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manuelletherapie ExpertenwissenDie besten Schwerpunkt-Artikel von 2012 – 2016

Herausgegeben von

Johannes BesslerClaus BeyerleinTrisha Davies-KnorrSebastian KlienJan Herman van MinnenFiona MorrisonJochen SchomacherArne Vielitz

534 Abbildungen

Georg Thieme Verlag KGStuttgart • New York

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Bibliografische Informationder Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwick-lungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Er-kenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbe-langt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehal-ten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort ge-gebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist beson-ders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

Geschützte Warennamen (Marken) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver-vielfältigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© 2018 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 1470469 StuttgartDeutschlandTelefon: +49/(0)711/8931-0Unsere Homepage: www.thieme.de

Mit Übernahmen aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Illustrationen von M. Voll undK. Wesker. Stuttgart: Thieme.Umschlaggestaltung: Thieme GruppeUmschlaggrafik: aus Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Karl Wesker; verwendete Abbildungen im Hintergrund © luxpainter – Fotolia.com, © thailoei92 – Fotolia.com, © Alfonsodetomas – Fotolia.comSatz: L42 AG, BerlinDruck: Aumüller Druck GmbH & Co. KG Regensburg

DOI 10.1055/b-005-145251ISBN 978-3-13-241909-4 1 2 3 4 5 6

Auch erhältlich als E-Book:eISBN (PDF) 978-3-13-241910-0

Impressum

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Vorwort

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▀ Die Schwerpunktartikel unserer Zeitschrift manuelletherapie wer-den von Autoren geschrieben, die Experten auf dem jeweiligen Gebiet sind, eine umfassende klinische Expertise besitzen und zudem häu-

fig international bekannt sind: Mark Laslett (Thema SIG), Håkan Alfredson (The-ma Achillessehne), Peter O’Sullivan (Thema Klassifikation von Rückenschmerzen), William Boissonnault (Thema Screening), Kim Bennell und Carol Courtney (Thema Gonarthrose), Diane Lee und Annelies Pool-Goudzwaard (Thema Beckeninstabili-tät), um nur einige zu nennen.

Wir freuen uns daher sehr, Ihnen – pünktlich zum zwanzigjährigen Jubiläum der manuelletherapie – mit diesem Buch ein umfassendes Nachschlagewerk mit den bes-ten Schwerpunktartikel unserer Zeitschrift aus den Jahren 2012–2016 zur Verfü-gung stellen zu können. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und viele er-kenntnisreiche Stunden!

Ihr Herausgeberteam

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AutorenverzeichnisProf. Håkan Alfredson, Umeå, Schweden; Myma Ayachi, Zürich, Schweiz; Rolf Bäni, Basel, Schweiz; Kim Bennell, Carlton, Australien; Johannes Bessler, Dossenheim, Deutschland; Dr. Claus Beyerlein, Ulm, Deutschland; William Boissonnault, Middleton, USA; Helen Clare, Sydney, Australien; Carol A. Courtney, Chicago, U.S.A.; Trisha Davies-Knorr, München, Deutschland; Barbara Dopfer, München, Deutschland; Marcel Enzler, Zürich, Schweiz; Johannes Ermel, Karlsbad, Deutschland; Prof. Edzard Ernst, Woodbridge, GB; Prof. Deborah Falla, Edgbaston, GB; Timothy W. Flynn, Fort Collins, U.S.A.; M.A. Roland Gautschi, Baden, Schweiz; Wouter Geerse, Roosendaal, Niederlande; Reto Genucchi, Zürich, Schweiz; Sean Gibbons, St. John's, Kanada; Peter Glatthaar, Hamburg, Deutschland; Dr. Toby Hall, Booragoon, Australien; Christine Hamilton, Erlangen, Deutschland; Jürg Hauswirth, Reinach BL, Schweiz; PD Dr. med. dent. Daniel Hellmann, Würzburg, Deutschland; Thomas Horre, Hamburg, Deutschland; Sebastian Klien, Denzlingen, Deutschland; Steffen Klittmann, Schriesheim, Deutschland; Dr. med. Hansjörg Knorr, München, Deutschland; Monika Knust-Waßmuth, Marsberg, Deutschland; Prof. Dr. Thilo Oliver Kromer, Einhausen, Deutschland; Mark Laslett, Christchurch, Neuseeland; Daniela Laube, Lilienthal, Deutschland; Diane Lee, Surrey, Kanada; PD Dr. med. Michael Leunig, Zürich, Schweiz; Dr. Kerstin Lüdtke, Hamburg, Deutschland; Prof. Hannu Luomajoki, Winterthur, Schweiz; Omer Matthijs, Weinitzen, Österreich; Stephen May, Sheffield, GB; Prof. Dr. med. Dominik Meyer, Zürich, Schweiz; Aubrey Monie, Perth, Australien; Martina Moog-Egan, Glen Iris, Australien; Fiona Morrison, Rodgau, Deutschland; Peter O'Sullivan, Shenton Park, Australien; Cornelia Paries, Berlin, Deutschland; Annelies L. Pool-Goudzwaard, Gouda, Niederlande; Sue Reid, North Sydney, Australien; Jim Rivard, Seattle, USA; Slavko Rogan, Bern, Schweiz; Prof. Dr. med. dent. Hans J. Schindler, Karlsruhe, Deutschland; Annina Schmid, Neftenbach, Schweiz; Dr. Christian Schmidt, Dresden, Deutschland; Dr. Jochen Schomacher, Erlenbach ZH, Schweiz; Frank Seipel, Aschaffenburg, Deutschland; Kevin P. Singer, Nedlands, Australien; Heinz Strassl, Oberalm, Österreich; Georg Supp, Freiburg im Breisgau, Deutschland; Marloes Thoomes-de Graaf, Hazerwoude Rijndijk, Niederlande; Prof. Dr. Jörg Trojan, Landau, Deutschland; Jan Herman van Minnen, Bettlach, Schweiz; Arne Vielitz, Lübeck, Deutschland; Prof. M.D. Harry von Piekartz, Ootmarsum, Niederlande; Dean H. Watson, Adelaide, Australien; Pieter Westerhuis, Langendorf, Schweiz; Irene Wicki, Kriens, Schweiz; Sylvia Wunderlich, Bad Endorf, Deutschland; Rainer Zumhasch, Bad Pyrmont, Deutschland;

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WirbelsäuleSchwerpunkt Klassifikationen Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rücken-schmerz Slavko Rogan 9Klassifikationssysteme zur Kategorisierung von Patienten mit lumbalem Rückenschmerz Steffen Klittmann, FionaMorrison 14Klassifikationsbasiert: Cognitive Functional Therapy Peter O’Sullivan 25Schwerpunkt Welche SIG-Tests sind wirklich wichtig? Differen zierungs-/Provokations tests und Behandlung für das SIG Mark Laslett 35Der Test der Tests: Wie sieht die Evidenz aus? Arne Vielitz 48Machen Studien gesund? – So hilft Forschung den Patienten Georg Supp 56Schwerpunkt Beckeninstabilität Beckeninstabilität – Wissen und Diagnostizieren Diane Lee 63Ist die Instabilität des Sakroiliakal gelenks manual therapeutisch -diagnostizierbar? Sean G. T. Gibbons 70Kompensationsstrategien von Patientinnen mit schwanger-schaftsbedingten Kreuz- und Beckenschmerzen Annelies Pool-Goudzwaard 77Schwerpunkt Zentralisation Anfangsturbulenzen um die Zentralisation und aktuelle Evidenz Christian Schmidt 83Mit der Zentralisation besser diagnostizieren und prognostizieren Helen Clare, Stephen May 89Drei Patienten – eine Diagnose – drei unterschiedliche Therapien Reto Genucchi 95Schwerpunkt Combined Movements in der LWS Lohnt sich die Untersuchung kombinierter Bewegungen der LWS? – Ein Überblick Chris Barrett, Peter Fazey, Kevin P. Singer 101Computergestützte Untersuchung kombinierter LWS-Bewegungen und ihre manualtherapeutische Relevanz: Ein Fallbericht Aubrey Monie 109Schwerpunkt Lumbale Instabilität Sieben Reviews: Wie nützlich sind Stabilisations übungen für Patienten mit unspezifischen Rücken schmerzen? Stephen May 119Elf Fragen und Antworten rund um die motorische Kontrolle bei lumbaler Instabilität Christine Hamilton 125Sechs Richtige: Mit der Testbatterie die lumbale Bewegungs-kontrolle untersuchen Hannu Luomajoki 131Schwerpunkt Wirkmechanismen der WS-Manipulation Spinale Manipulation funktioniert – nur wie? Timothy W. Flynn, Shane Koppenhaver, Joshua Cleland, Jeff Hebert 137Manipulation der Wirbelsäule: Wie gut ist diese Therapieform belegt? Edzard Ernst 147Manipulation im klinischen Alltag anwenden Pieter Westerhuis 149Manipulation oder nicht – ein Erfahrungsbericht Myma Ayachi 155Schwerpunkt T4-Syndrom Zeit für einen Paradigmenwechsel? Vom T4-Syndrom zur exakteren Diagnose Kevin Singer 159Aus schmerzwissenschaftlicher Sicht: Braucht das T4-Syndrom einen neuen Namen? Irene Wicki 165Fallbeispiel: Patient mit Kopfschmerzen und diffusen Hand-Unterarm-Schmerzen Thomas Horre 171

manuelletherapie Expertenwissen

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Schwerpunkt Aktivierung der HWS-Muskulatur Schlüsselprinzipien für das Training von Patienten mit Nackenschmerzen Deborah Falla 177Therapievorschlag 1: Gewebespezifisch dosieren und gezielt steigern Jim Rivard, Ola Grimsby 186Therapievorschlag 2: Spezifisch stabilisieren und kontrolliert bewegen Jochen Schomacher 191

KopfSchwerpunkt Zervikogene Kopfschmerzen Zervikogene Kopfschmerzen: Klassifikationen sinnvoll einsetzen Harry von Piekartz 199Zervikogene Kopfschmerzen: Diagnosekriterien im „Praxistest“ Dean Watson 210Evidenzbasierte Praxis: Patient mit Kopfschmerzen Toby Hall 216Schwerpunkt Schwindel Ist zervikogener Schwindel eine eigenständige muskuloskeletale Entität? Marloes Thoomes-de Graaf, Erik Thoomes 223Zervikogener Schwindel – ein Überblick zu Diagnose und evidenzbasierter Therapie Sue Reid 232„Wie auf einem schwankenden Schiff“ – ein Fallbeispiel Jürg Hauswirth 239Schwerpunkt Kiefergelenk Diagnostik und Therapie von schmerzhaften Myoarthropathien Hans J. Schindler, Daniel Hellmann 245Schienentherapie in der Behandlung von Myoarthropathien des Kauorgans Daniel Hellmann, Hans J. Schindler 253Kiefer- und Gesichtsschmerz – ein Fallbeispiel Monika Knust-Waßmuth 258

Obere ExtremitätSchwerpunkt Schulterinstabilität Instabilität des Schultergelenks Dominik C. Meyer, Lucienne Gautier 265Strukturelle und funktionelle Instabilitäten erkennen und differenzieren Pieter Westerhuis 273Patientenbeispiele: Den klinischen Beweis für den richtigen Behandlungsweg finden Pieter Westerhuis 279Schwerpunkt Lateraler Ellenbogenschmerz Alles „Bio“, oder was? Thilo Oliver Kromer 287Auf den Punkt gebracht: Triggerpunkt-Therapie bei lateralen Ellenbogen schmerzen Roland Gautschi 294Clinical Reasoning mit Algorithmus und Achtsamkeit Peter Glatthaar 300Schwerpunkt Das instabile Handgelenk Karpale Instabilitäten – Anatomie, Biomechanik und Pathologie Rainer Zumhasch, Cornelia Paries 307Differenzierung des instabilen Handgelenkes Barbara Dopfer 315Konservative Behandlung der skapholunären Dissoziation Grad 1 – ein Therapiekonzept Cornelia Paries 321

Untere ExtremitätSchwerpunkt Femoroazetabuläres Impingement (FAI) Pathophysiologie und chirurgische Behandlungs möglichkeiten des femoroazetabulären Impingements (FAI) Michael Leunig, Reinhold Ganz 329Wie beeinflussen veränderte Bewegungsmuster und Muscle Imbalance das FAI? Sean GT Gibbons, Heinz Strassl 338Aktive Rehabilitation nach arthroskopischer FAI-Operation Marcel Enzler 353Schwerpunkt Arthrotisches Knie Patienten mit Gonarthrose konservativ behandeln Kim L. Bennell, Philippa J. A. Nicolson, Janine Topp 359Manualtherapeutische Wirkmechanismen: Ein bekanntes Konzept neu betrachtet Carol A. Courtney 367Patellofemorale Schmerzen: Welche Antworten hat das Mc-Connell-Konzept? Rolf Bäni 373Schwerpunkt Inversionstrauma Inversionstrauma Johannes Ermel 379Touché! Erstversorgung und sportspezifische Rehabilitation eines Fechters mit Inversionstrauma Sylvia Wunderlich 386Aktuelle Evidenz physiotherapeutischer Interventionen für Patienten mit (sub-)akutem Inversionstrauma Frank Seipel 393Schwerpunkt Achillodynie Achillodynie: Pathophysiologie und Diagnostik Anja Hirschmüller 399Schmerzhaftes exzentrisches Wadenmuskeltraining für Patienten mit Mid-portion-Tendinopathie Håkan Alfredson 406Das Fallbeispiel: Der begeisterte Läufer Omer Matthijs, Anja Hänel, Andreas Lieschke 410

