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ZUKUNFT: NATUR Wie ländliche Regionen von Umwelt- und Naturschutz profitieren und welchen Beitrag die EU-Agrarpolitik leisten kann

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ZUKUNFT: NATURWie ländliche Regionen von Umwelt- und Naturschutz profitieren und welchen Beitrag die EU-Agrarpolitik leisten kann

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IMPRESSUM

Herausgeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Referat Öffentlichkeitsarbeit · 11055 Berlin E-Mail: [email protected] · Internet: www.bmu.de

Konzeption/Redaktion: Ulrike Nyenhuis (BMU, Referat N II 5 Umweltangelegenheiten der Land- und Forstwirtschaft), Alexandra Liebing (BMU, Referat ZG II 3 Öffentlichkeitsarbeit)Text: Mareike Goebel (IFOK, Institut für Organisationskommunikation), Karin Robinet (BfN, Bundesamt für Naturschutz)

Gestaltung: design idee, büro_für_gestaltung, ErfurtDruck: Bonifatius GmbH, Paderborn

Abbildungen: Titelseite: Gile/Andia S. 4: Thomas Stephan/BLE, Bonn S. 5: Frank Ossenbrink S. 6: Thomas Stephan/BLE, Bonn S. 9: Thomas Stephan/BLE, Bonn S. 12: Thomas Stephan/BLE, Bonn S. 13: Dominic Menzler/BLE, Bonn S. 15: Picture-Alliance/dpa S. 19: Dominic Menzler/BLE, Bonn S. 20: Uwe Riecken S. 21: Florian Werner/LOOK-foto S. 22: Liesa Johannssen/phototek.net S. 24: Regierungspräsidium Stuttgart/Büro am Fluss S. 25: Förderpreis Naturschutzhöfe, Dominic Menzler S. 27: Dominic Menzler/BLE, Bonn S. 28: Dominic Menzler/BLE, Bonn S. 30: Falk Herrmann/Picture Press

Stand: März 20071. Auflage: 5.000 Exemplare

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INHALT

Vorwort ..................................................................................................................... 5

NATUR, LANDWIRTSCHAFT UND LÄNDLICHE ENTWICKLUNG

Was Agrarpolitik und die Politik für ländliche Räume

mit Umwelt- und Naturschutz zu tun haben ................................................................. 6

DIE AGRARPOLITIK DER EUROPÄISCHEN UNION ........................................................ 10

LÄNDLICHE REGIONEN BRAUCHEN PERSPEKTIVEN

Probleme ernst nehmen ........................................................................................... 14

STANDPUNKT JOCHEN FLASBARTH

„Naturschutz kann die wirtschaftliche Situation auf dem Land verbessern“ ................ 22

EU-AGRARPOLITIK: FIT FÜR DIE ZUKUNFT

Was ländliche Regionen stärkt ................................................................................... 26

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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

Felder, Wiesen und Weiden sind unsere Lebensgrundlage. Sie ernähren uns und schützen die biologische Vielfalt, in der Natur können wir uns entspannen.

Doch diese Lebensgrundlage ist be-droht: Siedlungen und Straßen zer-schneiden ländliche Naturräume, eine nicht umweltgerechte Landwirtschaft belastet die natürlichen Ressourcen. Zudem sehen sich Menschen, die auf dem Land wohnen, immer mehr mit Problemen wie Arbeitslosigkeit und Abwanderung konfrontiert. Ein Teufelskreis ohne Ausweg?

Ganz und gar nicht. Gerade für ländliche Regionen mit ihrem Naturreichtum stecken viele Chancen im Umwelt-schutz. Erneuerbare Energie aus Biomasse, nachwachsen-de Rohstoffe, Direktvermarktung ökologisch erzeugter Biolebensmittel oder Urlaub auf dem Bauernhof – Natur schafft Innovationen und Arbeitsplätze. Dafür muss die Politik allerdings auf allen Ebenen etwas tun, auch auf der Ebene der EU. Ich bin fest davon überzeugt: Die Politik muss weg von der Subventionierung des Sektors Landwirtschaft hin zu einer Förderung der vielfältigen ländlichen Poten-ziale. Das stärkt ländliche Räume, und das schützt die Umwelt. Das ist unsere Aufgabe.

Der Weg ist klar: Die Zukunft heißt Natur.

Sigmar GabrielBundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

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Ländliche Regionen unterscheiden sich vor allem in einem Punkt von Großstädten und Ballungsräumen: durch ihre geringe Bevölkerungsdichte. Weniger Häuser und Straßen sorgen für viel unbebaute, unzerschnittene Fläche. Das gibt Pflanzen und Tieren Raum zum Leben, hier kann sich sau-beres Trinkwasser bilden, Wälder sorgen für saubere Luft. Für den Umwelt- und Naturschutz sind diese Gebiete deshalb sehr wertvoll. Wie sich die länd-lichen Räume entwickeln, ist für den Zustand von Natur und Umwelt – und damit für die wichtigen Lebensgrundlagen des Menschen – von großer Bedeutung. Eine nachhaltige Entwicklung kann beides bieten – eine intakte Umwelt und eine solide wirtschaftliche Basis.

Etwa die Hälfte der deutschen Landfläche wird von landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaftet. Auch wenn die Landwirtschaft mittlerweile nur noch eine vergleichsweise geringe wirtschaftliche Bedeutung im ländlichen Raum hat und durch zunehmende Rationalisierung immer weniger Beschäf-tigung bietet, so prägt sie doch in entscheidendem Maße das Erscheinungs-bild ländlicher Räume. Die bewirtschafteten Felder, Wiesen und Weiden sind ein uns allen vertrauter Bestandteil unserer Kulturlandschaften.

