33
Seminarprogramm: Lernzielkonzept des Seminars ZfsL Recklinghausen, Seminar GyGe 28.06.2003 Seite 1 von 33 Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Recklinghausen Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen Herzogswall 38a, 45657 Recklinghausen, Tel. 02361-24106, FAX -181575 Seminarprogramm, hier: Lernzielkonzept des Seminars Inhaltsverzeichnis Seite 1. Vorbemerkungen 2 1.1. Definition des Begriffs „Lernziel“ 2 1.2. Lernbegriff nach H. Roth 2 1.3. Das Lernziel aus verschiedenen Perspektiven 3 2. Zur Bestimmung von Lernzielen 3 2.1. Lernziele einer Reihe 3 2.1.1. Die didaktische Funktion der Lernziele der Reihe 3 2.1.2. Zur Bestimmung der Lernziele der Reihe 4 2.2. Lernziele einer Unterrichtsstunde 5 2.2.1. Die didaktische Funktion des Schwerpunktlernziels (SPLZ) 5 2.2.2. Die didaktische Funktion des "weiteren wichtigen Lernziels" (wwLz) 6 2.2.3. Die Bestimmung der Lernziele der Stunde 7 2.2.4. Zum zeitlichen Entscheidungsprozess für das Schwerpunktlernziel, das weitere Lernziel und das Thema einer Stunde 8 2.2.5. Zur Formulierung der Lernziele der Stunde 8 2.2.6. Nachbemerkung: Lernprozess versus Stundenprozess 9 2.3. Anmerkungen zur Bestimmung von Lernzielen 9 2.3.1. Zur „Dimensionierung“ des Unterrichts 9 2.3.2. Zum Begriff "Lernzielkontrolle" 11 2.3.3. Bemerkungen zu drei verschiedenen Einleitungsformeln für die Formulierung eines Lernziels 12 3. Zur Festlegung des Unterrichtsthemas 13 3.1. Vorbemerkung 13 3.2. Zum Begriff Unterrichtsthema 14 3.3. Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas 14 3.4. Die Formulierung des Themas 15 3.5. Die Verortung einer Unterrichtsstunde in einen thematischen Zusammenhang/in einer Unterrichtsreihe bzw. -vorhaben 15 3.6. Die Einflussfaktoren bei der Bestimmung des Unterrichtsthemas 15 3.7. Nachbemerkung 16 4. Begründungen zur Schwerpunktsetzung im Lernzielkonzept 16 5. Anhang: A1 Schema: Mögliche Einflussfaktoren für die Bestimmung von Lernzielen (der Reihe) 19 A2 Zur „Hierarchisierung“ von kognitiven Lernzielen (Gage, Berliner) 20 A3 Das Ordnungsschema für den kognitiven Bereich (S. Thiel) 21 A4 Das Ordnungsschema für den affektiven Bereich (S. Thiel) 22 A5 Erläuterungen der affektiven Hierarchiestufen n. Krathwohl von H. Meyer 24 A6 Die Taxonomien als Hilfsmittel zur Entdeckung von Lernzielen (S. Thiel) 27 A7 Erläuterungen der psychomotorischen Hierarchiestufen n. R.H. Dave 28 A8 Nicht-akademische“ Lernziele zur leistungsthematischen 29 Persönlichkeitsentwicklung

Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung ... · spektrum statt z.B. hauptsächlich kognitiv akzentuierte und fachlich-sachliche Lernziele an-zustreben. 3 1.3. Das Lernziel aus

Embed Size (px)

Citation preview

Seminarprogramm: Lernzielkonzept des Seminars

ZfsL Recklinghausen, Seminar GyGe 28.06.2003 Seite 1 von 33

Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Recklinghausen Seminar für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen

Herzogswall 38a, 45657 Recklinghausen, Tel. 02361-24106, FAX -181575

Seminarprogramm, hier:

Lernzielkonzept des Seminars

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Vorbemerkungen 2 1.1. Definition des Begriffs „Lernziel“ 2 1.2. Lernbegriff nach H. Roth 2 1.3. Das Lernziel aus verschiedenen Perspektiven 3 2. Zur Bestimmung von Lernzielen 3 2.1. Lernziele einer Reihe 3 2.1.1. Die didaktische Funktion der Lernziele der Reihe 3 2.1.2. Zur Bestimmung der Lernziele der Reihe 4 2.2. Lernziele einer Unterrichtsstunde 5 2.2.1. Die didaktische Funktion des Schwerpunktlernziels (SPLZ) 5 2.2.2. Die didaktische Funktion des "weiteren wichtigen Lernziels" (wwLz) 6 2.2.3. Die Bestimmung der Lernziele der Stunde 7 2.2.4. Zum zeitlichen Entscheidungsprozess für das Schwerpunktlernziel, das weitere Lernziel und das Thema einer Stunde 8 2.2.5. Zur Formulierung der Lernziele der Stunde 8 2.2.6. Nachbemerkung: Lernprozess versus Stundenprozess 9 2.3. Anmerkungen zur Bestimmung von Lernzielen 9 2.3.1. Zur „Dimensionierung“ des Unterrichts 9 2.3.2. Zum Begriff "Lernzielkontrolle" 11 2.3.3. Bemerkungen zu drei verschiedenen Einleitungsformeln

für die Formulierung eines Lernziels 12 3. Zur Festlegung des Unterrichtsthemas 13 3.1. Vorbemerkung 13 3.2. Zum Begriff Unterrichtsthema 14 3.3. Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas 14 3.4. Die Formulierung des Themas 15 3.5. Die Verortung einer Unterrichtsstunde in einen thematischen

Zusammenhang/in einer Unterrichtsreihe bzw. -vorhaben 15 3.6. Die Einflussfaktoren bei der Bestimmung des Unterrichtsthemas 15 3.7. Nachbemerkung 16 4. Begründungen zur Schwerpunktsetzung im Lernzielkonzept 16 5. Anhang: A1 Schema: Mögliche Einflussfaktoren für die Bestimmung von Lernzielen

(der Reihe) 19 A2 Zur „Hierarchisierung“ von kognitiven Lernzielen (Gage, Berliner) 20 A3 Das Ordnungsschema für den kognitiven Bereich (S. Thiel) 21 A4 Das Ordnungsschema für den affektiven Bereich (S. Thiel) 22 A5 Erläuterungen der affektiven Hierarchiestufen n. Krathwohl von H. Meyer 24 A6 Die Taxonomien als Hilfsmittel zur Entdeckung von Lernzielen (S. Thiel) 27 A7 Erläuterungen der psychomotorischen Hierarchiestufen n. R.H. Dave 28 A8 „Nicht-akademische“ Lernziele zur leistungsthematischen 29 Persönlichkeitsentwicklung

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 2 von 33

Lernzielkonzept des Seminars 1. Vorbemerkungen Im Gegensatz zur Stofforientierung in der Vergangenheit sind die Richtlinien und Lehrpläne des Landes NRW heute lernzielorientiert konzipiert. Jeder Lehrer ist deshalb verpflichtet, bei der Planung seines Unterrichts dieses Prinzip "Lernzielorientierung", d.h. die Orientierung des Unterrichts an pädagogischen Intentionen, zu berücksichtigen. Auch alle heutigen di-daktischen Theorieentwürfe enthalten dieses Prinzip als einen grundlegenden Bestandteil (s. z.B. den "Primat der Zielentscheidungen" in W. Klafkis: "Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik - Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik“, Weinheim 94, 4. erweiterte und durchgesehene Auflage, S. 259). Die Lernzielorientierung des Unterrichts bedeutet, bei der Planung, Durchführung und Reflexion des Unterrichts stets vom Schüler und seiner zukünftigen Lebensbewältigung her zu denken. Gemeint ist damit die Bewältigung von zukünftigen Aufgaben

- in der Schule und /oder - außerhalb der Schule und/oder - nach der Schulzeit.

Das hier dargestellte Konzept der Bestimmung von Lernzielen des Unterrichts, bestehend aus � den "Lernzielen der Reihe1" und � einem "Schwerpunktlernziel" und einem "weiteren wichtigen Lernziel"

(bzw. "weiteren wichtigen Lernzielen") der Unterrichtsstunde stellt eine Möglichkeit dar, die Lernzielorientierung in der Unterrichtsplanung i.S. der Richt-linien und Lehrpläne umzusetzen. 1.1. Definition des Begriffs „Lernziel“: Mit einem Lernziel wird ein antizipierter Lernzuwachs2 formuliert. 1.2. Lernbegriff Bei der Definition des Begriffs 'Lernziel' im Sinne der Richtlinien und Lehrpläne muss ein weiter Lernbegriff mitgedacht werden. Die Lerndefinition von H. Roth bildet dafür immer noch einen sehr guten Rahmen (Päd. Psychologie des Lehrens und Lernens, S.188):

"Pädagogisch gesehen bedeutet Lernen die Verbesserung oder den Neuerwerb von Ver-haltens- und Leistungsformen und ihren Inhalten. Lernen meint aber meist noch mehr, nämlich die Änderung bzw. Verbesserung der diesen Verhaltens- und Leistungsformen vo-rausgehenden und sie bestimmenden seelischen Funktionen des Wahrnehmens und Den-kens, des Fühlens und Wertens, des Strebens und Wollens, also eine Veränderung der in-neren Fähigkeiten und Kräfte, aber auch der durch diese Fähigkeiten und Kräfte aufge-bauten inneren Wissens-, Gesinnungs- und Interessenbestände des Menschen. Die Ver-besserung oder der Neuerwerb muss auf Grund von Erfahrung, Probieren, Einsicht, Übung oder Lehre erfolgen und muss dem Lernenden den zukünftigen Umgang mit sich oder der Welt erleichtern, erweitern oder vertiefen. Das Lernen muss ihm helfen, sich

1 Definition der Begriffe Unterrichts-„Reihe“ bzw. -„Vorhaben“, -„Sequenz“ und -„Stunde“: Unter dem Begriff Unterrichtsreihe (oder U-„Vorhaben“) wird in diesem Konzept ein etwas größerer, abgeschlossener, themati-scher Zusammenhang verstanden. In der Regel wird sich eine Unterrichtsreihe bzw. ein Unterrichtsvorhaben in thematische U´-Sequenzen und diese in U´-Stunden gliedern. Mit "Stunde" bzw. "Unterrichtsstunde" ist eine Einzelstunde von 45 Minuten oder eine Doppelstunde von 90 Minuten gemeint - in denen sich nicht immer ´das Thema der Stunde´ bzw. das ´Schwerpunktlernziel der Stunde´ vollständig erarbeiten lassen. 2 Es wird hier bewusst nicht der Begriff Lernertrag, Lernergebnis oder Lerngewinn verwendet, weil der Begriff „Lernzuwachs“ deutlicher den Prozesscharakter des Lernens ausdrückt.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 3 von 33

selbst besser zu verwirklichen, d.h. sich selbst besser in die Welt hineinzuleben, und das Lernen muss ihm auch helfen, die Inhalte und Forderungen der Welt angemessener zu verstehen und zu erfüllen, d.h. ihnen besser gewachsen zu sein. Wir hoffen nach dem ge-lungenen Abschluss eines Lernprozesses, dass wir gleiche, ähnliche und neue Aufgaben des Lebens besser lösen können. Lernen umfasst auch den Abbau von Verhaltens- und Leistungsformen, die dem Lernenden den Umgang mit sich oder der Welt erschweren, be-engen oder verflachen." (Auch die der Seite 188 folgenden sind immer noch sehr lesenswert.)

Entsprechend dieser klassischen Definition von schulischem Lernen muss es Aufgabe der Ausbildung sein, die Referendare dazu anzuhalten, ein breites und differenziertes Lernziel-spektrum statt z.B. hauptsächlich kognitiv akzentuierte und fachlich-sachliche Lernziele an-zustreben.3 1.3. Das Lernziel aus verschiedenen Perspektiven: Aus der Sicht des Lehrers: Der vom Lehrer antizipierte Lernzuwachs der Schüler, wie er bei den Schülern während des Unterrichts entstehen sollte (in der Literatur auch oft „Lehrziel“ genannt). Aus der Sicht des Schülers: Der Lernzuwachs, den der Schüler erreichen möchte. Davon verschieden und zu unterscheiden ist der tatsächliche Lernzuwachs (er muss weder dem Schüler noch dem Lehrer vollständig bekannt sein bzw. werden).

Das Grundproblem des Unterrichts und des Unterrichtens ist die Differenz zwischen der Lehrabsicht des Lehrers ("die Schüler sollen ... können“ / „mit der Stunde möchte ich haupt-sächlich erreichen, dass ...“), der Lernabsicht des Schülers ( "ich möchte/will ... können) und dem tatsächlichen Lernzuwachs des Schülers. Eine entscheidende Hilfe für dieses Grund-problem des Unterrichts ist die Verständigung aller Beteiligter und Betroffener an dem Un-terrichtsprozess und seinen einzelnen Schritten über die möglicherweise verschiedenen beiden Lernzielperspektiven und über den tatsächlich erreichten Lernzuwachs. Ein Nachdenken über Unterricht muss deshalb Fragen der Verständigung über die situativen Lernausgangslagen, die situativen Lernabschlusslagen und die aktuellen Prozessbedingungen zwischen ihnen zum Mittelpunkt haben. Das muss - eigentlich - mit allen Beteiligten gesche-hen, d.h. Metakommunikation und Mitbeteiligung der Schüler am Unterricht ergeben sich hier nicht als Ziele sozialen Lernens neben anderen Zielen, sondern als grundsätzliche Bedin-gungen der Möglichkeit für lernwirksamen und im Sinne der Richtlinien und Lehrpläne ver-antwortbaren Unterricht. 2. Zur Bestimmung von Lernzielen 2.1. Lernziele der Reihe 2.1.1. Die didaktische Funktion der Lernziele der Reihe Folgende Überlegungen lassen es sinnvoll erscheinen, Lernziele auf der Reihenebene zu bestimmen. 1. Die Zielsetzung für eine einzelne Unterrichtsstunde bedarf einer stundenübergreifenden

Legitimation . Diese Legitimation wird u.a. durch die Anbindung der Zielsetzung einer Stunde an die in den Lehrplänen aufgeführten Aufgaben und Ziele des Faches gewährleis-tet. Nun besitzen diese in den Lehrplänen aufgeführten Aufgaben und Ziele in der Regel einen so hohen Grad an Allgemeinheit und Komplexität, dass eine unmittelbare Anbin-dung der Zielsetzung einer Stunde an sie nicht möglich erscheint, ohne dass man der Be-

3 Vgl. 2.3.1. Zur „Dimensionierung“ des Unterrichts, S. 9f

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 4 von 33

liebigkeit bei der Bestimmung von Zielsetzungen der Stunden "Tür und Tor" öffnet. Des-halb ist es in der Regel notwendig, für die Legitimation einzelner Unterrichtsstunden Lernziele festzulegen, die auf einer "niedrigeren" als der Lehrplanebene angesiedelt sind, um zwischen den Lernzielen der einzelnen Unterrichtsstunden und den in den Lehrplänen aufgeführten Aufgaben und Zielen zu "vermitteln".

2. Der Lehrer, der den Anforderungen der Richtlinien und Lehrpläne wirklich gerecht wer-

den will, muss Lernziele in allen Dimensionen4 menschlichen Handelns verfolgen und im Unterricht alle Dimensionen menschlichen Handelns funktional ausgewogen zur Geltung bringen, anders gesagt, die Ganzheitlichkeit der Lernenden, der Unterrichtsgegenstände, des Prozesses der Auseinandersetzung und des Lernens erhalten und ggf. betonen. Der traditionelle, gymnasiale Unterricht steht oft in der Gefahr, dass bei der Festlegung der Lernziele der Unterrichtsstunden ausschließlich die kognitive Dimension beachtet wird. Einer solchen einseitigen Ausrichtung des Lernens kann entgegen gewirkt werden, wenn wenigstens stundenübergreifend Lernziele in den unterschiedlichen Dimensionen bestimmt und verfolgt werden.

3. Viele wichtige Lernziele sind nicht in einer einzelnen Unterrichtsstunde zu erreichen, sondern erst im Verlaufe eines längeren Lernprozesses. Dieser Prozesscharakter des Lernens kann dadurch betont werden, dass stundenübergreifende Lernziele bestimmt werden, die den Prozesscharakter des Lernens und die Bedeutung der einzelnen Stunde für den Prozess in einem übergeordneten Zusammenhang gewährleisten und darstellen.