Screening, Schmerz, MedikamenteSchwerpunkt Screening in der manuellen Therapie Screenen oder nicht screenen – gar keine Frage Andreas Lieschke 417Screening-Prozedere: Gefahrensituationen bei Patien ten mit HWS-Symptomen Kerstin Lüdtke, Lucia Grauel 426Maskierte Symptome: Patient mit multiplem BWS-Myelom Wouter K. Geerse 432Schwerpunkt Schmerz Update: Physiologie und Psychologie des Schmerzes Jörg Trojan, Martin Diers 437Wie beeinflusst Manuelle Therapie den Schmerz? Annina Schmid 447Yellow Flags – und dann? Martina Egan Moog 454Schwerpunkt Therapierelevante Medikamente Medikamente im Kontext der Manuellen Therapie Peter Glatthaar 461Medikamentöse Schmerztherapie Daniela Laube 469Nebenwirkungen von Medikamenten an Muskel, Gelenk und Nerv – Drei Fallberichte Hansjörg Knorr 477

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Rogan S. Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 201–205

Schwerpunkt KLASSIFIKATIONEN

Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel RückenschmerzICD, ICF, OPS: Physiotherapeuten kennen viele Klassifikationen. Im Gesundheitswesen sorgen unter schiedlichste Systematiken für „Ordnung“ und Erkenntnis. Slavko Rogan stellt die wesentlichen vor und zeigt, wie nützlich sie sind.

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10 SCHWERPUNK T KLASSIFIK ATIONEN · E INFÜHRUNG

Rogan S. Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 201–205

Klassifikationen und physiotherapeutischer Prozess Medizinisches Wissen wendet man weltweit in systematisch ge-ordneten Klassifikationen an. Dazu teilt man die medizinische Klassifikation in vier Bereiche: Krankheiten und deren Folgen, Operationen und therapeutische Verfahren, Organe sowie Medi-kamente. Wie hilfreich sind Klassifikationen für Physiotherapeu-ten, wenn sie Patienten mit Rückenschmerz behandeln?

Doch zuerst eine andere Frage: Was ist Rückenschmerz? Auf den ersten Blick erscheint diese Frage lapidar. Bei genauerer Be-trachtung stellt man fest, dass dem nicht so ist. Raspe [24] ver-steht unter Rückenschmerzen zwischen dem 7. Halswirbel und der Glutealregion lokalisierte Beschwerden. Dauern sie weniger als zwölf Wochen an, spricht man von akutem, bei Beschwerden über 12 Wochen von chronischem Rückenschmerz [27].

Aufgrund der Vielschichtigkeit des Phänomens Rückenschmerz nutzt die Medizin das Hilfsmittel der Klassifikation. So bringt sie etwas Ordnung in das Thema und verschafft uns einen Überblick. Laut Definition ordnet eine Klassifikation [32] Phänomene mit be-stimmten gemeinsamen Merkmalen in ein nach Klassen geglie-dertes System. Physiotherapeuten ordnen in diagnostischen Pro-zessen bestimmte Merkmale oder Personen in diagnostische Klas-sen oder Kategorien eines Klassifikationssystems ein.

Klassifikation in der MedizinDie medizinische Klassifikation begann mit Dokumentationen. In der Antike beschreibt Hippokrates, dass durch „wissenschaftliche Beobachtung, Aufstellen von erkennbaren Ordnungen und Gesetz-mäßigkeiten durch Aufzeichnen von Fallstudien, die dadurch kon-trollierbar geworden, erlauben, eine bestimmte Krankheit einer

kausalen Behandlung zu zuführen“ [28, S. 30]. Zum Erstellen einer medizinischen Klassifikation und Erfassen von Krankheitszustän-den benötigt man medizinische Nomenklaturen. Bevor man je-doch eine Krankheit korrekt klassiert, muss diese als eigenständi-ges und abgegrenztes Krankheitsbild beschrieben sein. Zwar defi-nieren Klassifikationen keine Krankheiten, ohne sie findet jedoch kein Erkenntnisgewinn statt. Dies gelingt nur durch das Einbrin-gen einer Ordnung (▶ Abb. 1).

Rückenschmerz-KlassifikationenIn unserer Gesellschaft und in der medizinischen Versorgung werden Klassifikationen von Rückenschmerzen immer bedeut-samer. Mittlerweile gehört der Rückenschmerz zu den häufigs-ten Schmerzursachen in den Industrieländern. In Zahlen ausge-drückt: Rund 84 Prozent der Bevölkerung klagen einmal im Leben über Rückenschmerzen [30]. In 90 Prozent der Fälle heilen akute Rückenschmerzen innerhalb von sechs Wochen ab [29]. Der chro-nische Rückenschmerz ist die teuerste Krankheit in den Indust-rieländern. In Deutschland belaufen sich die Gesamtkosten der medizinischen Versorgung im Alter von 18 bis 75 Jahren auf ge-schätzte 50 Milliarden Euro pro Jahr [31]. Im Vergleich dazu kos-ten der Neubau und die Reparatur von bestehenden Autobahnen in Deutschland 2,2 Milliarden Euro pro Jahr [1]. 8 bis 10 Prozent der Patienten erleben eine Chronifizierung ihrer Rückenschmer-zen [25]. Es ist daher notwendig, Rückenschmerzen relativ rasch einzuteilen. Dies schützt außerdem Patienten mit unkomplizier-ten Verläufen vor unnötigen diagnostischen Verfahren. Eine ra-sche Zuordnung ermöglicht gleichzeitig, die gefährlichen Fälle zu erkennen und gezielt zu therapieren.

Klassifikationen der WHODie ICD (International Statistical Classification of Diseases and Re-lated Health Problems) und die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) sind die beiden bekanntesten Klassifikationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

ICD1853 präsentiert die Statistikkonferenz in Brüssel erstmals ein Klassifikationsschema. 1893 erarbeitet Jacques Bertillon ein inter-nationales Todesursachenverzeichnis: die Bertillon-Klassifikation. Darauf aufbauend entsteht nach und nach die Internationale sta-tistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesund-heitsprobleme (ICD). Seit 1938 unterstützt die WHO diese Klassifi-kation. Heute gilt sie als das wichtigste anerkannte Diagnoseklassi-fikationssystem weltweit. Das Ziel der ICD ist es, Krankheiten oder klinische Zustände in eine standardisierte Sprache zu übersetzen.

Die ICD ist ein monohierarchisches Klassifikationssystem. Meist nutzen es Ärzte zur Diagnosestellung. Die Klassifikati-on fasst ähnliche Krankheiten aufgrund eines gruppenbilden-den Merkmals zusammen. Zugeteilte Codes ermöglichen die elek-tronische Verarbeitung. So verweist die ICD (ICD-10-GM Versi-on 2013) im Kapitel XIII Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (ICD-10-GM: M00–M99) auf verschiede-ne Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens (ICD-10-GM: M40–M54).

Abb. 1 Das fehlende Puzzleteil: Erkenntnisgewinn durch Ordnung.

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11SCHWERPUNK T KLASSIFIK ATIONEN · E INFÜHRUNG

Rogan S. Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 201–205

Kritik: Jedoch hat die ICD auch eine Schwäche. Ihr fehlt eine kla-re Zielsetzung. Wie Giere [15] in seinem Artikel zur Klassifikation in der Medizin erwähnt, dient die ICD zur Todesursachenstatis-tik, Fallpauschalenbildung, Qualitätssicherung, Ergebnisforschung (Outcome Analysis), Prozesssteuerung und ebenso für kontrollier-te klinische Studien, Epidemiologie und viele weitere Forschungs-zwecke. Eigentlich bedingt jede dieser Einsatzarten aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen eine eigene Klassifikation.

ICFNichtsdestotrotz erhält man gerade durch die Klassifikation in der Medizin einen Zugewinn an Erkenntnissen und Wissen, was schlussendlich dem Wohle des Patienten dient und die Medi-zin verbessert. Die Weiterentwicklung beruht unter anderem auf wissenschaftlicher Methodik sowie klinischen kontrollierten Studien und deren Erkenntnisse über Krankheiten. Folglich un-terliegen vor allem Klassifikationen einem ständigen Weiterent-wicklungsprozess. Globale Kommunikation und Kooperation in der internationalen Zusammenarbeit ermöglichen es, einheitliche medizinische Klassifikationen zu erstellen.

So entwickelt die WHO ab den 1980er-Jahren aufbauend auf der ICD ein weiteres Klassifikationssystem: die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesund-heit (ICF). 2001 wird sie erstmals verabschiedet, zunächst in eng-lischer Sprache. In unterschiedlichen medizinischen Disziplinen tätige Physiotherapeuten wenden die ICF an.

Die ICF basiert auf dem bio-psycho-sozialen Modell und zielt darauf ab, dass Gesundheitsdienstleister nicht primär defizitori-entiert denken. Sie ist also weniger eine Klassifikation der „Folgen von Rückenschmerz als Krankheit”, sondern klassifiziert „Kom-ponenten von Gesundheit” hinsichtlich Körperfunktionen, Kör-perstrukturen, Aktivitäten und Partizipation (Teilhabe) sowie Umweltfaktoren (▶ Abb. 2). Die ICF ist weiter hilfreich bei der Klassifizierung möglicher Barrieren und Förderfaktoren von Rü-ckenschmerzen. Darauf aufbauend lässt sich eine funktionelle Di-agnostik durchführen. Das Behandlungsziel, die -strategie und das -ergebnis lassen sich beschreiben.

Kritik: Mit über 1400 Kategorien ist die ICF für die Anwendung in der täglichen physiotherapeutischen Praxis zu umfangreich, für die Benutzer zu kompliziert und nicht praktikabel genug.

Klassifikationen nach dem ErscheinungsbildIn der Literatur finden sich weitere Klassifikationen zum Rücken-schmerz. Dabei erfolgt die Klassifikation von Rückenschmerz nach diesen Kriterien [18]: Zeitdauer, klinische Ursache, Lokalisa-tion und klinisches Symptom (▶ Tab. 1).

Vorteilhaft an diesen Klassifikationen für Rückenschmerzen ist vor allem die Ausrichtung auf praktisch tätige Physiotherapeuten. Die Einteilung ermöglicht ihnen, gezielte Maßnahmen hinsicht-lich Diagnostik wie bildgebende Verfahren oder Therapie einzu-leiten. Anhand der Erscheinungsbildklassifikation kann eine be-stehende Klassifikation weiter optimiert werden. So ist eine Ten-denz zu erkennen, weitere Subklassifikationen in Bezug auf den Rückenschmerz zu definieren [2, 12, 19, 22]. O`Sullivan [22] pos-tuliert bezüglich der klinischen Ursache des Rückenschmerzes eine mögliche Subklassifikation (siehe S. 216 ff.). Er unterglie-dert den unspezifischen Rückenschmerz weiter in „nicht mecha-nisch“ und „mechanisch“: bewegungs- und haltungsabhängig. Beide Merkmale „nicht mechanisch“ und „mechanisch“ sind wis-senschaftlich belegte Syndrome mit diagnostischen Kriterien [20]. Dabei kann nur die Wissenschaft die Orientierungshilfe liefern. Nur die umfassende Sichtung und Auswertung qualitativ hoch-wertiger wissenschaftlicher Studien erlauben gesicherte Aussa-gen über die Effektivität von Maßnahmen. Wissenschaftliche Er-kenntnisse sind unabdingbar und im Sinne der Klassifikation den Erkenntnissen klinischer Muster vorzuziehen.

Treatment based ClassificationsFür Rückenschmerz gibt es in der Physiotherapie keine allge-mein gültige Klassifikation. Jedoch gewinnen in der Forschung und in der physiotherapeutischen Praxis die sogenannten Treat-ment based Classifications (TBC) immer mehr an Bedeutung [4, 11]. Die mit dieser Klassifikation verbundenen Überlegungen und Behandlungsentscheidungen beruhen auf dem aktuellen klini-schen Bild [4]. Drei Stufen bilden die Treatment based Classifica-tions (▶ Tab. 2).

Erste Stufe: Der Physiotherapeut evaluiert, ob er physiotherapeu-tisch behandeln kann oder ob der Fall interdisziplinär betrachtet

Abb. 2 ICF der WHO.

