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HNO 2013 · 61:970–974 DOI 10.1007/s00106-013-2741-0 Online publiziert: 2. November 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 C.A. Bader 1  · H. Schütze 2  · B. Schick 1 1  Univ.-HNO-Klinik Homburg, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar 2  BRP Renaud und Partner, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte Stuttgart Zur Ausführung der fiberoptisch- endoskopischen Schluckdiagnostik  durch nichtärztliche Therapeuten  sowie durch Ärzte ohne HNO-ärztliche  bzw. ohne phoniatrisch-pädaudio- logische Gebietsbezeichnung Ärztliche und juristische Aspekte Hintergrund In der apparativen Diagnostik oropharyn- gealer Schluckstörungen haben sich vor- rangig 2 bildgebende Untersuchungsver- fahren etabliert: die Videokinematogra- phie einerseits sowie die endoskopische Schluckdiagnostik andererseits. Letzte- re wird seit über 20 Jahren routinemäßig in der Dysphagiediagnostik eingesetzt und i. d. R. fiberoptisch im Sinne einer FEES („fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing“, [1]) ausgeführt. Die dafür erforderlichen flexiblen Lichtleiter wur- den 1968 von Sawashima und Hirose [2] in den HNO-ärztlichen Bereich einge- führt. Weite klinische Verbreitung fand die fiberoptische Endoskopie dann im Lauf der 1980er-Jahre, nachdem der tech- nische Fortschritt sowohl eine Reduktion des Endoskopdurchmessers als auch eine maßgebliche Verbesserung der optischen Qualität ermöglichte. Aufgrund der engen Assoziation der fiberoptischen Nasopharyngolaryngo- skopie mit dem HNO-ärztlichen und dem phoniatrischen Gebiet lag bisher – zumindest in Deutschland – die Durch- führung der FEES vorrangig in den Hän- den der entsprechenden Fachärzte. Auch die Tatsache, dass ein relevanter Anteil der oropharyngealen Dysphagien auf struktu- rell bedingten, beispielsweise postopera- tiven Veränderungen der oberen Speise- wege beruht, legt nahe, die Expertise der genannten Fachgruppen für die Untersu- chung zu nutzen. Da andererseits akute und chronische Erkrankungen des Zen- tralnervensystems häufig zu oropharyn- gealen Schluckstörungen führen, wur- de die Anwendung der endoskopischen Untersuchungstechnik zunehmend von Untersuchern aus der Neurologie be- schrieben (z. B. [3, 4]). In den vergangenen Jahren hat sich je- doch nicht allein die Anwendergruppe der FEES im ärztlichen Bereich erweitert. Es werden auch von nichtärztlicher Seite Ansprüche geltend gemacht: So wird am Rande von Veranstaltungen zum Thema Dysphagie lebhaft diskutiert, ob – in An- lehnung an die Tätigkeit der „speech-lan- guage pathologists“ (SLP) in den USA – auch nichtärztliche Therapeuten wie z. B. Logopäden befugt sind, die fiberoptisch- endoskopische Schluckdiagnostik auszu- führen. Die Implementierung der FEES in das Tätigkeitsfeld des SLP wurde in den USA bereits 2003 von Hiss und Postma ausführlich diskutiert [5]. »   Diskutiert wird, ob  Logopäden die fiberoptisch- endoskopische Schluckdiagnostik  ausführen dürfen Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, so- wohl aus HNO-ärztlicher und phoniatri- scher Sicht als auch aus der juristischen Position darzustellen, inwieweit die Aus- führung der endoskopischen Schluckdia- gnostik in Deutschland durch nichtärztli- che Berufsgruppen bzw. durch Ärzte, die nicht über die HNO-ärztliche oder pho- niatrisch-pädaudiologische Gebietsbe- zeichnung verfügen, denkbar ist. Ärztliche Aspekte Die fiberoptisch-endoskopische Schluck- diagnostik stellt eine medizinisch-appara- tive Untersuchung dar, welche aufgrund des Eindringens in menschliche Körper- höhlen prinzipiell invasiven Charakter be- sitzt, auch wenn dafür natürliche Körper- öffnungen benutzt werden und keine Ver- letzung der äußeren Integrität des Orga- nismus erforderlich ist. Ihre Durchfüh- rung setzt eine klare Indikationsstellung voraus. Vor der endoskopischen Untersu- Redaktion A. Wienke, Köln 970 | HNO 11 · 2013 Medizinrecht

