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Zn attischen Dionysos-Festen. 1. ÄIOVUCW: Ta brl J\1'Jvai4Jl. Gilbert hat in seiner Schrift über die Festzeit der atti- schen Dionysien (Gö.ttingen 1872) mit viel Scharfsinn unn Ge- lehrsamkeit den Versuch gemaoht, die Grundlagen zu erschüttern, die Boeokh in seiner gro8sen Abhandlung vom Unterschied der Lenäen, Anthesterien und ländlichen Dionysien (Abhandlungen der Berliner Akademie 1816/7) für unsere Kenntnis8 der attischen Dionysosfeste gelegt bat. Nach seiner Ansicht sind die Lenäen nichts anderes als der letzte Tag der Anthesterien, also die ehy· tren. Dies Ergebnis8 einer. zersetzenden Kritik, die alle Zeug- nisse in Atome auflöst und dann ans diesen neue Bildungen schafft, hat bei den Fachgenossen nur wenig Zustimmung gefunden 2; 6S würde der Mühe kaum verlohnen, auf seine These zurückzukommen, hätte nicht Dörpfeld sie in seinem Buch über das griechische Theater 8. 9 wieder aufgenommen. Gerade weil Dörpfeldes an jener Stelle ablehnt, die Gründe für seine Auffassnng, die übrigens von seinem Mitarbeiter Reisch nicht getheilt wird (8. 10, Anm.), eingehender zu entwickeln, weil er also für Gilberts Theorie nur das h6deutende Gewicht seines Namens in die Wag- schale wirft, balte ich es für nützlich, gegen die Verscbmelzung von Lenäen nnd Anthesterien einen Zeugen vorzuführen, dessen Antorität Dörpfeld sicherlich gem antÜ'kennen wird, eine attische Urkunde deR IV. Jahrhunderts. Um sicher zum Ziele zu gelangen, muss ich zunächst einen kleinen Umweg einschlagen. Wir pflegen das Fest, das dem alten attischen Dionysos in den Sümpfen ausseI' den Anthesterien gefeiert wird, Lenll.en zu nennen, und dieser Name ist ja auch 1 [Dieser Aufsatl': war schon gedruckt, als Wachsmnth in den Abh. der Königl. Silchs. Ges. der Wiss. XVIII 1 f. seine' Neuen Bei- träge zur Topographie VOn Athen: veröll'entlichte: W. zieht für An- thesterien und Lenäen aus derselben Inschrift dieselben Schlüsse wie ich, leider habe ich sie nicht, wie er, fül' den Text von Arist. 'ltoA. 'A611V. 57 verwerthet. A. KJ 2 Vgl. A. Müller, die Bühnenalterthümer S. 309 Anm. 1, Stengel, die griechischen Knltusalterthümer = Iwan Müllers Handbuch V, 3 S. 162 ff, v. Prott, fllsti graecorum allcd S. 19..

Zn attischen Dionysos-Festen. · Handbuch V, 3 S. 162 ff, v. Prott, fllsti graecorum allcd S. 19.. Zu aUischen Dionysos-Festen. 169 aus dem Altertum bezeugti Aril3tophanes gebraucht

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Zn attischen Dionysos-Festen.

1. ÄIOVUCW: Ta brl J\1'Jvai4Jl.

Gilbert hat in seiner Schrift über die Festzeit der atti­schen Dionysien (Gö.ttingen 1872) mit viel Scharfsinn unn Ge­lehrsamkeit den Versuch gemaoht, die Grundlagen zu erschüttern,die Boeokh in seiner gro8sen Abhandlung vom Unterschied derLenäen, Anthesterien und ländlichen Dionysien (Abhandlungen derBerliner Akademie 1816/7) für unsere Kenntnis8 der attischenDionysosfeste gelegt bat. Nach seiner Ansicht sind die Lenäennichts anderes als der letzte Tag der Anthesterien, also die ehy·tren. Dies Ergebnis8 einer. zersetzenden Kritik, die alle Zeug­nisse in Atome auflöst und dann ans diesen neue Bildungen schafft,hat bei den Fachgenossen nur wenig Zustimmung gefunden 2; 6S

