5
62 1~. STeErs: 8. Zugrunde gehendes kiirpereigenes Eiwei8 und seriise Entziindung. Von R. STIEVE-Ber]in. Mit 3 Textabbildungen. Die Bedeutung des gesch~digten und zugrunde gehenden k~irper- eigenen Eiweil~es hat Herr Prof. GOHaBANDT weitgehend gewfirdigt. Er hat ausgeffihrt, da~ aus Eiweii~kSrpern, die unphysiologiseh abgebaut werden, Stoffe entstehen kSnnen, die im KSrper a]s Gifte wirken. I)iese Gifte hat er zusammen mit HABELMA~N als Noxine bezeiehnet. Da wir an unserer Klinik dem autonomen Nervensystem stets besondere Be- achtung geschenkt haben, lag der Gedanke nahe, zu prfifen, ob und wie welt diese Noxiae einen Einflul~ auf die Ganglienzellen des autonomen Nervensystems haben. Diese Frage prfiften wit an einer sehr grol~en Versuchsreihe an Hunden. ~ber einen Tell der dabei erhobenen Befunde mSchte ich Ihnen kurz zusammenfassend berichten. Um den EinfluI~ der l~oxine abgrenzen zu kSnnen~ mu~ten wit das Verhalten der Ganglienzellen des Vagus und des Sympathieus bei ver- schiedenen Narkosearten und Bedingungen beobachten. Wit konnten dabei feststellen, da~ jede Axt einer I~arkose cteutliche Formver~nde- rungen an den Ganglienzellen des autonomen Nervensystems hervorruft. Je nach Art der Narkose treten sie teils am Vagus, tei]s am Sympathicus deutlicher auf. Die Erscheinungen werden ausgepr~gter, je l~nger und tiefer eine Narkose einwirkt. Solange sieh die Narkose jedoch in den uns klinisch bekannten erlaubtea Grenzen halt, sind die Formver~nderungen an den Gang]ienzellen reversibel. Wir haben sie deshalb als Funktions- zust~nde bezeichnet. Erst wenn die Narkose zu tier wird oder zu ]ange andauert, werden einzelne Ganglienzellen deutlich geseh~digt. Sie kSnnen sich dann nicht mehr erholen. Es hande]t sich dann um irreversible Sch~den. Went1 man nun ein Versuchstier zuniichst narkotisier~ und dann eine Extremit~t fiir 4 Std abbindet, so stirbt die Extremit~t ab. Es bilden sich in dem abgestorbenen Glied durch Sauerstoffmangel Noxine. Nach 4 Std ist das Tier nahezu wach. C)ffnet man nun die Unter- bindung, so kommen die Noxine mit dem strSmenden Blut in den gesam- ten KSrper. Meist wird das Tier bewul3tlos. Zu diesem Zeitpunkt haben wir die einzelnen Ganglien des autonomen Nervensystems untersucht. Die erste Abbfldung zeigt einen Ausschnitt aus dem sympathischen Ganglion stellatum. Sie sehen in der Mitre der Abbildung auff~llend ldeine Ganglienzellen mit einem gut ausgebildeten Kern. Daneben sind jedoch kleine, undeutlich begrenzte Ganglienzellen mit randsti~ndigen verformten Kernen. Andere Ganglienzellen sind vSllig verwaschen, ihr Kern ist nicht mehr klar zu erkennen. I)er grSl~te Tell dieser Ganglien-

Zugrunde gehendes körpereigenes Eiweiß und seröse Entzündung

Embed Size (px)

Citation preview

62 1~. STeErs:

8. Z u g r u n d e gehendes k i i rpe re igenes E iwe i8 u n d seriise E n t z i i n d u n g .

Von R. STIEVE-Ber]in.

Mit 3 Textabbildungen.

