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Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung Author(s): Norbert Andel Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 28, H. 3 (1969), pp. 401-414 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910663 . Accessed: 16/06/2014 02:02 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.49 on Mon, 16 Jun 2014 02:02:17 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung

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Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen AbsicherungAuthor(s): Norbert AndelSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 28, H. 3 (1969), pp. 401-414Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910663 .

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Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung*

von

Norbert Andel

I. Ausgangslage

Seitdem in der Bundesrepublik im Zuge der bis zur absoluten Schrump- fung zurückgehenden wirtschaftlichen Tätigkeit vom 3. Quartal 1965 an bis zum 1. Quartal 1968 der Saldo der Waren- und Dienstleistungsbilanz prak- tisch ständig von - 1,3 Mrd. DM auf + 4,6 Mrd. DM stieg, für das gesamte Jahr 1967 sich ein Überschuß von 16 Mrd. ergab, der doppelt so hoch war wie der höchste zuvor, im Jahre 1960, erreichte1, wurde der Nachdruck, mit dem das Ausland auf eine deutsche Aufwertung drängte, immer stärker.

Die Bundesregierung, der der hohe Außenbeitrag stabilitätspolitisch zu- nächst sehr gelegen kam, widersetzte sich dem. Sie verwies auf ihr Verhalten als guter Gläubiger, auf die hohen Nettokapitalexporte, dank derer die Devi- senreserven vergleichsweise wenig stiegen, und auf die Beteiligung der Deut- schen Bundesbank an Stützungsaktionen vor allem für Großbritannien. Sie stellte den extrem hohen Überschuß des Jahres 1967 ferner als vorübergehen- des, lediglich konjunkturell bedingtes Phänomen hin, der sich automatisch auf das im Hinblick auf die Defizite in den Kapital- und Übertragungsbilan- zen erforderliche Maß reduzieren würde, wenn - nicht zuletzt dank der er- griffenen finanzpolitischen Maßnahmen - der Vollbeschäftigungspfad erst ein- mal wieder erreicht sei.

Man kann wohl davon ausgehen, daß viele Projektionen, Verlautbarungen und Reden Bonner Provenienz nicht immer die tatsächliche offizielle Ein- schätzung der Situation wiedergaben, sondern eher Versuche der außenpotöi- schen Absicherung darstellten, in der Hoffnung, die vermutlich doch als un-

* Um die Quellenangaben ergänzter Vortrag, der am 14. Januar 1969 an der Universität Göttingen gehalten wurde.

1 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Februar 1969, Statistischer Teil, S. 71*.

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ausweichlich angesehene Aufwertung auf einen späteren, für konjunktur- und insbesondere wahlpolitisch günstiger erachteten Zeitpunkt hinausschie- ben zu können.

//. Die umsatzsteuerliche Absicherung

Unter dem Einfluß der Flucht aus dem französischen Franc sah sich die Bundesregierung schließlich gezwungen, früher als erhofft zu handeln. Sie griff allerdings nicht zur „klassischen" Aufwertung im Sinne der Änderung des offiziellen Wechselkurses, sondern zu einer sich der Umsatzsteuer bedienen- den Kombination von Ausfuhrsteuer und Einfuhrsubvention, die am 19. Novem- ber 1968 vom Sprecher der Bundesregierung angekündigt und am 29. Novem- ber als Kern des „Gesetzes über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Ab- sicherung gemäß § 4 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachs- tums der Wirtschaft", kurz Absicherungsgesetz genannt, verkündet wurde1.

Im Vergleich zum status quo ante werden Güter, die im Inland umsatz- steuerlich mit 11% belastet sind, bei der Ausfuhr mit 4% besteuert, bei der Einfuhr mit 4% subventioniert. Für Güter, die dem ermäßigten Umsatz- steuersatz von 5,5% unterliegen, beträgt der Satz sowohl der Sonderumsatz- steuer als auch der Einfuhrvergütung nur 2% (§ 1, Abs. 1, § 2, Abs. 1, § 4). Um zu verhindern, daß die Einfuhrsubvention nicht effektiv wird, sondern et- wa bei der Besteuerung des umsatzsteuerpflichtigen Abnehmers im Zuge des Vorsteuerabzugsverfahrens einen sogenannten Nachholeffekt auslöst, wird die Einfuhrvergütung rechnungsmäßig nicht als Reduktion der Einfuhrum- satzsteuer behandelt, also nicht eine 7 oder 3,5, sondern nach wie vor die 11 oder 5,5 prozentige Belastung ausgewiesen.

Die Einfuhrvergütung wird vom 20. November 1968 an gewährt, die Sonderumsatzsteuer vom 29. November an erhoben (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1). Beide Maßnahmen sind bis zum 31. März 1970 limitiert, die Bundesregie- rung kann sie jedoch schon früher aussetzen bzw. die anzuwendenden Sätze reduzieren, „wenn die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes drohenden Ge- fahren außenwirtschaftlicher Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleich- gewichts nicht mehr bestehen oder die gesamtwirtschaftliche Lage, insbeson- dere die Erfordernisse eines hohen Beschäftigungsstandes und eines angemes- senen Wirtschaftswachstums, dies verlangt" (§ 9 Abs. 2), eine Formel, die wohl primär aus konjunkturpsychologischen Gründen aufgenommen wurde.

Von der Sonderumsatzsteuer und der Einfuhrvergütung ausdrücklich ausgenommen sind die Güter, deren Preise im Kahmen der EWG-Marktord- nung festgelegt sind (§6). Jedoch keine Ausnahme ohne Ausnahme: Reis wird in der Liste der von den Maßnahmen des Absicherungsgesetzes nicht betroffenen Produkte nicht aufgeführt2, wohl deswegen, weil er von deutschen Bauern nicht angebaut wird, eine Senkung des DM-Preises für Reis also je-

1 BGB1. 1, S. 1255. 1 Vgl. die dem Absicherungsgesetz als Anlage beigefügte „Liste der Gegenstan- de, auf die §§ 1 und 2 nicht anzuwenden sind", in der die Tarifnummer 10.06 ausge- lassen wurde.

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denfalls nicht unmittelbar die Einkommenssituation der deutschen Landwirt- schaft verschlechtert.

