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M usste Katjes Lakritz und Frucht- gummi jahrelang zu teuer produ- zieren, weil die drei Großen der Zuckerbranche überhöhte Rechnungen stellten? Mit einem Streit über Transport- kosten und Preise hat am Freitag ein Scha- denersatz-Prozess gegen drei Zuckerher- steller in Mannheim begonnen. Das Süß- waren-Unternehmen Katjes verlangt von ihnen insgesamt rund 37 Millionen Euro Entschädigung wegen Kartellbildung. Preisabsprachen sind in der EU illegal, weil sie auch die Kosten für die Verbraucher künstlich erhöhen können. Das Bundeskartellamt hatte gegen die Beklagten Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen (Diamant-Zucker) Buß- gelder von zusammen 280 Millionen Euro verhängt. Südzucker musste mit 195,5 Mil- lionen Euro die höchste Einzelstrafe zah- len. Die Hersteller sollen über Jahre hin- weg bis 2009 Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen haben. Die drei Be- klagten bestritten bei der mündlichen Ver- handlung am Freitag, dass Katjes ein Scha- den entstanden sei. Eine Entscheidung soll am 22. April fallen. Der Katjes-Anwalt signalisierte dem Vorsitzenden Richter Andreas Voß, dass die Klägerseite zu Vergleichsverhandlun- gen bereit sei. Die Ver- teidiger der beklagten Unternehmen schlos- sen das jedoch aus. Voß wies auf die Schwierig- keiten hin, den Zu- ckermarkt unter dem Aspekt von Auswirkungen eines Kartells zu beurteilen, weil er stark reguliert sei. „Greift die Vermutung, dass man ein Kar- tell nicht nutzlos macht?“, nannte Voß eine entscheidende Frage des Verfahrens. „Wie hätte sich der Preis ohne Kartell entwi- ckelt?“ Der Richter erwog die Möglichkeit, ein Sachverständigen-Gutachten in Auf- trag zu geben. Den Zuckerherstellern droht eine Viel- zahl weiterer Verfahren. Am Landgericht Mannheim läuft bereits eine Klage des Bonbon-Herstellers Vivil gegen Südzucker über 1,3 Millionen Euro. Wenn die Klage von Nestlé verhandelt wird, stehen 50 Mil- lionen Euro im Raum. Die Summen setzen sich aus Entschädigungen plus Zinsen und Kosten zusammen. Nach aktuellen Infor- mationen sollen alleine vor dem Landge- richt Karlsruhe 21 Fälle verhandelt werden, weitere in Hannover und Köln. dpa Absprachen Katjes verlangt 37 Millionen Euro Entschädigung von den Zuckerproduzenten. Rechtstreit um Zuckerpreise Handel erwartet ein weiteres Wachstumsjahr D ie Bundesbürger bleiben aus Sicht des Handels angesichts steigender Löhne und günstiger Energiepreise ausgabefreudig. Für dieses Jahr rechnet die Branche mit einem Umsatzplus von zwei Prozent, wie der Handelsverband Deutsch- land (HDE) am Freitag in Berlin mitteilte. „Die Rahmenbedingungen waren letztes Jahr gut und sie bleiben auch 2016 gut“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Er kündigte weitere Neueinstellungen an. Den Lebensmittelerzeugern machte er kei- ne Hoffnung auf ein Ende der Preismisere. Im vergangenen Jahr konnte sich der Einzelhandel über den stärksten Umsatz- zuwachs seit 1994 freuen. Die Erlöse wuch- sen preisbereinigt um 2,7 Pro- zent, wie das Statistische Bun- desamt berichtete. Ein Fünf- tel seines Umsatzes macht der Handel im Weihnachtsge- schäft. Im November und De- zember kamen 2015 87,2 Mil- liarden Euro zusammen, 2,6 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Anders als das Bundesamt rechnet der Handelsverband Umsätze aus den Bereichen Kfz und Brennstoffe sowie Tankstellen und Apo- theken nicht ein. Er kommt so auf einen Jahresumsatz von 472,4 Milliarden Euro. Der Dezember fiel nach amtlichen An- gaben mit einem nominalen Plus von 1,7 Prozent allerdings schwächer aus als das Gesamtjahr. Nach den Terroranschlägen von Paris seien die deutschen Einkaufs- straßen zunächst leerer gewesen, sagte Genth zur Erklärung. Besonders stark ist den Zahlen zufolge abermals der Internet- handel gewachsen, der real um neun Pro- zent zulegte. Fast jeden zehnten Euro ge- ben die Bundesbürger beim Einkaufen in- zwischen im Netz aus. Der Lebensmittel- handel wuchs mit 2,3 Prozent etwas langsa- mer als der Einzelhandel mit Nicht-Le- bensmitteln, der um drei Prozent zulegen konnte. Stagnation herrschte hingegen bei Textilien, Schuhen und Lederwaren. Trotz des wachsenden