6.2. Forschungsarbeiten im Bereich Ablagerung von Keimen in turbulenten Strömungen

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurde experimentell der Einfluss des Turbulenz-

grades bei einer laminaren und turbulenten Verdrängungsströmung auf die Ausbreitung

und Sedimentation von Aerosolen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass durch ein

1 In Zusammenarbeit mit Prof. Külpmann, TFH Berlin

25

geeignetes Konzept für die Belüftung von Operationsräumen das Infektionsrisiko durch

den Übertragungsweg Luft vermindert werden kann.

Dazu wurden zwei Versuchsanordnungen untersucht. In eine Strömung mit konstanter

Geschwindigkeit wurden punktförmig Aerosole (Partikel bzw. Mikroorganismen) einge-

bracht und die Ausbreitungsprofile bei verschiedenen Abständen und Turbulenzgraden

erfasst. Bei der zweiten Versuchsanordnung wurde eine Strömung mit gleichmäßiger

Geschwindigkeits- und Mikroorganismenverteilung erzeugt und die Absetzbewegungen

anhand der Anzahl sedimentierter Mikroorganismen bei unterschiedlichen Strömungszu-

ständen dokumentiert.

Die im ersten Teil durchgeführten Versuche zeigen, dass die Verteilung der Aerosole in

guter Näherung einer Gauß’schen Verteilung folgt und die auf konstante Quellstärken

bezogene Standardabweichung ein Maß für die Ausbreitung der Aerosole bei unter-

schiedlichen Strömungsparametern darstellt.

Bei der Ausbreitung der Aerosole ist zunächst bei einer Zunahme des Turbulenzgrades

eine deutliche Vergrößerung des Gebietes zu erkennen, in das die Aerosole gelangen.

Dabei besteht eine Proportionalität zwischen Turbulenzgrad und Standardabweichung

als Maß für die Ausbreitung. Eine Zunahme der Standardabweichung erfolgt ebenso

durch eine Vergrößerung des Abstandes zwischen Messebene und Emissionsort. Dabei

zeigt sich innerhalb des Bereiches von 0,2m/s bis 0,4m/s kein Einfluss der Luftge-

schwindigkeit. Ebenso spielt die Größe der Aerosole im untersuchten Bereich von 0,3µm

bis 2,0µm eine untergeordnete Rolle. Unter Berücksichtigung der Messergebnisse war

es möglich, eine empirische Gleichung zu ermitteln, mit deren Hilfe eine Bestimmung

des Konzentrationsfeldes bei einer punktförmigen Aerosolquelle in einer Verdrängungs-

strömung möglich ist.

Die im zweiten Teil durchgeführten Versuche zur Sedimentation von Mikroorganismen

haben generell gezeigt, dass auch bei einer laminaren Strömung eine Sedimentation von

Mikroorganismen stattfindet. Bei einer Abnahme des Turbulenzgrades kann die Anzahl

der sedimentierten Mikroorganismen reduziert werden. Eine Reduktion von Tu=20% auf

Tu=1% halbiert die Anzahl der abgesetzten Mikroorganismen.

Es zeigt sich, dass mit Hilfe einer Luftströmung mit niedrigen Turbulenzgraden die Kon-

ditionen im Operationsraum verbessert werden können. Zum einen kann das Ausbrei-

tungsgebiet von Verunreinigungen verkleinert werden und zum anderen wird die Anzahl

von Mikroorganismen, die sich auf einer Oberfläche absetzen, reduziert und somit das

Infektionsrisiko für den Patienten verringert.

Abschließend wurden die Ergebnisse aus den Experimenten in Zusammenhang mit ei-

nem ganzheitlichen Ansatz zur Lösung der Luftqualitätsprobleme in Krankenhäusern

gebracht. Der Ansatz beschreibt eine Koordination und Kommunikation zwischen den

26

unterschiedlichen Fachdisziplinen als integriertes Planungskonzept. Damit konnte die

Einordnung der Ergebnisse in einen größeren Kontext vorgenommen werden und zuletzt

ein Ausblick auf mögliche andere Anwendungsgebiete für die gewonnenen Erkenntnisse

erfolgen.

Prof. Dr.-Ing. Dirk Müller Fachgebiet: Heiz- und Raumlufttechnik, Hermann-Rietschel-Institut für Energietechnik

27

ZiG Arbeitsschwerpunkt „E-Health – Informations- und Kommunikations-

technologien im Gesundheitswesen“

Sprecher: Prof. Dr. rer. pol. Axel Mühlbacher

Gliederung A. Einleitung: Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnologien im Ge-

sundheitswesen

B. Problemstellung: Der Bedarf an Informations- und Kommunikationstechnologien

C. Forschungsfragen: Welche innovativen Anwendungsbereiche ergeben sich durch

den innovativen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien?

Auf welche Einsatzgebiete können sich die Aktivitäten in der F&E konzentrieren?

D. Status Quo und aktuelle Handlungsstrategien: Elektronische Gesundheitskarte

als wesentliche Voraussetzung für das Management von Versorgungsprozessen

a.) Die elektronische Patientenakte

b.) Funktionen und Hindernisse bei der Einführung der elektronischen Pa-

tientenakte

c.) Lösungsansätze für das Management von Versorgungsprozessen:

Wachstumstreiber für die elektronische Patientenakte

E. Zukünftige Forschungsstrategie des Arbeitsschwerpunktes E-Health

a.) Priorisierung der Forschungs- und Anwendungsgebiete

b.) Hindernisse für die Anwendung und die F&E

c.) Ausblick

Einleitung: Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnologien im Ge-sundheitswesen

Die Basisinnovation der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts sind die Informa-

tions- und Kommunikationstechnologien. Als Auslöser eines zukünftigen konjunkturellen

28

Aufschwungs – als nächste Basisinnovation – werden die Gesundheitstechnologien dis-

kutiert. Viele Experten gehen davon aus, dass das Gesundheitswesen durch eine hohe

Innovationsdynamik gekennzeichnet sein wird. Die Bedeutung digitalisierter Datenerfas-

sungs- und Kommunikationsprozesse wird bei der Gesundheitsversorgung zunehmen.

Bereits heute stehen Gesundheitstechnologien der Informations- und Kommunikations-

technik, so z.B. die elektronische Patientenakte, - Gesundheitspass oder das – Rezept,

bei der Reorganisation des deutschen Gesundheitswesens im Mittelpunkt.

Überträgt man die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologien, auf die Strukturen

der medizinisch-pflegerischen Dienstleistungserstellung, so zeichnen sich gravierende

Veränderungen ab. Informations-, Kommunikationsprozesse und letztendlich auch die

Dienstleistungen müssen in Hinblick auf diese Innovationen völlig neu überdacht und die

Potentiale ausgeschöpft werden. Abbildung 1 zeigt die möglichen Einsatzgebiete und

Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen.

Der Einsatz elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesund-

heitswesen muss mit einer umfangreichen Anpassung aller Schlüsselprozesse einher-

gehen.

E-HealthLeistung

Marktplatz für

Health-Professionals

Mar

ktpl

atz

für

Endv

erbr

auch

er

Entsc

heide

rkon

takte

Kundenbindungs-

systeme

Endv

erbr

auch

er-

kont

akte

MedicalKey

Intranet MedizinischeDatenbanken

Medizinische Fachliteratur

Communities(Chat, Foren,E-Mail, etc.)

Fortbildung

VirtuelleFachvorträge/Konferenzen

ElektronischePatientenakte

Durch-führung

Phase 3-4Studien

E-Care-Management

CaseManagement

OnlineBetreuung

Arztsuche(alle Leistungs-

anbieter)

Communities(Chat, Foren,E-Mail, etc.)

Domain ofspecialinterest

"ZweiteMeinung"Research

Patienten-information/Aufklärung

Internet

Handy

Call Center

+Internet Handy

Call CenterE-HealthLeistung

Marktplatz für

Health-Professionals

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Intranet MedizinischeDatenbanken

Medizinische Fachliteratur

Communities(Chat, Foren,E-Mail, etc.)

Fortbildung

VirtuelleFachvorträge/Konferenzen

ElektronischePatientenakte

Durch-führung

Phase 3-4Studien

E-Care-Management

CaseManagement

OnlineBetreuung

Arztsuche(alle Leistungs-

anbieter)

Communities(Chat, Foren,E-Mail, etc.)

Domain ofspecialinterest

"ZweiteMeinung"Research

Patienten-information/Aufklärung

Internet

Handy

Call Center

++Internet Handy

Call Center

Abbildung 1: Leistungsvielfalt E-Health2

2 Kacher, Wiest & Schumacher (2000)

29

Problemstellung: Der Bedarf an Informations- und Kommunikationstechnologien

Der Markt für die Informations- und Kommunikationstechnologien, die je nach Verwen-

dung unter dem Schlagwort E-Health zusammengefasst werden, ist bedeutend groß und

in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Verschiedene Initiativen auf Europa-,

Bundes- und Landesebene, aber auch eine Vielzahl regional begrenzter Projekte werden

durchgeführt.

Am 3. Mai 2002 sprachen sich das Bundesministerium für Gesundheit und die Verbände

auf Spitzenebene für einen verstärkten Einsatz neuer Medien im Gesundheitswesen

aus. Die Gesundheitsministerkonferenz vom Juni 2001 und 2002 erteilte den Auftrag an

die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Telematik eine nationale Strategie zu erarbeiten. Auf

europäischer Ebene wurde mit dem Aktionsplan „eEurope 2002 – eine Informationsge-

sellschaft für alle“ und „eEurope 2005“ eine europaweite Strategie zur Digitalisierung von

Datenerfassungs- und Kommunikationsprozessen festgelegt.

• Mit Strategien der Digitalisierung von Datenerfassungs- und Kommunikations-

strategien im Gesundheitswesen werden die folgenden Ziele verfolgt:3

• Verbesserung der Verfügbarkeit von Wissen über neue Diagnostik-, Therapie-

und Nachsorgeverfahren.

• Schnelle Aktualisierung des verfügbaren Wissens durch Patienten- und Gesund-

heitsinformationssysteme und evidenzbasierte Entscheidungsunterstützende

Systeme.

• Aktuelle Bereitstellung von individuellen Patientendaten durch transparente und

kommunizierbare Patientenakten und deren übergreifende Vernetzung durch Da-

tenbanken.

Die Gründe für das starke Interesse an dem Einsatz von Informations- und Kommunika-

tionstechnologien im Gesundheitswesen ist auf die angespannte finanzielle Lage zu-

rückzuführen. Politiker erhoffen sich von einem flächendeckenden Einsatz von E-Health-

Lösungen Einsparungen in einem so großen Umfang, dass langfristig das Gesundheits-

system in seiner jetzigen Form gesichert ist.

Die Notwendigkeit zur elektronischen Vernetzung von Leistungserbringern ergibt sich

aus dem Wunsch nach einer leistungsstellenübergreifenden Gesundheitsversorgung,

3 Vgl. Dietzel, G.T.W. (2004), S.3,4.

30

entsprechend dem Konzept der Integrierten Versorgung (§ 140 SGB V).4 Der Einführung

und praktischen Nutzung dieser innovativen Versorgungsform stehen jedoch erhebliche

Probleme gegenüber:5

• Fehlende Standards bereits existierender elektronischer Datenerfassungs- und

Kommunikationstechnologien.

• Unzureichende Vernetzung von ambulantem und stationärem Sektor bzw. der

Leistungserbringer insgesamt.

• Unzureichende Transparenz bei der Finanzierung und Investition.

• Unzureichende Transparenz bei Haftungs- und Datenschutzfragen.

• Mangelhafte Organisationsstrukturen für die Einführung effizienter Kommunikati-

onsprozesse.

Die prognostizierten Einsparungen gehen in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf

die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen, die Vermeidung von Wechselwirkungen

zwischen Arzneimitteln und grundsätzlich einer besseren Informationsgrundlage der be-

handelnden Ärzte und Pflegkräfte zurück. In der Folge soll neben Einsparungen eine

gesteigerte Behandlungsqualität erzielt werden.

Diagnose Therapie-einstellung

Therapiekontrolle

Reha-bilitation

PflegePrävention

Medizinische BehandlungTeilprozesse

der Versorgung

Probleme der

traditionellenGesundheits-versorgung

•Unzureichende Informationen über die Patientenkarriere (Diagnose und Therapie vorheriger und nachfolgender Leistungserbringer) durch die Schnittstellenproblemen im Behandlungsprozeß

•Mangelnde Informationen über Krank-heiten/ Risiko-faktoren•Spätes Erken-nen von Krankheiten

•Geringe aktive Einbindung der Versicherten in die Prozesse der Gesundheitsversorgung und dadurch fehlende Motivation der Patienten zur aktiven Mitarbeit im Gesundungsprozeß

•Unzureichende Informationen über die Leistungs- und Servicequalität, alternative Versorgungsformen und Kosten der Behandlung

•Doppel-untersuch-ungen•Überflüs-sige oder falsch-positive Diagnosen

•Supoptim-ale Thera-pieformen•Mangel-hafteCompliance

•Geringe Entscheidungsunterstützung der Leistungsanbieter bei der Durchführung der Prävention, Stellung der Diagnose und Auswahl der Therapie- und Rehabilitationsverfahren

•Erreich-barkeit u. Zeitaufwand•Aufklärung, Information u. Motivation der Patienten

• Einbindung in die medizinisch-therapeutischen Prozesse der Versorgung

•Motivations-probleme•Mangelnde Selbsthilfe

Abbildung 2 : Mängel der traditionellen Gesundheitsversorgung6

4 Vgl. Mühlbacher, A. (2002). 5 Vgl. Dietzel, G.T.W. (2004), S.4. 6 Vgl. Mühlbacher (2001).

31

Die Diagnose und Behandlung einer Krankheit ist ein an sich zusammenhängender Pro-

zess, der aber durch Informationsbrüche und Redundanzen bei der Leistungserbringung

oder zwischen den Institutionen unterbrochen wird. Es entstehen dabei Wirkungsverluste

von bereits vorgenommenen Therapien, da eine optimale Behandlungskontinuität ver-

hindert wird.7 Die Abbildung veranschaulicht die Mängel der traditionellen Gesundheits-

versorgung.

