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Netzwerk: Soziales neu gestalten (Hrsg.) Zukunft Quartier – Lebensräume zum Älterwerden Band 3: Soziale Wirkung und »Social Return« – Eine sozioökonomische Mehrwertanalyse gemeinschaftlicher Wohnprojekte

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Netzwerk: Soziales neu gestalten (Hrsg.)

Zukunft Quartier –Lebensräume zum Älterwerden

Band 3: Soziale Wirkung und »Social Return« –Eine sozioökonomische Mehrwertanalysegemeinschaftlicher Wohnprojekte

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 E-Book-Ausgabe (PDF)© 2009 Verlag Bertelsmann Stiftung, GüterslohVerantwortlich: Gerhard KrayssFachlich verantwortlich: Dr. Volker Then (CSI), Dr. Peter Westerheide (ZEW)Lektorat: Dr. Arno Kappler, SoestHerstellung: Christiane RaffelUmschlaggestaltung: Nadine HumannUmschlagabbildung: Veit Mette, BielefeldSatz und Druck: Hans Kock Buch- und Offsetdruck GmbH, BielefeldISBN 978-3-86793-099-4

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag

Inhalt

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Das Netzwerk: Soziales neu gestalten (SONG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1 Einleitung: Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

2 Funktionslogik und Finanzierung der Modellprojekte . . . . . . . 412.1 Sozialpolitische und soziokulturelle

Bestimmungsfaktoren für die Entwicklungneuer Wohnformen im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

2.2 Bremer Heimstiftung: Haus im Viertel . . . . . . . . . . . . . . . . 452.3 Stiftung Liebenau: Lebensräume für Jung und Alt . . . . . 502.4 Evangelisches Johanneswerk:

Projekt »Heinrichstraße«, Bielefeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542.5 CBT – Caritas-Betriebsführungs- und

Trägergesellschaft mbH: Mehrgenerationenwohnhaus»Miteinander leben und wohnen«, Wipperfürth . . . . . . . 59

2.6 Eine Gegenüberstellung der Finanzierungsmodelle . . . . 64

5

3 Quantitative Analyse des Social Return on Investment . . . . . . 693.1 Das Konzept des Social Return on Investment und seine

Übertragung auf die Projekte des SONG-Netzwerkes . . . 693.1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

3.2 Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.2.1 Datengrundlagen: Bewohnerbefragung und

betriebswirtschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.2.2 Vergleich mit einer Kontrollgruppe . . . . . . . . . . . . . 73

3.3 Deskriptive Ergebnisse der Befragungen . . . . . . . . . . . . . . . 743.3.1 Projekte der Programmgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 753.3.2 Zusammensetzung der Programmgruppe . . . . . . 763.3.3 Einrichtungen der Kontrollgruppe . . . . . . . . . . . . . . 833.3.4 Zusammensetzung der Kontrollgruppe . . . . . . . . . 863.3.5 Deskriptive Ergebnisse der Befragung

der Programmgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923.3.6 Deskriptive Ergebnisse der Befragung

der Kontrollgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1093.4 Betriebswirtschaftliche Analyse:

Vorgehen und Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1283.5 Matching von Programm- und Kontrollgruppe . . . . . . . . . 131

3.5.1 Beschreibung des methodischen Ansatzes . . . . . . 1313.5.2 Praktische Umsetzung des Matchings

im SONG-Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1353.5.3 Ergebnisse des Vergleichs von Hilfebedarf und

entstehenden Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1563.5.4 Ergebnisse des Matchings für die

qualitativen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1743.6 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

4 Qualitative Analysen: Quartier und Welfare Mix . . . . . . . . . . . . . 1954.1 Vertiefende Quartiersanalyse:

Gegenseitiger Nutzen von Projekt und Quartier . . . . . . . . 1964.1.1 Quartiersbegriff und Quartiersansatz . . . . . . . . . . . 1964.1.2 Ergebnisse aus der standardisierten Befragung

der Programmgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

6

4.1.3 Der Ansatz der vertiefenden Quartiersanalyse . . . 1994.1.4 Angebote für das Quartier und

aus dem Quartier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2004.1.5 Quartiersbezug auch durch

Kooperationen im Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2024.1.6 Räume für das Stadtteilleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2034.1.7 Nutzung und Nutzen von Angeboten

im Quartier durch Bewohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2044.1.8 Bedeutung für Beschäftigte und Angehörige . . . . 2064.1.9 Beschäftigungswirksamkeit und

neue Qualifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2074.1.10 Wirtschaftlicher Austausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2084.1.11 Vielfältige Kooperationen im Quartier –

auch generationenübergreifend . . . . . . . . . . . . . . . . 2084.1.12 Umfassende Qualitätsverbesserung im Quartier 2104.1.13 Lebendigkeit –

Teilhabe am normalen städtischen Leben . . . . . . . 2104.1.14 Nutzungsvielfalt im Quartier –

städtebauliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2114.2 Selbstbestimmung und Teilhabe:

Eine Analyse der Welfare-Mixturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2144.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2144.2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 2164.2.3 Eine neue Kultur des Zusammenlebens? . . . . . . . 225

5 Gesellschaftspolitische Relevanz der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 229

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

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Abkürzungen

ATT Average Treatment Effect on the TreatedBGW Bielefelder Gemeinnützige WohngesellschaftBMFSFJ Bundesministerium für Familien, Senioren Frauen und

JugendBMG Bundesministerium für GesundheitBMGS Bundesministerium für Gesundheit und Soziale SicherungCBT Caritas-Betriebsführungs- und TrägergesellschaftGWA GemeinwesenarbeiterinKDA Kuratorium Deutsche AltershilfeMDS Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der

KrankenkassenMDK Medizinischer Dienst der KrankenkassenNBH Nachbarschaftshilfe/-helferinPDL Leitung des PflegedienstesREDF Roberts Enterprise Development FundSONG (Netzwerk) Soziales neu gestaltenSROI Social Return on InvestmentWfbM Werkstatt für behinderte MenschenWHO World Health OrganizationZEW Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbHzze Zentrum für zivilgesellschaftliches Engagement

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Vorwort

Der vieldiskutierte demographische Wandel erfasst als übergreifen-der Megatrend alle Lebens- und Politikbereiche unserer Gesellschaft;er verlangt nach einer infrastrukturellen Neuausrichtung der Betreu-ungs- und Versorgungslandschaft für hilfebedürftige Menschen. Not-wendig sind generationsübergreifende Versorgungsangebote, diekleinräumige Unterstützungsstrukturen etablieren und stärken unddamit die Eigenverantwortung und Solidarität der Menschen vor Ortfördern.