würde der Mühe kaum verlohnen, auf seine These zurückzukommen,hätte nicht Dörpfeld sie in seinem Buch über das griechischeTheater 8. 9 wieder aufgenommen. Gerade weil Dörpfeldesan jener Stelle ablehnt, die Gründe für seine Auffassnng, dieübrigens von seinem Mitarbeiter Reisch nicht getheilt wird (8.10, Anm.), eingehender zu entwickeln, weil er also für GilbertsTheorie nur das h6deutende Gewicht seines Namens in die Wag­schale wirft, balte ich es für nützlich, gegen die Verscbmelzungvon Lenäen nnd Anthesterien einen Zeugen vorzuführen, dessenAntorität Dörpfeld sicherlich gem antÜ'kennen wird, eine attischeUrkunde deR IV. Jahrhunderts.

Um sicher zum Ziele zu gelangen, muss ich zunächst einenkleinen Umweg einschlagen. Wir pflegen das Fest, das demalten attischen Dionysos in den Sümpfen ausseI' den Anthesteriengefeiert wird, Lenll.en zu nennen, und dieser Name ist ja auch

1 [Dieser Aufsatl': war schon gedruckt, als Wachsmnth in denAbh. der Königl. Silchs. Ges. der Wiss. XVIII 1 f. seine' Neuen Bei­träge zur Topographie VOn Athen: veröll'entlichte: W. zieht für An­thesterien und Lenäen aus derselben Inschrift dieselben Schlüsse wieich, leider habe ich sie nicht, wie er, fül' den Text von Arist. 'ltoA.'A611V. 57 verwerthet. A. KJ

2 Vgl. A. Müller, die Bühnenalterthümer S. 309Anm. 1, Stengel, die griechischen Knltusalterthümer = Iwan MüllersHandbuch V, 3 S. 162 ff, v. Prott, fllsti graecorum allcd S. 19..

Zu aUischen Dionysos-Festen. 169

aus dem Altertum bezeugt i Aril3tophanes gebraucht ihn einmalAch. 1055 ÖC; r' ~jlE. TOV TAtlJlova MValfL XOPIlTWV aTr€KAEll1'üilelTtvov, dann kehrt er wieder Athen. IV, 180 d, V, 217 a, Ael.nato an. IV, 43, hymn. Orph. 54, 9, PoIL VIII, 90, mehrfach in denAristophanesscbolien und zweimal in Inschriften CIA. II 1367 undCIG. 229-30. Diese Zeugnisse sind zahlreioh genug, aber mitAusnahme der Aristophanesstelle sind sie sämmtlich jung1. Deroffizielle Name des Festes lautete im V. und IV. Jahrhun­dert nicht AtlVCXtfL, sondern Cl.tOVOClfL Ta ETrt "I1VfL1lJ'. So 11eisstdas Fest in den Urkunden über die Hautgelder (ClA. II 741 fr.a 10, b 4) und genau so nennt es Aristoteles TrOh. 'A9fJv. 57.Der wichtigere Thei! dieser Bezeichnnng, €-Trt "l1vallJ', findet sichaber auoh bei Aristophanel'l Aoh. 504 fLl/TOt rap €cjlev OUTri "11­VCtIlJ' T' aTwv bei Platon Prot. 327 D ("ATplOl), OÜC; Tr€'puen <Pe­peKpaTfJe; Ö TrotllTnC; Eblbab:v ETrt AllVa1lJ' und im Gesetz desEuegoros Dem. XXI, 10 ~ ETri AfJVllllJ' TrO/.lTrn Kai 0\ TPUTlJ'bolKai 0\ KWI1lJ'boill. Durch diese Belegstellen ist für das V. undIV. Jahrhundert der Name Cl.IOVUCUX Ta ETri "l1vetilJ' unbedingteicher gestellt.