Zur Ausführung der fiberoptisch-endoskopischen Schluckdiagnostik durch nichtärztliche Therapeuten sowie durch Ärzte ohne HNO-ärztliche bzw. ohne phoniatrisch-pädaudiologische

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HNO 2013 · 61:970–974DOI 10.1007/s00106-013-2741-0Online publiziert: 2. November 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C.A. Bader1 · H. Schütze2 · B. Schick1

1 Univ.-HNO-Klinik Homburg, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar2 BRP Renaud und Partner, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte Stuttgart

Zur Ausführung der fiberoptisch-endoskopischen Schluckdiagnostik durch nichtärztliche Therapeuten sowie durch Ärzte ohne HNO-ärztliche bzw. ohne phoniatrisch-pädaudio-logische Gebietsbezeichnung

Ärztliche und juristische Aspekte

Hintergrund

In der apparativen Diagnostik oropharyn-gealer Schluckstörungen haben sich vor-rangig 2 bildgebende Untersuchungsver-fahren etabliert: die Videokinematogra-phie einerseits sowie die endoskopische Schluckdiagnostik andererseits. Letzte-re wird seit über 20 Jahren routinemäßig in der Dysphagiediagnostik eingesetzt und i. d. R. fiberoptisch im Sinne einer FEES („fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing“, [1]) ausgeführt. Die dafür erforderlichen flexiblen Lichtleiter wur-den 1968 von Sawashima und Hirose [2] in den HNO-ärztlichen Bereich einge-führt. Weite klinische Verbreitung fand die fiberoptische Endoskopie dann im Lauf der 1980er-Jahre, nachdem der tech-nische Fortschritt sowohl eine Reduktion des Endoskopdurchmessers als auch eine maßgebliche Verbesserung der optischen Qualität ermöglichte.

Aufgrund der engen Assoziation der fiberoptischen Nasopharyngolaryngo-skopie mit dem HNO-ärztlichen und dem phoniatrischen Gebiet lag bisher – zumindest in Deutschland – die Durch-führung der FEES vorrangig in den Hän-den der entsprechenden Fachärzte. Auch die Tatsache, dass ein relevanter Anteil der

oropharyngealen Dysphagien auf struktu-rell bedingten, beispielsweise postopera-tiven Veränderungen der oberen Speise-wege beruht, legt nahe, die Expertise der genannten Fachgruppen für die Untersu-chung zu nutzen. Da andererseits akute und chronische Erkrankungen des Zen-tralnervensystems häufig zu oropharyn-gealen Schluckstörungen führen, wur-de die Anwendung der endoskopischen Untersuchungstechnik zunehmend von Untersuchern aus der Neurologie be-schrieben (z. B. [3, 4]).

In den vergangenen Jahren hat sich je-doch nicht allein die Anwendergruppe der FEES im ärztlichen Bereich erweitert. Es werden auch von nichtärztlicher Seite Ansprüche geltend gemacht: So wird am Rande von Veranstaltungen zum Thema Dysphagie lebhaft diskutiert, ob – in An-lehnung an die Tätigkeit der „speech-lan-guage pathologists“ (SLP) in den USA – auch nichtärztliche Therapeuten wie z. B. Logopäden befugt sind, die fiberoptisch-endoskopische Schluckdiagnostik auszu-führen. Die Implementierung der FEES in das Tätigkeitsfeld des SLP wurde in den USA bereits 2003 von Hiss und Postma ausführlich diskutiert [5].

»  Diskutiert wird, ob Logopäden die fiberoptisch-endoskopische Schluckdiagnostik ausführen dürfen

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, so-wohl aus HNO-ärztlicher und phoniatri-scher Sicht als auch aus der juristischen Position darzustellen, inwieweit die Aus-führung der endoskopischen Schluckdia-gnostik in Deutschland durch nichtärztli-che Berufsgruppen bzw. durch Ärzte, die nicht über die HNO-ärztliche oder pho-niatrisch-pädaudiologische Gebietsbe-zeichnung verfügen, denkbar ist.

