Zombie Pop

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    Es

    Otto-von-Guericke-Universitt Magdeburg

    Fakultt fr Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften

    Institut fr Erziehungswissenschaft

    Seminararbeit Kulturwissenschaften 4 (K4)

    Der Zombie als Selbstbeschreibungsmetapher der Popkultur

    vorgelegt von

    Elena Dieckmann (182471), 4.Semester

    am: 01.08.2009

    Dozentin: Prof. Dr. Gudrun Goes

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    Einleitung

    Inhalt

    1. Der Zombie in der Alltagskultur.........................................................................3

    2. Das Wesen des Zombie....................................................................................5

    2.1 oszillierend...................................................................................................5

    2.2 fragmental....................................................................................................6

    2.3 bedrohlich....................................................................................................7

    3. Das Zombiehafte der Popkultur.........................................................................8

    3.1 Recycling.....................................................................................................9

    3.2 Verzauberung............................................................................................11

    3.3 Utopie und Kritik..............................................................................................13

    4. Popkulturelle Zombies und Zombie-Pop.........................................................14

    5. Quellenverzeichnis..........................................................................................15

    6. Abbildungsverzeichnis.....................................................................................16

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    1. Der Zombie in der Alltagskultur

    Man gebe 4 cl weier Rum, 4 cl brauner Rum, 4 cl Strohrum, 2 cl Cointreau

    2 cl Grenadine, 2 cl Maracujasirup, 4 cl Zitronensaft und 4 cl Ananassaft mit

    Eiswrfeln in den Cocktailshaker. Man schttle das Gemisch ca. 20 Sekunden und

    gebe die Mixtur in ein zur Hlfte mit gestoenem Eis geflltes Longdrinkglas von 0,5l.

    Den Cocktail mit einem Ananasstck, einer Cocktailkirsche und Minze garnieren.

    Dies ist wohl einer der beliebtesten Cocktails unserer Zeit: der Zombie. Slich

    fruchtig erfreut das sehr starke Getrnk seit 1930 den Gaumen der Drstenden.

    Mit diesem Exempel wird bewiesen wie stark die Metapher des Zombie mittlerweileEinzug in die Tiefen unserer Alltagskultur gehalten hat. Speziell die Popkultur wei

    den Zombie und all seine Spielarten in Horrorfilmen, Musikclips und Plattencovern zu

    inszenieren. Betrachten wir nun Zombie und Popkultur von einer Metaebene, wird ein

    grnliches Fulnismntelchen sichtbar, dass sich um die zarten Plastikschultern der

    Popkultur gelegt hat. Der Zombie ist zu einem elementaren Bestandteil popkultureller

    Narration geworden. Doch noch gravierender: Der Zombie vereint in seinem

    Charakter Strukturmerkmale, die in einer Analogiebildung als Selbstbeschreibungs-formel fr die globale Popkultur fungieren knnen. Einst durch das popkulturelle

    Medium des Horrorfilms geboren, reflektiert die Figur des Zombie heute die parentale

    Popkultur. Doch warum diese Spiel? Die Popkultur ist ein hchst vertrackter,

    weitlufiger Komplex, der durch die Charakterspiegelung anhand der Zombiefigur

    zugnglich gemacht werden soll. Der Zombie als solches ist aufgrund seiner starken

    Verankerung in unserer Medienkultur sehr viel greifbarer als das Theorem der

    Popkultur. Die Erkenntnisleistung der folgenden Abhandlung wird in einerSchlussbetrachtung zusammengefasst.

    Die Arbeit vollzieht zu Beginn anhand von Horrorstudien eine soziologische,

    psychologische und kulturwissenschaftliche Analyse der Zombiefigur. Die

    Analyseergebnisse werden anschlieend zu einem Prototypen des postmodernen

    Zombie verdichtet. Es folgt im zweiten Teil der Arbeit, ein interpretierender Transfer

    der drei identifizierten Zombie-Eigenschaften zum Themenfeld der Popkultur.

    Gngige popkulturelle Paradigmen, die sich am weiten Diskursmarkt kondensieren,

    werden hierbei unter der Brille des Zombiehaften gelesen. Der Autorin sei verziehen,

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    dass sie sich am groen bunten Paradigmenkorb bedient und auf eine ganzheitliche

    bersetzung der Popkultur ins Zombiehafte verzichtet. Vielmehr wird eine

    Schnittmenge beider Sujets gebildet und beschrieben.