Gesundheitsproblem(Gesundheitsstörung oder Krankheit)

Körperfunktionen und -stukturen Aktivitäten Partizipation

Umweltfaktoren personbezogene Faktoren

▀ Tab. 1 Rückenschmerz-Klassifikationen [18].

Einteilungs-kriterien Beispiele

Zeitdauer akut, subakut oder chronisch

klinische Ursache

spezifisch und unspezifisch

Lokalisation Hals-, Brust- und/oder Lendenwirbelsäule

klinisches Symptom

einfach und unkomplizierter Rückenschmerzradikulär und komplizierter Rückenschmerz

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12 SCHWERPUNK T KLASSIFIK ATIONEN · E INFÜHRUNG

Rogan S. Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 201–205

werden muss. Nach Deyo [5] unterstützen während der Anamne-se und physiotherapeutischen Untersuchung drei Fragen und Ant-worten diesen Entscheidungsprozess. Erstens: Liegen Organ- oder Systemerkrankungen vor? Zweitens: Gibt es einen chirurgischen Notfall auslösende neurologische Zeichen oder Ausfälle? Drittens: Gibt es die Physiotherapie beeinflussende Erkenntnisse oder An-zeichen wie Red oder Yellow Flags?

Zweite Stufe: Beantwortet der Physiotherapeut alle Fragen mit Nein, ermittelt er in der zweiten Stufe den Schweregrad der Be-hinderung. Dem Bericht der Quebec Task Force (QTF) [26] zufol-ge können Fachleute bei 90 Prozent der „Rückenpatienten“ kei-ne Ursachen und/oder Diagnose feststellen, weil pathoanatomi-sche Entsprechungen fehlen. Eine Empfehlung lautet daher, den durch den Schmerz hervorgerufenen Grad der Behinderung in drei Schweregrade einzuteilen. Dabei beinhaltet Grad 1, dass ein-

fache alltägliche Handlungen wie Stehen (länger als 15 Minuten) oder Sitzen (weniger als 30 Minuten) nicht mehr möglich sind. In Grad 2 kann der Patient Aktivtäten des täglichen Lebens (ADL) nicht mehr durchführen, und in Grad 3 kann er seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen.

Dritte Stufe: Sie umfasst die Behandlungsmethoden Mobilisati-on, Stabilisation, Ruhe und Traktion [4, 13]. Für die Behandlungs-methodik ist das Kriterium der „Verschlechterung oder Verbesse-rung“ der Schmerzproblematik entscheidend. Dieses Phänomen wurde von Cyriax [3], McKenzie [21] sowie Donelson und Kolle-gen als Zentralisation [6, 7] bei Rückenschmerzpatienten mit oder ohne Ausstrahlung in die Beine beschrieben. Das Behandlungsziel liegt darin, eine Schmerzlinderung zu erreichen und Tertiärprä-vention zu betreiben. Dies verhindert das Fortschreiten der Be-schwerden und das Auftreten von Komplikationen.

▀ Tab. 2 Treatment based Classifications (TBC): Fallbeispiel.

Fallbeispiel

Patient 27-jähriger Sportstudent, Handballspieler einer Bundesligamannschaft

Anamnese

Foto

: Fot

olia

▬ Bei der Landung nach einem Sprungwurf mit einer großen Ausholbewegung des Wurfarmes hat der Patient seinen Oberkörper sehr stark verdreht und einen dumpfen Stich in der unteren LWS gespürt.

▬ Er konnte zwar weiterspielen, die Beschwerden traten aber bei jedem Sprungwurf auf. ▬ Die Therapie des letzten halben Jahres umfasste Massage und Kinesiotape.

aktuelles Problem Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule L3-5; sie strahlen nicht in die Beine aus.

Evaluationsstufe Inhalt Fallbeispiel

Stufe 1 Start der physiotherapeutischen Behandlung oder interdisziplinäre Diagnostik notwendig?1. Liegen Organ- oder Systemerkrankungen vor? 2. Gibt es neurologische Zeichen oder Ausfälle, die einen chirurgischen

Notfall auslösen könnten? Zum Beispiel: abgeschwächter M. tibialis anterior (L4) oder M. extensor hallucis longus (L5) oder ein Reflexverlust

3. Gibt es die Physiotherapie beeinflussende Erkenntnisse oder Anzeichen wie Red oder Yellow Flags?

negativ, der Student ist ansonsten voll-kommen gesund

Stufe 2 Welchen Schweregrad hat die Behinderung? ▬ Grad 1: Einfache alltägliche Handlung wie Stehen (über 15 Minuten)

oder Sitzen (unter 30 Minuten) sind nicht möglich.

▬ Grad 2: Aktivtäten des täglichen Lebens (ADL) sind nicht möglich. ▬ Grad 3: Der Arbeit kann nicht mehr nachgegangen werden.

Grad 1, der Student kann nur 5 Minuten stehen und 20 Minuten sitzen

Stufe 3 Welche Behandlungsmethoden sind indiziert? ▬ Mobilisation ▬ Stabilisation ▬ Ruhe ▬ Traktion

▬ Mobilisation der bevorzugten end-gradigen Extensionsbewegungsrichtung nach McKenzie [22]

▬ Stabilisation der Rumpfmuskulatur

Behandlungsziel Tertiärprävention ▬ Schmerzlinderung ▬ das Fortschreiten der Beschwerden und

Komplikationen verhindern

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13SCHWERPUNK T KLASSIFIK ATIONEN · E INFÜHRUNG

Rogan S. Klassifikationen in der Physiotherapie am Beispiel Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 201–205

Literatur1. Bartholomäus U. So retten Sie Ihren Rücken: Rückenschmerz in den Griff

kriegen. Focus Magazin 2012; 3 2. Brennan GP, Fritz JM, Hunter SJ et al. Identifying subgroups of patients with

acute/subacute “nonspecific“ low back pain: results of a randomized clinical trial. Spine 2006; 31: 623–631

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Testzuverlässigkeit: Das wissenschaftliche Gütekriterium der Re-liabilität zeigt mit Ergebnissen von 0,45–0,56 [13, 16] modera-te Kappawerte auf. Die Forscher sind jedoch der Meinung [9, 10, 14, 23], dass die auf der Subklassifizierung aufbauenden Treat-ment based Classifications ein guter Weg für die physiotherapeu-tische Praxis sind. Anscheinend kann die Forschung in naher Zu-kunft fehlende evidenzbasierte Referenzstandards gewährleisten.

FAZIT

Die vorgestellten Klassifikationsmodelle zeigen auf, in welchem Umfeld sie sich physiotherapeutisch anwenden lassen. Für die physiotherapeutische Praxis eignen sich insbesondere die Treat-ment based Classifications (TBC) – mit Subklassifizierung bei Rückenpatienten. ▄

DOI 10.1055/s-0033-1363149manuelletherapie 2013; 17: 201–205© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York · ISSN 1433-2671

BIBLIOGRAFIE

Slavko Rogan

AUTOR

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Klittmann S, Morrison F. Klassifikationssysteme zur Kategorisierung von Patienten mit lumbalem Rückenschmerz. Manuelle Therapie 2013; 17: 206–215

Klassifikationssysteme zur Kategorisierung von Patienten mit lumbalem RückenschmerzEINE KLASSE FÜR SICH: Steffen Klittmann und Fiona Morrison haben vier Klassifikationssysteme gründlich abgeklopft – wie reliabel/valide sind sie, was bieten sie und vor allen Dingen wie effektiv und praktikabel sind die vier Systeme für Manualtherapeuten? Rückenschmerz, ade!

Steffen KlittmannPhysioMed Weinheim, Weinheim, Deutscher Verband für Manuelle Therapie (DVMT) e. V., Fürstenfeldbruck

Fiona MorrisonPhysio- und Sporttherapie Zentrum (PSZ), Großkrotzenburg, Deutscher Verband für Manuelle Therapie (DVMT) e. V., Fürstenfeldbruck

eingereicht: 5.6.2013 | akzeptiert: 27.8.2013

ZusammenfassungSchmerzhafte und im täglichen Leben beeinträchtigende lumbale Rückenbeschwerden sind in Deutschland ein zunehmendes Prob-lem und mit enormen Kosten verbunden [41]. In den letzten Jah-ren wurde das Erforschen klinischer Subgruppen immer bedeut-samer [4]. Unterschiedliche Forscher entwickelten Klassifikations-systeme zur „Filterung“ der Patientensubgruppen und Ableitung spezifischer Behandlungen. Unser nicht systematischer Review stellt vier Klassifikationssysteme vor: CB-CFT (Classification-based cognitive functional Therapy), TBC (Treatment-based Classifica-tion), MSI (Movement System Impairment Syndromes) und MDT (Mechanical Diagnosis and Therapy). Die vier Klassifikationssyste-me werden anhand von Clinical-Reasoning-Kategorien diskutiert.

Konsens herrscht bezüglich Vorsichtsmaßnahmen, Kontraindi-kationen, Relevanz psychosozialer Faktoren, Evaluation der Sym-ptomquellen, der klinischen Gruppe, der meist symptomatischen Bewegungsrichtung, beitragender Faktoren, valider und reliabler Messmethoden, Bewegungsstörungen, Aufklärung des Patienten und Heimprogrammen. Kurz: Ein Klassifikationssystem muss va-lide, reliabel, effektiv – und alltagstauglich sein.

Uneinigkeit der Klassifikationssysteme gibt es bei den Be-schwerdestadien. Nicht jedes System integriert aktuelle Schmer-zwissenschaften und individuelles Krankheitserleben. Unklar ist, welche Kenntnisse und Hilfsmittel ein Kliniker zur effektiven Be-handlung von Rückenschmerzpatienten benötigt. Lumbale Be-wegungskontrolle und Zentralisationsphänomene sind lediglich teilweise berücksichtigt. Die CB-CFT ist die derzeit ausgereiftes-te Klassifikation für Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen.

Schlüsselwörter Review | Subgruppen | lumbale Rückenschmerzen | Klassifikations-system | Klassifikation

EinleitungEs gibt verschiedene therapeutische Ansätze bei lumbalen Rü-ckenschmerzen (LBP), wie Manuelle Therapie, Übungen, Akupunk-tur, Spritzen und kognitive Verhaltenstherapie. Es gibt allerdings keine Evidenz für die Überlegenheit eines dieser Ansätze [3, 18, 22, 38, 46]. Ein möglicher Grund ist das Fehlen von multidimensiona-len, ein patientenzentriertes Management ermöglichenden Klassi-fikationssystemen. Bereits 2003 schlug die Cochrane Back Review Group vor, bei Patienten mit LBP die Ermittlung unterschiedlicher Subgruppen mit denselben Merkmalen zu priorisieren [4].

Vier Klassifikationssysteme im VergleichDerzeit gibt es unterschiedliche Klassifikationssysteme für LBP – mit eigener Philosophie, Unterteilungsart und unterschiedlichen Subgruppen. Die wichtigsten vier stellen wir hier vor.

Classification-based cognitive functional Therapy (CB-CFT)Im Jahr 2000 beschrieb O‘Sullivan Subgruppen für klinische In-stabilität. 2004 überarbeitete er sie, um 2005 ein umfangreiche-res System mit biopsychosozialen Komponenten zu erstellen (siehe S. 216 ff.). Dabei bezog er sich auf das Klassifikationssystem der Quebec Task Force [32]–[34]. O‘Sullivan schlägt drei große Subgrup-pen bei chronischen lumbalen Rückenschmerzen (CLBP) vor. Sie weisen eine veränderte motorische Kontrolle auf [33] (▶ Abb. 1).

Veränderte motorische Kontrolle aufgrund einer StörungDiese kleine, aber sehr stark beeinträchtigte Patientengruppe hat Störungen mit starken Schmerzen und Einschränkungen. Die ad-aptiven Bewegungs- und/ oder Kontrollstörungen folgen der zu-grunde liegenden Erkrankung. Beispiele: pathologische Störun-gen, entzündliche Schmerzprobleme, neuropathische und zentral oder sympathisch unterhaltene Störungen.

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Die Schmerzstörung selbst verursacht direkt die veränderte motorische Kontrolle. Der Versuch, die veränderte Kontrolle zu normalisieren, wird scheitern. Limitiert sich der pathologische Prozess mit der Zeit selbst, verliert sich die Kontroll- oder Bewe-gungsstörung von allein. Das gilt auch für sekundäre Lösungen des Problems wie Operationen. Unterhält die Motorik des Patienten das Problem jedoch weiterhin, wird die Störung als nicht adaptiv gewertet und mit Verhaltenstherapie und Schulungen der motori-schen Kontrolle therapiert [33].

Veränderte motorische Kontrolle und zentrale Schmerz­mechanismen aufgrund dominant psychosozialer FaktorenBei einer zweiten kleinen Gruppe sitzt der Treiber der Schmerz-störung im vorderen Teil des Gehirns. Vorherrschende psychische und/oder soziale Faktoren verursachen die Störung und führen zu starker Behinderung, veränderter Schmerzverarbeitung, verstärk-tem nicht nachlassendem Schmerz und veränderter motorischer Kontrolle [33].