Landwirtinnen und Landwirte bewahren auch die biologische Vielfalt und leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz, auch hinsichtlich

NATUR, LANDWIRTSCHAFT UND LÄNDLICHE ENTWICKLUNGWas Agrarpolitik und die Politik für ländliche Räume mit Umwelt- und Naturschutz zu tun haben

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unserer nationalen und internationalen Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt.

Aber sie können der Umwelt auch schaden: Dünge- und Pflanzenschutz-mittel beeinträchtigen das Grundwasser, Tiere produzieren Treibhausgase, eine nicht standortgerechte Bewirtschaftung verursacht Bodenerosion. Die jahrzehntelange – zum Großteil auf Produktionssteigerung ausgerichtete – Subventionierung der Landwirtschaft durch die Europäische Union hat zu-sätzlich zu dieser Fehlentwicklung beigetragen. Auch wenn in den letzten Jahren bereits viel erreicht wurde, so werden Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere noch immer durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu stark belastet. Allein in Deutschland verursachen Nitrat- und Pestizid-Belas-tungen, Hochwasserschäden, Bodenerosion und die Wasserverschmutzung jährlich Kosten von rund 5,1 Milliarden Euro – nicht berücksichtigt der Ver-lust einer abwechslungsreichen Landschaft und vieler Tier- und Pflanzen-arten. Die Politik muss deshalb Grenzen setzen, aber auch die richtigen Anreize schaffen.

Umwelt- und naturverträglich wirtschaftende Betriebe versuchen, Hand in Hand mit der Natur zu arbeiten und Belastungen auf ein unvermeidbares Minimum zu reduzieren. Häufig schützen sie aber nicht nur die Umwelt. Sie nutzen auch das ökonomische Potenzial besser, das im ländlichen Raum steckt, indem sie regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und so ihre Wert-schöpfungsketten erweitern. Aufgabe der Politik ist es, diese Form der Land-wirtschaft zu fördern und zu stärken.

Eine Fünf-Jahres-Studie aus Großbritannien hat gezeigt: Auf ökologisch bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen leben ein Drittel mehr Fledermäuse, 17 Prozent mehr Spinnenarten, fünf Prozent mehr Vogelarten und mehr als doppelt so viele Pflanzenarten.

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Politik hat großen Einfluss

Die europäische Landwirtschaft ist stark von der Politik gesteuert, auch wenn Markttrends zunehmend an Einfluss gewinnen. Nach wie vor fließen von den Steuerzahlenden hohe Subventionen an die landwirtschaftlichen Betriebe. So erhält die deutsche Landwirtschaft rund sechs Milliarden Euro pro Jahr aus Brüssel, der Bund und die Bundesländer legen jährlich noch-mals rund zwei Milliarden Euro obenauf – nicht eingerechnet die Ausgaben des Bundes für die landwirtschaftliche Sozialpolitik. Auf diese Weise hat die Agrarpolitik großen Einfluss auf die Form der Bewirtschaftung und damit auf den Zustand von Umwelt und Natur: Die jüngst eingeführte Entkoppe-lung der Zahlungen von der Produktion ist zum Beispiel ein wichtiger Schritt weg von einseitiger „Quantitäts“-Förderung. Nach wie vor werden je-doch hohe Einkommensstützen an landwirtschaftliche Betriebe gezahlt, die erst seit kurzem an Umweltanforderungen geknüpft sind. Diese Auflagen sind nicht sehr anspruchsvoll, der Effekt entsprechend zu gering.

Sehr viel mehr Möglichkeiten für den Umwelt- und Naturschutz bieten da-gegen die Zahlungen im Rahmen der EU-Förderung der ländlichen Entwick-lung. Hiermit sollen unter anderem wichtige gemeinsame europäische Umweltziele finanziert werden, wie zum Beispiel das europaweite Netz von Schutzgebieten Natura 2000 oder die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Umso gravierender wirkt sich das Ungleichgewicht

der Agrarförderung aus: Von den EU-Agrarzahlungen an Deutschland fließen nur knapp ein Fünftel – etwas mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr – in die Förderung der ländlichen Entwicklung.

Die Wasserrahmenrichtlinie sieht vor, dass alle Gewässer bis 2015 in einem guten Zustand sind. Bislang erreicht das nicht einmal die Hälfte aller deutschen Flüsse, Seen und Grundwasservorkommen. Einer der wichtigsten Einflussfaktoren ist die Landwirtschaft.

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Natur in ZahlenDas Industrieland Deutschland ist ein „unter-schätztes“ Naturland mit zahlreichen Biotopen und einer reichen Artenvielfalt. Insgesamt gibt es rund 28.000 Tierarten und 48.000 Pilz- und Pflanzenarten in Deutschland, außerdem 87 Natur-parks, 15 Nationalparks und 14 Biosphärenreser-vate. 13 Prozent der Landfläche Deutschlands sind Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und tragen dazu bei, die Artenvielfalt in Europa zu erhalten und zu schützen. Eine gro-ße Rolle für Landschaftspflege und Naturschutz spielt dabei die Landwirtschaft: Sie bewirt-schaftet rund die Hälfte der genutzten Fläche in Deutschland, weitere 30 Prozent entfallen auf die Forstwirtschaft. Nahezu drei Viertel der deutschen Natura-2000-Fläche wird land- und forstwirtschaft-lich genutzt. Teile dieser Gebiete sind auf eine ex-tensive Bewirtschaftung und Pflege angewiesen, um die Erhaltungsziele zu erreichen.