Insgesamt erscheint es aus der Sicht des planenden Lehrers realistisch und aus der Sicht der mitplanenden Schüler sinnvoll, die Unterrichtsreihe bzw. das Unterrichtsvorhaben als die Ebene zu betrachten, auf die die Stundenziele angemessen konkret und zugleich nachvoll-ziehbar bezogen werden können. Die Lernziele der Reihe machen demnach deutlich, welchen Beitrag die Auseinandersetzung der Schüler mit dem Unterrichtsgegenstand in einem bestimmten, überschaubaren Sinnzu-sammenhang und Zeitraum zur Erreichung der in den Richtlinien und Lehrplänen aufgeführ-ten Aufgaben und Ziele erbringen soll, d.h. was die Lernenden in der Unterrichtsreihe/dem Unterrichtsvorhaben stundenübergreifend lernen sollen. Diese Ebene ist - bezogen auf ein Schuljahr – in der Regel eine relativ "niedrige", stunden-übergreifende Lernziel-Ebene. Dass Lehrer und Schüler über die jeweilige Unterrichtsreihe bzw. über das jeweilige Unterrichtsvorhaben hinaus perspektiv- und umrisshaft zugleich auch in größeren Zusammenhängen planen sollen, bleibt deshalb eine selbstverständliche Forde-rung. Der Realisierung der stundenübergreifenden Lernziele der Reihe dienen die „Schwerpunkt-lernziele“ und die „weiteren wichtigen Lernziele“ der einzelnen Unterrichtsstunden. 2.1.2. Zur Bestimmung der Lernziele der Reihe Um Lernziele für eine Unterrichtsreihe zu entwickeln bzw. zu finden, haben der Lehrer und die mitplanenden Schüler sich in erster Linie an den in den Richtlinien und Lehrplänen enthaltenen Aufgaben und Zielen oder an den sonst aufgeführten Qualifikationen zu orien-tieren. Sind diese Angaben für die Planung einer Unterrichtsreihe zu allgemein und zu komplex, dann müssen Lernziele entwickelt werden, die so reduziert und konkret sind, dass sie in einer Unterrichtsreihe erreicht werden können. Bei dem Entscheidungsprozess über die Lernziele der Reihe wird man zunächst eine größere Anzahl von möglichen Lernzielen ins Auge fassen und dann die auswählen, die besonders situationsgerecht erscheinen und in Stimmigkeit zu allen anderen Planungsentscheidungen gebracht werden können. Die Entwicklung und die anschließende Auswahl von Lernzielen der Reihe wird beeinflusst von den verschiedensten Aspekten, die je Einzelfall unterschied-

4 vgl. 2.3.1. Zur „Dimensionierung“ des Unterrichts, S. 9f

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 5 von 33

lich gewichtig sein können (s. Schema: Mögliche Einflussfaktoren für die Bestimmung von Lernzielen, S. 19). Bei der Entscheidung über die Lernziele der Reihe sind prinzipiell nicht nur alle Einflussgrö-ßen zu berücksichtigen, sondern zusätzlich auch die Tatsache, dass alle genannten Einfluss-größen in einem mehr oder weniger engen Implikationszusammenhang stehen. Die Legitimation der Lernziele der Reihe ergibt sich dann zum einen aus den im Schema dargestellten Einzelaspekten, zum anderen muss der Prozess der Entscheidung über die Lernziele der Reihe ständig "gefiltert" werden durch bzw. rückbezogen werden auf die in den Richtlinien und Lehrplänen enthaltenen Vorgaben (die Pfeile im Schema sollen diese Filter-funktion veranschaulichen). Die Richtlinien und Lehrpläne wirken also auf zweifache Weise auf die Bestimmung der Lernziele der Reihe ein:

- Als Zusammenstellung von Einzelaspekten und - durch ihre Filterfunktion bei der Berücksichtigung aller anderen Aspekte bzw. da-

durch, dass die Lernziele der Reihe im Entwicklungsprozess ständig auf sie rückbezo-gen werden müssen.

2.2. Lernziele einer Unterrichtsstunde Verschiedene Gründe legen die Ansicht nahe, dass es für den unterrichtenden Lehrer und die mitplanenden Schüler sinnvoll ist, auf der Ebene der Unterrichtsstunde in der Regel nur weni-ge intentionale Lernziele ins Auge zu fassen5. Zusätzlich ist gut begründbar, von diesen we-nigen intentionalen Lernzielen einer Stunde nur eines schwerpunktmäßig zu verfolgen6. Die-ses Lernziel wird im Lernziel-Konzept des Seminars "Schwerpunktlernziel der Stunde“, die anderen werden "weitere wichtige Lernziele der Stunde“ genannt.7 2.2.1. Die didaktische Funktion des Schwerpunktlernziels (SPLZ) der Stunde 2.2.1.1. Das Konzept der Zielplanung mit Hilfe eines Schwerpunktlernziels richtet sich gegen

die Verwendung der Vorstellungen der "Curricularen Didaktik" (Ch. Möller) von der Technik der Lehrplanung mit Hilfe von Grob- und Feinzielen:

Die auf der Basis behavioristischer Lerntheorie gründende Vorstellung, dass das Lernen des Menschen linear verlaufe, die entsprechende Forderung nach der Auflö-sung des vorab definierten Lernergebnisses in klein(st)e Schritte eines Lernprozesses und die damit verbundene Absicht, den schrittweisen Lernerfolg der Schüler der Be-obachtung durch den Lehrer und damit der Steuerung von außen zugänglich zu ma-chen, führt im Bereich der Zielplanung zu der Forderung nach einer Operationalisie-rung von Lernzielen in Form von Feinzielen. Dieses Konzept ist nicht vereinbar mit dem den Richtlinien und Lehrplänen zu Grunde liegenden Bild von dem, der lernt bzw. lernen soll und mit einer entsprechenden Konzeption von Unterricht, die den Schüler zum Subjekt und Mittelpunkt des Lernprozesses und Wissenschaftspro-pädeutik und Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung im Sinne der Richtlinien zu seinen obersten Zielsetzungen erhebt.

2.2.1.2. Eine der Hauptursachen des Scheiterns von Unterricht ist darin zu sehen, dass es

den Referendaren bei einer Lernzielplanung mit einem Grobziel und einem Katalog von Feinzielen nur sehr schwer gelingt, einer Stunde einen tragfähigen Schwer-punkt zu geben. Die Vielzahl der Feinziele verstellt eher den Blick für das Wesentli-

5 Dass in jeder Unterrichtsstunde „heimlich“ und/oder bewusst funktional weitere Lerneffekte enthalten sind, wird dadurch weder bestritten, noch soll das vermieden werden. 6 S. Begründungen zur Schwerpunktsetzung im Lernzielkonzept, S. 16f 7 Ein Lernziel wird in diesem Lernzielkonzept „intentional“ genannt, wenn der/die Lehrende bewusst Lernhilfen für die Erreichung des Lernziels plant und im Unterricht einsetzt. Diese Bedingung eignet sich als Auswahlkrite-rium dafür, welche Lernziele der Stunde im Stundenentwurf ausgewiesen werden sollten.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 6 von 33

che, als dass sie das Zentrum der Stunde lernwirksam hervorheben würden (und das Grobziel hilft nicht, da es noch zu viele Konkretisierungsmöglichkeiten zulässt).

Bei der Schwerpunktsetzung geht es darum, dass der Lehrer mit den Schülern für sich und die Schüler möglichst genau die Zielrichtung bzgl. eines Lernzuwachses herausarbeitet, unter der die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand schwerpunktmäßig erfolgen soll.

2.2.1.3. Ein Konzept, das sich nicht an den Vorstellungen der curricularen Didaktik von der

Lernzielplanung orientiert, sollte auch dessen Begriffsinstrumentarium nicht verwen- den8.

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, vorrangig das Ziel zu formulieren, das angibt, was die Schüler vor allen Dingen lernen sollen bzw. können, um zukünftige Situationen besser bewältigen zu können. Dieses Ziel wird in diesem Lernzielkonzept Schwerpunktlernziel genannt. Das Schwerpunktlernziel erfüllt damit wesentliche didaktische Funktionen: 1. Es vermittelt eine klare Vorstellung von dem zentralen intendierten Lernzuwachs der Un-

terrichtsstunde bei den Schülern. 2. Es formuliert möglichst konkret den zentralen Beitrag der Stunde zur Erreichung der

Lernziele der Reihe. 3. Es dient als orientierende Größe für alle unterrichtsrelevanten Überlegungen, Entschei-

dungen und Aktivitäten (Planung, Durchführung und Reflexion des Unterrichts): � Misst man der Lernzielentscheidung einen Primat im Rahmen der gesamten Unter-

richtsplanung zu (und das ist mehr oder weniger in allen allgemeindidaktischen Theo-rien der Fall), dann kann das hier definierte Schwerpunktlernziel besser als etwa das Grobziel (n. Ch Möller) als zentrale Orientierung dienen, um Kriterien für die anderen unterrichtlichen Entscheidungen und für die Entwicklung und Bereitstellung von Lernhilfen zu gewinnen.

� Bei der Durchführung des Unterrichts bietet das Schwerpunktlernziel dem Lehrer

und den Schülern eine Hilfe bei der Aufgabe, allen Beteiligten den Arbeits- und Lern-prozess transparent zu machen und eine Entscheidungshilfe für die Steuerung des Un-terrichts im Allgemeinen und für den Umgang mit Lernschwierigkeiten im Besonde-ren.

� Für eine zutreffende Reflexion des Unterrichts ist z.B. schon die Wahrnehmung rele-

vanter Situationen des Unterrichtsgeschehens von großer Bedeutung. Da die Wahr-nehmung des Lehrers durch ein Schwerpunktlernziel stärker gerichtet ist als durch ei-nen Katalog von Feinzielen oder durch ein Grobziel, wird es ihm bei der Reflexion des konkreten Unterrichtsgeschehens leichter fallen, sich von weniger wichtigen De-tails zu lösen und statt dessen die für den Lernerfolg wesentlichen Merkmale des Un-terrichtsgeschehens wahrzunehmen, zu deuten, zu bewerten, zu gewichten, Ursachen zu erforschen und Konsequenzen zu ziehen.

2.2.2. Die didaktische Funktion des "weiteren wichtigen Lernziels" (wwLz) bzw. der "weiteren wichtigen Lernziele" der Stunde Die Lernziele der Unterrichtsreihe werden in unterschiedlichen Dimensionen bestimmt, um der Mehrdimensionalität des Lernens, wie sie in den Richtlinien und Lehrplänen ihren Nie-derschlag gefunden hat, gerecht zu werden. Um diesem in den Richtlinien und Lehrplänen

8 Außerdem waren die in Unterrichtsentwürfen formulierten sogn. Feinziele in der Regel Beschreibungen von Unterrichtsschritten oder bestenfalls konkretisierte Teillernziele, aber keine Feinziele im Sinne der curricularen Didaktik

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 7 von 33

vorgegebenen mehrdimensionierten Auftrag des Unterrichts Rechnung zu tragen, wird in der Regel in den einzelnen Stunden neben dem Schwerpunktlernziel (mindestens) ein "weiteres wichtiges Lernziel" bewusst und gezielt verfolgt. Dieses weitere wichtige Lernziel (bzw. die-se "weiteren wichtigen Lernziele") steht also nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schwerpunktlernziel, es soll vielmehr einen Beitrag zum Erreichen von Lernzielen der Reihe leisten, an die sich das Schwerpunktlernziel nicht anbinden lässt. Es wird in diesem Lernzielkonzept zur Unterscheidung vom Schwerpunktlernziel "weiteres wichtiges Lern-ziel" genannt. Im Einzelfall können beide Lernziele zur selben Inhalts- und Verhaltenskomponente gehö-ren9. Das Konzept wurde jedoch entwickelt, um die Ganzheitlichkeit des Lernens konzepti-onell stärker zu verankern, d.h. um die verschiedenen Inhalts- und Verhaltenskomponenten eines Lernziels hervorzuheben, und einzelne von ihnen i.S. von Lernschwerpunkten für den Unterricht bewusster wahrzunehmen. Wenn es nun im gymnasialen Schulalltag (mit Recht) oft vorkommt, dass das Schwerpunktlernziel die kognitive Dimension betont (im Fach Sport entsprechend die psychomotorische Dimension), dann sollte das weitere wichtige Lernziel möglichst oft eine der anderen beiden Dimensionen abdecken. Bezogen auf den psychomoto-rischen Entwicklungsstand der gymnasialen Schülerschaft sollte es möglichst oft die affektive Dimension betonen. Ein Verzicht auf die weiteren wichtigen Lernziele würde die Gefahr bzw. die Gewohn-heit der Einseitigkeit sprich Verkopfung des gymnasialen Unterrichts verstärken, ihre offensive Verwendung aber ist ein Versuch, die nicht kognitiven Anteile des Lernziel-spektrums (der Richtlinien und Lehrpläne) im konkreten Alltagsunterricht angemessen umzusetzen. 2.2.3. Die Bestimmung der Lernziele der Stunde (des Schwerpunktlernziels und des weite- ren wichtigen Lernziels) Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, dass die Entscheidung über das Schwerpunkt-lernziel und das weitere wichtige Lernziel einer Stunde grundsätzlich nur dann sinnvoll zu treffen ist, wenn auf der Planungsebene der Reihe nach der Analyse • der curricularen Vorgaben (ggf. auch der Vorgaben durch Fachkonferenzen), • der thematischen Struktur des Unterrichtsgegenstandes und • der Unterrichtsvoraussetzungen, vor allem der Lernvoraussetzungen der Schüler, eine begründete Entscheidung über die Lernziele der Reihe und über die grobe Struktur des Reihenverlaufs herbeigeführt worden ist. Die Entscheidung über das Schwerpunktlernziel und das weitere wichtige Lernziel ist ein komplexer Prozess. Er erstreckt sich nicht nur auf die didaktische Reduktion des Gegenstan-des, sondern insgesamt auf die Bestimmung dessen, was als transferierbar bereitgestellt, was gelernt werden soll. Damit wird eine Entscheidung darüber getroffen, in welchem Inhaltsbe-reich (Gegenstand, Methode, soziale Beziehung), Verhaltensbereich (kognitiv, affektiv, psychomotorisch) und auf welchem Anspruchsniveau der Lernzuwachs schwerpunktmäßig angestrebt wird.10 In manchen Fällen sind den Referendaren das Thema11 der Reihe und/oder Themen von Stun-den vorgegeben. Damit ist eine Entscheidung über die Lernziele des Unterrichts noch nicht getroffen, d.h. die Entscheidung über die Lernziele muss in jedem Fall (ohne Vorlage eines Themas der Stunde oder bei Vorlage eines Themas der Stunde) von den ReferendarInnen erst noch getroffen werden. Liegt ein Thema zu Beginn des Planungsprozesses - aus welchen Gründen auch immer - schon vor, dann sollte es im Blick auf den Entscheidungsprozess bzgl. der Lernziele und aller weiteren Einflussgrößen veränderbar bleiben. Es sollte wie ein "vor-läufig ins Auge gefasstes Thema" (Klafki) behandelt werden. Es hätte hauptsächlich eine wichtige organisierende Funktion, bliebe aber disponibel.12

9 vgl. Zur „Dimensionierung“ des Unterrichts s. S. 9 10 zur „Hierarchisierung“ der Lernziele s. A2 bis A5, Seite 20f 11 Zum Begriff ´Thema´ s. S. 13f 12 s. z.B. auch ´Umrissplanung´, ´Prozessplanung´ und ´Planungskorrektur´ nach Schulz

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 8 von 33

Die Entscheidung über die Lernziele der Stunde muss prinzipiell alle Einflussfaktoren be-rücksichtigen, vor allem � die Vorentscheidungen auf der nächsthöheren Planungsebene (die Lernziele und die

vorläufige Grobstruktur der Reihe mit evtl. mehreren Sequenzen), � die Ergebnisse der Analyse der Gegenstandsstruktur, die im Blick auf die Lernziele

der Reihe und ggf. im Blick auf die im vorläufigen Thema der Stunde signalisierte Lernzielbestimmung vorgenommen werden muss,

� die Ergebnisse der auf die Lernziele der Reihe und ggf. auf das vorläufige Thema be-zogenen Analyse der Lerngruppe,