Um zu verhindern, daß in Antizipation der Verabschiedung des Absiche- rungsgesetzes ins Ausland verlagerte Waren gewinnbringend reimportiert werden können, wird die Einfuhrvergütung nicht für Gegenstände gewährt, die nach dem 19. November 1968 ohne Erhebung der Sonderumsatzsteuer ausgeführt worden sind (§ 1 Abs. 2).

Der Sonderumsatzsteuer unterliegen auch die Exporte, die in Erfüllung von vor dem 23. 11. 1968 abgeschlossenen Verträgen bewirkt werden, es sei denn, sie wären bis zum 23. Dezember 1968 vorgenommen worden und der zugrunde liegende Vertrag hätte endgültige Freisabsprachen enthalten (§ 8).

Bemessungsgrundlage ist in der Regel das vereinbarte Entgelt, jedoch ohne Umsatzsteuer und ohne mit der Ausfuhr verbundene Beförderungs- kosten (§ 3).

///. Kritische Analyse

Diese vorstehend kurz skizzierte umsatzsteuerliche Absicherung soll im folgenden einer kritischen volkswirtschaftlichen Analyse unterzogen werden. Ich hoffe, nicht in den Verdacht zu geraten, ein apolitischer, a- oder gar un- moralischer Mensch zu sein, wenn ich auf die Argumentation vom spezifisch politischen und quasi-moralischen Blickwinkel, die in diesem Zusammenhang eine nicht unbedeutende Rolle spielte, nicht eingehe. Gerade die Verwen- dung quasi-moralischer Argumente war wenig überzeugend, diente sie doch vor allem der Interessenverschleierung, der Verdeckung unzulänglichen poli- tischen Muts sowie mangelnder Fähigkeit und Willigkeit zur umfassenden kritischen Abwägung.

Ich werde zunächst auf die Frage eingehen, ob Maßnahmen zur Reduk- tion des Leistungsbilanzüberschusses überhaupt angebracht waren, wenn ja, ob der zu erwartende Effekt ausreichend ist. Sodann werde ich eine Aufwer- tung traditioneller Art mit der umsatzsteuerlichen Teilaufwertung verglei- chen.

A. Zur Zweckmäßigkeit einer Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses

Daß eine Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses im deutschen In- teresse geboten war, scheint mir aus folgenden Überlegungen hervorzugehen:

Leistungsbilanzüberschüsse sind im allgemeinen nur so lange sinnvoll, wie sie zum gleichzeitigen Ausgleich der gesamten Zahlungsbilanz oder zur Bildung einer zur Überbrückung kurzfristiger Defizite notwendigen Devisen- reserve erforderlich sind.

Zwar waren die Überschüsse der Devisenbilanz 1966/67 gering und auch 1968 nicht spektakulär. Trotzdem konnte im vergangenen Jahr von einem ech- ten Zahlungsbilanzgleichgewicht nicht die Rede sein. Daß der Devisenzufluß nicht stärker war, beruhte nämlich ganz überwiegend auf dem Saldo der pri- vaten langfristigen Kapitalleistungen, der 1965 und 1966 noch positiv war, dann aber von - 154 Mio. im 1. Quartal 1967 über - 529 im 4. Quartal des

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gleichen Jahres auf schließlich -3,6 Mrd. DM im 3. Quartal 1968 stieg1. Daß es sich dabei - um die Ausdrücke des Sachverständigenrates zu gebrauchen2 - zum beträchtlichen Teil nicht um autonomen Kapitalexport handelte, son- dern um konjunkturabhängigen, d.h. auf dem momentanen Konjunkturge- fälle zwischen In- und Ausland beruhenden, und um zahlungsbilanzbedingten, der lediglich in der Absicht herbeigeführt wurde, Zahlungsbilanzungleichge- wichte zu kompensieren, zeigt vor allem der hohe Anteil, der auf die Banken entfällt. Im 3. Quartal 1968 waren das nicht weniger als 66%.

Der Leistungsbilanzüberschuß erwies sich nicht als in starkem Maße le- diglich konjunkturell bedingtes Phänomen. Er lag vielmehr in den ersten drei Quartalen von 1968 trotz einer faktisch weitaus höheren als projizierten Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts über dem von der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1968 geschätzten Betrag8, der seinerseits bereits doppelt so hoch war wie der, der nach der kurz darauf vom Bundeswirtschafts- ministerium gegebenen Definition „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht ent- spricht einem Anteil des Außenbeitrags am Bruttosozialprodukt von 1 ,5 v.H." 4

gleichgewichtskompatibel gewesen wäre. Im Mai 1967 hatte dasselbe Ministe- rium übrigens noch gemeint, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sei er- reicht, wenn der genannte Anteil 1% betrage6.

Eine spürbare Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses war in ab- sehbarer Zeit kaum zu erwarten, jedenfalls nicht ohne ganz erhebliche Ab- striche am Preisniveaustabilisierungsziel.

Aus all dem folgt, daß mit einem erneuten Anstieg der Zahlungsbilanz- überschüsse über kurz oder lang gerechnet werden mußte. Angesichts der aus- reichenden Devisenreserven der Deutschen Bundesbank und des dringenden Bedarfs im Infrastrukturbereich, aber auch im Vergleich zu den im Privat- sektor erzielbaren Renditen hätte es sich für die Bundesrepublik um eine wenig produktive Kapitalanlage gehandelt; auch wäre es der Bundesregie- rung sehr erschwert worden, neue Devisenausgleichsforderungen, vor allem von Großbritannien und von den USA, abzuwehren.

Ein weiterer Faktor, der vom deutschen Standpunkt aus für eine Auf- wertung spricht* ist die in den überhöhten Leistungsbilanzüberschüssen zum Ausdruck kommende bislang ungenutzte Möglichkeit, die realen Austausch- verhältnisse zugunsten der Bundesrepublik zu ändern, also über die Reduk- tion des nominalen Überschusses hinaus das für eine Verwendung im In- land zur Verfügung stehende Sozialprodukt zu erhöhen. Der günstige „terms-

1 Vgl. Statistische Beihefte zu den Monatsberichten der Deutschen Bundes- bank, Reihe 3: Zahlungsbilanzstatistik, November/Dezember 1968, Tabelle 1: Wichtige Posten der Zahlungsbilanz. a Vgl. Janresgutachten 19Ö8 des öacnverstanüigenrates zur tfegutacntung aer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Bundestagsdrucksache V/3550), S. 25. 8 Vgl. Jahreswirtschaftsbericht 1968 der Bundesregierung, Bundestagsdruck- sache V/2511. S. 9/10.