Internetge- schäfts wachsen auch die stationären Han- delsflächen in Deutschland weiter, die In- vestitionen erreichen nach Branchenzah- len Rekordwerte. Dabei zerfällt die Ein- kaufslandschaft in zwei Welten: In gut gele- genen Einkaufsstraßen der Städte brummt der Handel, in Dörfern und Kleinstädten dagegen schließen immer mehr Läden. Eine Lösung für die Kunden auf dem Land ist schwierig. „Das ist eine der größten He- rausforderungen, die wir in den nächsten Jahren haben werden“, sagte HDE-Chef Genth. Auf der einen Seite boomende Großstädte wie et- wa Berlin, wo jährlich Zehn- tausende zuziehen. Auf der anderen Seite die Gemeinden, aus denen Menschen fortziehen und sich Handel im- mer weniger rechnet. Auch Ortsteile größe- re Städte sind betroffen. „Das sehen wir auch mit Sorge“, sagte Genth. Forderungen der Bauern nach höheren Erzeugerpreisen kann der Handel nach Genths Worten nicht nachkommen. Die Preise würden auf den Weltmärkten ge- macht. „Wir können diese Misere nicht auf- halten.“ Die Branche mit drei Millionen Mitarbeitern rechnet damit, die Zahl der Beschäftigten in diesem Jahr um ein Pro- zent zu steigern. Die Zahl der Minijobber gehe zu Gunsten sozialversicherungs- pflichtiger Beschäftigung zurück, hieß es. Zum Optimismus des Handels für 2016 trägt auch bei, dass der Kalender drei zu- sätzliche Verkaufstage hergibt. dpa Bilanz Der Umsatz der Branche wächst zum sechsten Mal in Folge. Der Handelsverband glaubt, dass die Kauflaune anhält. Zum Schluss gibt’s noch ein Reifendressing I m Prinzip ist eine Autowäsche genauso einfach, wie es Mr. Miyagi, der Trainer von Karate Kid im gleichnamigen Film, erklärt: „Auftragen rechte Hand. Polieren linke Hand.“ Und Atmen nicht vergessen. Viele stressgeplagte Berufstäti- ge wollen aber nicht mehr selbst Hand ans Auto anlegen – die Zeiten, in denen der Samstag für die liebevolle Pflege des eige- nen Vehikels reserviert war, sind vorbei. Darauf baut die Geschäftsidee von MyCleaner, einem Start-up mit Sitz in Stuttgart-Degerloch, auf. Das Unterneh- men bietet eine Autoreinigung auf Bestel- lung am Wunschort, sprich: zu Hause, wäh- rend man beim Friseur oder im Büro ist. „Die optimale Zeit für eine Autoreinigung ist während der Arbeitszeit“, findet Slawa Kister, Geschäftsführer und einer der Gründer von MyCleaner. Auf die Idee kam er, als der Unternehmensberater in Belgien tätig war und dort die Dienste eines lokalen Autoreinigers mit Hol- und Bringservice nutzte. „Das müsste doch auch als Marke und mit Vernetzung gehen“, dachte Kister. Die Idee lag ein paar Jahre brach, ehe der gelernte Maschinen- bauer sie bei einer Mit- fahrgelegenheit dem Medizintechnik-Studenten Abdula Hamed erzählte. Zusammen mit Hameds Bruder Mohamed und Kisters Frau Natalia grün- deten die beiden im Jahr 2011 MyCleaner, zuerst mit Sitz in Remseck am Neckar, spä- ter dann in Stuttgart. „Früher waren wir die Vollzeit-Cleaner, um erste Erfahrungen zu sammeln“, erzählt Mohamed Hamed. Cleaner ist die Bezeichnung für jene, die die Autos reinigen und polieren. Auch hier kam die Inspiration aus der Filmwelt. Nicht Leon, der Profikiller, sondern Win- ston Wolf, der ruppige, aber effiziente Tat- ortreiniger-Gangster aus „Pulp Fiction“ ge- spielt von Harvey Keitel. Die Cleaner sollen wie Wolf sein: schnell vor Ort und den Auf- trag erledigen, ohne Spuren zu hinterlas- sen – nur mit dem Unterschied, dass das Geschäft der Cleaner eben nicht gegen das Gesetz verstößt. „Wobei ein verschmutztes Auto auch kriminell ist“, scherzt Kister. Möglich wird die Vor-Ort-Reinigung durch den sparsamen Einsatz von Flüssig- keit: Etwa 200 Milliliter Reinigungsmittel brauche es, damit der Wagen außen wieder glänzt, sagt Kister. Kein Wasser, kein Schaum, alles biologisch abbaubar – deswe- gen kann man den Wagen auch an der Stra- ße putzen, ohne die saftigen Strafen der Kommune fürchten zu müssen. „In einer Waschanlage verbrauche ich etwa 600 Li- ter Wasser“, sagt Kister. In Kooperation mit einem Hersteller von Reinigungsmitteln haben Kister und Hamed ihre eigene Produktlinie herausge- bracht: eins für den Sommer, eins für den Winter, ein Allzweckreiniger für den In- nenraum und ein Oberflächen-Finish, in- tern auch „Reifendressing“ genannt. Der Innenraumreiniger kostet zwölf Euro, für 16 Euro gibt es die drei anderen Fläschchen à 500 Milliliter, das reiche für drei Autowä- schen, sagt Kister. Eine Außenreinigung kostet 19 Euro, innen 39 Euro. Alles weitere kostet extra, beispielsweise Flecken entfer- nen oder das Autoinnere desinfizieren. Da- mit kostet eine Rundum-Reinigung bei MyCleaner deutlich mehr als in einer Waschstraße, ist dafür aber gründlicher und besser für die Umwelt. Knapp 2000 Autos wäscht MyCleaner derzeit jeden Monat, vor allem für Unter- nehmen und Carsharing-Anbieter. Der Umsatz lag 2015 laut Kister im siebenstelli- gen Bereich. Für das Start-up arbeiten 50 Mitarbeiter, 35 davon als Cleaner. MyClea- ner ist an 13 deutschen Standorten verfüg- bar, unter anderem in Leipzig, München, Frankfurt und Stuttgart. Die Gründer wol- len 2016 weiter expandieren, auch aufs Land mit Hilfe von Franchise-Modellen. Kister denkt aber noch größer: „Wir wollen europaweit der Marktführer für Autoreini- gung werden.“ Geplant ist eine App, mit der der Kunde buchen und bezahlen und der Cleaner seine Arbeit dokumentieren kann, auch in Form von Vorher-Nachher-Fotos. Das hätte auch Sabiti Lindondo in einem Fall gerne gemacht. Der Kongolese ist seit Oktober bei MyCleaner. Über 100 Autos hat er seitdem gereinigt. Aus Erfahrung weiß er: Es sind nicht die großen Autos, die be- sonders verdreckt sind, sondern die klei- nen. „Eines davon war seit elf Jahren nicht mehr gereinigt worden. Außen und innen lagerten Moos und Schimmel. Zuerst dach- te ich, das sei ein Härtetest mit versteckter Kamera“, erzählt er. War es aber nicht. Lin- dondo biss die Zähne zusammen und rei- nigte den fahrenden Komposthaufen. Ge- atmet hat er dabei ein bisschen seltener als Mr. Miyagi empfiehlt. Firmenporträt MyCleaner bietet eine umweltfreundliche Autoreinigung am Wunschort. Die Unternehmer aus Degerloch wollen mit ihrer Marke europaweit an die Spitze. Die Branche kämpft jedoch seit Jahren mit Preisdumping. Von Philipp Obergassner Auftragen und polieren: Sabiti Lindondo arbeitet als Cleaner. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski „Pulp Fiction“ – der Film hat die Gründer inspiriert. Die Händler freuen sich über drei zusätzliche Verkaufstage 2016. In Karlsruhe sollen 21 Fälle verhandelt werden. FAHRZEUGAUFBEREITUNG Branche In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesverbands Fahrzeugaufbereitung (BFA) etwa 2300 Betriebe, die Autos von innen und außen reinigen und Schäden an Lack, Leder und Blech ausbessern. Von den 180 Mit- gliedern des Verbands sind etwa 60 Prozent Betriebe mit bis zu drei Mitarbeitern, knapp 30 Prozent beschäftigen drei bis fünfzehn Mitarbeiter. Preise Die meisten Fahrzeugaufbereiter arbei- ten laut BFA-Präsident Markus Herrmann für Autohändler. Preisdumping unter den Aufbe- reitern mache das Geschäft seit Jahren be- schwerlicher, sagt Herrmann. So bekomme man eine Komplettreinigung innen und außen mit Motorwäsche zum Teil bereits für 70 Euro. Insgesamt bewegten sich die Preisspannen zwischen 35 und 300 Euro. Ein weiteres Prob- lem seien unprofessionelle Angebote, die ein schlechtes Licht auf die Branche würfen. „Deswegen fordern wir seit Jahren, dass Fahr- zeugaufbereiter ein anerkannter Ausbildungs- beruf wird“, sagt Herrmann. pho Haus der Wirtschaft, Stuttgart von 14.30 bis 20.30 Uhr Besonderes Leserangebot: Abonnenten: Nur 15 Euro (Nicht-Abonnenten: 20 Euro) Für die Gäste vor Ort. Fahrzeugpräsentation von Jaguar und Land Rover Investieren | Vorsorgen | Anlegen 7. März 2016 Renommierte Experten der Finanzbranche präsentieren Anlagestrategien und Lösungsansätze für eine nachhaltige Kapitalanlage. Profitieren Sie vom fundierten Fachwissen unserer Kapitalmarktexperten und informieren Sie sich aus erster Hand. Jetzt gleich anmelden! Begrenzte Teilnehmerzahl! Exklusives Angebot für die Leser der Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Partner/Referenten: 2. Finanz-Forum Stuttgart Der Treffpunkt für Finanzexperten und Anleger Anmeldung unter 0711 7205 - 6152 oder unter [email protected] Key Note Speaker Prof. Dr. Hartwig Webersinke a z e m o s 15 Samstag, 30. Januar 2016 | Nr. 24 STUTTGARTER ZEITUNG WIRTSCHAFT

