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VR PRAXIS UnternehmerZeitung 8 | 2018 41 Zulässigkeit von Konventionalstrafen ARBEITSRECHT In Arbeitsverträgen können für den Fall von pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitnehmers Konventionalstrafen vereinbart werden. Hierbei ist Vorsicht geboten, wie das Bundesgericht in einem neuen Entscheid festgestellt hat. VON ANNA BRAUCHLI UND ELIANE BENJAMIN I m Entscheid vom 7. Mai 2018 (4A_579/2017/4A_581/2017) hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob eine geschäftsführende Ärztin einer Arztpra- xis zur Zahlung von Konventionalstrafen zu verpflichten sei. Sie hatte zwei Vertrags- verletzungen begangen. Erstens holte sie keine schriftliche Zustimmung der Arbeit- geberin zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Belegärztin an einer Privatklinik ein. Zweitens gab sie bei Auflösung des Arbeits- verhältnisses der Arbeitgeberin die mit der Praxis verknüpfte Zahlstellenregisternum- mer nicht zurück. Die Arbeitgeberin stützte ihre Forderung auf die folgende Klausel im Arbeitsvertrag: «Bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Ver- trag, insbesondere gegen das Konkurrenzver- bot oder die Geheimhaltungspflicht, schuldet die Arbeitnehmerin eine Konventionalstrafe von je 50 000 Franken pro Verstoss.» VERBOT DER HAFTUNGSVERSCHÄRFUNG Das Bundesgericht erläutert in seinem Ent- scheid, dass Art. 321e OR als Vorausset- zung für die Haftung des Arbeitnehmers eine Vertragsverletzung, einen Schaden, ein Verschulden und einen adäquaten Kau- salzusammenhang verlangt. Von dieser Bestimmung darf von Gesetzes wegen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewi- chen werden (Art. 362 Abs. 1 OR). Da die zitierte Vertragsklausel für die Bezahlung der Konventionalstrafe weder einen Scha- den noch ein Verschulden der Arbeitneh- merin voraussetzt, stellt sie im Vergleich zu Art. 321e OR eine Haftungsverschärfung dar, was nicht zulässig ist. KONVENTIONALSTRAFE ALS DISZIPLINARMASSNAHME Dies bezieht sich auf Konventionalstrafen mit Ersatzfunktion, das heisst solche, die einen wirtschaftlichen Nachteil ausgleichen sollen. Wie das Bundesgericht weiter fest- hielt, weise eine Konventionalstrafe regel- mässig auch Straf- bzw. Disziplinarcha- rakter auf. Solche Disziplinarmassnahmen sind aber für dem Arbeitsgesetz unterstellte Personen nur dann zulässig, wenn sie in der entsprechenden Betriebsordnung angemes- sen geregelt sind (Art. 38 Abs. 1 des Arbeits- gesetzes). Für sämtliche Arbeitnehmer gilt zudem, dass die unter die Disziplinarstrafe fallenden Tatbestände klar umschrieben und die Höhe der Strafe bestimmt und ver- hältnismässig sein muss. Im vom Bundes- gericht zu beurteilenden Fall genügte die Vertragsklausel auch diesen Anforderungen nicht. Das Bundesgericht kam folglich zum Schluss, dass die Arbeitgeberin aus der ver- einbarten Konventionalstrafe im Arbeitsver- trag nichts ableiten kann und die geschäfts- führende Ärztin damit auch nichts schuldet. KONVENTIONALSTRAFE BEI KONKURRENZVERBOT Im vorliegenden Fall hatte sich das Bun- desgericht nicht über Konventionalstrafen im Zusammenhang mit nachvertraglichen Konkurrenzverboten zu äussern. Das Gesetz hält in Art. 340b Abs. 2 OR die Möglichkeit der Vereinbarung einer Pflicht zur Zahlung einer Konventionalstrafe bei Übertretung des Konkurrenzverbotes ausdrücklich fest. Damit erlaubt der Gesetzgeber im Rahmen von Konkurrenzverboten eine mögliche Haftungsverschärfung, indem kein Scha- densnachweis erforderlich ist. EMPFEHLUNG Zusammenfassend ergibt sich, dass in Arbeitsverträgen Haftungsklauseln zu Las- ten des Arbeitnehmers sorgfältig zu formu- lieren sind. Bei Disziplinarstrafen ist der zu bestrafende Tatbestand klar zu umschrei- ben. Die Höhe der Strafe ist zu bestimmen und sie muss verhältnismässig sein. Sodann sind solche Bestimmungen von Klauseln zum nachvertraglichen Konkurrenzverbot zu trennen. DIE AUTORINNEN Eliane Benjamin, lic. iur., Rechtsanwältin, Mediatorin SAV, ist bei Voser Rechtsanwälte, Baden, hauptsächlich in den Bereichen des Familienrechts und des Arbeitsrechts tätig. Anna Brauchli, lic. iur., Rechtsanwäl- tin, ist seit 2016 bei Voser Rechtsanwälte, Baden, vorwiegend in den Bereichen Ge- sellschaftsrecht und Arbeitsrecht tätig. Arbeitsverträge sind sorgfältig zu formulieren, vor allem Haftungsklauseln. Foto: iStock/Ridofranz

Zulässigkeit von Konventionalstrafen€¦ · VRPRAXIS UnternehmerZeitung 8 | 2018 41 Zulässigkeit von Konventionalstrafen ARBEITSRECHT In Arbeitsverträgen können für den Fall

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V RPRAX I S

UnternehmerZeitung 8 | 2018 41

Zulässigkeit von KonventionalstrafenARBEITSRECHT In Arbeitsverträgen können für den Fall von pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitnehmers Konventionalstrafen vereinbart werden. Hierbei ist Vorsicht geboten, wie das Bundesgericht in einem neuen Entscheid festgestellt hat.