� die Vermittlungsmöglichkeiten (Methoden und Medien). 2.2.4. Zum zeitlichen Ablauf des Entscheidungsprozesses (für das Schwerpunktlernziel, das weitere wichtige Lernziel und das Thema der Stunde): Häufig wird die Praxis angetroffen, dass zuerst ein Schwerpunktlernziel und erst anschließend ein weiteres wichtiges Lernziel bestimmt wird, statt zwischen ihnen in einem einzigen Pro-zess zu entscheiden. Im ersten Fall handelt es sich um ein Missverständnis: Die Grundannahme des hier dargestellten Lernzielkonzeptes besteht darin, dass (auf der Ebe-ne der Stunde) 1. nur wenige Lernziele ins Auge gefasst werden sollten und dann 2. auf nur eines von ihnen ein Schwerpunkt gelegt werden sollte. In der Regel sollte also über eine Schwerpunktsetzung nur angesichts einer Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Lernzielen im Blick auf die Lerngruppe und den aktuellen Progress der Reihe entschieden werden. Dass diese Tatsache häufig aus dem Blick gerät, steht möglicherweise in Zusammenhang da-mit, wie der Entscheidungsprozess bzgl. des Themas der Stunde üblicherweise dargestellt wird. Denn zwischen Thema und SPLZ besteht eine enge Beziehung: Das SPLZ ist die Präzisierung und Konkretisierung des Zielaspektes im Thema (s. erste di-daktische Funktion des SPLZ). Wenn nun über das Thema der Stunde nicht zusammen mit dem SPLZ und dem weiteren wichtigen Lernziel, und d.h. auch nicht in Abstimmung mit al-len weiteren planungsrelevanten Einflüssen, entschieden würde, sondern vorher, dann wäre u.a. ausgeschlossen, dass die Planenden zwischen zwei Lernzielen der Stunde noch abwägen könnten, wie die Gewichte im Blick auf die Inhalts- und Verhaltenskomponenten verteilt werden sollten. Das aber verstieße nicht nur gegen das Konzept, sondern würde auch einer häufig vorkommenden Planungssituation bzw. der Realität im Unterricht nicht gerecht und würde sie unangemessen einengen. Fazit: Es sollte in der Regel erst in dem Moment endgültig über das Thema der Stunde ent-schieden werden, in dem auch zwischen SPLZ und weiterem wichtigen Lernziel entschieden wird.13 2.2.5. Zur Formulierung der Lernziele der Stunde Die Lernziele der Stunde müssen sprachlich den Zuwachs an Fähigkeiten bzw. Kompeten-zen ausdrücken, nicht, was die Schüler im Unterricht tun sollen. Dieser Lernzuwachs sollte möglichst konkret formuliert werden, da stundenunspezifische bzw. austauschbare Formulie-rungen wenig Hilfe bei der Planung, Durchführung und Reflexion des Unterrichts bieten. Das ist aufgrund der Allgemeinheit und/oder der Komplexität der Lernziele in einem Satz nicht immer gut überschaubar möglich. Es bietet sich in den Fällen an, zuerst die Kernaussage zu formulieren und die erforderlichen inhaltlichen Konkretisierungen bzw. Differenzierungen etwa mit der Formulierung wie: "d.h. im Einzelnen" anzufügen. Damit sind nicht die Fein-lernziele i.S. der "Curricularen Didaktik", sondern ist eine inhaltliche Konkretisierung des im Schwerpunktlernziel ausgedrückten Lernzuwachses gemeint.14

13 s. 3.3. "Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas, S. 14 14 Zu verschiedenen Einleitungsformeln für die Formulierung von Lernzielen siehe Seite 12

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 9 von 33

In den Fällen, in denen der Lernweg zum Lernziel auf Grund strenger Voraussetzungsgebun-denheit als ein relativ linearer Lernweg geplant werden muss, kann es hilfreich sein, Teillern-ziele für benennbare Zwischenschritte auf dem Weg zum Lernziel der Stunde hin zu formulie-ren. Bei der Formulierung von Lernzielen finden sich grundsätzlich zwei verschiedene Formen:

(1) Formulierung des antizipierten Lernzuwachses (auf der Könnensebene)

(2) Formulierung eines beobachtbaren Verhaltens (auf der Leistungsebene), aus dem man auf das Vorhandensein eines entsprechenden Lernzuwachses schließen kann15

Beide Formen sind gebräuchlich. Sie beschreiben aber nicht identische Fähigkeiten.16 Die Formulierung (2) wurde besonders vom Behaviorismus bevorzugt, denn nur so ließen sich Lernprogramme entwickeln; sie ist für schulisches Lernen im Sinne der Richtlinien und Lehrpläne aber nicht immer angemessen.17 2.2.6. Nachbemerkung: Lernprozess versus Stundenprozess Es gibt nicht immer für eine Schulstunde von 45 oder 90 Minuten genau ein ´Schwerpunkt-lernziel der Stunde´ und ein ´weiteres wichtiges Lernziel der Stunde´. Die Stundenlernziele sind vermutlich ein Restbestand aus der Zeit des instruierenden Unterrichts vor dem Hinter-grund der behavioristischen Lerntheorie und eine Konsequenz der institutionellen Zwänge.18 Die Erziehungswissenschaft fordert sie nicht, sie spricht stets nur von (thematischen) Einhei-ten oder von „Unterricht“, den LehrerInnen aber stellt sich diese thematische Einheit oft zer-stückelt und verteilt auf die Woche(n) dar. Es handelt sich bei den Stundenlernzielen „nur“ um – eigentlich – realistische – Notlösungen im Rahmen der faktisch-praktischen Verhältnis-se.19 2.3. Anmerkungen zur Bestimmung von Lernzielen 2.3.1. Zur sog. "Dimensionierung" des Unterrichts Man stößt in der allgemeindidaktischen und fachdidaktischen Literatur - und unter Kollegen - auf eine Fülle von unterschiedlichen Lernzielbezeichnungen. Es wird z.B. gesprochen von � Wissens- � Verhaltens- und � Handlungszielen, von � kognitiven, affektiven und psycho-motorischen Lernzielen (gemeint ist jeweils zum

Zwecke des gezielten Lernens: kog./aff./psycho-mot. akzentuierte (!) Lernziele), von

15 Die Lernzieltaxonomie wurde in den USA ursprünglich zum Vergleich von Eingangstests zur Hochschule bzgl. ihres Schwierigkeitsgrades, also zum Vergleich von Leistungserwartungen, entwickelt, nicht um Lernziele zu bestimmen. Das Gleiche gilt für die 4-stufige Taxonomie im „Strukturplan für das Bildungswesen des deut-schen Bildungsrates“, 1970, S. 78f: Lernzielkontrollen. Auch sie formulierte Leistungsstufen als Prüfungsin-strument zum Zwecke einer Leistungsbeurteilung. 16 vgl. z.B. die Unterscheidung zwischen Können und Leistung in 2.3.2. Zum Begriff „Lernzielkontrolle“, S. 11 17 Die didaktische Sprache in Deutschland (z.B. Lernzielkontrolle, Thema und Lernziel der Stunde) krankt noch heute daran, dass das für programmierten Unterricht entwickelte, behavioristische Begriffssystem in Deutschland sehr unkritisch auf das allgemeine Lernen in der Schule übertragen wurde. Als Beleg dafür kann der Titel des amerikanischen Originals des „Kultbuches“ von R.F. Mager dienen und dessen verschiedene Übersetzungen ins Deutsche: „Preparing Objectives for Programmed Instruction“, „Lernziele und Programmierter Unterricht, Weinheim, z.B. 3/1969 und „Lernziele und Unterricht“, z.B. 1973, d.h. die alleinige Zuständigkeit für den pro-grammierten Unterricht wurde Anfang der 70-er Jahre - weitgehend unbemerkt - unterschlagen (noch 1974 zi-tiert selbst H. Meyer bei Aussagen, die sich nicht auf den programmierten Unterricht beziehen, aus einer Ausga-be mit dem ersten Titel). 15 Vgl. Der Lehrer als “Stundengeber” 19 zum Unterschied zwischen Lernprozess und Unterrichtsprozess s. Artikulationskonzept des Seminars, S. 3 und S. 13f

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 10 von 33

� instrumentalen, � pragmatischen, � emotionalen, � methodischen, � kommunikativen oder � sozialen Lernzielen.

Man spricht in der Praxis bei den verschiedenen Lernzielbezeichnungen von Lernziel-"Dimensionen". Der Begriff ´Dimensionierung von Lernzielen´ wurde von Bloom und seinen Mitarbeitern eingeführt. Sie gingen davon aus, dass ein Lernziel stets eine ganzheitliche Handlungs-kompetenz beschreibt und jedes ganzheitlich gesehene menschliche Verhalten umfassend charakterisiert werden kann mit den drei Verhaltenskomponenten bzw. Dimensionen "kog-nitiv", "affektiv" und "psychomotorisch". Die Einteilung nach Bloom u.a. kann von ihrem Verständnis her also nicht in eine Reihe mit den anderen o.g. Lernzielbezeichnungen gestellt werden. Die Fachseminarleiterkonferenz hatte deshalb die Frage zu beantworten: Wie lässt sich die Fülle der o.g. Lernzielarten stringent ordnen, d.h. an welchen Bezeichnun-gen sollte festgehalten und welche sollten aufgegeben bzw. neu bestimmt werden? Die Konferenz hat entschieden: 1. Es wird im Seminar Recklinghausen das Dimensionierungsmodell von Bloom u.a. ver-

wendet. 2. Allgemein besteht im Seminar Recklinghausen Konsens darüber, dass ein Lernziel durch

die Zuordnung � einer Verhaltenskomponente (kognitiv, affektiv, psychomotorisch) und � innerhalb jeder Verhaltenskomponente durch die Angabe eines Hierarchieniveaus

(Taxonomiestufe) und � einer Inhaltskomponente

eindeutig gekennzeichnet werden kann. 3. Als Lernziel-Taxonomie wird

� in der kognitiven Dimension die 6-stufige Taxonomie von Bloom u.a. (s. A2 und A3, S. 20f)

� in der affektiven Dimension die 5-stufige Taxonomie von Krathwohl u.a. (s. A4 und A5, S. 24f)

� in der psychomotorischen Dimension die Taxonomie von R.H. Dave (s. A7, S. ) verwendet.

4. Für die Inhaltskomponente wird folgende 3-Teilung vorgenommen: � fachliche und überfachliche Unterrichtsstoffe bzw. Unterrichtsgegenstände (G) � Fach- und Lern- und Arbeitsmethoden (M) � soziale Beziehungen (S)

Diese Vereinbarungen können entsprechend fachspezifischer Besonderheiten evtl. ergänzt und/oder verändert werden. Insgesamt ergibt sich damit zur Klassifizierung eines Lernziels folgende 3-dimensionale Mat-rix:

Verhaltenskomponenten mit dem jeweiligen Schwerpunkt in der

Inhaltskomponente

kognitiven Dimension

affektiven Dimension

psychomotorischen Dimension

Gegenstand/ Sache

G,k,h G,a,h G,p,h

Methode

M,k,h M,a,h M,p,h

Soziale S,k,h S,a,h S,p,h

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 11 von 33

Beziehung Jedes Lernziel kann mit einem Tripel eindeutig gekennzeichnet werden. Der Parameter h steht hier für die Angabe des Hierarchieniveaus. Da lernzielorientierte Arbeitsschritte (bestehend aus je einem Sachaspekt, einer Interaktions-form bzw. Methode und einem zentralen Medium) für die Schüler nur dann treffend entwi-ckelt werden können, und die Unterrichtssteuerung dann leichter fällt (die Sprache folgt der Absicht), wenn das Lernziel präzise bestimmt ist, wird diese 3-fache Differenzierung in der Ausbildung eingeübt. Es wird hier besonders darauf hingewiesen, dass die Menge aller Lernziele nicht getrennt ein-geteilt wird in kognitive, affektive und psychomotorische Lernziele, sondern dass nach dem Konzept von Bloom u.a. jedes Lernziel alle drei Dimensionen in sich vereinigt. Nur zum Zwecke einer gezielt lernfördernden Schwerpunktsetzung werden kognitiv, affektiv und psy-chomotorisch akzentuierte Lernziele entwickelt und verfolgt. Es handelt sich hier um eine analytische Trennung. Ebenso wird besonders darauf hingewiesen, dass mit der affektiven Dimension nicht die Ge-fühle gemeint sind, dass z.B. „Freude“ oder „Spaß“ keine Elemente der affektiven Dimension sind. Gefühle sind vielmehr Indikatoren dafür, ob und auf welcher Taxonomiestufe die affek-tive Dimension im Schüler positiv bzw. negativ berührt wurde.20 2.3.2. Zum Begriff "Lernzielkontrolle" Die Vorstellung, Lernziele seien in einer Unterrichtsstunde erreichbar und das Erreichen des Lernziels könne sofort am Ende der Unterrichtsstunde überprüft werden21, macht keinen Un-terschied zwischen dem erstmaligen Erreichen eines Lernziels („Sicherung“) und seiner siche-ren Beherrschung („Festigung“) und berücksichtigt zu wenig den Prozesscharakter allen Ler-nens. Den langen Weg des Lernens hat Konrad Lorenz einmal so zusammengefasst:

Gemeint ist nicht gesagt (ergänzt von ReferendarInnen) Gesagt ist nicht gehört Gehört ist nicht verstanden Verstanden ist nicht einverstanden Einverstanden ist nicht behalten Behalten ist nicht angewandt Angewandt ist nicht beibehalten22

Verkürzt: „Der Lernende muss das, was er einmal richtig gemacht hat, mehrfach mit Erfolg wiederholen dürfen.“ Das grundsätzliche Problem jeder Lernerfolgskontrolle besteht nun darin, dass die Lernpro-zesse bei uns Menschen unsichtbar sind und der Lernzuwachs einer Unterrichtsstunde bei den einzelnen Schülern graduell verschieden ist. Da der aktuelle Lernzuwachs aber die Lernaus-gangslage der Folgestunden bestimmt, ist es für den Lehrer wichtig, ständig etwas über den aktuellen Stand im Lernprozess seiner SchülerInnen zu erfahren.23 Wie kann der Lehrer etwas über den Lernzuwachs bei seinen SchülerInnen erfahren? Hinweise zum Lernzuwachs können Lehrer und Schüler nur indirekt über die Bewältigung von Anwendungssituationen des Gelernten erhalten. Dabei treten allerdings Probleme auf:

20 vgl. Das Ordnungsschema für den affektiven Bereich, A4 und A5, Seite 22f 21 Diese Vorstellung ist ein Relikt aus der Zeit des Behaviorismus und wohl auch ein menschlich verständliches Bedürfnis der LehrerInnen, den Erfolg ihrer Bemühungen kurzfristig und konkret zu erleben 22 „Gesagt ist nicht gehört“, Verlag für Didaktik, Bochum 23 vgl. Lehrerfunktion ´Diagnostizieren´

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 12 von 33

a) Aus einer Bewältigung einer Aufgabe, aus einer guten Leistung, kann zwar auf Können geschlossen werden (wenn die Leistung selbst erbracht wurde); allerdings nicht darauf, wann, wo, wie und wobei dieses Können erworben, d.h. gelernt wurde.

b) Aus einer Nicht-Leistung kann aber nicht ohne Weiteres auf Nicht-Können und damit auf

Nicht-Lernen geschlossen werden, d.h. eine Leistungskontrolle sagt manchmal wenig über den wirklichen Lernzuwachs aus.