Zum Schluss gibt's noch ein Reifendressing...2016/02/01  · weitere in Hannover und Kl n. dpa Absprachen Katjes verlangt 37 Millionen Euro Entschd igung von den Zuckerproduzenten

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Page 1: Zum Schluss gibt's noch ein Reifendressing...2016/02/01  · weitere in Hannover und Kl n. dpa Absprachen Katjes verlangt 37 Millionen Euro Entschd igung von den Zuckerproduzenten

Musste Katjes Lakritz und Frucht­gummi jahrelang zu teuer produ­zieren, weil die drei Großen der

Zuckerbranche überhöhte Rechnungenstellten? Mit einem Streit über Transport­kosten und Preise hat am Freitag ein Scha­denersatz­Prozess gegen drei Zuckerher­steller in Mannheim begonnen. Das Süß­waren­Unternehmen Katjes verlangt vonihnen insgesamt rund 37 Millionen EuroEntschädigung wegen Kartellbildung.Preisabsprachen sind in der EU illegal, weilsie auch die Kosten für die Verbraucherkünstlich erhöhen können.

Das Bundeskartellamt hatte gegen dieBeklagten Südzucker, Nordzucker undPfeifer & Langen (Diamant­Zucker) Buß­gelder von zusammen 280 Millionen Euroverhängt. Südzucker musste mit 195,5 Mil­lionen Euro die höchste Einzelstrafe zah­len. Die Hersteller sollen über Jahre hin­weg bis 2009 Verkaufsgebiete, Quoten und Preise abgesprochen haben. Die drei Be­klagten bestritten bei der mündlichen Ver­handlung am Freitag, dass Katjes ein Scha­den entstanden sei. Eine Entscheidung sollam 22. April fallen.

