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E. Krampl-Bettelheim Zentrum für Fetalmedizin, FetoMed, Wien Zukunft der  Pränataldiagnostik Das Durchschnittsalter der Schwan- geren steigt immer weiter, und da- mit die Bedeutung der Aneuploidien. Der Screeningtest der Zukunft ist die Untersuchung der zellfreien DNA im Blut der Mutter. Die häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung sind Frühgeburt, Pla- zentainsuffizienz und Fehlbildungen. Es ist zunehmend möglich, durch um- fassende Untersuchungen im ersten Trimenon Risikogruppen herauszufil- tern, die intensiverer Betreuung be- dürfen. Damit kann der Großteil der Schwangeren wieder „einfach guter Hoffnung sein“ und die Schwanger- schaft genießen. Screening auf Plazentain- suffizienz und Frühgeburt Eine mangelhafte Trophoblastinvasi- on kann einerseits über Botenstoffe der Plazenta zu einer Aktivierung des Endo- thels mit Vasokonstriktion und Schädi- gung von Organen der Schwangeren füh- ren, also zu einer Präeklampsie. Anderer- seits kann es zu einer Mangelversorgung des Feten mit Sauerstoff und Nährstoffen kommen, die zu einer Drosselung des fe- talen Wachstums und in weiterer Folge zu Schädigung und intrauterinem Fruchttod führt. Eine Metaanalyse von Studien der ver- gangenen 15 Jahre hat gezeigt, dass die prophylaktische Einnahme einer nied- rigen Dosis Acetylsalicylsäure ab der Frühschwangerschaft die Wahrschein- lichkeit, eine Präeklampsie zu entwickeln, um ein Vielfaches vermindern kann [1]. Fachgesellschaften, etwa die NICE (Nati- onal Institute for Health and Care Excel- lence), empfehlen diese Prophylaxe für 10% aller Schwangeren. Auf der Basis der Anamnese (vorangegangene Schwanger- schaften, Erkrankungen und Gerinnungs- störungen) kann unter Einbeziehung der Blutflussmessungen in der A. uteri- na und der Konzentrationen von PAPP- A und „placental growth factor“ im Se- rum der Schwangeren eine individuelle Wahrscheinlichkeit für Präeklampsie und Wachstumseinschränkung eingeschätzt werden. Auf dieser Basis kann am Ende des 1. Trimenon mit der Prophylaxe be- gonnen werden. Bei einem positiven Screeningergeb- nis für Plazentainsuffizienz im ersten Tri- menon sind regelmäßige Wachstums- kontrollen des Feten und Blutdruck- und Harnkontrollen der werdenden Mutter notwendig. Bei Wachstumseinschrän- kung helfen Strömungsmessungen mit- tels Dopplerultraschall bei der Einschät- zung des optimalen Entbindungszeit- punktes. Vor der Schwangerschaftswoche 32 besteht das große Dilemma, zwischen der extremen Frühgeburtlichkeit und den Folgeschäden einerseits und der Morta- lität aufgrund der intrauterinen Hypoxie entscheiden zu müssen. Ein „Herantas- ten“ mittels computeranalysierter Kardio- tokographie (CTG) und Doppleruntersu- chungen des Ductus venosus scheinen das bestmögliche Ergebnis zu bringen [2]. » Ein lange unterschätztes Problem ist die späte Wachstumsrestriktion Die späte Wachstumseinschränkung ist ein lange unterschätztes Problem; sie stellt eine der Hauptursachen für den in- trauterinen Fruchttod dar. Daher ist bei eingeschränktem Wachstum des Feten bei einem Absinken des PI („pulsatility index“) in der A. cerebri media an eine Entbindung zu denken. Groß angelegte Langzeitstudien werden weitere Hinwei- se zur Verbesserung des Managements geben. Optimal ist jedoch wohl der früh- zeitige Beginn einer Prophylaxe für Pla- zentainsuffizienz, zumal das Outcome bei Wachstumseinschränkung und gleichzei- tig bestehender Präeklampsie besonders schlecht ist. Die Messung der Zervixlänge im ers- ten Trimenon, viel mehr noch im Rahmen des Organscreenings in der Schwanger- schaftswoche (SSW) 20–23, ist der beste einzelne Prädiktor für eine extreme Früh- geburt vor der SSW 34. So beginnt die Wahrscheinlichkeit bei einer Länge von weniger als 25 mm etwas anzusteigen. Ist der Zervikalkanal unter 15 mm lang, wird das Frühgeburtsrisiko 10% und höher. Wie bei einer Frühgeburt in der Anam- nese reduziert auch bei verkürzter Zer- vix die Gabe von Progesteron die Frühge- burtswahrscheinlichkeit signifikant. Screening auf Fehlbildungen Im 1. Trimenon können etwa 50% der schweren Fehlbildungen entdeckt wer- den, wie Publikationen von spezialisierten Zentren [3] gezeigt haben. Bauchwand- defekte (Gastroschisis und Omphaloze- le) beispielsweise, fehlende Extremitäten, ausgeprägte Fehlbildungen im Bereich von Gesicht, Thorax (Zwerchfellhernie), Urogenitalsystem (Blasenekstrophie, Me- gacystis) und Skelett sowie manche Herz- fehler können bereits früh diagnostiziert werden. Die Gehirnentwicklung kann aller- dings im 1. Trimenon noch nicht „voraus- geahnt“ werden, und die Fehlbildungs- Leitthema Gynäkologe 2014 DOI 10.1007/s00129-013-3236-5 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 1 Der Gynäkologe 2014|