Ärztliche Aspekte

Die fiberoptisch-endoskopische Schluck-diagnostik stellt eine medizinisch-appara-tive Untersuchung dar, welche aufgrund des Eindringens in menschliche Körper-höhlen prinzipiell invasiven Charakter be-sitzt, auch wenn dafür natürliche Körper-öffnungen benutzt werden und keine Ver-letzung der äußeren Integrität des Orga-nismus erforderlich ist. Ihre Durchfüh-rung setzt eine klare Indikationsstellung voraus. Vor der endoskopischen Untersu-

RedaktionA. Wienke, Köln

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Medizinrecht

chung sind der Patient bzw. (beim Kind) die Erziehungsberechtigten über das ge-plante Prozedere und die möglichen Komplikationen aufzuklären.

Während eine allgemeine Prämedika-tion des Patienten i. d. R. nicht erforder-lich ist, empfiehlt sich – um die Einfüh-rung des Endoskops zu erleichtern und die Toleranz der Untersuchung für den Patienten zu verbessern – die endonasale Anwendung abschwellender und anästhe-sierender Medikamente, z. B. mittels Wat-teeinlage in die Nasenhaupthöhle. Bei die-sem Vorgehen sind Kenntnisse der Phar-makologie der verwendeten Wirkstoffe und der HNO-ärztlichen Untersuchungs-technik sowie ein geeignetes Instrumenta-rium (z. B. Nasenspekulum, Pinzette usw.) erforderlich.

Der typische Untersuchungsgang einer FEES kann in 3 Abschnitte unterteilt wer-den [6]:FDie Beurteilung der Luft- und Speise-

wegsanatomie und -physiologie ein-schließlich einer Bewertung der Fä-higkeit, Speichel und andere Sekrete bewältigen zu können;

Fdie Durchführung von Schluckversu-chen unter Verwendung verschiede-ner Nahrungskonsistenzen und Nah-rungsmengen sowie

F(optional) die endoskopische Beob-achtung von erlernten Schluckmanö-vern, welche dem Patienten ein siche-res Schlucken von Nahrung ermögli-chen sollen.

Damit die Untersuchung für den Patien-ten möglichst wenig belastend und wenig komplikationsträchtig durchgeführt wer-den kann, sind solide manuelle Fertigkei-ten in der Handhabung des Endoskops unabdingbar. Dies wiederum setzt Kennt-nisse der endoskopischen Anatomie und ein Mindestmaß an Übung voraus so-wie – zumindest beim noch Unerfahre-nen – die Anleitung und Beaufsichtigung durch einen erfahrenen Untersucher. Die Erlangung der genannten Fähigkeiten ist am ehesten erfüllt im Rahmen der HNO-ärztlichen oder phoniatrischen Weiter-bildung, hingegen aber nicht im Rahmen einer logopädischen Ausbildung. Themen wie die praktische endoskopische Unter-suchungstechnik oder die endoskopische Anatomie und Physiologie sind nicht ex-

plizit in der Ausbildungs- und Prüfungs-ordnung für Logopäden (LogAPro) ver-ankert [7].

Es ist darüber hinaus hervorzuhe-ben, dass der gestörte Schluckvorgang als Symptom anzusehen ist und das simulta-ne Vorhandensein verschiedener Ursäch-lichkeiten nicht ausgeschlossen werden kann: So ist gerade bei Patienten mit ty-pischen Risikofaktoren vorstellbar, dass zusätzlich zu einer neurogenen Ursache auch eine dysphagierelevante Komorbi-dität in Form einer Neoplasie der oberen Speise- und Luftwege besteht. Dabei ist insbesondere an Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle, des Oropharynx und des supragottischen Larynx sowie des Hypo-pharyx zu denken. Zur Häufigkeit solcher Komorbiditäten existieren nach Kenntnis der Autoren keine verlässlichen Studien. Es erhebt sich jedoch die Frage, inwieweit von Ärzten „fremder“ Fachgruppen oder gar von nichtärztlichen Therapeuten das Erkennen der genannten Pathologien ge-währleistet werden kann.