Das Schlüsselmerkmal der Störung ist das Fehlen klarer, kons-tanter mechanischer Auslöser, die Beschwerden verbessern oder verschlechtern. Verschlimmern mechanische Faktoren die Sym-ptome, sind diese inkonsistent und tendieren zu abnormaler und disproportionaler Schmerzantwort, Behinderung und emotio-

nalen Antworten. Die Patienten präsentieren sich in der Regel mit einer starken Medikamentenabhängigkeit und nutzen vie-le passive Therapien unterschiedlicher therapeutischer Berufs-gruppen.

Die Zuordnung eines Patienten zu dieser Gruppe begleitet ein hinzugezogener Psychologe oder Psychotherapeut. Diese Störun-gen benötigen eine multidimensionale Therapie mit kognitiver Verhaltenstherapie und psychiatrischem Management. Physio-therapie kann helfen, schrittweise die Funktion wiederherzustel-len, ohne dabei den Schmerz zu fokussieren [33].

Veränderte motorische Kontrolle, die den Schmerz aufrecht erhältNicht adaptive Bewegungs- oder Kontrollstörungen kombiniert mit schlechten Copingstrategien führen zu chronischen Gewebe-überbelastungen. Dies geht mit exzessiver oder reduzierter Wir-belsäulenstabilität einher. Schmerzen, Behinderung und Stress sind die Folgen.

Diese Gruppe wird in Bewegungsstörungen (charakteristisch: Schmerzvermeidungsverhalten) und in Kontrollstörungen (cha-rakteristisch: Schmerzprovokationsverhalten) unterteilt. Man geht davon aus, dass diese Störungen den CLBP als grundlegen-der Mechanismus antreiben. Die Bewegungsstörungen können

Vorgeschichteund

körperliche Untersuchung

spezifische Rückenschmerzen undandere Pathologien ausschließen

mechanisch provozierbare Schmerzen

lumbale Rückenschmerzen

Beckengürtelschmerzen ausschließen

Bewegungsstörung Kontrollstörung Richtungssubgruppen

Richtungssubgruppen

Flexion

Extension aktiv

Extension passiv

Lateral Shift

multidirektional

Flexion Extension Seitneigung Rotation multidirektional

signifikante kognitive/psychosoziale Faktoren

Abb. 1 Classification-based cognitive functional Therapy: Algorithmus.

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sich in einer spezifischen Richtung (Flexions-, Extensions-, La-teralflexions- und Rotationseinschränkung) äußern oder mul-tidirektional sein. Auch die Kontrollstörungen präsentieren sich in einer Bewegungsrichtung (Flexion, Extension aktiv, Exten-sion passiv und Lateral Shift) oder kombiniert (multidirektio-nal). Basierend auf einem kognitiven und verhaltenstherapeuti-schen Ansatz führt die Therapie zu einer Lösung und/oder Kont-rolle der Störungen. Die Störungen mit jeweils unterschiedlichen Schmerzmechanismen können mit spezifischen oder nichtspezi-fischen CLBP-Störungen einhergehen und haben häufig psycho-soziale und neurophysiologische Komponenten. Sie halten die Störung aufrecht, leiten sie aber nicht dominant [33]. Becken-gürtelschmerzen werden von Rückenschmerzen differenziert [35]. Im Rahmen dieses Artikels wird hierauf nicht weiter ein-gegangen.

Treatment-based Classification (TBC)Delitto et al. beschrieben das Klassifikationssystem erstmalig 1995. Es war für Patienten mit akuten Rückenschmerzen gedacht. Man teilte die Patienten in eine First-, Second- oder Third-Order-Kategorie ein [14] (▶ Abb. 2).

First Order: Ein Patient weist ernsthafte Pathologien und/oder psy-chosoziale Faktoren auf. Er soll zu einer anderen Berufsgruppe überwiesen werden.

Second Order: Die Kategorie bezieht sich auf die Symptomstärke und den Behinderungsgrad. Phase 1 umfasst die Akutphase mit dem Ziel Schmerzlinderung. Phase 2 ist die subakute Phase mit dem Ziel schnell zur normalen Funktion zurück zu kehren. Phase 3 zielt auf Patienten mit hohen körperlichen Anforderungen, aber

Hat der Patient Symptome distal des Gesäßesoder Zeichen einer Nervenwurzelkompression?

nein

nein

ja

ja

jaZentralisiert der Patient mit zwei

oder mehr Bewegungenin die gleiche Richtung

(z.B. Flexion oder Extension)?ODER

Zentralisiert der Patient mit einer Bewegungin eine Richtung und peripheralisiert ermit der entgegengesetzten Bewegung?

Zentralisiert der Patient mit zweioder mehr Bewegungenin die gleiche Richtung

(z.B. Flexion oder Extension)?ODER

Zentralisiert der Patient mit einer Bewegungin eine Richtung und peripheralisiert ermit der entgegengesetzten Bewegung?

spezifische Übungen

TraktionPeripheralisiert der Patient mit Extension?

ODERHat der Patient einen positiv gekreuzten SLR?

Hat der Patient kürzer als 16 Tage Symptome?UND

Keine Symptome distal des Knies?Manipulation

Stabilisation

Hat der Patient drei der genannten Zeichen?SLR Beweglichkeit im Schnitt mehr als 91°?Positiver Prone-Instability-Test?Ausweichbewegungen?Jünger als 40 Jahre?

Welche Subgruppe passt am besten?

ManipulationFaktoren dafür: Hypomobilität PAIVMS FABQ – W < 19 Hüftgelenk Innenrotation über 35°Faktoren dagegen: Symptome distal des Knies Episoden nehmen zu peripheralisiert durch Bewegungen kein Schmerz bei PAIVMS

StabilisationFaktoren dafür: Hypermobilität PAIVMS Episoden nehmen zu drei oder mehr EpisodenFaktoren dagegen: Seitenunterschied im SLR über 10° FABQ-PA < 9

Spezifische ÜbungenFaktoren dafür: direktionale Präferenz für Flexion oder Extension Zentralisation bei Bewegung Peripheralisation bei entgegengesetzter BewegungsrichtungFaktoren dagegen: Rückenschmerz ohne Beinschmerz keine Veränderung durch jede Bewegung

TraktionFaktoren dafür: Peripheralisation der Symptome mit keiner Möglichkeit zu zentralisierenFaktoren dagegen: Rückenschmerz ohne Beinschmerz keine Nervenwurzel- kompression

Abb. 2 Treatment-based Classification: Algorithmus.

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schlechter körperlicher Leistungsfähigkeit ab. Sie bekommen die gleiche Therapie wie diejenigen der Third-Order-Gruppe und trainieren zusätzlich die motorischen Grundeigenschaften [27].

Third Order: Erst diese Kategorie teilt sich in Subgruppen [17, 47]. Dazu nutzt das Klassifikationssystem vier Subgruppen: Manipula-tion, Stabilisation, spezifische Übungen (Flexion, Extension, Late-raler Shift) und Traktion. Passt ein Patient aufgrund der Ergebnisse seiner Anamnese und körperlichen Untersuchung in eine der Grup-pen, ist die Klassifikation beendet. Ist die Zuordnung nicht eindeu-tig, wägt man für und gegen die Subgruppen sprechenden Fakto-ren ab. Die Subgruppennamen entsprechen der Behandlung [47].

Movement System Impairment Syndromes (MSI)Sahrmann entwickelte mit ihrem Team Subgruppen für Rücken-schmerzen. Van Dillen et al. beschrieben die Subgruppen und de-ren Untersuchung [51, 53]. Diverse Bewegungstests der Wirbel-säule in unterschiedlichen Ausgangsstellungen ermöglichen die Zuordnung zu den Subgruppen.

Die Klassifikation beinhaltet fünf Subgruppen: Flexion, Ex-tension, Rotation, Flexion-Rotation und Extension-Rotation. Jede Subgruppe hat charakteristische Merkmale [42, 43, 53]. Der Fo-kus der körperlichen Untersuchung liegt vor allem auf der Bewe-gungsqualität, aber auch Quantität, Symptome und Symptomver-änderungen bei der Korrektur der Testbewegungen werden beur-teilt. Kompensatorische Bewegungen sind relevant, sofern sie in den ersten 50 bis 60 Prozent der Testbewegung auftreten. Unter-schiede von mehr als 1,28 Zentimeter im Seitenvergleich bei den unilateralen Tests sind von Belang. Zunächst beurteilt man das spontane Bewegungsverhalten. Ist es entsprechend der Kriterien auffällig, wird nach Symptomen gefragt, eine Korrektur der Bewe-gung durchgeführt und erneut nach Symptomen gefragt [49]. Die am häufigsten auftretende Ausweichbewegung ist die Subgruppe, in die der Patient klassiert wird [52].

Mechanical Diagnosis and Therapy (MDT)Das von McKenzie entwickelte System nutzt wiederholte rich-tungsspezifische Bewegungen oder Haltungen zur Veränderung

von Symptomen. Es gibt vier große Subgruppen: Derangement-, Dysfunktions-, Haltungssyndrom und anderes. Therapiert wird mit wiederholten richtungsspezifischen Bewegungen und Hal-tungen, Dehnung und Haltungskorrektur [30] (▶ Tab. 1).

Derangementsyndrom: Es kommt sehr häufig vor und präsentiert sich sehr unterschiedlich. Ein Schmerz entwickelt sich langsam oder tritt spontan auf. Er kann konstant oder intermittierend sein und die Seite wechseln, kann zwischen proximal und distal wech-seln. Bestimmte Haltungen oder Bewegungen verbessern oder ver-schlechtern ihn schnell. Er ist entweder somatisch, radikulär oder kombiniert bedingt. Eine Bewegungseinschränkung charakteri-siert das Derangementsyndrom. Abhängig von den Alltagsaktivitä-ten präsentiert es sich im Tagesverlauf sehr unterschiedlich. Inkon-sistenz und Wechsel der Symptome sind seine Merkmale. Verän-dert eine wiederholt durchgeführte Bewegung in eine bestimmte Richtung die Symptome, spricht man von einem reduzierbaren De-rangement. Diese Richtung kann Flexion, Extension, lateral oder eine Kombination mehrerer Bewegungsrichtungen sein (▶ Abb. 3). Ändern die Bewegungen die Symptome nicht, spricht man von ei-nem nicht reduzierbaren Derangement [30] (▶ Tab. 2).

Dysfunktionssyndrom: Die Schmerzen sind nie konstant. Sie treten bei mechanischer Belastung der jeweiligen Struktur auf und hö-ren schnell auf, wenn die Belastung reduziert wird. Sind artikulä-re Strukturen betroffen, geht das Syndrom mit intermittierenden Schmerzen und verminderter endgradiger Beweglichkeit einher. Kontraktile Strukturen reagieren mit Schmerzen auf eine Anspan-nung des Muskels oder Belastung der Sehne. Schmerzt Nervenge-webe, reagiert es auf Dehnung und wird als adhärente Nerven-wurzel bezeichnet [30].

Haltungssyndrom: Intermittierende Schmerzen charakterisieren das Syndrom. Anhaltende statische Belastungen auf normales, un-verändertes Gewebe verursachen sie. Die Zeitdauer einer spezifi-schen Position spielt eine zentrale Rolle. Je länger das Problem be-steht, desto schneller kann der Schmerz auftreten. Die Patienten haben keine Bewegungsschmerzen und -einschränkungen [30].

▀ Tab. 1 Klassifikation Mechanical Diagnosis and Therapy: Algorithmus [30].

Sitzung Untersuchung und Behandlung

1 Vorgeschichte und körperliche Untersuchung: Ausschluss von Red Flags

Haltungsstrategien verstärken, lindern die Symptome oder zentralisieren die Symptome

keine Haltungsstrategien verstär-ken, lindern die Symptome oder zentralisieren die Symptome

Schmerzen nur am Ende der reduzierten Beweglich-keit

Schmerzen nur bei statischer Belastung, keine Befunde in der körperlichen Untersuchung

hypothetische Klassifikation

Derangement: reduzierbar Derangement: nicht reduzierbar Dysfunktion oder adhärente Nervenwurzel

Haltung

3–5 weitere Untersuchungen und Behandlungen

Klassifikation bestätigt sich (Reduktion oder Umbauprozesse können länger dauern)

Klassifikation bestätigt sich nicht: neue Hypothese (Stenose, Hüftgelenk, SIG, Spondylolisthesis, chronischer Schmerzstatus)

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Anderes: Hierunter fallen spezifische Zustände, die man nach si-cherem Ausschluss der anderen drei Syndrome verwendet: Ste-nosen, Probleme mit dem Hüft-, Sakroiliakal- oder Zygapophyse-algelenk, Rückenschmerzen in der Schwangerschaft, Spondyloly-se, Spondylolisthese, Instabilitäten, mechanisch nicht schlüssige oder postoperative Zustände (zeitnah oder in der Vorgeschichte), chronische Schmerzen und Waddells nicht organische Zeichen und Symptome [30].