Zukunft der Pränataldiagnostik; The future of prenatal diagnostics;

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Page 1: Zukunft der Pränataldiagnostik; The future of prenatal diagnostics;

E. Krampl-BettelheimZentrum für Fetalmedizin, FetoMed, Wien

Zukunft der Pränataldiagnostik

Das Durchschnittsalter der Schwan-geren steigt immer weiter, und da-mit die Bedeutung der Aneuploidien. Der Screeningtest der Zukunft ist die Untersuchung der zellfreien DNA im Blut der Mutter.Die häufigsten Ursachen für Tod und Behinderung sind Frühgeburt, Pla-zentainsuffizienz und Fehlbildungen. Es ist zunehmend möglich, durch um-fassende Untersuchungen im ersten Trimenon Risikogruppen herauszufil-tern, die intensiverer Betreuung be-dürfen. Damit kann der Großteil der Schwangeren wieder „einfach guter Hoffnung sein“ und die Schwanger-schaft genießen.

Screening auf Plazentain-suffizienz und Frühgeburt

Eine mangelhafte Trophoblastinvasi-on kann einerseits über Botenstoffe der Plazenta zu einer Aktivierung des Endo-thels mit Vasokonstriktion und Schädi-gung von Organen der Schwangeren füh-ren, also zu einer Präeklampsie. Anderer-seits kann es zu einer Mangelversorgung des Feten mit Sauerstoff und Nährstoffen kommen, die zu einer Drosselung des fe-talen Wachstums und in weiterer Folge zu Schädigung und intrauterinem Fruchttod führt.

Eine Metaanalyse von Studien der ver-gangenen 15 Jahre hat gezeigt, dass die prophylaktische Einnahme einer nied-rigen Dosis Acetylsalicylsäure ab der Frühschwangerschaft die Wahrschein-lichkeit, eine Präeklampsie zu entwickeln, um ein Vielfaches vermindern kann [1]. Fachgesellschaften, etwa die NICE (Nati-onal Institute for Health and Care Excel-lence), empfehlen diese Prophylaxe für

10% aller Schwangeren. Auf der Basis der Anamnese (vorangegangene Schwanger-schaften, Erkrankungen und Gerinnungs-störungen) kann unter Einbeziehung der Blutflussmessungen in der A. uteri-na und der Konzentrationen von PAPP-A und „placental growth factor“ im Se-rum der Schwangeren eine individuelle Wahrscheinlichkeit für Präeklampsie und Wachstumseinschränkung eingeschätzt werden. Auf dieser Basis kann am Ende des 1. Trimenon mit der Prophylaxe be-gonnen werden.

Bei einem positiven Screeningergeb-nis für Plazentainsuffizienz im ersten Tri-menon sind regelmäßige Wachstums-kontrollen des Feten und Blutdruck- und Harnkontrollen der werdenden Mutter notwendig. Bei Wachstumseinschrän-kung helfen Strömungsmessungen mit-tels Dopplerultraschall bei der Einschät-zung des optimalen Entbindungszeit-punktes. Vor der Schwangerschaftswoche 32 besteht das große Dilemma, zwischen der extremen Frühgeburtlichkeit und den Folgeschäden einerseits und der Morta-lität aufgrund der intrauterinen Hypoxie entscheiden zu müssen. Ein „Herantas-ten“ mittels computeranalysierter Kardio-tokographie (CTG) und Doppleruntersu-chungen des Ductus venosus scheinen das bestmögliche Ergebnis zu bringen [2].