Der Katjes­Anwalt signalisierte demVorsitzenden Richter Andreas Voß, dassdie Klägerseite zu Vergleichsverhandlun­gen bereit sei. Die Ver­teidiger der beklagtenUnternehmen schlos­sen das jedoch aus. Voßwies auf die Schwierig­keiten hin, den Zu­ckermarkt unter demAspekt von Auswirkungen eines Kartells zubeurteilen, weil er stark reguliert sei.„Greift die Vermutung, dass man ein Kar­tell nicht nutzlos macht?“, nannte Voß eineentscheidende Frage des Verfahrens. „Wiehätte sich der Preis ohne Kartell entwi­ckelt?“ Der Richter erwog die Möglichkeit,ein Sachverständigen­Gutachten in Auf­trag zu geben.

Den Zuckerherstellern droht eine Viel­zahl weiterer Verfahren. Am LandgerichtMannheim läuft bereits eine Klage desBonbon­Herstellers Vivil gegen Südzucker über 1,3 Millionen Euro. Wenn die Klagevon Nestlé verhandelt wird, stehen 50 Mil­lionen Euro im Raum. Die Summen setzensich aus Entschädigungen plus Zinsen undKosten zusammen. Nach aktuellen Infor­mationen sollen alleine vor dem Landge­richt Karlsruhe 21 Fälle verhandelt werden,weitere in Hannover und Köln. dpa

Absprachen Katjes verlangt 37 Millionen Euro Entschädigung von den Zuckerproduzenten.

Rechtstreit um Zuckerpreise

Handel erwartet ein weiteres Wachstumsjahr

Die Bundesbürger bleiben aus Sichtdes Handels angesichts steigenderLöhne und günstiger Energiepreise

ausgabefreudig. Für dieses Jahr rechnet dieBranche mit einem Umsatzplus von zweiProzent, wie der Handelsverband Deutsch­land (HDE) am Freitag in Berlin mitteilte.„Die Rahmenbedingungen waren letztes Jahr gut und sie bleiben auch 2016 gut“,sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.Er kündigte weitere Neueinstellungen an. Den Lebensmittelerzeugern machte er kei­ne Hoffnung auf ein Ende der Preismisere.

Im vergangenen Jahr konnte sich derEinzelhandel über den stärksten Umsatz­zuwachs seit 1994 freuen. Die Erlöse wuch­sen preisbereinigt um 2,7 Pro­zent, wie das Statistische Bun­desamt berichtete. Ein Fünf­tel seines Umsatzes macht derHandel im Weihnachtsge­schäft. Im November und De­zember kamen 2015 87,2 Mil­liarden Euro zusammen, 2,6 Prozent mehrals im Vorjahreszeitraum. Anders als das Bundesamt rechnet der HandelsverbandUmsätze aus den Bereichen Kfz undBrennstoffe sowie Tankstellen und Apo­theken nicht ein. Er kommt so auf einenJahresumsatz von 472,4 Milliarden Euro.

Der Dezember fiel nach amtlichen An­gaben mit einem nominalen Plus von 1,7Prozent allerdings schwächer aus als dasGesamtjahr. Nach den Terroranschlägenvon Paris seien die deutschen Einkaufs­straßen zunächst leerer gewesen, sagteGenth zur Erklärung. Besonders stark istden Zahlen zufolge abermals der Internet­handel gewachsen, der real um neun Pro­zent zulegte. Fast jeden zehnten Euro ge­ben die Bundesbürger beim Einkaufen in­zwischen im Netz aus. Der Lebensmittel­

handel wuchs mit 2,3 Prozent etwas langsa­mer als der Einzelhandel mit Nicht­Le­bensmitteln, der um drei Prozent zulegenkonnte. Stagnation herrschte hingegen beiTextilien, Schuhen und Lederwaren.

Trotz des wachsenden Internetge­schäfts wachsen auch die stationären Han­delsflächen in Deutschland weiter, die In­vestitionen erreichen nach Branchenzah­len Rekordwerte. Dabei zerfällt die Ein­kaufslandschaft in zwei Welten: In gut gele­genen Einkaufsstraßen der Städte brummtder Handel, in Dörfern und Kleinstädtendagegen schließen immer mehr Läden.Eine Lösung für die Kunden auf dem Landist schwierig. „Das ist eine der größten He­

rausforderungen, die wir inden nächsten Jahren habenwerden“, sagte HDE­ChefGenth. Auf der einen Seiteboomende Großstädte wie et­wa Berlin, wo jährlich Zehn­tausende zuziehen. Auf der

anderen Seite die Gemeinden, aus denenMenschen fortziehen und sich Handel im­mer weniger rechnet. Auch Ortsteile größe­re Städte sind betroffen. „Das sehen wirauch mit Sorge“, sagte Genth.