Das Netzwerk: Soziales neu gestalten (SONG) hat sich in einerReihe von Studien mit Lebensraum- und Quartierskonzepten, neuenKooperations- und Netzwerkformen sowie einer kommunale Ver-ankerung von »Sorgeaufgaben« auseinandergesetzt.

Die vorliegende Publikation zur sozialen Wirkung und »SocialReturn« untersucht den realen sozioökonomischen Nutzen neuerWohnmodelle. Die Analyse zeigt, wie sich quartiersbezogene, ge-meinschaftliche Wohnprojekte auf den konkreten Hilfebedarf unter-stützungsbedürftiger Personen auswirken. Die Wirkungsmessungnach dem Social Return on Investment Konzept (SROI) konzentriertsich dabei auf drei Fragekomplexe:• Inwieweit können (moderierte) gemeinschaftliche Aktivitäten der

Bewohner professionelle Unterstützungsleistungen substituieren?• Welche Kosten fallen für die Unterstützung an und von wem wer-

den sie getragen?• Welche Verbesserungen werden im Hinblick auf die Lebens- und

Wohnqualität erreicht?

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Unser besonderer Dank gilt den Autoren Dr. Volker Then vomCentrum für Soziale Investitionen (CSI), Dr. Peter Westerheide vomZentrum für Europäische Wirtschaftforschung (ZEW) für die Erar-beitung dieser sozioökonomischen Mehrwertanalyse. Danken möch-ten wir auch den Autoren Professor Dr. Thomas Klie und Dr. Hans-Joachim Lincke vom Zentrum für Zivilgesellschaftliche Entwicklung(zze) für die Zusammenfassung der Ergebnisse der Welfare-Mix-Ana-lyse, sowie Frau Gabriele Steffen vom Institut Weeber + Partner fürdie Aufbereitung der deskriptiven Quartiersanalyse und die Durch-führung der Interviews. Schließlich möchten wir uns auch bei denzahlreichen Experten vor Ort und den Einrichtungen der Kontroll-gruppe bedanken, die die wissenschaftliche Studie unterstützt haben.

Mit dieser Publikation, die die Reihe »Zukunft Quartier« abschließt,hoffen wir im Interesse der älteren Menschen wie auch der Gesell-schaft insgesamt einen weiteren Impuls zur Fortentwicklung quar-tiersnaher Wohn- und Versorgungsangebote zu geben.

Die Herausgeber

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Das Netzwerk: Soziales neu gestalten (SONG)

Das »Netzwerk: Soziales neu gestalten« ist ein Zusammenschlussmehrerer Akteure in der Sozialwirtschaft. Ihr gemeinsames Fundamentsind ihr Engagement für das Gemeinwohl und der Wille, die Heraus-forderungen und Chancen des demographischen Wandels aktiv zugestalten. Die Partner des Netzwerks sind:• Bank für Sozialwirtschaft AG, Köln• Bertelsmann Stiftung, Gütersloh• Bremer Heimstiftung, Bremen• CBT – Caritas-Betriebsführungs- und Trägergesellschaft mbH, Köln• Evangelisches Johanneswerk e.V., Bielefeld• Stiftung Liebenau, Meckenbeuren-Liebenau

In den Einrichtungen und Geschäftsstellen der Netzwerkpartner arbei-ten rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Jahres-umsatz von über 3 Mrd. Euro erzielen. Mit ihren ambulanten, teilsta-tionären und stationären Angeboten in der Alten-, Behinderten- undJugendhilfe sowie mit Bildungsarbeit und generationenübergreifen-den Projekten erreichen sie mehr als 50.000 Menschen.

Alle Netzwerkpartner teilen die Überzeugung, dass soziale Leis-tungen für die Zukunft dem Wunsch der Menschen nach Eigenver-antwortung und Selbstbestimmung zu entsprechen haben sowie nach-haltig zu sichern sind. Daher müssen sich soziale Leistungen ver-stärkt an den Begriffen Solidarität und Subsidiarität und an demSozialraum orientieren, um eine möglichst hohe Lebensqualität zugewährleisten. Eine solche Grundausrichtung stiftet durch die Mög-

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lichkeit der Teilhabe bei den Menschen letztlich mehr Sinn als eineallein auf Konsum sozialstaatlicher Leistungen orientierte Einstellung.Die Kooperation der Beteiligten auf Ortsebene soll allen Bürgerinnenund Bürgern – mit und ohne Hilfebedarf – ein selbstbestimmtesLeben ermöglichen. Die Teilhabe an der Gesellschaft entwickelt sichdurch ein Geben und Nehmen im sozialen Miteinander am jeweili-gen Wohnort.

Vor diesem Hintergrund befassen sich alle Netzwerkpartner mitder Entwicklung innovativer Konzepte und neuer Mechanismen derSteuerung dieser Angebote. Sie suchen die Diskussion mit der Fach-öffentlichkeit und mit der Politik. Die Aktivitäten werden auf The-men fokussiert, die entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähig-keit der Gesellschaft haben. Dabei spielen die Themenfelder Alten-,Behinderten- und Jugendhilfe eine große Rolle. In der ersten Projekt-phase bearbeitet das Netzwerk schwerpunktmäßig die Fragen einerzukunftsfähigen Ausrichtung der Altenhilfe. Eine besondere Rollespielen dabei innovative, gemeinwesenorientierte Wohn- und Betreu-ungsmodelle.