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DIE AGRARPOLITIK DER EUROPÄISCHEN UNION

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) basiert heute auf zwei Säulen:

Die erste Säule beinhaltet die klassische Agrarmarkt- und Preis-politik. Im Förderzeitraum 2007-2013 sind für diesen Bereich EU-weit insgesamt rund 293 Milliarden Euro eingeplant. Ein Großteil dabei sind Subventionen an landwirtschaftliche Betriebe, so genannte Direktzahlungen. Sie sollen das Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte sichern. Deutsche Betriebe werden auf diese Weise mit jährlich rund fünf Milliarden Euro gefördert. Seit der EU-Agrarreform 2003 werden diese Direktzahlungen – zumindest in Deutschland – nahezu vollständig entkoppelt ge-zahlt, also unabhängig von der Produktionsmenge. So besteht kein von der Nachfrage losgelöster Produktionsanreiz mehr, der zur Überproduktion führen kann. Seit 2005 werden die Prämien auch nur dann in vollem Umfang gezahlt, wenn die Betriebe bestimmte Standards im Umwelt- und Tierschutz sowie der Lebensmittelsicherheit einhalten und ihre Flächen in einem gu-ten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand halten (Cross Compliance). Allerdings sind diese Anforderungen zu niedrig, um tatsächlich Ziele im Umwelt- und Naturschutz zu erreichen bezie-hungsweise zu sichern.

Die zweite Säule der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik dient der Förderung ländlicher Regionen. Aus ihr werden konkrete Leistungen von Landwirtinnen und Landwirten, aber auch an-derer Akteure im ländlichen Raum entgolten, durch die schäd-liche Umwelteinflüsse der Landwirtschaft verringert, Natur und Landschaft erhalten und die breitere Wirtschafts- und Infrastruktur in ländlichen Regionen verbessert wird. Die finan-ziellen Mittel der zweiten Säule sind sehr viel geringer als die

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der ersten: Sie umfassen mit knapp 70 Milliarden Euro im Zeitraum 2007-2013 nur gut ein Fünftel des EU-Agrarbudgets. Zur finanziellen Stärkung der ländlichen Entwicklungspolitik werden seit 2005 aus der ersten Säule bis zu fünf Prozent des Budgets in die zweite Säule umgeschichtet (Modulation). Trotzdem fallen die Mittel für die neue Finanzperiode 2007-2013 geringer aus: Im Vergleich zur letzten Planungsperiode stehen in Deutschland im Bundesdurchschnitt rund 23 Prozent (in konstanten Preisen des Jahres 2004) weniger Mittel zur Verfügung.

Die zwei Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik

Erste Säule

Agrarmarkt- und Preispolitik

- Direktzahlungen

- Preisstützung:

Intervention,

Produktionsquoten,

Exportsubvention,

Außenschutz etc.

100 % EU-Gelder

Zweite Säule

Förderung der Entwicklung des

ländlichen Raums

– Agrarumwelt-

maßnahmen

- Natura-2000-Ausgleich

- Investitionsbeihilfe etc.

EU-teilfinanziert

Gemeinsame Agrarpolitik der EU

Quelle: nach Osterburg, B. & Reiter, K.: Präsentation beim NABU-/ DVL – Fachseminar: „Agrarreform für Naturschützer“ am 17. Februar 2005 im BMU, Bonn

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Wie engagiert sich das BMU?BEISPIEL BIOMASSE

„Die Aussichten für erneuerbare Energie aus Biomasse sind gut: Schon heute macht sie rund

zwei Prozent des Stromverbrauchs und 5,2 Prozent der gesamten Wärmeerzeugung aus, außer-

dem stammt der gesamte erneuerbar erzeugte Kraftstoff (rund 3,4 Prozent des gesamten

Kraftstoffs) aus Biomasse. Den entscheidenden Anstoß für diesen Biomasseboom hat der 2004

eingeführte NawaRo-Bonus gegeben, der eine zusätzliche Vergütung für aus nachwachsenden

Rohstoffen erzeugte Energie vorsieht.

Das BMU unterstützt zahlreiche Projekte, um die Nutzung von Biomasse zu fördern. Das

Projekt ‚BioRegio‘ zum Beispiel untersucht Strategien zur nachhaltigen energetischen Nutzung

von Biomasse in ausgewählten Modellregionen. Oder das Regionalstromprojekt Bodensee-

Oberschwaben: Hier arbeiten Naturschützer mit Landwirten und einem ökologisch orientierten

Energieversorger zusammen. Von 36 Biogasanlagen werden etwa drei Millionen Kilowattstunden

Strom pro Jahr erzeugt und über ein Aufpreismodell an etwa 1.000 Stromkunden vermarktet.

Für den einzelnen Bauernhof bedeutet das ein jährliches Zusatzeinkommen von bis zu

1.700 Euro.“ Parlamentarischer Staatssekretär Michael Müller

˘www.erneuerbare-energien.de

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Wie engagiert sich das BMU?BEISPIEL TOURISMUS

Die ersten Sonnenstrahlen brennen schon fast auf der Haut, es duftet nach Heu, in der Ferne muht eine

Kuh. Es ist windstill, friedlich. Ein paar watteweiße Schäfchenwolken stehen am tiefblauen Himmel, eine

Ameise krabbelt über meinen Handrücken. Ich liege im Gras und der Stress der vergangenen Wochen ist

schon ganz weit weg ... Wie gut und entspannt die Anreise mit der Bahn funktioniert hat ... gleich gibt es

Mittagessen. Ich höre die Köchin, die in den Garten tritt und Kräuter für das Pilzrahmsüppchen pflückt.