» Ein lange unterschätztes Problem ist die späte Wachstumsrestriktion

Die späte Wachstumseinschränkung ist ein lange unterschätztes Problem; sie stellt eine der Hauptursachen für den in-trauterinen Fruchttod dar. Daher ist bei eingeschränktem Wachstum des Feten

bei einem Absinken des PI („pulsatility index“) in der A. cerebri media an eine Entbindung zu denken. Groß angelegte Langzeitstudien werden weitere Hinwei-se zur Verbesserung des Managements geben. Optimal ist jedoch wohl der früh-zeitige Beginn einer Prophylaxe für Pla-zentainsuffizienz, zumal das Outcome bei Wachstumseinschränkung und gleichzei-tig bestehender Präeklampsie besonders schlecht ist.

Die Messung der Zervixlänge im ers-ten Trimenon, viel mehr noch im Rahmen des Organscreenings in der Schwanger-schaftswoche (SSW) 20–23, ist der beste einzelne Prädiktor für eine extreme Früh-geburt vor der SSW 34. So beginnt die Wahrscheinlichkeit bei einer Länge von weniger als 25 mm etwas anzusteigen. Ist der Zervikalkanal unter 15 mm lang, wird das Frühgeburtsrisiko 10% und höher. Wie bei einer Frühgeburt in der Anam-nese reduziert auch bei verkürzter Zer-vix die Gabe von Progesteron die Frühge-burtswahrscheinlichkeit signifikant.

Screening auf Fehlbildungen

Im 1. Trimenon können etwa 50% der schweren Fehlbildungen entdeckt wer-den, wie Publikationen von spezialisierten Zentren [3] gezeigt haben. Bauchwand-defekte (Gastroschisis und Omphaloze-le) beispielsweise, fehlende Extremitäten, ausgeprägte Fehlbildungen im Bereich von Gesicht, Thorax (Zwerchfellhernie), Urogenitalsystem (Blasenekstrophie, Me-gacystis) und Skelett sowie manche Herz-fehler können bereits früh diagnostiziert werden.

Die Gehirnentwicklung kann aller-dings im 1. Trimenon noch nicht „voraus-geahnt“ werden, und die Fehlbildungs-

Leitthema

Gynäkologe 2014 DOI 10.1007/s00129-013-3236-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

1Der Gynäkologe 2014  | 

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diagnostik beschränkt sich im Bereich des Zentralnervensystems im Wesentli-chen auf Akranie und alobäre Holopro-sencephalie. Offene Neuralrohrdefekte an der Wirbelsäule lassen sich über die Be-urteilung der hinteren Schädelgrube auch schon am Ende des 1. Trimenon erkennen.

In der SSW 13 ist die Anatomie grund-sätzlich deutlicher darstellbar als in der SSW 11. Dabei steigt die Genauigkeit der Darstellung mit der kontinuierlichen Ver-besserung der Ultraschallgeräte weiter an. Beim Organscreening in SSW 20–24 las-sen sich Entdeckungsraten von etwa 90% erreichen. Dabei werden die Ultraschall-untersuchungen von fetalen Magnetreso-nanztomographien (MRT) in sinnvoller Weise ergänzt. Insbesondere die Gehirn-entwicklung, beispielsweise die Laminie-rung und die Darstellung der Bahnen mit-tels „fibre tracking“, sind auf der Basis von Ultraschalluntersuchungen nicht möglich [4]. Damit werden in Zukunft Diagnosen häufig früher und genauer gestellt werden können.

Die Vorteile der vorgeburtlichen Dia-gnose von Fehlbildungen sind:FBei manchen Fehlbildungen, wie Gas-

troschisis oder ductusabhängigen Herzfehlern, sind die Wahl des Ge-

burtsortes und die Vorinformation der jeweils spezialisierten Kinderärz-te von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung des Kindes.

FBei einigen Fehlbildungen, etwa bei gewissen Formen der Spina bifida oder der Zwerchfellhernie und nicht zuletzt beim Zwillingstransfusions-syndrom, ist erwiesen, dass ein Ein-griff während der Schwangerschaft die Prognose signifikant verbessert.