Hier hilft am ehesten eine Verständigung zwischen den Betroffenen. Was unter einer Lernzielkontrolle (d.h.: Welche Lernziele sind in welchem Maße erreicht? oder: Was kann der Schüler jetzt?) verstanden wird, ist erst einmal "nur" eine Leistungskon-trolle . Es ist z.B. nach der Selbstwerttheorie der Leistungsmotivation für die Lernwirksam-keit des Unterrichts sehr wichtig, dass allen Beteiligten klar ist, dass Leistungskontrollen noch keine Lernzielkontrollen sind (wie das Zählen der erhobenen Zeigefinger nicht ein Maß für die wirkliche Beteiligung sein kann). Eine direkte Lernzielkontrolle ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht möglich: Wir verlan-gen stets eine Leistung und interpretieren diese auf Können und Lernen hin - und das ist sehr fehleranfällig!24 Lernzuwächse sind oft gut erkennbar während der Lernarbeit bzgl. neuer Lernziele, denn die Unterrichtsarbeit besteht ja ausschließlich aus dem Transfer des bisher Gelernten. Eine „Transferorientierung“ des Unterrichts als eine bewusste Wahrnehmung und Betonung des im Unterricht sich zeigenden schon Gelernten stellt eine sinnvolle Form der Lernzielkontrolle dar – und eine ermutigende dazu. Da die Beschäftigung mit einem Unterrichtsgegenstand bzw. einer Aufgabe oder mit einem Problem eine notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit von Lernen ist, und da eine Be-schäftigung immer auch eine Leistung darstellt, müssen LehrerInnen und Eltern aufpassen, dass sie beim Schüler durch einen unbedachten Umgang mit Leistungskontrollen und Leis-tungsbewertungen nicht eine Scheu vor Leisten fördert (bis hin zu Schweigern oder gar zur „erlernten Hilflosigkeit“), und damit vor der Grundlage für jedes Lernen. Denn eine Gleich-setzung von Können (bzw. Lernen) und Leistung kann den Schüler unnötig entmutigen oder gar verletzen, seine Anstrengungsbereitschaft herabsetzen. Einer Gleichsetzung von Können und Leistung könnte allerdings §21 ASchO (Leistungsbe-wertung) Vorschub leisten: In (1) heißt es da: "Die Leistungsbewertung soll über den Stand des Lernprozesses des Schülers Aufschluss geben; sie soll auch Grundlage für die weitere Förderung des Schülers sein. Bei der Beratung über den Bildungsgang des Schülers ... ." Der Lehrer wird mit dieser Problematik hier allein gelassen, denn es folgen nur noch eine Vielzahl von Aussagen zum Aspekt Leistung, ohne den Unterschied zum Können/Lernen zu berücksichtigen. In den Kommentaren wird dann bei der Leistungsbewertung von einer päda-gogischen Entscheidung gesprochen (?). Ein Hinweis auf Lernen findet sich nur in §26 A-SchO (Zeugnisse), es heißt da "... ein Zeugnis ... oder Informationen zum Lernprozess." Das aber sind oft zwei ganz verschiedene Dinge. 2.3.3. Bemerkungen zu drei verschiedenen Einleitungsformeln für die Formulierung

eines Lernziels (1) Lernzielformulierungen beginnen in der Regel mit "Die Schüler sollen ... ". (2) H.v. Hentig schlägt die Formulierung vor: "Die Schüler erhalten die Gelegenheit, ...“

24 Vgl. F.E. Weinert „Thesenpapier zum Vortrag „Ansprüche an das Lernen in der heutigen Zeit“: Wichtig ist ..., dass in Schulen nicht Lernen und Leisten permanent miteinander vermischt werden, ...“; K. Schnabel „Die Bedeutung von Testangst für das schulische Lernen“ (Bildungsverläufe und psychosoziale Entwicklung im Ju-gendalter, BIJU-Studie, S. 28f

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 13 von 33

Es spricht aus folgendem Grund Vieles für die zweite Einleitungsformel: Ein Lernziel steht in der Schule immer in dem Spannungsfeld folgender Pole Die Einleitungsformel "Die Schüler sollen ... " akzentuiert den 1. Pol und die Einleitungs-formel "Die Schüler erhalten die Gelegenheit ... " den 2. Pol. Da beide Pole in der Schule existieren und sowohl gleichberechtigt wie gleichgewichtig sind, muss dies auch für die beiden verschiedenen Einleitungsformeln gelten, d.h. wer die eine Formulierung wählt, muss die andere mit gleichem Gewicht mitdenken. Da der 1. Pol in der Regel in aller Bewusstsein ist, der 2. Pol aber leicht vergessen wird oder erst gar nicht nicht deutlich genug ins Bewusstsein dringt, spricht aus ausbildungsdidakti-schen Gründen Vieles für die 2. Einleitungsformel.

Es wäre ein Missverständnis, wenn die zweite Einleitungsformel so verstanden würde, als würde da-mit die Verbindlichkeit des Lernziels für die Schüler bzw. die Verantwortung der Schüler für ihr Lernen aufgegeben oder auch nur aufgeweicht. Der planende Lehrer soll sich durch diese Einleitungs-formel vielmehr stets dazu aufgerufen fühlen, vorrangig seine Verantwortung für den Unterrichtser-folg wahrzunehmen statt die Verantwortung des Schülers zu betonen. Dann kann glaubwürdig vom Schüler verlangt werden, auch seine Verantwortung für den Lernerfolg zu übernehmen. (3) Eine dritte Einleitungsformel ist ausbildungsdidaktisch noch wirkungsvoller:

„Mit dieser Stunde möchte ich hauptsächlich erreichen, dass ...“. Ausbildungsdidaktische Begründung: ReferendarInnen fällt es oft schwer, als Lernziel keinen Arbeitsschritt oder kein Arbeitsziel, sondern ein Lernziel zu formulieren. Oft be-nennen sie, was die SuS im Unterricht tun sollen und nicht das, was sie dadurch lernen können/sollen.25 Diese dritte Einleitungsformel macht es den ReferendarInnen fast unmöglich, einen Arbeitsschritt oder ein Arbeitsziel als Lernziel zu formulieren, und sie benennen au-tomatisch den Lernschwerpunkt der Stunde, das Schwerpunktlernziel .

3. Zur Festlegung des Unterrichtsthemas 3.1. Vorbemerkung Mit der Definition des Begriffes "Thema" durch W. Klafki in den 70-er Jahren wurde kein neuer Begriff geschaffen, sondern die eigentlich bestehende Begriffsvorstellung, die z.B. in der bildungstheoretischen Didaktik mit dem Begriff Bildungsinhalt bezeichnet wurde, durch die Abgrenzung des Begriffs Thema vom Begriff Gegenstand in Erinnerung gerufen.

25 vgl. 2.2.5. Zur Formulierung der Lernziele der Stunde, S. 8

Einen gewissen Bestand an Lernzielen muss ein Schüler

für einen erfolgreichen Schulabschluss erreicht

haben (dies gilt nur in Grenzen für die

einzelne Stunde)

Mit der Autonomie des Lernenden begründet sich, dass Lehren letztlich „nur“ Angebotscharakter haben kann (s. z.B. Motivations-

psychologie)

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 14 von 33

Das erschien notwendig, nachdem in der Folge der bildungstheoretischen Didaktik, verstärkt durch die im wesentlichen als Stoffpläne konzipierten Richtlinien, faktisch-praktisch eine - von der Didaktik nicht intendierte - Stofforientierung des Unterrichts entstanden war. In die-ser damals vorherrschenden Grundsituation der Unterrichtsplanung wurden die Unterrichts-ziele hauptsächlich - entsprechend dem Primat der Unterrichtsinhalte - aus den Inhalten her-aus, also stofforientiert entwickelt. Demgegenüber teilen heute alle wesentlichen didaktischen Positionen - trotz leichter Unter-schiede bzgl. der Gewichtung bzw. der Beziehungen der einzelnen konstitutiven Momente von Unterricht untereinander - die Erkenntnis, dass jedes Nachdenken über Unterricht, und damit auch jede Planung von Unterricht, auszugehen hat von kritisch reflektierten, päda-gogisch relevante Intentionen. Klafki spricht in diesem Zusammenhang vom Primat der Zielentscheidung. Auch die Richtlinien und Lehrpläne sind heute entsprechend konzipiert: Nicht Inhalte, son-dern Lernziele auf hohem Abstraktions- und Komplexitätsniveau, also pädagogisch relevan-te Intentionen, sind als obligatorisch festgelegt. Die Verwendung des Begriffs Unterrichtsthema als vom Begriff Unterrichtsgegenstand klar unterschiedener Terminus betont den Primat der pädagogischen Intentionen vor den Inhalten. 3.2. Zum Begriff Unterrichtsthema Unter Unterrichtsgegenständen verstehen Didaktiker heute in der Regel Sachverhalte, "die noch nicht im Sinne pädagogischer Zielsetzungen ausgewählt und präzisiert worden sind". "Indien" oder "Der Assuanstaudamm" sind danach zunächst "nur" Unterrichtsgegenstände, aber noch keine Unterrichtsthemen. Gegenstände werden erst dadurch zu Unterrichtsthemen, dass sie für den Unterricht entweder vom Lehrer unter bestimmten Lernzielvorstellungen in den Fragehorizont der Schüler gerückt oder von den Schülern selbst zum Objekt sie interes-sierender Frage- und Problemstellungen gemacht werden. Erst indem ein Gegenstand "unter einer pädagogischen Zielvorstellung (Lernzielvorstellung, H.D.), einer als pädagogisch rele-vant erachteten Fragestellung, für die Behandlung im Unterricht ausgewählt wird, wird er zum Thema". Das heißt: "Im Begriff 'Thema' wird die vollzogene Verbindung der Ziel- mit der Inhaltsentscheidungsebene zum Ausdruck gebracht". Klafki spricht in diesem Zusammen-hang von einer "zielorientierten Inhaltsentscheidung", die bei der Festlegung eines Themas getroffen werden muss. Ein Thema besteht formal also aus zwei Komponenten und zwar aus einem

- Unterrichtsgegenstand (mit dem sich die Schüler in der Stunde schwerpunktmäßig beschäftigen; nicht zu verwechseln mit dem Medium, durch das der Gegenstand ver-mittelt bzw. transportiert wird!) und einem

- Lernzielaspekt (der im Schwerpunktlernziel so präzise wie möglich und sinnvoll konkretisiert wird).

3.3. Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas besteht also zur Hauptsache in der Entschei-dung darüber, unter welcher pädagogisch relevanten Fragestellung bzw. mit welcher didakti-schen Intention sich eine bestimmte Lerngruppe in einer bestimmten Situation mit einem Ge-genstand auseinandersetzt bzw. worin die Lernrelevanz der Behandlung eines Gegenstandes für eine Lerngruppe bestehen soll. Mit der Entscheidung über das Unterrichtsthema wird also gleichzeitig eine didaktische Schwerpunktsetzung vorgenommen, die für die weitere Unter-richtsplanung von zentraler Bedeutung ist.26 Durch die Festlegung des Unterrichtsthemas wird die Legitimation des Unterrichtsvorhabens schon intersubjektiv überprüfbar, ohne detailliert über seine Lernziele zu informieren bzw. diese schon bestimmt zu haben. Es kann geprüft werden, ob der Unterricht z.B. Gegenwarts-

26 vgl. 2.2.4. Zum zeitlichen Entscheidungsprozess für das Schwerpunktlernziel, das weitere wichtige Lernziel und das Thema einer Stunde, S. 8

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 15 von 33

und Zukunftsbedeutung und Exemplarität hat, ob die gewählte Zielperspektive dem Eigen-wert des Gegenstandes entspricht und ob die Reihenfolge der Themen der Stunden einer Un-terrichtsreihe eine sinnvolle und lohnende Progression darstellt. Die konsequente Forderung nach der Bestimmung von Unterrichtsthemen als zielorientierte Inhaltsentscheidungen erscheint für die Ausbildung aus einem schulformspezifischen Grunde besonders notwendig: Will man einer bestimmten Tendenz des Fachunterrichts am Gymnasi-um entgegenwirken, die darin besteht, vor allem solche Inhalte zu behandeln, deren Bedeu-tung sich vorrangig aus der Struktur des jeweiligen Faches ergibt, muss ein didaktisches Auswahl- und Entscheidungskriterium gefordert werden. Mit Hilfe des didaktischen Kriteri-ums der Lernzielperspektive, die zugleich einen Schwerpunkt für das Lernen setzt, kann ent-schieden werden, welche Elemente eines Inhalts für eine Stunde bzw. Reihe relevanter sind als andere. Das Ergebnis ist die begründete Zuordnung von Inhalten zu didaktischen Intentio-nen, d.h. die Festlegung von Themen. Damit wird der oben beschriebene Schritt zu einer di-daktisch legitimierten Wahl eines Unterrichtsgegenstandes vollzogen. 3.4. Die Formulierung des Themas In der Ausbildung und überall dort, wo ein Unterrichtsvorhaben diskutierbar und intersubjek-tiv überprüfbar sein muss, erscheint es angebracht, sowohl seine Zielperspektive als auch den ihm zugeordneten Gegenstand, also sein Thema festzulegen. Aus ausbildungsdidaktischen Gründen erscheint es darüber hinaus sinnvoll, die Festlegung des Themas als zielorientierte Inhaltsentscheidung - und damit den Übergang vom traditionellen Denken in Inhalten zu ei-nem Denken in Lernzielen - immer wieder bewusst zu machen. Das kann dadurch geschehen, und wird in diesem Lernzielkonzept vorgeschlagen, dass in einem Unterrichtsentwurf neben den Lernzielen sowohl der Unterrichtsgegenstand als auch das Unterrichtsthema formuliert werden. Es ist darauf zu achten, dass die Reihenfolge Gegenstand - Thema - Schwerpunktlernziel und weiteres wichtiges Lernziel wohl einerseits eine gewisse Systematik wider gibt, (die auch der Situation entspricht, wenn Gegenstand bzw. Thema vorab festliegen), dass sie andererseits aber in der Regel nicht den eigentlichen gedanklichen Entstehungsprozess kennzeichnet. 3.5. Die Verortung einer Unterrichtsstunde in den thematischen Zusammenhang einer Unterrichtsreihe bzw. eines Unterrichtsvorhabens Unterrichtsthemen werden auf mehreren Planungsebenen festgelegt, und zwar auf der Reihen-, der Sequenz- und der Stundenebene. Innerhalb einer Unterrichtsreihe entsteht so ein thema-tischer Zusammenhang, der verdeutlicht, in welchen Schritten (Sequenzen) und Teilschritten (Stunden) die im Thema der Reihe bzw. des Vorhabens enthaltene Lernaufgabe gelöst werden soll. Damit wird sichergestellt, dass die einzelne Stunde dem Schüler nicht isoliert, sondern als integrativer Bestandteil eines Lernprozesses begegnet, der inhaltlich überschaubar, zeitlich begrenzt und klar gegliedert ist.27 Da es sich um einen "Lernzusammenhang" handelt, ist zu fordern, dass seine Struktur den Forderungen nach sachlogischer und lernlogischer Stimmigkeit genügt, die ihren Nieder-schlag in einer angemessenen didaktischen Progression finden. 3.6. Die Einflussfaktoren bei der Bestimmung des Unterrichtsthemas Wenn das Unterrichtsthema eine Entscheidung darüber darstellt, mit welcher pädagogischen Zielsetzung bzw. didaktischen Intention ein Unterrichtsgegenstand in einer bestimmten Lern-gruppe in einer bestimmten unterrichtlichen Situation behandelt wird, dann ist zum einen ein-sichtig, dass diese Entscheidung immer dann, wenn dieser Gegenstand zur unterrichtlichen Behandlung ansteht, neu zu fällen ist28 und nicht etwa ein bestimmter Gegenstand immer nur unter derselben didaktischen Perspektive zu betrachten ist. Zum anderen wird in dieser Defi-nition "Unterrichtsthema" sichtbar, dass prinzipiell, d.h. unabhängig von der jeweiligen Pla-

27 s. auch Klafki, a.a.O. S.210f 28 s. auch Klafki, a.a.O., S. 203-205

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 16 von 33

nungsebene, bei der Entscheidung über das Thema dieselben Einflussfaktoren und Interde-pendenzen gelten, wie bei der Bestimmung von Lernzielen (s. Schema: Mögliche Einflussfak-toren für die Bestimmung von Lernzielen, Anhang 1, Seite 19). Es wird noch einmal daran erinnert, dass bei der Auswertung und Gewichtung der Ergebnisse der entsprechenden Analysen im Rahmen der Entscheidungsfindung stets zu berücksichtigen ist, dass ein Implikationszusammenhang zwischen den Bedingungen besteht. 3.7. Nachbemerkung Die Betonung des Begriffs Thema geht einher mit dem Wandel des didaktischen Denkens von einer Stofforientierung zu einer Lernzielorientierung des Unterrichts i.S. einer Orientierung an pädagogischen Intentionen. Die unabhängig von dieser Entwicklung in den USA entstandene Lernzieltheorie des Behavi-orismus (Skinner, Mager) ließ - noch viel stärker als die sogn. lerntheoretische Didaktik der "Berliner Schule" - ein anderes Problem der Bestimmung von Unterrichtszielen deutlich wer-den: Die mangelnde Konkretion der Zielvorstellungen. Wenn auch die dem programmierten Unterricht zugehörige "Operationalisierung" der Lern-ziele nicht ohne Weiteres auf den nicht programmierten Unterricht zu übertragen ist, so hat doch die Erkenntnis der Notwendigkeit der Konkretion von Lernzielen durch die Lernzielthe-orie auch die Lernzielorientierung des Unterrichts i.S. einer Orientierung an übergeordne-ten Intentionen vorangetrieben. Dieser Gewinn wurde allerdings bezahlt mit der unreflektier-ten Übernahme der Terminologie des programmierten Unterrichts für die didaktische Theo-riebildung bzgl. des üblichen nicht programmierten Schulunterrichts i.S. der Richtlinien und Lehrpläne.29 So bedeutet die Benutzung des Instrumentariums der Lernzieltheorie (z.B. Bestimmung von Feinzielen, Lernzielkontrolle, Operationalisierung von Lernzielen) nicht notwendigerweise die Abkehr von der Grundsituation der stofforientierten Unterrichtsplanung, denn sie erlaubt es bzw. verführt sogar dazu, dass das Spektrum der Unterrichtsziele auf die Ziele allein aus der Sicht der Fach- bzw. Sachsystematik i.S. der Fachwissenschaften begrenzt wird bzw. bleibt.30 4. Begründungen zur Schwerpunktsetzung im Lernzielkonzept Eine Schwerpunktsetzung für die Arbeit und für das Lernen in der einzelnen Unterrichtsstun-de erscheint aus weiteren Gründen nicht nur erforderlich, sondern so wichtig, dass sie für ein Lernzielkonzept leitend sein sollte: 1. Eine konsequente Schwerpunktsetzung in der Praxis des Schulalltags gibt den Lernen-

den für ihre wechselnde Aufmerksamkeit einen ruhenden Bezugspunkt und vermei-det am ehesten, dass die Schüler den Überblick über das Unterrichtsgeschehen in der ein-zelnen Unterrichtsstunde verlieren. (Eine Metakommunikation z.B. gelingt eher bei be-wusster Beschränkung und Akzentuierung der Zielperspektive. Ebenso können die für Unterricht konstitutiven Sinndifferenzen leichter verhandelt oder akzeptiert werden, wo-durch Druck sowohl von Schülern als auch vom Lehrer genommen werden kann.) Trans-parente Situationen ermöglichen allen Beteiligten eher konstruktives Handeln; allgemein ist die Transparenz der Unterrichtsstunde aus lernpsychologischer Sicht eine wesentliche Voraussetzung für seine Lernwirksamkeit.