Als mögliche Komplikationen der FEES werden in der Literatur insbesonde-re die Auslösung von Epistaxis sowie die – sehr seltene – Provokation eines Laryn-gospasmus und das Auftreten vasovaga-ler Reaktionen genannt. Aviv et al. [8] ge-ben bei 6000 Untersuchungen an Patien-ten aller Altersgruppen die Häufigkeit einer Epistaxis mit 0,3% und die Häufig-keit von vasovagalen Synkopen bzw. eines Laryngospasmus mit jeweils 0,03% an. Allergische Reaktionen auf das verwen-dete Lokalanästhetikum wurden im glei-chen Patientengut in 0,02% der Untersu-chungen gesehen. Ferner berichten Aviv et al. [9] bei 500 fiberoptisch-endosko-pischen Untersuchungen mit zusätzli-cher sensorischer Testung (FEESST) an erwachsenen Patienten über das Auftre-ten einer Epistaxis in 1,2% der Fälle. Dies entspricht den Angaben von Cohen et al. [10]. Für pädiatrische Patienten wird von Willging (zitiert bei [8]) eine Auftretens-häufigkeit für Epistaxis von 1,2% genannt. In eigenen Untersuchungen [11] wurde bei 156 erstmalig untersuchten Patienten im Alter zwischen von 0,8 und 17,9 Jah-ren ein (leichtes und stets spontan sistie-rendes) Nasenbluten bei 1,9% der Unter-suchten beobachtet. Ein Laryngospasmus oder synkopale Ereignisse wurden nicht

gesehen. Allerdings wird die Problema-tik kindlicher Laryngospasmen im Zu-sammenhang mit endoskopischen Unter-suchungen der Speise- und Luftwege in der Literatur immer wieder thematisiert. Bei Durchführung der – im Vergleich zur FEES allerdings ungleich invasiveren – Bronchoskopie in Sedierung und Lokal-anästhesie berichten beispielsweise Raine und Warner [12] über einen Fall von La-ryngospasmus bei 50 untersuchten Kin-dern. De Blic et al. [13] dokumentierten 12 Laryngospasmen bei 1328 ebenfalls in Se-dierung ausgeführten bronchoskopischen Untersuchungen an Kindern.

»  Als Komplikationen der FEES werden u. a. Epistaxis sowie Laryngospasmus genannt

Eine Publikation, welche sich speziell mit der Thematik von FEES-Komplikatio-nen bei Patienten mit akutem Schlagan-fall befasst, stammt aus dem neurologi-schen Gebiet: Warnecke et al. [4] führten an 300 Erwachsenen fiberoptisch-endos-kopische Untersuchungen des Schluckens aus und ermittelten eine Epistaxishäufig-keit von 6% (ebenfalls spontan sistierend). Die Autoren beschreiben zudem, dass das Auftreten einer Epistaxis nicht signifikant von der Ursächlichkeit des Insults (ischä-misch vs. hämorrhagisch), von einer statt-gehabten Lyse oder von der Art der se-kundären Antikoagulation (Antikoagu-lation vs. Plättchenaggregationshemmer) abhängig war. Laryngospasmen oder Syn-kopen wurden auch in dieser Studie nicht beschrieben. Allerdings waren Kreislauf-reaktionen in Form von Erhöhungen des systolischen Blutdrucks, Erhöhungen der Pulsfrequenz und Absenkung der Sauer-stoffsättigung in Blut (allesamt passagerer Art) zu verzeichnen.

Das Auftreten von Komplikationen ist aufgrund der Studienlage somit zwar als sehr selten anzusehen, verlangt aber den-noch adäquate Vorsichtsmaßnahmen. Dazu gehört beispielsweise die Möglich-keit, eine nicht spontan sistierende Epi-staxis mittels Koagulation oder Tampo-nade versorgen zu können. Auch das Be-reithalten einer Notfallausrüstung und die Fähigkeit, diese adäquat zu benutzen, sind für den Fall einer schwerwiegenden Kom-

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plikation aus medizinischer Sicht unver-zichtbar.

Während die pernasale Endoskopie beim erwachsenen Patienten als tolerabel und insgesamt problemlos ausführbar an-gesehen wird (z. B. [4, 10]), ist beim pädi-atrischen Patienten mit Limitierungen zu rechnen durch die eingeschränkte Koope-rationsfähigkeit sowie – in Einzelfällen – auch durch anatomische Unwägbarkeiten [11]. Hier sind an die Erfahrung des Unter-suchers ebenso wie an die Rahmenbedin-gungen, unter denen die Untersuchung abläuft, besondere Ansprüche zu stellen.