Eine wesentliche Quelle von Qualitätsverlusten bei der Patientenbehandlung ist das

Fehlen notwendiger Informationen zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung bei der Pa-

tientenbehandlung.8 Um diesen Problemen zu begegnen ist es notwendig, den Über-

gang von einer funktional organisierten und in unterschiedliche Sektoren unterteilten

Krankenversorgung hin zu einer patientenorientierten Krankenversorgung zu schaffen.9

Der Einsatz neuer Technologien erfolgt mit dem Ziel, den vorhandenen Informations-

und Kommunikationsbedarf zu decken, damit soll ein mehr an Transparenz, Qualität und

Wirtschaftlichkeit gewährleistet werden. Ein wesentlicher Aspekt, der mit der Einführung

der Gesundheitskarte verfolgt wird, ist die Stärkung der Patientenautonomie. Die Patien-

ten erhalten mit der elektronischen Gesundheitskarte einen besseren Überblick über die

erbrachten Leistungen und deren Kosten. Hierdurch soll die Eigenverantwortung, Mitwir-

kungsbereitschaft und -initiative der Patienten gefördert werden.10

Den zahlreichen Pressemeldungen zur Folge, soll die Einführung eines freiwilligen elekt-

ronischen Gesundheitspasses noch im Jahr 2006 erfolgen. Durch den elektronischen

Gesundheitspass, der in Zukunft auch Behandlungs- und Diagnosedaten enthalten

könnte, sollen Doppeluntersuchungen und Fehlbehandlungen vermieden werden. Die

hiermit einhergehenden Qualitäts- und Effizienzsteigerungen könnten bei einer sachge-

rechten Einführung in enormen Einsparungen resultieren.11

Forschungsfragen: Welche innovativen Anwendungsbereiche ergeben sich durch den innovativen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien? Auf welche Einsatzgebiete können sich die Aktivitäten in der F&E konzentrieren? 7 Vgl. Mühlbacher, A., Wiest, A., Schumacher, N., 2001, S. 213. 8 Vgl. Szathmary, B., 1999, S. 69. 9 Vgl. Henke, K.-D., 1997, S. 486. 10 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, 2003.: http://www.bmgesundheit.de/bmg-frames/

index.htm. 11 Vgl. Handelsblatt, 07.01.2003; Roland Berger & Partner, 1997; Lauterbach, K., Lindlar, M, 1999; Baur,

A. et al., 2001.

32

E-Health hat zum Ziel, die Akteure im Gesundheitswesen digital zu vernetzen oder die

Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten für individuelle Gesundheitsfragen zu

nutzen – dieses kann als die elektronische Unterstützung der Prozessabläufe im Sinne

eines global vernetzten Denkens zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung interpre-

tiert werden.12

E-Health

ComputerApplicationContent ConnectivityCommerce Care

(Telemedicine)

D2DDoc to Doc

Teleconsultation

Teleeducation

Telediagnostic

Teletherapy

Telemonitoring

D2PDoc to Patient

Einkaufs-plattformen

Online-Apotheken

Übermittlung von Abrechnungsdaten

Patienten, Ärzte, Apotheken,

Krankenhäuser werden über das Internet

vernetzt

Medizinische Informations-datenbanken

Ärzte-, Apotheken-und Krankenhaus-

verzeichnisse

ApplicationenermöglichenUnternehmenContent undCommerceanzubieten

…………

Abbildung 3: Die 5 Säulen des e-Health13

Für die Anwendungsbereiche elektronischer Medien zur Optimierung der Prozesse im

Gesundheitswesen lassen sich fünf Leistungsbereiche unterscheiden:14

• Content: Das Internet bietet den Patienten bzw. Versicherten die Möglichkeit,

sich relevante Gesundheitsinformationen zu beschaffen. Diese geben ihnen die

Möglichkeit, die sie betreffenden Prozesse mitzubestimmen bzw. als informierter

Patient Einfluss zu nehmen.

• Commerce: Durch die Vernetzung aller Beteiligten, vom Lieferanten über die Ärz-

te, den Versicherern bis zum Konsumenten erfolgt bei internen Abläufen eine Op-

timierung der Geschäftsprozesse. E-Health wird hier als das e-Business des Ge-

sundheitswesens verstanden.

12 Vgl. Jähn K. (2004), S. VII. 13 Quelle: Mühlbacher A., Berhanu S. (2003). 14 Vgl. Kacher, C., Wiest, A., Schumacher, N., 2000; Savas, S.D., Parekh, M., Fisher, L., 1999, S. 3.

33

• Connectivity: Neue Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen

die Vernetzung der Beteiligten, um den Informationsaustausch effizienter zu ges-

talten. Das Internet, Intranet und Extranet bilden hierbei die entsprechenden Ü-

bertragungsmedien.

• Computer-Application: Hiermit ist die Bereitstellung von Technologien und Soft-

ware für die Kommunikation und den Informationsaustausch innerhalb der medi-

zinischen Betreuung und Versorgung gemeint.

• Care: Die Kommunikation und der Datenaustausch der Leistungserbringer unter-

einander sowie zwischen Leistungserbringer und Patient verbessern die Versor-

gungsprozesse. Die zunehmende Spezialisierung der Medizin verlangt immer

häufiger einen Zugang zu Expertenwissen. Diese bilden eine wichtige Unterstüt-

zung des behandelnden Arztes bei der Diagnose und Therapie. Informations-

und Kommunikationstechnologien ermöglichen den Ärzten Kommunikationsmög-

lichkeiten die weit über ein einfaches Telefongespräch hinausgehen. Als exem-

plarisches Instrument soll hier die Telekonsultation genannt werden. Sie ist die

„interaktive, kooperative Diagnostik unter Zuhilfenahme des Expertenwissens ei-

nes räumlich getrennten Experten per Videokonferenz (Bild- und Tondaten: Tele-

konferenz), um Diagnose und Therapieplanung zu optimieren.“15

Status Quo und aktuelle Handlungsstrategien: Elektronische Gesundheitskarte als wesentliche Voraussetzung für das Management von Versorgungsprozessen

a.) Die elektronische Patientenakte

Bei der elektronischen Gesundheitskarte sowie beim elektronischen Gesundheitspass

handelt es sich um eine technologische und funktionale Weiterentwicklung der heutigen

Krankenversicherungskarte. Während die Gesundheitskarte, aufgrund geringerer Spei-

cherkapazität, weniger Daten speichern kann, handelt es sich beim Gesundheitspass um

ein elektronisches Medium (Smart-Card), das sowohl wichtige Routine-Daten (Allergien,

Impfstatus, verordnete Medikamente, durchgeführte Operationen, etc.), aber auch viel

Speicherplatz in Anspruch nehmenden Bilddateien speichern kann. Jede der beiden

Alternativen ermöglicht einen Lösungsansatz zum Aufbau einer elektronischen Patien-

tenakte.

15 Vgl. Roland Berger & Partner 1997, S. 57.

34

Experten stellen einheitlich fest, dass im Gesundheitswesen die elektronische Kommuni-

kation und Datenerfassung auf Basis einer einheitlichen Technologieplattform erfolgen

sollte.

Qualitäts-sicherung

Abrechnung undErstattung

Versorgung

Gesundheits-berichterstattung

Information-, Fort- undWeiterbildung

Planung undEntscheidungsfindung

Gesundheitsplattform

PatientenHaushalte

Leistungserbringer

• Krankenhäuser• Praxen• Labors• Apotheken• Notfalldienste• Sonstige

Gesundheitsverwaltung

• Krankenkassen• Rentenversicherungen• Kassenärztliche

Vereinigungen• Krankenhausgesellschaften• Ärztekammern• Apothekerkammern• Ministerien• Sonstige

Anbieter

von Diensten, Informationen,Netzen, usw.

Abbildung 4: Die Gesundheitsplattform – Teilnehmer und Funktionen16

Zukünftig soll die derzeit vorliegende Krankenversichertenkarte zusätzlich als Gesund-

heitskarte für die Versicherten auf freiwilliger Basis angeboten werden. Die Gesund-

heitskarte wird den europäischen Notfalldatensatz des Patienten, seine persönliche I-

dentifikation und Authentifizierung sowie Verweisfunktionen auf Gesundheitsdaten des

Patienten enthalten. Im Rahmen der Gesundheitskarte sollte als Einstieg in die elektro-

nische Patientenakte das elektronische Rezept, der elektronische Arztbrief und die Arz-

neimitteldokumentation auf der Grundlage einer geeigneten Informations-, Kommunikati-

ons- und Sicherheitsinfrastruktur eingeführt werden. Das Ziel der elektronischen Ge-

sundheitskarte ist es, Informationen besser verfügbar zu machen und Kommunikations-

prozesse innerhalb der Versorgungsprozesse zu erleichtern.

16 Quelle: Roland Berger & Partner, 1997, S. 15.

35

b.) Funktionen und Hindernisse bei der Einführung der elektronischen Patienten-akte

Bei der elektronischen Patientenakte (EPA) handelt es sich damit um ein Instrument zur

einrichtungsübergreifenden elektronischen bzw. digitalen Behandlungsdokumentationen.

Sie bildet ein Medium, bei dem Daten in strukturierter Form gesammelt und gespeichert

werden, so dass diese für die medizinische Versorgung aber auch für analytische Zwe-

cke verwendet werden können.17 Die Gesundheitskarte soll diese Funktionalität über

Verweisfunktionen auf Patientendaten, die sich auf Servern befinden, gewährleisten. Die

gegenwärtig in der Diskussion stehenden Funktionen der Gesundheitskarte zeigt folgen-

de Auflistung:18

• Dokumentation der eingenommenen Arzneimittel,

• Notfallinformationen (z. Bsp.: Blutgruppe, chronische Organleiden, Allergien,

Herzkrankheit, Dialyse, Asthma),

• Zusätzliche Gesundheitsinformationen (z. Bsp.: aktuelle Diagnosen, Operationen,

Impfungen und Röntgenuntersuchungen),

• Möglichkeit zur papierlosen Übertragung eines Rezepts,

• Möglichkeit zur Aufnahme von elektronischen Mitteilungen,

• Versicherungsangaben (Angaben der bisherigen Krankenversichertenkarte, An-

gaben zum Zuzahlungsstatus sowie die Berechtigung, im europäischen Ausland

behandelt zu werden).

Die Vorteile einer elektronischen Lösung, sei es über die Gesundheitskarte oder dem

Gesundheitspass, werden in der Fachliteratur hinreichend beschrieben. Sie soll u.a. die

„Information eines neu behandelnden Arztes erleichtern (Inanspruchnahme von Fachärz-

ten, Wohnortwechsel, Praxiswechsel etc.), einen schnelleren Überblick über den Ge-

sundheitsstatus des Patienten ermöglichen (z.B. in Notfallsituationen), sowie eine Ver-

besserung der Qualität der medizinischen Behandlung, Verbesserung der Arzneimittelsi-

cherheit, weniger Neben- und Wechselwirkungen bewirken.“19

Nichtsdestotrotz ist zu bemerken, dass das erreichen der oben genannten Vorteile, so-

wie einer antizipierten „sinnvollen“ Integration aller im Gesundheitsprozess beteiligten

17 Vgl. Roland Berger & Partner, 1997, S.36. 18 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, 2003.: http://www.bmgesundheit.de/bmg-frames/

index.htm. 19 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, 2003.: http://www.bmgesundheit.de/bmg-frames/

index.htm.

36

Parteien, mit einer Kartenlösung nicht vollständig gewährleistet werden kann. Nachfol-

gend werden Probleme einer Kartenlösung aufgezeigt:

• Eine Gefahr birgt der Verlust der Karte. Erfolgt keine zusätzliche vollständige Da-

tensicherung so sind mit der Karte auch sämtliche Patientendaten verloren.20

• Soll der Patient Zugriff auf seine Daten erhalten und somit eine Stärkung der Ei-

genverantwortung erlangen, benötigt er ein entsprechendes Kartenlesegerät.

• Bei der Gesundheitspass-Lösung (Smart-Card), die u.a. auch Bilddateien spei-

chern soll, müssten sämtliche Kartenlesegeräte umgerüstet bzw. ausgetauscht

werden.

c. Lösungsansätze für das Management von Versorgungsprozessen: Wachstums-treiber für die elektronische Patientenakte

Die Veröffentlichungen zum Thema Informations- und Kommunikationstechnologien im

Gesundheitswesen kommen einhellig zu dem Schluss, dass der Einsatz von elektroni-

schen Medien Effizienz- und Qualitätssteigerungen mit sich bringen.21 Die Bereitstellung

und die Verfügbarkeit von Informationen – zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort –

unterstützen die Entscheidungsfindung der Leistungserbringer und optimieren somit die

Gesundheitsversorgung. Ohne eine entsprechende organisatorische aber auch finanziel-

le Ausgestaltung der Informations- und Versorgungsprozesse können jedoch die zu er-

wartenden Effizienz- und Qualitätssteigerungen nicht vollständig realisiert werden. Es

muss daher, neben der Konzeption eines elektronischen Mediums zur einrichtungsüber-

greifenden Behandlungsdokumentation, ein entsprechendes organisatorisches Konzept

entwickelt werden, dass eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung ermöglicht.

In der Industrie- und Dienstleistungsbranche führte der Einsatz von Informations- und

Kommunikationstechnologien zu einer zunehmenden Transparenz des Wettbewerbs und

damit zu einem wachsenden Risiko, dass Kunden den Anbieter wechseln. Die Kunden

sind besser informiert, werden daher kritischer und zeigen eine nachlassende Marken-

treue.22 Um dies zu verhindern, werden Unternehmen zur gezielten und individuelleren

Ansprache und Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten gezwungen. Mit dem Customer

Relationship Management Konzept (CRM) - Kundenbeziehungsmanagement - wird den

Unternehmen ein Instrument zur Verfügung gestellt, dass ihnen eine kundenorientierte

20 Vgl. Holstein, J., Grönemeyer, D.H.W., 2000, S. 229. 21 Siehe z.B. Roland Berger & Partner, 1997; Lauterbach, K., Lindlar, M, 1999; Baur, A. et al., 2001. 22 Vgl. Cap Gemini Ernest & Young, 2001, S. 6.

37

Betreuung ermöglichen soll. CRM steht für eine veränderte Form der Kundenansprache

unter völlig neuen technologischen Gegebenheiten. Durch den Einsatz moderner Infor-

mations- und Kommunikationstechnologien verfolgt CRM auf lange Sicht profitable Kun-

denbeziehungen durch ganzheitliche und differenzierte Marketing-, Vertriebs- und Servi-

cekonzepte aufzubauen und zu festigen.23

23 Vgl. Hippner, H., Wilde, K.-D., 2001, S. 6.

38

CRM orientierteVersorgung

Bilder

Zahlen

Text

Prozessportal (EPA)

Informations- und Telekommunikationstechnologien

Praxissysteme

Laborsysteme

PACS

TöneKIS

Patientenprozess

Biosignale (EKG)

Krankheit

Evaluation

Behandlung

Nachsorge

Information

Callcenter

Arznei-, Heil-und Hilfsmittel

Sektor

ambulante Versorgung

Versicherung

stationäreVersorgung

Abbildung 5: Die elektronische Patientenakte als Prozessportal24

Es stellt sich die Frage, inwiefern die Idee und die Instrumente des Customer Relations-

hip Managements auf das Gesundheitswesen übertragen werden können, um die Chan-

cen und Möglichkeiten, die sich für das Gesundheitswesen aus den Informations- und

Kommunikationstechnologien ergeben, optimal nutzen zu können.25 Die Weiterentwick-

lung dieses methodischen Instrumentariums zu einem patientenbezogenen Lösungsan-

satz für die elektronische Patientenakte (Patient Relationship Management) erscheint

sinnvoll.

Zukünftige Forschungsstrategie des Arbeitsschwerpunktes E-Health

a.) Priorisierung der Forschungs- und Anwendungsgebiete

E-Health-Lösungen lassen sich nach ihrer Priorität aus gesamtwirtschaftlicher Sicht und

den zu erwartenden Einspareffekten priorisieren. Eine geringe Priorität weisen demnach 24 Quelle: Mühlbacher, A, Berhanu, S., 2003. 25 Siehe hierzu Mühlbacher, A, Berhanu, S., 2003.

39

Informationsportale, Wissensdatenbanken sowie computer-basierte Lernhilfen für Pati-

enten und Mitarbeiter des Gesundheitswesens auf. Im Mittelpunkt solcher Anwendun-

gen, die bereits in vielfältiger Form zugänglich sind, stehen die Informationsbeschaffung,

der Informationsaustausch sowie die Wissensvermittlung. Das Internet und private PCs

stellen in diesem Zusammenhang geeignete Plattformen dar. Eine besondere Plattform

mit Zugangsregeln und hohen Sicherheitsanforderungen ist darüber hinaus nicht erfor-

derlich.