Nun leseu wir in der grossen Reohnnngsnrlmnde der EmcTa·Tal 'EAeUClvogev vom Jahre 329/28 crA. n. 834b 001. H, 46EmCTaTale; 'EmAtlVala ~:lc,; Cl.lovuClet l1ikul Cl.Cl.. Tsundas 'ElplllJ.apx. 1883 S. 115 und Fouoart l?OH. VII (1883) S.397 sohreibenETri A~VfLta Eie; ßtoVUCla, was ganz unmöglicll ist, und v. Prott(Fll.sti gratlCOrum sacri S. 13) gewinnt aus der riohtigen Sohrei·bung , EmAtlvCtta B gar ein neues Dionysosfest die Epilenäen, aufdas ernann verschiedene lfaohriohten zu beziellen weiss. lell(lenke aber, es bedarf keiner 'weiteren Begl'ündung, dass Ta 'Em­A~vma. Cl.lOvUCl.et nichts anderos sind als Ta ETri Allva.llJ' Cl.lOVO·Clet, nicht ein Naohfest zu den Lenäen, sondern diese selbst.

Daraus folgt dann aber unwiderleglich, dass die Lenäenvon den Antbegterien verschieden sind, denn in derselben Pry- .tanie, der. sechgten, haben die €.mCTeXTlll folgende Ansgabe ver'

1 Auoh Inschrift CIA. H 1367 gehört nioht mehr in das vierteJahrhundert.

II Auoh im Scbolion zu Aesohin. II,15 ist mitMadwig, Kl. philo1., Schriften S. 443 zu sohreiben €vh<a. oll; €1t'1 !nlv(dlfl statt Arlva{wv. Von

Ar. Ach. 504 hängen wohl ab Hesych. s. v. €1t'1 ATlva{lfl drwv Photioss. v. AnVlllOV und Etym. Mag. s. v. €1t'1 ATlva(lfl. .

8 Ungern vermisst man diesen wichtigen Beinamen in KirchnersIndex zu CIA. II im Abschnitt XI unter AlOvuCla.

170 Köde

zeiclmet co1. IJ, 68 €{~ X6a~ brll.wdOlll; l.ep€lov 66"'+, Kepa/lllXP, OlVOU Mo /l€tPllT«1 6111. Gegen dies urkundliche Zeugnissfür die Verschiedenbeit von Lenäen und Anthesterien werden wohlauoh diejenigen .I{einen Widerspruoh wagen, die sicb von Boeckhllllohöner Abhandlung nicht baben überzeugen lassen, Interessantist nebenbei zu sehen, wie viel grösser <locb trotz der IlkenisobonSpiele an den Lenäen die Bedeutung des Anthesterienfestes fürdaa Volk war: An den Lenäen bringen nur die Beamten ein of­ficielb~B Opfer, aber an elen Ohoen dac müssen auob alle Ar­beiter feiern, sie bekommen ein sohönes Opfertbier -23 Dr.ist ein ziemlich hobel' Preis dafür - beko~men reichlioh Wein,fast 41/ 2 Liter jeder l und obendl'ein noch ein Thongefälls imWertll VOll etwa 22 Pf. .

Da der Name 'E1TI~~VallX 610vucla jetzt inschriftliob bezeugtist, halte ich auch in dem Scholion zu Ar. Ach. 202 KaT' aTPOUe;;'Ta ATjvaw. A€TO/l€va. €Ve€V Ta. ATjvalCt KaI Ö E1TI).TjvalVo~ aTwvT€~EITlXI Tu,J 610VUClfl Wilamowitz' Aenderung E'lil Al')vaittJ (lIer­mos XXI S. 615 Anm.) für überfliissig. Der Name dl.'s Festesist bereits im IV. Jahrh. formelhaft erstacrrt, weil es damals längstDioht mehr ~Tfl Al')vatttJ gefeiert wurde.