Rechtliche Aspekte

Aufklärung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bun-desgerichtshofs erfüllt jeder Eingriff in den Körper eines Patienten den Tatbe-stand einer Körperverletzung [14, 15]. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Indikation für den Eingriff vorlag oder ob der Ein-griff von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Heilkunst durchgeführt wird. Es ist nicht einmal entscheidend, ob die Maßnahme im Ergebnis sogar eine Ver-besserung des Gesundheitszustands des Betroffenen bewirkt. Es soll vielmehr si-chergestellt sein, dass das Recht des Pa-tienten zur Selbstbestimmung über die körperliche Integrität gewahrt wird.

Die Behandlung ist insbesondere dann rechtmäßig, wenn der Patient nach Auf-klärung über die mit dem Eingriff ver-bundenen Risiken zustimmt („informed consent“). Entscheidend ist dafür das Ge-spräch zwischen Arzt und Patient. Dem Arzt obliegt es sicherzustellen, dass der Patient die Tragweite und Bedeutung der Aufklärung versteht. Dabei muss über die mit dem Eingriff verbundenen wesentli-chen Risiken aufgeklärt werden. Je gra-vierender die Auswirkungen einer Kom-plikation sind, desto eher muss auch auf unwahrscheinliche Risiken hingewiesen werden. Insbesondere bei „harmlos“ er-scheinenden Eingriffen ist dieser Aspekt zu betonen, weil die Patienten hier selten die Vorstellung haben, dass schwerwie-gende Folgen auftreten können, die die Lebensführung beeinträchtigen.

Die schriftliche Dokumentation des Aufklärungsgespräches und der Einwil-

ligung des Patienten ist für die Beweis-führung in einem etwaigen Haftungspro-zess dringend zu empfehlen. In der Pra-xis werden freilich meist nur bei Opera-tionen Aufklärungsformulare von Patient und Arzt unterschrieben; aus juristischer Sicht ist dies für alle invasiven Verfahren zu empfehlen.

Im vorliegenden Kontext handelt es sich um eine Untersuchungsmethode, bei der nur geringe Risiken bestehen. Aller-dings können dauerhafte Schäden beim Patienten nicht völlig ausgeschlossen wer-den.

Tätigkeit von Nichtärzten

Selbständige Ausübung der HeilkundeDie Ausübung der Heilkunde ist erlaub-nispflichtig (§ 1 Abs. 1 HeilpraktikerG). Die Ausübung der Heilkunde ohne Er-laubnis ist verboten und unter Strafe ge-stellt (§ 5 HeilpraktikerG). Zur Ausübung der Heilkunde sind insbesondere Ärzte aufgrund der Approbation berechtigt. Lo-gopäden und Linguisten gehören dagegen nicht zum Kreis derer, die die Heilkunde selbstständig ausüben dürfen.

Der Begriff Heilkunde ist in § 1 Abs. 2 HeilpraktikerG definiert: „Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist je-de berufs- oder gewerbsmäßig vorgenom-mene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausge-übt wird.“ Einschränkend wird dies da-hingehend verstanden, dass eine Tätig-keit dann Heilkunde ist, wenn sie nach all-gemeiner Auffassung medizinische Fach-kenntnisse voraussetzt [16]. Die FEES ist Heilkundeausübung am Menschen. Sie darf nicht von Logopäden oder Linguis-ten durchgeführt werden.

Die Entscheidung darüber, ob die selbstständige Ausübung von Heilkunde durch bestimmte Berufsgruppen neben den Ärzten, Psychotherapeuten und Heil-praktikern ermöglicht wird, liegt beim Ge-setzgeber. So dürfen beispielsweise Heb-ammen für den Bereich der Geburtshil-fe selbstständig tätig werden (§ 4 Hebam-menG). Ein Modellvorhaben im Bereich der Krankenpflege zeigt ebenfalls, dass die selbstständige Ausübung der Heilkun-

de durch Pflegekräfte nur im Ausnahme-fall möglich ist (§ 63 Abs. 3c SGB V, [17]).