Die Netzwerkpartner sehen in dieser Ausrichtung ein herausragen-des Qualitätsmerkmal der Angebote der freien Wohlfahrtspflege. Mitgemeinwesenorientierten Konzepten kann die Funktion der Trägerder freien Wohlfahrtspflege als Dienstleister mit dem Gedanken derGemeinwohlförderung verknüpft werden. Zudem lassen sich da-durch auf Ortsebene die Ressourcen von Staat, Markt und Bürgerge-sellschaft personen- und bedürfnisorientiert verbinden.

Während sich viele gemeinwesenorientierte Konzepte immernoch am Anfang der Entwicklung befinden, haben die vier großenTrägerorganisationen unter den Netzwerkpartnern in den letzten Jah-ren bereits zukunftsweisende Wohnprojekte realisiert. Sie verfügendamit über ein breites Erfahrungswissen. Dieses wird im NetzwerkSONG im kritischen, reflektierten Dialog und durch wissenschaftli-che Analysen auf den Prüfstand gestellt.

Ein gemeinsames Ziel der Netzwerkpartner ist es, breitenwirksame,zielgruppenspezifische Rahmenbedingungen für quartiersbezogeneLeistungs- und Wohnangebote zu entwickeln, zu definieren und da-

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raus sozialpolitische Anforderungen zu benennen. Als Projektgrund-lage dienen die Evaluation der bestehenden vier Modelle zwischen 2006und 2008, weitere in Planung befindliche Projekte sowie die generel-len Erfahrungen der Netzwerkpartner im Altenhilfesystem.

Organisation Projekt

Bremer Heimstiftung »Haus im Viertel«

Evangelisches Johanneswerk e.V. »Projekt Heinrichstraße«

CBT – Caritas-Betriebsführungs- undTrägergesellschaft mbH

»Mehrgenerationenwohnhaus Wipperfürth«

Stiftung Liebenau »Lebensräume für Jung und Alt«

Weitere Partner des Netzwerks SONG sind die Bertelsmann Stiftungund die Bank für Sozialwirtschaft AG. Die Bertelsmann Stiftung un-terstützt SONG in der Koordination der Netzwerkarbeit und mit ihrenpolitikberatenden Erfahrungen. Die Bank für Sozialwirtschaft bringtihre langjährige Erfahrung mit der Finanzierung von Sozial- und Ge-sundheitsdiensten ein. Sie ist unmittelbar konfrontiert mit den Gren-zen der bisherigen Angebotsgestaltung und Finanzierung, aber auchmit den neuen Anforderungen an Anbieter und Mittelgeber.

Das Projekt umfasst folgende Module:• Bestandsaufnahme in Form einer Selbstdarstellung der zu unter-

suchenden gemeinschaftlichen Wohnprojekte• Potenzialanalyse dieser quartiersbezogenen Wohnprojekte• Sozioökonomische Mehrwertanalyse gemeinschaftlicher Wohnpro-

jekte nach dem Ansatz »Social Return on Investment« (SROI)• Durchführung von fünf Fachgesprächen (Workshops mit rund

60 Fachleuten aus den Partnerorganisationen) zu zentralen Fragender Gestaltung und Finanzierung sozialer, gemeinwesenorientier-ter Leistungen und Hilfen

• Erstellung von Handlungsempfehlungen• Beratung politischer Entscheidungsträger• Erarbeitung von Fachpublikationen• Realisierung eines Dokumentarfilms• Durchführung öffentlicher Transferveranstaltungen

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Zusammenfassung

Die wichtigsten Ergebnisse der»Social Return on Investment«-Analyse auf einen Blick

• Es werden vier unterschiedlich strukturierte Wohnprojekte an ins-gesamt acht Standorten betrachtet. Analysiert werden der Unter-stützungsbedarf älterer Bewohner, die Art und Weise, wie er ge-deckt wird, und die damit verbundenen Kosten. Darüber hinauswerden Indikatoren zur Lebens- und Wohnqualität ausgewertet.

• Zentrales Kriterium im Rahmen unserer Messung des Social Re-turn on Investment ist die Bestimmung der Kosten des Unterstüt-

zungsbedarfs je Bewohner. Unser Hauptergebnis: Es errechnen sichgeringere durchschnittliche Kosten je Bewohner, bezogen auf den»Bewohner-Mix« aller Projekte, im Vergleich zu einer ähnlichstrukturierten Kontrollgruppe.

• Es bestehen Anzeichen für eine bessere Gesundheitsentwicklung:Gesundheitszustand und Pflegebedarf unterscheiden sich zumBefragungszeitpunkt, obwohl vor Einzug keine signifikanten Un-terschiede in den Stichproben bestanden haben.

• Der Hilfebedarf ist in der Programmgruppe insgesamt geringer,aber: Nachbarschaftshilfe wird trotz geringeren Unterstüt-zungsbedarfs in den Modellprojekten stärker als in der Kontroll-gruppe in Anspruch genommen.

• Befragte in der Programmgruppe verbringen signifikant weni-ger Zeit allein in der eigenen Wohnung. Wohn- und Lebensbe-dingungen sowie soziales Zusammenleben im Viertel werden in

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den Modellprojekten deutlich besser bewertet als in der Kontroll-gruppe.

• Ökonomische Effekte:• Es besteht Potenzial an Einsparungen und Beitragssenkungen

für die Pflegeversicherung.• Bewohner sparen aufgrund geringeren Unterstützungsbedarfs

bzw. verfügen über anderweitig verwendbares Einkommen.• Das Quartier profitiert tendenziell durch höheren Austausch.• Es ist keine Hochrechnung im strengen Sinne möglich, aber

die Charakteristika der Bewohner lassen auf eine erheblichepotenzielle Breitenwirkung der untersuchten Konzepte schlie-ßen.