Dörpfeld hat die wichtige Beob!tOhtung gemacht (AtbenMitth. XX S. 368 f.), da.ss in eben der Zeit, wo das Dionysos­fest stets E'lit Al')vatiV heisst, das Heiligtllum des Gottes, demes gilt, niemalll A~vatov, sondern immer TO EV Al/lVat<,; 6lOvu­CIOV genannt wird 2. Mit Reoht hat er hierans gefolgert, dassder Schauplatz des Festes auch in älterer Zeit nicht das Dio­nysion in den Sümpfen selbst, sondern der nahe dabei gelegeneKelterplatz wacr. Ich glacube, dass die richtige Auffassung desLenaion als Kelterplatz, durch die allein sich auoh die Präpo­sition E'lil in dem }j'estnamen erklärt, nooh in dem zweiten Theiledes oben erwähnten Scbolion zu Ar. Acll. 202 angedeutet ist, Indem überlieferten Text ATjvalOv Tap ~CTtV ~v aTPOle;; \€pav 1'00

61Ovucou bla.. Ta 'Ii~EKTOUC;; tvmoea T€TOV€Vat nbla 1'0 'IipWTOVEV TmJTiV Tu,J TO'lilfl MvalOv T€e~Val sind die Worte 'IiA€KTOUll;und ATjvlXIov un\yerständlich , letzteres ist längst in AllVOV ver­bessert, und an Stelle von 'IiAEKTOU~ möohte ich mit leichter

1 Mit dem Aufseher sind es 18 Arbeiter, die sich in 2 J.l€'t'p!'J't'a(= 78,6 Litel' zu theBen haben. I{oehlers Interpunction der Stelle istmir nicht verständlich.

2 So mit unwesentliohen Varianten Thnk. II, 15, baios VIIJ, 35,Dem. LIX, 76, Phlmodernos bei Athen. XI 465a.

Zu attisohen Dionysos-Festen. 171

'Aenderung TrA€lCTOU<; schreiben. Der Platz oder, wie der Scho~

Hast annirnrnt, das Heiligthum hat seinen Namen davon, dass dortsehr viele Keltern waren, oder dass die erste Kelter an jenemOrt erbaut wurde. So hat der Satz einen Sinn, und 6S kann einNachhall guter alter Gelehrsamkeit darin stecken; möglioh bleibtfreilich, dass der Scholiast auf eigene Faust an dem Namenhernmgedeutet und das Riohtige getroffen hat. Dass die vonDörpfeld im Heiligthum gefundene alte Kelter rur die li.ltesteKelter Athens galt, ist sehr natiirlioh, ebenso dass der Gott daseine Kelter 11&tte, wo auch die Athener in ältester Zeit kelterten,wo sich also sehr viele Keltern befanden.

Wenn aber Dörpfeld meint, auf diesem Kelterplatz, der mitdeI' Orchestra am Markt identisc11 ist (Dörpfeld Athen, Mitth.XX S.185), Bei gespielt worden bis znr Erbauung des steinernen'rbeaters des LykurgoB, so kann ich HIrn nicht beistimmen.

Er hat uns ja selbst gelehrt (Dörpfeld und Reich Das grie­chische Theater S. 31), dass bereits im Anfang des V. Jaluhun­derts am Abhang des Burgfela~ns im Bezirk des Dionysos Eleu­thereus ein Theatron durch Erdanschtittungen hergestellt wurde,das wohl noch hölzerne Sitze, aber keine hochaufragenden unddeshalb gefahrlichen Gerüste (IKpw.) mehr hatte. Ist es nundenkbar, dass noch fast 150 Jahre lang ftir das Fest des Dionysos€V At/AV<U<; nach alter Weise Gerüste auf dem Kelterplatz aufge­schlagen wurden, während man das 9EC1TPOV aus Erde im Heilig­thum des Eleuthereus besass?

Der Einsturz der IKPIC1 im Jahre 500, von dem Suidas (s. v.TTPC1TivC1~) berichtet 1, ereignete sich zwar im Eleuthereusbezirk,denn nur dort gab es damals tragische Agone (Bethe Prolego­mena zur Geschicbte des Theaters im Alterthllm S. 23 ff.), aberdie Gefahr, die hier zum Aufgeben der lKPIC1 fiihrte, bedrohtedasselbe Publilmm ebenso sehr auf dem andern Spielplatz, wodie Bodenverhältnisse anscheinend die Errichtung eines 9E(XTPOVaus Erde nicht gestatteten. Ich meine, die Sicherheit und Ge-