Delegation ärztlicher AufgabenÄrzte, die mit einem Patienten einen Be-handlungsvertrag schließen, müssen ihre Leistungen persönlich erbringen. Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des mit dem Patienten geschlossenen Dienstver-trags [18, 19, 20]. Bei einer Behandlung in Krankenhäusern bezieht sich der Be-handlungsvertrag nicht auf die Behand-lung durch einen bestimmten Arzt, sofern nicht ein Belegarztvertrag, eine wahlärzt-liche Leistung oder sonst dies ausnahms-weise besonders vereinbart wird [21]. Patienten haben immer den Anspruch gegenüber dem Vertragspartner, auf ak-tuellem Facharztstandard behandelt zu werden. Dieser Maßstab wird insbeson-dere bei einem Haftungsprozess angelegt.

Darüber hinaus kann für die Abrech-nung ärztlicher Leistungen bei Privatversi-cherten aus § 4 GOÄ und für die Behand-lung gesetzlich Versicherter aus §§ 15, 28 SGB V und § 32 der Zulassungsverord-nung für Ärzte entnommen werden, dass nur eigene Leistungen des Arztes abge-rechnet werden dürfen. Dies schließt al-lerdings nicht eine Delegation bestimmter Leistungsbestandteile auf ärztliches oder nichtärztliches Hilfspersonal aus.

Es gibt nur wenige explizite Vorgaben in Gesetzen, die eine höchstpersönliche Leistungserbringung durch Ärzte vorse-hen und damit eine Delegation auf Hilfs-personal ausschließen. Nicht delegiert werden dürfen Leistungen, die dem Kern-bereich der ärztlichen Leistung zugeord-net sind [19]. Hierzu zählt man beispiels-weise eine Operation oder die Ein- und Ausleitung der Anästhesie [22].

Zumindest für den Bereich der FEES gibt es hinsichtlich der Delegationsmög-lichkeit keine Regelung im Gesetz oder Stellungnahmen in Literatur und Recht-sprechung. Nicht delegiert werden kann die Anamnese, weil diese für die ebenfalls vom Arzt zu stellende Diagnose und The-rapieplanung erforderlich ist. Generell de-legierbar sind beispielsweise Dauerkathe-terwechsel oder Wechsel einfacher Ver-bände [19]. Im Einzelfall kann der Arzt auch Injektionen, Infusionen oder Blut-entnahmen delegieren. In allen Fällen muss der ausführende Mitarbeiter die er-

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Medizinrecht

forderliche Qualifikation, Erfahrung und Zuverlässigkeit aufweisen. Der Arzt muss sich davon vorab überzeugen und anlei-ten. Er haftet für Fehler seines Hilfsper-sonals.

Damit der Arzt der Leistung sein per-sönliches Gepräge gibt, setzt die Leis-tungserbringung von invasiven Maßnah-men am Patienten durch nichtärztliches Hilfspersonal regelmäßig voraus, dass der Arzt in Rufweite anwesend ist und jeder-zeit eingreifen kann, wenn eine Kompli-kation auftreten sollte [23]. Ansonsten kann nicht mehr von einer eigenen, von ihm verantworteten Leistungserbringung des Arztes gesprochen werden. Bei der ärztlichen Entscheidung über die Delega-tion müssen etwaige Regeln der ärztlichen Heilkunde beachtet werden, die allerdings nur teilweise in schriftlich gefassten Leitli-nien festgehalten werden; daneben gelten die Regeln der ärztlichen Heilkunst auch in ungeschriebener Form [19].

»  Es gelten die Regeln der ärztlichen Heilkunst auch in ungeschriebener Form

Die FEES birgt nur ein geringes Verlet-zungsrisiko, sodass die Delegation unter diesem Aspekt im Einzelfall denkbar wä-re. Allerdings ist mit der Untersuchung die Erhebung und Interpretation der Be-funde verbunden. Bei der Untersuchung muss der Schluckvorgang optisch be-urteilt werden. Dies kann aber nur vom Arzt selbst vorgenommen werden. Al-lenfalls die Vor- und Nachbereitung der Untersuchung bietet Raum für eine Dele-gation an Hilfspersonal.

Tätigkeit von Ärzten

Ärzte mit einer Approbation dürfen die Heilkunde am Menschen ausüben. Sie ha-ben dabei die Regelungen der Berufsord-nung zu beachten. Für Vertragsärzte gel-ten daneben bei der Behandlung von ge-setzlich Versicherten zusätzlich die sozial-rechtlichen Regelungen [24].