4 Siehe die „Projektion der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung bis zum Jahre 1972", abgedruckt im „Finanzbericht 1969", Bonn 1968, S. 116. 5 Vgl. die „Erläuterungen zur Projektion der allgemeinen Wirtschaftsentwick- lung bis zum Jahre 1971", Anlage 1 des „Jahreswirtschaftsberichts 1968 der Bundes- regierung", S. 23.

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1 Vgl. A. Herrmann: Der Außenhandel der Bundesrepublik unter dem Einfluß der steuerpolitischen Maßnahmen, in: , Jfo-Schnelldienst", 21. Je- Nr. 49, S. 8. * Jahresgutachten 1968, aaO, S. 73. 3 Jahreseutachten 1968, aaO, S. 71 ff. * Vgl. A. Herrmann. aaO.

6 Vgl. ,, Finanznachrichten", herausgegeben vom Bundesministerium der Fi- nanzen, Nr. 31, 22. November 1968, S. 8.

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of- trade* '-Effekt des Absicherungsgesetzes wird vom Ifo-Institut1 für das Jahr 1969 mit immerhin 2,5 Mrd. DM angegeben, was der Schätzung des Sachverständigenrates2 für den Fall einer fünfprozentigen Aufwertung ent- spricht.

Wenn die so oft vorgetragene Forderung nach einem verstärkten deut- schen Kapitalexport tatsächlich auf den Kapitalexport und nicht lediglich auf die Abwehr einer Wechselkursänderung zielt, ist eine Aufwertung auch unter diesem Gesichtswinkel günstig zu beurteilen. Sie beseitigt oder reduziert den kapitalexporthemmenden Effekt, der von einer erwarteten Aufwertung aus- geht, und sie fördert über die Erschwerung des Warenexports vor allem die als besonders förderungswürdig erachteten Direktinvestitionen deutscher Fir- men im Ausland.

Man kann verstehen, daß die Koalitionspartner die Entscheidung gerne noch hinausgezögert hätten, um gerade im Wahljahr kein beschäftigungspoli- tisches Risiko einzugehen. Die Auftragsbestände, die, in Monatsproduktionen gemessen, im September 1968 schon fast wieder den entsprechenden Wert während der starken Anspannung 1965 erreicht hatten, die Arbeitsmarkt- situation, die bekannt gewordenen Investitionspläne der Unternehmer sowie die Erfahrungen mit der Aufwertung von 1961 legten es jedoch nahe anzu- nehmen, daß eine Aufwertung von bis zu 6% kaum gefährlich geworden wäre, zumal dann nicht, wenn man vorausschauend flankierende binnenwirt- schaftliche Kompensationsmaßnahmen ins Auge gefaßt hätte, wie bei der vom Sachverständigenrat im letzten Jahresgutachten als Strategie III vor- geschlagenen konjunkturneutralen Aufwertung3.

B. Zum Ausmaß der Reduktion des Leistungsbilanzüberschusses

Ich wende mich nun der Frage zu, ob im Hinblick auf den volkswirt- schaftlich wünschenswerten Abbau des Leistungsbilanzüberschusses der mit dem Absicherungsgesetz zu erwartende Effekt als ausreichend erachtet wer- den kann. Es ist ein schwieriges Unterfangen, die Wirkungen einerseits von echten, anderseits von steuerlich bewirkten Wechselkursänderungen auf die Handelsbilanz abzuschätzen. Die mir bekannten Quantifizierungsversuche, die allerdings nur z.T. die zugrunde gelegten Annahmen aufdecken, führen zu einer Reduktion des nominalen Leistungsbilanzübersohusses von zwischen 3 und 5 Milliarden DM, wobei das Ifo-Institut4 dem kleineren, die Bundes- regierung - nicht überraschend - dem größeren Wert zuneigt6.

Es ist wohl recht zweifelhaft, ob ein solcher Effekt ausreicht, um das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen und der DM den Auf-

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Wertungsverdacht für eine wenigstens etwas größere Zeitspanne zu nehmen. Man muß vielmehr befürchten, daß im laufenden Jahr die Spekulation erneut dadurch Auftrieb bekommen wird, daß man bei weiterhin sehr hohen Lei- stungsbilanz- und vielleicht steigenden Devisenbilanzüberschüssen die Chan- cen für eine echte Wechselkurskorrektur wachsen sieht, weil nach der Wahl weniger innenpolitische Rücksichten genommen werden müssen, vielleicht auch deshalb, weil angesichts einer inflatorischen Überbeschäftigungssituation ein Aufwertungsdämpfer eindeutiger als heute stabilitätspolitisch richtig er- scheint.

C. Aufwertung und umsatzsteuerliche Absicherung im Vergleich

Ohne nochmals auf die Frage nach dem Ob und dem Wieviel der Reduk- tion des Leistungsbilanzüberschusses einzugehen, möchte ich jetzt die echte Aufwertung im Sinne der Änderung des offiziellen Wechselkurses und die umsatzsteuerliche Lösung des Absicherungsgesetzes einander gegenüberstel- len.

1. Die Idee des Bestimmungslandprinzips

Die Grundidee des Bestimmungslandprinzips, das den ursprünglichen umsatzsteuerlichen Ausgleichsmaßnahmen beim grenzüberschreitenden Wa- renverkehr zugrunde liegt, besteht darin, die Güter bei der Ausfuhr von der steuerlichen Belastung des Exportlandes zu befreien, bei der Einfuhr nach Maßgabe der für die Produktion des Importlandes geltenden steuerlichen Be- stimmungen zu belasten. Dadurch wird das allokationspolitische Ziel erreicht, daß für die Wettbewerbssituation zwischen Ländern nur die Nettopreise, nicht aber Steuerbelastungsunterschiede maßgeblich sind. Ferner wird da- durch die fiskalische Absicht verwirklicht, den gesamten inländischen Ver- brauch zu erfassen.