Gütekriterien der KlassifikationssystemeErmittelt wurden die Validität, Intertesterreliabilität und Effekti-vität der vier Systeme.

ValiditätCB­CFT: Die Validitätsstudien zeigten, Patienten mit lumbaler In-stabilität und Flexionspattern können die LWS im Sitzen schlech-ter repositionieren als Gesunde [36]. Spinale Haltungen und Be-wegungen der Subgruppen „aktives Extensionsmuster“ und „Flexionsmuster“ sind anders als bei Gesunden. Manuelle und ma-schinelle Untersuchungen ergaben die gleichen Ergebnisse [12].

TBC: Bezüglich der Validität der TBC ist vieles unbekannt [40]. Die klinische Vorhersageregel für Manipulation ist generalisier-bar [11].

MDT: In diesem System prüfte man die Validität mittels der Ex-tensionsverbesserung in einer „Derangement“- und einer „Nicht-Derangement“-Gruppe. Die „Derangement“-Gruppe verbesser-te sich insgesamt schneller und stärker [10]. Anhand 187 unter-suchter Patienten validierten die Forscher die Zuordnung zu den einzelnen Kategorien. Sie klassifizierten 140 Patienten als „redu-zierbares Derangement“ und elf als „nicht reduzierbares Derange-ment“. Elf Teilnehmer kamen in die Gruppe „Dysfunktion“, einer in die „Haltungs-“ und 24 Patienten in die „Anderes“-Gruppe [23]. Ein systematischer Review untersuchte das Zentralisationsphäno-

Abb. 3 MDT: Test der Extension mit Überdruck.

▀ Tab. 2 Messmethoden der Klassifikationssysteme [5, 17, 30–32, 35, 43, 50].

Methode CB-CFT (O‘Sullivan) TBC (Delitto) MSI (Sahrmann) MDT (McKenzie)

Fragebögen und Skalen

▬ Örebro musculoskeletal Pain Questionnaire (OMPQ)

▬ Oswestry Disability Index (ODI)

▬ Tampa Scale of Kinesio-phobia (TSK)

▬ visuelle Analogskala (VAS)

▬ Oswestry Disability Index (ODI)

▬ Fear Avoidance Beliefs Questionnaire (FABQ)

▬ numerische Schmerzs-kala (NRS)

keine keine

Anamnese ▬ Lokalisation der Beschwerden

▬ verbessernde/verschlech-ternde Faktoren

▬ Vorgeschichte ▬ Dauer ▬ Auslöser ▬ spezielle Fragen zu Patho-

logien ▬ Familienanamnese

▬ Lokalisation der Beschwerden

▬ verbessernde/ver-schlechternde Faktoren

▬ Vorgeschichte ▬ Dauer ▬ Auslöser ▬ spezielle Fragen zu

Pathologien

▬ genauer Ablauf nicht näher dokumentiert

▬ vermutlich ähnlich der anderen Klassifikationen

▬ Lokalisation der Be-schwerden

▬ verbessernde/ver-schlechternde Faktoren

▬ Vorgeschichte ▬ Dauer ▬ Auslöser ▬ spezielle Fragen zu

Pathologien

körperliche Untersuchung

▬ Haltung ▬ aktive Bewegungen ▬ PPIVMS ▬ PAIVMS, inklusive Palpation ▬ neurologische Untersu-

chung ▬ Neurodynamik ▬ Tests für lumbale

Bewegungskontrolle

▬ aktive Bewegungen ▬ PAIVMS ▬ neurologische Unter-

suchung ▬ Neurodynamik ▬ wiederholte/ gehalte-

ne Bewegungen ▬ Prone Instability Test ▬ Hüftgelenk Innen-

rotation

▬ Haltung ▬ aktive Bewegungen ▬ neurologische Untersu-

chung ▬ Muskellänge ▬ Krafttests ▬ Tests für lumbale Bewe-

gungskontrolle

▬ Haltung ▬ aktive Bewegungen ▬ neurologische Unter-

suchung ▬ Neurodynamik ▬ wiederholte/gehalte-

ne Bewegungen

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men. Es zeigte sich bei 52 bis 70 Prozent aller untersuchten Rü-ckenschmerzpatienten. Ihre Prognose ist günstig [1].

MSI: Gombatto et al. [19] testeten die Validität im MSI-System in der Extensions- und Rotations-Extensionsgruppe. Sie untersuch-ten die lumbalen Bewegungsmuster während der Seitneigung und stellten hierbei Unterschiede fest. Bei denselben Subgruppen ist die Bewegungsqualität vor allem zu Beginn der Außenrotati-on im Hüftgelenk unterschiedlich [48]. Die Rotationsgruppe zeig-te mehr lumbale Flexion im gebeugten Sitzen als die Rotations-Extensionsgruppe. Sie tendierte zu mehr endgradiger Flexion und hatte bei jedem Test mehr Symptome als die Rotations-Extensi-onsgruppe. Die lumbale Flexionsfähigkeit der Männer ist größer als bei Frauen [24].

IntertesterreliabilitätCB­CFT: Die Intertesterreliabilität erreicht Kappawerte von 0,61–0,96. Die reliabelste Subgruppe ist die „passive Extensionsgrup-pe“. Die Tester stimmten zu 100 Prozent überein [27].

TBC: Sie erreicht bei der Intertesterreliabilität Kappawerte zwi-schen 0,49 – 0,60. Die Subgruppe „spezifische Übungen“ ist die reli-abelste mit einer 95-prozentigen Übereinstimmung. Der reliabelste Test ist die wiederholte Flexion mit einem Kappawert von 0,46 [27].

MSI: Die Intertesterreliabilität in der MSI-Klassifikation erreicht Kappawerte zwischen 0,57–0,81. Die reliabelsten Subgruppen sind „Flexion“ und „Flexion-Rotation“ – ebenfalls 100 Prozent Übereinstimmung [27].

MDT: Die Klassifikation erreicht bezüglich der Intertesterreliabili-tät Kappawerte von 0,56–0,9. Die reliabelste Subgruppe ist „Der-rangement“ mit einem Kappawert von 0,96, der reliabelste Test ist das Zentralisationsphänomen mit einem Kappawert zwischen 0,51 und 0,96 [27].

EffektivitätCB­CFT: Sie wirkt besser auf Behinderung durch Rückenschmer-zen und Schmerzen als Manuelle Therapie und Übungen [15]. Ak-tuell prüft eine Studie, ob Patienten mit subakutem LBP und einer Störung der motorischen Kontrolle eher von generellen Übungen oder von den MCI-Übungen profitieren. Die Ergebnisse werden noch 2013 erwartet [44].

TBC: Werden Patienten anhand der Klassifikation passend zu ih-rer Subgruppe behandelt, weisen sie nach vier Wochen und ei-nem Jahr bessere Ergebnisse bezüglich Kosten, Behinderung und Wiederkehr zur Arbeit auf als nicht entsprechend der Klassifikati-on Therapierte [5]. Ist ein Patient der Subgruppe „Manipulation“ oder „spezifische Übungen“ zugeordnet, profitiert er von dieser Behandlungsart mehr als von Krafttraining [6].

MDT: Eine Metaanalyse verglich das Klassifikationssystem mit NSAIDs, einem Buch über Rückenschmerzen, Rückenmassage, Empfehlungen zum Umgang mit Rückenschmerzen, Krafttraining,

Mobilisationstechniken und allgemeinen Übungen. Hierbei zeig-te sich kurzzeitig ein besserer Effekt bezüglich Schmerzredukti-on und Behinderung durch Rückenschmerzen zugunsten des MDT-Systems. Das mittellange Follow-up ergab einen besseren Effekt des MDT-Systems auf die Krankheitstage, jedoch nicht auf die Be-hinderung durch Rückenschmerzen [9]. Ein systematischer Review wies nach, dass das MDT-System akute Schmerzen und Behinde-rung durch Rückenbeschwerden effektiver reduzierte als passive Therapie. Allerdings war der Ratschlag, aktiv zu bleiben, nach ei-nem 12-wöchigen Follow-up effektiver als das MDT-System [28].

MSI: Laut einer Fallstudie behandelte ein Therapeut einen Patienten mit einem „Extension-Rotation“-Syndrom entsprechend der MSI-Klassifikation. Dies verbesserte die Werte des Oswestry Disability Index (ODI) [29]. Eine andere Fallstudie zeigt bei einer Patientin mit einem „Extensionssyndrom“ eine reduzierte Schmerzintensität und eine verminderte Schmerzhäufigkeit bei funktionellen Aktivitäten durch die Behandlung nach dem MSI-System [21]. In einer weiteren Fallstudie waren die ODI-Werte eines Patienten nach einem Jahr im-mer noch verbessert. Er hatte ein „Flexion-Rotation“-Syndrom und wurde entsprechend der Klassifikation behandelt [54].

DiskussionAnhand unterschiedlicher Kategorien des Clinical Reasoning und Unterscheidungsmerkmalen werden die Klassifikationssysteme beurteilt und diskutiert (▶ Tab. 3).

Vorsichtsmaßnahmen, Kontraindikationen: Alle vier Systeme be-rücksichtigen sie. Das Filtern von ernsthaften Erkrankungen wie Tumore, Frakturen, Kauda-equina-Syndrom, Zeichen einer Rü-ckenmarkkompression hat einen hohen Stellenwert. Es folgt eine Überweisung zum Facharzt.

Psychosoziale Faktoren: Das CB-CFT-System berücksichtigt Aspek-te wie eigene problembezogene Überzeugungen, Stressempfäng-lichkeit, schmerzprovozierendes Coping, Angst, Katastrophisie-ren ausführlich. Gegebenenfalls ist eine Verhaltenstherapie indi-ziert. Die TBC erfasst Patienten mit Angstvermeidungsverhalten. Sie werden nicht der Manipulationsgruppe zugewiesen. Aller-dings hat die TBC außer Übungen keinen spezifischen Therapie-ansatz für diese Gruppe. Weitere psychosoziale Faktoren berück-sichtigt sie nicht. Das MSI-System berücksichtigt psychosoziale Faktoren anhand „Waddells nicht organischen Zeichen und Sym-ptomen“. Allerdings gibt es auch hier keinen Therapieansatz. Das MDT-System filtert nach der gleichen Methode und schlägt eine Verhaltenstherapie vor.

Symptomquellen: Alle Klassifikationen berücksichtigen sie. Dabei wird nicht allzu viel Wert auf eine genaue pathoanatomische Di-agnose gelegt. Weitere in Frage kommende Schmerzquellen wie das Hüftgelenk, das SIG oder Neuralstrukturen berücksichtigen alle vier Systeme – im Gesamtmanagement.

Beschwerdestadium: Während sich das CB-CFT-System ausschließ-lich auf chronische Patienten und die TBC lediglich auf Akutpa-

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▀ Tab. 3 Vergleich der Klassifikationssysteme.

berücksichtigte Kategorien CB-CFT (O‘Sullivan) TBC (Delitto) MSI (Sahrmann) MDT (McKenzie)

Vorsichtsmaßnahmen und ernsthafte Erkran-kungen

ja ja ja ja

psychosoziale Faktoren ja teilweise, Angstvermeidungs-verhalten ist ein Ausschluss-kriterium für Manipulation

ja ja

Symptomquellen ja ja ja ja

Beschwerdestadium chronisch akut eher chronisch akut und chronisch

Schmerzmechanismen ja teilweise nein ja

klinische Gruppe (EOR, ROM, SI)

ja ja ja, auf Muskeln beschränkt

ja

meist symptomatische Bewegungsrichtung

ja teilweise, jedoch nicht bei Sta-bilisation

ja ja

beitragende Faktoren ja ja ja ja

Krankheitserleben des Patienten

ja nein nein nein

benötigte Hilfsmittel und spezielle Fertigkei-ten des Therapeuten

FragebögenVASKommunikationsfähig-keiten und Strategien, um Ängste und Überzeugun-gen zu verändern

FragebögenNRSInklinometer

keine keine

valide und reliable Mess-methoden

ja ja ja, auf körperliche Untersuchung beschränkt

ja, auf körperliche Unter-suchung beschränkt

Bewegungsstörungen ja ja ja, auf Muskellänge beschränkt

ja

Kontrollstörungen ja nein ja nein

Zentralisations-phänomen

nein ja nein ja

Testen der Bewegungen in der Frontalebene

Seitneigung Seitgleiten (laterale Verschie-bung des Beckens)

Seitneigung Seitgleiten (laterale Ver-schiebung des Beckens)

Aufklärung ja ja ja ja

Heimprogramm ja je nach Klassifikation ja ja

Vollständigkeit ja, bis auf Zentralisations-phänomene

eingeschränkt eingeschränkt eingeschränkt

Praktikabilität im klini-schen Alltag

ja, mit Einschränkung ja ja ja

gesamtes Klassifikationssystem

Validität vieles unbekannt vieles unbekannt manches unbekannt vieles unbekannt

Reliabilität gut bis exzellent mäßig bis gut gut bis exzellent gut bis exzellent

Effektivität wenige Studien, aber gute Aussichten

teilweise schlechte Qualität der Studien

beschränkt auf Fall-berichte

durch viele Studien bestätigte Wirksamkeit

ROM = Range of Motion; EOR = End of Range; SI = Stärke, Irritierbarkeit der Symptome; VAS = visuelle Analogskala; NRS = numerische Schmerzskala

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tienten spezialisiert, berücksichtigen das MSI- und MDT-System akute und chronische Patienten.