Ärzte müssen nach den Heilberu-fe-Kammergesetzen, beispielsweise § 37 Heilberufe-Kammergesetz für Baden-Württemberg, grundsätzlich die Fachge-bietsgrenzen wahren. Wenn ausnahms-

weise, d. h. in einem Umfang von bis etwa 5%, fachfremde Leistungen erbracht wer-den, darf dies nicht berufsrechtlich sank-tioniert werden [25]. Die Grenzen sind in den Weiterbildungsordnungen festgelegt. Endoskopische Untersuchungsverfahren sind Ausbildungsinhalt verschiedener Facharztgruppen, beispielsweise für All-gemeinchirurgie. Eine besondere Rege-lung für die FEES findet sich nicht in der Weiterbildungsordnung. Allerdings sind Nasopharyngoskopie, Laryngoskopie so-wie Durchführung und digitale Auswer-tung der Videopharyngolaryngoskopie al-lein als Ausbildungsinhalte der Fachärz-te für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkun-de bzw. Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen aufgezählt [26]. Sofern fachfremde Ärzte diese Leis-tung erbringen, müssen sie sicherstellen, dass sie die Methode entsprechend den je-weils geltenden ärztlichen Standards an-wenden können, da sich ansonsten eine zivilrechtliche Haftung ergeben kann. Im Fall einer Übertragung von Aufgaben auf einen Arzt hat sich der anstellende Arzt bzw. der vorgesetzte Arzt davon zu über-zeugen, dass der ausführende Arzt die anzuwendende Technik beherrscht. Bei einem Phoniater oder HNO-Arzt kann er von dessen Qualifikation für die Durch-führung einer FEES ausgehen.

Die GOÄ sieht für die Abrechnung der Nr. 1418 bzw. 1466 GOÄ vor, dass die-se dem Gebiet Hals-, Nasen- und Ohren-heilkunde zugeordnet sind. Regelmäßig wird die Durchführung einer FEES mit dem spezifischen Fokus auf Fragestellun-gen aus dem HNO-Bereich daher für an-dere Arztgruppen eine fachfremde Leis-tung darstellen. Die Nutzung der endo-skopischen Untersuchungsmethode an sich stellt aber natürlich eine Option auch für andere Facharztgruppen dar.

Für den Bereich der gesetzlich Versi-cherten gibt der einheitliche Bewertungs-maßstab (EBM) in den jeweiligen Prä-ambeln vor, wer die Leistungen erbrin-gen und abrechnen darf. Die Gebühren-ziffern 09332 bzw. 20332 EBM sind HNO-Ärzten bzw. Phoniatern vorbehalten. Al-lenfalls mit einer entsprechenden Abrech-nungsgenehmigung können Vertragsärzte anderer Fachbereiche diese Leistungen bei gesetzlich Versicherten erbringen. Wenn eine solche Abrechnungsbefugnis fehlt,

muss der Patient an einen Facharzt ver-wiesen werden.

Fazit für die Praxis

Aus dem bisher Formulierten ergibt sich aus ärztlicher Sicht:FDie Ausführung der FEES verlangt 

eine sichere Handhabung des Endo- skops sowie profunde Kenntnisse über die Anatomie, die Physiologie und die Pathophysiologie der oberen Speise- und Luftwege.

FDas mögliche Auftreten von Kompli-kationen im Zusammenhang mit der Vorbereitung und der Durchführung der FEES macht das Bereithalten einer entsprechenden Notfallausrüstung und den geschulten Umgang damit erforderlich.

FBei der Durchführung der FEES sind differenzialdiagnostische Fähigkeiten relevant, da die Symptomatik einer Dysphagie prinzipiell auch multifak-toriell verursacht sein kann.

Aus dem bisher Formulierten ergibt sich aus rechtlicher Sicht:FDie FEES setzt eine Aufklärung über 

die wesentlichen Risiken des Eingriffs und Zustimmung des Patienten vor-aus.

FDie FEES darf von Ärzten durchge-führt werden. Nichtärztliches Perso-nal darf die FEES nicht selbstständig erbringen.

FDie FEES gehört zum Gebiet der Ärzte für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkun-de bzw. der Ärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen und ist zwar nicht als Methode, aber auf-grund der Fragestellung regelmäßig diesen Fachärzten vorbehalten.