Die Bedeutung des gesch~digten und zugrunde gehenden k~irper- eigenen Eiweil~es hat Herr Prof. GOHaBANDT weitgehend gewfirdigt. Er hat ausgeffihrt, da~ aus Eiweii~kSrpern, die unphysiologiseh abgebaut werden, Stoffe entstehen kSnnen, die im KSrper a]s Gifte wirken. I)iese Gifte hat er zusammen mit HABELMA~N als Noxine bezeiehnet. Da wir an unserer Klinik dem autonomen Nervensystem stets besondere Be- achtung geschenkt haben, lag der Gedanke nahe, zu prfifen, ob und wie welt diese Noxiae einen Einflul~ auf die Ganglienzellen des autonomen Nervensystems haben. Diese Frage prfiften wit an einer sehr grol~en Versuchsreihe an Hunden. ~ber einen Tell der dabei erhobenen Befunde mSchte ich Ihnen kurz zusammenfassend berichten.

Um den EinfluI~ der l~oxine abgrenzen zu kSnnen~ mu~ten wit das Verhalten der Ganglienzellen des Vagus und des Sympathieus bei ver- schiedenen Narkosearten und Bedingungen beobachten. Wit konnten dabei feststellen, da~ jede Axt einer I~arkose cteutliche Formver~nde- rungen an den Ganglienzellen des autonomen Nervensystems hervorruft. Je nach Art der Narkose treten sie teils am Vagus, tei]s am Sympathicus deutlicher auf. Die Erscheinungen werden ausgepr~gter, je l~nger und tiefer eine Narkose einwirkt. Solange sieh die Narkose jedoch in den uns klinisch bekannten erlaubtea Grenzen halt, sind die Formver~nderungen an den Gang]ienzellen reversibel. Wir haben sie deshalb als Funktions- zust~nde bezeichnet. Erst wenn die Narkose zu tier wird oder zu ]ange andauert, werden einzelne Ganglienzellen deutlich geseh~digt. Sie kSnnen sich dann nicht mehr erholen. Es hande]t sich dann um irreversible Sch~den. Went1 man nun ein Versuchstier zuniichst narkotisier~ und dann eine Extremit~t fiir 4 Std abbindet, so stirbt die Extremit~t ab. Es bilden sich in dem abgestorbenen Glied durch Sauerstoffmangel Noxine. Nach 4 Std ist das Tier nahezu wach. C)ffnet man nun die Unter- bindung, so kommen die Noxine mit dem strSmenden Blut in den gesam- ten KSrper. Meist wird das Tier bewul3tlos. Zu diesem Zeitpunkt haben wir die einzelnen Ganglien des autonomen Nervensystems untersucht.

Die erste Abbfldung zeigt einen Ausschnitt aus dem sympathischen Ganglion stellatum. Sie sehen in der Mitre der Abbildung auff~llend ldeine Ganglienzellen mit einem gut ausgebildeten Kern. Daneben sind jedoch kleine, undeutlich begrenzte Ganglienzellen mit randsti~ndigen verformten Kernen. Andere Ganglienzellen sind vSllig verwaschen, ihr Kern ist nicht mehr klar zu erkennen. I)er grSl~te Tell dieser Ganglien-

Zugrunde gehendes kSrpereigenes EiweiB und serSse Entztindung. 63

zellen ist bereits so deutlich geschiidig~, dal~ sie sieh wohl kaum mehr er- holen kSnnen. Wesentlich deutlicher kann man dies Verhal~en an den Ganglienzellen des Vagus erkennen.

Die zwei~e Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Ganglion nodosum des gleiehen ttundes.

Sie finden zungehst in der Mitre eine einigermaBen normale Ganglien- zelle. Sie is~ oval, der ZellkSrper ist mi~ Granula angeffill~. In ihrer Mitre liegt ein runder, praller Kern.

Abb. I. Ausschnitt aus dem Ganglion stellatum eines 2 Jahre alten g~mdes, dem in Evipan- narkose alas eine Bein fur ~ Std abgeb~nden wurde. Nach dieser Zeit war der gund nahezn

wach. Die U n t e r b i n d u a g wurde geldst. 10 rain spi~ter w a r der t{un4 bewul3tlos, Vergz-, e twa 400fach.