Telemedizinische Anwendungen wie Telepathologie, Telemonitoring, Teleradiologie oder

Robotik, die unmittelbar die Behandlung der Patienten betreffen, werden mit einer mittle-

ren Priorität eingestuft. Auch in diesem Bereich gibt es verschiedene Projekte, die auf

Initiative von Leistungserbringern, wie zum Beispiel die Befundung von Gewebeproben

durch einen externen Pathologen während einer OP in einem Krankenhaus, durchge-

führt werden. Im Gegensatz zu den Anwendungen mit geringer Priorität müssen für te-

lemedizinische Anwendungen aufgrund der Anforderungen an die Datenqualität und -

sicherheit spezielle Netzlösungen geschaffen werden. Es gilt zudem, Schnittstellen zwi-

schen den unterschiedlichen Systemen der Beteiligten zu schaffen, die einen Datenaus-

tausch ermöglichen.

Schließlich gilt der Aufbau einer geeigneten Infrastruktur bestehend aus einer Plattform,

elektronischen Ausweisen für Patienten und Mitarbeiter des Gesundheitswesens als

höchste Prioritätsstufe, da hierdurch die Basis für weitere Anwendungen gelegt wird. Um

die prognostizierten Einsparpotenziale realisieren zu können, ist es entscheidend, dass

eine Plattform für das gesamte Gesundheitswesen entwickelt wird, die unabhängig von

der Arztwahl, dem Wohnort oder der Krankenkassenwahl einheitlich besteht. Falls dies

nicht gelingt, besteht die Gefahr, dass aufgrund abweichender Standards die Nutzung

verschiedener Plattformen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich

sein wird.

Der Einsatz der Telematikplattform für die ersten Anwendungen wird in den nächsten

drei Jahren für möglich gehalten. Danach soll ein sukzessiver Ausbau erfolgen. Vor dem

Hintergrund der inzwischen mehrfach verschobenen Einführung der Gesundheitskarte

und des elektronischen Rezepts und den hohen Anforderungen an die Kompatibilität

dieser Plattform scheint die zeitliche Einschätzung optimistisch.

Das elektronische Rezept, das bereits in diesem Jahr flächendeckend geplant war, wird

derzeit in einem auf Flensburg begrenzten Projekt zur Entwicklung der elektronischen

Gesundheitskarte erprobt.

40

b.) Hindernisse für die Anwendung und die F&E

Die hohen Einsparungen, die durch den Einsatz von Informations- und Kommunikations-

technologien zu erwarten sind, scheitern unter anderem an den rechtlichen Rahmenbe-

dingungen. Insbesondere offene Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit

sowie unklare Haftungsregelungen bei telemedizinischen Anwendungen behindern eine

Umsetzung. Darüber hinaus führen zum einen die mangelnde IT-Ausstattung bei den

Akteuren im Gesundheitswesen und zum anderen die vielfältigen Insellösungen und ihre

fehlende Kompatibilität untereinander dazu, dass E-Health-Lösungen mit sehr hohen

Investitionskosten verbunden sind. Die Vergütungen der Leistungserbringer sehen bis-

her keine gesonderten Tarife oder Fördermöglichkeiten derartiger Projekte vor, sodass

bei den hohen Investitionskosten nicht einmal eine Refinanzierungsmöglichkeit besteht.

Letztlich stehen bei der Frage nach dem Zugang und der Verwaltung der Plattform und

damit zu den Daten Partikularinteressen und Machtfragen im Vordergrund, die zu weite-

ren zeitlichen Verzögerungen führen.

Neben diesen systembezogenen Barrieren des E-Health, besitzen jedoch auch adopti-

onsbezogene Barrieren für den Erfolg spezifischer E-Health Anwendungen eine große

Bedeutung. Daher muss ein besonderes Augenmerk auf die Rolle der Kunden – Patien-

ten, Ärzte und Krankenkassen – im Innovationsprozess gelegt werden. Unter Einbezug

dieser Interessengruppen sollen die besonderen Anforderungen an inner- und außerbe-

triebliche Innovationssysteme im Rahmen des E-Health abgeleitet werden. Zentrale Fra-

gestellungen dabei betreffen die Interdependenzen und Unterschiede der Wahrnehmung

innovativer Gesundheitsdienstleistungen im Beziehungsdreieck Patient, Arzt, Kranken-

kasse sowie die Möglichkeiten und Erfolgsfaktoren der Integration dieser Kunden in me-

dizinische und medizintechnische Innovationsprozesse. Einher gehen die Fragestellun-

gen mit der Innovationsförderung in Krankenhäusern und medizinischen Zentren. Es ist

weiterhin notwendig, diese Aspekte in einem umfassenden Verständnis von Geschäfts-

modellen innovativer medizinischer Dienstleistungen zu berücksichtigen, denn gerade

Geschäftsmodelle innovativer Dienstleistungen, die sich erheblichen Barrieren gegen-

über sehen, müssen dynamische, die Entwicklung und Diffusion betreffende, Komponen-

ten beinhalten.

c.) Ausblick

In den benachbarten Ländern finden ebenfalls Überlegungen und Projekte zum

Aufbau einer geeigneten Plattform für E-Health-Lösungen statt. Gleichzeitig wird

vor dem Hintergrund einer zunehmenden Europäisierung der Gesundheitssyste-

41

me bereits von einer europäischen Gesundheitskarte als Vision gesprochen. Die

angesprochenen Hindernisse in Deutschland, die in ähnlicher Form in allen ande-

ren Ländern gleichermaßen existieren und sich durch unterschiedliche Infrastruk-

turen der einzelnen Länder noch verstärken werden, lassen diese Vision nur

langfristig realisierbar erscheinen.

42

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Digital Process Control in Health Care (Digitales Krankenhaus)“ und ergänzende

Beiträge Sprecher: Prof. Dr. med. habil. Wolfgang Friesdorf

1. Situation/Problem im Gesundheitswesen

Wesentliche Grundlagen medizinischer Höchstleistung sind die fachliche Spezialisierung

und die Bildung spezialisierter medizinischer Abteilungen (z.B. Zentren, Op, Intensivsta-

tion, Ambulatorium, Polyklinik usw.). Diese hochgradige, fachlich und organisatorisch

begründete Fragmentierung hat dazu geführt, dass i.d.R. zahlreiche Struktureinheiten in

eine Patientenbehandlung eingebunden sind. Dies erfolgt seriell (z.B. Hausarzt > Fach-

arzt > Chirurgische Aufnahmestation > Operationssaal > Intensivstation usw.) und paral-

lel (z.B. intraoperativ: Chirurgie, Anästhesie, Radiologie, Pflege) mit einem hohem An-

spruch an die Kommunikation innerhalb und zwischen den Behandlungseinheiten.

Neben der Planung und Steuerung der Patientenbehandlung sind die notwendigen

Strukturen (Krankenhaus, Kliniken, Zentren, OP usw.) wirtschaftlich zu führen und die

veränderten Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Dies wirf Fragen der Logistik,

Personal-, Geräte- und Raumplanung auf.

Obwohl die Erfassung, Bewertung, Generierung, Dokumentation und Weitergabe von

Information der Schlüssel zu Qualität und Effizienz ist, finden im Krankenhaus EDV-

Systeme nur in einem vergleichsweise geringen Umfang Einsatz. Hierbei liegt das Prob-

lem nicht in der digitalen Datenerzeugung (Bildgebende Verfahren, Patienten-Monitoring,

Therapiegeräte, Laborgeräte usw.). Das Problem liegt v.a. in der Integration, zweckori-

entierten Aufarbeitung, Präsentation und Kommunikation. (Wenn der Einsatz umfangrei-

cher wäre, käme die Datensicherheit – Verlust und Zugriff – hinzu).

2. Ziele des Arbeitsschwerpunktes

Zentrale Fragestellung ist:

Wer braucht wann in welcher Form welche Information?

Die Beantwortung dieser Frage wirft folgende Teilfragen auf

43

• Welche Aufgaben sind im Einzelnen zu erfüllen?

• Wie wird eine Aufgabe erfüllt (Gliederung in Prozesse)?

• Wie lassen sich die Prozesse (der Aufgabenerfüllung) durch EDV unterstützen?

• Wie lässt sich die Unterstützung bewerten (Qualität und Effizienz)?

• Welche Daten stehen in welcher Form zur Verfügung?

• Welche digitalen Daten fehlen?

• Wie müssen die Daten aufgearbeitet werden?

• Wie muss die Kommunikation zwischen EDV-Systemen erfolgen?

• Wie muss die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen und

der EDV erfolgen?

• In welchen Schritten soll die Entwicklung und Implementation erfolgen?

Alle Teilfragen erfordern eine interdisziplinäre Bearbeitung, die das ZiG in enger Zu-

sammenarbeit mit Kliniken leisten kann.

3. Gliederung der Kompetenzen im Forschungsschwerpunkt

(1) Patientenmanagement

a. Prozesse

i. Arbeitsabläufe

ii. Prozessnavigation

iii. Betriebsabläufe

iv. Prozess-Steuerung

v. Planungstechnik

b. Kooperation & Kommunikation

i. Soziotechnisches System

ii. Patientensicherheit

iii. Anlagen- und Sicherheitstechnik

c. Patientendaten

i. Patienten-Trajekt

ii. Monitoring-Daten

iii. Therapie-Daten

(2) Betriebsmanagement

i. Logistik

ii. Strategisches Management

iii. Qualitätsmanagement

44

iv. Changemanagement

v. Raummanagement

(3) Finanzmanagement

i. Finanzierung & Vergütung

(4) Computing

a. Modellierung

i. Metamodellierung

ii. Modelle, distributed patient record

b. Verarbeitung

i. Softwaretechnik

ii. Agententechnologie

c. Darstellung

i. Computer-Graphics

ii. Computer Vision, Remote Sensing

d. Human-Computer-Interaction

i. Ergonomie

ii. Kognitionspsychologie

iii. HCI

iv. Kommunikationswissenschaft

(5) Testing & Certification

i. Usability

ii. Zertifikation

(6) Teaching & Training

i. Organisation & Personalwesen

45

4. Methoden

Die Fachgebiete bringen neben den allgemeinen disziplinären Methoden spezifische

Methodenkompetenz ein. Zu nennen sind insbesondere:

• PROMEDICS (Prozessoptimierte Medizintechnik in klinischen Systemen). Methode

für das Usability Engineering in Health Care (Backhaus). {Friesdorf}

• TaPTa (Task-Process-Task-Method). Methode zur rekursiven hierarchischen Analy-

se und Strukturierung von komplexen klinischen Arbeitsaufgaben. {Friesdorf}

• TOPICS (Together Optimizing Processes In Clinical Systems). Methode zur partizi-

pativen Analyse und Gestaltung komplexer klinischer Arbeitsabläufe (Marsolek). {Fri-

esdorf}

• Risk-Analysis in Health Care (Clinical FMEA, FTA) {Friesdorf}

• See-Through Head-Mounted Displays in Liver Surgery {Hellwich}

• Laser Scanning of Body Parts {Hellwich}

• Recognition of Proteins in Microscopic Imagery {Hellwich}

• Object Extraction from MRI Data {Hellwich}

• Constraint-Technologie (konsistente Lösungen bei konfligierenden Zielen) {Geske}

und weitere…

46

5. Projekte

5.1 Forschung und Entwicklung

5.1.1 Eingereichter Vorantrag Sonderforschungsbereich DFG

Im Dezember 2004 reichen wir gemeinsam mit Klinikern der Charité bei der DFG einen

Vorantrag zur Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs an der TUB ein:

„Balancierte Sicherheit in komplexen soziotechnischen Arbeitssystemen am Bei-

spiel schwerstverletzter Patienten“

Vom ZiG sind 12 Fachgebiete beteiligt. Am Beispiel des polytraumatisierten Patienten

soll die Behandlungskette von der Unfallstelle über das Rettungswesen, die Notaufnah-

me, Operation, Intensivstation, Nachbehandlung bis zum Home Care analysiert und mo-

delliert werden. Wie lässt sich Systemsicherheit gewährleisten unter Berücksichtigung

der Technik, der Mitarbeiter und der Organisation. Der digitalen Navigation der Arbeits-

prozesse und die strategische Steuerung von Ressourcen und benötigter Information

spielt eine zentrale Rolle.

Abb. x: Rettungskette Polytrauma (Kaisers, Charité) {Friesdorf}

5.1.2 Weitere disziplinübergreifende Forschungsthemen könnten beispielsweise sein:

Arbeitsplatz

• Digitale und physikalische Integrations- und Evolutionskonzepte von Arbeitsplätzen

auf Grundlage eines Modulsystems für Anästhesie, Chirurgie, Herzkatheter, Inten-

sivbehandlung, Home-Care-Behandlung usw.

• Navigationskonzepte für die Unterstützung manueller Behandlung

• HCI-Konzepte für integrierte Arbeitsplätze (multimodale Interaktion, Informationsse-

lektion, -kompression; intelligente Dialoge usw.)

• Geräteübergreifende Behandlungssysteme (Closed-Loops, Synergiekonzepte) unter

besonderer Berücksichtigung der Sicherheit heterogener Systeme.

47

Struktureinheit

• Digitale und physikalische Integrations- und Evolutionskonzepte (s. Arbeitsplatz) für

OPs, Intensivstationen, Behandlungszentren usw. (inkl. Betriebsmanagement); Pro-

zess-Navigation

• Digitales Kommunikationskonzept mit besonderer Berücksichtigung der Sicherheit

(Wireless LAN, PDAs, Handys, IR, US usw)

• Sichere Medikamentenapplikation (Vermeiden von Verwechslung, Fehldosierung,

Interaktion, Nebenwirkung usw.)

Patientenbehandlung

• Digitales Informations- und Kommunikationskonzept für den Patienten / die Angehö-

rigen mit Personen und Strukturen während aller Phasen der Behandlung (Erheben

der Anamnese, Scheduling für Diagnostik, Info über den Eingriff usw)

• Modellierung und Repräsentation von chirurgischen Workflows als Basis zur Ent-

wicklung eines PACS im OP {Lemke}

• Fallbasiertes Entwickeln von Behandlungsstandards (Clinical Pathways, Standard

Operating Procedures); Steuerung/Navigation der Behandlung (Diagnose, Therapie,

Monitoring); Process-Monitoring; {Jähnichen, Geske, Friesdorf}

Abb.: Gliederung in standardisierte und navigierte Behandlung {Friesdorf}

• Entwicklung und Implementierung von Kompetenznetzen

StandardClinical Pathways

NavigatedClinical Pathways

StandardTreatment Modules

NavigatedTreatment Modules

StandardOperating Procedures

Standardeingriff Akutmedizin

Non-StandardOperating Procedures

Makroebene

Mesoebene

Mikroebene

48

Implementation neuer digitaler Technologien im Krankenhaus

• Implementierung {Gemünden}

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Eine systematische Ergänzung erscheint nur

unter Berücksichtigung möglicher Geldgeber sinnvoll. Alle Themen lassen sich durch

eine internationale Dimension ergänzen (z.B. Anforderungen an den chinesischen

Markt). Schwerpunkt der ZiG-Projekte sollten solche sein, die eine disziplinüber-

greifende Zusammenarbeit erfordern.

5.2 Potenzielle Auftraggeber/Geldgeber

• DFG, BMBF, BMG, EU, Stiftungen u.a.

• Hersteller von Medizintechnischen Geräte und I&K-Technologie

Für Konzerne steht die Entwicklung umfassender Systeme für den internationalen Markt

zunehmend im Vordergrund.

Für die vielen kleinen medizintechnischen Hersteller ist die Systemfähigkeit wichtig.

Die Medica 2004 hat auf ihrer Aussteller-Liste mehr als 4.000 Einträge.

