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XXI. Zum 70. Geburtstag Lichtheim's. Am 7. Dezember 1015 hat unser verehrter Ko]lege Lietltheim i~ Bern, wohin er sich naeh langer, an Arbeit~ aber auch an Erfolg ilberaus reicher klinischer ~md Lehrtatigkeit im Jahre 1912 zurilckgezogen hart% sein 70. Lebensjahr vollendet. Seine zahlreichen Schweizer Freunde und Schiller haben es sich nicht nehmen lassen~ ibm an diesem Tage ihre Wertschiitzung und Dankbarkeit persSnlich dar7ubringen, woran ]eider die gr6sste Zahl seiner u ganz besenders aus Deutschland und Oesterreich, durch der Zeiten Ungunst verhindert war. Auch das Archiv flit Psychiatrie und Nervenkrankheiten bringt dem lloehverehrten Meister der Neurologie die herzlichsten Glfickwfinsche dar. Ist er es doch~ der in dem jetzt am meisten bearbeiteten Abschnitte der Gehirnpathologie, der Lehre yon den aphasischen St61-ungen~ nachst Wernicke die grundlegenden Arbeiten geleistet hat. In welehem Maasse das der Fall ist, das beweist schon die eine Tatsach% dass Heilbronner, der einer der besten Kenner der Aphasien war~ seiner Darstellung der aphasischen usw. Stsrungen in dem Lewandowsky'schen Handbuch der Neurologie die Lichtheim-Wernicke'sehe Einteilung zugrunde ge]egt hat. In diesen Tagen fiel mir tin, dass Lichtheim~ als wir einmal fiber die Absch~tzung der Bedeutung eines Forschers sprachen, aussert% wahre Bedeutung sprfiche sieh am klarsten darin aus~ dass eine bahn- brechende Tatsache mit dem Namen des Forschers im wissenschaftlichen Sprachgebrauch verbunden ware, als Zeichen daf~r, dass er sie festgelegt. habe. Wenn iiberhaupt, so gilt das in bezug auf die Aphasielehre yon Liehtheim selbst. All der anderen wertvollen Arbeiten neurologischen Inhalts, die wit Lichtheim verdanken~ hier zu gedenken, ist nicht m6glich. Ich er- innere nur noch besonders an seine VerSffentlichungen fiber die voll- st~ndige sensorische und die transkortikale Aphasie, die erst diese Krankheitsformen klar erfassen gelehrt haben~ ferner an seine Mitteilungen fiber den ersten Nachweis yon Tuberkelbazillen im Liquor cerebrospinalis, an die:Benutzung der Hirnpunktion filr die Tumordiagnos% spezielI im

Zum 70. Geburtstag Lichtheim's

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XXI.

Zum 70. Geburtstag Lichtheim's.

Am 7. Dezember 1015 hat unser verehrter Ko]lege L ie t l the im i~ Bern, wohin er sich naeh langer, an Arbeit~ aber auch an Erfolg ilberaus reicher klinischer ~md Lehrtatigkeit im Jahre 1912 zurilckgezogen hart% sein 70. Lebensjahr vollendet. Seine zahlreichen Schweizer Freunde und Schiller haben es sich nicht nehmen lassen~ ibm an diesem Tage ihre Wertschiitzung und Dankbarkeit persSnlich dar7ubringen, woran ]eider die gr6sste Zahl seiner u ganz besenders aus Deutschland und Oesterreich, durch der Zeiten Ungunst verhindert war.

Auch das Archiv flit Psychiatrie und Nervenkrankheiten bringt dem lloehverehrten Meister der Neurologie die herzlichsten Glfickwfinsche dar. Ist er es doch~ der in dem jetzt am meisten bearbeiteten Abschnitte der Gehirnpathologie, der Lehre yon den aphasischen St61-ungen~ nachst Wern i cke die grundlegenden Arbeiten geleistet hat. In welehem Maasse das der Fall ist, das beweist schon die eine Tatsach% dass H e i l b r o n n e r , der einer der besten Kenner der Aphasien war~ seiner Darstellung der aphasischen usw. Stsrungen in dem Lewandowsky ' schen Handbuch der Neurologie die L i c h t h e i m - W e r n i c k e ' s e h e Einteilung zugrunde ge]egt hat. I n diesen Tagen fiel mir tin, dass L ich the im~ als wir einmal fiber die Absch~tzung der Bedeutung eines Forschers sprachen, aussert% wahre Bedeutung sprfiche sieh am klarsten darin aus~ dass eine bahn- brechende Tatsache mit dem Namen des Forschers im wissenschaftlichen Sprachgebrauch verbunden ware, als Zeichen daf~r, dass er sie festgelegt. habe. Wenn iiberhaupt, so gilt das in bezug auf die Aphasielehre yon L i e h t h e i m selbst.

All der anderen wertvollen Arbeiten neurologischen Inhalts, die wit L i c h t h e i m verdanken~ hier zu gedenken, ist nicht m6glich. Ich er- innere nur noch besonders an seine VerSffentlichungen fiber die voll- st~ndige sensorische und die transkortikale Aphasie, die erst diese Krankheitsformen klar erfassen gelehrt haben~ ferner an seine Mitteilungen fiber den ersten Nachweis yon Tuberkelbazillen im Liquor cerebrospinalis, an die:Benutzung der Hirnpunktion filr die Tumordiagnos% spezielI im

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Kleinhirn, fibe~" dell in Deutschland zuerst - - auf Grand seiner Diagnose - - yon M ik uli c z operierten Fall yon Rilckenraarksgeschwulst.

In alledem zeigte sich L i c h t h e i m ' s unermildliehes Interesse und seine eminent fSrdernde Mitarbeit an allen neuen Errungensehaften ira Gebiete der Nervenkrankheiten. Noeh ilber viele andere Abschnitte der Neurologie hat L i c h t h e i m kiirzere oder ausfilhrliche Mitteilungen ge- macht, die sieh weir yon dem Durchschnitt der Massenproduktionen ab- heben und stets seine grosse Fahigkeit~ das Wichtige klar zu erfasse% wie sein kritisches Abw~tgen bekunden. Auch tritt ilberall hervor, wie sehr er das gesamte Gebiet der inneren Medizin beherrschte und dadurch jede einseitige Beurteilung des Gegenstandes vermied. Besonders zeigt sich das bei dem ~achweis der Rilekenmarksverfinderungen bei der pcrni- ziSsen Anamie, die yon LJehthei ra uns zuerst bekannt gemazht sind.

In den ]etzten Jahren hat L i c h t h e i m leider weniger seine so gewiehtige Stirame im Streite der Meiuungen ertSnen lassen; seine seharfe Kritik auch an der eigenen Arbeit hat so viel Wertvolles zuriickgehalten, Wer Gelegenheit hatte, tiefer in das Leben seiner Klinik hineinzublicken, sah, welche grundlegende und vielseitige Arbeit gerade im Gebiet der Nervenkrankheiten dort geleistet wurde, und manche VerOffentliehungen. seiner Schiller legeu davon Zeugnis ab.

Nicht leich~ ist es L ich the im geworden~ den wohlerwogenen Entschluss, seine klinisehe und Lehrtatigkeit aufzugeben, auszuftihren~ aber getreu seiner gesamten klaren und kritischen Lebensauffassung hat er ihn durchgeft~hrt. Sein Lebenswerk wird den Weehsel der Zeiten ilberdauern.

Mit der gesamten wissenschaftlichen Welt weiht das Arehiv dem grossen Meister Bin Ruhmesblatt in der Gesehiehte der Neurologie.

E. M ey er- KSnigsberg,