Danach gibt es Hirschschulter mit Bohnen, Rotweinbirne und neuen Kartoffeln, hmmm. Alles ganz frisch

aus der Region, die Pension ist schließlich Viabono-zertifiziert ...

Viabono – natürlich Reisen ist eine vom BMU geförderte Umweltdachmarke für touristische Angebote

in Deutschland. Verschiedene Umwelt- und Tourismusverbände haben einen Kriterienkatalog entwi-

ckelt, der die Bereiche Abfall, Energie, Wasser, Lärm, Mobilität, Natur und Landschaft, Architektur und

Siedlung, Information, Wohlbefinden der Gäste, regionale Wirtschaftskreisläufe und Umweltmanagement

berücksichtigt. Ob eine Kanutour auf der Lahn, das fränkische Kleinkunstfestival, Shiatsu am Bodensee,

Sterneküche in Baiersbronn oder ein romantisches Wellness-Wochenende an der Mosel – über das Viabono-

Internetportal können Urlauber Angebote recherchieren, die sich durch umweltorientiertes Handeln aus-

zeichnen.

Eine Untersuchung des BMU zeigt außerdem, welche Bedeutung Naturgroßschutzgebiete für den Tourismus

und damit für die ökonomische Entwicklung in der Region haben: Im Naturpark Altmühltal zum Beispiel

wurden 2004 die Bruttoumsätze von 20,7 Millionen Euro durch landschaftsbezogenen Tourismus erzielt,

das entspricht einem Beschäftigungsäquivalent von 483 Arbeitsplätzen.

˘www.viabono.de

˘www.zukunft-reisen.de

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LÄNDLICHE REGIONEN BRAUCHEN PERSPEKTIVENProbleme ernst nehmen

Grundsätzlich steht fest: Den ländlichen Raum gibt es nicht. Ländliche Regionen sind in ihrer natürlichen und wirtschaftlichen Struktur und Ausstattung, in ihrer Entwicklung und Tradition und nicht zuletzt in der Bevölkerungszusammensetzung ausgesprochen unterschiedlich. So gibt es eine Reihe ländlicher Regionen, vor allem in der Nähe zu Ballungszentren und in landschaftlich besonders reizvollen, bereits touristisch entwickelten Gegenden, die sich mit ihrem vergleichsweise hohen Lebensstandard und hohen Beschäftigtenzahlen in Bezug auf ihre wirtschaftliche Entwicklung weniger sorgen müssen. Doch es gibt auch Gegenden, die zunehmend mit Problemen zu kämpfen haben. Das muss die Politik ernst nehmen.

Arbeitslosigkeit und Abwanderung

Ländliche Gegenden haben ohnehin eine geringe Bevölkerungsdichte. Insbesondere aus Regionen, die nicht im direkten Umkreis von Städten lie-gen, wandern aufgrund fehlender Arbeitsplätze und sinkender Lebensquali-tät immer mehr Menschen in die Ballungsräume ab. Darunter sind überpro-portional viele Frauen, junge und besser qualifizierte Menschen. Gleichzeitig steigt der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung.

Diese Entwicklung hat gravierende Konsequenzen, wie eine aktuelle Studie zeigt: Die Infrastruktur kann nicht mehr flächendeckend gewähr-leistet werden, da die kritische Masse fehlt, um zum Beispiel den öffent-lichen Nahverkehr und andere Dienstleistungsangebote aufrechtzuerhal-

ten. Das schwächt die Attraktivität der Region. Weniger Unternehmen siedeln sich an, die Zahl der Arbeitsplätze sinkt, immer mehr Menschen ziehen in die Städte.

Rund 290 Millionen Menschen jährlich besuchen die Natur- und Nationalparks und Biosphärenreservate in Deutschland. Das stärkt die deutsche Tourismusbranche und schafft Arbeitsplätze vor Ort.

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Auch die Umwelt ist betroffen

Diese sozioökonomische Entwicklung einiger ländlicher Räume hat auch Folgen für Natur und Umwelt. Im Umkreis von Städten verschärfen die zu-wandernden Anwohner mit ihren Wohn- und Mobilitätsbedürfnissen die ohnehin bestehenden Umweltprobleme. Freie Fläche geht verloren, zusätz-liche Siedlungen und Straßen verringern beziehungsweise zerschneiden die Lebensräume vieler Tiere und Pflanzen.

In den Abwanderungsgebieten dagegen ist folgender Trend zu beobachten: Gerade in diesen eher abgelegenen und landwirtschaftlich weniger attrak-tiven Gegenden hat eine traditionell eher extensiv betriebene Landbewirt-schaftung dazu beigetragen, dass sich die Artenvielfalt vermehrt und wert-volle Kulturlandschaften entstehen. Diese – oft kosten- und arbeitsintensive-ren – Formen der Landbewirtschaftung auf häufig weniger ertragreichen Standorten sind heute im internationalen Wettbewerb nur noch schwer gewinnbringend beizubehalten. Werden hierfür keine Märkte geschaffen und Anreize für diese umweltfreundlichen Bewirtschaftungsformen ge-setzt, droht je nach Standort Nutzungsaufgabe oder eine Intensivierung der Produktion mit all ihren negativen Auswirkungen für Natur und Umwelt. Damit sind wertvolle Kulturgüter bedroht.