Der ZiG-Arbeitsschwerpunkt kann von der übergreifenden prä-kompetitiven Systemkon-

zeptentwickelung bis hin zum systemfähigen Einzelgerät kompetenter Partner der In-

dustrie sein. Das Spektrum der ZiG-Partner ermöglicht die Unterstützung des gesamten

Entwicklungsprozesses: Anforderungskatalog, prototypische Entwicklung, Simulation,

Usability-Test, klinischer Test, Markteinführung, Krankenhaus-Implementation, Evaluati-

on, Schulung u.a.

Krankenhäuser

Die Krankenhäuser sind durch das neue Vergütungssystem gezwungen ihre Prozesse

hinsichtlich Effizienz und Qualität zu optimieren. Das ZiG kann hierfür Beratung anbie-

ten. Umfangreiche Erfahrung besteht durch die HCMB e.G (s.u.).

49

Verbände und andere Strukturen des Gesundheitswesens (z.B. BVMed, Kranken-kassen)

6. ZiG – Partner im Arbeitsschwerpunkt „Digital Process Control in Health Care“ ( Digitales Krankenhaus )

A) Sprecher

Friesdorf W., Prof., Dr. med. FG Arbeitswissenschaft und Produktergonomie

B) Netzwerk

Albayrak S., Prof., Dr.-Ing. Agententechnologie in betrieblichen Anwen-

dungen

Boenick U., Prof., Dr.-Ing. BerlinCert, Prüf-, Zertifizierstelle Med.-produkte

Gebert D., Prof. Dr. FG Organisation, Personalwesen und Füh-

rungslehre

Gemünden G., Prof., Dr. FG Innovations- und Technologiemanagement

Geske U., Prof., Dr.-Ing. First, FhG Berlin, Planungstechnik

Hellwich O., Prof., Dr.-Ing. FG Computer Vision and Remote Sensing

Henke, K.D., Prof. Dr. rer. pol. FG Gesundheitsökonomie

Herrmann J., Prof., Dr.-Ing. FG Qualitätswissenschaft

Jähnichen St., Prof., Dr.-Ing. FG Softwaretechnik

Kraft M., Prof., Dr.-Ing. FG Medizintechnik

Knoblauch H., Prof., Dr. FG Allgemeine Soziologie

Krystek U., Prof., Dr. FG Strategisches Controlling

Lemke H., Prof., Dr.-Ing. FG Computer Graphics

Mahr B., Prof., Dr. FG Formale Modelle, Logik und Programmie-

rung

Nickel-Weller Ch., Prof. FG Bauten im Gesundheitswesen

Orglmeister R., Prof., Dr.-Ing. FG Elektronik und medizinische Signalverarbei-

tung

Pepper P., Prof. Dr.-Ing. FG Übersetzerbau und Programmiersprachen

Rammert W., Prof., Dr. FG Techniksoziologie

Seliger G, Prof., Dr.-Ing. FG Montagetechnik und Fabrikbetrieb

Sendlmeier W., Prof., Dr. FG Kommunikationswissenschaft

50

Steinbach J., Prof., Dr.-Ing. FG Anlagen- und Sicherheitstechnik (Acikalin

A.)

Straube F., Prof., Dr.-Ing. FG Logistik

Thüring M., Prof., Dr. phil. FG Kognitionspsychologie

Uhlmann E., Prof., Dr.-Ing. FG Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik

Urbas L., Dr.-Ing. ZMMS

Wozny G., Prof., Dr.-Ing. FG Dynamik und Betrieb Technischer Anlagen

Potenzielle Kooperationspartner der Charité

Duda G., Prof., Dr.-Ing. FG Trauma and Reconstructive Surgery, Re-

search

Laboratory, Charité

Lüth C., Prof., Dr. Surgical Navigation and Robotic Lab, Charité

Tolxsdorff R., Prof., Dr.-Ing. FG Praktische Informatik, Charité

Softwaretechnik zur Optimierung von medizinischer Diagnose und Therapie

S. Jähnichen, A. Wolf, U. Geske

Das Gesundheitswesen ist geprägt von komplexen, eng verzahnten, dynamischen Ar-

beitsabläufen. Diese sind heute noch von vielen Medienbrüchen und Informationsdefizi-

ten gekennzeichnet. Die sektorale Aufteilung des Gesundheitswesens und fehlenden

Kommunikationswege zwischen den Sektoren führen beispielsweise zu mehrfachen Un-

tersuchungen oder fehlenden Informationen über die Krankheitsgeschichte von Patien-

ten.

Eine Bestandsaufnahme zeigt, dass im medizinischen Bereich immer mehr Geräte zur

Diagnose, Überwachung der Vitalfunktionen und Behandlung mit eigener Informations-

verarbeitung existieren, deren spezifische Funktionalität und Interaktion elektronisch

über Schnittstellen steuerbar ist. Jedoch fehlen meist ausgereifte Schnittstellen zum

Austausch und Abgleich von Daten, Möglichkeiten der intelligenten Koordination und

Kollaboration oder zur Selbstorganisation. Meist existieren proprietäre Insellösungen.

Gefordert sind deshalb offene Systeme, in die sich neue Geräte und Dienste integrieren

lassen, dabei ihre Funktionalitäten und Ressourcen anbieten und relevante Daten zur

Koordination und Kollaboration austauschen. Diese Systeme müssen sich an veränderte

51

Bedingungen selbständig anpassen, wobei insbesondere die anfallenden Arbeitsabläufe

koordiniert und deren Ausführung überwacht und ggf. nachzusteuern ist.

Ziel soll es sein, die Untersuchungs- und Behandlungsabläufe in den Dienstleistungsnet-

zen der Gesundheitsversorgung umfassend und formal zu beschreiben und durch eine

mitlaufende Planung und Steuerung dieser Abläufe zu optimieren. Dazu werden kontinu-

ierlich und lückenlos die Ist-Zustände erfasst und bei Abweichungen vom Soll ist der

Plan aufgrund der geänderten Vorgaben effizient und optimal anzugleichen. Die von

den Änderungen betroffenen Prozesse sind entsprechend nachzusteuern.

Zur Erfassung der Ist-Zustände müssen Daten erhoben werden, die u. a. aus Aufent-

haltsorten, Füllständen von Verbrauchsmaterialien, Gerätecharakteristika, Patienten-

und Personaldaten, Untersuchungsergebnissen oder Behandlungsverläufen bestehen.

Während ein Teil dieser Daten eher statischer Natur ist (z.B. Patientenstammdaten) ist

ein anderer Teil hochgradig dynamisch (z.B. Aufenthaltsorte oder Füllstände). Gemein

ist diesen Daten, dass sie an unterschiedlichen Stellen erfasst und gespeichert werden

oder zur Verfügung stehen müssen. RFID’s können zur Ortserfassung eingesetzt wer-

den, weitere drahtlose Kommunikationstechniken kommen zur Ansteuerung von Geräten

in Frage, sofern sie für den medizinischen Bereich zugelassen sind.

Um nun den Ist-Zustand in seiner Gesamtheit zur Prozessteuerung zu nutzen, ist es

notwendig, diese Daten zu integrieren. Eine Integrationsplattform dient als umfassende

Instanz nicht nur der Datenerfassung und –aufbereitung, sondern auch der Steuerung

der Dienste und Regelung der Arbeitsprozesse. So werden Ereignisse (z.B. Ortsände-

rungen / Abweichungen von Normwerten) zuvor spezifizierte Abläufe in Gang setzen, die

weitere Ereignisse auslösen und damit andere Prozessschritte beeinflussen. So kann

z.B. das Erscheinen eines Patienten an der Schleuse zum OP-Bereich automatisch den

Umbau des Operationstischs und die Bereitstellung erforderlicher Instrumente gemäß

der an ihm durchzuführenden Operation auslösen.

Alle diese Dienste sollen sowohl die Abläufe innerhalb einzelner Standorte verbessern,

als auch solche zwischen örtlich verteilten Gesundheitsdienstleistern.

Dynamische Kostenreduzierung durch Vermeidung von Ressourcenkonflikten

U. Geske, S. Jähnichen, A. Wolf

Während in Planungsphasen häufig ausreichend Zeit ist, um zeitaufwändige Simulationen

für die Planung von Ressourcen durchzuführen, müssen aktuelle Planungsänderungen,

52

die im laufenden Betrieb vorgenommen werden, i. a. sehr kurzfristig vorgenommen wer-

den. Im letzteren Fall kommt es darauf an, auf jeden Fall und sehr schnell eine möglichst

gute Lösung zu erhalten. Hohe Dynamik und globale Optimierung der aktuellen Plansitua-

tion schließen sich in diesem Fall wechselseitig aus, da unvorhergesehene Ereignisse,

die Optimalität hinfällig machen und eine zu starke Ressourcenauslastung aufgrund der

Optimierung eine Anpassung behindern.

Die von uns vorgeschlagene Constraint-Technologie zur Bewältigung dieser Anforderun-

gen liefert bei sehr kurzen Abarbeitungszeiten, gute und auf jeden Fall widerspruchsfreie

(konsistente) Lösungen. Die Effizienz resultiert aus der Vorgehensweise, Konsequenzen

aufgrund von Restriktionen und Entscheidungen unmittelbar herzuleiten. Dadurch ist eine

automatische Konfliktvermeidung anstelle von Konflikterkennung mit nachfolgender ma-

nueller Konfliktauflösung realisierbar. Folglich sind eine schnelle Simulation und Planung

unterschiedlicher Situationen und eine kombinierte automatische und interaktive Gestal-

tung des Simulations- und Planungsprozesses („was-wäre-wenn“-Szenarien) realistisch.

Diese Technologie ist auch für Aufgaben im Gesundheitswesen einzusetzen. Angesichts

einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen bringt auch hier der optimierte Einsatz von

Personal, Räumen und Material einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil von medizi-

nischen Einrichtungen. Ein Problem ist dabei ebenso allgegenwärtig wie schwierig zu

lösen: ein Plan für die Erledigung einer komplexen Aufgabe muss während der Durch-

führung der Aufgabe geändert werden. Für die Behandlung von Problemen, wie Einsatz-

planung für Assistenzärzte, Operationsplanung, Laborauslastung oder Terminvergabe

für Patienten wurden Algorithmen und Softwarelösungen entwickelt. Diese Probleme

haben häufig eine derart große Komplexität, dass damit normalerweise die schnelle

Erzeugung guter und genauer Lösungen nicht möglich ist. Durch Anwendung der ge-

nannten Technologie erweisen sich kurzfristige Umplanungen, die sich auf die notwendi-

gen Änderungen beschränken und auch wieder einen guten und widerspruchsfreien

Plan liefern, als aus dem Bereich der Vision in die Realität überführt. Es kann sehr

schnell auf Änderungen - wie Krankheit des Personals, geänderter Operationstermin,

Ausfall eines Gerätes - reagiert werden und damit überflüssiger Ressourcenaufwand

eingespart werden.

Das Verfahren wird anhand einer Einsatzplanung von Personal mit geeigneten Fähigkei-

ten für medizinische Labore praktisch vorgestellt. Interessant ist dabei Realisierung der

Zusammenarbeit von Softwaresystem und menschlichen Bediener in einem interaktiven

System zur Ermittlung einer konfliktfreien Ersatzplanung.

53

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Werkstoffe im Zellkontakt“

Sprecher: Prof. Dr.-Ing. Helmut Schubert

Als Gemeinsamkeit der verschiedenen Forschungsaktivitäten in diesem Bereich ist ein

Kontakt einer Technik bzw. eines Materials mit Zellen zu nennen (meist humane Zellen).

Typische Beispiele wären Implantate, Schaffold oder Sensoren. Das Ziel des Clusters ist

die Bearbeitung innovativer Technikentwicklung für die regenerative Medizin und die

Pharmazie.

Die Arbeiten basieren auf langjährigen Kompetenzen der Bereiche Werkstoffwissen-

schaften, Verfahrenstechnik, Biotechnologie und der Chemie. Diese Kompetenzen sind

notwendig, müssen aber in Form von gezielten interdisziplinären Kooperationen verbun-

den werden, um die Forschungsfelder komplett bearbeiten zu können. Im folgende wer-

den die bestehenden Grundkompetenzen in der Reihung von den maschinenbaulichen

über die werkstoffwissenschaftlichen, verfahrenstechnischen, biotechnischen bis zu den

eher chemischen Themen diskutiert.

1. Kompetenzen

Implantate

(Fleck, Kraft und Schubert)

Implantate sind der schon am längsten und intensivsten untersuchte Technikteil aus

Sicht der Werkstoffwissenschaften. Implantate wurden ursprünglich als biologisch inak-

tiv (keine Medikamentenzulassung) und korrosionsresistent angesehen und werden last-

tragend eingesetzt. Vor etwa zehn Jahren wurde ein Paradigmenwechsel stattgefunden,

der Implantate stärker in einer biologischen Wechselwirkung sieht. Man versucht ver-

mehrt, Einwachsen und Gewebeneubildung zu initiieren und überschreitet damit die

Grenze von einem Implantat zu einem Medikament.

Partner: GKSS Teltow

Tissue Engineering

(Sowohl die Biotechnologie als auch die Werkstoffwissenschaften bearbeiten dieses

Thema, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.)

54

Das Tissue Engineering ist die konsequente Fortsetzung des Implantatgedankens, wo-

bei das Ziel immer eine Selbstheilung des Körpers ist. Notwendige Kompetenzen hierzu:

die Erzeugung degradierbaren und durch Zellen besiedelbare Tragstrukturen (Schaf-

folds), die das Spektrum von einer Zellkulturflasche bis zu einem komplexen 3D-Gebilde

mit funktionalisierten Oberflächen umfasst. Als zweiter Wissensblock ist die Zellkultur-

technik unabdingbar. Im Tissue Engineering wird das Grundkonzept versucht, Zellen des

Patienten außerhalb des Körpers in geeigneter Form zu kultivieren, um danach ein vor-

organisiertes Gewebestück zur Verfügung zu haben, das wieder eingepflanzt wird. Bei-

spiel dafür ist die großflächige Abdeckung von Verbrennungswunden, die sehr erfolg-

reich durch verschiedene besiedelte Kollagen- oder Kunststoffvliese bewerkstelligt wur-

de.

Partner: Charite

Reaktoren Sensoren

(Dieses Feld ist sowohl bei der Energie- und Verfahrenstechnik, der Prozess- und Anla-

gentechnik und maßgeblich in der Biotechnologie / Bioverfahrenstechnik beheimatet.)

Reaktoren gehören zur Standardausrüstung in der Chemietechnik, der Verfahrenstech-

nik und der Biotechnologie sowie der Pharmazie. Diesbezüglich gibt es ein breites Wis-

sen, was Reaktionsführung, Strömungsmechanik und Bedingungen für Zellen betrifft.

Drug Delivery

(Physikalische Chemie, Pharmazie, Biotechnologie sind die hauptsächlichen Wissens-

träger.)

Unter Drug Delivery versteht man die Kombination von Pharmazeutika und Wirkstoffen,

die auf chemischem oder biologischem Wege synthetisiert wurden, dem Körper aber

durch eine verzögerte Abgabe über einen sehr langfristigen Zeitraum zur Verfügung ge-

stellt werden. Hierzu werden mikro- und nanoporöse Systeme mit Zellen oder mikropo-

röse Systeme verwendet. Eine Hauptanforderung an das System ist eine Sterilisierbar-

keit, und gleichzeitig muss das Wirkstoffkonglomerat unverändert in dem System über

lange Zeit verbleiben können.