Schmerzmechanismen: Die CB-CFT und das MDT-System schlüsseln sie detailliert auf, eine spezifische Therapie folgt. Beide Systeme un-terteilen in peripher nozizeptive, peripher neurogene und zentral un-terhaltene Schmerzen. Die TBC berücksichtigt peripher nozizeptive Schmerzsyndrome. Sie werden vorwiegend als Manipulations- oder Stabilisationsgruppe kategorisiert. Peripher neurogene Schmerzsyn-drome klassiert man, abhängig davon, ob sie zentralisierbar sind, in die spezifische Übungsgruppe oder in die Traktionsgruppe. Das MSI-System berücksichtigt keine Schmerzmechanismen.

Klinische Gruppen: Das Klassifizieren der Patienten anhand der klini-schen Gruppe ist für spezifische Untersuchungen und Behandlun-gen hilfreich. Therapeuten beurteilen, ob Symptome am Ende einer Bewegung auftreten (End of Range, EOR), oder ob sie während einer Bewegung auftreten (Range of Motion, ROM). Starke oder irritierba-re Symptome bezeichnet man mit SI. Alle vier Klassifikationssyste-me nutzen diese Kategorie und haben ähnliche Behandlungsstrate-gien. Das MSI-System beschränkt diese Kategorie auf die Muskulatur.

Symptomatische Bewegungsrichtung: In jedem System wird die am meisten Symptome auslösende Bewegungsrichtung spezifisch un-tersucht und behandelt. Lediglich die TBC berücksichtigt bei der Klassifikation „Stabilisation“ keine Bewegungsrichtung.

Beitragende Faktoren: Alle Systeme berücksichtigen Aspekte wie Ar-beit, Hobbys, Haltung, Nebenerkrankungen. Die MDT hat als einziges System eine eigene Kategorie für haltungsbedingte Beschwerden.

Krankheitserleben: In der CB-CFT wird das subjektive Krankheits-erleben wie Gedanken, Gefühle, vorherige Erfahrungen, Wertvor-stellungen, Wissensstand und Verhaltensweisen eines Patienten erfasst. Die anderen Systeme erfassen diesen Punkt nicht.

Hilfsmittel, Fertigkeiten: Für manche Klassifikationssysteme benöti-gen Therapeuten Hilfsmittel und spezielle Fertigkeiten. Die CB-CFT nutzt unterschiedliche Fragebögen und eine VAS. Der Therapeut be-nötigt Kenntnisse in kognitiver Verhaltenstherapie. So kann er Stra-tegien entwickeln, um Ängste und Überzeugungen zu verändern. Dazu wiederum werden tiefergehende Kommunikationskenntnis-se benötigt. Die TBC erfordert diverse Fragebögen, eine NRS, ein In-klinometer. Die Systeme MSI und MDT benötigen keine Hilfsmittel.

Valide, reliable Messmethoden: Sie helfen dem Therapeuten, anam-nestische Angaben und körperliche Untersuchungsergebnisse zu interpretieren. Alle vier Klassifikationen nutzen sie. Die Systeme MSI und MDT verwenden keine Fragebögen, VAS oder NRS. Beide Skalen und der ODI wurden als valide, reliabel und responsiv beur-teilt. FABQ und Inklinometer gelten als valide und reliabel. Letzte-res wird bezüglich der Responsivität teilweise empfohlen [37]. Der OMPQ ist in deutscher Sprache nicht validiert, erreicht aber befrie-digende Validität und Test-Retest-Reliabilität. Spezifität und Sen-sitivität sind gut [25]. Die TSK ist in deutscher Sprache nicht vali-

diert, aber als valide, reliabel und responsiv für Patienten mit LBP beschrieben [7]. Die Reliabilität der Palpationsbefunde in der CB-CFT, MSI und TBC ist diskutierbar. Das McKenzie-System verzich-tet aus diesem Grund auf Tastbefunde. Allerdings gibt es keine bes-seren Alternativen (▶ Abb. 4). Und: In einem guten Clinical-Reaso-ning-Prozess dienen sie lediglich als Teil der Gesamtuntersuchung.

Bewegungsstörungen: Sie sind definiert als ein Verlust aktiver und passiver Beweglichkeit in eine oder mehrere Richtungen [33]. Je-des System berücksichtigt sie und behandelt sie mit Mobilisati-on oder Manipulation. Das MSI-System beschränkt sich therapeu-tisch auf ein Verbessern der muskulären Dehnfähigkeit, die an-deren Systeme berücksichtigen bei Bewegungseinschränkungen unterschiedliche Strukturen.

Kontrollstörungen: In der Praxis scheinen sie am häufigsten vorzu-kommen. Es gibt keine Bewegungseinschränkung in die Schmerz-richtung. Bei dieser Störung ist der Schmerz mit verminderter funk-tioneller Kontrolle des symptomatischen Bewegungssegments in der neutralen Zone verbunden. Spezifische motorische Kontrolldefizite sind die Ursache [33]. CB-CFT und das MSI-System klassifizieren Kon-trollstörungen. TBC und das MDT-System nutzen die Kategorie nicht. Kontrollstörungen werden durch richtungsspezifische Motorkont-rollübungen in unterschiedlichen Ausgangsstellungen therapiert.

Zentralisationsphänomene: McKenzie hat sie 1981 erstmals be-schrieben. Bei einer Zentralisation verlagern sich distale Schmer-zen durch bestimmte Bewegungs- und Belastungsstrategien zu-nehmend weiter nach proximal [30]. Die TBC und das MDT-Sys-tem nutzen die Kategorie, um Patienten zu klassifizieren und sie mit wiederholten oder gehaltenen richtungsspezifischen Bewe-gungen zu therapieren. Die CB-CFT und die MSI-Klassifikation un-tersuchen und behandeln keine Zentralisationsphänomene.

Testbewegungen (Frontalebene): Bei der körperlichen Untersu-chung der Bewegungen in der Frontalebene unterscheiden sich die Klassifikationen. Die CB-CFT und das MSI-System nutzen die Lateralflexion, die beiden anderen Systeme setzen stattdessen das Seitgleiten (laterale Verschiebung des Beckens) ein.

Abb. 4 Palpationsbefunde: Wie zuverlässig sind sie?

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Patientenaufklärung: Sie ist in jedes Klassifikationssystem integ-riert und besteht aus der Aufklärung über die physiotherapeuti-sche Klassifikation des Problems und die Prognose der Beschwer-den. Therapeutische Maßnahmen und der Sinn eines Heimpro-gramms sind weitere Inhalte.

Heimprogramme: Sie sind ebenfalls in allen vier Systemen vertre-ten. In der TBC erhalten nur Patienten der Gruppe „spezifische Übungen“ und „Stabilisation“ ein Übungsprogramm. Eigenübun-gen bestehen je nach Klassifikationssystem aus Mobilisations-übungen, Motorkontrollübungen, wiederholten/gehaltenen Be-wegungen, Haltungskorrektur... (▶ Abb. 5).

Vollständigkeit: Die CB-CFT ist das vollständigste System der vor-gestellten Klassifikationen. Nur Zentralisationsphänomene blei-ben unberücksichtigt. Die Vollständigkeit der anderen drei Syste-me in den Clinical-Reasoning-Kategorien ist unterschiedlich.

Praktikabilität: Jedes der Klassifikationssysteme ist alltagstauglich. Um alle Clinical-Reasoning-Kategorien zu erarbeiten, sind mehre-re therapeutische Sitzungen notwendig. Wahrscheinlich gelingt die Zuordnung nach der TBC schneller als in den anderen drei Sys-temen. In der CB-CFT erfordert das Abdecken aller Kategorien ver-mutlich etwas mehr Zeit als in den anderen Klassifikationen.

Gütekriterien: Die CB-CFT ist in dieser Hinsicht noch nicht vollstän-dig untersucht. Anhand eines Flowcharts will man das Klassifika-tionssystem weiter erforschen [13]. Vieles befindet sich in der Va-lidationsphase. Die Reliabilität erreicht gute bis exzellente Werte. Teilweise gibt es schon Effektivitätsstudien. Zur TBC wurden bisher einige Reliabilitätsstudien veröffentlicht mit mäßigen bis guten Er-gebnissen. Bezüglich der Validität ist vieles unbekannt. Die Effekti-vitätsstudien hatten teilweise geringe Teilnehmerzahlen und vie-le Studienabbrecher. In einigen Studien untersuchten die Forscher zusätzlich viele Einflussgrößen parallel. Hier sollte man bei der In-terpretation zurückhaltend sein [20]. Anfänger und Experten der TBC kommen übrigens zu gleich guten Ergebnissen. Ein Training ist also unnötig [17]. Im MSI-System gibt es einige Untersuchun-gen zur Validität. Die Reliabilität erreicht gute bis exzellente Wer-te. Bisher existieren lediglich Fallberichte, die die Wirksamkeit des Systems überprüften. Die MDT-Klassifikation wurde bislang am meisten untersucht. Es gibt einige Studien zur Validität, die Relia-

bilität ist gut bis exzellent. Es ist das einzige System, in dem Meta-analysen und Literaturreviews zur Wirksamkeit existieren.

KritikKritiker der Klassifikationssysteme erwidern, dass es wenig Lite-ratur zum chronischen unspezifischen LBP (CNLBP) gibt, die für ein Subgruppenmodell spricht. Sie fragen, ob CNLBP nicht eher ein Problem kortikaler Dysfunktion sei. Es gibt zunehmend Evidenz für diese Aussage [56]. Gwen Jull sprach sich auf dem IFOMPT-Kongress 2012 in Kanada gegen ein Subgruppenmodell für die Halswirbelsäule aus. Aufgrund unterschiedlicher Kombinations-möglichkeiten in der Zusammensetzung der Clinical-Reasoning-Kategorien gebe es über tausend unterschiedliche Subgruppen. Sie schlussfolgerte, dass jeder Patient ein individuelles Manage-ment brauche. Möglicherweise ist diese Aussage auf lumbale Rü-ckenschmerzen übertragbar.

SchlussfolgerungEs gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Klassifikation bei lum-balen Rückenschmerzen. Jedes System nutzt eigene Vorgehens-weisen für die Zuordnung zu den jeweiligen Subgruppen. Den-noch gibt es viele Gemeinsamkeiten im Clinical-Reasoning-Pro-zess. Ein weitestgehender Konsens besteht in diesen Punkten:

▬ Das Berücksichtigen von Vorsichtsmaßnahmen und Kontrain-dikationen sowie psychosozialen Faktoren bei Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen ist notwendig.

▬ Die Symptomquellen müssen eruiert werden. ▬ Das Bestimmen einer klinischen Gruppe (EOR, ROM, SI) und

der meist symptomatischen Bewegungsrichtung ist hilfreich. Zusätzlich spielen beitragende Faktoren eine wesentliche Rol-le bei Rückenschmerzen.

▬ Die Methoden zur Ergebnismessung sollten so valide und reli-abel wie möglich sein.

▬ Bewegungsstörungen zu klassifizieren ist ebenso wichtig wie die Aufklärung des Patienten und die Integration eines Heim-programms.

▬ Ein gutes Klassifikationssystem für lumbale Rückenschmerzen ist valide, reliabel und effektiv – und dennoch praktikabel im klinischen Alltag.

Uneinigkeit besteht in diesen Punkten: ▬ In welchem Stadium der Beschwerden sollen Patienten zu-

künftig klassifiziert werden? Macht es Sinn, Patienten mit ei-ner ersten Rückenschmerzepisode zu klassifizieren, oder soll-te man dies erst bei chronischen Beschwerden tun?

▬ Manche Klassifikationen berücksichtigen nicht die aktuellen Schmerzwissenschaften. Dominante Schmerzmechanismen werden nicht bestimmt.

▬ Nur das Klassifikationssystem von O‘Sullivan (CB-CFT) be-rücksichtigt das individuelle Krankheitserleben ausreichend.

▬ Welche Fragebögen, Skalen und sonstigen Hilfsmittel sind notwendig und für Kliniker praktikabel? Benötigt ein Thera-peut Kenntnisse in kognitiver Verhaltenstherapie und spezifi-sche Kommunikationsstrategien, um Rückenschmerzpatien-ten zu behandeln?

Abb. 5 Alle vier Klassifikationen legen Wert auf das selbstständi-ge Üben der Patienten.

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▬ Nicht alle Klassifikationen berücksichtigen die lumbale Bewe-gungskontrolle und das Zentralisationsphänomen.

