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Zum Tode Hugo Liepmanns. Wenige Jahre naeh Vollendung seines 60. Lebensjahres ist Hugo Liepmann naeh l~ngerer Krankheit verstorben. Ein Forscher yon grol~em Stil, ein wiirdiger Tr~ger Wernickescher Oberlieferung ist mit ihm dahingegangen. Knfipft sich doch unl6slieh an seinen Namen die Entdeckung der Apraxie, der wertvollsten hirnpathologischen Feststellung der letzten Jahr- zehnte. Hirnphysiologie und Hirnpathologie, die lokalisato- rische Betrachtung der Hirnt~tigkeit bildeten stets den Angel- punkt seines wissenschaftlichen Forschens, aber nicht in ein- seitiger lokalisatorischer Richtung, sondern in dem bewugten Streben, mit den Ergebnissen der Hirnpathologie Psychologie und Psychiatrie in Verbindung zu bringen, ein Ziel, das Liep- mann yon seinem Lehrer Wernicke iibernommen hatte. Die Art, wie Liepmann das klinische Bild der Apraxie psycholo- gisch zergliederte, den AblauI des Handelns darlegte, zeigt das aufs beste un4 hat ihn weitergeffihrt zu ahn]iehen psycholo- gisch-psychiatrischen Fragen, insbesondere zu der des Ideen- ablaufs, die er in seiner bekannten Abhandlung fiber Ideenflueht zu 15sen suchte, die, vor allem dutch das Hervorheben der ,,Obervorstellung" als richtunggebend, trotz psyehologiseher Kritik ihre groBe Bedeutung immer behalten wird. Auch manche andere wertvolle Forschungen, die sich an die genann- ten mehr weniger eng anschlieBen, mit vielen wichtigen allge- mein psychiatrischen Darlegungen verdanken wir Liepmann. Alle seine Arbeiten sind ausgezeichnet durch eine ungewShn- liche Klarheit in Form und Fassung. Sein sehaffes Denken dri~ngte zu einer solehen pr~zisen und einfachen Darstellung, jeder Unklarheit mid Phrase war er abhold. Mit guBeren Ehren und Stellungen, wit sie sonst dem wis- sensehaftlichen Forseher zuteil werden, ist Liepmann wenig bedaeht, zum groBen Bed~uern vieler, auch ihm pers6nlich Fernstehender. Vermil]t hat er sie wolff kaum, under bedurfte ihrer jedenfalls nicht, denn sein Werk kr6nte ihn. E. Meyer, Archly fiir Psychiatrie, Bd. 7:. 42

Zum Tode Hugo Liepmanns

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Zum Tode Hugo Liepmanns.

Wenige Jahre naeh Vollendung seines 60. Lebensjahres ist Hugo Liepmann naeh l~ngerer Krankheit verstorben. Ein Forscher yon grol~em Stil, ein wiirdiger Tr~ger Wernickescher Oberlieferung ist mit ihm dahingegangen. Knfipft sich doch unl6slieh an seinen Namen die Entdeckung der Apraxie, der wertvollsten hirnpathologischen Feststellung der letzten Jahr- zehnte. Hirnphysiologie und Hirnpathologie, die lokalisato- rische Betrachtung der Hirnt~tigkeit bildeten stets den Angel- punkt seines wissenschaftlichen Forschens, aber nicht in ein- seitiger lokalisatorischer Richtung, sondern in dem bewugten Streben, mit den Ergebnissen der Hirnpathologie Psychologie und Psychiatrie in Verbindung zu bringen, ein Ziel, das Liep- mann yon seinem Lehrer Wernicke iibernommen hatte. Die Art, wie Liepmann das klinische Bild der Apraxie psycholo- gisch zergliederte, den AblauI des Handelns darlegte, zeigt das aufs beste un4 hat ihn weitergeffihrt zu ahn]iehen psycholo- gisch-psychiatrischen Fragen, insbesondere zu der des Ideen- ablaufs, die er in seiner bekannten Abhandlung fiber Ideenflueht zu 15sen suchte, die, vor allem dutch das Hervorheben der ,,Obervorstellung" als richtunggebend, trotz psyehologiseher Kritik ihre groBe Bedeutung immer behalten wird. Auch manche andere wertvolle Forschungen, die sich an die genann- ten mehr weniger eng anschlieBen, mit vielen wichtigen allge- mein psychiatrischen Darlegungen verdanken wir Liepmann. Alle seine Arbeiten sind ausgezeichnet durch eine ungewShn- liche Klarheit in Form und Fassung. Sein sehaffes Denken dri~ngte zu einer solehen pr~zisen und einfachen Darstellung, jeder Unklarheit mid Phrase war er abhold.

Mit guBeren Ehren und Stellungen, wit sie sonst dem wis- sensehaftlichen Forseher zuteil werden, ist Liepmann wenig bedaeht, zum groBen Bed~uern vieler, auch ihm pers6nlich Fernstehender. Vermil]t hat er sie wolff kaum, under bedurfte ihrer jedenfalls nicht, denn sein Werk kr6nte ihn.

E. Meyer,

Archly fiir Psychiatrie, Bd. 7:. 4 2