55

Wirkstoffe, Zytokin- und Gentransfer

(Biotechnologie, Biochemie und Physikalische Chemie)

Ursprünglich wurden Wirkstoffe grundsätzlich chemisch synthetisiert, eine Hauptaufgabe

der organischen Chemie. Inzwischen ist diese biologische Suche nach Wirkstoffen sehr

erfolgreich, wobei deren Synthese dann auf biotechnologische Art geschehen muss.

Partner: Charite

2. Forschungsschwerpunkte

Degradierbare Implantate

Ganz im Sinne des Paradigmenwechsels in der Implantattechnik sollen Implantate mög-

lichst eine Leitstruktur für die Selbstheilung des Körpers darstellen. Sie müssen zu An-

fang mechanische Lasten übernehmen, sollen aber sukzessive im Laufe der Zeit abge-

baut und durch körpereigenes Gewebe ersetzt werden. Ist die mechanische Beanspru-

chung zu Anfang gering, konnten bereits jetzt sehr erfolgreiche Systeme etabliert wer-

den, namentlich zu nennen die großflächige Wundabdeckung bei Verbrennungen. Als

zweite, ganz wesentliche Neuerung sind Implantate zu sehen, deren mechanisches Ver-

halten dem zu ersetzenden Gewebe angepasst ist. Bisher sind Implantate meistens we-

sentlich steifer als das Gewebe und erzeugen damit mechanische Reize auf das einhei-

lende umgebende Gewebe, die bei weitem nicht physiologisch sind. Ziel dieser Entwick-

lung ist es, die Reizsituation an diesen Zellen möglichst physiologisch zu gestalten.

Implantate als Wirkstoffträger

Betrachtet man die Nutzung von Wirkstoffen im Körper, so fällt auf, dass diese in der

Regel in einer Vorform (Prä-Pro-Insulin, Fibrinogen, etc) im Körper existieren. Die Mole-

küle sind grundsätzlich größer als die wirksame Substanz. Sie können so ohne biologi-

sche Wirkung zu entfalten langfristig im Körper verbleiben und werden erst durch eine

katalytische Reaktion aktiviert. Beispiel sei die Knochenheilung, der Wachstumsfaktor

BMP (Bone Morphological Protein) ist in Kavernen im Knochen eingelagert und weitge-

hend unwirksam. Erst beim Bruch wird dieser Wirkstoff aktiviert.

Dieser Gedankengang soll auf das Implantatsystem übertragen werden, in dem man

das Gedankengut des Drug Delivery und das Wissen um biologisierte Implantate mit-

einander verbindet.

56

Organ Repair und regenerative Therapien

Ausgehend von den Erfolgen in der Wundabdeckung besteht der Wunsch, Systeme zu

etablieren, die komplexere Funktionen im Körper übernehmen, letztlich sogar ganze Or-

gane ersetzten. Dieser Teil erfordert enge Kooperation mit medizinischen Gruppen. Ty-

pische Themen wären Knochenregeneration, Knorpelregeneration, Leber. Diesbezüglich

bestehen Kontakte mit der Gruppe Regenerative Medizin der Charite.

Sensoren, Arrays

Die klassische Sensorfunktion beruht auf der Fluoreszenzmarkierung von speziellen

Molekülbereichen, die eine bestimmte biologische Funktion anzeigen. Üblich sind Glas-

träger mit einer Vielzahl an Sensorischen Molekülsektionen auf einer Ebene (Chip Ar-

rays).

In diesem Teil wird die Selektivität einer Cascadenreaktion mit der Funktion eines elekt-

rischen Sensor Verbunden. Damit sollen Sensorische Funktionen, die auf bestimmte

Moleküle sehr spezifisch ansprechen (Antikörperkopplung), mit einem elektrischen Ele-

ment zu einem on-line Sensor verbunden werden.

3. Anbindungen / Abgrenzungen

Dieser Cluster bindet an die minimale invasiven Techniken an und umfasst das Spekt-

rum bis zu der technologisch orientierten Biotechnologie.

Als Ansprechpartner werden die medizintechnische Industrie und die Charite gesehen.

Im eher naturwissenschaftlichen Bereich schließen die Sonderforschungsbereiche SFB

448, SFB 498 sowie das Biotechnologiezentrum an.

57

ZiG Arbeitsschwerpunkt „Gesundheitswirtschaft“

Sprecher: Prof. Dr. rer. pol. Klaus-Dirk Henke

1. Zur Rolle der Gesundheitswirtschaft im ZIG

2. Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen

3. Innovative Gesundheitstechnologie für Beschäftigung und Wachstum

4. Finanzierung und Vergütung von innovativen Gesundheitstechnologien

5. Evaluation von alten und neuen medizinisch-technischen Gütern und Leistungen

1. Zur Rolle der Gesundheitswirtschaft im ZIG

Die Gesundheitswirtschaft ist ein bedeutsamer Teil unserer Dienstleistungsgesellschaft.

Sie spielt international, länderspezifisch und regional (z.B. Berlin/Brandenburg) eine

nicht zu unterschätzende Rolle nicht nur für die Krankenversorgung, Prävention und Ge-

sundheitsförderung in der Bevölkerung sondern auch als personalintensive Wachstums-

branche einer Volkswirtschaft. Im nächsten Kondratieff-Zyklus wird nach Ansicht zahlrei-

cher Fachleute das Thema Gesundheit und dort vor allem der Wellness und Fitness-

Bereich über mehrere Jahrzehnte im Vordergrund stehen.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass ökonomische Analysen in Form von

betriebs- und volkswirtschaftlichen Studien u. a.

• zur demographischen Entwicklung und zum medizinisch-technischen Fortschritt,

• zur integrierten bzw. vernetzten Versorgung (managed care),

• zu neuen Finanzierungs- (z.B. Bürgerpauschalen, Bürgerversicherung) und Ver-

gütungsformen (z.B. DRG´s),

• zum Innovationsmanagements,

• über den Zugang bzw. die Zulassung neuer Gesundheitsleistungen und Produkte

zum Abrechnungs- und Vergütungssystem

• über den Einfluss des Europäischen Binnenmarktes auf das Gesundheitswesen

sowie

• zur Evaluation (managing performance) von alten und neuen Gesundheitsleis-

tungen

58

bei den Arbeiten im Zentrum für innovative Gesundheitstechnologie (ZIG) unverzichtbar

sind.

In der Gesundheitsregion Berlin gibt es zahlreiche Forschungsschwerpunkte an den U-

niversitäten und Fachhochschulen, die über die vorhandene Kompetenz an der TU (Me-

dizintechnik, Gesundheitsökonomie, Krankenhausmanagement, Public Health, Gesund-

heitspolitik sowie dazugehörige Lehrveranstaltungen und Seminare wie z.B. das Kran-

kenhausseminar und das Spreestadt-(ehemals Dahlemer) Forum zur Gesundheitsver-

sorgung in Europa etc.) hinausgehen und in möglichen Kooperationen münden sollen.

Vier übergreifende Ansatzpunkte für entsprechende Arbeitsschwerpunkte des ZIG an der TU Berlin werden nachfolgend zusammengefasst.

2. Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen

Es gibt kein Universalmodell der integrierten Versorgung; gemeinsam ist allerdings allen

Bemühungen um „managed care“ die bestehende Segmentierung in der Leistungs-

erbringung (ambulant, stationär, Arzneimittel etc.) und die Zerstückelung in der Finanzie-

rung und Vergütung (verschiedene Versicherungszweigen, unterschiedliche Vertragsre-

geln etc.) zu überwinden. Mit dem § 140 a-e SGB V vom 1.1. 2004 hat der Gesetzgeber

die Voraussetzungen geschaffen, um die erforderliche Kooperation und Vernetzung bei

Bedarf durch privatwirtschaftliche Organisationsstrukturen zu erleichtern. In der Ent-

scheidung zwischen einem öffentlich-rechtlichen oder einem privatrechtlichen Rechtsre-

gime handelt es sich nicht länger um ein Entweder-Oder sondern darum, die jeweils

zweckmäßigste Rechtsform (GmbH, Genossenschaft, AG, Regiebetriebe, Anstalten des

öffentlichen Rechts, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, Verein etc.) für vernetzte

Strukturen zu finden.

Mit der integrierten Versorgung ist auch Budgetverantwortung verbunden. Netzbudgets

übernehmen z.B. die Gesamtversorgung für (z.B. regional oder krankheitsbezogen) defi-

nierte Gruppen eingeschriebener Versicherter durch einen neuen Träger. Der Wettbe-

werb um die Qualität in der Erbringung von Gesundheitsleistungen tritt in den Vorder-

grund. Patientenorientierte Behandlungspfade sollen die Schnittstellenproblematik über-

winden helfen und effizienz- und qualitätsmindernde Doppeluntersuchungen, Wartezei-

ten und Intransparenz abbauen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht stellt die integrierte

Versorgung ein neuartiges ordnungspolitisches Leitbild dar. Der neue Rechtsrahmen

59

erlaubt eine stärkere marktwirtschaftliche Ausrichtung des Versorgungssystems und hilft

andernfalls anstehende Rationierungen von Leistungen zu vermeiden.

Kompetenzen des ZIG:

Prof. Dr. med. R. Busse, FG Management im Gesundheitswesen: empirische und sys-

temanalytische Arbeiten zu Disease Management Programmen, Risikoadjustierung zur

Ressourcenallokation und Ergebnisbewertung, methodische und empirische Arbeiten zur

Evaluation von Leistungserbringern und Leistungen (vgl. unten unter 5.)

Prof. Dr. rer. pol. K.-D. Henke, FG Öffentliche Finanzen und Gesundheitsökonomie:

Formen der Integrierten Versorgung und Wege zu ihrer Umsetzung unter Berücksichti-

gung amerikanischer Erfahrungen, Wettbewerb und Risikostrukturausgleich in der Ge-

setzlichen Krankenkasse, Entstaatlichung des Gesundheitswesens, Finanzierung und

Vergütung in den Vertragsbeziehungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkas-

sen, Finanzierungs- und Vergütungsstrukturen im stationären Bereich, Neue Formen der

Bedarfsplanung im ambulanten und stationären Bereich, Genossenschaft als Träger von

Versorgungseinrichtungen etc.

3. Innovative Gesundheitstechnologie für Beschäftigung und Wachstum

„Nach der Reform ist vor der Reform“; dieser Satz trifft angesichts der hohen Komplexität

des Gesundheitswesens und seiner Sektoren dauerhaft zu. Es gilt daher, innovative Ge-

sundheitstechnologien im Umfeld der ständigen Veränderungen in der Gesundheitsver-

sorgung im In- und Ausland zu verfolgen und in die Bedeutung der sich verändernden

Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Innovationen, also der Einführung neuer

Produkte und Verfahren, abzuschätzen. Speziell das SGB V und seine Weiterentwick-

lung gilt es zu beobachten und Innovationen zu erkennen (z.B. über den Gemeinsamen

Bundesausschuss und das neu gegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Dabei spielt auch der Gesundheitssystemvergleich eine zunehmende Rolle.

Die Gesundheitsökonomie gehört zu einer wachsenden Wissenschaftsdisziplin in der

grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung weltweit betrieben wird. Die Anzahl

neuer Periodika ist kaum noch zu übersehen (u.a. Health Affairs, Health Policy and

Planning, International Journal for Quality in Health Care, Cambridge Quarterly of

Healthcare Ethics, Health Economics, Pharmacoeconomics, Journal of Public Health,

60

Biostatistics, Biometrika, Health Promotion International, Age and Ageing, Occupational

Medicine, Disease Management and Health Outcomes).

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Medizintechnik und die Medizinprodukte mit

ihren unterschiedlichen Teilgebieten

• Krankenhausausrüstung, chirurgische Instrumente

• Medizinische Einmalprodukte, Verbandmittel, Implantate

• Elektromedizinische-technische Geräte (bildgebende Verfahren, Stoßwellenthe-

rapie, medizinische Elektroniksysteme, Nuklearmedizin etc.)

• Dentalprodukte (funktionelle Front- und Seitenzahlästhetik mit vollkeramischen

Restaurationstechniken, Implantatologische Leistungen etc.)

• Reproduktionsmedizin

• Augenoptik,

• Laser, Labortechnik,

• Diagnostika und

• Sonstiges (chirurgisches Nahtmaterial etc.)

die Aufmerksamkeit der Gesundheitsökonomie auf sich ziehen. Eine ökonomische Ana-

lyse des Gesundheitswesen wird diese Bereiche, wie bereits hier und da in der Literatur

(z. B. in den Gutachten des Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen) gesche-

hen, weiter beobachten und analysieren. Die Entwicklung neuer Märkte und Gesund-

heitstechnologien steht dabei im Vordergrund. Hierzu zählen u. a. die Nanomedizin, die

Zelltherapien, die regenerative Medizin (Tissue Engineering), die minimal-invasiven chi-

rurgischen Technologien, biomedizinische Werkstoffe und die Telemedizin.

Kompetenzen im ZIG:

Prof. Dr. med. R. Busse, FG Management im Gesundheitswesen: Analyse von Gesund-

heitssystemen und ihrer Teilgebiete in Europa, insbesondere von Sotzialversicherungs-

ländern (u.a. Saltman/Busse/Figueras: Social health insurance systems in western Eu-

rope, Open University Press 2004) und in den neuen EU-Mitgliedsstaaten; thematisch zu

Finanzierung, Leistungskatalog (Projekt ”Health benefits and service costs” im 6ten EU-

Forschungsrahmenprogramm), Zugang zur Gesundheitsversorgung (Projekt ”HealthAc-

cess” im EU-Public Health-Programm), Regulierung von Leistungserbringern und Zah-

lern (u.a. Saltman/Busse/Mossialos: Regulation of entrepreneurial behaviour in Europe-

an health systems, Open University Press 2002); vergleichende Gesundheitssystemana-

61

lyse; Beschreibung und Analyse von Gesundheitsreformen in Industrieländern

(www.healthpolicymonitor.org)

Prof. Dr. med. W. Friesdorf, FG Arbeitswissenschaft

Prof. Dr. rer. pol. K.-D. Henke, FG Gesundheitsökonomie und Öffentliche Finanzen:

Theoretische und empirische Arbeiten zur gesundheitspolitischen Diskussion über die

Reformen und die Weiterentwicklung der Krankenversicherung (Bürgerversicherung,

Kopfpauschalen, Mindestversicherungspflicht etc.); zur Krankenhausbedarfsplanung und

Entstaatlichung des Gesundheitswesens sowie zur Wachstumsbranche Gesundheitswe-

sen; zu Bedeutung und Perspektiven des Europäischen Binnenmarktes für das Gesund-

heitswesen, insb. für die Trägerstrukturen von Krankenhäusern; zukünftige Rolle der

Gemeinnützigkeit, direkte und indirekte Kosten von Krankheiten, Kosten des Alter(n)s,

Regulierter und sozial gebundener Wettbewerb, Regulierter Arzneimittelmarkt, Gesund-

heitssystemvergleich (Großbritannien, Niederlande, Holland, Schweiz, Frankreich, Ja-

pan) etc.

Prof. Dr. Ing. M. Kraft FG Medizintechnik

Prof. Dr. U. Maschewsky-Schneider, FG Gesundheitssoziologie: Methoden der Versor-

gungsforschung, Transparenz und Patientenorientierung etc.