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Was ländliche Regionen stärkt

Doch es gibt Auswege, den Kreislauf von steigender Arbeitslosigkeit, sin-kender Lebensqualität und Abwanderung zu durchbrechen und gleich-zeitig die Umweltqualität zu erhöhen. Sicher gibt es keine allgemeingül-tigen Antworten auf die wirtschaftlichen Probleme ländlicher Regionen

– jede Region muss ihre eige-nen Chancen erkennen und nutzen. Für eine tragfähige Entwicklung bietet es sich je-doch an, auf das spezifische Potenzial ländlicher Räume zu bauen. Das bedeutet in ers-ter Linie, das Naturkapital

ländlicher Räume wie zum Beispiel schöne Landschaften, saubere Luft und fruchtbare Böden zu bewahren und mittels dieser Ressourcen eine nachhal-tige Wirtschaft aufzubauen. Potenziale bietet zum Beispiel der naturverträg-liche Tourismus, aber auch die Produktion nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien, die Direktvermarktung oder Verarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Produkte, Dienstleistungen rund um den Naturschutz,

„Ländliche Räume haben viel zu bieten. Diese spezifischen Standortvorteile sollten gezielt für deren wirtschaftliche Entwicklung genutzt werden – das schafft Arbeitsplätze und er-möglicht die Aufrechterhaltung der besonderen Lebensqualität auf dem Lande.“ Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

Eine geringe Bevölkerungsdichte und eine schwache Wirtschaft bedingen und verstärken sich gegenseitig, wie eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt.

Entwicklungswege für ländliche Regionen

Geringe Bevölkerungsdichte

Fehlende kritische Masse für das Dienstleistungs- und Infrastrukturangebot

Geringere Unter-nehmensgründungsrate

Weniger Arbeitsplätze

Abwanderung(+ Alterung)

Quelle: OECD (2006): „Das neue Paradigma für den ländlichen Raum – Politik und Governance“, S. 33

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Eine geringe Bevölkerungsdichte und eine schwache Wirtschaft bedingen und verstärken sich gegenseitig, wie eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt.

Erhalt und Pflege des Naturkapitals; Nutzung der natürlichen Ressourcen, dabei Wirtschaftsentwicklung im Ein-klang mit Natur und Umwelt; Stärkung

regionaler Wirtschaftskreisläufe

Attraktiver Wohn-, Wirtschafts- Natur- und Erholungsraum mit

stabiler Bevölkerungszahl

Erhalt bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen

in der Landschaftspflege und in der Gewässerunterhaltung. Leerstehende Betriebsgebäude können vermietet oder für andere Zwecke genutzt werden, zum Beispiel zur Pensionspferdehaltung; Landwirtinnen und Landwirte können Bauernhof-Cafés eröffnen oder Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. Darüber hinaus bieten die neuen Kommunikationsmittel heute die Möglichkeit, räumlich unabhän-giger von den Kunden zu arbeiten, was auch im ländlichen Raum die Palette möglicher Geschäftsfelder erweitert, beispielsweise im IT-Bereich.

Ländliche Regionen müssen in die Lage versetzt werden, dieses Potenzial auszuschöpfen und gleichzeitig nachhaltig und ökologisch zu wirtschaf-ten. Gerade die naturreichen, wirtschaftlich aber noch weniger tragfähigen Gegenden brauchen dabei Unterstützung, damit ihre volkswirtschaftlichen Leistungen, die sie für den Natur- und Umweltschutz erbringen, ausreichend honoriert werden.

Das Naturerlebnis zählt seit Jahren zu den wichtigen Urlaubsmotiven. Für über 30 Prozent der Befragten ist es besonders wichtig, bei den Inlandsurlaubern trifft das sogar auf über 70 Prozent zu.

Erhalt eines an die Bevölkerungs-dichte angepassten, flexiblen

Dienstleistungs- und Infrastrukturangebots

Quelle: BMU (2007)

Doch es gibt Auswege: In der Pflege des Naturkapitals steckt noch ungenutztes Potenzial für die Entwicklung ländlicher Räume.

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Zuverlässige Förderung sichern

Die Politik sollte diese positiven Entwicklungen begleiten und aktiv voranbringen. Neben rechtlichen Vorschriften sollte der Staat auch gezielt finanzielle Anreize setzen. Bereits in der Vergangenheit waren Förderinstrumente er-folgreich, vor allem die Maßnahmen der zweiten Säule der Agrarpolitik: Sie sichern zum Beispiel durch Verträge mit landwirtschaftlichen Betrieben den Naturschutz, fördern

den Ökolandbau, verbessern Vermarktungsstrukturen landwirtschaftlicher Produkte und ermöglichen ganzen Regionen die Erarbeitung

umfassender Entwicklungskonzepte. Diese Maßnahmen müssen künftig noch verstärkt werden. Das kann nur durch eine ausreichende finanzielle Ausstattung sichergestellt wer-den – mit dem aktuellen Budget der zweiten Säule der eu-ropäischen Agrarpolitik lassen sich die Probleme ländlicher Regionen nicht lösen.

Der Anteil regionaler Lebensmittel am Gesamtverbrauch liegt nur in wenigen Gegenden über fünf Prozent. Das Potenzial liegt bei fast drei Viertel.