Die wichtigsten Ergebnisse der SROI-Analyse

Die vorliegende Mehrwertanalyse untersucht quartiersbezogene ge-meinschaftliche Wohnprojekte vier großer deutscher Träger auf ihrenökonomischen und sozialen Mehrwert gegenüber traditionellen For-men des Wohnens und Lebens im Alter. Alle Modellprojekte arbeitenmit zwar unterschiedlich gestalteten, aber immer für das Projekt zent-ralen Ansätzen der Gemeinwesenarbeit.

Untersuchte Modelle

Im Grundsatz zeichnen sich die hier betrachteten Modellprojektedurch einen generationenübergreifenden Ansatz des moderierten undbarrierefreien Wohnens aus. Die Angebote zielen im Schwerpunktsowohl auf ältere Menschen und Menschen mit Behinderung alsauch auf Familien ab.

Im Einzelnen wurden fünf Standorte des Konzepts »Lebensräumefür Jung und Alt« der Stiftung Liebenau, das »Haus im Viertel« derBremer Heimstiftung, das Projekt »Heinrichstraße« des EvangelischenJohanneswerks und das Mehrgenerationenwohnhaus »Miteinander

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leben und wohnen« der CBT – Caritas-Betriebsführungs- und Träger-gesellschaft mbH Köln in Wipperfürth betrachtet. Während dieStandorte der Stiftung Liebenau und der Standort Wipperfürth derCBT vor allem auf die Erschließung von Hilfen auf Gegenseitigkeitdurch soziale Netzwerke setzen und dabei die Gemeinwesenarbeitbesonders betonen, setzen die Projekte in Bremen und Bielefeld zu-sätzlich und konzeptionell integriert auf betriebswirtschaftliche Effekte:Hier spielen die Effizienzsteigerung und die Synergien, die aus derIntegration von bestimmten Personengruppen (Demenz, Behinde-rung) in das Quartiersprojekt entstehen, eine wichtige Rolle. Zudemweist das Projekt in Bremen den größten Anteil älterer Menschenauf, sodass hier der intergenerationale Aspekt sozialer Vernetzungweniger zum Tragen kommt. In Bremen und Bielefeld lebt eine nen-nenswerte Anzahl von Menschen mit einer anerkannten Pflegestufe,sodass hier für einen 24-Stunden-Pflegestützpunkt die entspre-chende Auslastung gewährleistet werden kann. Die vier Projekttypenlassen sich also einerseits nach ihrem Arbeitsschwerpunkt und damitauch dem Geschäftsmodell unterscheiden, andererseits nach der ge-wählten Finanzierungsstrategie für die Gemeinwesenarbeit.

Die Mehrkosten für die Modelleigenschaften an den einzelnenStandorten werden finanziell durch vier unterschiedliche Strategiengetragen: Im Liebenauer Sozialfondsmodell werden Bauträgergewinne,Beiträge der Kommunen (z.B. kostenlos oder vergünstigt eingebrachteGrundstücke) oder in einem Bürgerstiftungsmodell gebündelte Spen-den und Stiftungsbeiträge in einem Stiftungsfonds verbunden, des-sen Erträge einen großen Teil der sozialarbeiterischen Begleitung derQuartiersprojekte finanzieren. Der verbleibende Abmangel wird zur-zeit von der Stiftung Liebenau getragen.

Im Bremer Umlagemodell werden die Kosten auf die einzelnenWohneinheiten umgelegt. Dieses eher einer privatwirtschaftlichenMarktlogik folgende Vorgehen arbeitet unter den soziostrukturellenBedingungen in Bremen erfolgreich.

In der Logik des Bielefelder Modells werden die Kosten für dieGemeinwesenarbeit vor allem über die Pflegekosten und über Frei-willigenengagement getragen. Ein nennenswerter Anteil von Bewoh-

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nern mit Pflegestufe ermöglicht die notwendige Auslastung einesPflegestützpunktes im Modellprojekt.

In Wipperfürth kann das Vorgehen als Trägermodell bezeichnetwerden, in dem hauptsächlich die CBT die entstandenen Mehrkostenträgt. Im Übrigen genießt die Selbstbestimmung der Bewohner seitder Planungsphase des Projekts einen hohen Stellenwert, sodass dieGemeinwesenstrukturen vor allem auf der Eigeninitiative der Bewoh-ner beruhen.

Untersuchungsfragen und Methodik

Die abstrakte Frage nach dem ökonomischen und sozialen Mehrwertlässt sich in folgenden Fragen konkretisieren:• Wie wirken sich die Modelle auf den konkreten Hilfebedarf unter-

stützungsbedürftiger Menschen aus?• Unter Beteiligung welcher Akteure wird die benötigte Unterstüt-

zung bereitgestellt?• In welchem Umfang können (moderierte) gemeinschaftliche Ak-

tivitäten der Bewohner professionelle Unterstützungsleistungensubstituieren?

• Welche Kosten fallen für die Unterstützung an und von wem wer-den sie getragen?

• Welche Verbesserungen im Hinblick auf die Lebens- und Wohn-qualität werden durch die Modellprojekte bewirkt?

Im Mittelpunkt der quantitativen Untersuchung steht eine Analyse,die sich methodisch an das Konzept der »Social Return on Invest-ment«-Analysen (SROI) anlehnt. Im Rahmen von SROI-Analysenwerden sowohl das betriebswirtschaftliche Ergebnis sozialwirtschaft-licher Unternehmungen als auch ihre gesellschaftlichen Zusatz-erträge zu erfassen versucht. Das SROI-Konzept, das die Trennung inökonomische, sozioökonomische Erträge und nicht monetär quantifi-zierbare Zusatzerträge vorsieht (siehe Abbildung 1), wurde in modifi-zierter Form auf die vorliegende Untersuchung übertragen: Im Ge-

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gensatz zu der Methodik in US-amerikanischen Arbeiten wurden nichtdie monetär quantifizierbaren Kapitalwerte errechnet, sondern Kosten-relationen im Vergleich von Modellprojekten (Programmgruppe) undeiner Kontrollgruppe gebildet. Der monetär quantifizierbare SocialReturn on Investment wird in diesen Kostendifferenzen ausgedrückt.