2. Im Blick auf die zeitliche und inhaltliche Atomisierung der auf eine gewisse Dauer an-

gelegten Lernprozesse des einzelnen Schülers (s. institutionelle Rahmenbedingungen des Lernens in der Schule) ist eine Schwerpunktsetzung für die einzelne Unterrichtsstunde wichtig und notwendig, insofern, als sie es in den einzelnen Stunden einer Unterrichtsrei-he den Schülern erleichtert, einen stundenübergreifenden Sinnzusammenhang wahrzu-

29 vgl. Fußnote Nr.17, S. 9 30 Das führte in den 70-er Jahren sogar zu der Vorstellung, nur operationalisierbare Lernziele seien legitim

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 17 von 33

nehmen, wodurch die Lernwirksamkeit der einzelnen Stunde erhöht und das Behalten des Gelernten begünstigt wird.

3. Für die Bewältigung der Unterrichtsvorbereitungen und -durchführungen im späteren

Schulalltag des Lehrers ist eine Einübung der Referendare in eine Zielplanung, die das zentrale Anliegen einer Stunde zur Orientierung für die übrigen didaktischen Entschei-dungen herausstellt, hilfreicher und realistischer als die curriculare Lernzielplanung.

4. Da die Schwerpunktsetzung auch für die Motivation der Schüler und des Lehrers eine große Bedeutung hat, ist sie auch aus diesem Grund von großem Gewicht für die Lern-wirksamkeit des Unterrichts. Die Bedeutung der Schwerpunktsetzung für die Motivation ist in Anlehnung an den Motivationsprozess und den darin enthaltenen Selbstbewertungs-prozess (n. Heckhausen) auf vielfältige Weise darstellbar: • Die Schüler sind eher bereit, im Unterricht engagiert mitzuarbeiten, wenn sie eine kla-

re Vorstellung von der Zielrichtung haben, unter der die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand schwerpunktmäßig erfolgen soll, denn der Selbstbewertungs-prozess mit der Selbstbekräftigung als seinem Ergebnis - nach Heckhausen das "Herz-stück" jeder intrinsischen Motivation - kann beim einzelnen Schüler erst dann zu ei-nem einflussreichen Motivationsfaktor werden, wenn für den Lernenden seine Leis-tungssituation klar umrissen ist.31

• Die Schüler sehen sich zum einen in der Lage, zusammen mit dem Lehrer darüber nachzudenken, welcher methodische Weg am besten der Bearbeitung des Themas dient; zum anderen können sie in jeder Phase des Unterrichts beurteilen, an welcher Stelle des Zielerreichungsprozesses sie gerade stehen und wie ihre Chancen zur Mit-arbeit bzw. zum persönlichen Erfolg oder Misserfolg und evtl. dessen weitere Folgen einzuschätzen haben.

• Die Motivation der Schüler, das vereinbarte Thema der Stunde zu bearbeiten, wird dann besonders groß sein, wenn sie sich zu Beginn des Lernprozesses mit der Sinn-haftigkeit der im Thema enthaltenen Zielsetzung begründet auseinandersetzen kön-nen.

• Dem Lehrer wird u.a. die Einschätzung des Anspruchsniveaus für die Schüler und als Folge davon die Entwicklung der Lernsituation angemessener Lernhilfen erleichtert. Auch gelingt ihm eher eine im Blick auf die weiteren Unterrichtsbedingungen realisti-sche und damit begründete Begrenzung des Unterrichtsvorhabens. Insgesamt wächst die Erfolgserwartung seitens des Lehrers: Der im gedanklichen Vorgriff ablaufende Selbstbewertungsprozess gibt dem Lehrer Sicherheit zum Handeln.

• Die Motivationsstärke eines "Aufforderungsgehaltes" oder eines "Anreizes" (Heck-hausen) ergibt sich aus seiner Eintretenswahrscheinlichkeit. D.h. je geklärter eine Si-tuation ist, desto stärker kann sie motivierende Wirkung haben. Eine klare Selbstbe-kräftigung als Ergebnis des Selbstbewertungsprozesses wird auf seiten des Lehrers al-so durch die Schwerpunktsetzung eher möglich, denn auch die der Situation angemes-senen Kriterien für den Vergleich von Ergebnis und eigenem Anspruchsniveau sind eher gegenwärtig und der Bezug der einzelnen Kriterien zum eigenen Unterrichtshan-deln bzw. zum Unterrichtserfolg gelingt leichter.

• Je deutlicher erkennbar und realistischer eine Unterrichtsabsicht ist, desto weniger be-steht die Gefahr einer Unter- bzw. Überforderung. Die Anforderungen sind für den Lehrer und die Schüler eher zu bewältigen, und dieses wird von ihnen auch als sol-ches erkannt: Diese Situation ermöglicht am ehesten allen Beteiligten konstruktives Handeln, verbunden mit einem ermutigenden Gefühl.

• Der Schüler kann im Unterricht lange Zeit im Unklaren gelassen werden, welche Ziel-richtung seine Arbeit bzw. sein Lernen im Unterricht eigentlich haben soll oder er

31 s. Eintretenswahrscheinlichkeiten der Aufforderungsgehalte und der Anreize im Prozessmodell der Motivation n. Heckhausen

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 18 von 33

kann so früh eine klare Schwerpunktsetzung im Unterricht erkennen, dass sie seine Motivation für die Beschäftigung mit dem Thema beeinflussen kann. Besonders der zweite Fall signalisiert ein Vertrauen des Lehrers in seine Tätigkeit und in die Lernfä-higkeit und -bereitschaft der Schüler. Der in jeder Unterrichtsstunde ohnehin vorhan-dene Prozess von ständiger Wahl und Abwahl seitens der Schüler gilt ganz bewusst nicht als unerlaubt und er wird nicht ignoriert, sondern im Gegenteil, er wird als le-benswichtig anerkannt und in die gemeinsame Arbeit (Metakommunikation) einbezo-gen: Dies vermindert beim Lehrer einen evtl. großen Druck bzw. ein schlechtes Ge-wissen, erzieht die Schüler zur Selbständigkeit und Übernahme von Verantwortung und lässt zudem die Schüler häufiger als sonst in von ihnen bewusst akzeptierten Situ-ationen handeln. Der Lehrer erfüllt damit eine der wichtigsten Aufgaben der Richtli-nien und Lehrpläne, er kann zugleich sein eigenes Handeln leichter akzeptieren und fühlt sich eher akzeptiert.

• Zur Selbstentmutigung eignet sich z.B. folgendes Verhalten: Jemand misst das er-

reichte nicht an den Kriterien, die er vorher bewusst oder (sehr oft) unbewusst auf-stellt, sondern an solchen, die ihm nachher einfallen, mit dem Effekt, dass er sich um den Erfolg betrügt, indem er das Erreichte dadurch relativiert, dass er nur das ins Au-ge fasst, was jetzt noch fehlt bzw. was aufgrund des Erreichten erst jetzt als mögli-cherweise noch ergänzend gesehen werden kann.

• Eine Schwerpunktsetzung im Unterricht lässt Absicht und Ergebnis des Unterrichts und damit auch das Schon-Erreichte deutlicher hervortreten, sie ermöglicht damit nicht nur eher die Verwendung angemessener Kriterien, sondern erleichtert auch den bewusst ermutigenden Umgang mit ihnen. Der Lernende wird nicht so leicht dazu verleitet, nur das zu sehen, was noch fehlt, sondern kann eher auch in den Blick neh-men, was erreicht wurde.

• Hilfreich kann die Schwerpunktsetzung auch bei dem Prozess sein, dem Unterrichts-ergebnis Ursachen zuzuschreiben ("Kausalattribuierung"). Dieser Prozess verläuft beim einzelnen Menschen größtenteils automatisch ab und sehr individuell. Die Ursa-chenzuschreibung des Lehrers für das Unterrichtsergebnis verläuft dann besonders unglücklich für ihn, wenn er bei (selbst nur vermeintlichen) Misserfolgen die Neigung hat, sich über das Ausmaß der eigenen Anteile zu täuschen und stattdessen (als scheinbaren Selbstschutz) über Gebühr äußere Einflüsse verantwortlich zu machen. Dies wird zugleich unbewusst als eine Entwertung der eigenen Person erlebt. Dass der Lehrer eine realistischere und damit ermutigendere Ursachenzuschreibung vornehmen und dass die Schwerpunktsetzung im Unterricht die Voraussetzung dafür erleichtern kann, wird durch Vieles des weiter oben Gesagten deutlich.

Diese motivationsbestimmenden und damit die Lernwirksamkeit des Unterrichts stark mitbe-stimmenden Prozesse laufen sehr individuell jeweils in den einzelnen Personen der Lerngrup-pe ab. Da sie als solche entscheidend den Erfolg der gemeinsamen Arbeit beeinflussen, soll-ten Lehrer und Schüler zusammen phasenweise in eine Metakommunikation über den ge-meinsamen Lehr-Lern-Prozess eintreten. Diese Metakommunikation wiederum gelingt eher bei einer bewussten Beschränkung der Zielperspektive, wie sie in der Themaformulierung und verstärkt im Schwerpunktlernziel angestrebt wird. Anhang:

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 19 von 33

A1 Schema: Mögliche Einflussfaktoren für die Bestimmung von Lernzie- len (der Unterrichtsreihe/des Unterrichtsvorhabens

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 20 von 33

A2 Zur sogenannten Hierarchisierung von kognitiven Lernzielen (Taxonomie nach Bloom u.a., Gage/Berliner „Pädagogische Psychologie“, 19864, Beltz) Pädagogen und Psychologen haben eine Reihe von Systemen entwickelt, Lernziele zu klassi-fizieren. Diese Systeme liefern nützliche Unterscheidungsmerkmale für die Definition von Unterrichtszielen. Darüber hinaus stellen sie eine Hilfe dar für den Unterricht in der Klasse und die Beurteilung von Lernerfolg und Schulleistung. Bei der Entwicklung dieser Taxonomie sind sechs Ebenen identifiziert worden, die bei der Klassifikation von kognitiven Lernzielen verwendet werden können. Diese Bereiche sind wie folgt definiert: 1. Wissen: Die Fähigkeit, Vorstellungen, Tatsachen usw. zu erinnern (Ekphorierfähigkeit), sie aus dem Gedächtnis zu reproduzieren, sie wiederzuerkennen, und zwar in einer Situation, in der bestimmte Stichwörter, Signale oder Anhaltspunkte gegeben werden, mit dem Ziel festzu-stellen, welche Kenntnisse gespeichert worden sind. Beispiele: Der Schüler kann die Daten der letzten drei Kriege auf deutschem Boden wiedergeben. Der Student kann die drei Kompo-nenten eines verhaltensbezogenen Lernziels benennen. Eigenartigerweise ist Wissen in diesem Sinne oft ein kontroverses Lernziel. Lehrer und Schü-ler bezweifeln den Wert „reinen" Wissens oder die Fähigkeit, sich an Fakten, Ideen oder For-meln zu erinnern - also an Dinge, die man immer „nachschauen" kann. Hastings (1977) hat allerdings darauf hingewiesen, dass das Auswendiglernen durchaus von Bedeutung sein kann, etwa für Schauspieler, damit sie ihren Text beherrschen, oder Computerspezialisten, die die Zeichen einer Computersprache kennen müssen. Weit wichtiger noch: Das Behalten symbolischer Substrate, mit denen man endlos variieren, umsetzen und neu komponieren kann, ist für die Pädagogik grundlegend und stellt die Basis zur Kreativität dar. Das Alphabet und das Einmaleins sind Beispiele für solche Substrate, und sie müssen dem Gedächtnis eingeprägt werden (W. M. Hastings, 1977, S. 35O). Entsprechendes gilt für Schriftsteller (Wortschatz), Mathematiker (Integrale), Redakteure (Stilregeln), Chemiker (Atomgewichte) und viele andere. Jeder kennt aus seinem Bereich die Wissensgebiete - Dinge, an die man sich erinnern können muss, ohne die man nicht aus-kommt, im Beruf oder in der Freizeit. Wissen schadet nicht, weder der Kreativität noch dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung. In Kapitel 13 behandeln wir Mnemotechniken und andere Aspekte des Gedächtnisses. 2. Verständnis: Die Fähigkeit, das, was kommunikativ vermittelt wird, aufzunehmen und zu verarbeiten, ohne es notwendigerweise auf andere Bereiche zu übertragen oder ohne seine Implikationen zu erkennen. Beispiele: Der Schüler kann die Ursachen des zweiten Weltkriegs erklären; einen Text aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen; Beispiele für kalorienrei-che und kalorienarme Kost geben. 3. Anwendung: Die Fähigkeit, in festgelegten konkreten Situationen Abstraktionen, Regeln, Prinzipien, Ideen und Methoden anzuwenden. Beispiele: Der Schüler kann anhand des Baro-meters das Wetter vorhersagen; eine Unbekannte in einer Gleichung bestimmen; eine adäqua-te Diät für seine persönlichen Bedürfnisse zusammenstellen. 4. Analyse: Die Fähigkeit, eine Mitteilung in ihre konstitutiven Elemente oder Teile auf-zugliedern. Beispiele: Der Student kann die gedankliche Gliederung eines wissenschaftlichen Aufsatzes nachzeichnen; die Wirtschaftssysteme des Kommunismus und des Kapitalismus vergleichen und kontrastieren; das Leitmotiv einer Kurzgeschichte herausarbeiten; Tatsachen-feststellungen von Meinungsäußerungen unterscheiden. 5. Synthese: Die Fähigkeit, mit Bausteinen, Teilen, Elementen usw. umzugehen und sie so zusammenzufügen oder zu kombinieren, dass ein Ganzes geformt oder eine neue Struktur

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 21 von 33

gebildet wird. Beispiele: Der Schüler kann einen Plan für die Einhaltung von Unterrichtsdis-ziplin aufstellen; einen Entwurf für die geplante Klassenfahrt ausarbeiten; ein Computerpro-gramm für die Errechnung von Abiturnoten entwickeln. (Hier sind also Aufgaben angespro-chen, die aus einem einmaligen Kontext heraus entwickelt werden.) 6. Beurteilung: Die Fähigkeit, quantitative und qualitative Urteile abzugeben über das Aus-maß, in dem Materialien und Methoden bestimmte Kriterien erfüllen. (Nach Auffassung der Taxonomieverfasser ist dies die höchste Stufe kognitiver Tätigkeiten.) Beispiele: Der Schüler kann die Qualität eines literarischen Werks beurteilen; Argumente für oder gegen Wohl-fahrtsprogramme verteidigen; den Begriff „Freiheit in der Demokratie" einschätzen; entschei-den, ob physische Gewalt je gerechtfertigt ist. Kurz gesagt: Die Taxonomie ist unvollkommen, sowohl logisch als auch empirisch gesehen, aber viele Benutzer haben sie als hilfreich empfunden. Sie organisiert das Nachdenken über Ziele in einer Art und Weise, die das weit übertrifft, was Lehrer und Prüfer gewöhnlich ohne diese Hilfe leisten können. Der praktische Gewinn, so scheint es, macht die theoretischen und empirischen Mängel wett. A3 Das Ordnungsschema (die Taxonomie) für den kognitiven Bereich (Taxonomie nach Bloom u.a., S. Thiel „Lehr- und Lernziele“, 1973, Otto Maier Verlag Ravensburg) Zum "kognitiven Bereich" werden, wie schon erwähnt, alle jene Lernziele gezählt, die auf die Reproduktion von Wissen bzw. auf die Entwicklung intellektueller Fähigkeiten und Fertigkei-ten gerichtet sind. Dem kognitiven Bereich können daher auch Verhaltensweisen wie Erin-nern, Argumentieren, Problemlösen, Begriffebilden und, zu einem gewissen Grad, schöpferi-sches Denken zugeordnet werden. Auf Grund einer umfassenden Liste von Lernzielen kognitiver Art wurde von Bloom u. a. folgendes Schema konstruiert: 1. Wissen (Knowledge) 1.1 Kenntnis konkreter Einzelheiten 1.2 Methodisches Wissen 1.3 Abstraktes Wissen 2. Verstehen (Comprehension) 2.1 Übersetzung 2.2 Interpretation 2 3 Extrapolation 3. Anwendung (Application) 4. Analyse (Analysis) 4.1 Analyse von Elementen 4.2 Analyse von Beziehungen 4.3 Analyse von Ordnungsgesichtspunkten 5. Synthese (Synthesis) 5.1 Individuelle Kommunikation (Fähigkeit zur selbständigen Formulierung und Mitteilung) 5.2 Erstellung eines Planes 5.3 Erstellung eines Systems abstrakter Beziehungen 6. Bewertung (Evaluation) 6.1 Bewertung nach innerer Evidenz 6.2 Bewertung auf Grund äußerer Kriterien Dieses Schema ist hier fast vollständig wiedergegeben, lediglich in den Kategorien 1.1, 1.2 und 1.3 finden sich im Original weitere Untergliederungen. Mit diesem Schema verfügt man

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 22 von 33

über ein Instrument zur Einordnung der Lernziele im kognitiven Bereich, und dazu gehört die große Mehrheit aller Ziele, die in Schulen erreicht werden sollen. Die Taxonomie des kognitiven Bereiches zerfällt in zwei Teile: 1. Die in der 1. Kategorie (Wissen) erfassten Verhaltensweisen erfordern lediglich die Re-

produktion gelernter Informationen auf bereits bekannte Fragestellungen. Diese Kategorie umfasst eine Reihe von Verhaltensweisen, von einfachen bis zu komplexen. Die unterste Subkategorie beinhaltet die Reproduktion einfacher, isolierbarer Informationen, wie z. B. „Die Hauptstadt von Polen ist Warschau" oder „In Wien gibt es ein Planetarium". Diese „unterste" Subkategorie wird in der Taxonomie „Wissen von konkreten Einzelheiten" ge-nannt. Die Subkategorien am „oberen" Ende der Kategorie Wissen umfassen komplexe Verhaltensweisen. Das Sich-Erinnern an eine Theorie (z. B. die Evolutionstheorie) ist eine komplexere Aufgabe als das Sich-Erinnern an eine konkrete Einzelheit, wie z. B. die Hauptstadt eines Staates.