4. Finanzierung und Vergütung von innovativen Gesundheitstechnologien

Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sind neben den gesetzlichen Rahmenbedingun-

gen (Sozialrecht, Privatrecht, öffentliches Recht, Wettbewerbsrecht etc.) die Anreize, die

von der Mittelaufbringung über Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Prämien oder

Selbstbeteiligung ausgehen genauso wichtig wie die, die mit der Bezahlung, Honorie-

rung oder Abrechnung von erbrachten Gesundheitsleistungen verbunden sind. Diese

doppelte („äußere“ und „innere“) Finanzierung unterscheidet die Krankenversicherung

von der Rentenversicherung, wenn man von dort erbrachten und abgerechneten Rehabi-

litationsleistungen einmal absieht. Ex-ante und ex-post Moral Hazard, Risikoselektion

und die asymmetrische Informationsverteilung gehören zu den Problemen, die mit den

verschiedensten Formen von Finanzierung und Vergütung verbunden sind und die Wirt-

schaftlichkeit (Effizienz) des Versorgungssystems Gesundheit beträchtlich beeinflussen.

62

Getrennt nach der Gesetzlichen Pflege-, Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung wer-

den Leistungen auf der Grundlage des Sozialrechts unterschiedlich finanziert und vergü-

tet. Hinzu treten die privaten Krankenversicherungen, die dem privaten Versicherungs-

recht unterliegen. Weiterhin gibt es noch Unterschiede für die verschiedenen Leistungs-

sektoren, da das Vertragsrecht zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen „ge-

meinsame und einheitliche“ Abrechnungen vorsieht aber auch, z.B. im ambulanten Sek-

tor, wettbewerbliche Formen der Vergütung erlaubt. Schließlich ist die sich zurzeit ver-

ändernde Abrechnungsstruktur im Krankenhaus (DRG`s) sowie die duale Finanzierung

mit der betriebswirtschaftlich unzweckmäßigen Trennung von laufenden Betriebsausga-

ben (Finanzierung über die Sozialversicherungsbeiträge) und den Investitionskosten, die

aus den Steuermitteln der Länder und im Rahmen ihrer Krankenhausplanung aufge-

bracht werden müssen, zu thematisieren.

Kompetenzen im ZIG:

Prof. Dr. med. R. Busse, FG Management im Gesundheitswesen: theoretische und em-

pirische Arbeiten zu Allokations- und Vergütungsmechanismen in diversen Gesundheits-

systemen (vgl. etwa Health Care Systems in Transition-Profile zu Deutschland, Nieder-

lande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechischer Republik, Ungarn).

Prof. Dr. med. W. Friesdorf, FG Arbeitswissenschaft

Prof. Dr. rer. pol. K.-D. Henke, FG Gesundheitsökonomie und Öffentliche Finanzen:

Zahlreiche Arbeiten zur Krankenhausfinanzierung und -vergütung; zur Mittelaufbringung

allgemein und speziell zur Entgeltung erbrachter Leistungen im ambulanten Bereich so-

wie für Medizinprodukte und Arzneimittel; zur Freizügigkeit und sozialen Sicherung in

Europa; zur Reproduktionsmedizin aus ökonomischer Sicht; Aufgaben und Organisation

der Bundesausschüsse sowie die Rechtsverbindlichkeit ihrer Richtlinien; Umlageverfah-

ren und Kapitaldeckungsverfahren zur Absicherung des Krankheitsrisikos; Ökonomie der

Prävention.

5. Evaluation von alten und neuen medizinisch-technischen Gütern und Leistun-gen

Die Entwicklung neuer innovativer Gesundheitstechnologien ist der erste notwendige,

aber längst nicht hinreichende Schritt auf dem (manchmal langen) Weg zur tatsächlichen

Anwendung am Patienten. Die Wege unterscheiden sich dabei u.a. in Abhängigkeit

63

davon, ob ein Medizinprodukt direkt vom Patienten eingesetzt oder von medizinischem

Fachpersonal angewendet wird.

Das ZIG besitzt durch seine Kompetenz “von der Werkbank” über die Durchführung der

CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten und von Health Technology Assessments bis

zur Evaluation der gesundheitsökonomischen Implikationen hervorragende

Voraussetzungen, um Partnern die Betreuung aus einer Hand anbieten zu können.

Einige Ansatzpunkte für entsprechende Arbeits- und Forschungsschwerpunkte des ZIG an der TU Berlin werden nachfolgend zusammengefasst.

5.1. Lizensierung = CE-Kennzeichnung von Medizinprodukten

Um sichere und qualitativ hochwertige Medizinprodukte entwickeln, herstellen und ver-

treiben zu können, sind unabhängig vom Nutzungssektor zunächst eine Reihe von An-

forderungen an das Produkt und an das herstellende bzw. vertreibende Unternehmen zu

berücksichtigen. Die EU hat aus diesem Grund eine gemeinschaftlich verbindliche Richt-

linie für Medizinprodukte eingeführt. Dadurch wurde der europaweite Handel vereinfacht

und es wurden gemeinsame Qualitäts- und Sicherheitsstandards festgelegt.

Seit dem 1. Januar 1995 ist das Medizinproduktegesetz (MPG), das entsprechende Be-

stimmungen der Europäischen Union (EU) in deutsches Recht überführt, in Kraft. Ge-

mäß der Richtlinien 90/385/EG (implantierbare Geräte wie Herzschrittmacher) und

93/42/EG (nicht-implantierbare Medizinprodukte und Substanzen der In-vitro-Diagnostik)

müssen in Deutschland vertriebene Medizinprodukte den grundsätzlichen Anforderun-

gen des MPG genügen. Im Gegensatz zu Medikamenten sind Medizinprodukte und -

geräte definiert als Instrumente, Anwendungen, Materialien und andere Produkte, die

ihre Hauptwirkung nicht auf pharmakologischem, immunologischem oder metabolischem

Weg entfalten.

Die Zulassung medizinischer Geräte liegt in der Verantwortung der ermächtigten Institute

(„Benannte Stellen“), die durch das Bundesgesundheitsministerium akkreditiert werden

müssen. Fragen der Sicherheit und der technischen Eignung der geplanten Anwendung

eines Gerätes ist das primäre Zulassungskriterium für Medizinprodukte und -geräte. An-

ders als bei Medikamenten brauchen Medizinprodukte zur Markteinführung nicht nach-

zuweisen, dass sie vorteilhaft im Sinne potentieller Gesundheitsgewinne sind. In

Deutschland vertriebene Geräte werden auf Sicherheit überprüft und darauf, ob sie die

vom Hersteller angegebenen technischen Leistungen erbringen.

64

Die Medizinprodukte-Richtlinie 93/42/EG, welche die meisten Geräte betrifft, etablierte

eine vierteilige Klassifikation für Medizingeräte (I, IIa, IIb, III). Die Klassifikationsbestim-

mungen berücksichtigen die Risiken, die mit den Geräten verbunden sind, den Grad der

Invasivität des Gerätes und die Dauer, mit der die Geräte in Kontakt mit dem Körper

sind. Die Bestimmungen legen die Prüfverfahren der Hersteller medizinischer Geräte

fest, mit denen die Konformität der Geräte mit den relevanten Teilen der Bestimmung

nachgewiesen werden muss.

Um die Produktkonformität zu belegen und eine gleich bleibende Produktqualität sicher-

zustellen, muss ein Qualitätssicherungssystem im Unternehmen aufgebaut, eingehalten

und ggf. durch eine benannte Stelle zertifiziert werden (Konformitätsbe-

wertungsverfahren). Die Tiefe der Qualitätssicherung ist vom Gefährdungspotential der

Medizinprodukte abhängig. Dazu werden diese klassifiziert. Das modular aufgebaute

System der Produktklassifizierung ermöglicht eine abgestufte Vorgehensweise bei der

Festlegung der Art und des Umfangs der Zertifizierungspflicht. Abhängig von dem einer

Produktgruppe generell zugeschriebenen Risikopotential für den menschlichen Körper,

werden die Medizinprodukte in vier Produktklassen (I, IIa, IIb, III) eingeteilt.

Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit und Steuerungsmechanismen für die Verbrei-

tung und den Gebrauch von Medizingeräten unterscheiden sich in Abhängigkeit von ih-

rer Anwendung, d.h. ob sie direkt von Patienten (d.h. als „Hilfsmittel“ i.S. des SGB V)

oder als Teil medizinischer oder chirurgischer Verfahren im ambulanten oder stationären

Bereich verwendet werden.

5.2. Aufnahme von Hilfsmitteln in den GKV-Leistungskatalog

Medizinische Hilfsmittel umfassen Gegenstände wie Prothesen, Brillen, Hörgeräte, Roll-

stühle und Beatmungsgeräte. Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf medi-

zinische Hilfsmittel, sofern sie nicht explizit durch eine Negativliste des entsprechenden

Ministeriums aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind (§§ 33 und 34 SGB V).

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zu dem Zeitpunkt verantwortlich für die

GKV) hat explizit Hilfsmittel mit geringem oder fehlendem therapeutischen Nutzen oder

geringem Abgabepreis ausgeschlossen (z.B. Handgelenkwärmer und Ohrenklappen).

Die Regelungen der Erstattungsfähigkeit für nicht ausgeschlossene medizinische Hilfs-

mittel sind relativ komplex.

Nach § 139 SGB V sind die Spitzenverbände der Krankenkassen verpflichtet, ge-

meinsam und einheitlich zur Sicherung einer ausreichenden, zweckmäßigen, funktions-

gerechten und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln für bestimm-

65

te Produkte Qualitätsstandards zu entwickeln. Die Spitzenverbände der Krankenkassen

erstellen aus diesem Grund ein Hilfsmittelverzeichnis, in dem die von der Leistungs-

pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung erfassten Produkte aufgeführt werden. Die

Produkte werden entsprechend ihren Einsatzgebieten insgesamt 34 Produktgruppen

zugeordnet. Die Qualitätsstandards sind im Hilfsmittelverzeichnis nach § 128 zu veröf-

fentlichen.

Es können nur die Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden, für die

der Antragsteller den therapeutischen Nutzen, die Funktionstauglichkeit und die Qualität

nachgewiesen hat. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben dementsprechend in

den einzelnen Produktgruppen bzw. Produktuntergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses

Standards formuliert, deren Einhaltung der Hersteller oder sein Bevollmächtigter in ge-

eigneter Form nachzuweisen hat.

Über die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis entscheiden die Spitzenverbände der

Krankenkassen gemeinsam, nachdem der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der

Krankenkassen e. V. (MDS) die Voraussetzungen geprüft hat.

Sind die Medizinprodukte gemäß der Definition der gesetzlichen Krankenkassen als

Hilfsmittel einzustufen, haben die Hersteller das Ziel, diese in das Hilfsmittelverzeichnis

aufnehmen zu lassen, da nur hierdurch eine Kostenübernahme durch die Krankenkas-

sen sichergestellt ist. Um in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen zu werden, müssen

neben der Konformitätserklärung nach der Medizinprodukterichtlinie Qualitätsanforde-

rungen des MDS erfüllt werden. Dieser Qualitätsnachweis ist in Form einer Prüfung

durch ein von den Kassen anerkanntes, in der Regel akkreditiertes Labor zu erbringen.

(Die Berlin Cert führt beide Gruppen von Prüfungen durch. Als Unternehmen an einer

Universität verfügt sie insofern über ein Alleinstellungsmerkmal.)

5.3. Medizinprodukte als Teil medizinischer Verfahren = Health Technology As-sessment

Health Technology Assessment (HTA) ist die systematische Bewertung der Folgen der

Anwendung medizinischer Technologien auf die Gesundheit, das Gesundheitssystem

und die Gesellschaft. Das gemeinsame vorrangige Ziel verschiedener Interventionen im

Gesundheitswesen – seien dies medizinische Geräte, Arzneimittel oder die Implementie-

rung neueren Organisationsformen – ist die Verbesserung der Gesundheit und der Le-

bensqualität der Bevölkerung. Der technologische Fortschritt bietet ständig Innovationen

an, die die Erfüllung dieses Ziels ermöglichen sollen. HTA zielt auf die Verbesserung der

Qualität der Versorgung durch die Identifizierung derjenigen Interventionen, die zur Ge-

66

sundheit der Bevölkerung in einer wirksamen und gesellschaftlich vertretbaren Weise

tatsächlich beitragen können.

Die HTA-Aktivitäten in Deutschland sind sowohl bei staatlichen Institutionen als auch bei

der Selbstverwaltung angesiedelt. Die Entscheidungshoheit liegt dabei im deutschen

Gesundheitssystem – zumindest für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung

– zumeist beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Es obliegt diesem, über die Aufnahme

einer Leistung zu entscheiden. Während dies bisher nur für den ambulanten Sektor rele-

vant war, führt die Einführung von DRGs als Vergütungssystem auch zunehmend im

stationären Sektor zu expliziten Leistungsentscheidungen, was für den Einsatz von Me-

dizingeräten besonders relevant ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird vom Insti-

tut für Qualität und Wirtschaftlichkeit unterstützt. Dieses wird allerdings einen Großteil

seiner Aufträge fremd vergeben, so dass sich hier eine Möglichkeit für Aufträge ergibt.

Daneben gibt es seit 2000 DAHTA@DIMDI, eine dem Bundesministerium für Gesund-

heit und Soziale Sicherung nachgeordnete Institution, die HTA-Gutachten in Auftrag gibt.

Durch die Bereitstellung von umfassenden, wissenschaftlich-basierten Informationen

wird die Entscheidungsfindung im Gesundheitssystem unterstützt. Die Bewertung der

Technologien folgt einer Methodik, die durch die systematische Suche, Bewertung der

Qualität und Validität sowie die Synthese der wissenschaftlichen Evidenz gekennzeich-

net ist. Produkte solcher Bewertungen sind so genannte HTA-Berichte, eine Art Gutach-

ten, in der die für Entscheidungsträger relevanten Informationen transparent und ver-

ständlich dargestellt werden.

Die wesentlichen Ergebnisdimensionen von HTA-Berichten sind:

o Sicherheit

o Klinische Wirksamkeit und andere patientenrelevante Ergebnisse

o Ethische, psychische und soziale Implikationen

o Implikationen für die Organisation des Gesundheitswesens

o Ökonomische Aspekte: Kosten, Kosten-Effektivität

67

Kompetenzen im ZIG:

Prof. em. Dr.-Ing. U. Boenick, Berlin Cert GmbH, ehem. Fachgebiet Biomedizinische

Technik

Berlin Cert - das Unternehmen

Die Untersuchung der technischen Tauglichkeit neuer Medizinprodukte und ihre Zulas-sung innerhalb der Europäischen Union (EU) ist Aufgabe der Prüf- und Zertifizierstelle für Medizinprodukte GmbH an der Technischen Universität Berlin.

Die Berlin Cert GmbH wurde 1982 als Prüfstelle für medizinische Geräte (PMG) an der Technischen Universität Berlin gegründet und hat sich für den Bereich Prüfung von Me-dizinprodukten nach dem Gerätesicherheitsgesetz und der seit 1986 gültigen MedGV ihren Ruf als Prüfstelle mit wissenschaftlichem Universitätshintergrund erarbeitet. Seit 1997 ist die PMG eine Prüf- und Zertifizierungsstelle für Medizinprodukte und benannte Stelle für die Richtlinie 93/42/EWG.

Bei der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft am 01.01.2001 wurde diese Akkreditie-rung von der TU Berlin auf die GmbH übertragen. Zur Dokumentation der Verbindung mit der TU Berlin führt die Berlin Cert GmbH das TU-Logo neben ihrem Namenszug. Durch Aufnahme der TU Berlin als Gesellschafter wird der Berlin Cert vertraglich die Möglichkeit gegeben, spezifische Prüfeinrichtungen des Institutes für Konstruktion, Mik-ro- und Medizintechnik zu nutzen. Ebenso werden in diesem Institut Prüfverfahren und -einrichtungen für künftige Prüfleistungen entwickelt.