Die gesellschaftlichen Zusatzerträge können – bezogen auf die hierim Fokus stehenden Projekte – z.B. darin bestehen, dass der profes-sionelle Unterstützungsbedarf der Bewohner in den Modellprojektengeringer ist, als dies in alternativen Unterstützungsformen der Fallwäre. Die daraus resultierenden Kostenersparnisse fallen nicht not-wendigerweise auf Ebene der Projekte oder ihrer Bewohner selbst an,sondern kommen beispielsweise den Sozialversicherungsträgern undKommunen durch geringere Ausgaben zugute.

Im Zentrum dieser Analyse steht die vom ZEW vorgenommeneökonometrische Auswertung einer umfangreichen Bewohnerbefra-gung in den Modellprojekten und einer zum Vergleich herangezoge-nen Kontrollgruppe. Diese Analysen basieren auf einem Vergleichvon Menschen in möglichst vergleichbaren Lebenssituationen. Insbe-sondere wurden die Variablen Alter, Geschlecht, Pflegebedürftigkeitvor Einzug, Summe vorhandener schwerwiegender körperlicher Be-einträchtigungen vor Einzug, Grad der Behinderung, Anzahl der Kin-der, Haushaltsgröße sowie bürgerschaftliches Engagement vor Ein-zug in einem statistischen Matching-Verfahren berücksichtigt. Durchdieses Vorgehen wurden Verzerrungen der Ergebnisse mit statisti-

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Abbildung 1: Wertkategorien des SROI-Konzepts

Economic Value:betriebswirtschaftliches Ergebnis im engeren Sinne

Socio-Economic Value:monetär quantifizierbare Zusatzkosten/-erträge

Social Value:nicht monetär quantifizierbarer Zusatznutzen

schen Mitteln bereinigt, d.h., es kann weitgehend ausgeschlossen wer-den, dass sich mögliche Kostenvorteile nur deshalb ergeben, weil ineinem Modellprojekt zufällig gesündere, weniger unterstützungs-bedürftige, besonders engagierte, finanziell besser gestellte oder durchandere besondere Merkmale charakterisierbare Menschen leben. Umdie Gesamtkostensituation in den Modellprojekten zu evaluieren,wurde eine umfassende betriebswirtschaftliche Analyse aller Modell-projekte und der institutionellen Einrichtungen der Altenpflege inder Kontrollgruppe durchgeführt. Alle Analysen legen vergleichbareKostenbegriffe zugrunde und bereinigen die Ergebnisse um besondereEffekte wie öffentliche Subventionen, Spenden, unentgeltlich über-lassene Grundstücke etc.

Zentrales Kriterium der SROI-Analyse im Rahmen des vorliegen-den Untersuchungsdesigns ist die Bestimmung der Kosten des Un-terstützungsbedarfs je Bewohner. Ein Vergleich der Kosten in der Mo-dell- und Kontrollgruppe führt schließlich zu einer Kostenersparnisoder zu Mehrkosten für Träger und Bewohner in den Modellprojek-ten, die im Sinne der drei SROI-Kategorien dem ökonomischen unddem sozioökonomischen Mehrwert zugerechnet werden können.Dies betrifft insbesondere mögliche Kostenersparnisse der Träger (imbetriebswirtschaftlichen Sinne) und der Bewohner sowie Einsparpoten-ziale auf gesellschaftlicher Ebene infolge eines besseren Gesundheits-zustands bzw. eines geringeren Pflege- und Unterstützungsbedarfs.

Die quantitativen Analysen werden ergänzt durch vertiefende Be-trachtungen zum Zusammenwirken verschiedener Institutionen ausdem öffentlichen, privaten und gemeinwirtschaftlichen Bereich inden Projekten (Welfare Mix). Diese qualitativen Aspekte werden mitquantitativen und qualitativen Variablen gemessen (z.B. die Formennachbarschaftlichen Engagements, Zeitverwendung, Form und An-zahl der Aktivitäten in der Nachbarschaft, Nutzung des Quartiers).Allerdings lässt sich der Nutzen für Bewohner, Träger und Gesell-schaft auf dieser Ebene nicht direkt monetär bewerten. Dies schließtnicht aus, dass Rückwirkungen auf der Ebene des monetär bewert-baren ökonomischen und sozioökonomischen Mehrwerts zum Aus-druck kommen. Direkt zurechenbar sind sie gleichwohl nicht.

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Die unterschiedlichen Ergebnisebenen der vorliegenden Analyse kön-nen demnach den Kategorien der SROI-Analyse systematisch zuge-ordnet werden: Die Ergebnisse der quantitativen und monetär bewer-tenden Analysen beschreiben den ökonomischen und sozioökonomi-schen Return. Die ergänzende Auswertung qualitativer (im Sinne nichtmonetär bewertbarer) Indikatoren bezieht sich vorwiegend auf dieEbene des sozialen Mehrwerts, liefert aber auch zusätzliche Erkennt-nisse zu den Ursachen ökonomischer und sozioökonomischer Ertrags-bzw. Kostenunterschiede (siehe Abbildung 2).