    Na dann, Prost....

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    2. Das Wesen des Zombie

    2.1 oszillierend

    Der Zombie ist anders als die traditionellen

    Horrorfiguren wie Hexen oder Poltergeister, ein

    Kind der Modernen Horrornarration. Der Grusel-

    Charakter Frankenstein weist erste Zge des

    Zombie auf. Die grnliche Hautfarbe, die

    Willenlosigkeit die auf der Diktatur seines

    Meisters beruht, die zeichenhafte

    Krperkomposition. Ein weiteres Merkmal,

    welches nun herausgearbeitet wird, ist der

    tranceartige Zustand des eigentlich toten

    Frankensteinmonster, welcher von der

    Auferstehung herrhrt. Wie das

    Frankensteinmonster ist der Zombie ist ein

    Grenzgnger. Als Untoter pendelt der Zombie zwischen Tod und Leben und ist dabei

    voll handlungsfhig. Der Krper weist letale Verletzungen auf und stellt diese

    gekonnt fr den Gruseleffekt zur Schau. In einer ironisierenden Dreifaltigkeit vereint

    sein Krper Leben, Tod und Vergnglichkeit und reflektiert auf abschreckende Weise

    den menschlichen Traum der Unsterblichkeit.1 Der Zombie wird so zu einer

    Umkehrung zur christlichen Ideologie des Todes, nach der beim Tod der Krper

    eines Menschen stirbt, die Seele aber weiterlebt. Der Zombie ergnzt den

    Lebenszyklus um die Auferstehung, in gleicher deformierter Form und seelenlos.2

    Die damit evozierte Angst vor der Seelenleere und Sinnleere kondensiert sich in

    einer neuen Art des Horror Vacui des Krpers als Seelenraum. Drckt sich derSchwebezustand der Leere in einer Oszillation zwischen nicht mehr und noch nicht

    aus3, ist die Zombieoszillation eine andere. Der Lebenslauf eines Zombie ist eine

    Einbahnstrae, die in einer Sackgasse endet, da die Zukunftsperspektive des noch

    nicht fehlt.

    1 vgl. Rumbke: Der moderne Zombie, S.34.2 vgl. Rumbke: Der moderne Zombie S.34.3 vgl. Peschken: sthetik der Leere, S.63.

    Oszillation zwischen Leben und Tod

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    2.2 fragmental

    Die Pendelbewegung zwischen Tod und Leben birgt

    ein destruktives Moment fr den Krper des

    Zombies. Partielle Verfallsprozesse bershen

    seinen Krper. Die Konfrontation mit dem Tod und

    der eigenen Endlichkeit wird durch die zustzliche

    Inszenierung von Hsslichkeit am Zombiewesen

    ergnzt. Er bildet die Antithese zum Schnheitsideal

    der Moderne und setzt jedes Atom seines Krpers

    fr dessen Verkehrung ein: nur notdrftig verdeckt

    die Haut vitale Lebensuerungen wie Puls undMuskelspiel, Vortrefflichkeiten wie ppiger

    Haarwuchs und starkes Gebiss zeigen die Nhe zum

    Animalischen, die Lippen sind rohe, unbehauene

    Natur, entbehren aller Modellierung, den seelenlosen Augen fehlt der gttliche

    Funke.

    In seiner rohen Wildheit ist der Zombie trotzdem ein Kristallisationspunkt der

    Kreativitt. Monsters are never created ex nihilo, but through a process offragmentation and recombination in which elements are extracted from various

    forms and then assembled as the monster.4 Der Zombie integriert organische

    Versatzstcke, Bauteile und moderne Requisiten wie Kleidung und Accessoires. Er

    synthetisiert diese Stcke zu einer freakish compilation5. Die Formlosigkeit, die am

    Ende dieser Schpfung steht, ist das was uns erschaudern lsst. Gleichzeit wirkt die

    zeichenhafte Unbestimmtheit und die Multioptionalitt des diskursiven

    Zombiekrpers inspirierend. The monster is the abjected fragment that enables the

    formation of all kinds of idendities- personal, national, culture, economic, sexual, ...6

    Mitunter ist der Zombie sogar beneidenswert, da er durch seine krperliche

    Ungebundenheit weder an Zeit, Kultur und Moral einen Mglichkeitsraum aufschliet.