FErfolgreiche pränatale Eingriffe wer-den auch bei manchen Herzfehlern und fetalen Tumoren berichtet; die Zukunft wird zeigen, wo andere, ver-besserte Techniken Vorteile bringen.

FBei schwerwiegenden Fehlbildungen haben die Eltern weiterhin die Mög-lichkeit, die Schwangerschaft abzu-brechen.

Nach einem qualifizierten Screening im 1. Trimenon ist es nur noch selten notwen-dig, diese Entscheidung so spät zu tref-fen.

Screening auf Aneuploidien

Aneuploidien zählen zu den häufigsten Ursachen für frühe Fehlgeburten. Nur Fe-

ten mit Trisomie 21, 13 und 18 sowie mit geschlechtschromosomalen Anomalien können bis zu Ende des 1. Trimenon und darüber hinaus überleben.

Die seit etwa 2 Jahren verfügbare Untersuchung der zellfreien fetalen DNA (cfDNA) im Blut der Mutter, auch „non-invasive prenatal testing“ (NIPT), ge-nannt, hat einer sehr hohe Genauigkeit, besonders für Trisomie 21 [5]. Unterschie-den wird dabei zwischen Methoden, bei denen die gesamte zellfreie DNA sequen-ziert („massive parallel signature sequen-cing“, MPSS) wird, und solchen mit ge-zielter („targeted“) Sequenzierung.

» Noch sind bei sehr seltenen Defekten die Falsch-positiv-Raten potenziell inakzeptabel hoch

Eine rezent publizierte Metaanalyse aller seit der ersten Publikation im Jahr 2011 veröffentlichten Studien, bei denen das Labor nicht über den fetalen Karyotyp oder über den Schwangerschaftsausgang informiert war, zeigt eine Entdeckungsra-te für Trisomie 21 von 99%, für Trisomie 18 bei mehr als 98%, und für Trisomie 13 bei mehr als 84%. Eine besondere Stärke

Tab. 1 Übersicht Screening (zellfreie fetale DNA und Combined Test) und Diagnose von Trisomie 21, 13 und 18

  Zellfreie DNA „Combined test“ CVS/Amniozentese

Wann Ab SSW 10+0 SSW 11+0 bis 13+6 Ab SSW 11+0/ab SSW 16+0

Wer –jeweils nach entsprechender Aufklä-rung und Einverständniserklärung

Alle SchwangerenErhöhtes Risiko für Trisomien bei normalem Ultraschallbefund

Alle Schwangeren Erhöhte Nackentransparenzmessung (ab 3,5 mm)Fehlbildung im UltraschallBekannter Gendefekt

Wie Blutabnahme Ultraschall + Blutabnahme Punktion der Plazenta/des Fruchtwassers

Risiko Keines Keines Fehlgeburt 0,5%

Entdeckungsrate T21 >99% 90% >99,9%

Falsch-positiv-Rate <0,1% 5% <0,1%

Andere Aneuploidien T18>98%FPR <0,1%T13 8 von 10FPR <0,1%

T18 90%FPR 0,5%T13 86%FPR 0,5%

T18>99,9%T13>99,9%

Weitere genetische Untersuchungen Keine Keine MicroarraysBekannte Einzelgendefekte

Ergebnis nach 10 Tagen 1 h 2 Arbeitstagen/2 Wochen

Low risk → Organscreening SSW 20–23

Organscreening SSW 20–23

Organscreening SSW 20–23

High-risk − positiv→ Beratung Amniozentese

BeratungNIPT/CVS/Amnio

BeratungFortsetzung/Abbruch

Kein Befund Wiederholung (rund 3%) Wiederholung (<1%) Beratung

Mehrlinge Zwillinge validiertDrillinge nicht validiert

Zwillinge validiertDrillinge nicht validiert

Zwillinge validiertDrillinge validiert

CVS „chorionic villus sampling“, Chorionzottenbiopsie; FPR „false positive rate(s)“; T13, T18, T21 Trisomie 13/18/21; NIPT „„non-invasive prenatal testing“.