Die Berlin Cert GmbH hat ihren Sitz in den Räumen der TU Berlin. Hiermit wird ersicht-lich, dass der wissenschaftliche Hintergrund durch die Einbindung der TU als Gesell-schafter einen wichtigen Aspekt bei der Wahrnehmung der Interessen des Kunden dar-stellt.

Die Berlin Cert wird von den Geschäftsführern Prof. Dr.-Ing. U. Boenick und Dipl.-Ing. K. Nieter geleitet.

Aufgaben der Berlin Cert im Rahmen des ZIG

Durch die Verknüpfung mit dem Fachgebiet Medizintechnik der TU Berlin ist die Berlin Cert einerseits in der Lage, Prüf- und Bewertungsverfahren für neue Produkte (z. B. aus dem Bereich minimal invasive Techniken) und andererseits die hierfür notwendigen Prüfeinrichtungen zu entwickeln. Da andere benannte Stellen aus wirtschaftlichen Grün-den und wegen der fehlenden wissenschaftlichen Ressourcen nicht über diese Möglich-keiten verfügen, ergibt sich hieraus ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Ein drittes Auf-gabengebiet ist die Schaffung von Qualitätsstandards gemeinsam mit dem Fachgebiet Medizintechnik.

68

Zur Zeit werden z. B. Für die Produktgruppen künstliche Füße und Antidekubitus-Auflagen Laborprüfverfahren entwickelt, mit deren Hilfe die entsprechenden Qualitäts-vorgaben evaluiert werden können.

Prüfsegment Antidekubitusprodukte

Grund für die Entwicklung von Laborprüfverfahren für Antidekubitus-Produkte ist, dass der Nachweis des therapeutischen Nutzens künftig nicht mehr durch klinische Studien zu erbringen ist, deren Ergebnisse heute nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Kriterien durch ein Team von Biometrikern, Medizinern und Technikern bewertet werden. Die Durchführung einer klinischen Studie ist für den Hersteller mit einem erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Die so entstandenen Kosten werden an den Anwender bzw. an die Kostenträger weitergegeben, was im Widerspruch zu den Bemühungen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen steht.

Aus diesem Grund sollen soweit wie möglich Laborprüfungen herangezogen werden, die nach wissenschaftlichen Maßstäben erarbeitet worden sind. Für den Kostenträger und den Hersteller ergeben sich neben den Zeit- und Kostenvorteilen dadurch weitere Ein-sparungen, da die Methodik einer standardisierten Laborprüfung einheitlich ist.

Wie zuvor dargestellt, wird eine wesentliche Zunahme der Entwicklung weiterer Prüf- und Bewertungsmethoden im Zusammenhang mit der vom MDS geforderten externen Produktprüfung als Voraussetzung für die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis erwar-tet. Nach Aussage des MDS ist damit zu rechnen, dass aufgrund des bereits jetzt erar-beiteten Technologievorsprunges ausschließlich Prüfungen der Berlin Cert GmbH aner-kannt werden, was ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Berlin Cert GmbH im Rah-men des ZIG darstellt.

Prüfsegment Prothetik

Bei dem Produktsegment der Gliedmaßenprothetik handelt es sich um Ersatzsysteme für die unteren sowie oberen Extremitäten, wie künstliche Füße, Kniegelenke, Armkom-ponenten sowie modulare Verbindungssysteme. Bei der Versorgung von Amputierten mit Exoprothesen, insbesondere der unteren Gliedmaßen, stellt sich immer wieder die Frage nach einer für den Patienten individuell geeigneten Prothese. Derzeit wird vom Arzt bzw. Orthopädietechniker als Entscheidungskriterium der Mobilitätsgrad des Patien-ten bestimmt, nach dem ein Prothesensystem zusammengestellt wird.

Um einen objektiven Vergleich der Komponenten hinsichtlich ihrer Funktionseigenschaf-ten erzielen zu können und anschließend eine Klassifizierung nach Mobilitätsgraden zu erreichen, ist eine technische Bewertung der Komponenten die geeignetere Vorgehens-weise. Mit Hilfe der erarbeiteten Kriterien kann z. B. eine Zuordnung der verschiedenen Fußvarianten zu den Aktivitätsgraden der Patienten vorgenommen werden.

69

Für dieses Projekt ist die Berlin Cert bereits in Vorleistung getreten. Hierauf aufbauend ist beabsichtigt, die Prüfung der Füße nach dem neuen internationalen Standard ISO 22675 und der übergeordneten Norm ISO 22523 als Anforderung zur Aufnahme der Pro-thesenfüße in das Hilfsmittelverzeichnis mit aufzunehmen.

Prof. Dr. med. R. Busse, FG Management im Gesundheitswesen, Mitglied im Wissen-

schaftlichen Beirat für HTA beim DIMDI: Das Fachgebiet „Management im Gesund-

heitswesen“ spielt eine aktive Rolle in der Entwicklung von HTA sowohl auf nationaler

als auch auf internationaler Ebene.

So hat das FG seit 2002 bei der Erstellung von HTA-Berichten zu folgenden Themen für

das DIMDI mitgewirkt:

• Verwendung des Excimer Lasers in der Behandlung der Kurzsichtigkeit,

• Effektivität der Dünnschichtpräparationen und der computergestützten Untersu-

chung von Zervixabstrichen,

• Verwendung der Positronen-Emissions-Tomographie in der Diagnostik des Pros-

tatakarzinoms,

• Behandlung der Parodontose mit Knochentransplantation und mit künstlichen

Implantaten,

• Screening auf genitale Chlamydia Trachomatis,

• Senkung der Re-Stenoserate bei koronarer Herzkrankheit: neue Materialien,

• Misteltherapie zur Reduktion der Nebenwirkungsrate bei Chemotherapie malig-

ner Erkrankungen,

• Methoden zur vergleichenden Bewertung pharmazeutischer Produkte (s. Box)

Methoden zur vergleichenden Bewertung pharmazeutischer Produkte: Die Methode der Wahl für den Vergleich der Wirksamkeit zweier Arzneimittel, die für die gleiche Indi-kation eingesetzt werden können, ist der direkte Vergleich in einer randomisierten kon-trollierten Studie (head-to-head RCT). Häufig jedoch fehlen solche direkten Vergleiche in der Literatur. Die Wirksamkeit eines neuen Präparates wird häufig im Vergleich zum Pla-zebo bewertet, statt direkt mit z.B. der gängigen (Standard-)Therapie. Bei der Entschei-dung, welche Medikamente von dem Gesundheitssystem finanziert werden sollen, ist jedoch der Vergleich mit den vorhandenen Alternativen notwendig, sowohl unter klini-schen als auch ökonomischen Aspekten. Zumeist muss aufgrund von fehlenden direkten Vergleichen jedoch eine Form des indirektes Vergleichs angestellt werden. Daher sollen folgende Fragen in dem Bericht beantwortet werden: Wie werden auf internationaler E-bene konkurrierende Medikamente im Hinblick auf ihre Aufnahme in den Leistungskata-log verglichen? Wie wird mit fehlender Evidenz aus direkten Vergleiche umgegangen?

70

Welche Methoden des indirekten Vergleichs werden von einschlägigen Institutionen vor-geschlagen bzw. akzeptiert? Welche Methoden des indirekten Vergleichs sind in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben bzw. evaluiert? Ziel dieses Berichtes ist eine Empfehlung für eine Standardprozedur zur vergleichenden Bewertung von Arzneimitteln, die bei der Erfüllung der Aufgaben der Selbstverwaltung bzw. des in Gründung befindli-chen Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen angewandt wer-den kann.

Auf europäischer Ebene beteiligen sich Mitarbeiter des Fachgebietes aktiv an der Euro-

pean Collaboration for Health Technology Assessment (ECHTA), ein europäisches

Netzwerk zur Förderung der methodologische Entwicklung von HTA und der Verbreitung

der evidenzbasierten Entscheidungsfindung. U.a. arbeitete die Arbeitsgruppe „Best prac-

tice in undertaking and reporting HTA“ unter der Leitung von Professor Busse Standards

zur Durchführung und Berichterstattung von HTAs. Das Ergebnis dieser Arbeit wurde

2002 im International Journal of Technology Assessment in Health Care veröffentlicht,

der wichtigsten Zeitschrift der HTA-Community.

Ein weiterer Höhepunkt der internationalen Aktivität war die Organisation und Austra-

gung der 18. jährlichen Konferenz der International Society of Technology Assessment

in Health Care (ISTAHC) vom 9. bis 12.6.2002 in Berlin. An der Konferenz nahmen über

700 Wissenschaftler und Entscheidungsträger aus 47 Ländern teil. Es wurden ca. 500

wissenschaftliche Beiträge vorgestellt und diskutiert, die das internationale wissen-

schaftliche Programmkomitee unter Leitung von Professor Busse ausgewählt hatte.

Prof. Dr. med. habil. W. Friesdorf, FG Arbeitswissenschaft und Produktergonomie

Prof. Dr. rer. pol. K.-D. Henke, FG Öffentliche Finanzen und Gesundheitsökonomie: Stu-

dien zu den direkten und indirekten Kosten von Krankheiten; Krankheitskosten 2002 vom

Statistischen Bundesamt, Kosten-Nutzen-Berechnungen bei der Zulassung und Einfüh-

rung neuer Arzneimittel, Kosten und Nutzen von Prävention, Untersuchungen zu den

Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen (mit Dr. rer. pol. Andersen) und Kosten ernäh-

rungsbedingter Erkrankungen (mit Prof. Dr. rer. pol. Behrens und Dr. rer. pol. Martin)

sowie gesundheitsökonomische Evaluationen als Grundlage für Gesundheitsstandards

und für den Vergleich von unterschiedlichen (länderspezifischen) Gesundheitssystemen

liegen vor.

Prof. Dr.-Ing. M. Kraft, Fachgebiet Medizintechnik

71

Günter Spur:

Zum Selbstverständnis der Gesundheitstechnologie

Die Bundesrepublik durchläuft zurzeit eine schwierige Phase ihrer politischen und sozia-

len Entwicklung. Ihr zentrales gesellschaftliches Problem ist die anhaltende hohe Ar-

beitslosigkeit, die von einer Stagnation des wirtschaftlichen Wachstums begleitet ist.

Jede Strategie zur Überwindung dieser schwierigen Situation schließt Anstrengungen

zur Aktivierung unternehmerischen Handelns ein, um über zukünftige Innovationen neue

Märkte zu erschließen. Hierbei erhalten Forschung und Entwicklung eine entscheidende

Schlüsselfunktion.

Gesundheit als gesellschaftliche Aufgabe

Der Fortschritt unserer technologisch geprägten Gesellschaft hat hinsichtlich der zu er-

wartenden Lebensqualität eine höhere Sensibilität und damit zugleich auch eine neue

Dimension bewusster Verantwortung für eine individuell angepasste Lebensführung ein-

geleitet. Das Bedürfnis nach einer sicheren Beherrschung dessen, was wir Gesundheit

und Sicherheit nennen, hat eine zunehmende Aktualität erhalten. Der technologische

Fortschritt orientiert sich an gesellschaftlichen Zielsetzungen zur gesicherten Entwick-

lung natürlicher Lebensprozesse.

Die Verbesserung der Lebensqualität ist eine Herausforderung für alle Aktionspotenziale

in Wissenschaft und Wirtschaft, die die Lebensfähigkeit der Menschheit gestalten und

damit auch Verantwortung für die Gesundheit der Gesamtheit wie für das Individuum

tragen.

Das Gesundheitswesen hat höchste Priorität in der Lebensgestaltung der Menschen.

Deshalb steigt die Bereitschaft, hierfür zu investieren. Die Nachfrage am Gesundheits-

markt wird nicht nur die mobile Gerätetechnik voranbringen, sondern zunehmend auch

die Gesundheitskultur ganzheitlich verändern.

Präventive Vorsorge ist zu einem umfassenden Thema der Lebensgestaltung geworden.

Es ist Aufgabe der Gesundheitswirtschaft, diesen innovativen Trend zur Verbesserung

der gesundheitstechnologischen Versorgung marktgerecht aufzubereiten.

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Aktivierung der Gesundheitswissenschaft

Die Wirtschaft ist künftig als Ideengeber mehr denn je auf eine Aktivierung der For-

schung angewiesen. Die Erneuerung der Innovationskultur in unserer Gesellschaft ist

kein Luxus, sie ist bittere Notwendigkeit für die Sicherung unserer Lebensbedingungen.

Die Gesundheitswissenschaften müssen sich zu ihrer besonderen Eigenverantwortung

bekennen und ihre Innovationsfähigkeit zur Lösung anstehender Probleme der realen

Welt steigern. Diese konzentrieren sich als vordringliche Herausforderung auf das

Wachstum unseres Wirtschaftspotenzials. Es gilt, den Innovationsbedarf im Gesund-

heitswesen zu erkennen und darauf angepasste Forschungs- und Entwicklungsprozesse

auszulösen.

Diese Fähigkeit zu steigern ist eine der wichtigsten Aufgaben des Wissenschaftsmana-

gements. Hierzu gehören alle Maßnahmen, die das kreative Leistungspotenzial der Insti-

tute zur optimalen Entfaltung bringen. Wichtig ist eine zielgerichtete und intensive Beglei-

tung der Innovationsprozesse durch die medizinische Forschung, wobei auf eine wir-

kungsvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten zu achten ist. Hierbei kann ein anregendes

Wechselspiel zwischen internen und externen Arbeitsgruppen sehr erfolgreich sein.

Gesundheitswissenschaftliche Forschung benötigt immer wieder Innovationsmotivatio-

nen, die von Visionen geleitet das Ideenreichtum entfalten. Hierzu muss ein geeignetes

Klima zwischen Forschung und Praxis entwickelt und gepflegt werden. Die Innovations-

fähigkeit ist dann besonders hoch, wenn sich Innovationspotenziale interdisziplinär mit-

einander verdichten.

Gesundheit entsteht durch Regulation

Die Lebenswissenschaften können in ihrer Gesamtheit als interdisziplinär vernetztes

System von Erkenntnissen gedeutet werden. Sie beziehen sich auf die Erforschung bio-

logischer Organismen, die durch Stoffwechsel, Reizbarkeit, Fortpflanzung und Wachs-

tum gekennzeichnet sind und deren Lebensprozess durch Selbstregulation beeinflusst

wird. Objekt ihrer Forschung sind dynamische Systeme mit biotischen Prozessen, deren

Qualitätszustand durch das Verhalten von Prozessparametern bestimmt wird, die auf

einen optimalen Prozesszustand zielen, dessen Normalität durch den Begriff Gesundheit

umschrieben wird. Gesundheit ist somit ein angestrebter Zustand der Normalität bioti-

scher Systeme mit möglichst hoher Funktionserfüllung ihrer regulierbaren Prozesspara-

meter im Sinne optimaler Zielerreichung der Gesamtfunktion. Gesundheit entsteht als

Ergebnis der Regulierung dynamischer Lebensprozesse. Dies kann aus dem biotischen

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Generierungspotenzial durch medizinische Behandlung, aber auch durch präventive

Überwachung des Gesundheitszustands erfolgen.

Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als einen Zustand vollständigen

körperlichen, seelischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Dieser umfasst also

mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. Gesundheit wirkt als kom-

plexes System interaktiver Potenzialfaktoren, deren Momentanzustand von zahlreichen

und sehr unterschiedlichen Einflussgrößen abhängig ist.