Man kann nun bei der Noxinvergiftung beobachten, dal3 bei einzelnen Ganglienzellen zun~chst an umschriebenen Stellen die Granula ver- schwinden. Spii%er entstehen dort zuers~ kleine, sp~%er gr5Bere Vacuolen. Der Kern dieser Zellen geht langsam zugrunde. Zmn Schlug bleibt nur eine groBe Vacuole mi~ einem schmalen Cytop/asmasaum fibrig. Auch nach der Meinung namhafter Pathologen und Neuropathologen, mit denen wir diese kistologischen Pr~paraCe durchgemustert haben, miissen wir diese Vaeuolen Ms Zeichen eines schweren Schadens auffassen. Diese Gang/ienzel]en kSrmen sich kaum mehr erhoien. Wenn man yon den rein 6r~lichen Sch/iden an der Extremitii~ absieh~, so sind die Vergnde- rungen an den Ganglienzellen die ersten Erscheinungen , die man er- kennen kann.

64 R. 8Ti~w:

In diesem Fall sind die Ganglienzellen des Sympathicus und vet allem des Vagus durch die Narkose nut ganz gering vergndert, dutch die Noxine aber sehwer geschgdigt.

Das autonome Nervensystem hag vor a]lem die Aufgabe, die Funktion und das Zusammenspid der einze]nea Organe zu steuern. Wir fragten uns deshalb, ob man unter dieser Bedingung aueh an einzelnen inneren Organen histologische Vergnderungen erkennen kSnnte. Da wir klinisch

Abb. 2. Ausschni t t arts dem Ganglion nodosum nervi vag'i des gleiohen Hundes wie Abb. 1. Vergr . e twa 400fach.

in diesen ~gllen die Leber als grSl~tes Stofiweehsel- und Entgiftungs- organ beaehten miissen, untersuchten wir auch die Leber. Dies ist auch deswegen besonders giinstig, da die Leber als IoarenchymatSses Organ sich schnell und deutlich in ihrem Feinbau gndern kann. Bei einer tiefen I~arkose kann man bereits geringe gergnderungen erkennen. Meist werden in kleineren Bezirken in der Nghe der Zentralvene die Lebergefgl~e weitergestellt, dadurch werden die einzelnen Leberbglkehen auseinandergedrgngt. Sobald nun bei der I~oxinvergiftung die Vaouolen in den parasympathischen Ganglienze]len auftreten, werden die einzdnen Leberbalken in der I~Ighe der Zentralvene sehr welt auseinandergedrgng~. Wenige Leberzellen werden aus ihrem Verbande gelSst. Die Zwisehen- rgume zwischen den einzelnen Balken fiillen sich mit Prg5dem. Slogger wandern noch rote und vereinzelte weil~e BlntkSrperchen in diese

Zugrunde gehendes kSrpereigenes Eiwei8 und serdse Entztindung. 65

Zmschenr~ume ein. Wir linden dann ein Bild, wie Sie es auf der drit ten Abbildung sehen k6nnen.

Es ist dies ein Verhalten, das man in i~hnlicher Weise bei der serSsen Entziindnng erkennen kann. Naeh der Meinung unserer Klinik beruhen diese Erseheinungen jedoeh auf einem anderen Entstehungsmeehanismus. Solange wie wir nur eine normale Narkose haben, werden zwar die Leber- bglkchen in der N/~he der Zen~rMvene auseinandergedr/~ngt, abet nnr,

, , , ~ i . ~ , . , . ~ . , ~ . , . . , ' , ~ ,

_ ~ . ~ , . , , ~ , ~ , , ~ - - ,

, ~ . , i ~ , ~, . .~ - , ~UF" ~ . " ~ 1 1 ~ ' ' ~ ~ . ~ r ~ ~ i , "

A b b , 3 . A u s s c l m i t t a u s d e r L e b e r i n d e r N ~ h e e~ner Z e n t r a l v e n e d e s H u n d e s , y o n d e m A b b . 1 u n d A b b . 2 s t a m m t . V e r g r . e t w a ~ 0 0 f a c h .

weil sich die Blutgef~ge s tark erweitern. Dieses Verhalten mSchten wir noch als Funktionszustand bezeichnen. Erst wenn man an den Ganglien- zellen des autonomen Nervensystems deu~liche Sch~den erkennen kann, t r i t t zwischen die Leberbalken und neben den Blutgef~tgen zuerst sin Pr~6dem auf, sparer wandern dann noch rote und wei~e BlutkSrperehen ein. Dadurch werden die einzelnen Leberbalkchen auseinandergedr~ngt und einzelne Leberzellen aus ihrem Verbande gel6st. Dies kann man auch daran erkennen, da8 der ]etzte Zustand bei einer Noxinvergiftung durch Gaben yon Ganglienblockern, Antihistaminen und B-Vitaminen, also Magnahmen, die die Wirkung der Noxine abschw~tchen k5nnen, nicht oder nicht so deutlieh anftritt .