Wenn man von dem lediglich vorübergehend bedeutsamen Problem des Systemwechsels absieht, hat die deutsche Mehrwertsteuer in ihrer ursprüng- lichen Form beides weitgehend verwirklicht. Als Ausnahmen muß man vor allem die, Regelung für kleine und mittlere Unternehmen nennen, ferner die für die Land- und Forstwirtschaft, die von der Steuerzahllast befreit sind und für die auf den Produktionsmitteln ruhende umsatzsteuerliche Belastung eine für die gegenwärtigen Verhältnisse als überhöht anzusehende Steuerpauschale von 5 bzw. 3% ausweisen dürfen, sowie schließlich die unvollständige Ent- lastung, die sich beim Export immer dann ergibt, wenn für die Produktion Leistungen solcher Unternehmungen, wie vor allem der Bundespost, verwen- det werden, die selbst von der Steuerzahlpflicht befreit sind, die in den Bezü- gen enthaltenen Steuern aber weder zurückerstattet bekommen noch auf ih- ren Rechnungen ausweisen dürfen.

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2. Neue Verzerrungen im Bereich der Handelsbilanz

Die ursprünglich angestrebte Wettbewerbsneutralität, die ein wichtiges, ja wohl das wichtigste Argument für die Ersetzung der alten Bruttoallphasenum- satzsteuer durch eine Mehrwertsteuer war, wird durch das Absicherungsgesetz in äußerst bedenklicher Art eingeschränkt. Die Einfuhrbegünstigung und die Sonderumsatzsteuer werden nämlich nicht generell und zu einem einheit- lichen Satz gewährt bzw. erhoben, was, jedenfalls wenn man die Betrachtung auf die Handelsbilanz beschränkt, tatsächlich als die Effizienz nicht beein- trächtigender Aufwertungsersatz angesehen werden könnte. Vielmehr gibt es drei Sätze:

4%, gewissermaßen den Normalsatz, für Güter, die im Inland mit 11% umsatzbesteuert sind;

2% für Güter, die im Inland vornehmlich aus sozial- und kulturpoliti- schen Gründen mit dem reduzierten Steuersatz von 5,5% belastet sind: Nah- rungsmittel und Bücher etwa ;

0% für auch bisher umsatzsteuerbefreite Güter, wie z.B. Wasserfahr- zeuge für die Seeschiffahrt, ferner für Produkte, die in die EWG-Marktord- nung einbezogen sind, mit der erwähnten Ausnahme von Keis.

Im Vergleich zum status quo ante wird gewissermaßen der alte Wechsel- kurs für die Masse der landwirtschaftlichen Produkte und die von der Um- satzsteuer befreiten Güter beibehalten, für die mit 11% belasteten ein um 4%, für die mit 5,5% besteuerten ein um 2% geänderter Wechselkurs eingeführt. Defacto haben wir also jetzt für die Warenbilanz ein System mul- tipler Wechselkurse.

Man kann es auch so sagen: Die internationale Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft hat sich für die Marktordnungs- und steuerbefreiten Güter direkt jedenfalls nicht, für die mit 5,5% belasteten relativ schwach, für die mit 11% besteuerten vergleichsweise stärker verschlechtert. Der mit dem Abbau des Leistungsbilanzüberschusses auf betrieblicher Ebene sich zwangsläufig ergebende und dort natürlich als unangenehm empfundene An- passungszwang wird also ungleichmäßig verteilt.

Wenn man davon ausgeht, daß dadurch ein in gleicher Richtung unter- schiedlich starker preissenkender Druck ausgeübt wird, kommt man zu dem etwas überraschenden Ergebnis, daß das Absicherungsgesetz die sozialpolitisch gewolüe Differenzierung der Mehrwertsteuer abschwächt. Mit dem reduzierten Steuersatz von 5,5% werden nämlich vor allem Nahrungsmittel belastet, um die regressive Wirkung der Umsatzbesteuerung abzuschwächen. Gerade für diese Güter wird aber im Rahmen des Absicherungsgesetzes mittels des nie- drigen Satzes von 2% die Einfuhr vergleichsweise wenig gefördert, die Aus- fuhr vergleichsweise wenig gehemmt.

Das kann man unter Hinweis auf die Faktoreinkommen vielleicht bezüg- lich der Ausklammerung der Landwirtschaft verstehen, jedenfalls wenn man von den politischen Präferenzen der Regierung ausgeht, kaum aber bezüglich der Differenzierung zwischen mit den mit 11 und den sonstigen mit 5,5% be- lasteten Gütern. Für sie konnte ich nirgends eine Erklärung finden. Ich kann mir höchstens vorstellen, daß man hier zwischen der fiskalischen Funktion der

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Umsatzsteuer und der sozialpolitisch motivierten Satzdifferenzierung einer- seits, dem Aufwertungsersatz andererseits, der sich aus lediglich administra- tiven Gründen der Umsatzsteuer bedient, nicht trennte. Wenn man das Um- satzsteueraufkommen ganz allgemein reduzieren möchte, ist eine gleiche Re- duktion der Steuersätze verständlich. Will man dagegen im Rahmen einer das Ursprungslandprinzip verwirklichenden Mehrwertsteuer in bezug auf die Handelsbilanz „aufwerten", ist eine prozentual gleiche Veränderung der Netto- preise angebracht, also eine Kombination von genereller Einfuhrvergütung und genereller Ausfuhrbesteuerung zu einem einheitlichen Satz, der einer eventuell im Inland bestehenden Belastungsdifferenzierung nach Güterarten nicht folgt.