2. Die Kategorien 2. bis 6. der Taxonomie für den kognitiven Bereich beziehen sich auf

Verhaltensweisen, bei denen Informationen und Techniken in neuen Situationen und zur Lösung neuer Probleme verwendet werden. Diese Kategorien werden unter der Bezeich-nung „intellektuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten" zusammen gefasst.

Die 2. Kategorie erfasst verschiedene Formen des Verständnisses: Sie reichen von der Fähig-keit, Mitteilungen zu verstehen bzw. in eine fremde Sprache oder in ein Symbolsystem zu übertragen, bis zur Fähigkeit, die Folgerungen abzuschätzen, die sich aus einem gegebenen Material ableiten lassen. In der 3. Kategorie werden Verhaltensweisen erfasst, die darin bestehen, dass Ideen, Verfah-rensvorschriften und Theorien in konkreten Situationen angewendet werden. Die nächsthöhere Kategorie 4 betrifft die Analyse von Informationen im Hinblick auf ihre Elemente (4.1), auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen (4.2) und auf die zugrundeliegenden Ordnungsgesichtspunkte (4.3). In der 5. Kategorie wird ein Verhalten beschrieben, das darin besteht, dass der Schüler Ele-mente zu einer neuartigen Ganzheit kombiniert. Der Schüler versteht es z. B., in einem Auf-satz seine Gedanken zu ordnen und darzustellen. Derartiges Verhalten wird in der Subkatego-rie „Individuelle Kommunikation" erfasst. Wenn der Schüler Operationen vorschlägt, die zur Lösung einer Aufgabe führen könnten, dann wird dieses Verhalten der Subkategorie 5.2 „Er-stellung eines Planes" zugeordnet. Noch komplexere Fähigkeiten der Synthese, z. B. die Ab-leitung mathematischer Formeln, werden in der Subkategorie „Erstellung eines Systems abs-trakter Beziehungen" erfasst. Der umfassendsten Kategorie der Taxonomie für den kognitiven Bereich, 6. (Bewertung), kann Verhalten zugeordnet werden wie z. B. der kritische Vergleich der wichtigsten Lernthe-orien im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Erklärung des Unterrichtsgeschehens. Die Ordnung der Ziele des kognitiven Bereichs erfolgt nach dem Grad ihrer Voraussetzungs-gebundenheit, nicht nach dem Grad der Komplexität; innerhalb der einzelnen Kategorie steigt der Grad der Komplexität) A4 Das Ordnungsschema für den affektiven Bereich (Taxonomie nach Bloom u.a., S. Thiel „Lehr- und Lernziele“, 1973, Otto Maier Verlag Ravensburg) Zum affektiven Bereich werden Interessen, Haltungen, Einstellungen, Wertschätzungen sowie Stellungnahmen gerechnet, die verschiedene Grade der Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken. Die Skala der Verhaltensweisen im affektiven Bereich reicht vom einfachen Be-achten eines Phänomens bis zu den komplexen Verhaltensweisen, die Ausdruck einer Weltan-schauung sind. Krahtwohl und seine Mitarbeiter haben versucht, analog der Taxonomie für den kognitiven Bereich auch ein Ordnungsschema für den affektiven Bereich zu entwerfen,

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 23 von 33

das es ermöglichen soll, die Ziele des affektiven Bereichs durch Zuordnung zu entsprechen-den Verhaltenskategorien klarer zu beschreiben. Taxonomie für den affektiven Bereich : 1. Aufnehmen (Beachten) - Receiving (Attending) l.1 Gewahrwerden 1.2 Wille zum Aufnehmen 1.3 Kontrollierte oder selektive Aufmerksamkeit 2. Antworten (Responding) 2.1 Bereitschaft zum Antworten 2.2 Wille zum Antworten 2.3 Befriedigung beim Antworten 3. Werten (Valuing) 3.1 Billigung eines Wertes 3.2 Bevorzugung eines Wertes 3.3 Einsatz für einen Wert 4. Aufbau einer Werthierarchie (Organization) 4.1 Begriffliche Fassung eines Wertes 4.2 Integration der Werte in ein System 5. Charakterisierung des Verhaltens durch einen Wert oder Wertkomplex (Characterization by a Value or Value Complex) 5.1 Allgemeine Wertrichtung des Verhaltens 5.2 Entwicklung einer Weltanschauung Die Ordnung der Ziele des affektiven Bereichs erfolgt nach dem Grad ihrer Internalisierung. Unter Internalisierung wird bei Krathwohl der Prozess verstanden, durch den ein Mensch die Einstellungen, Verhaltensvorschriften, Prinzipien oder Werte einer anderen Person oder der Gesellschaft zu seinen eigenen macht, sodass sie sein Verhalten bestimmen (Verin-nerlichung). (Krathwohl 1964, 29) Die 1. Kategorie (Beachten) umfasst Verhaltensweisen, die darauf hindeuten, dass der Schüler bestimmten Phänomenen Beachtung schenkt. Der Grad der Aktivität des Schülers kann bei diesem Verhalten sehr unterschiedlich sein. Er ist beim bloßen „Gewahrwerden eines Reizes" (l.1) noch sehr gering, er ist etwas größer, wenn der Schüler seine Aufmerksamkeit absicht-lich darauf richtet. Am höchsten Niveau der ersten Kategorie beachtet der Schüler bereits spezielle Merkmale eines Phänomens (z. B. den Rhythmus in einem Gedicht). Der Schüler kommt über die Stufe des Beachtens (l.) hinaus, wenn er sich mit dem Aufge-nommenen aktiv auseinandersetzt. Daher der Name ´Antworten´ für die 2. Kategorie. Auf der untersten Ebene dieser Kategorie ist der Schüler noch eher passiv. Er ist z. B. bereit, die Hausaufgaben zu machen, weil er dazu angehalten wird und sonst bestraft würde. Stärker ver-innerlicht ist ein Verhalten, das auf Grund einer Initiative des Schülers und mit innerer Zu-stimmung erfolgt. Ein noch höherer Grad von Internalisierung wird ausgedrückt, wenn der Schüler beim Antworten Befriedigung empfindet. (Er findet z. B. Freude am Spielen eines Instruments, am Lesen guter Bücher usf.) Wenn der Internalisierungsprozess fortschreitet, entsteht im Schüler ein Verhalten, das ein-heitlich und stabil genug ist, um daraus Haltungen des Schülers zu erschließen (3. Werten). Das Engagement des Schülers kann von der bloßen Billigung eines Wertes (3.1) bis zum ent-schiedenen Eintreten für einen Wert reichen. Auf dieser Ebene (3.3) ist die Bindung an einen Wert außerordentlich stark. Der Schüler versucht z. B. andere von der Gültigkeit einer sittli-chen Norm zu überzeugen. Eine noch höhere Ebene der Internalisierung zeigt sich am Aufbau einer Werthierarchie (4.). Sie ist erforderlich, wenn über die Rangordnung der Werte Klarheit entstehen soll. Die Leis-tungen, die in dieser Kategorie vom Schüler verlangt werden, sind vorwiegend kognitiver Art.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 24 von 33

Der Aufbau einer Werthierarchie erfordert zuerst eine begriffliche Fassung der Werte (4.1). Der Schüler versucht z. B. Annahmen zu erkennen, die ethischen Normen zugrunde liegen, oder er versucht, die Charakteristika eines Kunstwerks, das er bewundert, zu identifizieren. Sobald die Werte begrifflich gefasst sind, kann ihre Integration in ein System erfolgen (4.2). Der Schüler beginnt z. B. Urteile darüber zu bilden, welche Art von Leben er führen möchte. Die 5. Kategorie der Taxonomie des affektiven Bereichs symbolisiert einen so hohen Grad der Internalisierung, dass das gesamte Verhalten des Individuums durch einen Wert oder Wertkomplex charakterisiert werden kann. Die Gewohnheit, objektiv an Probleme heranzu-gehen, ist ein Beispiel für ein relativ einfaches Verhalten in dieser obersten Kategorie (5.1). Noch umfassender als die allgemeine Wertrichtung des Verhaltens ist die Entwicklung einer Weltanschauung (5.2). A5 Erläuterungen zur affektiven Taxonomie nach Krathwohl et.al. (aus H. Meyer „Trainingsprogramm zur Lernzielanalyse“, Anhang) 1. Aufmerksamwerden; Beachten (Receiving; Attending)

Auf dieser Ebene sind wir daran interessiert, dass der Lernende für die Existenz bestimm-ter Phänomene und Stimuli sensibilisiert wird, d. h. dass er auf diese aufmerksam zu wer-den oder sie zu beachten bereit ist. Für die Uneingeweihten ist die Musik von Bach wie-derholend und langweilig; für diejenigen, die wissen, worauf sie zu hören haben, ist sie verschlungen und komplex; aber sogar die Ungeschulten können, wenn es ihnen bewusst gemacht wird, verstehen, dass er in einigen seiner Werke «Kanons» geschrieben hat. Der Lehrer, der den Schüler auf ein solches Charakteristikum in Bachs Werken aufmerksam macht, stellt die unterste Ebene des Verhaltens innerhalb dieser Kategorie her.

1.1 Bewusstsein (Awareness)

Obwohl es die unterste Stufe des affektiven Bereichs bildet, ist »Bewusstsein« fast ein kognitives Verhalten. Aber im Gegensatz zur »Kenntnis«, der untersten Ebene des kogni-tiven Bereichs, geht es nicht so sehr um die Fähigkeit, einen Gegenstand oder ein Faktum zu erinnern, sondern darum, dass - eine geeignete Gelegenheit vorausgesetzt - der Lernen-de sich lediglich einer Sache bewusst wird, dass er eine Situation, ein Phänomen, ein Ob-jekt oder einen Handlungszustand in Rechnung stellt.

• Ein Bewusstsein für ästhetische Faktoren der Kleidung, Einrichtung, Architektur, Stadtplanung u. ä. entwickeln.

• Die Anblicke und die Geräusche einer Stadt mit wachsender Differenzierung be-achten.

1.2 Bereitwilligkeit zum Aufmerksamwerden (Willingness to Receive)

In dieser Kategorie sind wir eine Stufe höher gestiegen, aber noch mit offensichtlich kog-nitivem Verhalten beschäftigt. Auf einer Minimalebene beschreiben wir das Verhalten, einen vorgegebenen Stimulus zu tolerieren und ihm nicht auszuweichen. Ähnlich dem »Bewusstsein« umfasst es eine neutrale oder zurückhaltende Beurteilung des Stimulus. Das ist eine häufig von Kunsterziehern gebrauchte Kategorie, weil wir dazu neigen, einige der neueren Kunstformen abzulehnen und zu umgehen.

• Toleranz für eine Vielzahl von Musikarten entwickeln. • Rassen- und Kulturunterschiede in seinem Bekanntenkreis akzeptieren.

1.3 Kontrollierte oder ausgewählte Aufmerksamkeit (Controlled or Selected Attention)

Auf einer etwas höheren Ebene sind wir mit einem neuen Phänomen beschäftigt: der Dif-ferenzierung eines bestimmten Stimulus nach dem Figur/Grund-Schema auf einer bewuss-ten oder vielleicht halbbewussten Ebene: der Differenzierung von Stimulusaspekten, die als klar abgegrenzt von benachbarten Eindrücken verstanden werden. Die Wahrnehmung ist immer noch ohne Anspannung oder Beeinflussung, und der Schüler dürfte die techni-schen Begriffe oder Symbole nicht kennen, mit deren Hilfe sie anderen korrekt oder präzi-se beschrieben werden könnten.

• Musik anhören mit einem gewissen Urteilsvermögen und unter gewisser Beach-tung, wie die verschiedenen musikalischen Elemente und Instrumente zum Ge-samteffekt beitragen.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 25 von 33

• Auf den Rhythmus laut vorgetragener Poesie oder Prosa hören. 2. Reagieren (Responding)

Auf dieser Ebene beschäftigen wir uns mit Reaktionen, die über ein bloßes Beachten der Phänomene hinausgehen. Der Schüler ist genügend motiviert, so dass er zwar nicht gerade »gewillt« ist, zu beachten, aber - wie man korrekt sagen könnte - doch so, dass er aktiv beachtet. Auf der ersten Stufe widmet sich der Schüler selbst in geringem Maß den Phä-nomenen, um die es geht, in einem »learning by doing«-Prozess. Dies ist eine sehr niedri-ge Ebene des Engagements, und wir würden auf dieser Ebene nicht sagen, dass es sich um einen «ihm zuzuschreibenden Wer» handle oder dass er »die und die Haltung« besitze. Diese Begriffe gehören zur nächsthöheren Ebene, die wir beschreiben werden. Aber wir können sagen, dass er mit dem Phänomen etwas anfängt, was über das reine Bemerken hi-nausgeht, wie es auf der vorausgegangenen Ebene der »kontrollierten oder ausgewählten Aufmerksamkeit« beschrieben wurde. Ein Beispiel für ein solches »Reagieren« wäre die Befolgung von Gesundheits- und Sicherheitsregeln oder der Gehorsam gegenüber Verhal-tensregeln. Die Kategorie des »Reagierens« wurde in drei Subkategorien unterteilt, um das Konti-nuum Reagieren derart zu beschreiben, dass der Lernende sich in einem zunehmenden Maße der Einübung und den Phänomenen des Lernziels anvertraut. Die niedrigste Stufe wird im folgenden Abschnitt erläutert und »Einwilligung ins Reagieren« genannt. Wie die Bezeichnung andeutet, ist es auf dieser Ebene das Element der Einwilligung oder des Ge-horsams, das es von der nächsten Ebene, der »Bereitwilligkeit zum Reagieren«, unter-scheidet. Schließlich ist auf einer noch höheren Ebene der Internalisation eine »Befriedi-gung beim Reagieren« festzustellen, die auf der vorausgehenden Ebene der Bereitwillig-keit oder Zustimmung zum Reagieren nicht erreicht wurde. Mit einem emotionalen Rea-gieren auf Freude, Genuss oder Vergnügen haben wir diese dritte Stufe erreicht.

2.1 Einwilligung ins Reagieren (Acquiescence in Responding)

• Bereitwilligkeit, Gesundheitsregeln zu befolgen. • Verkehrsregeln zu Fuß und mit dem Fahrrad an Kreuzungen und anderswo beachten.

