1
Zeitschrift fiir angewandte Chemie ~ 44. Jahrgang, S. 269-284 Inhzverszhnis:&ehe iseigenteil S. 2%- I ~ 11. April 1931, Nr. 15 Zu Karl Seuberts 80. Geburtstag am 6. April 1931. Ein Gelehrter, der das ehrfurchtgebtietende Alter \-on 80 Jahren erreicht hat, ist gewifi erhaben Wer Fra- gen auDerer Anerkennung. Aber er wind es sich in Giite gefallen hssen, wenn wir ihn bitten, ihm unsere Gliick- wumche auch in der BIbentliohkeit darbieten zu diirfen, denn die Jugend hat d n Recht darauf, 'm erfahren, wem unter den Lebenden sie zu besonderer Danhbrkeit ver- pflichtet ist, rund das reifere Alter .die Pflicht, dliese Kenntnis zu vermitteln. Drei Themata sind es, die zwar nicht abzulhandeln, aber namhaft zu machen, hier der Plab and heute der wiirdigste Tag ist: Karl S e u b e r t als akademi- scher Lehrer, als Organisator und als Forscher. Wenn wir Seu)bert als aka- demischen Lehrer nennen, so werden wir gmiG seine alltbe- kannten literarischen Leistun- gen zu zitieren haben; aber wenn wir dem nachzugehen ver- suchen, was seiner Persiinlichkeit im Verkehr mit seinen Schiilern ein so ganz eigeltartiges Ge- prage gab, so weFden wir der Tradition zu gedenken haiben, die ihm der akademische Beruf seines Vaters bot, des Erbteiles an Pflichttreue and Giite, ihin iibenkmmen von den Vorfiahren aus dem Berufe der Shtsbeam- ten und Geistlichen, seines siid- deutschen Geschlechtes, dessen reines Mensohentum und edle Herelichkeit den Stammesgenos- sen aus dem Norden unseres Vaterlandes zu immer wieder erneuter Begliickung umfangt, anld seiner Forscherart, der makelloseste Arlbeit als oberstes Ge- setz gilt. So wurde er, der, unbeweibt, ein Jagers- mann unld Hagestalz, draufien der Freade in der freien Niatur nachging, daheim im Laboratorium der ,,Vater Seubert", der Jugend opferfredigster und gii- tigster Lehrer, und ,,viele sind lbei uns, die seine GroD- mut und seiner Sitten Freunatliohkeit erfahren". - 44 J'ahre ~wurtde Seubert alt, bis sich ihm, dem An- organiker, ein sekbstiindiger Wirkungskreis bot, und zwar ,,nur" an einer technischen Hochsohule; aber was er an ideellen und sachlichen organisatorischen Werten beim Ausscheiden a,us seinem Amte vor zehn Jahren hinterliea, findet an Universitiiten einstweden nichts dqurivalentes. Denn mit seiner Amtsubernahme 1895 erfogte in Hannover die Trennung der akademischen Wahrnebmung von Mineralchemie und Biochemie, oder, wie man wohl mgt, anorgankcher ud organisoher Che- Angcw. Chemie 1931, Nr. 15 mie, eiae Trennung, zu der die Entwiickhung unserer Wissenwhaft seit Jahrzehnten so gebieterisah drangt, dai3 man den veranbwortlichen Stellen nur muruben kann: ,,veDsagen kannst du's nicht, gewahr' 8s b a l d !" Den a d e r e n Ausdruck fand diese Organisation in dem we- nige Jahre vor dem Kriege eraffneten und im l e t z h Jahre durch den Neubau des physikalisoh-chemischen Lahratoriurns vervollhonmneten Institute, zu dessen Errichtung in seinem Bereiche beigetragen au haben, Seuberts hleibendes Verdienst ist; dieses Institut stellt die Losung der tech- nischen Seite der Fnage dar, wie die Einheit unserer Wissenschaft bei Gleichberechtigung ihrer Teile gewahrt werden kann. -. Dazumal, als sich Seubert in seiner Jugend der Chemie zmu- wenden gedachte, hielt man eine Riiokversicherung fur notig und wahlte eine solche im Stu- dium der Pharmazie. Pharma- zeutische Aufgaben waren es denn auch, die ihm Anregung zu einer Reihe von selbstiindi- gen Unter8uchungen gaben. Aber die stiirkste Anregung zu sei- nem wissenschdtlichen Lebena- werke ging nus vom periodi- schen System der Elemente. Heutzutage ist das trivial; aber 1878, als die Dissertation ,,iiber das Atomgewicht des Iridiums" entstand, unld 1881, als er sich auf GTund einer Arbeit ,,uber da3 Atomgewicht des Platins" in Tiibingen habilitierte, lagen diese Themata ganx abseits vom Zuge der Zeit, und sie blieben es viele Jahre hindurch. Als sich um daie Jahrhundert- wende die breite Off entlichkeit den Atomgewichtsfragen mehr zwweniden begann, war Seubert der sachverstan- digste Experimentator und benufenste Ratgeber. Seutbert hat immer den bestimmenden Eiuflui3 betont, den diese seine Forschungsrichtung dem Ingenium seines Meisters, L o t h a r Me y e r , verdankt. AQer wer ,bei allen ge- gabenen Anlassen so warmhenig und dankbar fiir die Verdienste seines Lehrers eintrat, darf, nun selbst h c h - bet@, bei aller Schlichtheit und Bescbeidenhdt seines Wesens den Zoll der Dankhrkeit nicht verschmiihen, den ihm jebt die jungere Generation darbningt tfir die experimlentelle Festigung des System6 der Elemente, Wr seine Mitarbeit bei der S c h a m einer mlustergiiltigen wissenschaftliohen Arbeitsstatte und fur die unendliche Liebe, mit der er die ihcm anvertraute akademische Jugend farderte. Wilhelrn Billz. [A. 41.1 15