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Wie engagiert sich das BMU?BEISPIEL: NATURSCHUTZGROSSPROJEKTE

Marsch- und Niedermoorlandschaften, extensive Bergmähwiesen, aus-

gedehnte Riedlandschaften, Auenbereiche, periodisch überschwemmte

Grünlandbereiche, Streuwiesen, kulturhistorisch gewachsene Mittelge-

birgsbereiche und Heiden ... Deutschland hat viele einzigartige Natur- und

Kulturlandschaften, die Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten

sind und auf speziellen Schutz angewiesen sind. Dabei hat die traditionelle

extensive Landwirtschaft vor Ort eine besondere Bedeutung. Um diese

Gebiete zu schützen, fördert das BMU seit 1979 mit einem jährlichen Etat von

derzeit 14 Millionen Euro (insgesamt 300 Millionen Euro seit 1979) über

60 Naturschutzgroßprojekte mit einer Gesamtfläche von 220.000 Hektar.

Diese Maßnahmen schützen die Natur und schaffen gleichzeitig Arbeitsplätze.

˘www.bfn.de/0203_grossprojekte.html

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Wie engagiert sich das BMU?BEISPIEL: SIEDLUNGSENTWICKLUNG

Pro Tag werden durchschnittlich 114 Hektar freie Landschaft für Häuser und Straßen

verbaut - Tendenz steigend. Gemeinsam mit Umweltverbänden hat das Bundesamt

für Naturschutz (BfN) deshalb im Auftrag des BMU einen Leitfaden für nachhaltige

Siedlungsentwicklung geschaffen: „Ziel des Leitfadens ist es, die Lebensqualität der

Menschen zu erhöhen, ohne langfristig zusätzliche Flächen für Siedlung und Verkehr in

Anspruch zu nehmen“, sagt Professor Hartmut Vogtmann, Präsident des BfN. Genutzt

werden sollen zunächst einmal freie Flächen innerhalb der Städte und Gemeinden, hier

liege noch viel Bebauungspotenzial brach. „Das heißt aber nicht ‚Bauen in jeder Lücke

und um jeden Preis‘“, so Vogtmann. „Es müssen ausreichend Grünflächen, Parks und

Freiräume in den Städten erhalten bleiben - sonst ziehen die Menschen weiter an den

Stadtrand.“ Wie das gelingt, zeigt der Leitfaden mit vielen Praxisbeispielen und einem

Serviceteil, der die verschiedenen Instrumente, Verfahren und Handlungsspielräume

vorstellt.

˘www.euronatur.org/uploads/media/FlaecheDruckLow_5_MB.pdf

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STANDPUNKT„Naturschutz kann die wirtschaftliche Situation auf dem Land verbessern“

Herr Flasbarth, ländliche Regionen müssen mit vielen sozioökonomischen und umweltbezogenen Problemen kämpfen. Gleichzeitig sind die ohnehin schon knappen Finanzmittel aus ELER weiter gekürzt worden. Sehen Sie hier einen Ausweg?Flasbarth: Ländliche Gegenden haben einen großen Vorteil gegenüber Städten: Ihr Kapital sind ihre Natur und ihre Landschaft. Hier liegt noch großes Potenzial, das – entsprechend genutzt – dazu beitragen kann, die bestehenden Nachteile auszugleichen und das finanzielle Einkommen zu steigern. Wenn natürliche Ressourcen und der Naturschutz als Chance erkannt werden, kann Naturkapital die Wertschöpfungskette weiter ausbauen und so die wirtschaftliche Situation in ländlichen Regionen wesentlich verbessern.

Wie könnte das konkret aussehen?Flasbarth: Ein Beispiel ist die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen, die Vermarktung von Produkten „aus der Region für die Region“. Wenn ein Betrieb die eigenen, umweltfreundlich erzeugten Produkte selbst weiter-verarbeitet und vermarktet, verlängert er damit die Wertschöpfungskette und schafft neue Arbeitsplätze. Zum Beispiel die bundesweit größte Öko-Brauerei, die Neumarkter Lammsbräu: Dort arbeiten inzwischen 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und der Arznei- und Naturkosmetik-hersteller Weleda hat allein in Deutschland rund 600 Beschäftigte. Auch der Handel mit Bioprodukten wächst und schafft neue Jobs, wie nicht zuletzt die vielen neuen Biosupermärkte in Großstädten zeigen. Vor allem für das Umland größerer Städte bieten sich hier gute Chancen, die Stadtbewohner mit natur- und umweltgerecht erzeugten Lebensmitteln zu versorgen.

Auch die Landschaftspflege wird immer wichtiger. Dadurch wächst die Nachfrage nach landschaftsgerechten Spezialmaschinen, zum Beispiel nach bodenschonend fahrenden Mähdreschern oder nach Maschinen zur mecha-nischen Beikrautkontrolle. Besonders zukunftsträchtig ist die Erzeugung von Öko-Energie aus Schilf, Heckenschnitt und anderer Biomasse aus naturverträglicher Nutzung.

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Eine wichtige zusätzliche Einkommensquelle ist ja auch der Tourismus, Stichwort „Urlaub auf dem Bauernhof“ ...Flasbarth: Ja, das ist richtig. Intakte Landschaften und artenreiche Großschutzgebiete sind beliebte Ziele für Ausflüge und Urlaub. Naturverträglicher Tourismus kurbelt in ländlichen Regionen die Wirtschaft an. Ein schönes Beispiel dafür, wie Naturschutz und Tourismus voneinander profitieren können, ist das Rhönschaf: Ursprünglich vom Aussterben bedroht (1960 gab es nur noch rund 300 Tiere) ist es heute das touristische und kulinarische Markenzeichen der Rhön. Und der Gesamtbestand des Rhönschafs liegt wieder im fünfstel-ligen Bereich.