2.2 Bereitwilligkeit zum Reagieren (Willingness to Respond) • Aus eigenem Antrieb an einer Vielzahl von konstruktiven Hobbies und

Freizeitbeschäftigungen interessiert sein. • Ruhig bleiben, wenn die Gelegenheit oder die Situation Ruhe erfordern (die Situation

muss klar definiert werden). • Zur Gruppendiskussion durch provokative Fragen beitragen.

2.3 Befriedigung beim Reagieren (Satisfaction in Response) • Freude am Lesen zur Erholung finden. • Gefallen finden am Anhören verschiedener menschlicher Stimmen mit großen Unter-

schieden in Tonhöhe, Stimmqualität und regionalen Akzenten. 3. Werten (Valuing)

Dies ist die einzige Kategorie, die einen Begriff zur Überschrift hat, der in den Lernziel-vorstellungen der Lehrer allgemein gebräuchlich ist. Weiter ist es in seinem üblichen Sinn gebraucht - nämlich, dass eine Sache, ein Phänomen oder Verhalten Wert haben. Diese abstrakte Auffassung von Wert ist nicht so sehr das Resultat des eigenen Wertens oder Einschätzens des Individuums als vielmehr ein soziales Produkt, das langsam internalisiert oder akzeptiert und vom Schüler als sein eigenes Werkkriterium verwendet wird. Das auf dieser Ebene kategorisierte Verhalten ist genügend konsistent und beständig, um die Cha-rakteristika eines Glaubens oder einer Haltung angenommen zu haben. Der Lernende zeigt dieses Verhalten mit genügender Konsistenz in geeigneten Situationen, so dass bei ihm ei-ne Werthaltung festgestellt werden kann. Auf der niedrigsten Ebene des Wertens ist er zumindest bereit, es zuzulassen, dass er so eingeschätzt wird; auf der höheren Ebene da-gegen kann er sich so benehmen, dass er diesen Eindruck noch selbst unterstützt.

3.1 Akzeptieren eines Wertes (Acceptance of a Value)

• Einen Sinn für Verantwortung beim Anhören und Teilnehmen an einer Diskussion be-sitzen.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 26 von 33

3.2 Bevorzugen eines Wertes (Preference for a Value) • Zurückhaltende Gruppenmitglieder in ein Gespräch ziehen. • Interesse, andere Personen zu befähigen, eine Befriedigung aus grundlegenden allge-

meinen Bedürfnissen zu erlangen. • Wunsch, an der Verbesserung der Gesundheitsvorschriften zu arbeiten.

3.3 Verpflichtung (Commitment) • Entschlossene Loyalität gegenüber verschiedenen Gruppen, in denen man Mitglied ist. • Religion aktiv im persönlichen und familiären Leben praktizieren. • Vertrauen haben in die Macht der Vernunft und in die Methoden der Experimente und

der Diskussionen. 4. Organisation (Organisation)

Wenn der Lernende nacheinander Werte internalisiert, stößt er auf Situationen, für die mehr als ein Wert relevant ist. So ergibt sich die Notwendigkeit, a) Werte in ein System einzuordnen, b) die Beziehungen zwischen ihnen zu bestimmen, c) herauszufinden, wel-ches der vorherrschende und durchschlagende Wert sein wird.

4.1 Begreifen eines Wertes (Conceptualization of a Value)

• Wunsch, eine geschätzte Sache zu beurteilen. • Die grundlegenden Voraussetzungen für Moralvorstellungen und Glaubensbekennt-

nisse herausfinden und strukturieren. 4.2 Organisation eines Wertsystems (Organisation of a Value System)

• Abwägen alternativer gesellschaftspolitischer Entscheidungen und Maßnahmen nach den Grundsätzen des Gemeinwohls anstatt nach dem Vorteil für spezifische und eng begrenzte Interessengruppen.

5. Charakterisierung durch einen Wert oder eine Wertstruktur (Characterization by a

Value or Value Concept) Auf dieser Internalisationsebene haben die Werte schon einen Platz in der Werthierarchie des Individuums, sind sie geordnet nach verschiedenen Arten innerlich konsistenter Sys-teme, haben sie das Verhalten des Individuums für eine hinreichende Zeit kontrolliert, so dass es sich an ein derartiges Verhalten angepasst hat und ein Hervorrufen dieses Verhal-tens nicht mehr regelmäßig von einer Emotion oder Affekten begleitet ist. Das Individuum handelt durchweg in Übereinstimmung mit den auf dieser Stufe internalisierten Werten; auf zwei Dinge ist hinzuweisen: a) auf die Verallgemeinerung dieser Kontrolle zu einem so großen Anteil am Verhalten des Individuums, dass dieses als Person mit Hilfe dieser durchschlagenden Kontrolltendenzen beschrieben und charakterisiert werden kann; b) auf die Integration dieser Überzeugungen, Gedanken und Haltungen in eine Gesamtphiloso-phie oder Weltanschauung. Diese zwei Aspekte bilden die Subkategorien.

5.1 Allgemeine Einstellung (Generalized Set) • Bereitschaft, angesichts von Beweismaterial Urteile zu revidieren und das Verhalten

zu ändern. • Objektive und systematische Planung als Grundmethoden zur Erlangung befriedigen-

der Wahlmöglichkeiten akzeptieren. 5.2 Charakterisierung (Characterizution)

• Für die Regelung des persönlichen und des politischen Lebens einen Verhaltenskodex entwickeln, der auf ethischen Prinzipien basiert und mit den Idealen der Demokratie übereinstimmt.

• Eine konsistente Lebensphilosophie entwickeln. • Ein Gewissen entwickeln.

A6 Die Taxonomien als Hilfsmittel zur Entdeckung von Lernzielen (Taxonomie nach Bloom u.a., S. Thiel „Lehr- und Lernziele“, 1973, Otto Maier Verlag Ravensburg) Ein wesentlicher Effekt der Anwendung von Taxonomien besteht darin, dass mit ihrer Hilfe zu vorgegebenen Unterrichtsthemen eine Reihe spezieller Zielsetzungen gefunden werden kann.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 27 von 33

Dies lässt sich z. B. demonstrieren, wenn man dem Lehrplan die für das Fach „Geographie und Wirtschaftskunde" (6. bis 8. Schulstufe) vorgegebene Stoffangabe „Die Nachbarländer Österreichs" entnimmt und für das Beispiel „Italien" nach den Spezifizierungsmöglichkeiten fragt. Für die 1. Kategorie, in der es darum geht, sich einzelne Wissenselemente (Einzelheiten, Me-thoden, Informationsweisen) zu vergegenwärtigen, lässt sich beispielsweise angeben: 1.1 Der Schüler kennt die Bedeutung der Ausdrücke „Halbinsel" und „Lagune". Der Schüler

kann die wichtigsten Städte, Flüsse und Gebirge Italiens aufzählen. 1.2 Der Schüler weiß, wo er nachschlagen muss, um einen Überblick über die bedeutendsten

Sehenswürdigkeiten zu gewinnen 1.3 Der Schüler kann die wichtigsten Allgemeinbegriffe nennen, die zur Beschreibung der

italienischen Landschaft verwendet werden. Für die 2. Kategorie, in der es u. a. um die Dokumentation von Verständnis geht, kann z. B. gefordert werden: Der Schüler kann den Inhalt des Abschnittes „Italien" in seinem Geogra-phiebuch mit eigenen Worten wiedergeben. In ähnlicher Weise können alle Kategorien der Bloomschen Taxonomie durchlaufen werden .. 3. Der Schüler kann erklären, warum bei Ravenna das Land jährlich ca. einen Meter ins

Meer wächst. 5. Der Schüler stellt mit Hilfe des Atlasses eine Ferienreise nach Italien zusammen. 6. Der Schüler kann Behauptungen über die wirtschaftliche Lage Italiens auf Grund der

Kenntnisse der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion Italiens kritisch bewer-ten. Der Schüler kann beurteilen, ob bestimmte Maßnahmen auereichen, um die Abwan-derung italienischer Arbeiter ins Ausland zu beeinflussen.

Als Beispiel für den affektiven Bereich soll das häufig genannte Ziel „Lesen guter Bü-cher" herangezogen werden. Diese Zielsetzung enthält selbstverständlich auch kognitive As-pekte. Von diesen soll jedoch im Folgenden abgesehen werden. Es wird nur gefragt, welches Verhalten hinsichtlich des Themas „Lesen guter Bücher" verschiedenen Stufen des von Krathwohl u.a. als Gliederungsprinzip der Taxonomie gewählten Internalisierungsprozesses entspricht. 1. 1.1. Der Schüler hört den Ausführungen des Lehrers über gute und schlechte Bücher zu. 1.2. Der Schüler hört sich an, was in einer Fernsehsendung über neue Jugendbücher gesagt

wird. 1.3. Der Schüler interessiert sich für Bücher von Jugendschriftstellern, die der Lehrer positiv erwähnt hat. 2. 2.1. Der Schüler liest ein Buch, weil es ihm der Lehrer empfohlen hat. 2.2. Der Schüler schmökert in der Schülerbibliothek 2.3. Der Schüler findet an Büchern des „Buchklubs der Jugend" Freude (Freude? H.D.) 3. 3.1. Der Schüler liest mit zunehmendem Interesse gute Bücher. 3.2. Der Schüler zieht gute Bücher anderen von ihm gebilligten Werten (z. B. Sport, Musik)

vor. 3.3. Der Schüler versucht, seine Kameraden dazu zu bringen, ein Buch zu lesen, das er gut findet. 4. 4.1. Der Schüler spricht darüber, warum eine Erzählung von B. L. Stevenson wertvoller ist als

ein Groscherroman.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 28 von 33

4.2. Das Lesen guter Bücher wird vom Schüler als ein wesentlicher Wert im Leben angese-hen.

Die 5. Kategorie (Charakterisierung des Verhaltens durch einen Wert oder Wertkomplex) entfällt hier, da mit der Kategorie 4. (Aufbau einer Werthierarchie) bereits das komplexeste Verhalten erfasst ist, welches dem Ziel „Lesen guter Bücher" entspricht. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Taxonomien mit Erfolg zum Suchen und Entdecken „neuer" Lernziele eingesetzt werden können. Offenbar sind die in den einzelnen Kategorien verarbeiteten Vorstellungen über die Struktur menschlicher Leistungen kognitiver und affek-tiver Art geeignet, eine Fülle von Ideen über spezifizierte Zielsetzungen zu produzieren, so-fern - dies ist sehr wesentlich - die Sachstruktur eines Unterrichtsgegenstandes präsent ist. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, lassen sich die Taxonomien auf beliebige Inhalte, auch auf komplexe Sachstrukturen, wie z. B. mathematische und naturwissenschaftliche Lehrgegenstände anwenden. A7 Erläuterungen zur psychomotorischen Taxonomie von R.H. Dave (zitiert nach dem Auszug bei Ch. Möller „Technik der Lernplanung“, Weinheim 1973, S. 255/6) 1. Imitation

Wenn der Lernende mit einer beobachtbaren Handlung konfrontiert wird, beginnt er, diese Handlung nachzuahmen.

1.1. Imitationsimpulse

Die Nachahmung kann nicht beobachtet werden, da sie mit einer inneren Wiederholung eines muskulären Systems einsetzt, das durch einen inneren Impuls zur Nachahmung der Handlung gesteuert wird.

1.2. Beobachtbare Wiederholung

Dies ist die beobachtbare Ausführung einer Handlung zusammen mit der Fähigkeit, diese zu wiederholen. Der Ausführung der Handlung fehlt jedoch noch die neuromuskuläre Koordination oder Steuerung, so dass sie im allgemeinen grob und unvollkommen ist.

2. Manipulation Entwicklung von Fertigkeiten beim Befolgen von Anweisungen, Ausführen selektiver Handlungen und Festigung des Handlungsablaufs mit fortschreitender Übung.

2.1. Befolgen einer Anweisung Der Lernende ist in der Lage, eine Handlung nicht allein aufgrund der Beobachtung, son-dern nach einer Instruktion auszuführen.

2.2. Selektion

Der Lernende fängt an, zwischen verschiedenen Handlungen zu differenzieren und das erforderliche Verhalten auszuwählen.

2.3. Festigung eines Handlungsablaufes

Der Lernende gewinnt eine gewisse Geübtheit in der Manipulation bestimmter Geräte. Allmählich kommt es nach ausreichender Übung des ausgewählten Handlungsmusters zu einer Festigung desselben. Die Handlung wird ziemlich sicher, aber noch bewusst kon-trolliert ausgeführt.

3. Präzision

Auf dieser Stufe werden Genauigkeit und Maßverhältnisse beim Reproduzieren bedeut-sam. Der Lerner wird allmählich vom Modell unabhängig.

3.1. Reproduzieren

Die Beherrschung beim Reproduzieren der Handlung erreicht ein höheres Niveau der Verfeinerung. Hier werden Genauigkeit, Maßverhältnisse und Exaktheit der Leistung be-deutsam.

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 29 von 33

3.2. Steuerung

Der Lernende wird von dem ursprünglichen Vorbild, das sein Verhalten leitete, unabhän-gig. Er kann seine Verhaltensabfolgen so regulieren, dass in dem festgelegten Hand-lungsablauf beliebige Änderungen herbeigeführt werden können; er kann die Geschwin-digkeit erhöhen und herabsetzen, die Leistung ist auf dieser Stufe von Vertrauen be-gleitet, aber auch von bewusster Wachheit.

4. Handlungsgliederung

Hier kommt es darauf an, eine Serie von Handlungen zu koordinieren, indem die geeigne-te Abfolge und ein harmonisches Zusammenwirken verschiedener Handlungen hergestellt wird.

4.1. Sequenz

In vielen praktischen Situationen ist nicht eine, sondern sind eine ganze Reihe von Hand-lungen auszuführen und dabei verschiedene Körperpartien zu beanspruchen. Der Lernen-de gelangt dazu, diese Handlungen zu strukturieren.

4.2. Harmonie

Der Lernende erwirbt die Gewandtheit, eine Reihe von Handlungen gleichzeitig und in Aufeinanderfolge auszuführen, um die gewünschte Übereinstimmung oder den Gleich-klang herzustellen.

5. Naturalisierung

Auf dieser Stufe erreicht die Handlungsfertigkeit den höchsten Grad der Beherrschung, und sie wird mit geringst möglichem Aufwand psychischer Energie ausgeführt.

5.1. Automatisierung

Die Handlung wird in solchem Maße zur Routine, dass sie in eine automatische und von selbst ablaufende Reaktionsfolge übergeht.

5.2. Interiorisierung

Die Handlung ist so automatisiert, dass sie unbewusst ausgeführt wird. Die Person weiß nicht einmal dass die Handlung abläuft, bis sie gehindert oder ernsthaft gestört wird. Mit anderen Worten, die Handlungsgewohnheit wird zur »zweiten Natur«.