2 |  Der Gynäkologe 2014

Leitthema

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dieses Tests ist die niedrige Falsch-positiv-Rate von unter 0,2% [6]. Darüber hinaus ist NIPT in rezenten Studien auch erfolg-reich zur Entdeckung von Aberrationen der Geschlechtschromosomen und der Triploidie eingesetzt worden. Die Sequen-zierung des gesamten Erbgutes („whole genome sequencing“), die Diagnose von monogenetischen Erkrankungen, sowie die Aufdeckung von Mikrodeletionen aus zellfreier fetaler DNA sind ebenfalls be-reits beschrieben worden. Dabei ist davor zu warnen, dass bei solchen extrem sel-tenen Gendefekten Daten einer klinischen Anwendung nicht verfügbar sind und auf-grund der niedrigen Prävalenz die Falsch-positiv-Rate inakzeptabel hoch wäre.

Der in Österreich zurzeit empfohle-ne Screeningtest auf Trisomie 21 ist der Combined Test. Dieser erreicht durch eine Kombination aus dem Alter der Mutter, der fetalen Nackentransparenz-messung und der Messung von freiem β-hCG und PAPP-A („pregnancy-asso-ciated plasma protein A“) im Serum der Schwangeren bei einer Falsch-positiv-Rate von 5% eine Entdeckungsrate von 90% für Trisomie 21. Unter Einbezie-hung weiterer Hinweiszeichen im Ultra-schall (Verknöcherung des fetalen Nasen-beins, Triskuspidalinsuffizienz und Blut-fluss im Ductus venosus) kann die Ent-deckungsrate erhöht beziehungsweise die Falsch-positiv-Rate vermindert wer-den. War bis vor einem Jahr die Beratung auf der Basis der mittels Combined Test errechneten Wahrscheinlichkeit für Tri-somie 21 noch auf 2 Möglichkeiten be-schränkt, nämlich das Risiko der Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 auf sich zu nehmen oder diese Aneuploidie mittels invasiver Diagnostik auszuschließen, ist nun eine 3. Möglichkeit hinzugekommen: NIPT mittels Analyse der zellfreien feta-len DNA im Blut der Mutter. Bei welcher Wahrscheinlichkeit sich Eltern dafür ent-scheiden, ist sehr individuell. Ein Modell dieses „bedingten Screenings“ verwendet die Untersuchung der zellfreien DNA bei einem Risiko nach dem Combined Test zwischen 1:10 und 1:2500 [7]. In diesem Bereich sind viele nicht ausreichend be-ruhigt, wiewohl zu über 98% keine Tri-somie 21 vorliegt, und können nahe-zu 100%ige Gewissheit erlangen, ohne das punktionsbedingte Fehlgeburtenri-

siko auf sich nehmen zu müssen. Man-che werdende Eltern entscheiden sich auch bei einer niedrigeren Wahrschein-lichkeit für NIPT. Mit diesem Konzept ist in unserer Praxis die Rate an Punktionen im 1. Trimenon auf unter 2% gesunken, die pathologischen Befunde bei Punktio-nen sind auf etwa 50% gestiegen.

Ganz anders ist die Situation bei er-höhter Nackentransparenzmessung (>3,5 mm) oder Fehlbildung. In solchen Fällen liegen relativ häufig – zu 15% oder mehr – andere genetische Defekte außer Trisomie 21 vor. Zurzeit sind diese nur durch ein Karyogramm zu diagnostizie-ren, am besten ergänzt durch eine Chro-mosomen Microarray Analyse. Dafür ist noch mehr Material notwendig, das durch eine Punktion gewonnen werden muss. Typischerweise wird also eine Chorion-zottenbiopsie oder Amniozentese durch-geführt, wenn sich die Eltern für eine wei-tere Abklärung entscheiden. In Abhängig-keit von den bestehenden Fehlbildungen kann auch eine Untersuchung auf spezi-fische Einzelgendefekte sinnvoll sein. Die Möglichkeiten und Grenzen der moleku-largenetischen Untersuchungen unterlie-gen einer rasanten Entwicklung, sodass eine ausführliche genetische Beratung vor einem Eingriff unumgänglich gewor-den ist.