Korrespondenzadresse

C.A. BaderUniv.-HNO-Klinik Homburg,  Universitätsklinikum des SaarlandesKirrberger Str., 66421 Homburg/[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  C.A. Bader, H. Schütze und B. Schick geben an, dass kein Interessenkonflikt be-steht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Langmore SE, Schatz K, Olsen N (1988) Fiberop-tic endoscopic examination of swallowing safety: a new procedure. Dysphagia 2:216–219

  2.  Sawashima M, Hirose H (1968) New laryngoscopic technique by use of fiberoptics. J Acoust Soc Am 43:168–169

  3.  Prosiegel M (2007) Neurogene Dysphagien. Ner-venarzt 78:1209–1215

  4.  Warnecke T et al (2009) The safety of fiberoptic en-doscopic evaluation of swallowing in acute stroke patients. Stroke 40:482–486

  5.  Hiss SG, Postma GN (2003) Fiberoptic endosco- pic evaluation of swallowing. Laryngoscope 113:1386–1393

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  8.  Aviv JE, Kaplan T, Langmore SE (2001) The safety of endoscopic swallowing evaluations. In: langmo-re SE (Hrsg) Endoscopic evaluation and treatment of swallowing disorders. Thieme, New York, S 235–242

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11.  Bader CA, Niemann G (2008) Dysphagien im Kin-des- und Jugendlichenalter. Zum Stellenwert der fiberoptisch-endoskopischen Schluckdiagnostik. HNO 56:397–401

12.  Raine J, Warner JO (1991) Fiberoptic broncho- scopy without general anaesthetic. Arch Dis Child 66:481–484

13.  De Blic J, Marchac V, Scheinmann P (2002) Compli-cations of flexible bronchoscopy in children: pro-sepective study of 1.328 procedures. Eur Respir J 20:1271–1276

14.  Bundesgerichtshof (2011) Urteil v. 22. 12. 2010 – 3 StR 239/10. MedR 29:809

15.  Ulsenheimer K (2010) § 138. In: Laufs A, Kern R (Hrsg) Handbuch des Arztrechts. Beck, München

16.  Rieger HJ, Hespeler U (2010) Heilkunde (Nr. 2410) In: Rieger HJ, Dahm FJ, Steinhilper G (Hrsg) Heidel-berger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht. CF Müller, Heidelberg

17.  Gemeinsamer Bundesausschuss (2011) Richtli-nie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V vom 20.10.2011. http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1401/. Zuge-griffen: 12. Sept. 2013

18.  Kern R (2010) § 38 Der Arztvertrag. In: Laufs A, Kern R (Hrsg) Handbuch des Arztrechts. Beck, München

19.  Kern R (2010) § 45 Die Pflicht des Arztes zur per-sönlichen Leistung. In: Laufs A, Kern R (Hrsg) Handbuch des Arztrechts. Beck, München

20.  Spickhoff A (2011) § 4 GOÄ (Nr. 240) In: Spickhoff A: Medizinrecht. Beck, München

21.  Rehborn M (2010) § 12 Krankenhausbehandlungs-vertrag. In: Huster S, Kaltenborn M (Hrsg) Kranken-hausrecht. Beck, München

22.  Clausen T, Schroeder-Printzen J (2011) Das Liqui-dationsrecht des Chefarztes. In: Ratzel R, Luxen-burger B (Hrsg) Handbuch Medizinrecht, 2. Aufl., § 18, Rn. 15 ff

23.  Kassenärztliche Bundesvereinigung (2008) Be-kanntmachungen – Persönliche Leistungserbrin-gung: Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen. Dtsch Arztebl 105:A-2173

24.  Berner B (2012) Fachübergreifende Gemein-schaftspraxis. (Bundessozialgericht, Urteil v. 14.12.2011 – B 6 KA 31/10 R). Dtsch Arztebl 109:A-1046

25.  Bundesverfassungsgericht (2011) Urteil v. 01.02.2011 – 1 BvR 2383/10. MedR 29:572

26.  Ärztekammer Baden-Württemberg (2011) Weiter-bildungsordnung vom 1.4.2011, 9. Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. http://www.aerztekam-mer-bw.de/10aerzte/30weiterbildung/archiv/wbo2011.pdf. Zugegriffen: 12. Sept. 2013

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Medizinrecht