Die Bearbei*ung dieses Problems s*ellte nns vor viele Fragen, die wir langst nicht Mle ansreichend bean~worten k6nnen. Ieh hoffe aber, Ihnen

Langenbecks Arch. u, Dtsch. Z. Chir., ]~d. 282 (Kongrel3bericht). 5

66 D~ETR~C~ ]~RANK~ :

gezeigt zu haben, dab man bei einer Noxinvergiftung zun/~chst deutliche Seh/~den an den Ganglienzellen des autonomen Nervensystems erkennen kann und dab man einen Zusammenhang zwischen dem geseh~digten autonomen Nervensystem und dem Verhalten der Leber ableiten kann. Dies kann uns eJnen Hinweis auf eine mSgliche Therapie geben.

Literatur. Go~g~A~DT, E.: Die Bedeutung des zugrunde gehenden k6rpereigenen EiweiBes

fiir die Chirurgie. Nach einem Vortrag vor der Dtsch. Ges. fiir Chirurgie, M~inchen 1955. Langenbecks Arch. u. Dtseh. Z. Chir. 282, 51 (1955). - - H A B E L ~ C I A I ' q l " ~ , G.: Noxine in Experiment und Klinik. Leipzig 1948. - - STIv.v~, P.: Zbl. Chit. 79, 1315, 1361 (1954); 80, 204 (1955). - - Langenbecks Arch. u. Dtsch. Z. Chit. 276, 79 (1943).

Vorsitzender: Danke sehr. Ieh bitte Herrn FI%ANKE.

9. Hypox[imie und Eiweii~e. Von

DIETRICH FRANKE-Berlin.

Der lebende Organismus ist auf eine dauernde, ausreichende S~uer- stoffzufuhr angewiesen, da die Lebenserhaltung an den Stoffwechsel ge- bunden und dieser nur bei Anwesenheit yon O~ mSg]ich ist. Sauerstoff- mange]zustgnde mfissen je nueh Schnel]igkeit und St/~rke ihres Auf- tretens ffir den Stoffwechsel der Zelle schwere Folgen nach sich ziehen.

WKhrend vollkommener Sauerstoffentzug bekanntlich in kurzer Zeit am Gehirn, am I-Ierzen, an der Leber und dem Riickenmark zu irrever- siblen Schgden ifihrt, entstehen bei hypoxs Zust~inden Ver/~nde- rungen - - die zum Teil reversibel sind - - , die aber in ihrer Wirkung auf den Gesamtorganismus verheerend sein kSnnen. Es kommt in dem Ge- webe, das unter Sauerstoffnot steht, zu einer StSrung des Zellstoff- wechsels ; der Abbau der Kohlenhydrate, Fette und EiweiBe, der ffir den Betriebs- und Baustoffwechsel notwendig ist, verliiuft in anderen Bahnen. Es bilden sich Abbauprodukte, yon denen besonders die Eiweil~sch]acken eine hochgiftige Wirkung zeigen, sofern sie nicht sehnell ausgeschieden werden. GOH~BA~DT und HA~ELMA~N haben diese Stoffe als Noxine bezeichnet. Chemisch handelt es sich um Stoffe, die den biogenen Aminen sehr nahestehen. Unter ihnen mfissen die Alkylamine besonders beachtet werden, die sich aus der quart~ren Ammoniumbase ~bleiten und eine besondere Affinit~t zum Nervensystem haben. Sic kSnnen zu einer Erregung der Ganglien und postgangliongren autonomen Nerven mit nachfo]gender Lghmung ffihren.

Experimente]l hat man schon in frfiherer Zeit versucht, diese Vergn- derungen zu klaren. Es wurde dureh Abschnfirungen der Extremit~ten eine Sauerstoffnot des Gewebes erzeugt. LSste man die Umsehniirungen,