VON A N N A B R AU C H L I U N D E L I A N E B E N J A M I N

Im Entscheid vom 7. Mai 2018 (4A_579/2017/4A_581/2017) hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob eine geschäftsführende Ärztin einer Arztpra-

xis zur Zahlung von Konventionalstrafen zu verpflichten sei. Sie hatte zwei Vertrags-verletzungen begangen. Erstens holte sie keine schriftliche Zustimmung der Arbeit-geberin zur Aufnahme einer Nebentätigkeit als Belegärztin an einer Privatklinik ein. Zweitens gab sie bei Auflösung des Arbeits-verhältnisses der Arbeitgeberin die mit der Praxis verknüpfte Zahlstellenregisternum-mer nicht zurück.

Die Arbeitgeberin stützte ihre Forderung auf die folgende Klausel im Arbeitsvertrag: «Bei Zuwiderhandlungen gegen diesen Ver-trag, insbesondere gegen das Konkurrenzver-bot oder die Geheimhaltungspflicht, schuldet die Arbeitnehmerin eine Konventionalstrafe von je 50 000 Franken pro Verstoss.»

VERBoT dER HAfTUngSVERSCHäRfUngDas Bundesgericht erläutert in seinem Ent-scheid, dass Art. 321e OR als Vorausset-zung für die Haftung des Arbeitnehmers eine Vertragsverletzung, einen Schaden, ein Verschulden und einen adäquaten Kau-salzusammenhang verlangt. Von dieser Bestimmung darf von Gesetzes wegen nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewi-chen werden (Art. 362 Abs. 1 OR). Da die zitierte Vertragsklausel für die Bezahlung der Konventionalstrafe weder einen Scha-den noch ein Verschulden der Arbeitneh-merin voraussetzt, stellt sie im Vergleich zu Art. 321e OR eine Haftungsverschärfung dar, was nicht zulässig ist.

KonVEnTIonAlSTRAfE AlS dISzIplInARmASSnAHmEDies bezieht sich auf Konventionalstrafen mit Ersatzfunktion, das heisst solche, die

einen wirtschaftlichen Nachteil ausgleichen sollen. Wie das Bundesgericht weiter fest-hielt, weise eine Konventionalstrafe regel-mässig auch Straf- bzw. Disziplinarcha-rakter auf. Solche Disziplinarmassnahmen sind aber für dem Arbeitsgesetz unterstellte Personen nur dann zulässig, wenn sie in der entsprechenden Betriebsordnung angemes-sen geregelt sind (Art. 38 Abs. 1 des Arbeits-gesetzes). Für sämtliche Arbeitnehmer gilt zudem, dass die unter die Disziplinarstrafe fallenden Tatbestände klar umschrieben und die Höhe der Strafe bestimmt und ver-hältnismässig sein muss. Im vom Bundes-gericht zu beurteilenden Fall genügte die Vertragsklausel auch diesen Anforderungen nicht.

Das Bundesgericht kam folglich zum Schluss, dass die Arbeitgeberin aus der ver-einbarten Konventionalstrafe im Arbeitsver-trag nichts ableiten kann und die geschäfts-führende Ärztin damit auch nichts schuldet.

KonVEnTIonAlSTRAfE BEI KonKURREnzVERBoTIm vorliegenden Fall hatte sich das Bun-desgericht nicht über Konventionalstrafen

im Zusammenhang mit nachvertraglichen Konkurrenzverboten zu äussern. Das Gesetz hält in Art. 340b Abs. 2 OR die Möglichkeit der Vereinbarung einer Pflicht zur Zahlung einer Konventionalstrafe bei Übertretung des Konkurrenzverbotes ausdrücklich fest. Damit erlaubt der Gesetzgeber im Rahmen von Konkurrenzverboten eine mögliche Haftungsverschärfung, indem kein Scha-densnachweis erforderlich ist.

EmpfEHlUngZusammenfassend ergibt sich, dass in Arbeitsverträgen Haftungsklauseln zu Las-ten des Arbeitnehmers sorgfältig zu formu-lieren sind. Bei Disziplinarstrafen ist der zu bestrafende Tatbestand klar zu umschrei-ben. Die Höhe der Strafe ist zu bestimmen und sie muss verhältnismässig sein. Sodann sind solche Bestimmungen von Klauseln zum nachvertraglichen Konkurrenzverbot zu trennen.

Die AutOriNNeN

Eliane Benjamin, lic. iur., Rechtsanwältin, Mediatorin SAV, ist bei Voser Rechtsanwälte, Baden, hauptsächlich in den Bereichen des Familienrechts und des Arbeitsrechts tätig.

Anna Brauchli, lic. iur., Rechtsanwäl-tin, ist seit 2016 bei Voser Rechtsanwälte, Baden, vorwiegend in den Bereichen Ge-sellschaftsrecht und Arbeitsrecht tätig.

Arbeitsverträge sind sorgfältig zu formulieren, vor allem Haftungsklauseln. Foto: iStock/Ridofranz