1 Seit Dörpfeld Erdanschüttungen aus dem Anfang des V.Jahr­hunderts nachgewiesen hat, liegt kein Grund mehr vor, die Nachrichtdes Suidas zu beanstanden. Ein geaTpov aus Erde blieb das Stadion,da.s a.usdrÜcklich geaTpov beisst (CIA. 11176), bis zur Zeit des HerodesAttikos. Ein Erdtheater war im IV. Jabrh. auch das piräiscbe, wieich gegen Wilamowitz (Hermes XXI 602) und Todt .~(Philologus 48S. 505) hervorhebeu möchte, das beweist die den Pächtern auferlegteVerpflichtung ilbwAlaq.teV'lv TtlV geav 'lrapex€w CIA. II, 578.

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räumigkeit eines durch Erdansohüttl1ngen am Bergabhang her­gericbteten Zuschauerraums sind so grosse Vorzüge, dass mansicherlioh auoh die Spiele deli Lenäenfestes bald in das neueTheater verlegt haben wird.

Dass die Bezeichnung .6.lOVUCUl tUt A'lVllllV heibehaltenwurde, als die Aufführungen nicht mehr auf dem Kelterplatzstattfanden, darf uns nicht wundern, behielten dooh auch diestädtischen Dionysien ihren alten Namen, als der Zusatz tv aCTEllängst seinen ursprüngliohen Sinn ,redOl'en hatte.

Die Form >EmA~vlltll .6.lOVUCUX scheint mir darauf ]ünzu­weisen, dass dem Verfasser der eleusinischen Urkunde die lo­kale Bedeuhmg des I!'estnamel1l~ nioht mehr geläufig war, er warfür ihn formelhaft geworden, und auch das spricht entschiedenfür eine frühe Verlegung der Spiele vom Kelterplatz. Im Jahre329/8 war das steinerne Thea.ter des Lylmrgos erst wenigeJahre vollendet, und man hätte sioherlioh den alten Sinn desFestnamens noch nioht vergessen, wenn erBt damals die Ueher­siedlung der Agone in den B.ezirk der Eleuthereua vonzogenwal'den wäre.

2. Der Agon der komisohen Sohauspieler.

Die erste Hypotbesis zu Aristophanes' Frieden schliesst mitden Worten: 'EviKllCE b€ T41 bpaJ.l.llTt ÖUOl'lTil<;; Eui apxoVToC;; 'AA­Kalou (421) lv (lCT€t. UpWTOC;; EÖUOAt<;; KOAUtt, bEUT€PO<;; 'AptCTO­qJav'l<;; Elp~vfJ, TpiTOC;: A€UKWV <PpaTOpct, TO bE: bpdJ.l.ct urrEKPlvllTO'ArroAMbwpoC;;. qViKll EP/l~v AOlOKpOT'lC;;. Die sinnlosen Schluss­worte hat Valentin Roge glänzend emendirt EVtKll "Ep/lwV Ö uuo­KptT~C;;l, Ein Srhauspieler Hermon ist als Zeitgenosse des Adsto­phanes durch das Scholion zu Al'ist. Wal. 542 beka.nnt, von Scbau­spieleragoneIl in derselben Zeit erfaln'en wir durch die Inselu'iften(ClA. II 791 b, 972 001. II), so soheint alles in 01'dnung, undwenn irgend eine scharfsinnige Conjectur Anspruch auf Gewissheitmachen darf, so ist es diese.

l]nd doch bleiht eine ernsthafte Sohwierigkeit, die bisbel'noch nicht genügend beaohtet ist: Die grosse Dionysische Sieger­liste (CIA. Ir 971 und IV S. 218), die seit der Mitte des V. Jahr­hunderts die siegreiohen tragisohen Sohauspieler notirt (vgl. Lip­sius, Berichte det' säohsisohen Gesellsohaft der Wiss. 1887 A.