Die differenzierte Einfuhrvergütung führt nicht nur zu horizontalen, sondern auch zu vertikalen Y erzerrungen, indem in bestimmten Fällen der in- ländische Verarbeiter gegenüber ausländischen Konkurrenten eine effizienz- mindernde Benachteiligung erleidet, die sich bei einer echten Aufwertung nicht ergibt1. So gehört z.B. Wolle zu den agrarischen Produkten, die im In- land nur mit 5,5% belastet sind, bei der Einfuhr jetzt also eine Vergütung in Höhe von 2% erhalten. Dagegen beträgt für Wollstoffe der Steuersatz 11%, die entsprechende Einfuhrvergütung damit 4%. Während die echte Aufwer- tung den inländischen Wollverarbeiter grundsätzlich auf der Import- und der Exportseite gleichmäßig getroffen hätte, bedeutet für ihn die steuerliche Lö- sung praktisch, daß der kostensenkende Effekt bei der Einfuhr der Rohwolle schwächer ist. Der mit ihm auf dem deutschen Markt konkurrierende aus- ländische Wollstoffexporteur ist nicht nur wettbewerbsfähiger geworden, weil die deutsche Wertschöpfung quasi-aufgewertet worden ist - dagegen wäre nichts einzuwenden -, sondern auch deshalb, weil die Einfuhrvergütung für Wolle in verarbeiteter Form höher ist als für Rohwolle. Dadurch wird der in- ländische Verarbeiter diskriminiert.

Eine weitere, mit dem Ziel, eine „Benachteiligung grenzferner Ausfuhr- unternehmer" 2 zu vermeiden, motivierte steuerdirigistische Verzerrung bringt das Absicherungsgesetz dadurch mit sich, daß die „mit der Ausfuhr ver- bundenen Beförderungskosten einschließlich der mit der Beförderung zu- sammenhängenden Nebenkosten" nicht zur Bemessungsgrundlage gehören. Dies bedeutet eine Begünstigung des Transportgewerbes und transfortkosten- intensiver Produkte. Da bei der Einfuhr die bis zur deutschen Grenze anfallen- den Transportkosten laut § 1 des Absicherungsgesetzes und § 11 Umsatz- steuergesetz Bestandteil der Bemessungsgrundlage der Einfuhrvergütung bilden, wirkt die Herausnahme der mit der Ausfuhr verbundenen Beförde- rungskosten global praktisch wie eine differenzierte, nämlich für Ausfuhren im Vergleich zu Einfuhren geringere Aufwertung.

1 Vgl. dazu die zutreffenden Ausführungen des Abg. Staratzke und die un- sachliche, am Problem vorbeigehende Erwiderung des Bundeswirtschaftsministers Dr. Schiller: Deutscher Bundestag, 199. Sitzung, S. 10722 ff.

» Vgl. Antrag der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Schmidt (Ham- burg), Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Frehsee, Dr. Schellenberg und Genossen und dor Fraktion der SPD (Bundestagsdrucksache V/3524, S. 8, zu § 3).

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Dieser Effekt dürfte allerdings durch die offene Satzdifferenzierung zwi- schen 0 und 4% überkompensiert werden. Sie berührt nämlich den deutschen Export insofern nur sehr schwach, als dieser ganz überwiegend Güter umfaßt, die im Inland mit 11 % besteuert sind, jetzt also bei der Ausfuhr durchgehend der 4prozentigen Sonderumsatzsteuer unterliegen. Auf der Importseite spie- len dagegen Agrarprodukte eine große Rolle, die nicht oder nur in Höhe von 2% in den Genuß der Einfuhrvergütung gelangen. Mit der umsatzsteuerlichen Differenzierung nach Güterarten ergibt sich also ein Aufwertungseffekt, der im Durchschnitt für Exporte stärker als für Importe ist, d.h. das Absicherungs- gesetz impliziert im Vergleich zur echten Aufwertung global eine relative Be- nachteiligung des Exportsektors bzw. eine relative Begünstigung der mit Import- waren konkurrierenden Produktionszweige.

Was die umstrittenen AUverträge betrifft, d.h. Abschlüsse vor dem In- krafttreten des Absicherungsgesetzes, so haben die steuerlichen Maßnahmen im Vergleich zur echten Aufwertung auch Nachteile für die „terms of trade". Die deutschen Exporteure waren nämlich wegen des bezüglich der DM schon lange bestehenden Aufwertungsverdachts und wegen der Schwäche traditionell im Welthandel verwendeter Währungen immer stärker dazu übergegangen, auf DM-Basis zu fakturieren. Im Falle einer echten Aufwer- tung wären sie rechtlich vor Bestandsverlusten weitgehend gesichert gewe- sen. Selbst wenn man zugibt, daß u.U. nicht selten deutsche Exporteure im Interesse einer längerfristigen Absatzsicherung leichte Preiszugeständnisse ge- macht hätten, bleibt zu vermuten, daß sie sich bei der steuerlichen Lösung wesentlich ungünstiger stellen, da sie in den weitaus meisten Fällen wohl die gesamte oder jedenfalls den überwiegenden Teil der Exportsteuer tragen müssen, die nicht überwälzte steuerliche Belastung also größer ist als die Ein- bußen in Form von nachträglichen Preiszugeständnissen bei einer Aufwer- tung. Soweit alte Exportabschlüsse auf Fremdwährungsbasis erfolgten - es handelt sich vielleicht um 20% des Gesamtbestandes -, ist der deutsche Ex- porteur zwischen den beiden betrachteten Absicherungsmaßnahmen in aller Regel indifferent. Im einen Fall reduziert sich via Wechselkursänderung der Gegenwert in DM um 4%, im anderen sind vom gleichbleibenden Gegenwerts- betrag 4% an den Fiskus abzuführen.

Deutsche Importeure mit Altverträgen auf DM-Basis werden durch die umsatzsteuerliche Regelung relativ begünstigt, soweit sie nicht im Inland steuerbefreite oder Marktordnungsprodukte importieren. Sie kommen in den Genuß eines reinen „windfall profit" bis zur Höhe von 2 oder 4%. Die im Falle einer Aufwertung von den ausländischen Lieferanten vielleicht nach- träglich eingeräumten Preisnachlässe wären wohl wesentlich niedriger ge- wesen.

Soweit die Importabschlüsse in fremden Währungen vorgenommen wor- den waren, lassen sich in bezug auf beide Maßnahmen keine Präferenzen er- kennen: Es geht um die Wahl zwischen gleichwertigen Subventionen und Verbilligung der zur Begleichung der Verbindlichkeiten anzukaufenden Devi- sen.