Zu Karl Seuberts 80. Geburtstag

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zu Karl Seuberts 80. Geburtstag

Zeitschrift fiir angewandte Chemie ~

44. Jahrgang, S. 269-284 Inhzverszhnis:&ehe iseigenteil S. 2%- I ~ 11. April 1931, Nr. 15

Zu Karl Seuberts 80. Geburtstag am 6. April 1931.

Ein Gelehrter, der das ehrfurchtgebtietende Alter \-on 80 Jahren erreicht hat, ist gewifi erhaben Wer Fra- gen auDerer Anerkennung. Aber er wind es sich in Giite gefallen hssen, wenn wir ihn bitten, ihm unsere Gliick- wumche auch in der BIbentliohkeit darbieten zu diirfen, denn die Jugend hat d n Recht darauf, 'm erfahren, wem unter den Lebenden sie zu besonderer Danhbrkeit ver- pflichtet ist, rund das reifere Alter .die Pflicht, dliese Kenntnis zu vermitteln. Drei Themata sind es, die zwar nicht abzulhandeln, aber namhaft zu machen, hier der Plab and heute der wiirdigste Tag ist: Karl S e u b e r t als akademi- scher Lehrer, als Organisator und als Forscher.

Wenn wir Seu)bert als aka- demischen Lehrer nennen, so werden wir gmiG seine alltbe- kannten literarischen Leistun- gen zu zitieren haben; aber wenn wir dem nachzugehen ver- suchen, was seiner Persiinlichkeit im Verkehr mit seinen Schiilern ein so ganz eigeltartiges Ge- prage gab, so weFden wir der Tradition zu gedenken haiben, die ihm der akademische Beruf seines Vaters bot, des Erbteiles an Pflichttreue and Giite, ihin iibenkmmen von den Vorfiahren aus dem Berufe der Shtsbeam- ten und Geistlichen, seines siid- deutschen Geschlechtes, dessen reines Mensohentum und edle Herelichkeit den Stammesgenos- sen aus dem Norden unseres Vaterlandes zu immer wieder erneuter Begliickung umfangt, anld seiner Forscherart, der makelloseste Arlbeit als oberstes Ge- setz gilt. So wurde er, der, unbeweibt, ein Jagers- mann unld Hagestalz, draufien der Freade in der freien Niatur nachging, daheim im Laboratorium der ,,Vater Seubert", der Jugend opferfredigster und gii- tigster Lehrer, und ,,viele sind lbei uns, die seine GroD- mut und seiner Sitten Freunatliohkeit erfahren". -