Weitere Forschungsarbeiten sind notwendig, um zeitnah einen möglichst großen Konsens bei der Behandlung von Patienten mit lumbalen Rückenschmerzen zu erreichen. Solange dies nicht der Fall ist, hilft ein guter Clinical-Reasoning-Prozess, um die Pati-enten zu untersuchen und zu behandeln. Derzeit ist die CB-CFT von O‘Sullivan trotz fehlender Berücksichtigung von Zentralisati-onsphänomenen das ausgereifteste Klassifikationssystem für Pa-tienten mit lumbalen Rückenschmerzen. ▄

Steffen Klittmann

Fiona Morrison

AUTOREN

DOI 10.1055/s-0033-1363150manuelletherapie 2013; 17: 206–215© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York · ISSN 1433-2671

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ich sie lediglich beschreiben als die schlimmsten Schmerzen, die ich je erlebt hatte. Immerhin wurde auf diese Weise nachgewiesen, dass meine Schmerzen und Probleme zum größten Teil in diesem Bereich ihren Ursprung haben. Ein Neurochirurg sagte mir, dass möglicher-weise eine Versteifung im Kreuzbereich Abhilfe schaffen könnte, aber dieses Verfahren scheint mir doch sehr riskant zu sein.

Ich bin enttäuscht und traurig darüber, dass ich nie wieder Bas-ketball und Golf spielen und nie wieder laufen können werde (▶ Abb. 1). Hören sich meine Rückenschmerzen für Sie nach etwas an, bei dem Sie mir vielleicht helfen könnten? Ist ein chirurgischer Ein-griff das Richtige für einen 25-Jährigen? Meine Schmerzen stellen eine tiefgreifende Einschränkung dar, weshalb ich eine Operation in Betracht ziehe. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, eine Ozoninjek-tion in die Bandscheiben machen zu lassen, wie es mir ein Prolothe-rapeut vor einigen Wochen empfohlen hat.

Handelt es sich hierbei um ein Problem, das Sie behandeln können? Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre professionelle Meinung zu meinen Rückenproblemen mitteilen könnten...“ [per E-Mail, Juli 2010].

… steigen die KostenDieser wahre Fall verdeutlicht das ganze Ausmaß der persönli-chen, sozialen und ökonomischen Belastungen für Patienten mit

Klassifikationsbasiert: Cognitive Functional TherapySOS: Per Mail erreichte Peter O‘Sullivan der Appell eines Patienten. Anhand dieses Falls stellt er sein mul-tidimensionales Klassifikationssystem für die Untersuchung und Rehabilitation von Patienten mit Rücken-schmerzen vor und kritisiert die üblichen therapeutischen Verfahrensweisen. Der personenzentrierte Ansatz überholt die primär auf Rumpfstabilität abzielende Behandlungspraxis.

Wenn die therapeutische Praxis versagt …… fühlen Patienten sich allein gelassen„Hallo, ich bin fast 25 Jahre alt und war bis zum Juni 2007 sehr aktiv und habe sehr viel Sport getrieben. Meine Rückenprobleme began-nen Ende 2004 – der Physiotherapeut verschrieb mir Core-Strength-Übungen [Kräftigungsübungen für den Rumpf]. Ich war fest ent-schlossen, eine erneute Rückenverletzung zu vermeiden, und ar-beitete deshalb intensiv an der Verbesserung meiner Stabilität und Körperkraft, bis ich im Juni 2007 eine weitere Verletzung erlitt. Seit dem Juni 2007 treten Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im unteren rechten Rückenabschnitt auf. Daran hat sich bis heute nichts geändert, und ich bin immer noch weit von meinem aktiven Lebensstil von vor ein paar Jahren entfernt.

Ich habe eine ganze Reihe von Spezialisten aufgesucht (Physio-therapeuten, Chiropraktiker, Osteopathen, orthopädische Chirur-gen, Neurochirurgen, Sportärzte, auf Golf spezialisierte Physiothe-rapeuten, Schmerzärzte) und habe mithilfe von Schuheinlagen ver-sucht, den Längenunterschied meiner Beinen auszugleichen.

Mein MRT-Bild zeigt, dass die Bandscheiben L5/S1 und L4/5 be-schädigt sind. Bis ich vor einigen Monaten ein Diskogramm machen ließ, wusste ich nicht einmal, woher die Schmerzen kamen. Als man mir mit einer Nadel in die Lendenbandscheibe L5/S1 stach, konnte

Abb. 1 Joggen, golfen, Basketball spielen: Der Schreiber der E-Mail möchte wieder sportlich aktiv sein.

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chronischen Rückenschmerzen und auch das Versagen der gän-gigen Therapien, diese Erkrankung effektiv zu behandeln. Die in den letzten 15 Jahren entwickelten biomedizinischen Therapien zur Behandlung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen erreichten lediglich eine exponentielle Zunahme von: Rehabilita-tionstherapien, die sich in erster Linie auf die Verbesserung der Rumpf- beziehungsweise Kernstabilität der Wirbelsäule konzen-trieren, MRT-Untersuchungen, Spinalinjektionen, chirurgischen Interventionen und pharmakologischen Behandlungen, verbun-den mit enorm ansteigenden Kosten im Gesundheitswesen. Para-doxerweise nehmen gleichzeitig Behinderungen aufgrund chroni-scher Rückenschmerzen zu [6].

Chronische Rückenschmerzen sind multidimensionalImmer mehr Evidenz spricht dafür, dass chronische Rücken-schmerzen mit einer komplexen Kombination verschiedener Fak-toren assoziiert sind: Physische, kognitive, psychologische, sozi-ale, neurophysiologische und genetische Faktoren sowie der Le-bensstil der betroffenen Patienten können interagieren und einen Teufelskreis aus Schmerzen und Behinderung bilden und auf-rechterhalten [10, 25] (▶ Tab. 1) (▶ Abb. 2).

negativeschmerzbezogeneÜberzeugung

Schmerz-sensibilisierung

Behinderungen

Vermeidungs- undprotektives Verhalten:

Muskelschutz, veränderteBewegungsmuster,Körperhaltungen

Bewegungsangst

übermäßiges Beschäftigenmit Schmerz

Stimmung und Pacing schlecht

Abb. 2 Teufelskreis: Schmerzen und Behinderungen.

kognitiv-funktionale Therapie: therapeutische Komponenten

Übungsprogramm Phase 1 Übungsprogramm Phase 2

kognitive Komponente funktionelle Bewegungsübungen funktionelle Integration physische Aktivität

kognitive Aspekte (reflexive KOmmunikation), Selbstbehandlung, funktionelle Verbesserung und Zielorientierung

Abb. 3 Multidimensionales Modell.

▀ COGNITIVE FUNCTIONAL THERAPY: SCHLÜSSELKOMPONENTEN

Zielführende Elemente dieses therapeutischen Ansatzes sind: ▬ Negative Vorstellungen und Ängste bezüglich Schmerzen und

MRT-Befunde bewältigen. ▬ Effektiv über multidimensionale, den “Teufelskreis” aus

Schmerzen und Behinderung aufrechterhaltende Mechanismen aufklären (Patientenedukation).

▬ Aktive Schmerzbewältigungsstrategien fördern; den Patienten informieren, dass Veränderungen möglich sind.

▬ Den Patienten unterstützen, sein Verhalten zielgerichtet zu än-dern (Stressmanagement, Schlafhygiene, körperliche Aktivität, Pacing und Ernährung).

▬ Körper und Bewegung bewusster wahrnehmen (Wiedererler-nen des Körperschemas).

▬ Feedback ist eine ausschlaggebende Methode für diesen Pro-zess und beinhaltet:

– Physische und psychische Reaktionen auf Schmerzen und subjektiv als Bedrohung empfundene Bewegungen bewusst wahrnehmen.

– Mit Spiegeln, Videoaufzeichnungen und schriftlichen Inst-ruktionen visuelles Feedback geben.

▬ Maladaptives Bewegungs- und Schmerzverhalten identifizieren, provokative Bewegungsmuster in einzelne Komponenten zerle-gen und auf eine bewusste und entspannte Weise neu erlernen.

▬ Das „neue” Bewegungsverhalten Schritt für Schritt auf die schmerzauslösenden und/oder vermiedenen Aktivitäten und Bewegungen übertragen. Ziel ist es, ihr Bedrohungspotenzial zu reduzieren und das neue Bewegungsverhalten zu normali-sieren.

▬ Anschließend die „neuen” Verhaltensweisen in die Aktivitäten des täglichen Lebens integrieren, um den Transfer zu gewähr-leisten.

▬ Entsprechend den funktionalen Zielen des Patienten Kräf-tigungs- und Konditionierungsübungen zielgerichtet in die Therapie integrieren.

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▀ Tab. 1 Chronische Rückenschmerzen: Interagierende Faktoren.

Faktoren Hinweise

patho-anatomische

▬ In den meisten Fällen von Kreuzschmerzen ist es nicht möglich, eine eindeutige pathoanatomische Diagnose zu erstellen [28].

▬ Es besteht eine hohe Prävalenz von „abnormalen” MRT-Befunden in schmerzfreien Populationen (Bandscheibendegene-ration 91 Prozent, Bandscheibenvorwölbung 56 Prozent, Bandscheibenprotrusion 32 Prozent, anulare Risse 38 Prozent) [19].

▬ Prospektive Untersuchungen zeigen, beginnende Depressionen sind ein aussagekräftigerer Prädiktor für mögliche zu-künftige Kreuzschmerzen als MRT-Befunde [15].

▬ Die frühe MRT-Befundung einer relativ geringfügigen Lumbago führt zu einer schlechteren Prognose, einem höheren Arbeitsausfall und zunehmenden, mit Risiken behafteten Operationen [30].

▬ Gesundheitsdienstleister spielen eine zentrale Rolle bei der Vermittlung radiologischer Untersuchungen.

physische ▬ Kennzeichnend für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen sind einerseits die erhöhte Koaktivierung der Rumpf-muskulatur und die Unfähigkeit, die Rückenmuskeln zu entspannen [28, 24], sowie andererseits die tendenziell verfrüh-te Aktivierung der transversalen Bauchmuskulatur [12]; dies fordert die Grundlagen der weltweit vorherrschenden, auf Rumpfstabilität abzielenden Behandlungspraxis.

▬ Immer mehr Evidenz spricht dafür, dass Menschen mit chronischen Rückenschmerzen sich ein maladaptives Bewegungs-verhalten aneignen, das ihre Beschwerden aufrechterhalten oder verstärken kann [4, 24] – vergleichbar mit einem an-haltenden „Humpeln“, obwohl die verursachenden Gewebe bereits ausgeheilt sind. Diese Verhaltensweisen sind nicht stereotyp [4, 24], qualifizierte Therapeuten können sie charakterisieren und identifizieren [5, 8].

▬ Hohe EMG-Werte der Rückenmuskulatur korrelieren mit der Schmerzintensität, dem Behinderungsausmaß und einem Spektrum psychologischer Faktoren. Dies deutet darauf hin, dass bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eine enge Beziehung zwischen Geist und Körper besteht [16].

▬ Es gibt Evidenz für die Annahme, dass ein verändertes Bewegungsverhalten mit Veränderungen des zentralen Nerven-systems assoziiert ist. Diese Änderungen reflektieren ein verändertes Körperschema [18, 29].

Lebensstil ▬ Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, allgemein niedriges Aktivitätsniveau, Übergewicht, Schlafmangel und chronischer Stress gelten als Risikofaktoren für Kreuzschmerzen [7, 20].

kognitive und psychosoziale

▬ Kognitive Faktoren wie pessimistische Ansichten zum Thema Kreuzschmerzen und die Angst vor Bewegung und Aktivität sind im Hinblick auf eine mögliche Behinderung aussagekräftigere Prädiktoren als die Schmerzintensität [2]. Gesundheits-dienstleister sind verantwortlich dafür, dass sich Patienten ihren Gesundheitszustand angemessen vorstellen. Äußerungen wie „Ihr Rücken ist instabil” können fälschlicherweise interpretiert werden als „Mein Rücken ist beschädigt, Bewegung ist gefährlich.” „Fehlende Rumpfstabilität“ kann für den Patienten heißen: „Mein Rücken ist schwach und verletzlich, ich muss ihn bei jeder Bewegung vor einer Verletzung schützen.”