1 Der Artikel ist vielleicht besser zu streichen, in der Didaskalielautete die Notiz OTCOKptn'jo; "Epf.lwV ~vh(a.

Zu attischen nlonyaos-j;1esten. 118

281), kennt keinen Agon komischer Schauspieler an den grossenDionysien. Wir besitzen die Liste für das der Aufführung des

'Friedens vorausgehende Ja.hl' 422 vollständig genug, um dasFehlen eines siegenden komischen Schauspielers feststellen zukönnen, CIA. II 971 fr. b. Für das Jahr 421 bricht die Urkundeleider an der entscheidenden Stelle ab, aber wir haben wiederBruchstücke aus der ersten Hälfte des IV. Jahl'llunderts (fr. 11)und für das Jahr 329 (CIA. IV S. 219), und in beiden wirdkein komischer Sohauspieler geilannt, .während an den Lenäend. J. 354 dieser Agon vorkommt CIA. 1I 972.

Befhe hat in seinem geistvollen Buch Prolegomena zur Ge­schichte des Theaters diese Thatsacbe mit Recht hervorgehobenS. 18 ff. und sie mit zu dem Nachweis benutzt, dass die. eigent­liche Heimat der Komödie die Lelläen, die der Tragödie diest,ädtischen Dionysien waren 1. Leider giebt er nicht an, was mitder Hypotbesis des Friedens zu maclIen ist, die den Sieg eineskomischen Schauspielers tv llerEl für (las Jahr tl21 bezeugt.Sollen wir annehmen, dass der Agon gerade 421 eingeführt undim IV. Jahrhundel't wieder abgeschafft sei P Bei der Bedetitungder Sehauspiell\unFlt im IV. Jahrlmndert ist es höchst unwahr­scbeinlich, dass ein für sie einmal geschaffener Agon damals fort­gefallen wäre. Ebensowenig geht es aber meines Erachtensan, die Rose'sche Emendation deshalb ganz zu verwerfen, weilsie nicht zu der monumentalen Ueherführung stimmt2•

loh weis's für diese Aporie nur eine Lösung, die freiliahauah nicht ganz ohne Bedenken ist: In der Hypothesis I desFriedens sind vermutbliob die Didaskalien der beiden gleich­namigen Stücke des Aristophanes durobeinandel' geratlleli. DieHypothesis III beriohtet <pahimu €V Tai~ blb(XCl(aMal~ Kal ETepavbEblbaxw~ ElprJVllv öJ.lolUJ~ ,AP1CTO<plivTJ~' abt]Aov ouv <PlloW'EpaToc6evl1li: 1l'OTepOV Tllv aUTllv aVEbtbaEev 11 eTepav Ka6fj­KEV, lln<; Oll cljJl:eTal. KpaTtl<; J.lEVTOl Mo olbe bpa/JaTa Tpli­<pUlV OÜTUl<;' <aAA' OOV TE ev Toi~ 'AXapvd)ov 11 BaßUAUlVlO1<; 11EV rfj ETEpq. Eiptlvt;l', Kal c1l'opabllV be Tlva 1l'0ItlJ.laTa. mxpaTl-

1 Aehnlioh schon Christ bei Oehmichen, Sitzungsberiohte derBayer. Akad.. 1889 Il S. 156 f.

2·0ehmichen a. a. O. S. 157 lehnt Rose's Conjectur ab, weil dieArt ul1d Weise, wie diese überflüssigen Worte hier hel'eingekommenseien, llicht genügend geklärt sei. Aber die Angabe iiber den Schau­spieler Apollodoros ist doch hereingekommen und was in aller Weltsollte darauf noch folgen, als eiue ähnliche didaskalische Notiz?