Vor allem wegen der im Export im Vergleich zum Import größeren Be- deutung der auf DM lautenden Abschlüsse vermute ich, daß in bezug auf die

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Altverträge eine echte Aufwertung eine Verbesserung der „terms of trade" mit sich gebracht hätte1. Es mag allerdings sein, daß unter Berücksichtigung von - für Ein- und Ausfuhr vielleicht unterschiedlich bedeutsamen - Termin- geschäften und Preisanpassungsklauseln sich Modifikationen ergeben.

Ich möchte die Analyse der Handelsbilanz nicht abschließen, ohne darauf hingewiesen zu haben, daß die Bundesrepublik nicht erst mit dem außenwirt- schaftlichen Absicherungsgesetz multiple Wechselkurse einführte. De facto gibt es diese nämlich schon so lange, wie der umsatzsteuerliche Grenzausgleich bewirkt, daß der offizielle Wechselkurs den Transaktionen der Kapital-, Übertragungs- und Teilen der Dienstleistungsbilanz zugrunde liegt, während die Steuererstattung bei der Ausfuhr praktisch einen für die deutschen Ex- porteure bzw. ausländischen Importeure günstigeren Kurs für Transaktionen der Handelsbilanz schafft. Die Preisrelationen zwischen deutschen umsatzbe- steuerten Waren, deutschen Fremdenverkehrsleistungen und deutschen Ver- mögensgegenständen sind also für den Ausländer bereits vor dem Absiche- rungsgesetz anders als für den Inländer gewesen.

Dieser von Giersch und Sievert2 herausgearbeitete Wechselkursspaltungs- effekt bereits der ursprünglichen Umsatzsteuerausgleichspraxis wird durch die Maßnahmen des Absicherungsgesetzes in dem Maße global reduziert, wie Sonderumsatzsteuer und Einfuhrvergütungen das Niveau des Steuerausgleichs an der Grenze senken. Dies dürfte aber unter Effizienzgesichtspunkten im Vergleich zu den aufgezeigten neuen Verzerrungen weniger bedeutsam sein.

3. Die Dienstleistungsbilanz

Damit komme ich zur Dienstleistungsbilanz. Sie wird von den umsatz- steuerlichen Maßnahmen des Absicherungsgesetzes, die sich ja auf die Einfuhr und Ausfuhr von Gegenständen beschränken, nicht berührt. Hier dürfte der Verzicht auf eine Aufwertung einen Verzicht auf mögliche Verbesserungen der realen Austauschverhältnisse bedeuten, besonders wenn man an Transportlei- stungen, den Reiseverkehr und an die sehr bedeutsamen Warenlieferungen und Dienstleistungen an ausländische Militärdienststellen in der Bundesrepu- blik denkt. Letztere sind durch das „Ofif-Shore" und das Natozusatzabkom- men von der Umsatzsteuerpflicht und damit auch von der Sonderumsatzsteuer

1 Dies gilt wohl auch dann noch, wenn man berücksichtigt, daß für umsatz- steuerbefreite und Marktordnungsgüter der vorstehende Vergleich zwischen steuer- licher Quasi- und echter Wechselkursänderung identisch ist mit der Untersuchung der Auswirkung einer offiziellen Wechselkursänderung auf Altverträge und daß das Gewicht dieser Waren auf der Einfuhrseite weitaus größer als auf der Ausfuhrseite ist.

1 Herbert Giersch (unter Mitwirkung von 0. Sievert und K. Stegemann): Zur ITra- ge der Anwendung des Ursprungs- oder Bestimmungslandprinzips bei der Umsatz- steuer im Gemeinsamen Markt, Heft 1 der Schriftenreihe der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie zur Wirtschafts- und Industriepolitik, Düsseldorf 1962. - Olaf Sievert: Außenwirtschaftliche Probleme steuerlicher Ausgleichsmaßnahmen für den Internationalen Handel, Heft 9 der Schriftenreihe „Annales Universitatis Saraviensis", Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Abteilung, Köln-Berlin- Bonn-München 1964.

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Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung 411

befreit. Amerikaner und Briten etwa können also jetzt die zur Bezahlung notwendigen Devisen zum alten, nun gewissermaßen Vorzugscharakter tra- genden Kurs kaufen, während sie bei einer echten Aufwertung mehr eigene Währungseinheiten aufwenden müßten. Inwieweit dieser Nachteil durch eventuelle zusätzliche Devisenausgleichsforderungen verloren ginge, steht auf einem anderen Blatt, ist allerdings auch wohl nicht ganz unabhängig von dem Maß einer deutschen Aufwertung und eines damit bewirkten Abbaus der deutschen Leistungsbilanzüberschüsse .

Vom Standpunkt der einzelnen Wirtschaftszweige aus gesehen sind die Nutznießer der die Transaktionen der Dienstleistungsbilanz nicht berührenden steuerlichen Teilaufwertung vor allem das Transport- und das Fremdenver- kehrsgewerbe, das Fremdenverkehrsgewerbe etwa deshalb, weil für Deutsche der Aufenthalt im Ausland nicht verbilligt, für Ausländer in Deutschland nicht verteuert wird. Der zweite Effekt -MÜe nicht vorgenommene Verteue- rung für Ausländer - kann allerdings vom nationalen Effizienzstandpunkt aus nicht als verzerrende Begünstigung des deutschen Fremdenverkehrs angese- hen werden. Es werden damit nämlich lediglich gewisse Nachteile partiell aus- geglichen, die ihm im Vergleich zur warenexportierenden Wirtschaft dadurch entstehen, daß seine Exportleistungen an sich im Inland aufhaltende Touri- sten im Gegensatz zum grenzüberschreitenden Warenverkehr nicht von der Mehrwertsteuer entlastet werden.

4. Die Übertragungsbilanz

Was die Übertragungsbilanz betrifft, die ebenfalls von den Maßnahmen des Absicherungsgesetzes nicht betroffen ist, so sind hier die Überweisungen aus- ländischer Arbeitskräfte, Leistungen an internationale Organisationen und staatliche Wiedergutmachungszahlungen von Hauptinteresse.