Das heißt, der Naturschutz kann unmittelbar von ökonomischen Maßnahmen pro-fitieren – und umgekehrt. Welche Rolle spielt hier die Landwirtschaft?Flasbarth: Eine ökologische, extensive Landwirtschaft schafft Arbeits-plätze. Laut Agrarbericht der Bundesregierung beschäftigen Biohöfe rund 34 Prozent mehr Menschen – obwohl sie mit 37.090 Euro durch-schnittlich 34 Prozent mehr Gewinn erwirtschaften als konventionelle Betriebe. Außerdem schützen sie in besonderer Weise die Artenvielfalt und das Grundwasser, verbrauchen weniger Energie und erhalten die Fruchtbarkeit des Bodens. Dazu kommen die artgerechtere Tierhaltung sowie der verbesserte Gesundheitsschutz für Produzenten und Ver-braucher.

Besonders in abgelegenen Regionen, die nur schwer zu bewirtschaf-ten sind, können halboffene Weidelandschaften eine Alternative sein. Sie schaffen in Deutschland praktisch nicht mehr vorhandene Wildnisgebiete, die wiederum attraktiv für den Tourismus und da-mit für die regionale Wertschöpfung sein können. Sie sind eine kos-teneffiziente Möglichkeit für eine nachhaltige und naturverträgliche Landnutzung. Alle diese Beispiele zeigen: Im Naturschutz liegen viele Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung ländlicher Regionen.

Ministerialdirektor Jochen Flasbarth ist Leiter der Abteilung „Naturschutz und Nachhaltige Naturnutzung“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

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Wie engagiert sich das BMU?BEISPIEL: STROM AUS WASSERKRAFT

Strom aus Wasserkraft ist eine klimaschonende, sichere und zuverlässige Form der

Energieversorgung. In Deutschland gibt es über 7.000 Wasserkraftwerke, die

meisten davon im ländlichen Raum. Im Auftrag des Deutschen Bundestages hat

das Bundesumweltministerium einen Leitfaden für die Vergütung von Strom aus

Wasserkraft im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erstellt. Der Leit-

faden zeigt: Wasserkraftnutzung und Naturschutz schließen sich nicht aus. Im

Gegenteil, wenn vorhandene Wasserkraftanlagen modernisiert werden, können sie

die Wasserkraft noch effektiver nutzen und gleichzeitig den ökologischen Zustand des

Gewässers und dabei insbesondere die Durchgängigkeit für Fische verbessern. Das

erhält auch die natürlichen Naherholungsgebiete in der Region, außerdem entstehen

durch die Bau- und Modernisierungsarbeiten neue Arbeitsplätze. Der Leitfaden mit der

Bestell-Nr. 2121 kann unter folgender Emailadresse bestellt werden:

˘[email protected]

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Wie engagiert sich das BMU? BEISPIEL: FÖRDERPREIS NATURSCHUTZHÖFE

Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist auf naturverträglich wirtschaftende Land-

nutzer angewiesen. Ohne sie lässt sich das Ziel der Bundesregierung, den Verlust

der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 zu stoppen, nicht erreichen. Deshalb

fördert das BMU den Wettbewerb „Förderpreis Naturschutzhöfe“, den das Bundes-

amt für Naturschutz gemeinsam mit der Stiftung Ökologie & Landbau in diesem Jahr

erstmalig durchgeführt hat. Ziel des Projekts ist der Aufbau eines deutschlandwei-

ten Netzes an Naturschutzhöfen, die auf ganz unterschiedliche Weise Naturschutz

in die landwirtschaftliche Praxis integrieren.

˘www.naturschutzhoefe.de

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EU-AGRARPOLITIK: FIT FÜR DIE ZUKUNFTWas ländliche Regionen stärkt

Eine Politik für die Entwicklung ländlicher Räume sollte zum Ziel haben, ein lebenswertes Umfeld für alle dort lebenden Menschen zu schaffen, Natur und Umwelt zu schützen und über die Landwirtschaft hinaus Innovation und Beschäftigung in ländlichen Gegenden zu fördern. Dabei steht eine nachhaltige Entwicklung im Vordergrund, die eine natur- und sozialver-trägliche Wirtschaft und Infrastruktur schafft, die Vielfalt und Eigenart der Kulturlandschaften erhält und gemeinsame europäische Ziele im Boden-, Natur- und Gewässerschutz umsetzt. Eine steuerfinanzierte Förderung ist in erster Linie dann gerechtfertigt, wenn Maßnahmen gesellschaftliche Werte schaffen oder erhalten. Zu diesen Werten zählen zum Beispiel die biologi-sche Vielfalt oder natürliche Ressourcen wie Wasser, Luft und Boden. Daneben müssen wirtschaftliche Anreize für Maßnahmen gesetzt werden, die neue Arbeitsplätze in ländlichen Regionen schaffen, zum Beispiel durch die Förderung innovativer Technologien oder regionaler Wirtschaftskreis-läufe.

Das heißt: Die Subventionierung der europäi-schen Landwirtschaft aus der ersten Säule –in die nach wie vor verhältnismäßig viele Steuergelder fließen – ist in ihrer heutigen Form nicht mehr zeitgemäß. Sie ist gesellschaftlich

umstritten und drängt Landwirte in die Rolle reiner Subventionsempfänger, ohne ihre tatsächliche Leistung für die Gesellschaft anzuerkennen. Die Koppelung an ökologische Beiträge der Landwirtschaft ist vom Prinzip her richtig. Aber die Leistungen, die Landwirtinnen und Landwirte für den Umwelt- und Naturschutz, für die Versorgung der Gesellschaft und für den

Jedes Prozent ersetzter Auslands-reisen schafft in Deutschland 10.000 bis 15.000 neue Arbeitsplätze.