ROfte

aETlXl, &TtEP ev Tfj vuv qJEPO/l€VlJ OUK ECT1V. Die .zusaml1leilstellung mit Acbarnel'l1 unu Babyioniern zeigt, dass auch dieserandere Friede ungefähr denselben Jahren angehört hat wie dererhaltene, um so leichteI konnte bei Benutzung der Urkundeneine Vermiscbung der zugehörigen ~t\ngaben vorkommen. Da dieNotizen der Hypothesis I übeI die Mitbewerber des Al'istophanesdurch Athenuios V 218 b bestätigt werd.en, kann man an der Auf­führung des erhaltenen Stüc}{es an den s t äd ti s che n Dionysiendes JahIes 421 nicht rütteln, es könnten also nur die Angabenüber die Schauspieler ApoUodoros und Hermon aus der Didll.!)­kaUe des alldern Friedens, den wir uns an den Lenäen einesder nächsten .tahre aufgetlihrt denken müssen, fälschlich hin­zugefüg:t sein. Siege komischer Schauspieler an den Lenäensind uns inschriftlich zwar erst für 864 bezeugt, aber für dasY. Jahrhundert fehlt uns eben das inschriftliche Material, unddie engen Verbindungen der Komödie mit den Lenäen maohenes an sich wahIsoheinlich, dass schon Ende des V. Jahrhundertsdem Agon der tragischen Schauspieler an den städtischen Dio­nysien ein solcher der komiscllen an den Lenäen entsprochen hat.

Hoffen wiI, dass die attischen Steine, die Uns die Schwie-rigkeit sie auch einmal sicher lösen helfen, vorläufigscheint mir der vorgeschlagene Ausweg der erträglichste.

3. Der KithaIöde Nikokles.

leh habe oben S. 169 Anm. die Inschrift CIA. II 1367obne Beweis in das dritte J ahIhundert gesetzt, während· Koehlereie um 310 datirt, und möchte meine Gründe für die Verschiebungder interessanten Insohrift nicht verschweigen. DeI Stein trägtvorn die Aufschrift

NI1<OKhfl~ 'AplCTOKh€OU<;Tlavaa~ValaTa /l€yaha

TTUala TTUala TTu91a TTu91a nuom TTu91aA~va1a

bI9upa/lß4J

Badh€taEV MaKEbovilt

BlXelhEta )ACKhl1Tt1E'iaauf den Seiten lesen wirrechts: BadhEIa (HMEla

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und

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SämmtIiche FeIltnamen stehen ,in Kränzen.

Zu attischen Dionysos-.F'esten. 171'>

Die Datirung das Steins hat meines Eraohtens auszugehenvon den Basileen in Alexandreia. Koehler, Rhein. :Mus. XXXIXS. 298 hält. sie für Spiele zu Ehren Alexanders, aber das istsehr unwahreoheinlioh. Wir kennen in zahlreichen Städten Spielezu Ehren des grossen Königs, aber überall führen sie den Namen'AAEta"bpEUx (vgL Stellgel bei Pauly Wissowa s. v.), niemalsheissen sie BaclAEta. Fouc<u·t hält die Spiele in Alexandrienund :Makedonien für Nachahmungen der gleiohnamigen Spiele inLebadeia (Revue aroMol. 1875 S. 110 ff" Daremberg·Saglio, Dic­tionnaire s. v.), aber das ist nooh weniger glaublich. Der vonden Boiotern nach der Schlacht bei Leuktra dem Zene Basileusgestiftete dlm" cTEtpa"lTllfi (Diod. XV, 53) erfrente eich zwarauf dem griechisohen ]j'estlande eines ziemlicllen Ansehens 1, aberer ist doch entfernt nicht bedeutend genug, um die Annallme zureclltfertigen, das stolze Alexandreia babe sich bald naoh seinerGründung Spiele naell dem Muster und mit dem Namen diesesgriechiscben Provinzialfestes eingeriohtet. loh kann auob dieBeziebung der in unserer Inschrift olme Ortsangabe genanntenBasileen auf das Fest VOll Lebadeia nioht für 80 sicher lUllten,wie Koebler und Foucart es thun a. a. 0. 2, vor allem weil wirsonst kein Zeugniss eines musischen Agons an diesem Feste be­sitzen. Die zahlreiohen Inscbriften, in denen Sieger an den Ba­sileen von Lebadeia vorkommen (CIG. S. 559, 1711, 2487, 2532,3091, 4247, ClG.3521, Wesob.er Foueart Inscriptions de Delphes477, BOH. X, 444, Atben. :MiUheil. XIV 105), beziehen sich, so­weit sie überhaupt ein Urtbeil zulassen, ausnahmslos auf gym­nisobe und hippiscbe Agone.