Ergebnisse der ökonometrischen Analyse

In der ökonometrischen Auswertung der Bewohnerbefragung in denModellprojekten und in der Kontrollgruppe konnten folgende zent-rale Ergebnisse erzielt werden:• Die gesundheitliche Entwicklung der Bewohner in den Modell-

projekten weicht signifikant von der Entwicklung in der Kontroll-gruppe ab: Obwohl vor dem Einzug in die jeweiligen Projektekeine signifikanten Unterschiede in der Anzahl der schwerwie-genden gesundheitlichen Einschränkungen und im Pflegebedarfbestanden, waren zum Befragungszeitpunkt signifikant geringere

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Abbildung 2: Systematisierung der Ergebnisse nach SROI-Kategorien

Quantitative Indikatoren (Economic + Socio-Economic Return)

• Gesundheitszustand, Pflege- und Unterstützungsbedarf• Kosten

Qualitative Indikatoren (� Social Return)

• Nachbarschaftliches Engagement• Zeitverwendung und Aktivitäten in der Nachbarschaft• Nutzung von Quartier und städtischem Umfeld• Wohnqualität, soziales Umfeld, Zufriedenheit

Werte bei den Krankheits- und Pflegeindikatoren in den Modell-projekten festzustellen. Dies ist ein Indiz für mögliche positiveEffekte der Modellprojekte auf die Entwicklung des Pflegebedarfs,sollte aber auch nicht überinterpretiert werden. Unsere quantitati-ven Analysen verwenden notwendigerweise recht grobe Indikato-ren für den Gesundheitszustand und Pflegebedarf, die für die spä-tere Entwicklung relevante, vor dem Einzugszeitpunkt bereits beste-hende Unterschiede möglicherweise nicht erkennen lassen. Auchunterschiedliche Verweildauern können die Ergebnisse beeinflussen.

• Um diesen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, wurden unsereAnalysen in zwei Szenarien berechnet: Variante 1 verwendet denGesundheitszustand und den Pflegebedarf vor dem Einzug in dieProjekte und Einrichtungen als Referenzpunkt, Variante 2 beziehtsich auf den Gesundheitszustand und den Pflegebedarf zum Be-fragungszeitpunkt. Letztere vergleicht also Bewohner in Modell-projekten und Kontrollgruppe mit gleichem gesundheitlichemStatus zum Zeitpunkt der Befragung und blendet die beobacht-baren positiven Abweichungen in den Modellprojekten als nichtvon den Modellprojekten beeinflusst aus.

Betrachtete Varianten• Variante 1 bezieht als erklärende Variable für die Zuordnung zur

Programmgruppe oder zur Kontrollgruppe Daten zum Gesund-heitszustand und Pflegebedarf ausschließlich vor dem Einzug indie Projekte bzw. Einrichtungen ein.

• Variante 2 bezieht als erklärende Variable für die Zuordnung zurProgrammgruppe oder zur Kontrollgruppe Informationen zumGesundheitszustand bzw. Pflegebedarf ausschließlich zum Befra-gungszeitpunkt ein.

• In beiden Varianten lässt sich ein geringerer Hilfebedarf der Be-wohner in der Programmgruppe gegenüber jenen in der Kontroll-gruppe erkennen. Statistisch signifikant sind diese Unterschiede

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nur bei der Betrachtung der Gruppe der über 50-Jährigen (im Fol-genden vereinfacht als die über 50-Jährigen bezeichnet).1 Größerund deutlicher ist der Unterschied erwartungsgemäß in der Vari-ante 1, die die bessere gesundheitliche Entwicklung bzw. den ge-ringeren Pflegebedarf den Modellprojekten zurechnet. Bemerkens-wert ist, dass trotz des (z.T. insignifikant) geringeren Hilfebedarfsein (z.T. signifikanter) positiver Unterschied in der Inanspruch-nahme von Hilfen durch andere Bewohner in den Modellprojek-ten besteht.

• In beiden Szenarien weisen die Modellprojekte Kostenvorteilegegenüber der Kontrollgruppe auf. Die Effekte fallen erwartungs-gemäß am stärksten aus, wenn Variante 1 betrachtet wird. UnsereResultate ergeben in der Variante 1 eine Kostenreduzierung vonrund 30 Prozent, wenn die Kosten über Bewohner- und Träger-ebene saldiert werden. Betrachtet man nur die über 50-Jährigen,so beträgt die Ersparnis sogar rund 50 Prozent. Rechnet man inder Variante 2, in der die bessere gesundheitliche Entwicklungnicht durch Effekte der Modellprojekte erklärt wird, so ergibt sichimmer noch ein (allerdings nicht mehr signifikanter) Kostenvor-teil von rund 20 Prozent über alle Befragten und von 36 Prozent(signifikant) bei den über 50-Jährigen. Bei der Interpretation allerErgebnisse ist zu beachten, dass eine beträchtliche statistischeUnsicherheit über die exakte Höhe der Unterschiede besteht unddiese Punktdifferenzen in einem sehr weiten Konfidenzintervallliegen.

• Der Kostenvorteil der Modellprojekte fällt besonders deutlich aus,wenn Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf, die ansons-ten stationär gepflegt werden müssten, berücksichtigt werden.Wenn dagegen in einer Sensitivitätsanalyse alle stationär Pflege-

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1 Die Altersgrenze wurde nach den ersten deskriptiven Auswertungen bei den 50-Jäh-rigen und Älteren gezogen, weil ab diesem Alter verstärkt gesundheitliche Beein-trächtigungen genannt wurden und der Unterstützungsbedarf ansteigt, zugleichaber vielfach noch die Möglichkeit besteht, sich aktiv in die Gemeinschaft ein-zubringen. Die so abgegrenzte Gruppe ist demnach groß genug, um vergleichendeUntersuchungen durchführen und signifikante Effekte aufzeigen zu können. EineBeschränkung auf noch Ältere wäre dagegen statistisch problematisch gewesen.

bedürftigen in der Kontrollgruppe und ihre Pendants in der Pro-grammgruppe ausgeklammert werden, ergeben sich in allen Vari-anten keine signifikanten Unterschiede in den Gesamtkostenmehr. Die negativen Vorzeichen – im Sinne eines Kostenvorteilszugunsten der Programmgruppe – bleiben jedoch weitgehenderhalten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass mögliche Kosten-unterschiede im Bereich der ambulanten Pflege durch die vonuns vorgenommenen Datenkorrekturen nivelliert werden, was zurVerringerung und Insignifikanz der Unterschiede in der Betrach-tung ohne stationäre Pflegebedürftige beiträgt. Darüber hinaus istdarauf hinzuweisen, dass die Kosten der ambulanten Versorgungmöglicherweise unterzeichnet sind, weil Leistungen der behand-lungspflegerischen Versorgung nach § 37 SGB V, die direkt zwi-schen Krankenkasse und Pflegedienst abgerechnet werden, in derErfassung der Kosten unzureichend berücksichtigt worden sind.