„Landwirtschaft und Naturschutz schließen sich nicht aus. Ganz im Gegenteil: Sie profitieren voneinander und stärken ländliche Regionen, wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Das ist unsere Aufgabe.“ Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

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Erhalt unserer Kulturlandschaften erbringen, sollten gezielt und der konkreten Leistung entsprechend honoriert werden.

Von ihrem Ansatz her macht das die zweite Säule der europäischen Agrarpolitik möglich. Sie fördert zielgerichtet Landschaftspflege so-wie Umwelt- und Naturschutzleistungen der Land- und Forstwirte. Außerdem geht sie wesentlich besser auf die Bedürfnisse der einzel-nen Regionen ein, indem sie auch ökologische, soziale und andere wirtschaftliche Aspekte neben der Landwirtschaft berücksichtigt.

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Potenziale ländlicher Räume fördern

Eine Förderung, die alle Wirtschafts- und Lebensbereiche ländlicher Räume im Blick hat, kann deren Probleme wesentlich besser lösen als die reine Sub-ventionierung der landwirtschaftlichen Produktion. Deshalb sollte die EU-Förderung die spezifischen Potenziale ländlicher Räume insgesamt stärken.

Selbstverständlich spielt die Land- und Forstwirtschaft dabei durch ihre Nutzung und Pflege der natürlichen Ressourcen nach wie vor eine zentrale Rolle. Sie sollte jedoch noch stärker als bisher die Chancen der Diversifizierung nutzen.

Wie sieht das konkret aus?

Will die europäische Politik angemessen auf die konkreten Herausforderun-gen ländlicher Räume reagieren, muss die GAP weiterentwickelt werden:

Die gesamte Güterverkehrsleistung wird in den nächsten Jahren noch weiter erheblich zunehmen. Regionale Wirtschaftskreisläufe entlasten den Verkehr.

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weg von der Subventionierung der landwirtschaftlichen Produktion hin zu einer breiteren Förderung der spezifischen Potenziale ländlicher Regionen. Das bedeutet: Eine zukunftsfähige Förderung für Umwelt, Landwirtschaft und ländliche Räume sollte gezielt Maßnahmen nach dem Vorbild der zwei-ten Säule unterstützen.

Im Zentrum eines neuen Förderinstruments sollten demnach Maßnahmen stehen, die landwirtschaftliche Betriebe und andere Akteure im länd-lichen Raum für deren gesellschaftlich gewünschte ökologische und soziale Leistungen entlohnen, wie zum Beispiel den Schutz und die Pflege von Hecken, artenreichen Mähwiesen oder auch Ackerrandstreifen in intensiv genutzten Regionen, die hier Wildtieren Deckung bieten. Eine Schlüsselrolle nehmen in der Förderpolitik Natur und Umwelt ein, da eine intakte Umwelt einerseits wirtschaftliche Potenziale bietet, andererseits der Staat durch ein solches Instrument seiner Verantwortung für den Schutz von Natur und Umwelt Rechnung tragen kann.

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Bei der Vergabe der Mittel soll verstärkt auf Marktmechanismen gesetzt wer-den, zum Beispiel indem eine gewünschte Umweltmaßnahme öffentlich ausgeschrieben wird. Sowohl Regionen als auch Unternehmen können sich um die zu vergebenden Mittel bewerben. Noch effektiver sind Maßnahmen, wenn die Eigeninitiative der Akteure vor Ort gestärkt wird. Deshalb sollten verstärkt Beratungs- und Qualifikationsmöglichkeiten angeboten werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf integrierte Entwicklungskonzepte gelegt, wie sie etwa im Rahmen der EU-Förderinitiative LEADER verfolgt werden: Lokale Aktionsgruppen erarbeiten ein gemeinsames Aktionsprogramm für ihre Region, das mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt. Durch die dabei besser auf-einander abgestimmten Maßnahmen können Synergieeffekte erzielt werden.

Neben dieser differenzierten, möglichst in Regionalkonzepte eingebetteten Leistungshonorierung könnte eine regional begrenzte, auf den Erhalt der biologischen Vielfalt und Kulturlandschaften abzielende Basisförderung ge-schaffen werden. Auf diese Weise könnte auf weniger verwaltungsintensive

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Art und Weise ein Beitrag geleistet werden, die Landwirtschaft in Gebieten aufrechtzuerhalten, die unter ökonomischen Gesichtspunkten nur schwer be-wirtschaftet werden können, aber dank extensiver Bewirtschaftung eine be-sonders hohe Artenvielfalt aufweisen.

Solch ein neues Fördersystem erfordert ein klares Umdenken. Doch es trägt maßgeblich dazu bei, unsere ländlichen Regionen zu stärken und zu schützen. Und damit unsere Lebensgrundlage zu bewahren. Es erhält un-sere Kulturlandschaften und unseren vertrauten Natur-, Freizeit- und Wirtschaftsraum. Deshalb darf die Entscheidung nicht auf die lange Bank geschoben werden. Unsere Ressourcen sind begrenzt, Landwirtinnen und Landwirte brauchen Planungssicherheit, ländliche Regionen eine effektive-re Förderung. Das heißt: Wir sollten kurzfristig die Zielrichtung bestimmen und den Anpassungsprozess einleiten. Für eine effektivere Unterstützung ländlicher Regionen, für einen stärkeren Umwelt- und Naturschutz. Für eine nachhaltige Sicherung unseres gemeinsamen Lebensraums.

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„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen …“

Grundgesetz, Artikel 20 a

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