    We distrust and loathe the monster at the same time we envy ist freedom, and

    perhaps its sublime despair.7 Trotzdem berwiegt der Schrecken und die Furcht vor

    4 Cohen: Monster Theory, S.11.5 Cohen: Monster Theory, S.7.6 Cohen: Monster Theory, S.17.7 Cohen: Monster Theory, S.17.

    Das Spiel der Hsslichkeit

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    der Transformation zum Zombie. Denn das Bild unserer krperlichen Identitt

    umfasst nicht die innere Seite unserer formgebenden Gestalt: Eingeweide, Lunge,

    Leber und Herz sind fr uns Abstraktionen, die uns befremden, wenn wir sie konkret

    vor Augen haben. Ihnen haftet primr die Angst vor der ffnung des Krpers, der

    Verletzung an. Sie erscheinen uns unbekannt, wir ziehen sie nicht zur Identifikation

    einer Person heran, weil sie uns normalerweise verborgen bleiben. Der Zombie

    nimmt die befrchtete ffnung des Krpers vor und durchbricht damit die letzte

    Grenze der menschlichen Identitt: die der Haut.8 Der fragmentale Krper des

    Zombie synthetisiert Lebensausschnitte und deren Requisiten zu einem diskursiven

    Gesamtwerk, welches weder in Zeit, noch in Raum verwurzelt ist.

    2.3 bedrohlich

    Nicht nur die krperliche Ausstattung des

    Zombie schrt unsere tiefsten ngste,

    bringen sie doch die von uns so gut

    kaschierte Hsslichkeit im vollen

    Ausma zur Erscheinung. Er bricht

    mehrere Tabus, die in unserer Kulturbezglich der Krperwahrnehmung und

    darstellung gelten. Er fhrt uns das vor

    Augen, was normalerweise rituell

    gesichert unter Verschluss gehalten

    wird: Den physischen Zerfall unserer Krper, welcher in einem verschlossenen Sarg

    mehrere Meter unter der Erde stattfindet.9 Der Zombie entblt in seinen

    Handlungen das Instinktive, Animalische und Tierische, was uns einst die

    Sozialisation ausgetrieben hat. Die Figur des Zombie stellt das Assoziale provokant

    zur Schau. Die in mhevoller Verhandlungsarbeit moralischen und normativen

    Errungenschaften unserer Gesellschaft stellt der Zombie durch sein triebhaftes

    Gehabe zur Disposition. Er irritiert und lsst uns schaudern, weil er mehrere Regeln

    unserer Realitt bricht und dabei mit Tabus und Grenzbereichen unserer Kultur

    spielt. Er weckt dabeiweit mehr ngste als nur die der Xenophobie oder die reine

    8 Rumbke: Der moderne Zombie, S.34.9 Rumbke: Der moderne Zombie, S.34.

    Die ultimative Bedrohung

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    Bedrohung durch Gewalt. 10 DerZombie ist das Fleischwerden des Verstoes11, der

    Anti-Norm. Wir knnen somit die Brcke zu einer anderen Sozialfigur schlagen, die

    eine hnliche Ablehnung erfhrt: der Bettler, der Sklave und der Ausstzige.

    Zombies function as a lumpenproletariatof shifting significance, walking symbols of

    any oppressed social group. This function is derived in part from their origins in the

    literature and cinema of the twentieth century, in which zombies are synonymous

    with oppression and slavery12 Durch ihre Andersartigkeit bedrohen diese

    Minderheiten den gesellschaftlichen Konsens und sozialen Frieden. Der Zombie

    bedroht die zivilisierte Welt um ein vielfaches mehr, da er vornehmlich in

    Zombiehorden auftritt. Der Zombie befindet sich immer in der berzahl, die eine

    kleine Gruppe von Brgern verspeisen mchte. Ich mchte zusammenfassen: Der

    Zombie bedroht durch seinen Auftritt in einer groen Zombieherde, durch sein

    Erscheinungsbild, welches die Unantastbarkeit unseres Krpers in Frage stellt und

    sein animalisches Verhalten, welches vornehmlich durch seinen Hunger gesteuert

    wird, das Individuum, die Gesellschaft und das sowohl moralisch, psychisch als auch

    krperlich.