Eine echte Aufwertung würde für Gastarbeiter eine Erhöhung der Löhne bedeuten, die in die Heimatländer transferiert werden. Für die deutsche Volks- wirtschaft ist damit nur dann eine höhere reale Last verbunden, wenn die echte Aufwertung zu einem höheren Satz als die umsatzsteuerliche erfolgt und dadurch bedingt die deutschen Exportpreise sinken. Für die Unterneh- mungen bedeutet dies, daß sie ohne zusätzliche Kostenerhöhung ausländi- schen Arbeitskräften höhere Löhne anbieten können. Diesem tendenziell ar- beitsangebotserhöhenden Effekt kommt angesichts der Schlüsselstellung, die der Arbeitsmarkt für das weitere wirtschaftliche Wachstum bereits jetzt inne hat, besondere Bedeutung zu.

Die Bundesrepublik verzeichnet im Übertragungsverkehr mit internationa- len Organisationen, besonders mit der EWG, ein beträchtliches Defizit, das mit Sicherheit im Hinblick auf die zu erwartenden steigenden Ausgaben des Agrarfonds in den kommenden Jahren noch erheblich zunehmen wird. So- weit die Kostenverteilungsschlüssel festliegen, hätte eine auch die Übertra- gungen berührende echte Aufwertung zur Folge, daß die Bundesrepublik real weniger aufbringen müßte, wenn man von nicht in DM fixierten Verrech- nungseinheiten ausgeht.

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412 Norbert Andel

Eventuelle Mindereinnahmen oder eventuelle Mehrausgaben der Montan- industrie im Bahmen der Montanumlage sind im Vergleich dazu von recht ge- ringer Bedeutung. Soweit sich allerdings Verteilungsschlüssel an der Höhe des zum offiziellen Wechselkurs umgerechneten Bruttosozialprodukts oder Volks- einkommens ausrichten, kann eine Aufwertung längerfristig im Zuge einer Schlüsselrevision zu einem höheren deutschen Kostenanteil führen.

In DM fixierte Wiedergutmachungszahlungen des Bundes werden durch die Maßnahmen des Absicherungsgesetzes nicht berührt. Im Falle einer ech- ten Aufwertung würde sich dagegen für Empfänger im Ausland der Gegenwert in einheimischer Währung erhöhen. Auch hier gilt wiederum, daß sich damit für die deutsche Volkswirtschaft nur dann eine höhere reale Last ergibt, wenn die echte Aufwertung zu einem höheren Satz als die umsatzsteuerliche er- folgt und dadurch bedingt die deutschen DM-Exportpreise sinken.

5. Die Kapitalbilanz

Auch die Transaktionen der Kapitalbilanz, denen ich mich schließlich zu- wenden möchte, werden von den Maßnahmen des Absicherungsgesetzes nicht er- faßt. Eine echte Aufwertung hätte sich dagegen folgendermaßen ausgewirkt, wobei zunächst die im Zeitpunkt der Aufwertung bereits vorgenommenen, so- dann die zum neuen Kurs abzuwickelnden Kapitalbewegungen betrachtet werden sollen:

Eine DM- Aufwertung bedeutet/t¿r ausländische Investoren in aller Kegel, daß der Wert ihrer Anlagen, gemessen in Währungseinheiten ihres Landes, steigt. Wer etwa auf DM lautende festverzinsliche Wertpapiere oder Direkt- kredite auf DM-Basis an Deutschland gegeben hat, verzeichnet sowohl in be- zug auf den Kapitalbetrag als auch in bezug auf die Zinsen einen Aufwertungs- gewinn. Bei Direktinvestitionen und Beteiligungen einschließlich Erwerb deutscher Aktien ist es ähnlich, nur kann hier zumindest vorübergehend ein entgegengesetzter Effekt auftreten, wenn sich im Zuge der Aufwertung die Ertragslage in der Bundesrepublik verschlechtert. In welchem Ausmaß es dazu kommen wird, hängt natürlich wesentlich davon ab, inwieweit eine Aufwer- tung nur im Hinblick auf das außenwirtschaftliche Gleichgewicht vorgenom- men und deshalb mit Maßnahmen verknüpft wird, die den Nachfrageausfall intern kompensieren.

Der ausländische Investor hat dagegen keinen Aufwertungsvorteil, so- weit seine Forderungen gegen deutsche Inländer in nicht gleichzeitig aufge- werteten Fremdwährungen festgelegt sind.

Natürlich ist die Situation für den deutschen Kapitalexporteur im wesent- lichen genau umgekehrt. Seine Direktinvestitionen, Beteiligungen sowie auf Fremdwährungen lautenden Forderungen und künftigen Erträge sind, in DM gemessen, abgewertet worden.

Was die Transaktionen nach einer Aufwertung betrifft, so ändert sich - wenn man zunächst einmal von erwarteten künftigen Wechselkursänderungen und Kurssicherungskosten absieht - bei unveränderten Zinssätzen das inter- nationale Renditengefälle für festverzinsliche Anlagen nicht. Im Gegensatz zuWanderungen des Faktors Arbeit berührt eine Aufwertung nämlich nicht

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Zum Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung 413

nur die Kapitalerträge, sondern auch, die Kapitalerträge. Einer gegebenen Zinssumme in DM entspricht zwar ein um den Aufwertungssatz gestiegener Dollarbetrag, aber gleichzeitig muß ein im gleichen Verhältnis gestiegener Dollarbetrag zum Erwerb der entsprechenden DM-Forderung aufgebracht werden.

Grundsätzlich das gleiche gilt auch für den Erwerb von Aktien und sonstigen Beteiligungen. Im Falle einer Aufwertung müssen Amerikaner beim Kauf deutscher Unternehmungen wohl unverändert viel DM, und das heißt dann: mehr Dollar, Deutsche beim Erwerb amerikanischer Unterneh- mungen wohl unverändert viel Dollar, und das heißt dann: weniger DM auf- wenden. Die „terms of trade", wenn der Ausdruck in diesem Zusammenhang gestattet ist, würden sich auch in diesem Bereich zugunsten der Bundesrepu- blik verschieben. Das Renditengefälle würde dadurch jedoch nicht verändert.