Die Einbindung gesellschaftlicher Faktoren in die Bewertung menschlicher Lebensfor-

men geht über den Wirkbereich der Selbstregulation biotischer Systeme hinaus und

macht die Einführung gezielter regulativer Maßnahmen von außen erforderlich.

Gesundheitsqualität durch sensorische Kontrolle

Durch exosomatische Hilfsmittel können Mängel der Organe, aber auch die rückentwi-

ckelten Instinkte des Menschen kompensiert werden. Wir verfügen bereits über zahlrei-

che Instrumente, die funktional orientiert den Gesundheitszustand überwachen und be-

einflussen.

Aus den Erkenntnissen wissenschaftlicher Forschung hat sich der Mensch ein technolo-

gisches Nutzungspotenzial geschaffen, das seine Lebenswelt umgestaltet. Es handelt

sich um eine Hilfswelt, die durch Wissen und Kreativität sowohl die Lebensqualität anrei-

chert als auch der Gesundheitsförderung dienen kann.

In Anlehnung an Begriffe der Qualitätswissenschaft könnte der Begriff „Gesundheitsfä-

higkeit“ als Verhältnis gemessener Gütekriterien zu der Streuung der Werte eingeführt

werden. Dabei lassen sich stoff-, energie- und informationsbezogene Gütekriterien, aber

auch solche des psychosozialen Wohlbefindens unterscheiden.

Eine instrumentalisierte Hilfswelt ermöglicht es, in den subjektiven Prozess der Regulie-

rung des Gesundheitszustands einzugreifen. Als einziges Lebewesen ist der Mensch zur

technologischen Überwachung seines Gesundheitspotenzials fähig.

In der modernen Medizin haben Laboruntersuchungen für die Diagnose von Krankheiten

eine große Bedeutung erlangt. Das eingespielte System einer Beauftragung durch ärztli-

che Entscheidung hat sich sowohl zur Verlaufskontrolle von Behandlungen als auch zur

Beobachtung des Gesundheitszustands bewährt.

Im Schrifttum wird geschätzt, dass mehrere Tausend verschiedene Labortests zur Ver-

fügung stehen. Die Entwicklung geht weiter stürmisch voran. Dennoch ist Kritik ange-

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bracht, denn es ist angesichts der hohen Komplexität der Thematik nur nach längerer

Erfahrung möglich, die Zuverlässigkeit der Messungen zu verantworten.

Trotz der kritischen Einstellungen zur Labordiagnostik bleibt festzustellen, dass die dia-

gnostische Medizintechnik weit reichende Fortschritte gemacht hat, sodass unter Einbe-

ziehung leistungsfähiger Informations- und Kommunikationssysteme neue Modelle der

Gesundheitsregulierung angedacht werden können. Hier liegt auch ein wichtiger Schlüs-

sel zur Rationalisierung der Kostenstruktur unseres Gesundheitswesens.

Eine gesundheitsorientierte Regulierung von Lebensprozessen ist auf die Aktivierung

von Potenzialen zur Abwendung von Störwirkungen gerichtet. Dies erfordert eine strate-

gische Beeinflussung der Prozessparameter nach normativen Leitfunktionen. Einfluss-

größen zur Optimierung des Prozesszustands könnten als Gesundheitsparameter, sol-

che mit Störwirkung als Störparameter definiert werden.

Einfache biotische Systeme folgen einer natürlichen Instinktfunktion, höhere Systeme

verfügen über Lernfunktionen, die sich beim Menschen über Selbstwahrnehmung zur

bewussten Selbstbeobachtung mit mentaler Steuerung ausgeprägt haben. Es lassen

sich somit aus der Analyse der Regulationsfunktionalität natürliche Systeme der Selbst-

regulation von den organisierten Systemen der Fremdregulation unterscheiden.

Die sensorische Erfassung des Prozesszustands biotischer Systeme führt zu einem ver-

fügbaren Gesundheitsprofil, das durch die aktuellen Werte der Gesundheitsparameter

als Regulationsbasis dient. Hieraus leiten sich konsequenterweise spezielle Gesund-

heitsstrategien als wichtige Voraussetzung zur Parametersteuerung ab.

Die fortgeschrittene Informationstechnik ermöglicht erhebliche Verbesserungen zu einer

solchen Fremdregulierung durch systemtechnische Kontrolle des Gesundheitszustands.

Sie vermittelt neue Medien, Verfahren und Systeme zur Optimierung von Lebensprozes-

sen.

Man könnte von einer wissensbasierten Handlungsfähigkeit zur bewussten Regulierung

des individuellen Gesundheitszustands sprechen. Dies bedeutet eine Umorganisation

der alltäglichen Lebensführung im Sinne einer erhöhten Aufmerksamkeit für Folgewir-

kungen bestimmter Handlungsweisen. Hierin sind die Möglichkeiten zur Selbstbildung

und Selbsterziehung eingeschlossen. Mit anderen Worten heißt das, dass sich innere

oder äußere Störwirkungen auf die Gesundheit durch gezielte Regulation kompensieren

lassen.

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Innovative Gesundheitstechnologie

Die Gesundheitstechnologie verändert die Gesundheitsversorgung unserer Gesellschaft

durch einen fortschreitenden Innovationsprozess. Sie zielt auf eine Nutzung wissen-

schaftlicher Forschungsergebnisse in Verbindung mit erfinderischem Handeln. Ihr Wirk-

bereich umfasst nicht nur die Diagnose und Therapie, sondern zunehmend auch die

Prävention (Bild 1).

Im gesamten Gesundheitswesen ist ein Wandel von Wertvorstellungen erkennbar, der

zu einem kritischen Bewusstsein geführt hat. Die Politik hat in ihrer normativen Funktion

Wissenschaft und Technologie vor große Herausforderungen gestellt. Insbesondere gilt

dies für die Gesundheitstechnologie, deren Fortschritt die Ergebnisse medizinischer For-

schung mit den der innovativen Technikwissenschaften integriert. Die Gesundheitstech-

nologie umfasst die Gesamtheit aller Mittel und Verfahren der Technikwissenschaften

zur Nutzbarmachung im Gesundheitswesen.

Angesichts ihrer zunehmenden Komplexität und innovativen Dynamik erwächst das Be-

mühen um eine Definition dessen, was wir unter Gesundheitstechnologie verstehen wol-

len. Dabei müssen wir über den konventionellen Wirkungskreis der Medizintechnik hi-

nausgehen und den Dialog auch mit anderen Wissenschaftsdisziplinen suchen. Es stellt

sich auch die Frage nach dem eigenen Standort und nach der Ausrichtung einer integra-

tiv orientierten Leitdisziplin der Gesundheitstechnologien. Der Versuch einer Einteilung

macht ein Begriffsgemenge unklarer Abgrenzung deutlich. Klärungsprozesse sind not-

wendig, die nur schrittweise erfolgen können und einer vertiefenden Diskussion bedür-

fen.

Mit zunehmendem technischem Fortschritt hat sich das Sachpotenzial des Gesund-

heitswesens geändert. Eine steigende Sensibilisierung der Öffentlichkeit hat zu einem

sozioökonomischen Erwartungsdruck gegenüber Forschung und Technologie geführt.

Es gelten nicht mehr allein die Zwänge medizinischer Präferenzen, sondern auch zu-

nehmend die der ökonomischen Vernunft. Der Fortschritt in der Gesundheitstechnologie

erfordert auch wirtschaftlich verträgliche Versorgungsstrukturen, die den technologi-

schen Innovationsdruck verkraften und verarbeiten können. Bild 2 zeigt die Wirkrichtun-

gen innovativer Gesundheitstechnologien.

Systemlehre der Gesundheitsprozesse

Die Grundfunktion des Systems Gesundheitstechnologie besteht darin, aus Ressourcen

der wissenschaftlichen Forschung ein Nutzungspotenzial zur Verbesserung der Ge-

sundheitsqualität der Menschen zu entwickeln.

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Der als gesund definierte Normalzustand biotischer Systeme setzt enge Toleranzgren-

zen der Wirkparameter. Dies stellt hohe Anforderungen an die Regulation zur Führung

der Prozessparameter.

Wenn der Gesundheitsprozess in einem dynamischen System verläuft, das durch mate-

rielle, energetische und informationelle Transformationen gekennzeichnet ist, lässt sich

die Folgerung ableiten, dass er auch als systemtechnisches Modell formulierbar ist.

Um im Systembild zu bleiben, geht es beim Bemühen um einen optimalen Gesundheits-

zustand darum, die Lebensprozesse durch aktorische Hilfsmittel, insbesondere aber

durch technologische Regulationssysteme, zu beeinflussen.

Aus diesen Überlegungen kann eine übergeordnete, technologisch orientierte Fachdis-

ziplin abgeleitet werden, die als technologische Wissenschaft die instrumentelle Regula-

tion von Gesundheitsprozessen betreibt und als System von Erkenntnissen und Metho-

den auf die Erforschung der Erscheinungsformen von Gesundheit mit dem Ziel gerichtet

ist, die Gesundheitsprozesse zu stabilisieren und zu optimieren (Bild 3).

In diesem Bereich liegt ein wachstumsfähiges Innovationspotenzial. Dies richtet sich

nicht nur auf die Überwachung von Behandlungen bei Krankheiten, sondern vielmehr auf

die Möglichkeiten einer permanenten Kontrolle des Gesundheitszustands.

Bewusstes Gesundheitsmanagement erfordert Datenkenntnisse, um regulativ handeln

zu können. Der technologische Fortschritt der medizinischen Gerätetechnik bietet ein

breites Sortiment von Möglichkeiten an, die individuelle Gesundheitsüberwachung durch

Messdaten zu objektivieren. Sicherlich muss ergänzend dazu Aufklärungsarbeit geleistet

werden und eine ärztliche Beratung unverzichtbar bleiben. Andererseits entsteht zuneh-

mend ein Markt für technologische Hilfsmittel zur Förderung der Gesundheit. Es gilt,

schädlichen Wildwuchs zu vermeiden und durch wissenschaftliche Beratung eine geziel-

te Gesundheitsförderung einzuleiten.

Die Informationstechnik wird über verfügbare Netzwerke neue Wege der Gesundheits-

technik öffnen. Die Überwachung des individuellen Gesundheitsprofils zur Förderung der

Selbstregulation ist ein interessantes Entwicklungsfeld. Bild 4 zeigt die Differenzierung

der Gesundheitstechnologie nach ihren unterschiedlichen Aufgabenstellungen.

Die fortgeschrittenen Gesundheitstechnologien sind anwendungsorientiert ausgerichtet.

Sie kommen als soziotechnische Reform des Gesundheitswesens zur Entfaltung, ge-

bunden an die Realität des Gegenwärtigen. Sie benötigen zu ihrer praktischen Akzep-

tanz den notwendigen Reifegrad für die Anwendung in der medizinischen Versorgung.

Der Fortschritt im Gesundheitswesen beruht auf Ergebnissen medizinischer Forschung,

aber auch auf Erfindungsreichtum im praktischen Gestalten der medizintechnisch orien-

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tierten Produktionswirtschaft (Bild 5). Ziel ist eine Hilfswelt zur Verbesserung körperlicher

Funktionen präventiver, diagnostischer und therapeutischer Art.

Es handelt sich um eine medizintechnische Hilfswelt, die funktional orientiert der Befrie-

digung des Bedarfs im Gesundheitswesen dient. In Verbindung mit der medizinischen

Forschung bildet die Gesundheitstechnologie ein Nutzungspotenzial zur Dienstbarma-

chung des technologischen Fortschritts.

Innovationsrisiko der Gesundheitstechnologie.

Der Innovationsprozess bis zur Markteinführung medizinischer Produkte ist risikobehaf-

tet. Zur Begleitung sind Spezialisten gefragt, von Erfahrung geprägt und verantwor-

tungsbereit für das Neue, aber auch vom Bewusstsein bestimmt, dass Neues kein

Selbstläufer ist. Hast und Hetze sind für das Neue verderblich. Bewährtes muss im Neu-

en erhalten bleiben. Zuviel Neues erhöht das Risiko der Funktionalität. Die Weisheit des

Entwicklers begründet sich in der Dosierung des Neuen. Sorgfalt ist ein höchstes Gut im

Innovationsprozess (Bild 6).

Es ist richtig und unbestreitbar, dass die Durchsetzung des Neuen auch des Mutes be-

darf. Fragwürdig wird allerdings schon der Begriff „Risikofreude“. Risiko ist für jeden, der

es eingeht, sehr gefährlich. Besonders dann, wenn schädliche Folgen auf eine personifi-

zierbare Verantwortungskette zurückzuführen sind. Risiko einzugehen ist deshalb eher

eine Frage der Vernunft und des Wissens als die einer Freude, die eher dem Leitsinn

nahe steht. Nicht Mut und Risikofreude, sondern Wagnis und Vernunft sind die Begleit-

faktoren des Neuen.

Gesundheitstechnologie ist zukunftsorientiert, sie verarbeitet das Neue, das sie entdeckt

oder erfunden hat. Neue Fragestellungen führen zu neuen Forschungsrichtungen. Sie

aktivieren neue Strukturen der medizinischen Forschung. Das Neue sichert die Zukunft.

Trotz Risiko müssen wir das Neue wollen.

Um das Neue zur Nutzung zu führen, muss der schöpferisch tätige Gesundheitsingeni-

eur auch unternehmerisch denken. Dazu muss er den Markt kennen, wobei auch der

Zeitpunkt für einen Innovationserfolg richtig gewählt sein will. Auch ist der Wettbewerb

nicht zu unterschätzen.

Die Bewertung von Innovationen erfolgt nach ihrem Nutzen. Dabei kann sich dieser

sprunghaft oder allmählich entwickeln. Das Neue allein bewirkt noch keinen wirtschaftli-

chen Fortschritt, dieser ist erst mit der Durchdringung des Markts erreicht. Innovationen

sind jedoch nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich zu bewerten.

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Das Neue entsteht nicht durch Zufall, es entsteht durch mühsames Erfinden. Die Lösung

technologischer Aufgaben ist sowohl methodisch begleitet als auch von Kunstfertigkeit

gekennzeichnet. Auch heute hat die Tätigkeit von Ingenieuren noch immer einen Hauch

der Renaissance, als ihr Tun den „Nützlichen Künsten“ zugeordnet wurde. Allerdings ist

ihr Wirkfeld schon lange nicht mehr künstlerisch profiliert. Der „Unbekannte Ingenieur“

vollbringt den Fortschritt. Aus der Ingenieurkunst des Individuums ist das Erfolgserlebnis

der sozialen Gemeinsamkeit eines Unternehmens zum Schaffen des Neuen geworden.

Das individuelle Können findet auch im sozialen Können die Erfüllung subjektiver werte.

Der Gemeinschaftserfolg ist immer auch ein Einzelerfolg.

Die Kunstfertigkeit zur Schaffung des Neuen wird von innovativer Kreativität getragen,

die Wissen und Weisheit, Handlungsfähigkeit und Inspiration vereinigt und sich der inno-

vativen Vernunft als Regulativ bedient. Dabei ist der Erfolg meistens ein Produkt sozialer

Gemeinsamkeit, ein Netzwerk individueller Leistungen.

Prof. Dr. hc. mult. Dr.-Ing. Günter Spur

Literatur

Spur, G.: Gesundheitsregulierung unter Nutzung intelligenter Technologien.

ZWF 96 (2001) 10, S. 518-519

Spur, G.: Technologische Innovationen – Ingenieure in der Verantwortung für das Neue.

ZWF 98 (2003) 3. S. 70-71

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Adressenliste TU-interner Kooperationspartner