    3. Das Zombiehafte der Popkultur

    Der folgende Teil, soll einen Spiegelung der

    Zombieattribute zur Charakterkonstitution der

    Popkultur leisten. Die im ersten Teil erluterten

    Merkmale werden anhand von Zitaten, die vom

    weiten popkulturellen Paradigmenmarkt heraus

    gefiltert wurden, belegt. Der Fokus liegt hierbei

    auf popkulturellen Beschaffenheitskomplexen wieMasse, Unterhaltung, Verzauberung und

    Tabubruch. Die poptheoretische Revue von Prof.

    Thomas Dllo Normalisierung und

    Wiederverzauberung und der Text'Die wollen ja

    nur spielen' - Pop als transversales Programmvon Sven Opitz und Felix Bayer

    bilden hierbei die Hauptreferenzen.

    10 Rumbke: Der moderne Zombie, S.34.11 vgl. Pabst: Monster als die genrekonstituierende Gre im Horrorfilm, S.3.12 Cohen: Monster Theory, S.19.

    Der Zombie der Popkultur

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    3.1 Recycling

    Popkultur ist nicht Folklore. Popkultur ist nicht Alltagskultur. Popkultur ist nicht die

    Verkehrung von Hochkultur. Popkultur ist nicht einmal Pop. Was ist dann Popkultur?

    Trotz des Studiums unzhliger ambivalenter Erklrungsversuche, vermag ich nicht

    diese Frage zu beantworten. Stellt die Beantwortung dieser Frage, aber die

    Vorraussetzung fr das Finden einer Selbstbeschreibungsformel dar, mchte ich

    einen anderen Zugang whlen. Ich mchte versuchen, mich dieser Frage, ber die

    Aufgabenbeschreibung der Popkultur, anzunhern. Befragen wir Thomas Dllo,

    einem renommierten Poptheoretiker der Postmoderne, stellen wir fest:

    Vertrautmachen mit der Modernisierung ist eine der zentralen Funktionen der

    Popular culture.13. Vorraussetzung hierfr ist ihre Anschlussfhigkeit durch

    Anknpfungspunkte fr die breite Masse der Individuen. Diese Anknpfungs-

    mglichkeiten werden durch den omniprsenten Alltagsbezug der Popkultur zum

    Alltag generiert. Pop ist immer Weltflle in der Gegenstndlichkeit und sagt ja zur

    Welt der Erscheinungen, des Alltags, des Banalen. 14 Diese Alltagsbanalitten wei

    die Popkultur aus ihrem Kontext zu lsen und in neuen Sinngefgen zu

    synthetisieren. Dick Hebdige belegt diese These: Damit deutet sich eine lose

    Mechanik der Rekursivitt an. (...) Auf der einen Seite funktioniert die popkulturelle

    Bedeutungspraxis- durchaus im Sinne von Dick Hebdiges Auslegung des Konzepts

    der signifying practice15 - als eine Kombinations- und Rekombinationspraxis.

    Sptestens seit 1982 hat Pop zu diesem Zweck seine eigene Historizitt entdeckt

    aus deren Fundus Pop sich bedient, um seine differenzielle Ordnung im Vollzug

    kreativer Iterationen bestndig zu reartikulieren.16 Mit diesem Wissen kehren wir

    nun zum fragmentalen Zombie zurck, der zwischen den Welten oszilliert. Wie der

    Zombie, formt die Popkultur Fragmente, Ausschnitte und Versatzstcke, die sie frechaus dem Fundus unseres kollektiven (Kultur)-Gedchtnisses 17 geplndert hat in

    ihrem Labor der Moderne zu neuen Zeichenwelten komponiert. Der kollektive

    Zeichenkrper der Popkultur besteht, wie das Fleischgewand des Zombies, aus

    13 Dllo: Normalisierung und Wiederverzauberung, S.219.14 Dllo: Normalisierung und Wiederverzauberung, S.229.15 Hebdige: Subculture-The meaning of style, S.117-127, zit. in: Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur

    spielen', S.287.16 Diederichsen: Pop - deskriptiv, normativ, emphatisch, S. 40-44, zit. in Opitz/ Bayer: 'Die wollen janur spielen', S.290.17 Dllo: Normalisierung und Wiederverzauberung, S.229.