Zieht man jetzt noch die erwarteten Wechselkursänderungen und die dadurch wesentlich bestimmten Kurssicherungskosten in die Betrachtung ein, so ergibt sich im Falle der echten Aufwertung insoweit ein nettokapitalexport- fördernder Effekt, wie sie in stärkerem Maße als die umsatzsteuerliche Ersatz- aufwertung die Erwartungen auf künftige Wechselkursänderungen beseitigt, sei es, daß das Ausmaß der Reduktion des Leistungs- bzw. Zahlungsbilanz- überschusses als größer erachtet wird, sei es, daß die Möglichkeit des Über- gangs von der umsatzsteuerlichen zur echten, auch die Kapitalbilanz erfas- senden Aufwertung entfallt.

Die umsatzsteuerlichen Maßnahmen des Absicherungsgesetzes stehen der so oft geforderten Erhöhung des deutschen Kapitalexports nicht so sehr dadurch entgegen, daß für die Transaktionen der Kapitalbilanz der alte Wech- selkurs beibehalten wurde, sondern dadurch, daß das Niveau der umsatz- steuerlichen „Teilaufwertung" zu niedrig ist, so daß man vermutet, über kurz oder lang werde doch eine echte Aufwertung erfolgen. Kein Wunder, daß po- tentielle deutsche Kapitalexporteure warten, bis ihre Kapitalexport-DM kauf- kräftiger geworden ist, um nicht immer dann über den Wechselkurs springen zu müssen, wenn er für sie gerade ungünstig ist.

Natürlich bedeutet die gleiche Konstellation einen Anreiz für Ausländer, zum für sie jetzt noch günstigen Kurs für Kapitaltransaktionen DM-Forde- rungen zu erwerben, um sie nach der erwarteten Aufwertung sofort oder spä- ter mit den Kapitalerträgen zu dem dann für Transaktionen in umgekehrter Richtung günstigen Kurs in einheimische Währungseinheiten umzutauschen.

Dieser Anreiz wäre im Vergleich zur Regelung des Absicherungsgesetzes geringer, wenn man im November vergangenen Jahres die DM zwar in bezug auf das Niveau auch ungenügend, aber unter Einbeziehung der Transaktio- nen der Kapitalbilanz aufgewertet hätte.

IV. Zusammenfassung

Fassen wir kurz die wichtigsten Punkte zusammen: Die umsatzsteuerliche Teilaufwertung hat im Vergleich zu einer echten

Aufwertung zwischen 4 und 6%

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414 Norbert Andel: Zum Gesetz über außeniüirtschaßiche Absicherung

1. den stabilitätspolitischen Nachteil, daß sie das außenwirtschaftliche Gleich- gewicht aller Voraussicht nach nicht bzw. in geringerem Maße herstellen wird.

2. den allokationspolitischen Nachteil, daß sie a) für den Bereich der Warenbilanz multiple Wechselkurse einführt, b) einen zu großen Teil des Sozialprodukts in Form des Außenbeitrags ins

Ausland lenkt, c) eine mögliche Entspannung des Arbeitsmarktes durch verstärkten Gast-

arbeiterzustrom nicht ausnutzt, d) den Kapitalexport hemmt, den Kapitalimport fördert,

3. den verteilungspolitischen Nachteil, eine mögliche Verbesserung der „terms of trade" zugunsten der Bundesrepublik nicht wahrzunehmen und im In- land einen Preisdruck auszuüben, der in seiner Differenzierungsrichtung der aus sozial- und kulturpolitischen Gründen gewollten Steuersatzdifferen- zierung entgegenläuft.

Die umsatzsteuerliche „ Teilaufwertung* ' ist auch ganz allgemein deshalb

bedauerlich, weil sie einen gefährlichen Präzedenzfall darstellt. Man hat einen der Hauptvorteile, den die neue Mehrwertsteuer im Vergleich zur abgelösten Bruttoallphasenumsatzsteuer hat: die Neutralität für den internationalen Wettbewerb, abzubauen begonnen. Man muß kein Prophet sein, um voraus- zusehen, wie in Zukunft, ganz ähnlich wie im vergangenen November in aller- dings geballter Form, Subventionsbegehren als Forderung vorgetragen wer- den, die Sonderumsatzsteuer und die Einfuhrvergütung für bestimmte Pro- dukte, also selektiv, zu senken oder ganz auszusetzen.

Im Vergleich zu den aufgezeigten Nachteilen scheinen mir die Hinweise auf die angeblich größere Flexibilität der steuerlichen Maßnahme, die ich im übrigen in dieser konkreten Situation nicht sehen kann, und auf die Belastung des Bundeshaushalts im Zuge des Ausgleichs der Verluste, die die Landwirt- schaft bei einer echten Aufwertung hinnehmen müßte, von geringem Gewicht zu sein. Eine Steuererhöhung hat das Absicherungsgesetz so und so mit sich gebracht - trotz der angeblichen „Ruhe an der Steuerfront". Eine erhöhte Verschuldung des Bundes kann kaum von denen als gefahrlich bezeichnet werden, die das geringe Niveau der Absicherungsmaßnahmen aus konjunktur- politischen Gründen verteidigen.

Wie zu Beginn meiner Ausführungen betont, habe ich mich auf eine ver- gleichende volkswirtschaftliche Analyse beschränkt. Man mag einwenden, diese Perspektive werde der politischen Situation und der spezifisch politischen Be- deutung der - wenn man so will - erfolgreichen Ablehnung einer deutschen Wechselkursänderung nicht gerecht.

Ich habe für diesen Standpunkt ein gewisses Verständnis, wenn auch we- niger für die zuweilen unangenehmen Begleittöne und den Versuch, innenpoli- tische Schwächen zu verdecken. Allerdings meine ich: Wenn man bei bedeut- samen weltwirtschaftspolitischen Entscheidungen außenpolitisches Steh- vermögen demonstrieren will, dann sollte man sich nach Möglichkeit einen solchen Anlaß wählen, daß das außenpolitisch Gewollte zugleich auch volks- wirtschaftlich zweckmäßig oder doch wenigstens nicht schädlich ist.

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