• Zwischen Modellprojekten und Kontrollgruppe zeigen sich deut-liche Unterschiede im Engagement der Bewohner für ihre Nach-barn. Sowohl bei den gegebenen als auch bei den von Nachbarnerhaltenen Hilfeleistungen sind höhere Werte in den Modellpro-jekten als in der Kontrollgruppe zu beobachten. Dies gilt ins-besondere dann, wenn die über 50-Jährigen betrachtet werden. Sogeben 51 Prozent der Befragten in der Programmgruppe, abernur 36 Prozent in der Kontrollgruppe an, dass sie ihre Nachbarndurch Hilfeleistungen unterstützen. Wenn die Betrachtung aufdie über 50-Jährigen und die erhaltenen Nachbarschaftshilfen be-schränkt wird, ergibt sich ein noch deutlicheres Bild: Hier geben43 Prozent der Befragten in der Programmgruppe an, Hilfe erhal-ten zu haben. Ihnen stehen nur 26 Prozent in der Kontrollgruppegegenüber. Es sind durchaus ganz konkrete praktische Unterstüt-zungsleistungen (etwa beim Einkaufen, bei Handwerksleistungen,bei Behördengängen etc.), bei denen signifikante Unterschiedezwischen den beiden Gruppen erkennbar werden. Dieser Befundist insofern bemerkenswert, als in den Modellprojekten Nachbar-schaftshilfe trotz geringeren Unterstützungsbedarfs als in derKontrollgruppe stärker in Anspruch genommen wird. Allerdings

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spielen Pflegeleistungen im Rahmen der Nachbarschaftshilfe sogut wie keine Rolle.

• Alle Fragen, die auf das soziale Leben der Bewohner in den Mo-dellprojekten abzielen, ergeben in der Regel positive Abweichun-gen zu den in der Kontrollgruppe gemessenen Effekten. So verbrin-gen die Bewohner der Modellprojekte signifikant weniger Zeit inder eigenen Wohnung und beteiligen sich mehr an gemeinsamenAktivitäten mit ihren Nachbarn. Die signifikanten Abweichungenzur Kontrollgruppe sollten aber nicht überinterpretiert werden. Esist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Befragten in der Kontroll-gruppe in einem Einfamilienhaus, einem Reihenhaus oder einerDoppelhaushälfte wohnt und bestimmte Formen des nachbar-schaftlichen Miteinanders, die in den Modellprojekten aktiv geför-dert werden, hier nicht oder nur schwer realisiert werden können.

• Bewohner der Modellprojekte nutzen die Angebote im Wohnquar-tier signifikant stärker, als dies in der Kontrollgruppe der Fall ist.Betrachtet man die Muster der Quartiersbeziehungen und derInanspruchnahme des weiteren städtischen Umfeldes, so lassensich signifikante Unterschiede für den Besuch öffentlicher Ver-anstaltungen im Quartier, aber auch bei einer Reihe privatwirt-schaftlicher Angebote feststellen (Besuch von Restaurants, Cafés,Konditoreien, Einkaufen und Kino im Viertel). Bei dieser Analysewurden die stationär Pflegebedürftigen ausgeklammert.

• Die Wohn- und Lebensbedingungen im Wohnviertel werden vonden Befragten der Programmgruppe deutlich besser bewertet alsvon den Befragten der Kontrollgruppe. Ebenfalls deutlich besserbewertet wird das soziale Zusammenleben im Viertel. Betrachtetman ausschließlich die über 50-Jährigen, so werden diese Unter-schiede noch etwas größer, insbesondere weil sich die Bewertun-gen in der Kontrollgruppe in dieser Abgrenzung verschlechtern,während diejenigen in der Programmgruppe auf etwa gleichemNiveau bleiben.

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Ergebnis der vertiefenden Quartiersanalysen

Die vertiefende Quartiersanalyse im »Lebensraum« Gänsbühl in Ra-vensburg (Stiftung Liebenau) und im »Haus im Viertel« in Bremen(Bremer Heimstiftung) durch das Institut für Stadtplanung und Sozi-alforschung Weeber + Partner hat zum Ziel, den Wechselwirkungenzwischen den Wohnprojekten und dem Quartier auf den Grund zugehen. Sie hat gezeigt, dass beide Projekte von ihrer zentralen inner-städtischen Lage und der engen Verzahnung mit der Umgebung desProjektes stark geprägt werden. In dieser qualitativen Betrachtungwird deutlich, dass hinter den knappen Worten der »Gemeinwesen-arbeit« und der »sozialen Vernetzung« ein äußerst vielfältiges Spek-trum von Angeboten im Sinne nachbarschaftlicher Hilfen, ein leben-diges Kultur- und Gemeinschaftsleben mit Beteiligten inner- undaußerhalb des Projektes, ein enger wirtschaftlicher Austausch ein-schließlich seiner Beschäftigungswirksamkeit und eine Vielzahl vonKooperationsbeziehungen zu anderen Einrichtungen im Quartierstehen.