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    einem Patchwork von Zitaten gegenwrtiger, vergangener und zuknftiger kultureller

    Praxen bzw. eigener aber auch fremder organischer Materie. Die popkulturelle

    Bricolage leistet gegenber der Zombie-Bricolage eine Sinnverschiebung. Durch die

    Neukontextualisierung der Fragmente im popkulturellen Flickenteppich erfahren

    diese eine neue Bedeutung und schaffen kulturelle Neuheitswerte. Das Zombie-

    Recycling hingegen arbeitet mit der Spannung zwischen Wiedererkennung und

    Fremdheitserfahrung der neuen Krperkonstitution. Ich fasse zusammen: Sowohl der

    Zombie, als auch die Popkultur hacken sich in Bedeutungsgefge. Das verweist

    auf ein weiteres Charakteristikum von Pop, nmlich das der berdeterminiertheit.

    Sollte es die Popkultur tatschlich geben, so ist sie ein riesiges Verweissystem, das

    sich seiner endgltigen Festlegung immer entzieht. Pop stellt die Polysemie und

    Iterierbarkeit eines jeden Zeichens in permanenten bersetzungsprozessen aus,

    Signifikation erscheint auf diese Weise immer schon als Re-Signifikation. Pop

    realisiert somit das Prinzip eines auf Dauer gestellten Recyclings seine Formel lautet

    ,,Remake/Re-model". Einerseits ist Pop deshalb ein Destabilisator und

    Beschleuniger, insofern uert dynamische Prozesse der Umschreibung und Re-

    Interpretation von Zeichenmaterial ablaufen.18Der Zombie recycelt ebenfalls, indem

    er den Common Sense zur Rezeption des Krpers in Frage stellt und neu codiert.

    3.2 Verzauberung

    Wie in 3.1 beschrieben besteht die Leistung der Popkultur im Vertrautmachen der

    Modernisierung durch Recycling. Die recycelten Materialitten verzaubern uns, da

    sie durch ihre Unbestimmheit und Diffusitt, fantasmatische Potentiale in uns

    freisetzen. Der folgende Abschnitt beschreibt aus welchen Quellen sich die

    popkulturelle und die Horror-Verzauberung speist. Weiter sollen mgliche Parallelenbeider Forschungsobjekte aufgezeigt werden, um die These der Arbeit auch durch

    diesen Punkt zu krftigen. Die popkulturelle Verzauberung entsteht durch

    1. die oben beschworenen Diffusitt von Pop-Materialitten

    2. die Naivitt und berzeichnungs-Praktiken der Popkultur

    3. die Inszenierung von Normalitt

    Die Verzauberung durch den Zombie geschieht durch

    1. die Faszination am diffusen Freak

    18 Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur spielen', S.290

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    2. die diffuse Bedrohung

    3. die Alter-Ego-Funktion des Zombies

    Wie unschwer zu erkennen ist, korrelieren Verzauberung und Diffusitt in noch

    unbestimmten Dimensionen. Die Naivitt und berzeichnungstaktik der Popkultur

    findet in der Zombie-Verzauberung kein gegenber, genauso wenig wie die

    Inszenierung von Normalitt. Der Zombie ist hchstens als berzeichnetes und

    inszeniertes Grauen zu werten, welches ein Maximum an Ekel, Entsetzten und

    Bedrohung evozieren soll.

    Wenden wir uns also der Verzauberungsleistung durch die Fuzzyness zu, da sie als

    Charakterschnittstelle des Zombies und der Popkultur zu werten ist. Der identifizierte

    Recycling-Prozess, der durch Rekombinationen von vorhandenen zu neuen

    Sinngefgen, besteht, konstituiert eine Art von Fuzzyness der Pop-Produkte. Die

    verschmolzenen Pop-Materialitten erffnen eine Assoziationsraum, in welchem

    sich die Gesellschaft sich als Ganzes sinnlich wahrnehmbar zeigt, wahrnimmt, und

    ohne all ihr Leid vergessen zu mssen sich trotz allem, irgendwie, ganz diffus

    bejaht.19 Diffuses entsteht durch das polybride Wesen der Dinge, die es unmglich

    machen, diese zu verorten. Die Schwebesituation des Pop verzaubert uns.