44 J'ahre ~wurtde Seubert alt, bis sich ihm, dem An- organiker, ein sekbstiindiger Wirkungskreis bot, und zwar ,,nur" an einer technischen Hochsohule; aber was er an ideellen und sachlichen organisatorischen Werten beim Ausscheiden a,us seinem Amte vor zehn Jahren hinterliea, findet an Universitiiten einstweden nichts dqurivalentes. Denn mit seiner Amtsubernahme 1895 erfogte in Hannover die Trennung der akademischen Wahrnebmung von Mineralchemie und Biochemie, oder, wie man wohl mgt, anorgankcher u d organisoher Che-

Angcw. Chemie 1931, Nr. 15

mie, eiae Trennung, zu der die Entwiickhung unserer Wissenwhaft seit Jahrzehnten so gebieterisah drangt, dai3 man den veranbwortlichen Stellen nur muruben kann: ,,veDsagen kannst du's nicht, gewahr' 8 s b a l d !" Den a d e r e n Ausdruck fand diese Organisation in dem we- nige Jahre vor dem Kriege eraffneten und im l e t z h Jahre durch den Neubau des physikalisoh-chemischen Lahratoriurns vervollhonmneten Institute, zu dessen

Errichtung in seinem Bereiche beigetragen au haben, Seuberts hleibendes Verdienst ist; dieses Institut stellt die Losung der tech- nischen Seite der Fnage dar, wie die Einheit unserer Wissenschaft bei Gleichberechtigung ihrer Teile gewahrt werden kann. -.

Dazumal, als sich Seubert in seiner Jugend der Chemie zmu- wenden gedachte, hielt man eine Riiokversicherung fur notig und wahlte eine solche im Stu- dium der Pharmazie. Pharma- zeutische Aufgaben waren es denn auch, die ihm Anregung zu einer Reihe von selbstiindi- gen Unter8uchungen gaben. Aber die stiirkste Anregung z u sei- nem wissenschdtlichen Lebena- werke ging nus vom periodi- schen System der Elemente. Heutzutage ist das trivial; aber 1878, als die Dissertation ,,iiber das Atomgewicht des Iridiums" entstand, unld 1881, als er sich auf GTund einer Arbeit ,,uber da3 Atomgewicht des Platins"

i n Tiibingen habilitierte, lagen diese Themata ganx abseits vom Zuge der Zeit, und sie blieben es viele Jahre hindurch. Als sich um daie Jahrhundert- wende die breite Off entlichkeit den Atomgewichtsfragen mehr zwweniden begann, war Seubert der sachverstan- digste Experimentator und benufenste Ratgeber. Seutbert hat immer den bestimmenden Eiuflui3 betont, den diese seine Forschungsrichtung dem Ingenium seines Meisters, L o t h a r M e y e r , verdankt. AQer wer ,bei allen ge- gabenen Anlassen so warmhenig und dankbar fiir die Verdienste seines Lehrers eintrat, darf, nun selbst h c h - bet@, bei aller Schlichtheit und Bescbeidenhdt seines Wesens den Zoll der Dankhrkeit nicht verschmiihen, den ihm jebt die jungere Generation darbningt tfir die experimlentelle Festigung des System6 der Elemente, Wr seine Mitarbeit bei der S c h a m einer mlustergiiltigen wissenschaftliohen Arbeitsstatte und fur die unendliche Liebe, mit der er die ihcm anvertraute akademische Jugend farderte. Wilhelrn Billz . [A. 41.1

15