Forderungen der Bauern nach höherenErzeugerpreisen kann der Handel nachGenths Worten nicht nachkommen. DiePreise würden auf den Weltmärkten ge­macht. „Wir können diese Misere nicht auf­halten.“ Die Branche mit drei MillionenMitarbeitern rechnet damit, die Zahl der Beschäftigten in diesem Jahr um ein Pro­zent zu steigern. Die Zahl der Minijobbergehe zu Gunsten sozialversicherungs­pflichtiger Beschäftigung zurück, hieß es.Zum Optimismus des Handels für 2016trägt auch bei, dass der Kalender drei zu­sätzliche Verkaufstage hergibt. dpa

Bilanz Der Umsatz der Branche wächst zum sechsten Mal in Folge. Der Handelsverband glaubt, dass die Kauflaune anhält.

Zum Schluss gibt’s noch ein Reifendressing

Im Prinzip ist eine Autowäsche genausoeinfach, wie es Mr. Miyagi, der Trainervon Karate Kid im gleichnamigen

Film, erklärt: „Auftragen rechte Hand. Polieren linke Hand.“ Und Atmen nichtvergessen. Viele stressgeplagte Berufstäti­ge wollen aber nicht mehr selbst Hand ansAuto anlegen – die Zeiten, in denen derSamstag für die liebevolle Pflege des eige­nen Vehikels reserviert war, sind vorbei.

Darauf baut die Geschäftsidee vonMyCleaner, einem Start­up mit Sitz in Stuttgart­Degerloch, auf. Das Unterneh­men bietet eine Autoreinigung auf Bestel­lung am Wunschort, sprich: zu Hause, wäh­rend man beim Friseur oder im Büro ist.„Die optimale Zeit für eine Autoreinigungist während der Arbeitszeit“, findet SlawaKister, Geschäftsführer und einer derGründer von MyCleaner. Auf die Idee kam er, als der Unternehmensberater in Belgientätig war und dort die Dienste eines lokalenAutoreinigers mit Hol­ und Bringservicenutzte. „Das müsste doch auch als Marke

und mit Vernetzunggehen“, dachte Kister.

Die Idee lag ein paarJahre brach, ehe dergelernte Maschinen­bauer sie bei einer Mit­fahrgelegenheit dem

Medizintechnik­Studenten Abdula Hamederzählte. Zusammen mit Hameds BruderMohamed und Kisters Frau Natalia grün­deten die beiden im Jahr 2011 MyCleaner, zuerst mit Sitz in Remseck am Neckar, spä­ter dann in Stuttgart. „Früher waren wir dieVollzeit­Cleaner, um erste Erfahrungen zusammeln“, erzählt Mohamed Hamed.

Cleaner ist die Bezeichnung für jene, diedie Autos reinigen und polieren. Auch hierkam die Inspiration aus der Filmwelt.Nicht Leon, der Profikiller, sondern Win­ston Wolf, der ruppige, aber effiziente Tat­ortreiniger­Gangster aus „Pulp Fiction“ ge­spielt von Harvey Keitel. Die Cleaner sollenwie Wolf sein: schnell vor Ort und den Auf­trag erledigen, ohne Spuren zu hinterlas­sen – nur mit dem Unterschied, dass dasGeschäft der Cleaner eben nicht gegen dasGesetz verstößt. „Wobei ein verschmutztesAuto auch kriminell ist“, scherzt Kister.

Möglich wird die Vor­Ort­Reinigungdurch den sparsamen Einsatz von Flüssig­keit: Etwa 200 Milliliter Reinigungsmittelbrauche es, damit der Wagen außen wiederglänzt, sagt Kister. Kein Wasser, keinSchaum, alles biologisch abbaubar – deswe­gen kann man den Wagen auch an der Stra­ße putzen, ohne die saftigen Strafen derKommune fürchten zu müssen. „In einer

Waschanlage verbrauche ich etwa 600 Li­ter Wasser“, sagt Kister.