Für die Basileen in Alexandreia. haben wir aber ein vortreff­licbes Analogon in den BaclAEla von Nakrasa OIG. 35.21. DiesFest wurde nahe dem Schauplatz des Galatersieges, der denAttalos zur Annahme des Königstitels bestimmte, gestiftet ßacl­AEUOVTOC; >ATTa~ou rrpwTou ETOUfi 241/40. Es scbeint mir zwei­fellos, dass die Basileen in Alexandreia entweder die Annabmedes Königstitels duroh Ptolemaios I oder doch die Erinnerung andiesen ersten König des Lagidenhauses verherrlichen sollen. Inersterem Falle würde das Jahr 304 dm' früheste Termin für den

1 .Auch in Magnesia am MaiandrOll werden sie einmal erwähnt,Athen. Mittheil. XIV, 105.

II Mit Zurückhaltung äussert sich darüber Reiseh de mUlIioillGraeoorum certaminibus S. 60 Anm. 2.

176 Itlhte Zu attisohen bionysöll-li'esten.

Sieg des Nikokles sein, die Inschrift könnte also in das erste Jahr·zelmt des IU. Jahrhunderts gehören. Ich glaube aber, wir dUrfenuns fiil' die zweite Möglichkeit entscheiden auf Grund der grOSl\enInschrift von Nil,urgia, die Delamarre kürzlioh in der Revue dephilologie XX (1896) S. 103 ff. veröffentlicht hat. Aus ihr er­fahren wir, dass Ptolemaios II Philadelphos ll1abEEul-lEVOr;; 'rllVßaclAElav 1t<XPa. TOU rraTpOr;; um 280 in Alexandreia einen aTwv·lcOAUI-lTClO<;; 'fUIlV1KOS; Kat 1l0UClKOS; Kat \mnK6s; dem Vater zuEhren stiftete, zu welchem aUe Hellenen eifrig herangezogenwerden. 1st dies Königsfest, dessen Namen die Urkunde leider niohtenthält, das von Nil{okles erwälmte, so erklären sich die Basileiain Makedonien leicht als eine Concnrrenzgründung des AntigonosGonatas etwa aus dem Ende der siebziger Jahre, zu Ehren seinesVaters, der ja gleichfalls eine Königsdynastie begründet hatte.

Koelller hat a. a. O. S. 298 den Nikokles der Inschriftzweifellos mit Recllt fiir den Kitharöden erklärt, dessen GrabmalPausanias am lleiligen Wege nach Eleusis sah (I, 37, 2), wenner ihn aber weUer für den Vater des von Antigonos Gondas um390 in Athen geliebten (Athen. XIII 603e) Kitharöden Aristokleshält, so ist das mit dem eben Ausgeführten nicht vereinbar.Siegte Nilwldes des Aristokles Sohn in einem erst 280 gestiftetenAgon, so kann er kaum der Vater von Antigonos' Günstling sein,sondern er war wohl dessen Sohn oder Bruder 1, und es gehörtseine Statue im Dionysostheater erst in die Mitte des 1lI. Jahr­hundel.ts 2.

Aus diesem Ansatz ergeben sich noch für einige FesteFolgerungen. Die musischen Agone an den Isthmien, in denenNikokles erster Siegel' war 8, Bind dann nicht im IV., sondernerst im IU. Jahrhundert eingeführt und ebenso wird der Dithy­l'ambos, der in Demostbenes' (XXI, 10) und Aristoteles'" Zeit (rro1l..'A811V. 57) den Lenäen fremd war, erst in hellenistischer Zeitdem Feste beigefügt worden sein.

Bonn. A. Körte.

1 Der Vater des Aristokles wird bei Athenainos nicht genannt.2 Die Beobachtung der scheint mil.' in dieser Zeit bei

einer monumentalen Basis kein ausschlaggebendes ]{riterium rur dieDatiruug.

S So fasst Reisch a. a. O. S. 77 mit Recht die Worte ~llJef.ll<X

1rpWTOt; auf.