    Betrachten wir nun den Zombie, der ebenfalls aus verschiedensten Stoffen

    komponiert ist und somit gleichermaen zum Diffusittsgenerator wird, knnen wir

    hier eine Analogie in der Verzauberungsleistung entdecken: Sowohl der Zombie, als

    auch die Popkultur generieren, durch ihre fragmentierten Beschaffenheit, Fuzzyness,

    die uns verzaubert. Das Charakterkonzept des Zombie enthlt weitere diffuse

    Bestandteile: Das Bedrohlichkeitsempfinden welches sich im Zombiebetrachter

    entwickelt, ist auch diffus, da es sich aus vielen Schreckenskomponenten

    zusammensetzt. Hier wren die hinkenden Gang, das bedrohliche Fletschen der

    Zhne, die krnkliche, von Wunden durchsetzte Haut sowie die drohenden Laute, dieder Zombie von sich gibt, zu nennen. Die Verzauberung, die der Zombie verursacht

    generiert sich also einerseits durch seine freakische Krperkomposition, andererseits

    durch das undefinierbare Bedrohlich-keitsgefhl. Die popkulturelle Verzauberung

    speist sich aus der Fuzzyness der Pop-Produkte. Eine Verzauberung durch ein

    Schreckensmoment besteht in der Popkultur nicht. Sie arbeitet neben der

    Verzauberung durch Pop-Materialiten, mit der naiven Reflektion des Alltags und

    19 Goetz, Rainald: Love Parade 97, S.13, zit. in: Dllo: Normalisierung und Wiederverzauberung,S.205.

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    dessen Inszenierung: Die Naivitt und berzeichnung, die der popular culture oft

    vorgeworfen werden, entsprechen gem der hier vorgeschlagenen

    Argumentationsfigur genau jener Wiederherstellbarkeit der Unklarheit der Welt.20

    Die popkulturellen Produkte werden anschlieend durch popkulturellen Technologien

    in Form von gemeinschaftlichen Konsum von Events zur verzaubernden Entfaltung

    gebracht: Populre Vergngen beruhen in der Regel auf den gemeinsamen sozialen

    Verbindungen, die the people eingehen. Sie existieren nur in spezifischen,

    rumlich-zeitlich bestimmten sozialen Kontexten, Momenten und Praktiken.21 Der

    Zombie reflektiert in seinem Wesen keinesfalls soziale Verbindungen oder

    Vergngen. Sein Wesen ist allein auf die Verzauberung durch den Horror und eine

    kritische Reflektion der Realitt angelegt. Eine andere Art von Vergngen kann uns

    der Zombie trotzdem bereiten: The monster can function as an alter ego, as an

    alluring projection of an other self.22. Diese These ist Dreh- und Angelpunkt des

    letzten Abschnitts, denn sowohl die Popkultur fungiert als eine Art Spielwiese der

    Persnlichkeit, als auch der Zombie der uns ein Angebot einer neuen

    Selbstwahrnehmung unterbreitet. The monstorous offers an escape from ist

    hermetic path, an invitation to explore new spirals, new and interconnected methods

    of perceiving the world23

    3.3 Utopie und Kritik

    Die Figur des Zombie holt alles auf den Plan was wir mit Mhe abwenden wollen.

    Der Zombie thematisiert in dramatischer Weise kritische Schwachstellen des so

    selbstbewussten und von allen Zwngen emanzipierten Individuums der Moderne.

    The zombie became an expression of the fear of slavery, and the loss of identity and

    self-volition that comes with it.24 Der Zombie wird zur Projektionsflche von

    gesellschaftlichen und individuellen ngsten. Verlust der Identitt und freien

    Selbstbestimmung, das Abhandenkommen des Intellekts, das Fehlen jeglicher

    sthetik in Bewegung, Form und Geist, Sprachverlust, kurzum: die Degradierung des

    Menschen auf seinen animalischen, instinktgesteuerten Kern.

    20 Dllo: Normalisierung und Wiederverzauberung, S.229.21 Handbuch der Popkultur, S.59.22 Cohen: Monster Theory, S.17.23 Cohen: Monster Theory, S.7.24 Cohen: Monster Theory, S.15.