▬ Emotionale Faktoren wie Stress, Sorgen und Befürchtungen, Angstzustände und Depressionen, Katastrophisierungen und Vigilanz verstärken maladaptive Verhaltensweisen. Schmerzwahrnehmung und Behinderungsgrad erhöhen sich [10]. Indem die Faktoren die Regulationsachse zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde stören sowie die Immun- und die neuroindokrine Funktion verändern, beeinflussen sie die Schmerzverarbeitung zusätzlich [3].

soziale ▬ Faktoren wie Belastung durch Beruf und Familie, problematisches Familienleben, Unzufriedenheit mit der beruflichen Situation, sozioökonomische und kulturelle Schwierigkeiten beeinflussen Schmerzüberzeugungen und -verständnis, Bewältigungsstrategien und Vulnerabilität [10, 25].

neuro-physiologische

▬ Chronische Rückenschmerzen werden assoziiert mit dem Verlust der grauen Hirnsubstanz, erhöhter Ruheaktivität des Gehirns, Veränderungen im sensomotorischen Kortex und im Körperschema und einer verminderten endogenen Schmerzinhibition [29]. Diese Faktoren tragen zu umfassenden sensorischen Veränderungen sowie zu motorischen Ver-änderungen und Bewegungsstörungen bei [21, 29].

▬ Chronische Rückenschmerzen manifestieren sich als einzelner Schmerzzustand oder als mehrere gleichzeitig auftretende Schmerzzustände (nozizeptiv, entzündlich, funktional und neuropathisch). Die assoziierten sensorischen Profile sind mitunter sehr unterschiedlich und erfordern daher eine spezifische und zielgerichtete Behandlung [31].

individuelle ▬ Schmerzbedingte Komorbiditäten, die subjektive Wahrnehmung des allgemeinen Gesundheitszustandes sowie Ziele, Wer-te, Gesundheitskompetenz, Akzeptanzgrad, Erwartungen und Änderungsbereitschaft des Patienten sind wesentliche As-pekte für Assessments, Behandlungen und Prognosen von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen [10, 19, 25, 27].

genetische ▬ Es gibt immer mehr Evidenz für die Annahme, dass Gen-Umwelt-Interaktionen in spezifischen Populationen die Schmerzvulnerabilität beeinflussen [10, 26].

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Fazit: Die Diagnose und Klassifikation chronischer Rückenschmer-zen erfordern einen Konsens. Das vorgeschlagene multidimensio-nale Modell (▶ Abb. 3) richtet sich an einem Clinical-Reasoning-Prozess aus, der auf der Geschichte des Patienten, Screening-Fra-gebögen [13, 17] und der klinischen Untersuchung basiert. Im Verlauf des Prozesses bestimmt der Therapeut die relative Ge-wichtung, Dominanz und Relevanz der bei der Störung des Pati-enten eine Rolle spielenden Faktoren.

Classification-based cognitive functional Therapy für Patienten mit chronischem RückenschmerzStünden statt einer bloßen Behandlung der Schmerzsympto-me die Überzeugungen und Verhaltensweisen der Patienten be-züglich Schmerz und Behinderung im Mittelpunkt der Therapie, könnten viele effektiver behandelt werden [1, 9, 14].

Die Classification-based cognitive functional Therapy (CB-CFT), der vorgeschlagene Ansatz zur Behandlung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, ist ganzheitlich, personenzent-riert und zielorientiert. Den Schwerpunkt dieses Ansatzes bilden die Befunde einer multidimensionalen Untersuchung (▶ Abb. 3). Sie beziehen sich auf die primär beitragenden Faktoren – aus allen Bereichen, die an der Störung des Patienten beteiligt sind.

Dominieren zentrale Schmerzmechanismen und/oder psycho-logische Komorbiditäten, kann es erforderlich sein, die Cognitive functional Therapy in eine medizinische und/oder psychologische Therapie einzubinden. Manuelle Therapie zielt nur darauf ab, ein „Zeitfenster“ zu öffnen. In dieser Phase sind auf Bewegungsein-schränkungen beruhende Verhaltensweisen veränderbar.

Eine aktuelle randomisierte kontrollierte Untersuchung zeigt, Cognitive functional Therapy führt zu besseren Ergebnissen als Manuelle Therapie und Stabilisationsübungen. Die Forscher unter-suchten diese Parameter: reduzierte Schmerzintensität und -epi-soden, Behinderung, Ängste, Arbeitsunfähigkeit, weitere Versor-gung und Stimmungsverbesserung [9]. Meiner Meinung nach ist dieses Modell des Assessments und der Behandlung generell bei Patienten mit muskuloskeletalen Schmerzstörungen anwendbar.

Was wurde aus dem Patienten?Aus dem E-Mail-Kontakt ergab sich ein Treffen mit anschließen-der Therapie und Rehabilitation.

BefundeDer Verfasser der E-Mail war überzeugt: „Mein Rücken ist be-schädigt.” Er verfügte über keine aktive Bewältigungsstrate-gie, um diese Überzeugung zu bewältigen und widmete seinen Schmerzen übermäßig viel Aufmerksamkeit, war verängstigt und vermied Bewegungen und Aktivitäten. Während seinen mit Bewegung und Belastung assoziierten Schmerzen zeigte er ein prädominantes mechanisches Verhalten. Sein maladaptives Be-wegungsverhalten verstärkte dies. Er vermied Belastungen des rechten Beins, und aus Angst vor Schmerzen waren die Stabilisie-rungsstrategien für die Rücken- und Bauchmuskeln abnormal. Er war sehr dekonditioniert, deprimiert, und seine Selbstwirksam-keitsüberzeugung war äußerst gering. Er hatte sich einen unge-

sunden Lebensstil mit Bewegungsmangel, schlechten Schlafge-wohnheiten und falscher Ernährung angewöhnt. Seine Hoffnung auf Veränderung war gering. „Gut gemeinte“ Ratschläge von Ge-sundheitsdienstleistern bekräftigten viele seiner Vorstellungen und Verhaltensweisen. Trotz seiner Verzweiflung suchte er ak-tiv nach einer Lösung und war motiviert für eine erneute Inter-vention.

InformationenDer Patient erhielt eine auf den Befunden basierende, kognitiv-funktionale Intervention. Ich informierte ihn, dass seine MRT-Be-funde bei aktiven Menschen ohne Schmerzen weit verbreitet sind und dass Schmerzen nicht zwangsläufig eine körperliche Schä-digung bedeuten. Dass sein Schmerzzustand eine Sensibilisie-rung seines Nervensystems repräsentiert, die ein Teufelskreis aus Ängsten, Befürchtungen, pessimistischen Vorstellungen, Vigilanz, protektionistischem Muskelschutz und Vermeidung von Bewe-gungen und Aktivitäten unterhalten, erklärte ich ihm ebenfalls. Er verstand, dass seine Wirbelsäule stark und robust ist und dass es wichtig für ihn ist, normale und entspannte Bewegungsmuster neu zu erlernen.

RehabilitationsprogrammIn Verbindung mit dieser Patientenedukation absolvierte er ein abgestuftes funktionales Rehabilitationsprogramm mit diesen Trainingsschwerpunkten: bewusstes Entspannen der Rücken- und Bauchmuskeln durch Zwerchfellatmung und Erlernen ent-spannter Körperhaltungen und -bewegungen. Um sein Körper-schema zu normalisieren, absolvierte er ein abgestuftes Belas-tungstraining für sein rechtes Bein mit visuellem Feedback durch Spiegel. Sobald er verstanden hatte, dass er sein rechtes Bein ent-spannt belasten und bewegen konnte, ohne Rückenschmerzen auszulösen, nahm seine Bewegungsangst ab. Die Therapie fand in einem einer Turnhalle nachempfundenen Setting statt. Es ermög-lichte ihm, seine funktionalen Kapazitäten entsprechend seinen Zielen zu erreichen, „wieder joggen, Golf und Basketball spielen.“ Durch funktionale Ganzkörperbewegungen baute er sein Vertrau-en in die entspannten, für diese Sportarten charakteristischen Be-wegungsabläufe wieder auf.

Ergebnisse und RückmeldungNach Abschluss des Rehabilitationsprogramms erhielt ich diese Mail:„Ein kurzes Update zu meinen Rückenproblemen: Vor etwas mehr als sechs Monaten habe ich mit meinem Rehabilitationsprogramm begonnen, und seitdem habe ich mich in vielen Bereichen verbessert. Ich bin viel fitter und kann Dinge tun, von denen ich geglaubt hatte, dass ich sie nie wieder würde tun können.

Ein früherer Physiotherapeut hatte mir gesagt, ich würde nie wieder laufen können... Vor ein paar Tagen bin ich fünf Kilometer gelaufen, spielte anschließend Basketball und am Abend noch Vol-leyball. Ich habe immer noch leichte Schmerzen bei diesen Aktivi-täten, aber sie werden weniger, wenn ich aktiv bin und nicht über sie nachdenke. An einem guten Tag fühle ich mich fast völlig normal und will einfach nur rausgehen und aktiv sein.

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Ich danke Ihnen vielmals dafür, dass Sie mich wieder auf den richtigen Weg gebracht haben“ [per E-Mail, Dezember 2010].

Inzwischen (zwei Jahre später) reist er um die ganze Welt, braucht keine Behandlung mehr, hat Vertrauen in seinen Rücken, verfügt vollständig über seine funktionalen Fähigkeiten und blickt hoff-nungsvoll in die Zukunft. Nicht alle Patienten mit chronischen Rü-

ckenschmerzen genesen vollständig – und leider erhalten nicht alle die Möglichkeit, diese „Reise“ zu unternehmen. Unsere Pati-enten auf dieser Reise zu unterstützen ist unsere Aufgabe und He-rausforderung als Gesundheitsdienstleister.

Der Autor hatte die ausdrückliche Erlaubnis, die persönlichen E-Mails im genauen Wortlaut wiederzugeben.

CB-CFT: Multidimensionales Klassifikationssystem▀ Multidimensionales Klassifikationssystem für Patienten mit lumbalem Kreuzschmerz

(überwiegend zwischen Th12 und Gesäß auftretende Schmerzen)

Stadium der Störung: akut (1–4 Wochen), subakut (4–12 Wochen), chronisch (länger als 12 Wochen, rezidivierend episodisch)

spezifische Kreuzschmerzen ▬ laterale Kanalstenose ▬ Zentralstenose ▬ Bandscheibenvorfall ▬ Modic TypI–III ▬ Spondylolisthese

radiologischer Befund und klinische Präsentation korrelieren

unspezifische Kreuzschmerzen ▬ keine eindeutige pathoanatomische Diag-

nose (lokalisiert oder generalisiert)

basiert auf der klinischen Untersuchung und radiologischem Befund

Red Flags ▬ Krebs ▬ Entzündungen ▬ Infektionen ▬ Frakturen

Schmerzen mit nichtmechanischem Verhalten

▬ spontane, konstante generalisierte Schmerzen ohne eindeutigen anatomi-schen Schwerpunkt

▬ entweder ohne direkten Bezug zu me-chanischen Faktoren oder in Form einer überproportional übersteigerten und anhaltenden Schmerzreaktion auf min-derschwere mechanische Trigger

gemischte Präsentation

⇐⇒

Schmerzen mit mechanischem Verhalten

▬ Schmerzen mit einem eindeutigen und konsistenten anatomischen Schwerpunkt

▬ Schmerzen mit proportionalem mechani-schen Verhalten

▬ (spezifische Aktivitäten und Körperhaltun-gen provozieren oder reduzieren die Schmerzen)

kognitive und psychosoziale FaktorenBefragung der Patienten:

▬ Überzeugungen: bezüglich ihrer Schmerzen, hilfreiche Strategien, erhaltene Ratschläge, Konsequenzen für die Zukunft ▬ Befürchtungen: in Bezug auf Bewegung, Aktivitäten, Vermeidungsverhalten, berufliche Tätigkeit, zukünftige Folgen der Schmerzstörung ▬ Stress und Ängste: aktuelles Ausmaß, Untersuchung der Grundlagen (soziale Faktoren, zugrunde liegende Eigenschaftsangst1 , schmerzbe-

dingte Ängste), Stressresponsivität2 und wie sie sich auf Schmerzen und Muskelspannung auswirkt, wie dies mit Gedanken, Befürchtungen, Verhaltensweisen, Vigilanzniveaus3 und mit der Konzentration auf die Schmerzen zusammenhängt

▬ Stimmung: Ausmaß der Stimmungsschwankungen und wie sich diese auf ihre Schmerzen und Lebensstilfaktoren auswirken ▬ Copingstrategien: aktuelle Bewältigungsstrategien (vermeidend versus Durchhaltevermögen), ob sie aktive Bewältigungsstrategien für ihre

Schmerzen haben, die subjektive Wahrnehmung ihrer eigenen Fähigkeit, mit ihren Schmerzen umzugehen, Ausmaß des Pacing4, Bereit-schaft, Selbstbehandlungsstrategien zu nutzen

▬ berufliche und häusliche Situation: Coping, Ausmaß erhaltener Unterstützung, Lebensstress, Absentismus5, Präsentismus6, Suche nach Kompensation

▬ Komorbiditäten: psychologische und allgemeingesundheitliche Vorgeschichte und subjektive Wahrnehmung

Dieser Aspekt der Untersuchung wurde mit dem Orebo Screening Questionnaire kombiniert (bei einem Wert > 5 für verwandte spezifische Punkte des Fragebogens folgt eine spezifische Untersuchung dieser Punkte gemeinsam mit dem Patienten).