In Kooperation mit einem Herstellervon Reinigungsmitteln haben Kister undHamed ihre eigene Produktlinie herausge­bracht: eins für den Sommer, eins für denWinter, ein Allzweckreiniger für den In­nenraum und ein Oberflächen­Finish, in­tern auch „Reifendressing“ genannt. Der

Innenraumreiniger kostet zwölf Euro, für16 Euro gibt es die drei anderen Fläschchenà 500 Milliliter, das reiche für drei Autowä­schen, sagt Kister. Eine Außenreinigungkostet 19 Euro, innen 39 Euro. Alles weiterekostet extra, beispielsweise Flecken entfer­nen oder das Autoinnere desinfizieren. Da­mit kostet eine Rundum­Reinigung beiMyCleaner deutlich mehr als in einer

Waschstraße, ist dafür aber gründlicherund besser für die Umwelt.

Knapp 2000 Autos wäscht MyCleanerderzeit jeden Monat, vor allem für Unter­nehmen und Carsharing­Anbieter. DerUmsatz lag 2015 laut Kister im siebenstelli­gen Bereich. Für das Start­up arbeiten 50Mitarbeiter, 35 davon als Cleaner. MyClea­ner ist an 13 deutschen Standorten verfüg­bar, unter anderem in Leipzig, München,Frankfurt und Stuttgart. Die Gründer wol­len 2016 weiter expandieren, auch aufs Land mit Hilfe von Franchise­Modellen. Kister denkt aber noch größer: „Wir wolleneuropaweit der Marktführer für Autoreini­gung werden.“ Geplant ist eine App, mit derder Kunde buchen und bezahlen und derCleaner seine Arbeit dokumentieren kann,auch in Form von Vorher­Nachher­Fotos.

Das hätte auch Sabiti Lindondo in einemFall gerne gemacht. Der Kongolese ist seit Oktober bei MyCleaner. Über 100 Autos hater seitdem gereinigt. Aus Erfahrung weiß er: Es sind nicht die großen Autos, die be­sonders verdreckt sind, sondern die klei­nen. „Eines davon war seit elf Jahren nicht mehr gereinigt worden. Außen und innenlagerten Moos und Schimmel. Zuerst dach­te ich, das sei ein Härtetest mit versteckter Kamera“, erzählt er. War es aber nicht. Lin­dondo biss die Zähne zusammen und rei­nigte den fahrenden Komposthaufen. Ge­atmet hat er dabei ein bisschen seltener alsMr. Miyagi empfiehlt.

Firmenporträt MyCleaner bietet eine umweltfreundliche Autoreinigung am Wunschort. Die Unternehmer aus Degerloch wollen mit ihrer Marke europaweit an die Spitze. Die Branche kämpft jedoch seit Jahren mit Preisdumping. Von Philipp Obergassner

Auftragen und polieren: Sabiti Lindondo arbeitet als Cleaner. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

„Pulp Fiction“ – der Film hat die Gründer inspiriert.

Die Händler freuen sich über drei zusätzliche Verkaufstage 2016.

In Karlsruhe sollen 21 Fälle verhandelt werden.

FAHRZEUGAUFBEREITUNG

Branche In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesverbands Fahrzeugaufbereitung (BFA) etwa 2300 Betriebe, die Autos von innen und außen reinigen und Schäden an Lack,Leder und Blech ausbessern. Von den 180 Mit­gliedern des Verbands sind etwa 60 Prozent Betriebe mit bis zu drei Mitarbeitern, knapp30 Prozent beschäftigen drei bis fünfzehnMitarbeiter.

Preise Die meisten Fahrzeugaufbereiter arbei­ten laut BFA­Präsident Markus Herrmann für Autohändler. Preisdumping unter den Aufbe­reitern mache das Geschäft seit Jahren be­schwerlicher, sagt Herrmann. So bekomme man eine Komplettreinigung innen und außen mit Motorwäsche zum Teil bereits für 70 Euro. Insgesamt bewegten sich die Preisspannen zwischen 35 und 300 Euro. Ein weiteres Prob­lem seien unprofessionelle Angebote, die ein schlechtes Licht auf die Branche würfen.„Deswegen fordern wir seit Jahren, dass Fahr­zeugaufbereiter ein anerkannter Ausbildungs­beruf wird“, sagt Herrmann. pho

Haus der Wirtschaft, Stuttgartvon 14.30 bis 20.30 Uhr

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7. März 2016

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