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    Der Zombie begeht einen Tabubruch indem er genau das auf den Plan ruft, was als

    unsittlich und unmoralisch gilt. The monster is continually linked to forbidden

    practices in order to normalize and to enforce.25Der Zombie treibt eine

    Schreckensutopie voran, mit der er in seiner ganzen Krperlichkeit einsteht und

    durch seine Aktivitten die hauptschlich aus dem Fressen von Nicht-Zombies

    besteht, verwirklichen will. Der Zombie avanciert zu einer Art Reformer. Die Reform

    des Zombie besteht nicht um ihrer selbst willen, oder den Voyeurismus zu

    befriedigen. Eine implizite soziale Kritik schwingt subtil mit jedem Biss des Zombies

    mit. Das Versprechen auf das schreckliche Morgen muss unter allen Umstnden

    vermieden werden. Der Zombie bietet allerdings keine Lsung des Problems. Seine

    Aufgabe besteht lediglich darin, die Missstnde durch seine Existenz aufzuzeigen.

    Kehren wir nun zu unserem Forschungsfeld, der Popkultur zurck, so entdecken wir,

    dass sie hnliche Utopien zu zeichnen vermag und durch ihre Dynamik, produktive,

    nicht nur plakative Sozialkritik ben kann. Pop verspricht und ermglicht offenere

    Arten des sozialen Seins.26 Fungiert der Tabubruch beim Zombie nur als

    Schockmethode, so setzt der Tabubruch in der Popkultur Innovationspotentiale frei.

    Der popkulturelle Tabubruch, schafft eine Avantgarde, welche die gesellschaftlichen

    Grenzen neu zu stecken wei. Eine anderes Stilmittel, welches sowohl der Zombie,

    als auch die Popkultur fr sich zu nutzen wissen, ist die Serialitt. Der Zombie tritt

    stets im Kollektiv auf, in der Masse, in welcher er seine Identitt einbt. Die

    Leerstelle seines Geistes sitzt in einer Fleischuniform die allen Zombies zu eigen ist.

    Die Serialitt, welche die Zombiemassen auszeichnet ist eindeutig negativ konnotiert.

    Anders steht es um die Serialitt der Popkultur. Sie ist fr die Popkultur ein

    unentbehrliches Mittel zur Verbreitung der Popbotschaft auf globaler Ebene. Pop-

    Produkte und Popkonsum mssen in der Masse, im groen Mastab und allen

    zugnglich sein, um dem Universalittsanspruch der Popkultur gerecht zu werden.

    Die Serialitt der Popkultur schafft ein globales Gemeinschaftsgefhl, wodurch sich

    die Gesellschaft als Ganzes sinnlich wahrnehmbar zeigt, wahrnimmt, und ohne all

    ihr Leid vergessen zu mssen sich trotz allem, irgendwie, ganz diffus bejaht.27

    25 Cohen: Monster Theory, S.16.26 Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur spielen', S.296.27 Goetz: Love Parade 97, S.19, zit. in Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur spielen', S.205.

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    4. Popkulturelle Zombies und Zombie-Pop

    In der nun folgenden Schlussbetrachtung sollen die Erkenntnisse der

    Analogiebildung und Parallelenfindung zwischen dem Zombie und der Popkultur

    zusammengefasst und ausgewertet werden.

    Ich habe im ersten Teil der Arbeit die drei elementaren Wesenzge des Zombies

    oszillierend, fragmental und bedrohlich herausgestellt. Dieser Part sollte dazu

    dienen, ein Verstndnis fr die Tiefenkonzeption der Zombiefigur zu entwickeln, um

    dem Attributstransfer des zweiten Teil der Arbeit folgen zu knnen. In diesem wurden

    drei Schwerpunkten Recycling, Verzauberung und Utopie und Kritik, die den

    Zombie und die Popkultur verbinden, vergleichend zusammengefhrt.

    Zusammenfassend kann ich feststellen, dass Pop gesellschaftsweit fluktuierende

    Programme ohne Code formuliert und aufdiese Weise programmatische Alternativen

    vorlegt. Anders gesagt, besteht dasSpiel von Pop darin, jene Kriterien, welche die

    Zuordnung der jeweiligen Codewertesowie die Inklusionsroutinen regeln,

    umzuformulieren. 28 Der Zombie schlgt in die gleich Kerbe, indem er uns mit einem

    alternativen Lebensentwurf konfrontiert und bestehende Krpersemantiken

    transformiert um das Individuum zur Reflektion zu bewegen.