» Wegen der raschen Entwicklung der Molekulargenetik ist eine ausführliche Beratung unumgänglich

Die Untersuchung der zellfreien DNA hat auch im Intermediate-risk-Kollektiv ei-ne gute Performance [8, 9, 10], kann al-so auch als primärer Screeningtest einge-setzt werden. Bei Schwangeren über 40, beispielsweise, oder bei vorangegangener Schwangerschaft mit Trisomie 21 kann be-reits ab der vollendeten SSW 10 Blut für die Untersuchung der cfDNA abgenom-men werden. Die Schwangere kann dann 2 Wochen später zur Befundbesprechung und genauen Ultraschalluntersuchung kommen, und nur bei auffälligem NIPT-Ergebnis (hohes Risiko für Trisomie 21) oder bei einer Auffälligkeit im Ultraschall folgt eine Chorionzottenbiopsie. Damit

Zusammenfassung · Abstract

Gynäkologe 2014 · [jvn]:[afp]–[alp]DOI 10.1007/s00129-013-3236-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

E. Krampl-Bettelheim

Zukunft der Pränataldiagnostik

ZusammenfassungDas Durchschnittsalter der Schwangeren steigt weiterhin an, und damit auch die Be-deutung der Aneuploidien. Der größte Mei-lenstein der vergangenen Jahre, der Scree-ningtest der Zukunft, ist die Untersuchung der zellfreien DNA im Blut der Mutter im Hin-blick auf fetale Aneuploidien. Besonders hoch ist die Genauigkeit bei der Trisomie 21. Die Möglichkeiten der Fehlbildungsdiagnos-tik, besonders im Bereich des Zentralnerven-systems, werden im 2. Trimenon durch fetale Magnetresonanzuntersuchungen erweitert. Pränatale Eingriffe verbessern beim fetofeta-len Transfusionssyndrom sowie bei manchen Formen der Zwerchfellhernie und der Spina bifida die Prognose. Erstmals konnte in den vergangenen Monaten und Jahren die Wirk-samkeit von prophylaktischen Maßnahmen bei hohem Risiko für Plazentainsuffizienz und Frühgeburt gezeigt werden.

SchlüsselwörterAneuploidien · Zellfreie fetale DNA (cfDNA) · Kongenitale Fehlbildungen · Frühgeburt · Plazentainsuffizienz

The future of prenatal diagnostics

AbstractThe average maternal age is still increasing and so is the significance of aneuploidy. The greatest milestone in the past and the screen-ing test of the future is testing for aneuploi-dy using cell-free DNA fragments in mater-nal blood. This has a particularly high accura-cy for trisomy 21. Diagnosis of fetal structural abnormalities in the second trimester, espe-cially concerning the central nervous system, is enhanced by fetal magnetic resonance im-aging. Prenatal interventions for fetal thera-py improve the prognosis in twin-twin trans-fusion syndrome and in certain forms of dia-phragmatic hernia and spina bifida. Recently it was possible for the first time to show a sig-nificant effect of prophylactic measures in re-ducing the risk for placental insufficiency and preterm labor.

KeywordsAneuploidy · Cell free fetal DNA · Congenital malformations · Preterm labor · Placental insufficiency

3Der Gynäkologe 2014  | 

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werden Aneuploidien weiterhin bereits früh diagnostiziert.

Fazit für die Praxis

FIn der Praxis ist heute bei normalem Ultraschallbefund die Untersuchung der cfDNA zum fast 100%igen Aus-schluss einer Trisomie 21 zu empfeh-len, wenn das Gesamtergebnis des Combined Test nicht zufrieden stel-lend ist. 

FTrotz der niedrigen Falsch-positiv-Rate ist der positive Vorhersagewert weit von 100% entfernt; daher ist bei positivem NIPT-Ergebnis eine Punk-tion zur Bestätigung notwendig. 

FFür die Untersuchung von Einzelgen-defekten oder Mikrodeletionen ist nach wie vor eine invasive Diagnostik notwendig (.Tab. 1).

FFür das Ersttrimesterscreening ist das Screening auf Trisomien nur eins von mehreren Zielen. Durch eine Kombi-nation von Anamnese, Ultraschall und Messung von Plazentaprodukten aus dem Serum der Schwangeren kann die Wahrscheinlichkeit für Plazentain-suffizienz und Chromosomenanoma-lien eingeschätzt und eine wirksame Prophylaxe eingeleitet werden. 

FAuch die Risikoeinschätzung für ex-treme Frühgeburt wird ständig ver-bessert. 

FNicht zuletzt ist bereits in der Schwangerschaftswoche 11–14 die Diagnose von über 50% aller Fehlbil-dungen mittels genauer Ultraschall-untersuchung möglich.

Korrespondenzadresse

Dr. E. Krampl-BettelheimZentrum für Fetalmedizin, FetoMedHeiligenstädter Str. 55–63, 1190 WienÖ[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. E. Krampl-Bettelheim gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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4 |  Der Gynäkologe 2014

Leitthema