A8 Nicht-akademische Lernziele zur leistungsthematischen Persönlich keitsentwicklung („Päd. Psychologie IV“, Beltz-Lehrgang zum Funk-Kolleg, Heckhausen: Motivation, Praxis) Im Folgenden soll versucht werden, aus der Leistungsmotivationstheorie einen Lernzielkanon und daraus wiederum pädagogische Förderungsmaßnahmen abzuleiten. Im Mittelpunkt dieses Lernzielkanons stehen Selbstbewertungsprozesse. und zwar hier die Entwicklungsförderung von Gütemaßstäben (Gütestandards) verschiedener Verankerung. Sie werden im Folgenden als Bezugsnormen bezeichnet (individuelle, soziale usw.). Die vorgenommenen Theorie-Ableitungen bleiben auf halbem Wege zur völligen Praxis-Umsetzung stehen; d.h. sie sind allgemein gefasst und können so für die verschiedensten Unterrichtsfächer konkretisiert wer-den. Sie sollen den interessierten, im Lehrberuf tätigen Leser anregen, seinen eigenen Unter-richt daran zu messen und unter Umständen umzugestalten, falls er diesen nicht-akademischen Lernzielen Bedeutung beimisst. Im Übrigen stehen die folgenden Ableitungen in Zusammenhang mit Vorgehensweisen der Motivänderungskurse, über die gerade berichtet worden ist. 1. Lernzielkanon 1. Lernziel: Aufbau und Festigung von individuellen Bezugsnonnen für die eigene Leistungs-tüchtigkeit in relevanten Tätigkeitsbereichen. Dieses Lernziel beinhaltet:

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 30 von 33

a) realistische, aber anspruchsvolle Zielsetzungen, d.h. solche, die in bezug auf die eigenen Fähigkeiten weder eine Über- noch Unterforderung darstellen;

b) angemessene Kausalattribuierung für eigene Erfolge und Misserfolge, insbesondere für den Einfluss eigener Motivierung (Anstrengungsgrad) auf das Handlungsergebnis. Unter Be-dingung a) wird der Einfluss dieses Faktors maximiert;

c) Vergleich mit eigenen früheren Leistungen (individuelle Bezugsnorm) führt zum Erlebnis der eigenen Fähigkeitssteigerung (Lernzuwachs);

d) Fähigkeit, für verschiedene leistungsthematische Aufgabenbereiche auch unterschiedliche Wertverbindlichkeiten einzugehen, d: h. den persönlichen Anspruch an eigene Leistungs-tüchtigkeit in verschiedenen Aufgabenbereichen differenzieren und abwägen zu können (eingegangene Selbstverantwortlichkeiten)

2. Lernziel: Aufbau und Festigung von sachlichen Bezugsnormen. Das heißt von solchen, die „in der Natur der Sache liegen“, und die von Faktoren der eigenen Leistungstüchtigkeit (Fä-higkeit, Anstrengung) unabhängig sind. Hierher gehören etwa verantwortungsvoll wahrzunehmende Wartungsaufgaben, von denen die Instandhaltung von Sachen, die Sicherheit anderer Menschen abhängt. Weiterhin: Einsicht in und Anerkennung von Gütestandards, die hinreichend oder nicht-hinreichend sind für die Erledigung bestimmter Aufgaben. 3. Lernziel: Aufbau und Festigung von sozialen Bezugsnormen. Das heißt der Vergleich der eigenen Leistungstüchtigkeit mit der Verteilung von Leistungs-tüchtigkeiten in einer sozialen Bezugsgruppe, die im eigenen Erleben relevant erscheint (z. B. Mitschüler in der Klasse, Gleichaltrige). Dieses Lernziel beinhaltet: a) Wahrnehmung und Tolerierung von Unterschieden zwischen eigenen und fremden Leis-

tungstüchtigkeiten auf Grund (1) verschiedener Fähigkeiten, (2) verschiedener Motivie-rungen (Anstrengungsgrade) und (3) - eng mit (2).zusammenhängend - verschiedener ein-gegangener Wertverbindlichkeiten für einzelne Aufgabenbereiche;

b) Fähigkeit, die individuellen Bezugsnormen für die eigene Leistungstüchtigkeit im über-greifenden Bezugssystem der sozialen Bezugsnormen zu verankern und somit ein ange-messenes Selbst bild der eigenen Leistungstüchtigkeit im sozialen Vergleich zu gewinnen.

4. Lernziel: Fähigkeit, fremdgesetzte Bezugsnormen für eigene Leistungstüchtigkeit im Hin-blick auf die Begründetheit ihres Anspruchs nach individuellen, sachlichen und sozialen Be-zugsnormen zu beurteilen. Das heißt, die Beziehung von Fremdbeurteilung und Selbstbeurtei-lung eigener Leistungstüchtigkeit kritisch zu erwägen (nicht nur kritisch gegenüber anderen, sondern auch kritisch gegenüber sich selbst). 5. Lernziel: Es handelt sich hier um ein übergreifendes Gesamtlernziel: Fähigkeit zur Selbst-regulation des eigenen Leistungsverhaltens. Das meint Fähigkeit zu intrinsischer Selbstmoti-vierung und Selbstbekräftigung bzw. relative Unabhängigkeit von Fremdbekräftigung. Vor-aussetzung dazu ist die Erreichung der Lernziele 1 bis 4. Zudem müssen aber Spannungen und Widersprüchlichkeiten zwischen individuellen, sachlichen, sozialen und fremdgesetzten Bezugsnormen ertragen werden können. Dabei sollen individuelle Bezugsnormen die Füh-rung übernehmen, soweit sie auf realistischer Selbsteinschätzung, auf angemessener Ursa-chenerklärung für eigene Handlungsergebnisse und auf eingegangenen Wertverbindlichkeiten für einzelne Aufgabenbereiche beruhen. 2. Aus dem Lernzielkanon abgeleitete pädagogische Förderungsmaßnahmen Zum 1. Lernziel: „Aufbau und Festigung individueller Bezugsnormen“ a) Freistellen von Tätigkeitsfeldern zur Erprobung eigener Leistungstüchtigkeiten. Der Grad

der Aufgabenschwierigkeit muss in möglichst anschaulicher und durchsichtiger Weise abstufbar und dosierbar sein.

b) Gelegentlich sollte es dem Schüler überlassen bleiben, über seine Zielsetzung in über-schaubaren Aufgaben selbst zu entscheiden. d. h. den Grad der Aufgabenschwierigkeit selbst zu bestimmen.

c) Wenn Aufgaben vom Lehrer zugeteilt werden, ist die Passung von Schwierigkeitsgrad und individuell erreichtem Leistungsstand zu beachten (Prinzip der Passung). Das macht unter-

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 31 von 33

richtsorganisatorische Maßnahmen zur äußeren oder - noch besser - inneren Differenzie-rung notwendig (wie individuelles Arbeiten. Arbeiten in Kleingruppen, Rollendifferenzie-rung in Unterrichtsprojekten u.a.).

d) Gelegentliches Freistellen verschiedener Aufgabenfelder zur individuellen Wahl von Einsatzschwerpunkten für eigene Anstrengung nach persönlichen Interessen, sonstigen persönlichen Wertverbindlichkeiten oder nach der Zweckdienlichkeit in bezug auf die Er-reichung übergreifender Leistungsziele. All dies setzt Planung und zeitperspektivische Strukturierung voraus.

e) Individualisierung der Normwert-Erwartungen des Lehrers für jeden einzelnen Schüler nach Maßgabe von dessen Leistungsfähigkeit (individuelle Bezugsnorm für die Leistungs-bewertung durch den Lehrer). Die Fremdbeurteilung der Schülerleistung durch den Lehrer richtet sich also nach solchen individualisierten Normwert-Erwartungen, nicht nach sozia-len Bezugsnormen der Leistungsverteilung aller Schüler in der Klasse. Eine ausgezeichnete Umsetzung dieser Forderung in die Unterrichtspraxis ist das berichte-te Rechtschreibspiel in dem Motivförderungsprogramm von DECHARMS.

f) Bei Schülern, deren Gütestandards die eigene Leistungsfähigkeit über- oder unterfordern, macht der Lehrer seine eigenen individualisierten Normwert-Erwartungen explizit deutlich und gibt diesen Schülern eine angemessene Ursachenerklärung für Erfolg und Misserfolg (bei Erfolg z.B.: eine für die erreichte Fähigkeit zu geringe Aufgabenschwierigkeit; bei Misserfolg: zu große Aufgabenschwierigkeit für erreichte Fähigkeit oder zu geringe An-strengung).

Zum 2. Lernziel: „Aufbau und Festigung sachlicher Bezugsnormen“ Wo es möglich erscheint, sind sachimmanente Gütestandards aufzuweisen, die zur Aufgaben-erfüllung notwendig und hinreichend sind. Notwendig, weil sonst der angezielte Effekt nicht zustande käme; hinreichend, weil weitere Steigerungen des erreichten Gütestandards die Auf-gabenerfüllung nicht verbessern. d. h.: Abwägen von Aufwand und Nutzen. Die Leserlichkeit der Handschrift ist notwendiger Gütestandard gegenüber unleserlicher Schrift und hinrei-chender Gütestandard gegenüber Schönschrift. Der Lehrer sollte den jeweils erforderlichen Gütestandard nicht nur mitteilen, sondern - wo es geht - die Schüler diesen Standard bei der Aufgabenbearbeitung auch selbst erfahren lassen. Sachliche Bezugsnormen sollten nicht nur in Schwierigkeitsbereichen vermittelt werden, die der Schüler gerade bewältigen kann, sondern auch in Bereichen, die er bereits gut beherrscht, oder solchen, die seine gegenwärtige Leistungsfähigkeit noch weit übersteigen. Zum 3. Lernziel: „Aufbau und Festigung sozialer Bezugsnormen“ Die Vermittlung sozialer Bezugsnormen wird im Schulunterricht auf Grund des üblichen No-tengebungssystems ohnehin auf Kosten aller übrigen Bezugsnormen betrieben; sei es nun, dass sich die soziale Bezugsnorm (wie in der Regel) mehr auf die Verteilung der Schülerleis-tungen innerhalb einer Klasse oder mehr auf lehrplanorientierte Absolutnormen oder auch gelegentlich (falls detaillierte Curriculum-Entwürfe vorliegen) auf lernzielorientierte Kriterien stützt. Leistungsbeurteilungen innerhalb solcher Bezugssysteme, die auf sozialem Vergleich beruhen (oder ihn - bei Verankerung an Lehrplan-Lernziel-Kriterien - zur Folge haben), sind zum Aufbau eines realistischen Selbstbildes notwendig. Sie sollten aber nicht die bisher für sie bestehende Ausschließlichkeit behalten. a) Sie sollten den individualisierten Normwert-Erwartungen des einzelnen Schülers (indivi-

duelle Bezugsnormen), die sich über individuelle Leistungsverläufe im Laufe der Zeit auf-bauen, gegenübergestellt werden.

b) Die Fremdbeurteilung der Schülerleistung durch den Lehrer sollte von individuellen Be-zugsnormen, und nicht von sozialen, abhängig sein.

c) Soziale Bezugsnormen sind nach Möglichkeit zu objektivieren, vorzugsweise nach lern-zielorientierten Kriterien.

d) Beurteilung der Schülerleistung auf Grund sozialer Bezugsnormen ist Ausgangspunkt für unterrichtsorganisatorische Maßnahmen, wie äußere und innere Differenzierung, zusätzli-cher Unterricht u. a.

Zum 4. Lernziel: „Fähigkeit, fremdgesetzte Bezugsnormen zu beurteilen“ Übergreifende Lehrplanziele und darin eingebettete Lernziele sollte der Lehrer erläutern und diskutieren. Dazu gehört das Aufzeigen denkbarer und vorweg freigestellter Alternativen so-

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 32 von 33

wie Hinweise auf Eingangsvoraussetzungen an erreichten Fähigkeiten, Möglichkeiten zu ihrer Schaffung, falls Rückstände bestehen, den notwendigen Aufwand an Anstrengung usw. All diese Dinge sollten nach Möglichkeit mit den Schülern diskutiert werden, wobei die vom Lehrer gesetzten Bezugsnormen eine hervorgehobene Rolle spielen. Zum 5. (übergreifenden) Lernziel: „Fähigkeit zur Selbstregulation des eigenen Leis-tungsverhaltens“ Die unter 1-4 aufgeführten pädagogischen Maßnahmen scheinen hinreichende Bedingungen zu sein, um die intrinsische Selbstmotivierung des Schülers und damit seine Fähigkeitsentfal-tung zu fördern, ohne ihn unnötig äußeren Sanktionen zu unterwerfen. Das bleibt zu konkreti-sieren und zu prüfen. Die Frage der Evaluation, d. h. der Überprüfung, wie weit die einzelnen Lernziele erreicht worden sind, kann hier nicht mehr erörtert werden. 3. Öffnung der Unterrichtssituation für nicht-akademische Lernziele Eine Ursache der gegenwärtig zu beobachtenden Schulmüdigkeit scheint in der mangelnden Inspiration der Unterrichtspraxis durch nicht-akademische Lernziele zu liegen. Vonnöten scheinen besonders motivationale Lernziele, die handlungsrelevant sind und Selbsterfahrung ermöglichen, und kognitive Lernziele, die auf die Fähigkeit zu kritischer Informationsverar-beitung gerichtet sind. Lehrer selbst halten solche Lernziele für sehr wichtig, ohne sich in der Lage zu sehen, viel zu ihrer Erreichung tun und das Erreichte feststellen zu können (vgl. Ta-schenbuch Kap. 18.7.). Der übliche Unterricht mit seiner traditionellen Gebundenheit an akademische Lernziele kann durchaus für nicht-akademische Lernziele geöffnet werden. Dafür müssten allerdings zu-nächst die überkommenen Sichtweisen aufgelockert und umstrukturiert werden. RAVEN (1971) gibt dafür einige Ratschläge: 1. Ratschlag: Strukturiere die vorliegenden Unterrichtsaufgaben so um, dass sie einen grö-

ßeren Bereich an Motiven anregen und befriedigen. Beispiele: Wetteifer mit sich selbst, Wunsch, einer anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu wer-den. Anschlussmotive (kooperatives Arbeiten mit freundlicher Interaktion) und Machtmotive (andere dazu bringen, etwas zu tun; eine Wirkung auf andere ausüben, Führungsrollen über-nehmen). 2. Ratschlag: Strukturiere vorliegende Aufgaben so um, dass neue Arten, sich mit ihnen zu

beschäftigen, in verschiedene Bereiche der Persönlichkeits- und Motiventwicklung füh-ren.

Beispiele: So können übliche Schulaufgaben in einer Weise umstrukturiert werden, dass sie Schüler ermuntern, Fähigkeiten einzuüben zum Planen und Entscheiden, zum Ausschauen nach Rückmeldungen und zum Überprüfen weiterer Schritte. Die Aufgaben können so ange-legt werden, dass sie den Schülern dazu verhelfen, ihre Gefühle (sowohl positive wie negati-ve) tiefer in ihre Beschäftigungen einzubeziehen. 3. Ratschlag: Überdenke die Unterrichtsaufgaben völlig neu, und zwar so, dass sie die

Schüler ausdrücklich ermutigen, das Folgende zu entwickeln: z. B. veränderte Bilder von sich selbst, neue Arten zu denken, zu fühlen und zu handeln, indem sorgfältig strukturierte Lernerfahrungen entworfen werden, die dazu anhalten, über die eigenen Wertvorstellun-gen nachzudenken sowie über die Folgen, wenn man andere Wertsysteme übernimmt.

Beispiele: Die Lernerfahrungen können Rollenspielsituationen und psychologische Spiele umfassen, die das Ausprobieren neuer Weisen des Denkens, Fühlens und Verhaltens (insbe-sondere auch was die Beziehungen zu anderen betrifft) in Situationen nahe legen, in denen die Folgen eines Fehlverhaltens in den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht so verheerend sind wie im wirklichen Leben. Die Lernerfahrungen sollten auch so vorstrukturiert sein, dass sie den Schüler ermuntern, neue Verhaltensmuster aufzubauen und zu befestigen, so dass sie später in natürlichen Lebenssituationen leicht zur Verfügung stehen. ... Ist man nämlich erst einmal in gefühls- und verhaltensmäßiger Hinsicht mit diesen Dingen vertraut, so vergrößern

Studienseminar Recklinghausen, Seminar Gy/Ge 28.06.2003 Seite 33 von 33

sie auch die Sensibilität, sich in andere hineinzuversetzen und führen letztlich zu Fähigkeiten der Besonnenheit und Offenheit für neue Ideen. 4. Ratschlag: überdenke die schulische Umwelt, um sie mehr jenen Sozialisationsbedingun-

gen anzugleichen, die die Entwicklung verschiedener Motive fördern. Beispiele: Ist man etwa daran interessiert, eine stärkere Ausprägung des Leistungsmotivs zu fördern, so kann man ein größeres Maß an persönlicher Verantwortung und Unabhängigkeit übertragen und klare Rollenvorbilder anbieten (im Lehrerverhalten oder in der Literatur), in denen so verschiedene Dinge betont werden wie Aufrichtigkeit, Offenheit, Geradheit, Respekt gegenüber anderen, Verwirklichung eigener Fähigkeiten, vielseitige Interessen und Tätig-keitsfreude. 5. Ratschlag: Halte Lehrer an, genauer über die Belohnungssysteme nachzudenken, die sie

im Unterricht verwenden, welche Verhaltensweisen sie belohnen und welche Arten von Belohnung sie benutzen.

Beispiele: Sie können aufgeschlossener dafür gemacht werden, zuzugestehen, dass ganz ver-schiedene Erziehungseffekte zu ihrem Recht kommen und alle begrüßt werden sollten. In die-sem Sinne wären Lehrer zu ermuntern, den einen Schüler für Lerneifer zu belohnen, einen anderen für Initiative und wieder andere für Hilfsbereitschaft und Kooperation, für Anführen, für Kommunikationsfähigkeiten, für ausgewogene Entscheidungsfindung, für Vorausplanen, für Versuche der Ereignisvorhersage u.a. Bei all diesen verschiedenen Tüchtigkeiten wären nicht nur die erreichten absoluten Niveaus zu belohnen, sondern auch jeder Versuch eines Schülers, das eigene Fähigkeitsniveau (so niedrig es auch sein mag) auf irgendeinem dieser Bereiche zu erhöhen ... Dabei wären Lehrer auch zu ermutigen, verschiedene Schüler auf verschiedene Weise zu belohnen, den einen mit weiterführendem Unterricht, den andern mit freundlicher Zuwendung. einen dritten mit Gele-genheit, eine ihn fesselnde Aufgabe weiter zu verfolgen usw. (Raven, I.: Objectives in educa-tion, Dublin: The Economic and Social Research Institute, 1971 (unveröffentlichter Vorausabzug, Seite 125-129).