    Hier besteht auch wohl der wichtigste Unterschied zwischen dem Zombie und der

    Popkultur: Der Zombie ist eine Intervention auf Mirkoebene. Die Popkultur hingegen

    setzt mit ihren Interventionen auf der Makroebene, also gesamtgesellschaftlich an

    indem sie sich als Parasit der existierenden Codes konstituiert.29 Pop erschafft

    situative Programme ist deswegen immer up-to-date. Der bestehende Code aus

    Zeichen und Symbolen wird jedes Mal neu komponiert und reinterpretiert. Pop kann

    inkrementelle Vernderungen am Code selbst vornehmen bzw. neue Zeichen

    hinzufgen. Das Zeichensystem bleibt aber trotzdem bestehen und wird nievollstndig ersetzt. Auch der Zombie arbeitet mit dem Zeichencode, vor allem den

    menschlichen Krper betreffend. bernatrliche Krfte formen die Krpersymbolik

    zur negativ konnotierten, abartigen Groteske. Der Zombie verndert also den Code

    und erschafft keine neuen Programme fr den Code. Er greift in die Tiefendimension

    unserer Zeichenwelt ein. Die Popkultur instrumentalisiert hingegen die bestehende

    Zeichenwelt fr ihre popkulturellen Programme. Ich habe die Popkultur anhand einer

    28 Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur spielen', S.285.29 vgl. Opitz/ Bayer: 'Die wollen ja nur spielen', S.295.

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    Analogiebildung zur Zombiefigur charakterisiert. Hierbei habe ich allerdings nur

    exemplarisch drei Merkmale beschrieben. Eine Anschlussmglichkeit fr weitere

    Analysen und eine ganzheitliche Darstellung des popkulturellen Theorems, bieten

    weitere Stereotypen, Helden und Figuren aus Mrchen, Mythen und dem

    Horrorgenre.

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    5. Quellenverzeichnis

    Literatur

    Behrens, Rudolf / Galle, Roland (1995): Menschengestalten, zur Kodierung desKreatrlichen im modernen Roman. Wrzburg : Knigshausen & Neumann

    Carroll, Nol (1990): The philosophy of horror or paradoxes of the heart. New York:Routledge

    Cohen, Jeffrey Jerome (1996): Monster Theory. Minneapolis, Minn: University ofMinnesota Press

    Dllo, Thomas (1998): Normalisierung und Wiederverzauberung. Antworten der

    popular culture auf den Prozess der Modernisierung. In: Dllo, T./Berthold, C. (Hg.):Einfhrung in die Kulturwissenschaft. S. 204- 259

    Hagner, Michael (1995): Der Falsche Krper: Monstrositten haben eine Geschichte.Gttingen: Wallenstein

    Helmstetter, Rudolf (2007): Der Geschmack der Gesellschaft. Die Massenmedien alsApriori des Populren. In: Das Populre der Gesellschaft. Systemtheorie undPopulrkultur. S. 44- 72

    Huck, Christian / Zorn, Carsten (Hrsg.) (2007): Systemtheorie und Populrkultur.

    Wiesbaden: VS Verlag fr Sozialwissenschaften

    Opitz, Sven/ Bayer, Felix: 'Die wollen ja nur spielen' - Pop als transversalesProgramm. In: Das Populre der Gesellschaft. Systemtheorie und Populrkultur. S.284-304

    Pabst, Eckhard (1995) : Monster als die genrekonstituierende Gre im Horrorfilm.In: Wimmer, Heinrich / Stresau Norbert: Enzyklopdie des phantastischen Films.

    Peschken, Martin (2007): sthetik der Leere, Dessau: IBA-Bro GbR (Eigenverlag)

    Rumbke, Leif (2002): Der moderne Zombie. Kln

    Stheli, Urs (2007): Bestimmungen des Populren. In: Das Populre derGesellschaft. Systemtheorie und Populrkultur. S. 306- 321

    Internetquellen:

    http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,368223,00.html (am 10.07.2009, 19h)http://www.caligari-online.de/ (am 06.06.2009 um 15h)

    6. Abbildungsverzeichnis

    Deckblatt: www.nerdcore.de

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    Bild 1: www.lostzombies.com

    Bild 2: www.neuronarrative.wordpress.com

    Bild 3: www.my.opera.comBild 4: www.geek.thinkunique.org