Die vertiefende Quartiersanalyse geht dabei von einem offenenund handlungsorientierten Quartiersbegriff aus, der die Perspektivender Nutzerinnen und Nutzer sowie der »Akteure« in den Mittelpunktstellt. Der Begriff »Quartier« wird im Gegensatz zu starren metri-schen und administrativen Abgrenzungen (Wahl-, Schul-, statistischeBezirke) als »flüssig«, handlungs- und nutzerorientiert, integrativ,auf Zusammenhänge und die jeweils besonderen Eigenschaften undkonkreten Gegebenheiten vor Ort gerichtet interpretiert. Der Fokusliegt auf dem Alltag, der gerade nicht in einzelne Funktionen unter-teilt ist. Dies schließt einen doppelten Blickwinkel ein:• Aus der Binnenperspektive der dort lebenden und arbeitenden

Menschen ist ihr Quartier der Handlungsraum für den Alltag,»wo man sich kennt und auskennt«, der (oft fußläufige) Aktions-radius, Ort der konkreten Verankerung und alltäglich-selbstver-ständlicher, auch beiläufiger lockerer Kontakte, dem man sichzugehörig fühlen kann, für den man sich vielleicht interessiertund engagiert, der aber oft nicht klar zu begrenzen und zu be-

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zeichnen ist. Dazu gehören konstante Objekt- und Personenbezie-hungen, die vertrauten Wege, Gebäude, Nutzungen, Personen undAngebote, die »Nahversorgung«, das, was man auf kurzem Wegeund im Zusammenhang erledigen kann.

• Aus Sicht der Planung, der Modellprojekte und anderer Professio-neller bedeutet der Quartiersansatz, differenzierte Sozialräume inden Blick zu nehmen, eine kleinräumige Perspektive auf das jebesondere Quartier mit seinen eigenen Möglichkeiten und Heraus-forderungen in seiner Bedeutung für die Lebensbedingungen derMenschen. Dies erfordert das Denken und Handeln im Zusam-menhang statt in fachlichen Kategorien. Damit verbindet sichauch die Überzeugung, dass Probleme vor Ort, dezentral, mit ge-nauer Kenntnis des Vorhandenen und seiner Möglichkeiten bes-ser zu lösen sind.

Das Quartier ist also nicht auf die unmittelbare Wohnumgebung undauch nicht auf die Wohnfunktion beschränkt. Was in der quantitati-ven Analyse bereits aufschien, wird in der qualitativen Betrachtungder vertiefenden Einzelanalyse noch deutlicher: Die Kombination ausselbstständiger Lebensführung, Rückzugsmöglichkeit in die eigeneWohnung, kurzen Wegen zu Geschäften und Angeboten aller Artund enger Verknüpfung der Wohnanlage mit dem Viertel wird alsEinzugsgrund von vielen betont, wobei die Gewichtung dieser Fak-toren von Standort zu Standort variiert.

Die Quartiersanalyse hat auch ergeben, dass das Quartier nichtnur für die Einrichtung von Bedeutung ist, sondern auch umgekehrtdie Einrichtung für das Quartier. Beide untersuchten Wohnprojektespielen eine aktive Rolle im Stadtteilleben, sind Kristallisationspunktefür Kooperationen zwischen verschiedensten Institutionen. Von Be-deutung für die Vielfalt der Kooperationen ist es, dass es rund um dieWohnprojekte soziale und kulturelle Angebote, Geschäfte undDienstleister, Schulen, Kindergärten und vieles mehr gibt. Vorausset-zung für eine Vielzahl an Kooperationsmöglichkeiten ist also auchdie städtebauliche Struktur der Quartiere als Mischgebiete mit aus-geprägter Nutzungsvielfalt.

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Ergebnisse der qualitativen Welfare-Mix-Analyse

Die untersuchten Modellprojekte verkörpern das Bestreben, Lebens-formen im Alter zu ermöglichen, die jenseits von Lebenswelten wiedem Leben in Abhängigkeit von Angehörigen oder dem Aufenthaltin spezialisierten Alten- und Pflegeeinrichtungen stehen. Das Zen-trum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze) hat in sechs Fallstu-dien den typischen Modus der Wohlfahrtsproduktion untersucht.• Alle untersuchten Netzwerke weisen eine Mehrzahl von Teilneh-

mern aus unterschiedlichen Sektoren (privater Sektor, öffentlicherSektor, dritter [gemeinwirtschaftlicher] Sektor) auf. Die Vielfalt derBeziehungen übersteigt deutlich das, was allein aufgrund vonKaufbeziehungen, rechtlichen Ansprüchen oder familiären Bin-dungen zu erwarten wäre. Die Aktivitäten von Angehörigen,Freunden, Bekannten, Nachbarn, ehrenamtlichen Kräften, profes-sionellen Pflegepersonen und privaten Dienstleistungserbringernsind den Bedarfslagen, Bedürfnissen und Kompetenzen derBewohner angepasst. Durch Parallelvernetzungen und bewusstes»Networking« weisen die Netze eine hohe Elastizität auf.

• Zahlreiche Beteiligte folgen in ihrem Handeln mehreren Logiken:Ehrenamtliches Engagement kombiniert sich mit bezahlter Dienst-leistung, Freundschaft mit ehrenamtlichem Engagement, bezahlteDienstleistungen mit freiwilliger Aktivität. Diese Mehrfachsiche-rungen sorgen für eine dynamische Form von Stabilität. Nebenunpersönlichen Medien wie Geld, Anerkennung, gegenseitigenGaben oder rechtlichen Ansprüchen spielt »Sympathie« einewichtige Rolle. Sie ist frei von sektoraler Logik und leistet auf die-sem Feld einen Beitrag zur Stärkung von Beziehungen. Trotzihres Individualismus kann ihr Auftreten durch die Vielfalt derKontaktmöglichkeiten, die Homogenität der Bewohnerschaft unddie Mittelstellung der Gemeinwesenarbeit begünstigt werden.

• Durch die Vielzahl der Beteiligten und deren vielfältige Aktivitätenerfahren die Bewohner Unterstützung in den für sie relevanten kör-perlichen, geistigen und sozialen Belangen. Für die Angehörigenbedeutet dies, vom Gefühl umfassender Zuständigkeit entlastet zu

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